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DIESE ART DES PROTESTS U-BAHNZEITUNG DER PROTESTBEWEGUNG Mi 17.12.2009 • Nr. 8 • Kostenlos BURGTHEATER-DIREKTOR MATTHIAS HARTMANN IM INTERVIEW „VIELLEICHT MÜSST IHR EURE SACHE ZUR MUTFRAGE MACHEN.“ DIE GROSSE „MORGEN“-BENEFIZPARTY IM JÄNNER FOTO: MARTIN JUEN FOTO: LORANTRACZ FOTO: FIONA.OR.AT

8/2009: Diese Art des Protests

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Morgen - die U-Bahnzeitung aus dem besetzten Audimax

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Diese Art Des Protests

U-BahnZeitUng der ProtestBewegUng

Mi 17.12.2009 • Nr. 8 • Kostenlos

Burgtheater-Direktor Matthias hartMann iM interview

„vielleicht Müsst ihr eure sache zur Mutfrage Machen.“

Die grosse „Morgen“-Benefizparty iM jänner

Foto: Martin Juen

Foto: lorantracz Foto: Fiona.or.at

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Offenlegung gem. § 25 Mediengesetz:

Die AG-Zeitung ist ein freier Zusammenschluss von Studenten und Studen-tinnen, welche sich zum Ziel gesetzt haben die Öffentlichkeit mit unabhän-gigen Informationen zu versorgen. Sie ist frei von parteipolitischem Einfluss. Die AG-Zeitung finanziert sich durch Spenden, diese werde ausschließlich für Druckkosten verwendet.

Grundlegende Ausrichtung:

Wir sind eine freie und unabhängige studentische Wochenzeitung mit dem Ziel unsere Anliegen und Themen der breiten Öffentlichkeit näher zu bringen und die öffentliche Diskussion zu fördern. Wir bieten keinen Raum für jegli-che Art der Diskriminierung und stehen für eine faire und kritische Auseinan-dersetzung mit den Themen.

Impressum:

MedieninhaberIn & Herausgeber: Die Ag Zeitung der BesetzerInnen des Audimax Dr. Karl-Lueger-Ring 1 1010 Wien

Herstellerin: Druckerei Fiona, Wien www.fiona.or.at

Verlagsort & Herstellungsort: Wien

Diese art Des Protests . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .3

Wieso BasisDeMokratie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .3

Was Machen Die arBeitsgruPPen eigentlich genau? . . . . . . . . . . .4

Die Presse ag stellt sich vor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .5

Morgen, gratis zeitung Der ProtestBeWegung . . . . . . . . . . . . . . .5

Presseschau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .6

eMotionalisierung ohne inhalt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .6

Der „unMessBare“ Wert Der BilDung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .7

„hast Du schon gehört? eure BeWegung ist tot!“ . . . . . . . . . . . .7

„vielleicht Müsst ihr eure sache zur MutFrage Machen.“ . . . . .8

Die senDung Mit DeM graus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .10

auDiMax - Das PrograMM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .10

rätsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .11

hunD Der Woche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .11

inhAlt

Liebe Leserinnen, liebe leser

im Bildungsbereich muss es zu Verände-rungen kommen. Das wissen wir seit eini-ger Zeit. Obwohl der akute Missstand an den Universitäten immer wieder angespro-chen wurde, hat sich nichts zum Besseren gewandelt. Niemand fühlt sich zuständig, jede_r gibt das Problem weiter. Im Okto-ber haben einige Studierende beschlossen, das Audimax der Uni Wien zu besetzen um auf die offenen Fragen und die akuten Kon-flikt aufmerksam zu machen. Nun werden die Probleme artikuliert, sie werden thema-tisiert und: Es wird an der Umsetzung drin-gend notwendiger Änderungen gearbeitet.

Manchmal hört man in der Bevölkerung: „Die Forderungen de Bewegung unterstütze ich voll und ganz, aber mit dieser Art des Pro-tests bin ich nicht einverstanden.“ Zumeist ist damit die Besetzung des Audimax ge-meint. Doch soll eine wichtige Unterschei-dung stattfinden: Besetzung ist nicht gleich Bewegung.

Die Bewegung in Wien ist basisdemokra-tisch ausgerichtet. Das heißt: Es gibt keine Hauptansprechpartner_innen, unter deren Führung protestiert wird. Es gibt viele ver-schiedene Arbeitsgruppen, die sich mit spe-zifischen Aufgaben auseinandersetzen.

Wie funktioniert der Bildungsprotest 2009? Woran wird gearbeitet? Das sind die Fragen, die diese Ausgabe beschäftigen.

Eine interessante und kurzweilige Lektü-re wünscht,

die MORGEN-Redaktion

PS.: Der Protest braucht Unterstützer_innen. Der Erfolg der Bildungsbewegung liegt Ih-rer Verantwortung. Wenn wir auch Ihre Mei-nung vertreten, spenden Sie. Wir spenden unsere Zeit und Energie. Helfen Sie uns bei der Finanzierung.

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3u-Bahnzeitung Der ProtestBeWegung

Diese art Des ProtestsDie besondere Charakteristik des Bildungsprotestes 2009 ist zweifelsohne seine Fragmentierung. Es gibt kein „Unterneh-men Audimax“. Es gibt eine Bewegung, die von Beginn aus selbstständigen Einzelteilen bestand. Deshalb stellt diese Art des Protestes Medien, Politik und Bevölkerung (die Protestie-renden eingeschlossen) vor eine essentielle Schwierigkeit: Wie soll man sich das vorstellen?

Immer wieder werden Vertreter_innen benötigt. Das hat ganz prak-tische Gründe: Kommunikation, besonders in Form von Diskussi-onen und Verhandlungen, ist mit wenigen Beteiligten oft einfacher möglich, als mit 900 Einzelmeinungen in einem Audimax-Plenum. Hier stellt sich die Frage: Mit wem kann ich reden? Wer ist mein Ansprechpartner?

Das Besondere, das besonders Starke, aber auch das Schwieri-ge an dieser Bewegung ist: Der/die Ansprechpartner_in ist keine Person. Niemand muss für diese Rolle rund um die Uhr am Telefon erreichbar sein, es muss kein Büro aufgesucht werden. Ansprech-partner Nummer eins ist: www.unsereuni.at

Auf dieser Internetseite finden sich alle Informationen zur Bewe-gung. Pressemeldungen werden sofort über diese Seite publiziert. Das macht www.unsereuni.at nicht nur zu einem der wichtigsten Repräsentationsmedien, sondern auch zum Kernpunkt innerhalb der Bewegung.

Die Zeitung MORGEN erscheint jeden Mittwoch. Demonstrationen durch Wiener Straßen finden in unterschiedlichen Abständen statt. Zeitungen, Fernsehen und Radio berichten bei wichtigeren aktu-ellen Ereignissen, die Bewegung zur Bildungsdebatte betreffend.

In der Dezentralisierung des Protests liegt seine Stärke. Eine Einzel-person an der Spitze könnte schnell unter dem psychischen Druck, der auf ihr lasten würde, zusammenbrechen. Jede_r, der/ die sich um Veränderung in einem eingefahrenen System bemüht, steht un-ter starkem Druck. Die nicht hierarchisch strukturierte Bewegung trägt diesen Druck gemeinsam, nicht jede_r für sich.

Für das Ziel, ein Umdenken in der Gesellschaft zu bewirken, Bil-dung auch ohne ihren wirtschaftlichen Nutzen denken zu können; neben wirtschaftlichen auch soziale und kulturelle Werte gelten zu lassen: Für dieses Ziel wird man einen langen Atem brauchen. Da darf nicht in Wochen und Monaten, da muss in Jahren gedacht werden.

Um gemeinsam etwas zu erreichen braucht es Engagement. Und engagiert sind Menschen, die einen Sinn in ihrer Arbeit sehen. Um Sinn in seiner Arbeit sehen zu können, muss eine positive Grund-stimmung vorherrschen. Deshalb ist es speziell für die Einzelper-sonen, die in den verschiedenen Kleingruppen am Fortgang der Bewegung unentgeltlich und weitgehend ohne Anerkennung arbei-ten, wichtig, ihr psychisches Wohlbefinden sicherzustellen.

Die Bewegung ist kein Ganzes. Die Bewegung sind viele Einzelne. Jede_r hat eine eigene Meinung. Es gibt gewisse Grundkonsense, aber die große Stärke dieser Bewegung soll das sein, was sie von Universitätsleitung, Politik und Gesellschaft fordert: Selbstreflexi-on und konstruktive Eigenkritik.

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Die Protestbewegung besteht aus vielen, vielen Personen, die zu-sammen etwas bewegen wollen. JedeR hat eigene Vorstellungen, Vorschläge und Meinungen. Diese sollten nicht übergangen oder überhört werden. Daher war von Anfang an klar: das müssen wir zu-sammen anpacken. So kam es dann zu den bekannten Arbeitsgrup-pen (AGs), die sich je nach Thema zusammen fanden und -finden - offen für jedeN. Bei den Treffen gibt es bestimmte Tagesordnungs-punkte, wenn viele Leute da sind gibt es eine RednerInnenliste und dann wird erst mal diskutiert. Alle haben gleiches Recht mitzuspre-chen, egal wie lange er oder sie schon dabei ist. Verschiedene Per-spektiven sind wichtig zur Lösungsfindung, das kann dann schon mal seine Zeit dauern...

Wichtig dabei ist, dass nicht abgestimmt wird, sondern es wird versucht, ein Thema solange zu bearbeiten, bis die Gruppe zu ei-nem Konsens gefunden hat. So kann gewährleistet werden, dass wirklich im Sinne aller gehandelt wird und niemand zu kurz kommt.

Wie man in den letzten Wochen beobachten konnte, ein sehr ziel-führender, fairer Weg, den alle AGs hier gehen und die Ergebnisse können sich wirklich sehen lassen!

Von Anfang an war klar: diese Protestbewegung hat keineN An-führerIn und es gibt keine Hierarchien. Wie werden denn nun al-so die Entscheidungen getroffen? Wie gehen die AGs damit um?

Wieso BasisDeMokratie?

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WAs mAchen Die arBeitsgruPPen eigentlich genAu?Die Protestbewegung hat nie ein Konzept erstellt, wie sie funk-tionieren soll. Im Laufe der Zeit haben sich an allen Enden, an denen jemand die Notwenigkeit dafür gesehen hat, Arbeitsgrup-pen gebildet. Nun gibt es Arbeitsgruppen zur Konkretisierung der Forderungen, zur Verbesserung der Kommunikation inner-halb des AG-Systems, zum Programm im Audimax, zur Vorbe-reitung von Plena, Demonstrationen und Gesprächen. Einige Arbeitsgruppen seien hier vorgestellt:

Squatting Teachers - Auch die Lehrenden haben sich organisiert

In Wien haben sich auch Lehrende und Forschende von verschie-denen Universitäten in Arbeitsgruppen organisiert. In den letzten Wochen erarbeiteten sie einen eigenen Forderungskatalog, der für sichere und effizientere Arbeitsverhältnisse an den Universitäten sorgen soll. Nach Aussagen eines Mitglieds besteht die Gruppe „Squatting Teachers“ (zu deutsch: Besetzende Lehrende) derzeit aus circa 200 Personen. Sie haben sich mit den Forderungen der Studierenden-Bewegung solidarisiert.

es fehlen konkrete forderUngen?

Auf der Wiki-Seite von unsereuni.at finden sich alle Forderungen der Protestbewegung ausformuliert und konkretisiert. Um weiter an den Ausführungsmöglichkeiten der Forderungen zu arbeiten, haben sich viele Arbeitsgruppen gebildet. Jede dieser Gruppen hat sich eine Forderung vorgenommen, arbeitet Formulierungen und Lö-sungsansätze aus. So die „Barrierefreie UNI AG“, die sich mit der Durchsetzung des Behinderten-Gleichstellungs-Gesetzes an ös-terreichischen Universitäten auseinandersetzt. Ihre Forderung: Es soll keinem/keiner Taubstummen, keinem/keiner Rollstuhlfahrer_in aufgrund der Behinderung der Weg zu Bildung verwehrt bleiben.

wie soll das alles finanZiert werden?

Zum Glück gibt es die AG Hochschul-Finanzierung, die sich mit den verschiedenen Möglichkeiten, die Forderungen zu finanzieren, be-schäftigt. Woher das Geld kommen soll? In Zeiten der Wirtschafts-krise? Die AG arbeitet gerade an Vorschlägen zu einer Reform bzw. Wiedereinsetzung der Vermögenssteuer, Erbschafts- und/oder Schenkungssteuer bzw. der Vermögenszuwachssteuer, sowie einer Besteuerung von Gewinnen durch Aktienverkäufe. Andere Themen sind progressive Kest, Tobinsteuer und eine Asfinag- Verwaltungs-reform. Ziel der Arbeitsgruppe ist, konkrete Vorschläge zur Finan-zierung des Hochschulwesens aufzustellen, um damit konkrete Forderungen an die Politik richten zu können.

organisierter Protest

Sowie sich einzelne AGs zu Bündnissen zu den Themen Forderun-gen, medialer Selbst-Darstellung oder Presse-Kontakten zusammen gefunden haben, beschäftigen sich auch einige Arbeitsgruppen mit dem Innenleben der Protestbewegung. Zum Beispiel die Konzepte AG, die sich selbst vorstellt:

„Wir diskutieren und entwerfen neue Möglichkeiten um die Organi-sation der Besetzung effizienter und demokratischer zu gestalten. Besonderes Augenmerk legen wir dabei auf Kommunikationsmög-lichkeiten per Internet und einen geordneten Diskussionsablauf.“

Niklas, Mitarbeiter der AG Konzepte

„ich Betrachte die BesetZUng als illegal.“ - das gesetZ nicht.

Die AG Rechtshilfe beschäftigt sich mit dem rechtlichen Rahmen der Besetzung, sowie sämtlicher Aktivitäten der Bewegung. Ihre Mitarbeiter_innen betreuen rund um die Uhr eine Notfall-Telefon-nummer und beraten die einzelnen Arbeitsgruppen juristisch. Auf ihrer Website heißt es zum Thema Besetzung:

ist es strafBar ein geBäUde ZU BesetZen oder an einer BesetZUng teilZUnehmen?

-Nein, das bloße Besetzen eines Gebäudes ist in Österreich nicht strafbar.

-Für Sachbeschädigung ist nur die individuelle Person haftbar, wel-che diese Sache tatsächlich beschädigt hat. TeilnehmerInnen wel-che nichts beschädigt haben brauchen nichts zu befürchten!

[http://unsereuni.at/wiki/index.php/Rechtshilfe_AG; Zugriff: 12.12.09]g

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5u-Bahnzeitung Der ProtestBeWegung

Die Presse Ag stellt sich vorMit einer der ersten Arbeitsgruppen wurde die AG Presse eingerichtet. Ihr findet uns direkt beim Seiteneingang neben dem Audimax. Seit den ersten Tagen betreuen wir Journa-list_innen, die zu uns ins Audimax kommen, um über die Studentenproteste zu berich-ten. Auch über unser Pressehandy erreichen uns viele Anfragen der Medien, die von uns telefonisch informiert werden. Wir geben viele Interviews, vermitteln aber Gespräche und Studiotermine im Fernsehen und Radio auch an andere Besetzer_innen weiter, da-mit jede_r mal zu Wort kommt, schließlich sind wir keine offiziellen Pressesprecher_innen. In regelmäßigen Abständen versen-den wir Pressemitteilungen an die Medien.

Jeden Tag erreichen uns in etwa 100 E-Mails, die beantwortet oder an die entsprechen-den Arbeitsgruppen weitergeleitet werden

müssen – der logistische Aufwand ist groß. Neuigkeiten, die uns per E-Mail geschickt werden, veröffentlichen wir auf der Home-page http://unsereuni.at – diese wird von uns inhaltlich betreut. Unsere Forderungen, poli-tische Entwicklungen, aber auch Veranstal-tungshinweise und Solidaritätserklärungen sind dort zu finden. Die anderen besetzten Universitäten in Österreich können ebenfalls Informationen online stellen.

Die „social networks“, unsere sozialen Netz-werke, spielen bei unserer Arbeit eine wich-tige Rolle. Facebook, Twitter und StudiVZ sind Plattformen im Internet, dort kann jede_r Mitglied werden und mit anderen Leuten in Kontakt treten, also sich „vernetzen“. Hier beantworten wir direkt Fragen und speisen die neuesten Informationen und Ankündi-gungen ein.

Morgen, gratis zeitung Der ProtestbeWegungBei den Student_innen hat es sich schnell herumgesprochen: „Die Audimax-Besetzung hat jetzt eine eigene Zeitung!“ Die 1000 Stück umfassende erste Ausgabe war sofort vergriffen. Tags darauf gab es bereits Fotoshootings mit Pressefotografen. Was steht drinnen und warum gibt es diese Zeitung überhaupt?

Kein Morgen ohne Heute. Heute gehen die Studierenden auf die Straße und besetzen unzählige Hörsäle. Mittlerweile in ganz Euro-pa. Heute passiert was. Und es passiert für morgen, unser aller Zu-kunft. Doch warum gehen sie auf die Straße? Was wird gefordert? Warum regen sie sich überhaupt auf? Die Medienlandschaft in Ös-terreich ist ausgedörrt. Der staatliche Rundfunk schweigt. Auflagen-starke Zeitungen zeigen sich abgeneigt. Die „Morgen“ entstand als Gegengewicht. Sie bietet Information von innen, von den Betrof-fenen selbst. Es werden Tatsachenberichte geliefert, die Probleme verständlich aufbereitet. „Morgen“ ist Boulevard im positiven Sinn. Kleine Häppchen für zwischendurch. Jede_r versteht sie. Jede_r bekommt die Möglichkeit zu verstehen.

eine erste aUsgaBe in rekordZeit

Schnell war sie gegründet. Schneller war klar, wann sie erscheinen wird. Am schnellsten war klar, dass sie uns Stress machen wird, die „Morgen – U-Bahnzeitung der Protestbewegung“. Binnen acht Stun-den wurde die erste Ausgabe erschaffen. Dann ging sie in Druck. Jetzt ist sie schon fast ein Sammlerstück, denn von dieser ersten „Morgen“ gab es magere 1000 Exemplare. Für die nächsten Aus-gaben fanden wir uns in Kleingruppen zusammen. Wir organisierten so die Themen und trafen Entscheidungen. In offenen Redaktions-sitzungen diskutieren wir im großen Rahmen unsere Anliegen und die Inhalte von „Morgen“. So schaffen wir Raum für wichtige Ent-scheidungen. Wir finden uns danach in kleinerem Kreis zusammen, um die passenden Artikel auszuwählen, wobei wir hier auf perso-nelle Rotation setzen.

die nähe ZUm aUdimaxismUs

Inhaltlich orientiert sich die „Morgen“ an den Forderungen und Zielen des Audimaxismus. Erklärtes Ziel ist die Information und Aufklärung von Außenstehenden. Alle Meinungen sind willkommen, sofern sie frei von Diskriminierungen aller Art sind. Durch die gendergerechte Schreibweise sollen die Leser_innen auf die in unserer Gesellschaft noch immer vorherrschende Problematik der Ungleichbehandlung hingewiesen werden. Eine Behinderung des Leseflusses ist daher durchaus erwünscht. Ansonsten wird auf journalistischen Stil ge-achtet. „Weg vom elitären, universitären Schreibstil!“ lautet die De-vise. „Morgen“ ist eben für alle da. Der Zugang zu guter Information darf nicht vom Bildungsgrad abhängig gemacht werden.

werBUng? ohne Uns – solange es geht.

Der Finanzplan dieser jungen Zeitung basiert auf Spenden. Zuwen-dungen aller Art ermöglichten eine Auflage von 10.000 Exemplaren bei der zweiten Ausgabe. Durch den Verzicht einer Nennung ent-steht für die Geldgeber_innen keine Art von Vorteil. Werbeschal-tungen lehnte das Redaktionsplenum einstimmig ab. Während der Besetzung, und nach Möglichkeit darüber hinaus, soll dem so bleiben. Eine Unabhängigkeit vom Werbemarkt garantiert auch ei-ne inhaltliche Unabhängigkeit. Kostengünstiges Produzieren wird durch die gute Presseorganisation im Audimax ermöglicht. Fotos müssen nicht zugekauft werden und Pressemeldungen kommen über ein internes System. Diverse Gastautor_innen unterstützen die Zeitung mit Wortspenden und Sachspenden ermöglichen ei-nen günstigen Druck.

wie geht’s weiter?

Das Ende der Besetzung bedeutet nicht das Ende der Bewegung. Die Medienlandschaft in Österreich ist karg. Aus diesen Gründen wird die „Morgen“ die Besetzung überdauern. Die Gründung eines Vereines garantiert das Fortbestehen: Strukturen werden gefestigt, Ideale weiter hochgehalten. Dieses Sprachrohr kritisch denkender Studierender bietet ein Gegengewicht zu den vielen, derzeit sehr lifestyle- und modelastigen jungen Medien. Stattdessen bekom-men Kritik, Satire und Diskurs ihren verdienten Platz. Missstände werden aufgezeigt, Erfahrungen ausgetauscht. Und jeden Mittwoch gibt es eine neue „Morgen“.info&kontakt

http://unsereuni.at/[email protected]

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PresseschAuVon den Titelseiten in die Feuilletons und zurück – die mediale Resonanz der letzten Wochen auf die Besetzung des Audimax der Universität Wien und die Studierendenbewegung war be-achtlich. Was wurde am meisten kritisiert, was wurde positiv bewertet? MORGEN hat eine erste Bilanz gezogen.

Nach einer ersten Schrecksekunde, die der Besetzung des Audi-max vor 6 Wochen klarer Weise folgte, reagierten viele Printmedien überwiegend positiv auf die Aktionen der Studierenden. Das Fern-sehen, allen voran der ORF, zeigte sich zuerst unbeeindruckt von den Reaktionen der Zeitungen und begann relativ spät, intensiver über die Studierenden zu berichten. Das Privatfernsehen, vor al-lem ATV, nutzten diese Chance und berichteten schon bald in Live-Sendungen, Diskussionsrunden und regelmäßigen News-Berichten.

Pro

Generell streichen die meisten Printmedien die ausgezeichnete Or-ganisation des Protest, seine zumindest anfängliche Mobilisierung-Kraft auch im übrigen Europa sowie generell die Berechtigung der Proteste aufgrund der unhaltbaren Situation auf den heimischen Hochschulen. Schlecht ausgestiegen ist bisher auch noch-Wissen-schafts-Minister Johannes Hahn. Häufigste Kritik an ihm: Sein Abgang nach Brüssel gerade am Höhepunkt der Proteste, seine phlegmati-sche Haltung und die schlechte Uni-Politik der vergangene Jahre.

Anlässlich des Jubiläums der Besetzung der Haiburger Au kamen in den Österreichischen Zeitungen Protagonist_innen der damaligen Bewegung zu Wort. Freda Meissner Blau, André Helle rund ande-re sprachen den Student_innen ihre Bewunderung und Unterstüt-zung aus, und sahen in der Studierendenbewegung den Ausdruck eines breiteren gesellschaftlichen Unbehagens, vor allem der jün-

geren Generationen. Das Potential, wie die Hainburg-Bewegung in eine gefestigte gesellschaftliche Bewegung überzugehen wird den Uni-Protesten aber nach wie vor zugetraut. So ein Kommentar im „Kurier“ von Patricia Haller:

„Die Größe einer Protest-Bewegung sagt nicht zwingend etwas über die bestehende Unzufriedenheit breiter Bevölkerungsgruppen aus. Zwölf Jahre haben die Au-Aktivisten und deren Sympathisan-ten auf den Nationalpark Donau-Auen gewartet. Die beste Bildung für alle Schichten ist das Kapital einer Gesellschaft von morgen. In diesem Sinn kann sich das Uni-Aufbegehren für bessere Zeiten loh-nen.“ – „Kurier“ 8.12.2009

contra

Waren es anfangs noch die von vielen als „unkonkret“ oder gar „utopisch“ abgetanen Forderungen der Student_innen, die kritisiert wurden, so verlagert sich der Fokus der Kritik nun auf die noch im-mer andauernde Besetzung des Audimax in Wien. Der größte Hör-saal der Uni Wien wird mehr und mehr zum Druckmittel gegen die Studierenden, vielfach wird erwartet, dass die Besetzung teilweise oder ganz aufgegeben wird und der Hörsaal wieder für Lehrveran-staltungen offen steht. So stellt beispielsweise Hans Rauscher im „Standard“ die Student_innen im Audimax mit der Blockadehaltung der Regierung auf eine Stufe:

„(…)Die Koalition will aussitzen. Das wird schiefgehen, denn auch bei den Studenten haben die Aussitzer offenbar das Sagen. Die Lektüre der Presseaussendungen der Besetzervertreter vermittelt den unab-weisbaren Eindruck, dass Sektierer mit einer diffusen Agenda end-gültig die Macht übernommen haben.“ – „der Standard“, 12.12.09

[WR]

emotionAlisierung ohne inhAltDie Art des Protestes wird im öffentlich-medialen Diskurs zunehmend als losge-löst von jeglichen Inhalten der Bewegung wahrgenommen. Die Tatsache, dass die Besetzung an sich bereits ein politisches Statement darstellt, ist kein Teil der kon-troversen Auseinandersetzung.

Die inhaltlichen Standpunkte und Forderun-gen der Protestbewegung an Rektorat und Politik geraten in den Hintergrund. Stattdes-sen wird verstärkt gegen die Arbeitsweise des Protestes politisiert und emotionalisiert. Dabei gerät die Besetzung immer mehr un-ter den Beschuss billiger Polemik (ÖVP) und beschwichtigender „Rationalisierung“ (Rek-tor Winkler). Das äußert sich v.a. in dem sich manisch widerholenden Verweis auf die ho-hen Kosten die durch die Besetzung entstün-den (ÖVP/Winkler).

Es findet eine umfassende De-Legitimie-rung der Protestmaßnahmen durch Politik und Medien statt. Diese thematisieren aber nicht länger den eigentlichen Grund für die Besetzung: Die politischen Forderungen der

Studierenden. Sondern argumentieren auf ei-nem völlig inhaltsbefreiten Niveau gegen den Protest. Diese Art des Protestes kann aber nur im Kontext der inhaltlichen Standpunk-te verstanden werden, da die gesamte Be-wegung sich (logisch) über diese definiert.

Zur Erinnerung: Die Besetzung der Hörsä-le stellt von sich aus bereits ein politisches Statement dar. Damit wird direkt eine der zentralsten Forderungen der Bewegung ar-tikuliert – nämlich die demokratische Rück-eroberung der Unis als öffentliche Räume, sowie die Etablierung horizontaler Entschei-dungsstrukturen in allen Bereichen die von studentischem Belang sind. Die Hörsäle wer-den nicht für bestimmte bildungspolitische Ziele missbraucht – sie werden vielmehr ih-rem eigentlichen gesellschaftlichen Auftrag als Orte der Aufklärung, Bildung und Eman-zipation zu- bzw. rückgeführt.

Eine Rückbesinnung auf eben diesen Aus-gangsgrund – auf eben diese Selbstlegitima-tion der Besetzung als Mittel des Protestes – lässt die gegenwärtige Diskussion gerade-

zu lächerlich anmuten. Es scheint als würde systematisch versucht werden die Öffentlich-keit mit dem Verweis auf Bagatellbeträge (500 000 Euro Schaden, etz.) gegen die Audima-xist_innen aufzuhetzen. Bei diesem Protest geht es aber um Milliardenbeträge die den Unis über Jahrzehnte kontinuierlichen Wirt-schaftswachstums unterschlagen wurden.

Diese widersinnige Diskussion ist nichts wei-ter als eine Inszenierung für die Öffentlich-keit. Ich fordere die Inhalte zurück! [sts]

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7u-Bahnzeitung Der ProtestBeWegung

Der „unmessbAre“ Wert Der BilDung?Die Forderung der Audimax-BesetzerInnen ist klar: Freier Hoch-schulzugang. Diese Forderung der öffentlichen Ausfinanzierung der Universitäten und Abschaffung von Zugangsbeschrän-kungen ist jedoch eng mit der Ökonomie verknüpft. Welchen Beitrag kann diese also zur Debatte über die Hochschulfinan-zierung leisten?

Auf der bekannten Audimax-Bühne diskutierten Alexander van der Bellen, Lorenz Lassnigg, Georg Pflug und Eva Maltschnig mit Ingrid Brodnig über den Wert der Bildung.

Am Donnerstag Abend fand sich prominentes Publikum im vollen Audimax der Uni Wien ein. Neben Alexander van der Bellen - ehe-maliger Ökonomie-Professor der Uni Wien und langjähriger Par-teichef der Grünen, waren auch Lorenz Lassnigg – tätig am IHS (Institut für Höhere Studien), Eva Maltschnig – Generalsekretärin der ÖH, sowie Georg Pflug – Dekan der Wirtschaftswissenschaften un-ter den Gästen der Podiumsdiskussion. Ingrid Brodnig, Journalistin für den Falter, führte durch die spannende Diskussion zum Thema „Wert der Bildung – Ökonomische Aspekte in der Bildungsdebatte“.

Zu Anfang kam Lob von Alexander van der Bellen, der den protes-tierenden Studierenden gratulierte, dass sie es nun tatsächlich ge-schafft haben, dass Politik, Medien und die gesamte Gesellschaft auch außerhalb der österreichischen Grenzen nun endlich wirk-lich und längerfristig das Thema Bildung als wichtig wahrnehmen.

Van der Bellen stellt klar, dass wir uns heutzutage in einer Wissens-gesellschaft befinden, in der das wirtschaftliche Wachstum auf For-schung und Innovation aufbaut. Dies ist die eine Tatsache, die andere Tatsache ist, dass Österreich immer noch zu wenige Studierende hat und nicht zu viele. Abschlüsse von Studierenden in Österreich liegen im internationalen Vergleich mit rund 20% der betreffenden Altersgruppe ganz unten auf der Liste. Raten anderer Länder sind doppelt bis dreimal so hoch! Van der Bellen und auch die ande-ren Podiumsteilnehmer sehen das Problem der sozialen Selektion jedoch schon viel früher: diese findet schon ab dem Kindergarten und später in den Schulen statt.

Einig sind sie sich auch über die Unterfinanzierung. Solange die Er-höhung des Hochschulbudgets auf zwei Prozent des BIP nicht ge-setzlich verankert ist, sollte man der Politik nicht glauben, so van der Bellen. Es braucht einen rechtlich verbindlichen Zeitplan, der die Finanzierung gewährleistet. Realistisch gesehen geht das aber nur mit „Ausgaben sparen“ und Steuererhöhungen, bestenfalls in Form einer Vermögens- oder Reichensteuer.

Lassnigg sieht die Problematik aus einer anderen Perspektive. Er ist der Meinung, dass das Bildungssystem generell zu sehr aus der Staatskasse und zu wenig aus privaten Mitteln finanziert wird. Eva Maltschnig steht der Drittmittel-Finanzierung wiederum sehr skeptisch gegenüber. Diese schürt bei Lehrenden und Studieren-den die durchaus berechtigte Angst, dass die Lehrinhalte immer mehr auf die Bedürfnisse der Privatinvestoren und somit der Wirt-schaft abgestimmt werden. Somit verlieren Studienrichtungen,für die der wirtschaftliche Nutzen nicht genau definierbar ist, an Wer-tigkeit und Forschung wäre nicht mehr frei. Außerdem ist Bildung ein öffentliches Gut. Das Angebot muss von öffentlicher Hand be-reit gestellt werden und nicht durch private Anbieter.

Wie sieht es nun also aus, mit der Kostenwahrheit? Eine der For-derungen der Studierenden ist der freie Hochschulzugang – von Seiten der Politik heißt es dazu immer, das sei nicht leistbar. Be-fürworter meinen – das muss man sich leisten. Aber wie viel kos-tet es nun, eine freie Uni zu finanzieren?

Für Pflug und Lassnigg setzt diese Kostenwahrheit voraus, dass berechnet wird, wie viel ein Studienplatz kostet. So spricht man dann schnell von Studienplatzbewirtschaftung. Maltschnig sieht aber gerade hier ein ganz grundlegendes Problem: Wer legt fest, was in zehn Jahren am Arbeitsmarkt gewünscht wird? Da der spä-tere Arbeitsmarkt ohnehin von den jetzigen Studierenden geprägt wird, sollte die Universitätszeit als eine Zeit der Bildung begriffen werden und die Wahlfreiheit sollte gewährleistet sein.

Geht es nun um Bildung oder Ausbildung? Van der Bellen geht sehr dogmatisch an diese Problematik heran. Er meint, nichts hätte ihn für seine mittlerweile schon 15 jährige Amtszeit im Parlament ausge-bildet und er hege sehr wohl Verständnis für die Befürchtung vieler, zu so genannten „Fachidioten“ ausgebildet zu werden. Studieren-den zu methodischem Denken zu verhelfen ist für van der Bellen das Mindeste, was eine Universität leisten muss – jenseits aller Ar-beitsmarktbedürfnisse. Zudem kommt die Wichtigkeit der Gesell-schaftskritik. Diese müsse auf den Unis passieren und darf nicht dem Markt unterworfen werden.

Wieder einmal zeigte sich, dass Audimaxismus nichts mit Streik zu tun hat. Audimaxismus bedeutet vielmehr Raum für Diskussion, Austausch und Bereitschaft voneinander zu lernen.

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„hast Du schon gehört? eure BeWegung ist tot!“ „Ich hab im Radio gehört, im Audi-max sind sowieso nur mehr Sand-ler, und das Ganze hat sich schon irgendwie totgelaufen“, bekam ich vergangenes Wochenende von Freunden zu hören. Typisch – denn vor allem in den Massen-medien wie Ö3, der Kronen- Zei-tung („Der harte Kern besteht aus Berufsdemonstrierern (sic!) und linken Langzeitstudenten“, so ein „Leserbrief“-Schreiber) und den Gratis-Blättern vermitteln

meist nur einen von vielen As-pekten rund um den Aufstand der Student_innen. Man hat den Eindruck, viele erleben mit heim-licher Freude, dass in den Medi-en erfolgreich versucht wird die größte Student_innen -Bewe-gung der letzten Jahre „totzu-schimpfen“.

Fakt ist: ein „Obdachlosenprob-lem“ bestand im Bereich des Au-dimax schon immer, jedes Jahr im Winter suchen Wohnungslose und Arme Menschen die beheiz-ten und frei zugänglichen Gän-ge der Uni Wien auf. Allein schon

die große Dynamik, die die Stu-dierendenbewegung mittlerwei-le in Deutschland entwickelt hat, wird in den meisten heimischen Massenmedien völlig ausgespart.

So wie in den ersten Wochen regelmäßig die korrekte Anzahl der europaweit besetzten Hör-säle und Fakultäten einfach un-ter den Teppich gekehrt wurde, werden auch die Teilnehmer_innenzahlen der unregelmäßig stattfindenden Demonstrationen kaum korrekt kolportiert. So ent-steht bei vielen der Eindruck, es handle sich um eine inzwischen

totgelaufene Bewegung, deren „harter Kern“, die Audimaxist_innen, unbeirrt an einer sinnlos gewordenen Besetzung festhält.Dass dem nicht so ist und inten-siv über eine Transformation der Besetzung zugunsten der gesam-ten Bewegung diskutiert wird, kann man neben den Qualitäts-zeitungen und Sendungen im TV vor allem in den zwar oft zitier-ten aber viel zu wenig rezipierten Studi-eigenen Medien wie dem twitter – Kanal von #unibrennt, auf facebook oder eben in der MORGEN nachlesen.

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„vielleicht müsst ihr eure sAche zur MutFrage Machen.“Burgtheater-Direktor Matthias Hartmann sprach letzten Mittwoch mit MORGEN über das Theater als Diskussionsforum, politische Ohnmacht und die Feigheit der Verant-wortlichen.

morgen: ZUerst einmal ein Paar fragen ZU dieser Protestaktion im BUrg theater. hat die intendanZ im Vorfeld daVon gewUsst?

HARTMANN: Nein, das war für uns alle eine völlige Überraschung. Wir mussten der Si-tuation entsprechend schnell handeln. Was also war zu tun? Findet man einen gemein-samen Weg? Was wäre denn die Alternative gewesen? Man hätte die Polizei holen und die Studenten aus dem Burgtheater raus tra-gen lassen müssen - eine absurde Vorstel-lung. Vielleicht wäre das einigen Aktivisten ganz recht gewesen, weil sich ein größeres Feuer um ihre Thematik entzündet hätte. Aber wir wollten die Studenten ja gar nicht loswerden, weil wir davon ausgehen, dass Theater und Bildung einen breiten gemein-samen Nenner haben.

morgen: haBen sie sich üBer die aktion gefreUt?HARTMANN: Ich freue mich immer, wenn Menschen das Heft selbst in die Hand neh-men und ihre Probleme artikulieren. Von couragierten Bürgerinitiativen war in letz-ter Zeit immer weniger zu hören, und wenn

dann eine Generation wieder da ist, die das tut, dann freut mich das. Auch wenn der Protest nicht so professionell daher kommt wie in meiner Elterngeneration, die das mit einer ganz anderen Lautstärke gemacht hat – aber immerhin.

morgen: haBen sie sich mit den forderUngen der ProtestBewegUng Beschäftigt?

HARTMANN: Nur ein bisschen ehrlich ge-sagt. Ich weiß, dass es überfüllte Hörsäle gibt, zu wenig und überfordertes Lehrperso-nal, eine Infrastruktur, die aus allen Nähten platzt, dass unter unmöglichen Bedingun-gen Bildung vermittelt werden soll. Es kann doch nicht sein, dass ein Staat wie Öster-reich nicht alles, was er hat, in die Bildung wirft. Und damit meine ich keineswegs nur die Art von Bildung, die auf möglichst effizi-entes Eingliedern in die Wirtschaftswelt ein-gerichtet ist. Mein Neffe hat durch Stipendien einen Studienplatz an einer Elitehochschule in Sankt Gallen und, noch bevor das Studi-um richtig angefangen hat, das Angebot für einen Job bei BMW. Und hier stehen Studen-ten geisteswissenschaftlicher Disziplinen in den Fluren, um die Übertragung einer Vorle-sung zu hören. Da stimmt doch etwas nicht. Zum Thema Studiengebühren bin ich geteil-ter Meinung. Ich könnte mir vorstellen: freier Zugang für alle, Gebühren nach dem Grund-studium, gerecht aufgeteilt mit einem guten Modus für sozial Schwache, dafür muss aber auch das Angebot qualitativ besser werden. Ich verstehe das schon, wenn die Leute sa-gen, was der studiert noch immer, und muss nichts zahlen?

morgen: sie haBen das theater als diskUssionsraUm geöffnet. stehen sie daZU noch?

HARTMANN: Ich stehe dazu und bin abso-lut bereit. Herr Hahn hat mir einen Brief ge-schrieben, der lautete sinngemäß: „Vielen Dank für die Einladung, aber wir haben jetzt noch ein paar andere Dinge zu tun.“ Ich ren-ne niemandem hinterher. Ich habe gesagt, ihr könnt kommen, wenn das notwendig ist. Und bin sogar ein bisschen stolz darauf, dass man zu uns gekommen ist. Man hät-te ja auch zum Bundespräsidenten ziehen können, oder vors Rathaus, zur Staatsoper, von mir aus, oder zum Bundeskanzler. Dass

ausgerechnet das Burgtheater der Ort ist, erinnert mich an Bochum, wo ich vor neun Jahren noch Direktor vom Schauspielhaus Bochum war. Damals wurde dort Opel be-streikt. Und dann kamen die ganzen Strei-kenden, tausende von Arbeitern, runter vors Schauspielhaus und haben mich gefragt, ob das in Ordnung wäre. Ich habe da eine Sup-penküche aufgemacht für die Streikenden, habe mit ihnen geredet und dann haben wir gemeinsam die Chair-Manager aus Ameri-ka eingeladen. Die sind aber nicht gekom-men. Sie waren zu feige. Hoffentlich ist es hier nicht genauso. Hoffentlich sind die Po-litiker nicht zu feige.

morgen: wie könnten sie sich das konkret Vorstellen: eine diskUssion im BUrgtheater?

HARTMANN: Das Problem ist, dass wir ei-nen regulären Spielbetrieb haben, den wir aufrecht erhalten müssen. Aber es wäre oh-ne Zweifel möglich, einen Raum bzw. Zeit zu finden, wo wir sagen: Diese 4-5 Stunden ge-hören jetzt einfach mal euch bzw. den Po-litikern. Es muss dann jeder gut vorbereitet sein. Wenn das ein wirklich gutes Gespräch sein soll, dann müsstet ihr einen Modera-tor haben, der neutral ist – also weder von euch, noch von den Politikern kommt. Ich würde beispielsweise einen Dramaturgen von mir bitten, sich in die Thematik einzuarbei-ten und sich aufs Podium zu setzen. Mögli-cherweise wäre ich auch selber dabei, eher um disziplinarisch einzugreifen, im Stil: Ach-tung, der hat jetzt mal genug geredet. Jetzt ist die andere Seite dran.

morgen: wenn der Protest der Plot eines klassischen theaterstücks wäre, wie geht dieses stück aUs?

HARTMANN: Ich weiß nicht, ob ich diese Theatermetaphorik bedienen kann. Aber eins ist klar. Ihr habt das Problem, dass die Po-litiker euch aussitzen. Ihr müsst irgendeine Maßnahme ergreifen, um diesem Vorgang Einhalt zu gebieten. Es ist doch etwas ge-radezu Historisches passiert! Ich war letzte Woche erst in Zürich, und da sind Studen-ten mit Bannern an mir vorbei gelaufen und ich dachte: Kuck mal, die sind aus Wien! Das hat mich sehr gefreut. Das kann einen doch stolz machen, dass hier eine kleine Revolu-tion angezettelt wird, die nach Deutschland und in die Schweiz hinüberschwappt. Das zeigt, dass da wirklich ein eklatanter Mis-stand ist und, dass die Politiker sich dazu verhalten müssen. Wir erleben doch im Zu-ge dieser Kopenhagen-Situation etwas ganz

Foto: lorantracz

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9u-Bahnzeitung Der ProtestBeWegung

Interessantes: Die Politik ist völlig an ihre Grenzen gestoßen. Sie macht ja nichts Konkretes mehr. Vielleicht ist sie strukturell gar nicht mehr in der Lage dazu. Aber dann soll sie es sich eingestehen und gleich die Wirtschaftsbosse machen lassen. Vielleicht machen die es ja besser. Wenn man sie beispielsweise dafür auch in die Pflicht nehmen würde, den globalen Anstieg der Temperatur auf soundso viele Grad zurückzubinden.

morgen: dann müssten wir mit Unseren forderUngen eher ZUr indUstriellen VereinigUng gehen.

HARTMANN: Wahrscheinlich würdet ihr dort mehr erreichen. Die Finanzkrise hat ja an den Strukturen überhaupt nichts verändert: Die Politiker halten das Steuer längst nicht mehr in der Hand und werden auch in Kopenhagen nichts zustande bringen, weil ihnen die Verhandlungsmasse, mit der sie dort antreten, von den Wirt-schaftsverbänden mitgegeben wird. Also sind sie ohnmächtig. Das ist es auch, was ihr denen klar machen müsstet: Wie ohnmächtig sie, die Politiker, sind. Wie feige das Ganze ist. Auch noch in die-ser österreichischen Patt-Situation, in der ständig kreuz und quer koaliert wird. Da lässt sich ja keine richtige Haltung heraustren-nen, weil alle davor Angst haben, sich irgendwie hervor zu wagen. Diese Angst, gleich wieder die Macht abgeben zu müssen. Da ist soviel Feigheit dabei! Ihr braucht einen mutigen Menschen! Ja, viel-leicht ist das der Punkt: Vielleicht müsst ihr eure Sache zur Mut-frage machen. Vielleicht müsst ihr einen mutigen Politiker suchen. Einen Auserkorenen, der sich eurer Sache annimmt, weil er sich ge-gen Euer Vorschussvertrauen gar nicht wehren kann. So, dass es schon fast zur Ehrensache wird. Im Sinne von: „Herr Hahn war lei-der für uns kein guter Partner. Man greift immer wohin und schon ist er wieder verschwunden. Dich haben wir ausgesucht. Du bist jetzt unser Mann, unsere Frau und mit Dir müssen wir jetzt spre-chen.“ Das wär doch gut! So ein Wettrennen der Politiker. Ihr nehmt euch drei Kandidaten...

morgen: wir könnten eine_n Vertretende_n Politiker_in sUchen.

HARTMANN: Einen, der der Mut hat, wirklich eure Sache voran-zutreiben.

morgen: ein casting im aUdimax.

HARTMANN: Das find ich eine gute Sache! Das Casting kann auch bei uns stattfinden. Wir könnten das Casting des Politikers, der am mutigsten ist, bei uns auf der Burgtheaterbühne machen.

morgen: die mUtigsten Politiker_innen dürfen aUf die BUrgtheaterBühne, dürfen Uns Vertreten, Bekommen irrsinnig Viele

wählerstimmen Und, wenn wir dann alle in der indUstriellen VereinigUng sitZen, UnterstütZen wir sie.

HARTMANN (lacht): Ja, genau. Das ist gut gesagt! Bei euch hat ja ganz viel stattgefunden an Politisierung! Seid ihr schon demorali-siert? Könnt ihr noch?

morgen: es geht alles sehr langsam. gerade letZten freitag war rektor winckler im aU-dimax. das war sehr demotiVierend. er hat wiederholt: meine meinUng ist die meinUng der gesetZe, ich Bin hier, Um die gesetZe ZU exekUtieren.

HARTMANN: Diese Art von Argumentation kenne ich aus Deutsch-land sehr gut. Sie ist, wie die Geschichte gezeigt hat, brandgefähr-lich. Wie kann ein Unirektor so eine Haltung haben? Das ist ja ganz schlimm. Ich kann mir vorstellen, dass das sehr demoralisierend ist, wenn man einfach so unverrichteter Dinge weitermacht. Man hat was versucht zu erreichen, aber es kommt nichts dabei raus. Es müsste irgendwie ein mehrfacher Punkteplan am Ende daste-hen, wo ihr dann draufschauen und sagen könnt: Unsere Aktion hat sich gelohnt. [cgal]

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Die senDung mit Dem grAus

Brot unD sPiele

Die römischen Kaiser waren oft reiche Menschen. Und weil sie ger-ne römische Kaiser bleiben wollten, haben sie einen Teil vom Geld an das Volk verteilt. Da gab es dann Brot und Spiele und das Volk hat den Kaiser gemocht. – So einfach war das.

Wagenrennen gibt’s heute noch. Gladiatorenkämpfe nicht mehr. Da ist man draufgekommen, dass man Humankapital anders besser verwerten kann. - Macht aber nix.

Statt Brot werden heute andere Dinge verteilt: Semmeln z.B., oder Freibier, oder Bargeld.

Das BZÖ macht so was recht gerne. Der kleine Mann bekommt Freibier. Die kleine Frau auch.

Und sie verteilen gerne Geld: Nach dem Gießkannenprinzip. Da be-kommen dann alle was ab. Auch die, die es nicht brauchen. Ist den Herrn vom BZÖ aber egal. Weil sie brauchen die Zustimmung des Volkes bei der nächsten Wahl. Ganz wie die Kaiser im alten Rom. – Klingt komisch, ist aber so!

Trotzdem war das im alten Rom besser. Damals haben sich die Kai-ser schöne Statuen im ganzen Reich errichten lassen. So wusste das Volk, wie der Kaiser in Rom aussieht. Damit auch die Leute in Wien, oder Graz, oder sonst wo in Österreich wissen, wer beim BZÖ Kärn-ten mitmacht, haben die sich eine schöne Homepage bauen lassen.

Die beiden in der Mitte, das sind der Herr Dörfler und der Herr Scheuch. Sehen eigentlich ganz nett aus, sind sie aber nicht.

Vor allem aber unterscheiden sich die Fotos stark von den Statuen der römischen Kaiser. Weil die sahen immer recht sauber aus. Die Herren vom BZÖ aber nicht. Ihre seltsame Handhaltung verrät: Sie haben Schmutz unter den Nägeln. Und den haben sie im Moment der

Fotoaufnahme rasch versucht herauszu-kratzen. - Klingt un-sauber, ist es auch!

Und deshalb muss man bei denen vor-sichtig sein. Auch wenn sie Geschen-ke verteilen.

Foto: suD

Foto

: su

P, t

as

[masc]

täglich 15:00 - 17:00 „GOOD MORNING AUDIMAX, GOOD MORNING EUROPE!“

mittwoch, 16.12.09

08:30 - 13:00 Schüler_innenplenum

10:00 - 11:00 Offenes gemeinsames Musizieren

17:00 - 18:00 Josef Hader

18:00 - 19:00 Gespräche mit André Heller

19:00 - 22:00 Plenum

22:00 female:pressure

donnerstag, 17.12.2009

16:00 - 17:00 Markus Marterbauer

17:00 - 18:30 Diskussion Klimawandel, Naturschutz, Landwirtschaft

19:30 - 20:30 Willi Resetarits & Band

20:30 - 22:00 Christl Meyer - AIDS - Neue Erkenntnisse, die man nicht verschweigen darf

freitag, 18.12.2009

17:00 - 18:00 arbeit FAIRTEILEN

19:00 - 20:00 mollner

21:00 Releaseparty der Uni Brennt Compilation mit Selbstlaut, Yasmo MC & die Möadaoffn

samstag, 19.12.2009 - sonntag, 20.12.2009

ab 16:00 queer-feministisches Wochenende u.a. Spoenk, Karin Depp, what is plaided?, Chra, Norah Noizzze & Band

montag, 21.12.2009

18:00 - 19:00 Carina liest ...

19:00 - 21:00 Plenum

21:00 Bethlehem Allstars

die termine werden laUfend aktUalisiert siehe www.UnsereUni.at

AuDimAxDas PrograMM

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11u-Bahnzeitung Der ProtestBeWegung

waagrecht

7 Quadratkarotte mit tiefen oder flachen Ursprung (EZ)8 Dieses Gewehrl wird mit dementsprechenden Eisen hergestellt9 Ganz schön unscharf diese britische Band?10 Was man dorthinein am Ende macht, ist forsch wissenschaftlich eingerichtet.11 1+1+? = ungewiss13 Die Lohrsung ist doch watscheneinfach - na los ihr ängstlichen Früchtchen!15 „OK ein“ Abbild ist anbetungswürdig wie ein Popstar.17 Ballsportliche Kanonenkammer oder giftiger Kurzalfred?20 Wissbegriff, entschließt chiffrierte Parolen.21 Kleine Kevlargruppe, Grüß Mir Bitte Heidi!22 „Bin ich der ich?“, ruft der Heerverwalter verwundert aus. Ob die Botschaft wohl ankommt?23 Sthopplae, wie piekse ich richtig im Stasi-VZ?

senkrecht1 Da wirds „wo laut“, wenn der gesetzlose Vagabund mit seiner Countrymusik anfängt.2 Küstlich, diese französiche Farbe! Himmlisch blau bei Schönwetter!3 Kschade dass der „Klee dir“ die Gewänder verdreckt hat.4 Streitkräftige Zanksarbeit entzweit die Harmonie?5 Primatischere Törichtigkeit wenn ich „fair fege“? Das kann ich doch wohl anheften!6 Damit trainier ich meine Wiederholungen, obwohl ich diesmal eh nicht rein komm‘!12 Interner Platzreim: Atrium, Patio und Peristyl, wer das nicht kennt, der kann nicht viel!14 Einspruch: „Spott er“ soviel er will, wir gehe mit unserer Demonstration nicht in Richtung „Pest Tor“!16 Zum Uhu damit! Das Fertigungsverfahren lässt sich anpicken.18 Als bester Feuerschutz gilt er nicht nur in England19 Dort endet der Größte Onzunehmende Unfall, so ein Käse aber auch!21 Es ist doch auch flein wenn das Feuer schon fast aus ist.

rätsel hunD Der Woche

leise KNAbbeRt dAs tieRAM GescheNKepApieRWAs WäRe ich eiN MeNsch Wohl?WeNN ich ihR`N hiNteRN veRsohl!

Foto: silvia

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graFik: tas,suP

„morgen“-benefizPArty

Um Uns Bei Unseren UnterstütZer_innen ZU Bedanken, aBer aUch Um Unser weiteres erscheinen ZU ermöglichen, werden wir im Jänner eine „morgen“-BenefiZParty Veranstalten ZU der ihr alle herZlich willkommen seid! es er-warten eUch liVe-acts, dJs, nette leUte Und eVentUell die eine oder andere #UniBrennt-diskUssion.

nähere infos demnächst aUf www.twitter.com/ag_zeitung http://tinyurl.com/facebook-morgen www.unsereuni.at/morgen