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konzertvorschau + radio-tipps juli – september 2011

9204 BB BRO - Norddeutscher Rundfunk · Gemeinsam mit dem Dichter Aldir Blanc hatte Bosco diese poetisch verschlüsselte Botschaft für ... „O Bêbado e a Equilibrista”. Sie bejubeln

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konzertvorschau + radio-tipps

juli –september

2011

9204_BB_BRO 29204_BB_BRO 2 21.06.2011 17:56:10 Uhr21.06.2011 17:56:10 Uhr

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programm Konzerte für die Monate Juli bis September

„Children Of The Sun“

„NDR Bigband & João Bosco“

„Beware My Polish Heart“

„Porgy & Bess Project“

„Ceremony“ Omar Sosa & NDR Bigband

La Planète Quartet

Renaud Garcia-Fons „Prince Ahmed“ – Music for a film of Lotte Reiniger

NDR Bigband meets Hüsnü Senlendirici & Aytac Dogan

„A Closer Look Ahead At Miles“

„Flamenco meets Jazz“

Jeff Ballard Trio

„Roots“ 2011

„What A Wonderful World“ A Tribute To Louis Armstrong

Sergej Prokofjew „Peter und der Wolf“

„Scenic Routes“

Rainer Tempel & NDR Bigband – „Serious Fun“

jazz auf NDR Info

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konzert info

inhalt

septemberjuli -

2011

radio tipps

cd tipp

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01. Juli 2011 19.00 Uhr

Salzau, Große Konzertscheune

JazzBaltica Festival (01.07. – 03.07.2011)

„children of the sun“

Joe Sample (p) Nils Landgren (tb, voc)

NDR Bigband · Jörg Achim Keller (Leitung)

Robert Ikiz (dr)

Karten: Tel. 0431. 237070

jazzbaltica.de

programmjuli – september 2011

02. Juli 2011 20.00 Uhr

Greifswald, Klosterruine Eldena, Open Air

XXXI. Eldenaer Jazz Evenings

03. Juli 2011 12.30 Uhr

Salzau, Große Konzertscheune

JazzBaltica Festival (01.07. – 03.07.2011)

„joão bosco & NDR Bigband“

João Bosco (g, voc) Kiko Freitas (dr)

NDR Bigband · Jörg Achim Keller (Leitung)

Karten für den 02.07.2011

Greifswald-Information Tel. 03834. 52 13 80

greifswald.de

Karten für den 03.07.2011

Tel. 0431. 237070

jazzbaltica.de

06. Juli 2011 20.00 Uhr

Kattowitz, Gregorz Fitelberg Saal,

Platz Sejmu Slaskiego 2

07. Juli 2011 20.00 Uhr

Krakau, Philharmonia Hall, Zwierzyniecka Straße 1

„beware my polish heart“

concerto for piano, trumpet, big band and

symphony orchestra

Wolf Kerschek (comp, arr) Vladyslav Sendecki (p)

Tomasz Stanko (tp) Ian Thomas (dr)

National Radio Symphony Orchestra NOSPR

NDR Bigband · Szymon Bywalec (Leitung)

„porgy & bess project“

Roberta Gambarini (voc)

National Radio Symphony Orchestra NOSPR

NDR Bigband · Szymon Bywalec (Leitung)

Karten: cracjazz.com

11. August 2011 21.00 Uhr

Marciac (Frankreich)

34. Jazz in Marciac Festival (29.07. – 15.08.11)

„ceremony“

omar sosa & NDR Bigband

Omar Sosa (p) Childo Tomas (b)

Horacio „El Negro“ Hernandez (dr)

Marcos Ilukán (batá drums)

NDR Bigband · Jörg Achim Keller (Leitung)

Karten: jazzinmarciac.com

11. + 12. August 2011 20.00 Uhr

Hamburg, Rolf-Liebermann-Studio, Oberstraße 120

NDR jazz Konzerte #4

1. Set

la planète quartet

Aki Takase (p) Louis Sclavis (cl)

Vincent Courtois (cello) Dominique Pifarély (v)

2. Set

renaud garcia-fons „prince ahmed“ –

music for a fi lm of lotte reiniger

Renaud Garcia-Fons (b) Franck Tortiller (marimba)

Henri Tournier (fl ) Claire Antonini (lute)

David Venitucci (acc) Bruno Caillat (perc)

Karten: NDR Ticketshop im Levantehaus

Tel. 0180. 1787980* Fax 0180. 1787981*

[email protected]

* bundesweit zum Ortstarif, maximal 42 Cent pro Minute aus dem Mobilfunknetz

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25. August 2011 20.00 Uhr

Salzau, Große Konzertscheune

Schleswig-Holstein Musik Festival

26. August 2011 20.00 Uhr

Lübeck, Musik- und Kongresshalle

Schleswig-Holstein Musik Festival

„NDR Bigband meets hüsnü senlendirici

& aytac dogan“

Hüsnü Senlendirici (cl) Aytac Dogan (kanun)

NDR Bigband · Jörg Achim Keller (Leitung)

„a closer look ahead at miles“

Håkan Hardenberger (tp)

NDR Bigband · Jörg Achim Keller (Leitung)

Rasmus Kihlberg (dr)

Karten: Tel. 0431. 237070

Shmf.de

01. September 2011 21.00 Uhr

Hamburg, Fabrik, Barnerstr.

02. September 2011 19.30 Uhr

Pasewalk, Lokschuppen Pomerania e. V.,

Speicherstraße 14

Festspiele Mecklenburg-Vorpommern

„fl amenco meets jazz“

Thomas Hickstein (g) Andreas Junge (g)

Elva La Guardia (voc, tanz) Carmen Salado (tanz)

NDR Bigband · Jörg Achim Keller (Leitung)

Karten: 01.09.2011

Tel. 040. 391070 fabrik.de

Karten: 02.09.2011

Tel. 0385. 5918585 (Mo. – Fr. von 9 – 18 Uhr)

* bundesweit zum Ortstarif, maximal 42 Cent pro Minute aus dem Mobilfunknetz

08. + 09. September 2011 20.00 Uhr

Hamburg, Rolf-Liebermann-Studio, Oberstraße 120

NDR jazz Konzerte #5

1. Set

jeff ballard trio

Miguel Zénon (sax) Lionel Loueke (g)

Jeff Ballard (dr)

2. Set

„roots“

Marek Balata (voc) Frank Delle (woodwinds)

Vladyslav Sendecki (p) Krija Rhani (perc)

Stephan Maass (perc)

Bastian Höchstein (electronics)

Karten: NDR Ticketshop im Levantehaus

Tel. 0180. 1787980* Fax 0180. 1787981*

[email protected]

17. September 2011 22.00 Uhr

Hamburg, Marien Dom, Danziger Str. 60

Die lange Nacht der Kirchen

„what a wonderful world“

a tribute to louis armstrong

NDR Bigband · Marko Lackner (Leitung)

Heinz Lichius (dr)

Karten: freier Eintritt

24. September 2011 14.30 Uhr und 16.30 Uhr

Hamburg, Rolf-Liebermann-Studio, Oberstraße 120

NDR Familienkonzerte

Sergej Prokofjew:

„peter und der wolf“

Jörg Kleemann (Sprecher)

NDR Bigband · Jörg Achim Keller (Leitung)

Karten: NDR Ticketshop im Levantehaus

Tel. 0180. 1787980* Fax 0180. 1787981*

[email protected]

30. September 2011 20.00 Uhr

Hamburg, Studio 1 des NDR,

Rothenbaumchaussee 132

das studio eins konzert

„scenic routes“

NDR Bigband · Hans Koller (arr, Leitung)

Gene Calderazzo (dr)

Karten: NDR Ticketshop im Levantehaus

Tel. 0180. 1787980* Fax 0180. 1787981*

[email protected]

* bundesweit zum Ortstarif, maximal 42 Cent pro Minute aus dem Mobilfunknetz

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waren Gefängnisse, umflutet von blauer Unendlich-

keit. Keine Möglichkeit zu entkommen. Ich glaube,

die Menschen haben von Flügeln geträumt, mit

denen sie ihre Kinder in die Freiheit fliegen konn-

ten.“ „Children Of The Sun“ ist die Bezeichnung

für die Kinder der Sklavenzeit. Der Gedanke an sie

war die Initialzündung für Sample, sich mit den

eigenen familiären und musikalischen Wurzeln

auseinanderzusetzen. Er selbst stammt von einer

Sklavenfamilie ab, die erst in Louisiana und schließ-

lich in Houston, Texas ein Zuhause gefunden hat.

Landgren. „Sie haben es verstanden, alles für die

Band so zu gestalten, dass die Stärken der Musi-

ker als Solisten und Ensemblemusiker optimal zur

Geltung kommen. Aber auch ihr spielerischer

Reichtum, wenn es um Klangfarben und Groove

geht. ,Children Of The Sun‘ ist eine Zeitreise zu

Joe Samples Wurzeln, aber mit einem klaren Blick

in die Zukunft!“

Joachým Ettel

„Joe kennt die Geschichten aus den Sklavenzeiten

sehr gut und weiß, wie man sie durch die Musik

erzählen kann“, erklärt Nils Landgren, Freund und

musikalischer Partner Samples und Initiator des

Projekts mit der NDR Bigband. „Er malt einfach

Bilder von seinem Leben, als Schwarzer, als Creole,

aber schließlich auch als der wunderbare Mensch,

der er ist.“ Joe Sample hat die Musik speziell für

die NDR Bigband komponiert; ihr Chefdirigent

Jörg Achim Keller hat sie arrangiert. „Die beiden

haben wunderbar zusammengearbeitet“, sagt

mitten der Zuckerrohrplantagen und Ruinen alter

Rum-Destillerien, hat er verstanden, was für ein

Gefühl es gewesen sein muss, als Sklave auf einer

Insel festzusitzen. „Jahrhundertelang haben sich

europäische Kolonialisten erbitterte Kämpfe um

die begehrten Inseln geliefert“, erklärt Joe Sample.

„Das Geschäft mit der Sklaverei war eine Kultur

zur Erzeugung von Arbeitskraft. Sklaven wurden

als landwirtschaftliche Nutztiere betrachtet. Die

Franzosen bezeichneten sie als ,Creolen‘, die Por-

tugiesen und Spanier als ,Crillo‘. Die Sklaveninseln

Er hat Welthits wie „Street Life“ für seine Band

The Crusaders komponiert und Randy Crawford mit

„One Day I’ll Fly Away“ einen Evergreen auf den

Leib geschrieben. Als Pianist ist der heute 72-jäh-

rige Joe Sample nach vier Dekaden als erfolg-

reicher Komponist und Songwriter gefragt wie nie.

Nun hat Sample ein umfangreiches Projekt mit

der NDR Bigband realisiert: „Children Of The Sun“

wurde inspiriert von einem Besuch Samples auf

der Karibikinsel St. Croix, eine der Virgin Islands

unter US-amerikanischem Protektorat. Dort, in-

joe sample

joe sample (p) nils landgren (tb, voc) NDR Bigband · jörg achim keller (leitung) robert ikiz (dr)

„children of the sun“

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NDR Bigband · jörg achim keller (leitung) joão bosco (g, voc) kiko freitas (dr)

Gemeinsam mit dem Dichter Aldir Blanc hatte

Bosco diese poetisch verschlüsselte Botschaft für

Menschenrechte 1979 komponiert, in Zeiten der

Zensur während der brasilianischen Militärdiktatur.

João Bosco wurde im Juli 1946 in Minas Gerais

geboren, im Herzen Brasiliens. Als Kind sang er

im Kirchenchor, mit zwölf bekam er seine erste

Gitarre und absolvierte später ein Studium als

Bauingenieur. Der Poet Vinícius de Moraes ent -

deckte sein Talent Ende der 1960er Jahre und

lud ihn nach Rio de Janeiro ein. Dort übernahm

15. Mai 2007. Im Sala São Paulo singen 1400 Men-

schen die Ballade vom Betrunkenen und der Seil-

tänzerin, „O Bêbado e a Equilibrista”. Sie bejubeln

die NDR Bigband und João Bosco, einen der Helden

der Música Popular Brasileira. Mehr als 250 Songs

hat Bosco komponiert, viele von ihnen haben ihren

festen Platz in der brasilianischen Alltagskultur.

„Chora a nossa pátria mãe gentil ... Weine, Mutter-

land, du freundliches. Die Hoffnung tanzt auf dem

Drahtseil des kleinen Schattens. Und mit jedem

Schritt auf dieser Line kann man sich verletzen.“

joão bosco

Künstler. „Hier in Brasilien mussten die Kulturen

lernen, sich zu arrangieren“, sagt er. „Deshalb sind

wir auch heute in der Lage, Ideen von außen auf-

zusaugen, ohne unsere eigene Identität aufzugeben:

egal ob es sich um Rock, Jazz oder afrikanische

Musik handelt.“ Aus diesen Einflüssen hat João

Bosco eine einzigartige Mixtur geschaffen, die über

die Grenzen Brasiliens hinaus bekannt geworden

ist. Er spielte in der New Yorker Carnegie Hall und

auf dem Jazzfestival in Montreux – doch seine

Musik mit einem Jazzorchester zu spielen, das war

Antônio Carlos Jobim, der Schöpfer der Bossa Nova,

die musikalische Patenschaft für Bosco. Der machte

als Komponist und Interpret auf sich aufmerksam,

als meisterhafter Sänger und Gitarrist, dem kein

Stil, kein Rhythmus fremd ist. Er besingt die Liebe

und den Karneval und prangert zugleich soziale

Missstände an. Die Hälfte der 190 Millionen Brasi-

lianer sind afrikanischer Abstammung. Boscos

Vorfahren kommen aus dem Libanon. Westafri-

kanische Religionen sind noch immer lebendig,

die Rituale des Candomblé fas zinieren Bosco als

mit der NDR Bigband eine Premiere. „Wir hatten

auf der Brasilien-Tour magische Momente“, erinnert

er sich. „Mit diesen Solisten kann man meine

Musik jeden Abend buchstäblich neu erfinden!

Das ist ein Wagnis, aber darum geht es doch in der

Kunst und im Leben: jeden Tag Neues zu wagen.“

Stefan Gerdes

„NDR Bigband & joão bosco“

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Gemeinsam haben wir es ,My Polish Heart‘ genannt.“

Zwei Jahre nach der Uraufführung machen sich

Vladyslav Sendecki und die NDR Bigband auf den

Weg nach Polen und treffen in Konzerten in Kato-

wice und Krakau auf das Polish National Radio

Symphony Orchestra und den Trompeter Tomasz

Stanko. „Ich schreibe dafür das Konzert noch mal

von Grund auf neu“, freut sich der Komponist.

„Es wäre ja wirklich Verschwendung, wenn man

ein ganzes Orchester zur Verfügung hat und nur

eine erweiterte Bigband-Fassung machte.“

kommt man zu einer zeitgenössischen Musik, die

nicht in dieser Tradition der deutschen Avantgarde

steht.“ Diese Neu-Verortung gefällt Vladyslav

Sendecki gut. Zieht sich doch der romantische

Grundgedanke, im Hörer Emotionen entstehen zu

lassen, wie ein roter Faden durch sein Leben als

Musiker: „Ich empfinde die heutige Welt oft als zu

kalt und gefühllos. Ich möchte, dass die Menschen

ein wenig sensibilisiert werden durch mein Spielen.“

Tobias Richtsteig

So steckt Kerschek den Rahmen seiner Kompositi-

on neu ab – als Konzert für Sinfonieorchester, Big

Band und Solisten. „Ich möchte etwas für Vladyslav

Sendecki und Tomasz Stanko schreiben, die ich

für zwei der großartigsten Improvisatoren halte,

die es derzeit gibt. Und ... es wird so viel atonale

Musik geschrieben heute. Ich möchte modern

schreiben, ohne die Tonalität zu verlassen. Der Jazz

hat ja die harmonischen Grenzen enorm geweitet.

Eine weitere Inspiration ist die polnische roman-

tische Musik. Führt man die beiden zusammen,

und dem Baltikum, Spanien, Portugal, Finnland,

Skandinavien, England, den Beneluxstaaten und

nicht zuletzt der Schweiz, wo er u. a. beim Montreux

Jazz Festival auftrat, sammelte er mit offe nen

Ohren Inspirationen, die er in seine Musik einflie-

ßen lässt. Doch die Begegnung mit der polnischen

Folklore setzte eine besondere Assoziationskette

in Gang: „Vladyslav Sendecki ist mein Lieblings-

pianist, und ich entdeckte gewisse musikalische

Parallelen. Also schrieb ich ein Klavierkonzert

für ihn und die NDR Bigband.

Für Wolf Kerschek war es ein eigentümliches Ge-

fühl, zum ersten Mal Polen zu bereisen: „Meine

Großmutter war polnische Übersetzerin, mein

Vater ist in Pommern geboren. Ich spreche die

Sprache nicht, und doch fühlte ich mich dem Land

sehr verbunden.“ Dieses Gefühl ist alles andere

als selbstverständlich. Denn der Komponist und

Vibraphonist Wolf Kerschek beschreibt sich selbst

als »Weltmusiker«. Weil ihn die Klänge außerhalb

Europas interessierten, bereiste er ausführlich

Brasilien und Indonesien. Auf Tourneen in Russland

vladyslav sendecki (p) tomasz stanko (tp) wolf kerschek (comp, arr) ian thomas (dr)

NDR Bigband – polish national radio symphony orchestra · szymon bywalec (leitung)

„beware my polish heart“

13vladsylav sendecki

concerto for piano, trumpet, big band & symphony orchestra

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roberta gambarini (voc) polish national radio symphony orchestra,

NDR Bigband · szymon bywalec (leitung)

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ments aus der Feder des britischen Pianisten Steve

Gray. Gastsolist war damals Al Jarreau, der mit der

NDR Bigband und „Porgy and Bess“ im Herbst 2007

erneut auftrat und auf eine umjubel te Europa-

Tournee ging. „Gershwins Musik ist zeitlos“, stellte

Jarreau fest. „Er war ein Jazzfan – aber seine große

Stärke war es, europäische Klassik mit der Seele

schwarzer Musik zu mischen, und er hat es ge-

schafft, dass beide harmonieren.“ Fünfundsiebzig

Jahre nach der Uraufführung von „Porgy and Bess“

trifft die NDR Bigband nun das Polish National

älteren Bruder Ira angeschafft hatten. Der wiede-

rum erwies sich schon bald als kongenialer Texter.

Mit „Porgy and Bess“ schuf das Songwriter-

Brüder paar George und Ira Gershwin die erste

„amerikanische“ Oper.

Tobias Richtsteig

Radio Symphony Orchestra. Gemeinsam führen

sie „Porgy and Bess“ in Katowice und Krakau auf

und folgen dabei den Traditionslinien des Jazz

und der europäi schen Klassik. Die Arrangements

für dieses denkwürdige Treffen schrieb Stefan

Sendecki, international angesehener Filmkompo-

nist und Bruder des Pianisten der NDR Bigband,

Vladyslav Sendecki. George Gershwin würde diese

verwandtschaftli che Verbindung sicherlich gut

gefallen. Erlernte er doch einst das Klavierspiel

auf jenem Instrument, das seine Eltern für den

American Songbook“ ein. Ella Fitzgerald und Louis

Armstrong waren 1957 die Stars der ersten voll-

ständigen Jazzadaption der 700 Seiten starken

Opern-Partitur, es folgten bemerkenswerte „Porgy

and Bess“-Interpretationen u.a. von Miles Davis

und Gil Evans, dem Modern Jazz Quartet, Oscar

Peterson und Joe Pass, Joe Henderson und nicht

zuletzt der NDR Bigband. Zum 100. Geburtstag

George Gershwins präsentierte sie 1998 im

Ambiente der Hamburger Speicherstadt die Höhe-

punkte aus „Porgy and Bess“ in neuen Arrange-

Manche Bücher können das Gesicht der Welt ver-

ändern. Als George Gershwin 1926 der Roman

Porgy von DuBose Heyward in die Hände fiel, war

er fasziniert. Noch am gleichen Abend schrieb er

dem Autor einen Brief – mit Plänen zu einer Oper.

Neun Jahre später geriet die Premiere von „Porgy

and Bess“ in New York zum Skandal: Alle Rollen

waren mit schwarzen Sängerinnen und Sängern

besetzt. „Summertime“, „I Got Plenty o’ Nuttin’“

und „It Ain’t Necessarily So“ gingen als Erkennungs-

melodien gegen die Diskriminierung in das „Great

15george gershwin

„porgy & bess project“

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und berichtet von seinem ersten Sosa-Konzerter-

lebnis: „Er hatte einen Jazzdrummer dabei, einen

Percussionisten aus Venezuela und einen US-Rap-

per. Ich war beeindruckt, wie die universelle Vision

seiner Musik sie alle verband.“ Dass Jaques Morelen-

baum mit Omar Sosa an einem gemeinsa men

Projekt arbeiten konnte, ist für beide die Erfüllung

eines lang gehegten Traums – und eine Herausfor-

derung. Obwohl Morelenbaum zu den begehr tes ten

Arrangeuren der Welt gehört und Omar Sosa für

seine Experimentierfreude berühmt ist – mit einer

Big Band hatte bisher keiner der beiden zu tun.

„Ich bin so glücklich, wie sich dieses Projekt ent-

wickelt hat“, freut sich Omar Sosa. „Wie diese Deut -

schen zeitgenössischen Jazzmusiker komplexe

Avantgarde-Latin-Musik spielen, ist wirk lich etwas

Neues – für beide Seiten. Man sagt oft: ‚Deutsche

können keine Latin Musik spielen, keine brasiliani-

sche oder japanische Musik.‘ Aber wir sind alle Teil

derselben Welt und wir sollten die Chancen nutzen,

zusammen zu sein, unsere Kulturen zu genießen

und sie miteinander zu teilen.“ Tobias Richtsteig

in Barcelona wohnt – spricht von „Afreecanos“. So

fühlte er sich dem brasilianischen Cellisten Jaques

Morelenbaum sofort verbunden, den er vor einigen

Jahren in Paris kennenlernte. „Ich bin ein Fan von

Jaques. Er ist einer der besten Musiker, die ich je

traf!“, schwärmt Sosa von Morelenbaum, der schon

mit einer ganzen Reihe prominenter Musiker eng

zusammengearbeitet hat: von Antonio Carlos Jobim

über Caetano Veloso, David Byrne und Sting bis

Riyuichi Sakamoto. Morelenbaum selbst bezeichnet

sich seinerseits als Fan des kubanischen Pianisten

„Alles, was ich tue, wurzelt in der afrikanischen

Tradition, sie durchzieht mein Leben wie ein Leit-

motiv“, erklärt Omar Sosa. Sein neues Projekt mit

der NDR Bigband macht da keine Ausnahme: „Ich

nenne es ‚Ceremony‘, denn die Musik basiert auf

alten Melodien, mit denen wir die Orishas feiern.

Das sind die Götter und Heiligen in der westafrika-

nischen Yoruba- Tradition.“ Heute verbindet diese

alte Tradition Menschen in Nord- und Südamerika

und der Karibik. Omar Sosa – der selbst in Kuba

aufwuchs, in Ecuador und den USA lebte und heute

omar sosa (p) childo tomas (b) horacio ‘el negro’ hernandez (dr) marcos ilukán (bata drums)

NDR Bigband · jörg achim keller (leitung)

„ceremony“

omar sosa

omar sosa & NDR Bigband echo jazz preisträger 2011

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Wandelstern funktioniert.

In früheren Projekten haben Sie sich mit der

Musik von zum Beispiel Thelonious Monk, Eric

Dolphy, Fats Waller oder Ornette Coleman aus-

einandergesetzt. Entdecken wir jetzt eine neue,

kammermusikalische Seite an Aki Takase?

Ich bin immer noch mit der Jazz Geschichte be-

schäftigt. Aber ich glaube, dass Originalität für mich

das Wichtigste bei allem ist. Es ist auch nicht un-

bedingt eine neue Seite, weil ich schon oft z. B. mit

einem Streichquintett gearbeitet habe. Für dieses

Ayler, Coleman und auch Miles Davis. Das war

meine erste Begegnung.

Warum sind Sie dann ausgerechnet in Berlin

gelandet?

Früher war ich sehr oft in den USA. Aber als ich

nach Berlin kam, fand ich es hier noch interessan-

ter als New York. Hier gibt es viel spannende

Musik und mehr gute Möglichkeiten, mich zu

etablieren. Und mein Mann ist auch Berliner.

Tobias Richtsteig

Projekt möchte ich ganz neue Farben erfinden.

Sie haben zuerst in Tokio Klavier studiert. Wären

Sie heute gern eine klassische Konzertpianistin?

Nein, überhaupt nicht. Ich liebe Jazz sehr. Jazz ist

die verlockende, wollüstige Musik für mich. Aber

ich spiele immer noch gern auch klassische und

zeitgenössische Musik.

Wie haben Sie den Jazz kennengelernt?

Als ich an der Musikhochschule studierte, hat mir

eine Freundin von Jazz erzählt, und ich nahm die

Chance wahr, viele Jazzplatten zu hören: Mingus,

Aki Takase, der Name Ihres neuen Quartetts

greift nach den Sternen. Warum nennen Sie es

„La Planète“?

Ich interessiere mich nicht für Astrophysik, aber es

gibt eine allegorische Geschichte von Yoko Tawada,

die ein sehr metaphysisches und weltfremdes

Buch geschrieben hat. Davon bin ich sehr begeis-

tert und hatte den großen Wunsch, ihren Text

„Die Fliegen de Seele“ mit meinen musikalischen

Ideen zu verbinden. Das Quartett nenne ich „La

Planète“, weil jeder Musiker selbstständig wie ein

Immer wieder hat Aki Takase in aufregenden Duos

die Grenzen ihres Klanguniversums neu definiert

und erweitert. Mit ihrem Ehemann Alexander von

Schlippenbach, mit der portugiesischen Sängerin

Maria João, David Murray, Louis Sclavis oder Silke

Eberhard. Nicht zuletzt auch mit der Schriftstelle-

rin Yoko Tawada, die in Hamburg studierte und auf

Deutsch schreibt. Mit ihrem international besetz-

ten La Planète Quartet übersetzt Takase die sur-

realistische Prosa Tawadas in ein kammermusika-

lisches Klangbild.

aki takase (p) louis sclavis (cl) vincent courtois (cello) dominique pifarély (v)

la planète quartet

aki takase

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schiedensten Arten von Musik studiert, und meine

Ausbildung fiel ein bisschen aus dem Rahmen:

Klassik, Jazz, orientalische Musik“, berichtet der

1962 geborene Garcia-Fons. „Das bewirkte, dass

ich mich heute auf ganz unterschiedlichen Terrains

bewege, auch wenn es eine kontinuierliche Ent-

wicklung gibt. Was mein Spiel auf dem Kontrabass

besonders charakterisiert, ist, dass ich häufig den

Bogen einsetze. Es hat mich immer sehr fasziniert,

den Bass zum Singen zu bringen: so sanft und

sicher wie andere Soloinstrumente auch. Also

italienischen und französischen Wurzeln seiner

Familie bis an die Strände der Ägäis, des Nahen

Ostens und Nordafrikas. Jetzt gelingt ihm mit den

Musikern seines Sextetts ein Brückenschlag neuer

Qualität: zwischen der fantastischen Märchenwelt

der „Abenteuer des Prinzen Achmed“ – diesem

sehnsüchtigen Blick der Moderne auf den damals

noch geheimnisvollen Orient – und einem Jazz,

der sich im 21. Jahrhundert so selbstbewusst wie

respektvoll als im wahrsten Sinne „grenzenlose“

Weltmusik versteht. Tobias Richtsteig

beschloss ich, den Bass um eine fünfte Seite im

hohen Register zu erweitern, um den Klang des

Instruments zu bereichern, ohne seine ursprüng-

liche sonore Tiefe zu verändern. Dabei ließ ich mich

weniger von den Ikonen des Kontrabasses inspi-

rieren, vielmehr von Meistern wie Paco de Lucia,

Mounir Bachir, John Coltrane, Astor Piazzolla und

Jimi Hendrix.“ Im vergangenen Jahr unternahm

Garcia-Fons mit seinem Album „Méditeranées“

eine musikalische Reise entlang der Küsten des

Mittelmeers – ausgehend von den spanischen,

neue, zeitgemäße Musik für „Die Abenteuer des

Prinzen Ahmed“ zu schreiben. Der Franzose war

fasziniert von der poetischen Bildsprache des Films,

der Motive aus den Erzählungen „Aus 1001 Nacht“

aufgreift. Angelehnt an die Schattenspiel-Figuren

des indonesischen Wayang-Puppenspiels hatte

Lotte Reiniger ihren surreal-allegorischen Film aus

animierten Scherenschnitten entwickelt. „Irgendwo

zwischen Laute/Gitarre und Viola da Gamba“ ver-

ortet Renaud Garcia-Fons den charakteristischen

Klang seines Kontrabasses. „Ich habe die ver-

Die ursprüngliche Orchesterpartitur des 1926 ent-

standenen Animationsfilms „Die Abenteuer des

Prinzen Ahmed“ gilt als verschollen. Das ist be-

dauerlich, schließlich ist der abendfüllende Trick-

film der Künstlerin Lotte Reiniger das älteste heute

noch erhaltene Beispiel dieser Kunstform. Doch

manchmal gelingt es, einen Verlust in eine Chance

zu verwandeln: Als die Dessauer Kurt-Weill-Gesell-

schaft Anfang 2011 zum 85. Jubiläum des Films

eine Wiederaufführung in einer restaurierten

Fassung plante, bat sie Renaud Garcia-Fons, eine

renaud garcia-fons (b) franck tortiller (marimba) henri tournier (fl) claire antonini (lute)

david venitucci (acc) bruno caillat (perc)

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renaud garcia-fons„prince ahmed“ music for a film of lotte reiniger

renaud garcia-fons

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hüsnü senlendirici (cl) aytac dogan (kanun) NDR Bigband · jörg achim keller (leitung)

rasmus kihlberg (dr)

Begegnung mit zwei profilierten türkischen Gäs ten,

in deren Sounds sich die historischen wie die

aktuellen Facetten zeitgenössischer Musik wieder-

finden. Bislang waren fast immer nur die Rhythmen

türkischer Tradition gefragt – seit in den 1970er

Jahren der Schlagzeuger Okay Temiz Teil des inter-

nationalen Aufbruchs hin zur damals neuen Welt-

musik wurde. Perkussionisten wie Burhan Öcal

(auch er spielt 2011 beim Schleswig-Holstein

Musik Festival) und Arto Tuncboyacan setzten die

Geschichte dieser Annäherung fort. Mit Hüsnü

Wie vertraut die türkischen Nachbarn auch sein

mögen im Alltag der großen Städte im Einwande-

rungsland Deutschland, so viel Neugier ist zugleich

immer noch nötig, um sich der Musik zu nähern,

die aus tief verwurzelten Traditionen in die aktuel le

türkische Szene mündet. Im April 2011 hatte sich

in Bremen die internationale Messe „jazzahead!“

verdient gemacht um dieses gegenseitige Kennen-

lernen: Dort wurde die Türkei zum Schwerpunkt-

und Partnerland. Für das aktuelle Schleswig-Hol-

stein Musik Festival setzt die NDR Bigband auf die

hüsnü senlendirici

lei Zusammenarbeit irgendwann auch mal eine Art

Ableger jener Neu-Erfindung, die derzeit gerade die

traditionell ebenso stark verwurzelte Musik Indiens

in der Begegnung mit dem Jazz durchmacht.

Auch im Instrumentarium türkischer Musiker gibt

es viel zu entdecken: etwa die „Kanun“, eine Art

orientalischer Zither, die zum Klang-Spektrum vom

„Taksim Trio“ gehört. „Taksim“ - der Begriff be-

zeichnet den improvisierten Raum auch in der

an sich klaren Formen und Strukturen folgenden

Senlendirici kommen andere Farben ins Spiel.

Senlendirici zählt zu den herausragenden Klari-

nettisten der aktuellen türkischen Szene. Wobei

die Grenzen zwischen Märkten und Stilen in der

Türkei weniger eng und streng gezogen werden

als etwa in Deutschland: So wird Senlendirici zu

Hause gleichermaßen im Pop wie in der improvi-

sierten Musik geschätzt. Bei regelmäßigen Aus-

flügen nach New York versichert er sich immer

wieder der jeweils frischen Sounds im Jazz. Und

wer weiß: Womöglich entwickelt sich ja aus solcher-

türkischen Musik. Und genau auf diese Öffnung hin

zur Improvisation, also prinzipiell hin zum Jazz,

setzen im „Taksim Trio“ der Klarinettist Senlendirici,

Kanun-Virtuose Aytac Dogan und Ismail Tuncbilek

an der „Beglama“, der türkischen Laute. Zwei Drit-

tel des Trios, Senlendirici und Dogan, sind Gäste

der NDR Bigband – und mit ihnen erschließt

sich dem Orchester ein völlig neuer Horizont:

im Zusammenklang der Kulturen.

Michael Laages

senlendirici & aytac dogan“„NDR Bigband meets hüsnü

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håkan hardenberger (tp) NDR Bigband · jörg achim keller (leitung) rasmus kihlberg (dr)

Mikkelborg neu arrangiert, für die NDR Bigband

und einen anderen Meister der Trompete: Hakan

Hardenberger, Schwedens bedeutendster Klassik-

Export, geschätzt als Interpret barocker und klas-

sischer Trompeten-Literatur wie zeitgenössischer

Kompositionen etwa von Mark Anthony Turnage

oder Arvo Pärt. Hardenberger übernimmt den

Miles Davis-Part im Konzertprojekt „Annäherun gen

an Miles“. Und zufällig haben alle drei Protago-

nisten auch Geburtstag: Miles wäre 85 Jahre alt

geworden, Mikkelborg wird 70, Hardenberger

Miles Davis fühlte sich geehrt. In Kopenhagen wurde

ihm im November 1984 der Sönning-Musikpreis

zuerkannt, und den gab es bis dahin nur für „klas-

sische“ Meisterschaft. Darum hatte er lebenslang

gekämpft: um Anerkennung jenseits der Unter-

scheidungen zwischen der Oberwelt von Bach bis

Britten und der Unterwelt des Jazz. Zur Verleihung

des Preises schrieb der dänische Miles-Verehrer

Palle Mikkelborg mit „Aura“ ein opulentes Stück

Musik. Miles reiste damals zu den Aufnahmen nach

Kopenhagen. Teile der Suite werden jetzt von

håkan hardenberger

„Buzzard Song“ aus „Porgy and Bess“. Aber auch

der wegweisen de Miles aus den späten 1950er

Jahren wird erforscht: mit „Blue in Green“ und –

im meisterlichen Arrangement von Steve Gray –

mit „My Funny Valentine“. Von hier aus nehmen

Hardenberger und die NDR Bigband das Monument

ins Visier. Aber eben mit dem Blick von außen,

aus der Distanz. Harden bergers Leib-und-Magen-

Komponist Mark Anthony Turnage steuert ein Stück

bei. Und der österreichische Gitarrist Christian

Muthspiel schreibt eine Art Motto: „A fleeting

50. Miles Davis blieb ein Monolith. Und es leuchtet

ein, dass sich in zwei Jahrzehnten kaum jemand

ernstlich mit Miles-Hommagen beschäftigt hat.

Andererseits wissen viele Musiker um das Miles-

Erbe im eigenen Spiel und um dessen unschätz-

baren Wert. Kopierbar aber war er nie – hier liegt

der Kern des Hardenberger-Projektes: Wie nähert

sich ein derart außergewöhnlicher Zeitgenosse

dem Universum namens „Miles“? Natürlich auch

über dessen Musik: „Solera“ aus den „Sketches

of Spain“, „Bess you is my woman now“ und

memory“, Erinnerung im Fluss. Genau das war

auch Mikkelborgs „Aura“. Mit Hardenbergers groß-

em Ton und dem Sound der NDR Bigband ist

diese Erinnerung eine der schönsten Herausfor-

derungen und das Konzertprojekt gewiss ein

Highlight im Miles-Davis-Jahr.

Michael Laages

„a closer look ahead at miles“

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thomas hickstein (g) andreas junge (g) elva la guardia (voc, tanz) carmen salado (tanz)

ian thomas (dr) NDR Bigband · jörg achim keller (leitung)

sätze auf Baile, Cante und Toque treffen – auf Tanz,

Gesang und Gitarrenspiel. Für den leidenschaft-

lichen Baile sorgen Carmen Salado und Elva La

Guardia. Sie werden ihre majestätischen Kreise

ziehen und die Bühne mit messerscharfem Fuß-

einsatz zum Beben bringen. Das Maß aller Dinge ist

im Flamenco bis heute der Cante. So taucht Elva

La Guardia in die schroffen Tiefen der Tradition

ein und erinnert auch an die verzierungsreichen

maurischen Einflüsse des Flamenco. Seit 1993 tritt

die Tänzerin und Sängerin mit dem Gitarristen

„Flamenco ist das Gegenstück zu unserem Blues“,

stellte vor gut 50 Jahren Miles Davis fest. Damals

hatte Miles mit dem Komponisten und Arrangeur

Gil Evans das Album “Sketches of Spain” einge-

spielt – die erste bedeutende Begegnung von or-

chestralem Jazz und Flamenco. Die NDR Bigband

setzt diese Tradition nicht nur fort – sie wagt ein

außergewöhnliches Experiment: Das Projekt

„Flamenco meets Jazz“ soll beiden Klangwelten

gleichermaßen gerecht werden. Die NDR Bigband

lässt ihren Groove und ihre geschliffenen Bläser-

elva la guardia, thomas hickstein

einer Farruca, im entspannten Swing eines Tango

Flamenco oder in der rauen Dramatik der traditi-

onsreichen Siguiriyas – Steve Grays filigrane Arran-

gements vermeiden alle Folklore-Klischees und

lassen ein ebenso kunstvolles wie lebendiges Ge-

flecht aus Flamenco und Jazz entstehen. Deren

gemeinsame Geschichte ist mittlerweile voran-

geschritten. Was Miles Davis nur angedacht hatte,

vollbrachte ein Jahrzehnt später ein gewisser Paco

de Lucía. Fast im Alleingang revolutionierte er den

Flamenco und stellte dessen alte Gesetze in Frage.

Thomas Hickstein als Duo „Elva y Tomás“ auf.

Hickstein übernimmt im Konzert gemeinsam mit

Andreas Christian Junge die Toque – den Gitarren-

part. Beide sind in der Flamenco-Welt nicht nur

als vorzügliche Solisten bekannt, sie haben auch

die Kompositionen für das Programm geschrieben.

Für die musikalische Klammer des Programms hat

einer der Lieblingsarrangeure der NDR Bigband

gesorgt: der englische Komponist und Arrangeur

Steve Gray (1944 – 2008). Ob in der ansteckenden

Leichtigkeit einer Rumba, im atemlosen Wirbel

Flamenco und Jazz sind sich seitdem immer näher

gekommen. Die Jazzmusiker sind fasziniert von

den verschlungenen Melodien und den ungeschlif-

fenen Gefühlsausbrüchen des Flamenco – auf der

anderen Seite entdecken die Flamencos im Jazz

neue Wege, sich freier auszudrücken. Einen ge-

meinsamen Nenner gab es aber schon immer:

beide, Flamenco und Jazz, leben vom unverwech-

selbaren Spiel der Musikerpersönlichkeiten.

Stefan Gerdes

„flamenco meets jazz“

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miguel zenón (sax) lionel loueke (g) jeff ballard (dr)

die in ihrem Spiel Tradition und neue Ausdrucks-

formen vereinten. So wurde er u. a. für sechs Jahre

Mitglied in den Chick Corea-Formationen „Origin“

und „New Trio“. Ballard ist aktuell Mitglied des

Brad Mehldau Trios, schwingt in Joshua Redman’s

Elastic Band die Schlägel und agiert als Co-Band-

leader von FLY, dem Ausnahmetrio mit Mark Turner

und Larry Grenadier. Lionel Loueke wurde im

westafrikanischen Benin geboren. Seine Entwick-

lung ist einem Parforceritt vergleichbar: Erst mit

17 Jahren erlernte er sein Instrument, tauchte

In dieser hochkarätigen Band repräsentiert jedes

Mitglied eine eigene musikalische Welt. So unter-

schiedlich die Musiker, so unterschiedlich, ja fast

grenzenlos sind das Repertoire und die musika-

lischen Stilistiken, die hier aufeinandertreffen.

„Es existieren keine Grenzen bis auf unsere Sehn-

süchte und unseren Geschmack“, bringt es Jeff

Ballard auf den Punkt. Der Schlagzeuger aus Santa

Cruz (Kalifornien) war drei Jahre bei Ray Charles

und tourte mit Eddie Harris und Bobby Hutcherson.

Umgezogen nach New York, zog es ihn zu Künstlern,

jeff ballard

Altsaxofonist in der New Yorker Latin-Jazz-Szene.

2002 gelang ihm der Durchbruch mit „Looking

Forward“, das die New York Times zur Aufnahme

des Jahres kürte. Sein warmer, expressiver Sound,

mit dem er höchst eigenständige Statements for-

muliert, bewegte Charlie Haden, ihn in das Libera-

tion Music Orchestra aufzunehmen. Weltweit be-

kannt wurde der charismatische Puertoricaner im

Gefüge des SF Jazz-Collective. In New York konnte

sich keine Formation mit Anspruch der neuen

jungen Stimme entziehen. So spielte Zenón u. a.

danach in weitere afrikanische Traditionen ein.

Schon bald ging seine eigenwillige Klangerzeugung

weit über das herkömmliche Gitarrenspiel hinaus.

Loueke setzt Stimme & Saiten sowohl perkussiv

als auch melodiös ein. Eine CD von George Benson

wies ihm den Weg zum Jazz. Über Paris und Berklee

führte ihn sein Studium zum Thelounious Monk

Institut of Jazz, wo ihn Terence Blanchard und

Herbie Hancock begeistert aufnahmen. 2008 de-

bütierte Loueke unter eigenem Namen bei Blue

Note. Miguel Zenón, ist heute der gefragteste

im Village Vanguard Orchestra, in der Mingus

Big Band, bei Ray Barretto und Steve Coleman.

Entsprechend abwechslungsreich kommt das

Repertoire des Jeff Ballard Trios daher. Die Musik

lebt durch ihre komplexen Rhythmen, unüblichen

Harmonien und souligen Melodien. Die Rhythmik

ist zudem sehr präzise, da jeder einzelne Musiker

auf seine Art und Weise eine Drummer-Rolle

einnimmt.

Joachým Ettel

jeff ballard trio

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marek balata (voc) frank delle (woodwinds) rhani krija (ethnic perc) vladyslav sendecki (p/comp)

stephan maas (ethnic & electric perc) bastian höchstein (electronics & samples)

neue, universale Richtung. „Es ist Musik“, so Sen-

decki, „die von in Vergessenheit geratenen oder

verstorbenen traditionellen polnischen Künstlern

gesungen und gespielt wird. Wenn man sie anhört,

findet man einen ungeheuren Reichtum an Melis-

men, Phrasierungen und Rhythmen, instrumenta-

len und vokalen Farben. Manchmal scheint es, man

höre bulgarische, asiatische oder afrikanische

Klänge … aber es sind polnische.“ Mit dem neuen

Projekt möchte Sendecki seinen Wurzeln den ihnen

angestammten Stellenwert verschaffen. In einem

Dem breiten Publikum ist Vladyslav Sendecki vor

allem als Pianist und Komponist der NDR Bigband

ein Begriff, der er seit 1996 angehört. Tatsächlich

aber ist der 1955 in Gorlice geborene und später in

Krakau ausgebildete Tastenkünstler neben Tomasz

Stanko einer der wenigen Musiker, die einen Bogen

spannen zwischen der legendären polnischen Jazz-

Szene der 70er Jahre und dem zeitgenössi schen

Jazz. Sein aktuelles Roots-Projekt, zu dem er sich

von Feldaufnahmen des Journalisten Krystian

Brodacki hat inspirieren lassen, geht in eine ganz

marek balata

Frank Delle, der sowohl in der NDR Bigband als

auch in seinen eigenen Bands den Spagat zwischen

freier Improvisation und zupackenden Grooves

mühelos zu meistern weiß. Abdelrhani Krija, ma-

rokkanischer Weltklasse-Perkussionist, der bereits

vor sieben Jahren auf Empfehlung von Manu Katché

von Sting engagiert wurde und seither festes Mit-

glied in dessen Band ist. Stephan Maass, ausge-

sprochener Spezialist für Electronic Percussion

und Musikologe, Bastian Höchstein, der die am-

bienten Electronics beisteuert. Die Frage nach der

„entjazzten“ Kontext, ohne Schlagzeug und Bass,

der auf das Flächige abzielt, auf ein assoziatives

Ambiente mit Geräuschen und gesampleten Sounds.

Sendecki nutzt die Aufnahmen als Plattform, als

Ausgangspunkt, um mit großartigen internationa-

len Musikern und Improvisationskünstlern die pol-

nischen Wurzeln über kreativ entwickelte Klänge

in die Zukunft zu transportieren. Darunter Marek

Balata, ein flexibler und klangorientierter Sänger,

der auch theatralische Fähigkeiten aufweist und

zu den Samples sehr fantasievoll improvisiert.

uns vereinenden Welt, nach unserer Herkunft,

beantwortet Sendecki so: „Hier kommt ein Geist

zum Ausdruck, der uns alle auf diesem Planeten

verbindet, in unserer Zeit wie auch in der Vergan-

genheit und in der Zukunft. Ein großer Sinn für

ein kommunikatives Miteinander, ohne den wir

Menschen möglicherweise gar nicht mehr existie-

ren würden.“ Vladyslav Sendecki bestätigt einmal

mehr, dass spannende Musik sein Markenzeichen

ist. Musik, die immer neue Wege beschreitet und

voller Überraschungen steckt. Joachým Ettel

„roots“ 2011hamburger jazzpreis-träger 2011: vladyslav sendecki

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Arrangeur Steve Gray (1944 – 2008) hervorragend

gelöst. Er hat es geschafft, die Atmosphäre einer

All-Star-Aufnahme mit der Spielkultur einer zeit-

genössischen Big Band zu verbinden. Steve Gray

verwendet in seiner „Hot-Suite“ Themen wie den

„Westend Blues“ oder „Struttin´ with some bar be-

cue“. In modernem Gewand kommen Stücke wie

„When The Saints Go Marchin’ In“ oder „High

Society“ daher. Und eine ganz besondere Version

hat er von „What a wonderful world“ geschaffen.

Axel Dürr

im Internet auf, seine Bibliografie umfasst mehr

als 40000 Artikel. Er ist der Erfinder des Scat

Gesangs und der erste Star des Jazz. Man nannte

ihn Gate, Face, Nicodemus, Slippers, Sweet Child,

Bo’Hog, Dipper, Gatemouth, Satchelmouth,

Shadow mouth, Daddy oder Pops, in der Öffent-

lichkeit setzte sich schließlich Satchmo durch.

Louis Armstrong war kein Big-Band-Musiker, und

er war kein Jazzkomponist wie zum Beispiel Duke

Ellington. Die Auf gabe, Armstrongs Stücke auf

die NDR Bigband zu übertragen, hat der englische

„Mein ganzes Leben bestand aus Glück. Bei all

meinen Missgeschicken habe ich nichts geplant.

Ich habe das Leben genommen, wie es war.

Und was auch immer dabei herauskam, für mich

war das Leben wunderschön, und ich liebe alle.“

Louis Armstrong war Amerikas erfolgreichster

musikalischer Künstler, viermal verheiratet, Bor-

dellbesuchen nicht abgeneigt, ein fanatischer

Anhänger von Abführmitteln, Marihuana rauchte

er in rauen Mengen. Er wirkte in 35 Filmen mit,

sein Name taucht in rund 8,8 Millionen Webseiten

louis armstrong

NDR Bigband · marko lackner (leitung) heinz lichius (dr)

„what a wonderful world“a tribute to louis armstrong

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NDR Bigband · jörg achim keller (leitung) frank reinshagen (arr) jörg kleemann (sprecher)

und Manfred Mann mit, aber auch der Geiger

Stephane Grappelli. Der Gentleman des gepflegten

Humors, Loriot, nahm seine Inszenierung mit

Daniel Barenboim und dem English Chamber Or-

chestra auf. In gut geführten Musikalienläden

findet man „Peter und der Wolf“ in Bearbeitungen

für Blockflöten-Ensemble oder Gemischten Chor,

Bläserquintett oder Akkordeonorchester. Doch was

passiert, wenn Jazzmusiker beschließen, die alt-

bekannte Geschichte einmal auf ihre Art zu erzäh-

len? Wer übernimmt dann Peters Geigenmotiv,

Wer kennt es nicht, das musikalische Märchen

„Peter und der Wolf“? Mit seiner Orchester-Erzäh-

lung vom frechen Jungen und der offen stehenden

Gartentür schuf Sergej Prokofjew vor 75 Jahren den

Klassiker im Bereich „Musik für Kinder“. Schon

Walt Disney erkannte das dramatische Potenzial

der Geschichte und „verfilmte“ sie in seinen welt-

bekannten Zeichentrickstudios. Seitdem sind

zahlreiche Versionen des Werks entstanden: Bei

einer psychedelischen Rock-Version in den sieb-

ziger Jahren wirkten u. a. Phil Collins, Gary Moore

sergej prokofjew

zur Verfügung. Die Themen bleiben selbstverständ-

lich alle wiedererkennbar. Aber bei uns gibt es viel

mehr Raum für die Solisten.“ Und jene Solisten

der NDR Bigband kennt Reinshagen bestens. Mit

dem Trompeter Ingolf Burkhardt zum Beispiel hat

er zusammen Jazz studiert. So kann er den Musi-

kern die verschiedenen Rollen quasi auf den Leib

schneidern. „Sie sind keine Schauspieler, aber

ganz unterschiedliche Typen. Ingolf zum Beispiel

kann ich mir gut als den kleinen Peter vorstellen.“

Die Zuschauer erwartet also eine packende Mi-

wie klingt der fagottierende Großvater und wie

quakt die Ente, zwitschern die Vögel? Die NDR

Bigband will das einmal ausprobieren und hat den

Komponisten und Arrangeur Frank Reinshagen ge-

beten, eine neue Version von „Peter und der Wolf“

für sie und ihr junges Publikum zu schreiben.

„Im Original übernimmt ja jedes Instrument einen

Part der Geschichte“, erklärt Reinshagen, „also die

Rolle einer Person oder eines der Tiere. So wird

das hier auch sein, aber natürlich hat die Bigband

andere Instrumente als ein klassisches Orchester

schung aus klassischen Melodien und modernen

Jazzklängen – und eine Geschichte, für die auch

die Musiker alle Register ihrer Darstellungskunst

ziehen. „Das ist das eine“, gibt sich Arrangeur

Reinshagen geheimnisvoll. „Es gibt aber auch eine

ziemlich entscheidende Veränderung im Text.

Aber die wird natürlich noch nicht verraten.“

Tobias Richtsteig

„peter und der wolf“

sergej prokofjew

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NDR Bigband · hans koller (arr, leitung) gene calderazzo (dr)

beim TSV Oberlauringen gespielt hatte, fing Feuer

im Jazz und fand sich als junger Mann in London

wieder, wo er Musik-Ethnologie an der Universität

und Jazzkomposition bei Mike Gibbs und Bob

Brookmeyer studierte. Inzwischen hat er sich als

Komponist einen Namen gemacht – in Projekten

so renommierter Ensembles wie den Big Bands von

NDR, WDR und BBC. Seit Anfang 2011 schreibt er

auch für das Pizza Express Orchestra, das Mike

Gibbs in einem Londoner Jazzclub gegründet hatte.

Immer wieder stellt Koller auch unter eigenem

Als der Pianist Hans Koller 1970 in Landshut ge-

boren wurde, war der österreichische Saxofonist

gleichen Namens bereits ein international be-

kannter Meis ter in seinen besten Jahren. Heute

ist Hans Koller selbst Jazzmusiker wie der ältere

Namensvetter. Sein eigener Weg zum Jazz begann,

als er die Schallplatten des Improvisators Keith

Jarrett entdeckte. „Von da aus habe ich mich

rückwärts durch die Jazzgeschichte gearbeitet,

zurück zu Charlie Parker in den 1940ern und

weiter davor.“ Koller, der in seiner Jugend Fußball

gene calderazzo

musikalisches Panorama. Koller, der zu den wich-

tigsten Vertretern der klangfarbenreichen Gil

Evans-Nachfolge gezählt wird, beruft sich auf viel-

fältige Einflüsse: „Ich mag die selbstbewussten

Pianisten der 1950er, Leute wie Thelonious Monk.

Als Komponist für Kleinbesetzungen schätze ich

besonders Bill Evans – in seinem Stil kann man

die Spuren des frühen 20. Jahrhunderts hören,

Komponisten wie Debussy und Ravel, die mich auch

inspirieren. Aber das gilt auch für viele Sachen

aus Afrika. Ich höre viel unterschiedliche Musik.“

Namen Groß-Ensembles von internationalem

Format zusammen. So spielte 2005 der Saxofonist

Steve Lacy auf „London Ear“ die letzten Studio-

aufnahmen vor seinem Tod ein, beim Ende 2010

erschienenen Album „Cry, Want“ gehören unter

anderem Bill Frisell und Evan Parker zur hand-

verlesenen Band. Vor zwei Jahren war Hans Koller

Gast der NDR Bigband, die unter dem Titel „Scenic

Routes“ sechs seiner Kompositionen und Titel der

stilprägenden Altsaxofonisten Ornette Coleman

und Charlie Parker aufnahm: ein sehr persönli ches

Jetzt setzen Hans Koller und die NDR Bigband ihre

erfolgreiche Zusammenarbeit fort. Eine intensive

Arbeitswoche mit neuen Kompositionen findet

ihren Höhepunkt live – im Studio Eins Konzert.

Tobias Richtsteig

„scenic routes“

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täglich 22.05 – 23.00 uhr

radio-tippsjazz auf NDR Info

Playlists finden Sie unter

ndr.de/jazz

samstags auch 20.15 – 21.00 uhr

„.... gewiss, dies ist eine Big Band, und immer wieder

blitzt hervor, wie gut Rainer Tempel die Tradition

des großen Bläsersatzes im Jazz kennt, die glänzen-

de Maschinerie, die großen dynami schen Abstän-

de, die imposanten Crescendi, die breit gewebten

harmonischen Flächen, die fl it zenden Schiffchen

der wechselnden Stimmen. Aber er macht etwas

Neues, Ungewöhnliches daraus, etwas Eklekti sches,

das seinen spielerischen Charakter der musikali-

schen Spätromantik verdankt und seinen Ernst und

seine Kraft dem Pop. Wie hier Einfallsreichtum

und großes Ensemble, Genie und Gruppe zusam-

menkommen, und wie gut der Bass von Ingmar

Heller dieses ganze große Gewebe zusammenhält –

das sollte man gehört haben.“

(Thomas Steinfeld, Süddeutsche Zeitung, Feuilleton, 27.04.2011)

jazz’n’arts

cd-tipprainer tempel & NDR Bigband„serious fun“

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christina pluhar40 41

Christina Pluhar und ihr Ensemble L’Arpeggiata,

das spätestens seit dem Sensationserfolg der CD

„Teatro d’Amore“ Kultstatus genießt, entdecken im

Zusammenspiel mit Musikern der NDR Bigband die

zeit- und grenzenlose Kreativität der Improvisation.

Christina Pluhar liebt bildhafte Vergleiche: „Stellen

Sie sich vor, wie schwer es wäre, in 400 Jahren

improvisatorische Stile wie Jazz und Flamenco re-

konstruieren zu wollen – ohne je eine Aufnahme

dieser Musiker gehört zu haben.“ Gerade eine

Am Mikrofon: Claudia Schober

NDR Info jazz konzertSa, 23.07.2011 + Sa, 30.07.2011, 22.05 Uhr bis 23.00 Uhr„baroque meets jazz“

mitglieder der NDR Bigband:

claus stötter (tp) fiete felsch (sax, fl) marcio doctor (perc) nils landgren (tb)

l’arpeggiata:

christina pluhar (theorbe, leitung) lucilla galeazzi (gesang) elisabeth seitz (psalterium)

marcello vitale (chitarra battente) doron sherwin (zink) boris schmidt (kontrabass)

david mayoral (perkussion) francesco turrisi (cembalo)

„All Improvviso“ ein. Und 2009 jubelte SPIEGEL

Online: „Sie heizt Madrigalen von Monteverdi mit

Jazz- und Blues-Elementen ein, dass der Zeit-

abstand zwischen dem 17. Jahrhundert und heute

schmilzt wie Schnee.“

Im Rolf-Liebermann-Studio des NDR traf „L’Arpeg-

giata“ im Februar 2011 unter dem Motto „Baroque

meets Jazz“ in drei ausverkauften Konzerten auf

Musiker aus den Reihen der NDR Bigband. Die vier

Improvisatoren brachten nicht nur moderne

solche Sisyphusaufgabe hat sie sich mit ihrem

Ensemble „L’Arpeggiata“ vorgenommen: die Inter-

pretation italienischer Musik des 17. Jahrhunderts.

„Improvisation ist eins der wichtigsten Elemente,

das diese Musik lebendig macht“, erläutert Christina

Pluhar. „In der Alten Musik sammeln wir erst seit

zehn, fünfzehn Jahren Erfahrungen damit. Ein Jazz-

musiker macht sein ganzes Leben nichts anderes.“

Die Lautenistin suchte und fand Berührungspunkte

mit dem Know-how des Jazz. 2004 lud sie den

Jazz klarinettisten Gianluigi Trovesi zu einem Album

Klangfarben, sondern einen reichen Erfahrungs-

schatz mit – auch über die Grenzen des Jazz hinaus.

„Was mich begeistert: Timing, Rhythmus, Energie,

das kann man in jeder Musik wiederfi nden“, sagt

Fiete Felsch, der unter anderem auch als klassi-

scher Saxofonist brilliert. Und Perkussionist Marcio

Doctor hat in der Begegnung mit Folklore in der

ganzen Welt gelernt: Entscheidend ist das Aufein-

anderhören, um miteinander zu kommunizieren.

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Wenn Sie regelmäßig über Konzerte der NDR Bigband, die NDR jazz Konzerte in Hamburg im Rolf-Liebermann-Studio und das Jazzprogramm auf NDR Info informiert werden möchten, schick en Sie uns eine Postkarte mit Ihrer Adresse: NDR jazz, Rothenbaumchaussee 132, 20149 Hamburg.

Schicken Sie uns ein Fax 040. 41563485 oder besuchen Sie uns im Internet: ndr.de/jazz bzw. ndr.de/bigband.

jazz aufNDR Infotäglich 22.05 – 23.00 Uhrsamstags auch 20.15 – 21.00 Uhrmo.– do. Play Jazz!fr. Specialsa. Klassiker (20.15 – 21.00 Uhr)sa. Konzert (22.05 – 23.00 Uhr)so. NDR Bigband

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