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90 JHARE GARAVENTA AG 1 90 Jahren Garaventa AG Wussten sie, dass im Jahre 1928 der Grundstein für das weltweittätige Unternehmen der Garaventa AG in Immensee gelegt wurde? Dieses kleine Jubiläum veranlasst mich einen Blick zurückzuwerfen und den Werdegang der Firma Garaventa aufzuzeigen. Woher stammt die Familie Garaventa? Das Geschlecht der Garaventa stammt aus Genua. Giuseppe Garaventa, geboren 1836, stammte aus einfachen Verhältnissen. Er wuchs in einer kinderreichen Familie in Savignone, einem Dorf im Norden der Provinz Genua auf. Garaventa als Gastarbeiter Giuseppe Garaventa zog zwischen 1855 und 1860 mit zwei Brüdern aus und fanden ihr Glück in der Schweiz. Der des Schreibens und Lesens unkundige Giuseppe wurde zunächst «Pflasterträger», später Mineur. Er war einer unter Tausenden aus allen Na- tionen, die den Bahnbau am Gotthard vorantrieben. Einmal im Jahr brachte er sein mühsam verdientes Geld nach Savignone, wo es seiner ganzen Familie hochwillkom- men war. Sicher ist, dass er beim Bau der 1875 vollendeten Arth-Rigi-Bahn mitgewirkt hat. Akkordant und Familienvater In Goldau bezog er bei der Familie Mettler im untern Haus Ober-Äschi Logis. Er heira- tete die Tochter Maria Dorothea Mettler (1855-1916). Sie wurden Eltern von Carolina (1877-1921), Karl Andreas, (1881- 1887) und am 22. November 1888 von Franz Karl den Stammhalter, der später mit seinen Seilbahnen bekannt werden sollte. Sesshaft und Schweizer Im Jahre 1894 erwarb er unter dem Namen Josef Garaventa in Immensee die Liegen- schaften Rütibühl, Seelacker, Teil Hünglech, sowie Güter- und Allmendwald - ein Bau- erngut mit Käsereibetrieb. Der Haupterwerb kam nun aus der Landwirtschaft, wobei die Hauptlast der Arbeit zunächst auf die wesentlich jüngere Mutter fiel, denn der zu Wohlstand gekommene Giuseppe «gab sich pensioniert». Die Kinder Carolina und Karl erlebten eine strenge, aber frohe Jugendzeit. Karl Garaventa war es bestimmt, das «Rütibühl» zu übernehmen. Mit 26 Jahren, 1914, heiratete er Anna Maria Kenel (1891-1946) von Gengigen in Arth. Sie wurden stolze Eltern von Maria Carolina (1914-2003), Karl Josef, (* 1922 +1989) und Wilhelm Anton, genannt Willy, (*1934). Karl nahm die Last des Betriebes auf sich, denn die Landwirt- schaft und das Käsen packten ihn wenig. Vielmehr lag ihm das Tüfteln, weshalb ihn der Vater einen «Maschinengrind» nannte. Karl konstruierte alles Mögliche: Güllen- pumpen, Mostpressen und den «Löchlitöff», ein Motorrad, dessen Aussehen an einen Metallbaukasten erinnerte. Nach dem Tod seiner Mutter 1916 und seines Vaters 1917 lag die ganze Verantwor- tung und Arbeit nun voll auf Karl und seiner jungen Familie.

90 Jahren Garaventa AG - Heimatmuseum · nen für die Kraftwerke Linth-Limmern AG, Linthal, in Betrieb genommen. 20017/18 wurde die neue Luftseilbahn von Küssnacht auf die Seebodenalp

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  • 90 JHARE GARAVENTA AG

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    90 Jahren Garaventa AG Wussten sie, dass im Jahre 1928 der Grundstein für das weltweittätige Unternehmen der Garaventa AG in Immensee gelegt wurde? Dieses kleine Jubiläum veranlasst mich einen Blick zurückzuwerfen und den Werdegang der Firma Garaventa aufzuzeigen.

    Woher stammt die Familie Garaventa? Das Geschlecht der Garaventa stammt aus Genua. Giuseppe Garaventa, geboren 1836, stammte aus einfachen Verhältnissen. Er wuchs in einer kinderreichen Familie in Savignone, einem Dorf im Norden der Provinz Genua auf.

    Garaventa als Gastarbeiter Giuseppe Garaventa zog zwischen 1855 und 1860 mit zwei Brüdern aus und fanden ihr Glück in der Schweiz. Der des Schreibens und Lesens unkundige Giuseppe wurde zunächst «Pflasterträger», später Mineur. Er war einer unter Tausenden aus allen Na-tionen, die den Bahnbau am Gotthard vorantrieben. Einmal im Jahr brachte er sein mühsam verdientes Geld nach Savignone, wo es seiner ganzen Familie hochwillkom-men war. Sicher ist, dass er beim Bau der 1875 vollendeten Arth-Rigi-Bahn mitgewirkt hat.

    Akkordant und Familienvater In Goldau bezog er bei der Familie Mettler im untern Haus Ober-Äschi Logis. Er heira-tete die Tochter Maria Dorothea Mettler (1855-1916). Sie wurden Eltern von Carolina (1877-1921), Karl Andreas, (1881- 1887) und am 22. November 1888 von Franz Karl den Stammhalter, der später mit seinen Seilbahnen bekannt werden sollte.

    Sesshaft und Schweizer Im Jahre 1894 erwarb er unter dem Namen Josef Garaventa in Immensee die Liegen-schaften Rütibühl, Seelacker, Teil Hünglech, sowie Güter- und Allmendwald - ein Bau-erngut mit Käsereibetrieb. Der Haupterwerb kam nun aus der Landwirtschaft, wobei die Hauptlast der Arbeit zunächst auf die wesentlich jüngere Mutter fiel, denn der zu Wohlstand gekommene Giuseppe «gab sich pensioniert». Die Kinder Carolina und Karl erlebten eine strenge, aber frohe Jugendzeit.

    Karl Garaventa war es bestimmt, das «Rütibühl» zu übernehmen. Mit 26 Jahren, 1914, heiratete er Anna Maria Kenel (1891-1946) von Gengigen in Arth. Sie wurden stolze Eltern von Maria Carolina (1914-2003), Karl Josef, (* 1922 +1989) und Wilhelm Anton, genannt Willy, (*1934). Karl nahm die Last des Betriebes auf sich, denn die Landwirt-schaft und das Käsen packten ihn wenig. Vielmehr lag ihm das Tüfteln, weshalb ihn der Vater einen «Maschinengrind» nannte. Karl konstruierte alles Mögliche: Güllen-pumpen, Mostpressen und den «Löchlitöff», ein Motorrad, dessen Aussehen an einen Metallbaukasten erinnerte.

    Nach dem Tod seiner Mutter 1916 und seines Vaters 1917 lag die ganze Verantwor-tung und Arbeit nun voll auf Karl und seiner jungen Familie.

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    1920 ersuchte Karl Garaventa um das Bürgerrecht von Küssnacht das ihm gewährt wurde. 1921 konnte der Betrieb durch den Kauf der Martlisweid, heute Martinsweid genannt, vergrössert werden.

    Holzer und Seilbahnbauer Als Karl Garaventa 1921 mit Pferd und Wagen einen Bahnübergang bei Immensee überqueren wollte scheute das Pferd Das Fuhrwerk kippte und der Meister verletzte sich an Brust und Lungen. Dieser Schicksalsschlag brachte die wohl entscheidende Wende: Weil das Geld für einen Kuraufenthalt fehlte, riet der Arzt zu vermehrtem Auf-enthalt in guter, die Heilung fördernder Waldluft. Was der Lunge wohl bekommen sollte, nutzte Karl auch zum Befreiungsschlag von Landwirtschaft und Käserei. Josef Mettler, der Neffe, führte das Gut weiter.

    Karl übernahm Aufträge der Schweizerischen Bundesbahnen für Holzakkorde an der Rigilehne, wo ein grosser Schutzwald die Bahn vor Steinschlag und Schneerutschen bewahrte. Dieser Wald wollte gepflegt, gehegt, durch Aushiebe verjüngt sein. Beim Reisten wurde das Holz in Leitbahnen zu Tal gelassen, wobei Dämme die gleitenden Stämme aufhielten, bevor sie Schaden anrichten konnten. Bei dieser Arbeit wurden auch Seilriesen (straff gespannte Seile, die als Gleitbahn dienten) benutzt.

    Karl Garaventa merkte bald, wie gefährlich diese Arbeit sein konnte und dass das Holz bei jedem Stoss Schaden nahm. Im Wissen, dass ein kontrollierter Transport Risiken und Schäden minderte, begann der Tüftler um 1928, Holzseilbahnen einzurichten; diese Seilbahnen wurden immer ausgeklügelter. Garaventa nutzte die Kraft des Hangabtriebs mit geschickt umgelenkten Seilen, um weiteres Holz zur Verladestelle am Berg zu «ziehen». Später half er zeitweise bei Remigius Niederberger in Dallenwil, Holz und Baumaterial zu transportieren und Transportseilbahnen zu montieren.

    Die Gründung des Familienbetriebs Als Vater Karl um 1938 im Stall der Martlisweid eine Werkstätte einrichtete, bot sich den Söhnen ein weites Erfahrungsfeld, das neben Schule und Arbeit eine reiche Praxis begründen half. Beide hatten den Seilbahn-Virus mit in die Wiege gelegt bekommen, denn beide sollten dereinst in Vaters Fussstapfen treten. In Immensee entstanden nun viele Klein-Material-Seilbahnen, die für Forst-, Alp- und Landwirtschaft unwegsames Gebiet erschlossen. Die Anlagen wurden überall montiert, teils temporär eingesetzt, also vermietet, aufgebaut und nach erfüllter Funktion zurückgenommen, teils aber auch verkauft und fest installiert. Bauseilbahnen, Kabel- und Holzseilkräne wurden in der ganzen Schweiz montiert. Im Krieg bezog die Armee einige Bahnen für Transporte im Gebirge.

    Dem aufmerksamen Beobachter begegnen in der Innerschweiz noch häufig einfachste Seilbahnen aus jener Zeit, die bescheidenem Transportaufkommen genügen könnten.

    Im Jahre 1943 baute Karl Garaventa die schon früher erstellte Materialtransportbahn Brunni-Holzegg im Alptal (Mythengebiet) in eine Zweipersonenbahn mit 300 kg Nutz-last um. Diese Anlage wurde nach drei Jahren für vier Personen erweitert. Sie war die erste Garaventa-Personenseilbahn überhaupt.

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    Rückzug aus dem Geschäft 1949 eröffnete Sohn Karl Garaventa-Jörger in Immensee eine eigene mechanische Werkstätte, die sich ebenfalls und hauptsächlich mit dem Bau von Materialseilbahnen beschäftigte.

    Im Jahre 1956 zog sich Karl sen. aus dem aktiven Geschäftsleben zurück und übergab den Betrieb dem jüngeren Sohn Willy. Das Gedeihen des Seilbahngeschäfts seiner Söhne verfolgte er aber aufmerksam weiter.

    Die Firma Garaventa Am 1. Januar 1957 entstand die Kommanditgesellschaft Karl Garaventas Söhne, Seil-bahnbau-Maschinenbau, Immensee, die ab 1957 unzählige Kabelkräne für Strassen-bauten (Brücken), Wildbachverbauungen, Talsperren für Kraftwerke und für Bewässe-rungsanlagen in alle Welt lieferte. Grund für diese Zusammenlegung der zwei Einzel-firmen (Willy Garaventa und Karl jun. Garaventa) war der Bau der Luftseilbahn Küss-nacht-Seebodenalp nach dem Erhalt der eidgenössischen Konzession 1957. Das er-möglichte den Ausbau der Luftseilbahn Küssnacht-Seebodenalp von bisher zwei Ka-binen für 4 Personen auf zwei Kabinen mit je 10 Personen. Im gleichen Jahr montierte man auch die erste eidgenössisch konzessionierte Personenluftseilbahn Huseren-berg-Rothenfluh.

    1959 siedelte die Firma nach Goldau um, wo auf eigenem Grund und Boden Werk-stätten entstanden. Das Unternehmen mutierte 1960 zur Karl Garaventas Söhne AG und zeichnete wenig später als Garaventa AG. Seit 1963 gehörten auch Material-Schwerlast-Bahnen zum Angebot, die unter anderem bis nach Grönland geliefert wer-den konnten, und am Kronberg realisierte Garaventa 1964 die erste Grosskabinen-bahn (40 Personen). Der Durchbruch am Weltmarkt gelang wohl 1967 mit der Herstel-lung und Montage der ersten Garaventa-Pendelbahn in den USA, in Squaw Valley. Erstmals fassten Kabinen 150 Personen, die wegen der strengen US-Normen nur für deren 130 zugelassen wurden.

    Leider konnte der Firmen-Gründer, Tüftler und «Maschinengrind» diesen grossen Er-folg nicht mehr miterleben. Karl Garaventa starb am 17. Juni 1965 in Immensee, gut 76-jährig, an einem Herzinfarkt.

    «Auf Garaventa ist Verlass» Auf diesem Unternehmensgrundsatz gründete Karl Garaventa seinen Unternehmens-erfolg: Dank solider Geschäftspolitik wurde aus dem Nischenanbieter von damals der Weltgrösste Hersteller von Seilbahnen aller Art. Die Firma in Goldau baute ihre Kapa-zitäten und Kompetenzen stetig aus. So erwarb Garaventa 1986 die seit 1924 im Seil-bahnbau tätige Firma L. und P. Küpfer in Steffisburg und 1991 die 41-jährige Städeli-Lift AG in Oetwil am See. 1982 hatte Von Roll in Bern, als ältester Seilbahnbauer der Schweiz, die Firma Habegger in Thun übernommen, bevor 1996 ihre Seilbahnabtei-lung selbst an das österreichische Haus Doppelmayr in Wolfurt ging. Das Jahr 2002 brachte schliesslich den Zusammenschluss zur Doppelmayr/Gara-venta-Gruppe, die unter dem Holdingdach der Ropetrans AG in Goldau Aktivitäten in

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    33 Ländern vereinigt und weltweit um die 2000 Mitarbeitende beschäftigt. Der Haupt-sitz wurde nach Rotkreuz verlegt. 2005 wurde die welterste Gondelbahn mit drehenden Kabinen im Sattel-Hochstuckli gebaut. 2006 erfolgte die Realisierung der ersten kuppelbaren 8er-Sesselbahn der Schweiz auf den Flumserbergen. 2010 wurden zwei Materialseilbahnen mit Weltrekord-Nutzlasten von 40 resp. 30 Ton-nen für die Kraftwerke Linth-Limmern AG, Linthal, in Betrieb genommen. 20017/18 wurde die neue Luftseilbahn von Küssnacht auf die Seebodenalp gebaut und in Betrieb genommen.

    Die Seilbahnsystem-Entwicklung verteilt sich auf zwei Kompetenzzentren: Pendelbah-nen, Standseilbahnen und Schrägaufzüge bei Garaventa, Umlaufbahnen bei Doppel-mayr. Im Verkauf bieten aber beide Partner alle Systeme an. Insgesamt funktionieren in über 85 Ländern etwa 14’200 Seilbahnanlagen. So wünsche ich am Schluss dieses kurzen Rückblicks auf die Firmengeschichte der Garaventa AG in Zukunft weiterhin viel Erfolg.

    Historischer Verein Küssnacht am Rigi

    Peter Trutmann

    Quellen: Sieben Bergbahnpioniere; Schweizer Pioniere der Wirtschaft, Jahrgang 2005 Kulturspur Gemeinde Arth Familienchronik Mettler vom Schönenboden und ober-Äschi, Goldau; Jahrgang ? Einen herzlichen Dank geht an Willy Garaventa-Studer für die grosszügige Unterstüt-zung.

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    Werkstattgebäude an der Artherstrasse 104; Erbaut durch Karl Garaventa-Jörger 1952 und Er-weiterung 1957

    Martlisweid – heute Martinsweid genannt. Das Wohnhaus wurde im Jahre 2014 durch einen Neubau ersetzt.

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    Die ehemalige alte Käserei (2011 durch einen Neu-bau ersetzt) und das Haus Rütibühl in Ober-Im-mensee

    Karl Garaventa-Schuler *1888 + 1965 Giuseppe Garaventa *1836 + 1917