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war nicht das einzige Mal, dass seine Fahr- künste gefragt waren. Abgesehen von der gut asphaltierten Panamericana, die den Kontinent von Norden nach Süden durch- zieht, sind die Strassen oft in einem mise- rablen Zustand. Und an den Passübergän- gen gibt es nicht einmal Leitplanken. Eine weitere Herausforderung war das Überque- ren von Flüssen, eine Disziplin, die Edwin Schafer hervorragend beherrscht. «Man muss den Fluss zuerst zu Fuss durchque- ren, um die Strömung einzuschätzen und zu prüfen, ob es Baumäste oder Schlamm hat. Danach quert man ganz vorsichtig, nicht wie bei einer Rallye. Dank unserem erhöh- ten Fahrgestell können wir Wassertiefen bis 1 m 20 durchqueren.» Im Gebirge wurde die Automechanik auf eine harte Probe ge- stellt. In Bolivien, auf 4600 m Höhe, griff der Kälte-/Staub-Cocktail den Partikelfilter an und verursachte einen Motorschaden. «Wir sassen drei Tage fest, bevor Hilfe kam. Dann wurden wir in eine moderne Merce- des-Garage abgeschleppt, in der sich alle Automechaniker um uns kümmerten.» Menschliche Begegnungen | Doch das Wesentliche liegt vor allem in der Begeg- nung mit den Einheimischen. So gilt die Aufnahme von Fremden als goldene Regel der Gastfreundschaft. Überall steht Rei- senden der Dorfplatz für die Übernachtung 8 CampCar 1 | 24. Januar 2013 Im Laufe seiner Karriere als Reiseberater fehlte es dem Freiburger Edwin Schafer nicht an Gelegenheiten, in ferne Länder zu reisen. Nahezu 75% davon hat er besucht, wobei er besonders auf die USA speziali- siert war. Man würde also meinen, dass er sich im Rentenalter für ein wohl verdien- tes, sesshaftes Leben an der Seite seiner Frau im heimatlichen Senseland, in Schmit- ten, entscheiden würde. Aber nein – noch immer reizte ihn das Abenteuer: «Ich wollte die Kehrseite der Medaille sehen, das Ge- wohnte verlassen.» So brach das Paar im September 2010 zu einer Odyssee durch den südamerikanischen Kontinent auf, während der es sieben Länder bereiste: Ar- gentinien, Chile, Brasilien, Bolivien, Peru, Ecuador und Kolumbien. Im Mai 2012 kehr- ten die beiden nach fast 42 000 Kilometern in die Schweiz zurück. Unverwüstlicher Milou | Eine solche Expedition wäre ohne ihren treuen Reise- gefährten Milou, ihrem Offroad-Wohnmo- bil, nicht möglich gewesen: «Ich habe es so getauft, weil es überall umherstreift, genau wie Tintins Hund.» Der Exploryx, eine Mischung aus Wohnmobil und Lastwagen, erfüllt alle Voraussetzungen für eine Aben- teuerreise durch Südamerika: Dieselmotor, Vierradantrieb, Geländegang, ein auf 1 m 20 cm erhöhtes Fahrgestell, eine gute Isolie- rung gegen Extremtemperaturen sowie kleine Fenster, die den Blick in die Wohn- kabine verwehren und so vor den Begierden der Diebe schützen. Vor allem aber bürgt der Mercedes-Motor für absolute Zuver- lässigkeit und unverwüstliche Robustheit. Abgesehen von ein paar Reifenpannen und einer höhenbedingten Störung des Partikel- filters hatten Edwin und Regula Schafer nämlich während ihres fast zweijährigen Herumreisens keine Schäden zu beklagen. Meister am Steuer | Wenn die Schafers auf ihre unvergleichliche Reise zurückbli- cken, überschlagen sich die Erinnerungen. Da sind als Erstes die unbeschreiblich schönen Naturlandschaften in Patagonien, aber auch der Zorn der entfesselten Ele- mente: «Der Wind war so stark, dass ein zehn Tonnen schwerer Lastwagen umge- kippt war», erzählt Edwin Schafer. «Wir fuhren derart im Zickzack, dass wir die ganze Strassenbreite brauchten.» Und dies Neugierige Weltenbummler 42000 Kilometer haben Edwin und Regula Schafer in Lateinamerika zurückgelegt. Das Paar aus Schmitten (FR) hat den Kontinent von Norden nach Süden durchquert und tausend Abenteuer in Begleitung ihres treuen Freundes, des Wohnmobils Milou, erlebt. Porträt Der in Schmitten (FR) wohnhafte Edwin Schafer hat während seiner ganzen Karriere im Tourismus gearbeitet: bei Hotelplan, American Express, Marti und Travel Tour, danach in seinem eigenen Reisebüro. Seine Lieblingsländer sind Namibia, Botsuana, Mosambik und Australien, das er wegen seiner einma- ligen Fauna und Flora schätzt. Im März 2013 wird er mit seiner Frau Regula zu einer Expedition durch Kanada und die USA aufbrechen. Die beiden planen be- reits jetzt, im Jahr 2015 via den Iran, Armenien und Georgien nach Usbekis- tan zu reisen. Auswandern? Das Paar hängt sehr am Kanton Freiburg. jop Edwin und Regula Schafer vor einer eindrücklichen Kulisse im Norden Argentiniens. Bilder zvg in ihrem Wohnmobil zur Verfügung, Gra- tis-Wi-Fi inklusive. «Nicht selten über- wachen die Einwohner auch den Platz von ihrem Fenster aus, damit uns nichts zu- stösst.» Im offenen Gelände hingegen drän- gen sich zwei Vorsichtsmassnahmen auf: «Man muss abseits der Strasse parken und die Bewohner der umliegenden Häuser be- nachrichtigen, dass wir nur Touristen sind. Wenn sie nämlich ein so grosses Fahrzeug sehen, denken sie vielleicht, dass es dem Militär gehört.» Während der ganzen Reise wurde das Paar kein einziges Mal behelligt. Schweizer Ambulanz | In einem Notiz- buch hat Regula Schafer die Adressen der Menschen notiert, denen sie und ihr Mann in Südamerika begegnet sind. Etwa jenes Schweizer Paares, das seit 17 Jahren ohne Unterbruch unterwegs ist, oder des in einer entlegenen Gegend Kolumbiens niederge- lassenen Bündners. Da Schafers ohne Zeit- plan reisten, konnten sie an den Orten, die ihnen besonders gefielen, länger verweilen. Zum Beispiel im Norden Perus, das mit Kul- turschätzen aufwartet, die dem Grab von Tutenchamun in nichts nachstehen. Ein weiterer Höhepunkt war ein Barockmusik- Konzert von Indios im bolivianischen Dschungel. Und weiss man in Südamerika, wo die Schweiz liegt? «Nein», lacht Edwin Schafer, «wenn sie die Schweizer Fahne auf unserem Gefährt sehen, halten sie uns für die Ambulanz.» Jacques-Olivier Pidoux

8 Neugierige Weltenbummler - Exploryx · 2013. 1. 30. · Tutenchamun in nichts nachstehen. Ein weiterer Höhepunkt war ein Barockmusik-Konzert von Indios im bolivianischen Dschungel

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Page 1: 8 Neugierige Weltenbummler - Exploryx · 2013. 1. 30. · Tutenchamun in nichts nachstehen. Ein weiterer Höhepunkt war ein Barockmusik-Konzert von Indios im bolivianischen Dschungel

war nicht das einzige Mal, dass seine Fahr-künste gefragt waren. Abgesehen von dergut asphaltierten Panamericana, die denKontinent von Norden nach Süden durch-zieht, sind die Strassen oft in einem mise-rablen Zustand. Und an den Passübergän-gen gibt es nicht einmal Leitplanken. Eineweitere Herausforderung war das Überque-ren von Flüssen, eine Disziplin, die EdwinSchafer hervorragend beherrscht. «Manmuss den Fluss zuerst zu Fuss durchque-ren, um die Strömung einzuschätzen und zuprüfen, ob es Baumäste oder Schlamm hat.Danach quert man ganz vorsichtig, nichtwie bei einer Rallye. Dank unserem erhöh-ten Fahrgestell können wir Wassertiefenbis 1 m 20 durchqueren.» Im Gebirge wurdedie Automechanik auf eine harte Probe ge-stellt. In Bolivien, auf 4600 m Höhe, griffder Kälte-/Staub-Cocktail den Partikelfilteran und verursachte einen Motorschaden.«Wir sassen drei Tage fest, bevor Hilfe kam.Dann wurden wir in eine moderne Merce-des-Garage abgeschleppt, in der sich alleAutomechaniker um uns kümmerten.»

Menschliche Begegnungen | Doch dasWesentliche liegt vor allem in der Begeg-nung mit den Einheimischen. So gilt dieAufnahme von Fremden als goldene Regelder Gastfreundschaft. Überall steht Rei-senden der Dorfplatz für die Übernachtung

8 CampCar 1 | 24.Januar 2013

› Im Laufe seiner Karriere als Reiseberaterfehlte es dem Freiburger Edwin Schafernicht an Gelegenheiten, in ferne Länder zureisen. Nahezu 75% davon hat er besucht,wobei er besonders auf die USA speziali-siert war. Man würde also meinen, dass ersich im Rentenalter für ein wohl verdien-tes, sesshaftes Leben an der Seite seinerFrau im heimatlichen Senseland, in Schmit-ten, entscheiden würde. Aber nein – nochimmer reizte ihn das Abenteuer: «Ich wolltedie Kehrseite der Medaille sehen, das Ge-wohnte verlassen.» So brach das Paar imSeptember 2010 zu einer Odyssee durch den südamerikanischen Kontinent auf,während der es sieben Länder bereiste: Ar-gentinien, Chile, Brasilien, Bolivien, Peru,Ecuador und Kolumbien. Im Mai 2012 kehr-ten die beiden nach fast 42000 Kilometernin die Schweiz zurück.

Unverwüstlicher Milou | Eine solche Expedition wäre ohne ihren treuen Reise-gefährten Milou, ihrem Offroad-Wohnmo-bil, nicht möglich gewesen: «Ich habe es sogetauft, weil es überall umherstreift, genauwie Tintins Hund.» Der Exploryx, eine Mischung aus Wohnmobil und Lastwagen,erfüllt alle Voraussetzungen für eine Aben-teuerreise durch Südamerika: Dieselmotor,Vierradantrieb, Geländegang, ein auf 1 m20 cm erhöhtes Fahrgestell, eine gute Isolie-rung gegen Extremtemperaturen sowiekleine Fenster, die den Blick in die Wohn-kabine verwehren und so vor den Begierdender Diebe schützen. Vor allem aber bürgtder Mercedes-Motor für absolute Zuver-lässigkeit und unverwüstliche Robustheit.Abgesehen von ein paar Reifenpannen undeiner höhenbedingten Störung des Partikel-filters hatten Edwin und Regula Schafernämlich während ihres fast zweijährigenHerumreisens keine Schäden zu beklagen.

Meister am Steuer | Wenn die Schafersauf ihre unvergleichliche Reise zurückbli-cken, überschlagen sich die Erinnerungen.Da sind als Erstes die unbeschreiblichschönen Naturlandschaften in Patagonien,aber auch der Zorn der entfesselten Ele-mente: «Der Wind war so stark, dass einzehn Tonnen schwerer Lastwagen umge-kippt war», erzählt Edwin Schafer. «Wirfuhren derart im Zickzack, dass wir dieganze Strassenbreite brauchten.» Und dies

Neugierige Weltenbummler42000 Kilometer haben Edwin und Regula Schafer in Lateinamerika zurückgelegt. Das Paar aus Schmitten (FR) hat den Kontinent von Norden nach Süden durchquert und tausend Abenteuer in Begleitung ihres treuen Freundes, des Wohnmobils Milou, erlebt.

Porträt

Der in Schmitten (FR) wohnhafte EdwinSchafer hat während seiner ganzenKarriere im Tourismus gearbeitet: beiHotelplan, American Express, Marti undTravel Tour, danach in seinem eigenenReisebüro. Seine Lieblingsländer sindNamibia, Botsuana, Mosambik undAustralien, das er wegen seiner einma-ligen Fauna und Flora schätzt. Im März2013 wird er mit seiner Frau Regula zueiner Expedition durch Kanada und dieUSA aufbrechen. Die beiden planen be-reits jetzt, im Jahr 2015 via den Iran,Armenien und Georgien nach Usbekis-tan zu reisen. Auswandern? Das Paarhängt sehr am Kanton Freiburg. jop

Edwin und Regula Schafer vor einer eindrücklichenKulisse im Norden Argentiniens.

Bilder zvg

in ihrem Wohnmobil zur Verfügung, Gra-tis-Wi-Fi inklusive. «Nicht selten über-wachen die Einwohner auch den Platz vonihrem Fenster aus, damit uns nichts zu-stösst.» Im offenen Gelände hingegen drän-gen sich zwei Vorsichtsmassnahmen auf:«Man muss abseits der Strasse parken unddie Bewohner der umliegenden Häuser be-nachrichtigen, dass wir nur Touristen sind.Wenn sie nämlich ein so grosses Fahrzeugsehen, denken sie vielleicht, dass es demMilitär gehört.» Während der ganzen Reisewurde das Paar kein einziges Mal behelligt.

Schweizer Ambulanz | In einem Notiz-buch hat Regula Schafer die Adressen derMenschen notiert, denen sie und ihr Mannin Südamerika begegnet sind. Etwa jenesSchweizer Paares, das seit 17 Jahren ohneUnterbruch unterwegs ist, oder des in einerentlegenen Gegend Kolumbiens niederge-lassenen Bündners. Da Schafers ohne Zeit-plan reisten, konnten sie an den Orten, dieihnen besonders gefielen, länger verweilen.Zum Beispiel im Norden Perus, das mit Kul-turschätzen aufwartet, die dem Grab vonTutenchamun in nichts nachstehen. Einweiterer Höhepunkt war ein Barockmusik-Konzert von Indios im bolivianischenDschungel. Und weiss man in Südamerika,wo die Schweiz liegt? «Nein», lacht EdwinSchafer, «wenn sie die Schweizer Fahne aufunserem Gefährt sehen, halten sie uns fürdie Ambulanz.»‹ Jacques-Olivier Pidoux

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Der robuste Exploryx meistert jede Situation. Szenen aus dem Alltag in Kolumbien (oben in der Mitte, unten rechts) und in Peru (oben rechts).«Bienvenido a Chile»: Die Gastfreundschaft der Südamerikaner manifestiert sich auf den Strassentafeln und im realen Leben (unten von links).

Regula und Edwin Schafer beim «Hito Cero» in Chile, dem Endpunkt der Panamericana, die in Anchorage (Alaska) beginnt.

24.Januar 2013 | CampCar 1 9