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Der Anfang der neunten Sinfonie von L v. Beethoven könnte dann z. B. so aussehen: oder so: Gestaltungsprinzipien: Rhythmus und Dynamik „die Typografie lernt laufen“ 6.1 [Vorübung] Rhythmus grafisch umsetzen Klopfen Sie den Rhythmus eines beliebigen Musikstücks. Finden Sie die Grund- struktur heraus, die sich immer wiederholt. Versuchen Sie, diese grafisch mit Hilfe von Linien oder Kästchen hier darzustellen. Vermutlich werden Sie Pausen durch unterschiedliche Lücken zwischen den Linien oder Kästchen darstellen. Außerdem wird die Stärke des Schlags von Ihnen voraussichtlich durch die Linienstärke oder Kästchengröße visualisiert werden. Verwenden Sie also das Sinnesorgan Ohr als Brücke, um den Rhyth- mus Ihrer typografischen Arbeiten wahrzunehmen. [Aufgabe] Layoutrhythmus Finden Sie die Rhythmen der Doppelseiten auf der gegenüberliegenden Seite, die durch die Bilder (und Bildabfolge!) vorgegeben werden. Klopfen Sie jeweils den Rhytmus. Thesen zum Rhythmus Die Elemente einer Seite stehen in Beziehung, diese Beziehung nimmt der Betrachter als visuellen Rhythmus wahr. Häufig wird der Rhythmus durch den Blickverlauf vorgegeben. Der Rhythmus ergibt sich durch die Art der Anordnung und das visuelle Gewicht der Einzelelemente (z. B. gegeben durch Größe, Farbe, Form). Der Rhythmus kann unregelmäßig sein: die Elemente sind stark unter- schiedlich gewichtet, ihr Verteilung ist meist asymmetrisch, die Seite wirkt insgesamt dynamisch und lebendig. Oder der Rhythmus ist regelmäßig: die Elemente sind von ähnlichem oder gleichen optischen Gewicht, die Anord- nung ist symmetrisch, so dass die Seite statisch wirkt. Die üblichen Schwerpunkte von Takten können verschoben werden (Syn- kopen), das wirkt interessant und verstärkt den dynamischen Eindruck. 96

96 Gestaltungsprinzipien: Rhythmus und · PDF fileZeichnen Sie den Rhythmus oder die Dynamik mit Hilfe von Linien oder Rahmenelementen. Spielen Sie mit Verdichtungen und aufgelösten

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Page 1: 96 Gestaltungsprinzipien: Rhythmus und · PDF fileZeichnen Sie den Rhythmus oder die Dynamik mit Hilfe von Linien oder Rahmenelementen. Spielen Sie mit Verdichtungen und aufgelösten

Der Anfang der neunten

Sinfonie von L v. Beethoven

könnte dann z. B. so aussehen:

oder so:

Gestaltungsprinzipien: Rhythmus und Dynamik

„die Typografie lernt laufen“

6.1 [Vorübung] Rhythmus grafisch umsetzenKlopfen Sie den Rhythmus eines beliebigen Musikstücks. Finden Sie die Grund-struktur heraus, die sich immer wiederholt. Versuchen Sie, diese grafisch mitHilfe von Linien oder Kästchen hier darzustellen.

Vermutlich werden Sie Pausen durch unterschiedliche Lücken zwischen denLinien oder Kästchen darstellen. Außerdem wird die Stärke des Schlags vonIhnen voraussichtlich durch die Linienstärke oder Kästchengröße visualisiertwerden. Verwenden Sie also das Sinnesorgan Ohr als Brücke, um den Rhyth-mus Ihrer typografischen Arbeiten wahrzunehmen.

[Aufgabe] LayoutrhythmusFinden Sie die Rhythmen der Doppelseiten auf der gegenüberliegenden Seite,die durch die Bilder (und Bildabfolge!) vorgegeben werden. Klopfen Siejeweils den Rhytmus.

Thesen zum Rhythmus– Die Elemente einer Seite stehen in Beziehung, diese Beziehung nimmt der

Betrachter als visuellen Rhythmus wahr. Häufig wird der Rhythmus durchden Blickverlauf vorgegeben.

– Der Rhythmus ergibt sich durch die Art der Anordnung und das visuelleGewicht der Einzelelemente (z. B. gegeben durch Größe, Farbe, Form).

– Der Rhythmus kann unregelmäßig sein: die Elemente sind stark unter-schiedlich gewichtet, ihr Verteilung ist meist asymmetrisch, die Seite wirktinsgesamt dynamisch und lebendig. Oder der Rhythmus ist regelmäßig: dieElemente sind von ähnlichem oder gleichen optischen Gewicht, die Anord-nung ist symmetrisch, so dass die Seite statisch wirkt.

– Die üblichen Schwerpunkte von Takten können verschoben werden (Syn-kopen), das wirkt interessant und verstärkt den dynamischen Eindruck.

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1 Doppelseite Stadtinformati-

onsheft (Hrsg. Stadt Singen)

2 Doppelseite HQ-Magazin

(Heidelberger-Druckmaschi-

nen AG)

6.2 [Aufgaben] Rhythmen visualisierenRhythmisch zu gestalten erfordert einige Übung. Nehmen Sie sich deswegenZeit für jeden einzelnen Aufgabenteil. Verwenden Sie für alle Aufgaben dasFormat DIN A4 oder das quadratische Format 21 × 21 cm.1. Hören Sie sich ein ruhiges Musikstück mit fließenden Rhythmen an und

greifen Sie sich eine interessante Sequenz von wenigen Sekunden heraus.Lassen Sie sich dadurch inspirieren, aber versuchen Sie keine 1 : 1 Umset-zung.

Gestaltungselemente > Gestaltungsprinzipien: Rhythmus und Dynamik 97

Page 3: 96 Gestaltungsprinzipien: Rhythmus und · PDF fileZeichnen Sie den Rhythmus oder die Dynamik mit Hilfe von Linien oder Rahmenelementen. Spielen Sie mit Verdichtungen und aufgelösten

Zeichnen Sie den Rhythmus oder die Dynamik mit Hilfe von Linien oderRahmenelementen. Spielen Sie mit Verdichtungen und aufgelösten Par-tien. Als Variation können Sie auch Tonwerte und Farben mit verwenden.

2. Stellen Sie sich vor, Sie stehen auf einer belebten Kreuzung oder Sie sindZuschauer bei einer Sportart.Setzen Sie den gesehenen Rhythmus frei durch Farb- und/oder Tonwert-flächen um. Beschränken Sie sich in Farb- und Tonwertwahl, um die ausge-wählten Elemente rhythmisch wiederholen zu können.

3. Greifen sie ein Geschehen aus den Tagesnachrichten auf, finden Sie dazuein zentrales Wort. Setzen Sie nun das Geschehen rhythmisch um, indemSie den Rhythmus entweder durch mehrfaches Verwenden und Überlagerndes Wortes bilden oder (evtl. auch zusätzlich) die Buchstaben des Wortesrhythmisch anordnen. Variieren Sie bei diesem Aufgabenteil durch Verän-derung von Schriftgröße, Schriftfarbe oder Schriftart.

4. Experimentieren Sie mit der rhythmischen Umsetzung von Geschichten:

Dynamik

Der Begriff Dynamik kommt aus dem Griechischen und bedeutet Kraft. In derMusik versteht man darunter die Differenzierung der Tonstärke. Dies kannentweder stufenweise geschehen, z. B. durch Bezeichnungen wie forte,mezzoforte, piano oder fließend, z. B. crescendo, decrescendo.

Klare Stufenbildung wird in typografischen Hierarchien durchgeführt. Das,was am wichtigsten ist, wird dann durch Größe, Signalfarbe, fetten Schrift-schnitt o. ä. sozusagen „forte“ ausgezeichnet. Je differenzierter die Information(nicht je unwichtiger!), desto zurückhaltender und leiser wird die Dynamikgehalten. Denn wirklich Interessierte hören auch auf die leisen Töne ...

Fließendes An- und Abschwellen sieht man in typografischen Produktenoft durch das Mittel der Verdichtung dargestellt, das in Gegensatz gebrachtwird zur Vereinzelung.

6.3 [Analyse] Dynamik– Zeichnen Sie den dynamischen Verlauf der drei Beispiele horizontal in die

Kästchen ein. Der Verlauf wird durch die „Leserichtung“ vorgegeben.

98

Taktverschiebung

Ein zu gleichmäßiger Rhythmus

wirkt auf die Dauer uninteres-

sant, bauen Sie deshalb bewußt

„Rhythmusstörungen“ ein.

oben: beispielhafte dynamische

Verteilung von Gestaltungs-

elementen

unten: Darstellung des dyna-

mischen Verlaufs

Rotkäppchen

Wolf

Wald

WaldWald

WaldWald

Wald

WaldWald

Wald

WaldWaldWald

Wald

Wald

Wald

Wald

WaldWald

WaldWald

Wald

WaldWald

Wald

Wald

Wald

Wald

Wald

Wald

Wald

WaldWald

Wald

Wald

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Beispiele für Printprodukte

mit dynamischem Gestaltungs-

verlauf:

1 Anzeige RTL II

2 Werbebroschüre ligne-roset

3 Anzeige Oper Frankfurt

(Ausschnitt)

>> Material auf CD

– Wodurch entsteht die Dynamik. Welcher Verlauf wirkt spannungsreich?Wodurch wird dieser Eindruck verstärkt?

6.4 [Produkt] CD-Cover– Gestalten Sie das CD-Cover und den Labelaufdruck einer Band Ihrer Wahl.

Entnehmen Sie die Maße für das Cover der CD-Hülle. Das Label hat einebedruckbare runde Fläche von 117 mm, wobei innen ein Kreis von 35 mmausgespart werden soll. Legen Sie Rhythmik oder Dynamik durch die Ihnenbekannten Mittel an. Verwenden sie ein oder mehrere Bildelemente, diejedoch so verfremdet werden (z. B. vergrößert oder mit Filtereffekten ver-sehen), dass sie nur noch als strukturierte Farbflächen wirken.

– Bringen Sie zur Auswertung das Originalcover mit, durchsuchen Sie zusätz-lich Ihre CD-Sammlung nach rhythmisch gestalteten Titeln, bringen Siediese ebenfalls mit.

Bewertungskriterien:

– Rhythmus- oder Dynamikgestaltung, Umsetzung des Musikstils – rhythmische Integration der Bildelemente– Gesamtwirkung (z. B. Schrift- und Farbverwendung, Raumaufteilung, Ziel-

gruppenbezug, wurde die Labelfläche gelungen genutzt?)

Gestaltungselemente > Gestaltungsprinzipien: Rhythmus und Dynamik 99

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3]

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Beispiele, in denen durch

verschiedene Gestaltungsele-

mente und deren Anordnung

Dynamik oder Rhythmus erzeugt

wird:

6.5 [Analyse] Rhythmische GestaltungBetrachten Sie die Gestaltungsbeispiele.– Durch welche typografischen und grafischen Mittel werden Rhythmus

und/oder Dynamik erzeugt?

– Mit welchen Attributen würden Sie die „Gesamtperformance“ jedes Beispiels beschreiben? (Beispielsweise kraftvoll, drängend, zögerlich etc.)

– Passt die musikalische Ebene zum dargestellten Inhalt?

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Gestaltungselemente > Gestaltungsprinzipien: Rhythmus und Dynamik 101

1 Anzeige Handelsblatt

2 Anzeige Eye 4 You

3 Anzeige Fellows

4 Anzeige Premiere

5 Flyer Verlagsprogramm

dumont (Ausschnitt)

6 Anzeige BMW

7 Anzeige CMA

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