978-3-89670-534-1

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cancer´s book

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    XII. Befunde der Heidelberger Krebsstudien...............................................

    ZURCK ZUR FRAGE: BEEINFLUSSEN PSYCHOSOZIALE FAKTOREN DENKRANKHEITSVERLAUF BEI KREBSPATIENTEN?

    Im Jahre 1985 publizierten B. R. Cassileth et al. im New EnglandJournal of Medicine einen vielbeachteten Aufsatz.60 Die Autorenmeinten definitiv nachweisen zu knnen, da der Krankheitsverlaufbei Krebspatienten nicht von seelischen und Beziehungsfaktorenbzw. vom psychosozialen Status abhnge. Der Editor der Zeitschriftnahm in seinem Kommentar den Aufsatz zum Anla, um einenderartigen Zusammenhang in die Welt der Mrchen und Fabeln zuverweisen.

    Der genannte Artikel fhrte indessen zu heftigen Kontroversen.Diese entzndeten sich an der Frage: War die von den Autorenangewendete Methode berhaupt geeignet, den Einflu psycho-sozialer Faktoren auf den Verlauf von Krebskrankheiten zu erfas-sen?

    Im folgenden mchten wir nun zusammenfassend darstellen,wie wir in Heidelberg vorgingen, um eine Antwort auf diese Frage ob und wie weit sich seelische und Beziehungsfaktoren auf denVerlauf von Krebskrankheiten auswirken mit wissenschaftlichnachvollziehbaren Methoden zu finden.

    Aus der Gruppe der ursprnglich fr die Heidelberger prospek-tive Studie vorgesehenen Personen sowie aus dem Register einigerHeidelberger Universittskliniken (zum Beispiel dem der chirurgi-schen Universittsklinik) erfaten wir 3410 Krebspatienten, die freine Krankheitsverlaufstudie in Frage kamen. Die Interviews fan-den in den Jahren 1973/74 statt. Zunchst bat ein Universittspro-fessor die zu Befragenden brieflich, wissenschaftlichen Helfern undHelferinnen einen Hausbesuch zu gestatten und deren Fragen zubeantworten. Letztere verwendeten dabei unterschiedliche Frage-

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    bgen. Nach einem mehrstndigen Gesprch fllten diese dannnoch einen Beobachtungskatalog ber den betreffenden Patientenaus. Die folgenden Fragebgen bzw. Beobachtungskataloge siefinden sich als bersichten 8 bis 11 im Anhang II dieses Buches wurden verwendet: 1. ein Fragebogen zur Erfassung der Selbst-regulation, 2. ein Fragebogen zur Erfassung des Grades von Lustund Wohlbefinden, 3. ein Fragebogen zur Erfassung von gnstigenund ungnstigen Verhaltens- und Erlebnisweisen im Hinblick aufdie berlebenszeiten von Krebspatienten und 4. ein Beobachtungs-und Recherchenkatalog zur Erfassung von Indikatoren, die eher freine lange berlebenszeit bei Krebspatienten oder eher gegen einelange berlebenszeit sprechen.

    Nach Abschlu der Befragung wurde bis zum Jahre 1995 gewar-tet, ehe man daranging, die berlebenszeiten der interviewtenKrebspatienten zu bestimmen. 458 Personen lieen sich nicht mehrauffinden. So standen schlielich noch 2952 Personen fr die Aus-wertung zu Verfgung. Die berlebenszeiten seit der im Jahre 1974durchgefhrten Befragung wurden in sieben Kategorien erfat (z. B.berlebenszeiten von 13 Jahren, von 36 Jahren usw. bis hin zu 1820 Jahren). Die Ergebnisse zeigten dann: Je ausgeprgter der Gradder Selbstregulation sowie der Grad des Wohlbefindens und derLust und je hher die durchschnittliche Punktzahl der gnstigenund je geringer die Punktzahl der ungnstigen Faktoren waren, (wiesich diese mit den Fragebgen und dem Recherchen- und Beob-achtungskatalog hatten ermitteln lassen), um so lnger war die berden zwanzigjhrigen Beobachtungszeitraum hinweg erfate ber-lebenszeit der seinerzeit interviewten Krebspatienten.

    Allerdings, die befragten Personen hatten an unterschiedlichenKrebsarten gelitten, sie hatten unterschiedliche Behandlungen hin-ter sich, und es waren seit der ersten Diagnosestellung auch unter-schiedlich lange Zeitrume verstrichen. Darum bleiben die hierangedeuteten Befunde immer noch wenig aussagekrftig, Personenmit einer guten Prognose knnten auch einen guten psychosozialenStatus und schwerkranke Patienten einen schlechten psychosozia-len Status aufweisen. Ursache und Wirkung lieen sich dann leichtverwechseln.

    Unsere Forschungsstrategie verlangte daher nach einem weite-ren Schritt. Aus der gesamten Population der 3410 in den Jahren1973/74 befragten Krebspatienten wurden kleine Gruppen gebildet,

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    die im Hinblick auf Alter, Geschlecht, Tumorart, Tumorausbreitungund Therapieform (z. B. Bestrahlung, Chemotherapie, Operationoder alternative Behandlungen wie etwa mit Iscador) vergleichbarwaren und die zur Zeit der Erstbefragung auch schon eine vergleich-bar lange Zeit an ihrem Krebs litten, bei denen also auch die Diagno-sestellung eine vergleichbare Zeit zurcklag. Das heit, die so gebil-deten relativ kleinen Gruppen waren als sogenannte matched pairsmit Blick auf viele der genannten Charakteristika vergleichbar biseben auf die psychosozialen Faktoren bzw. den psychosozialenStatus. Beispielsweise war eine Gruppe von 41 Personen sowohl mitBestrahlung als auch mit Chemotherapie behandelt worden, bei dersich mit der genannten Methode auch ein guter psychosozialerStatus (mit guter Selbstregulation, ausgeprgtem Wohlbefindenund anderen Positivfaktoren) ermitteln lie. Eine ebenfalls aus 41Personen bestehende Vergleichsgruppe wies dagegen einenschlechten psychosozialen Status auf. Als dann im Jahre 1995 nach-geforscht wurde, wer von den ursprnglich Befragten zu welchemZeitpunkt verstorben war, lie sich feststellen, da sich bei allenverglichenen Gruppen und allen Therapieformen der psychosozialeStatus ganz wesentlich auf die berlebenszeit ausgewirkt hatte.

    Das zeigen die in den folgenden Tabellen dargestellten Ergebnisse:

    1. Personen, die eine Bestrahlung nach der Operation bekamen

    guter psychosozialer schlechter psychosozialerStatus Status

    Anzahl der Personen (n) 34 34

    durchschnittliche 9,6 Jahre 3,2 Jahreberlebenszeit nach derBefragung (im Jahre 1974)

    Grad der Selbstregulation 3,9 2,6

    Grad von Wohlbefinden 4,5 2,1und Lust

    Verhltnis von gnstigen +10 -3und ungnstigen Faktorenauf dem Fragebogen

    Verhltnis von gnstigen +28 -6,5und ungnstigen Faktorenauf dem Recherchen- undBeobachtungskatalog

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    2. Chemotherapie nach Operation

    guter psychosozialer schlechter psychosozialerStatus Status

    Anzahl der Personen (n) 41 41

    durchschnittliche 7,6 Jahre 2,8 Jahreberlebenszeit nach derBefragung (im Jahre 1974)

    Grad der Selbstregulation 4,2 2,4

    Grad von Wohlbefinden 5,1 2,3und Lust

    Verhltnis von gnstigen +10 -5und ungnstigen Faktorenauf dem Fragebogen

    Verhltnis von gnstigen +23 -17und ungnstigen Faktorenauf dem Recherchen- undBeobachtungskatalog

    guter psychosozialer schlechter psychosozialerStatus Status

    Anzahl der Personen (n) 37 37

    durchschnittliche 10,9 Jahre 3,1 Jahreberlebenszeit nach derBefragung (im Jahre 1974)

    Grad der Selbstregulation 4,1 2,4

    Grad von Wohlbefinden 4,8 2,0und Lust

    Verhltnis von gnstigen +8 -5,3und ungnstigen Faktorenauf dem Fragebogen

    Verhltnis von gnstigen +25 -8,6und ungnstigen Faktorenauf dem Recherchen- undBeobachtungskatalog

    3. Chemotherapie und Bestrahlung nach Operation

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    4. nur Operation

    guter psychosozialer schlechter psychosozialerStatus Status

    Anzahl der Personen (n) 31 31

    durchschnittliche 12,6 Jahre 5 Jahreberlebenszeit nach derBefragung (im Jahre 1974)

    Grad der Selbstregulation 4,9 2,2

    Grad von Wohlbefinden 5,6 2,0und Lust

    Verhltnis von gnstigen +9 -3und ungnstigen Faktorenauf dem Fragebogen

    Verhltnis von gnstigen +31 -1und ungnstigen Faktorenauf dem Recherchen- undBeobachtungskatalog

    5. Behandlung mit Iscador (zustzlich zur schulmedizinischenBehandlung)

    guter psychosozialer schlechter psychosozialerStatus Status

    Anzahl der Personen (n) 48 48

    durchschnittliche 11,9 Jahre 4,2 Jahreberlebenszeit nach derBefragung (im Jahre 1974)

    Grad der Selbstregulation 4,9 3,1

    Grad von Wohlbefinden 5,9 3,0und Lust

    Verhltnis von gnstigen +7 -9und ungnstigen Faktorenauf dem Fragebogen

    Verhltnis von gnstigen +29 -2und ungnstigen Faktorenauf dem Recherchen- undBeobachtungskatalog

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    Die in den Tabellen angefhrten Ergebnisse sprechen eindrucksvolldafr, da sich der psychosoziale Status auf den Krankheitsverlaufauswirkt. Dennoch liee sich argumentieren, da die Gruppen-mitglieder mit schlechtem psychosozialem Status, obschon im Hin-blick auf Tumorart, Tumorausbreitung und Behandlung vergleich-bar, eben krnker waren und so oder so letztlich doch der physischeGesundheitsstatus das psychische Befinden und nicht umgekehrtdas psychische Befinden den physischen Status beeinflute.

    Um nun auch diese Mglichkeit auszuschlieen, wurden vierTherapieexperimente mit Krebspatienten durchgefhrt. In diesenExperimenten erhielt eine per Zufall ausgewhlte Gruppe ein Au-tonomietraining mit dem Ziel einer Verbesserung ihres psycho-sozialen Status. In all diesen Experimenten zeigte sich, die trainier-ten Krebspatienten lebten signifikant lnger als die untrainierten. Indrei Experimenten (auer dem ersten) wurde der psychosozialeStatus mit Hilfe der erwhnten Meinstrumente sowohl bei dentrainierten als auch bei den Kontrollgruppen erhoben. Drei bis sechsMonate nach dem Zeitpunkt der therapeutischen bzw. Beratungsge-sprche wurde dann der psychosoziale Status sowohl in den trai-nierten als auch in den Kontrollgruppen erneut ermittelt. Dabeierwies sich, da sich in den trainierten Gruppen bei ca. 40 % ihrerMitglieder der psychosoziale Status wesentlich verbessert hatte.Zum Beispiel verbesserte sich eine schlechte Selbstregulation (unter3,5 Punkten) hin zu einer guten Selbstregulation (ber 3,5 Punkten).Insgesamt besttigte sich bei der spteren berprfung der ber-lebensdauer, die Personen, die ihren psychosozialen Status verbes-sern konnten, lebten signifikant lnger.

    Im folgenden mchten wir die wichtigsten Befunde, die sich fr unsaus den verschiedenen prospektiven Interventionsstudien ergaben,noch einmal zusammenfassen. Diese betrafen zum einen Teil dievorhergehend erwhnten Gruppen von Klienten, bei denen zu Be-ginn der Studie beziehungsweise des Trainings bereits ein Krebslei-den bestanden hatte, und zum anderen Gruppen, bei denen nurgehuft Risikofaktoren festgestellt worden waren.

    INTERVENTIONSSTUDIEN AN AN KREBS ERKRANKTEN PERSONENMit der ersten Klientengruppe kam es wie schon beschrieben zu vierExperimenten. Das erste wurde an 24 Krebspatienten und einer