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A Allgemeines und Regelwerke

A 01 BphK2013 1. - application.wiley-vch.de · und seit 2009 stellvertretender Referatsleiter im Referat Nachhaltiges Bauen des Bundesinstituts fr Bau-, Stadt- und Raumforschung im

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AAllgemeines und Regelwerke

A 1 Nachhaltiges Bauen – Beitrag des Bauwesenszur NachhaltigkeitAndreas Rietz, Nicolas Kerz, Tanja Brockmann, Olaf Bçttcher

Dipl.-Ing. Andreas Rietz, Architekt BDBBundesinstitut f�r Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR)Straße des 17. Juni 112, 10623 Berlin

Studium der Architektur an der TU Braunschweig, 1988 Abschluss als Dipl.-Ing. 1989bis 1992 T�tigkeit als angestellter Architekt in der privaten Wohnungswirtschaft inBerlin. 1992 bis 2008 wissenschaftlicher Mitarbeiter/Referatsleiter im Institut f�r Er-haltung und Modernisierung von Bauwerken e.V. an der TU Berlin (IEMB), mit denThemenschwerpunkten Bau- und Wohnungswirtschaft sowie Nachhaltiges Bauen.Seit Januar 2009 Leiter des Referats Nachhaltiges Bauen im BBSR.

Dipl.-Ing. Nicolas KerzBundesinstitut f�r Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR)Straße des 17. Juni 112, 10623 Berlin

Jahrgang 1969, Studium des Bauingenieurswesens an der TU Berlin, Diplom 1998.Von 1998 bis Ende 2008 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut f�r Erhaltung undModernisierung von Bauwerken e. V. an der TU Berlin, Abteilung NachhaltigesBauen/Baukonstruktionen/Baustoffwesen. Seit 2008 Leiter der Gesch�ftsstelle Nach-haltiges Bauen f�r das Bundesministerium f�r Verkehr, Bau und Stadtentwicklungund seit 2009 stellvertretender Referatsleiter im Referat Nachhaltiges Bauen desBundesinstituts f�r Bau-, Stadt- und Raumforschung im Bundesamt f�r Bauwesenund Raumordnung.

3

Bauphysik-Kalender 2013: Nachhaltigkeit und Energieeffizienz.Herausgegeben von Nabil A. Fouad� 2013 Ernst & Sohn GmbH & Co. KG. Published 2013 by Ernst & Sohn GmbH & Co. KG.

Dr.-Ing. Tanja BrockmannBundesinstitut f�r Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR)Straße des 17. Juni 112, 10623 Berlin

Studium des Bauingenieurwesens an der TU Braunschweig mit Auslandsjahr inLiverpool (UK). Promotion am Institut f�r Bauforschung (ibac), RWTH Aachen(2006). T�tigkeit beim Deutschen Beton- und Bautechnik-Verein und der Gemein-schaft f�r �berwachung im Bauwesen in Berlin von 2006 bis 2008. Seit 2008 Refe-ratsleiterin Bauen und Umwelt beim BBSR mit den Themenschwerpunkten Nach-haltiges Bauen, Forschung Innovative Baustoffe und Bautechnik, baufachlicheRichtlinien, barrierefreies Bauen, klimaangepasstes Bauen und Ressourceneffizienz,Bauprodukte. Seit 2012 Lehrt�tigkeit an der Beuth Hochschule Berlin (Umwelt-ingenieur-Bau, Baustoffe und Nachhaltigkeitsaspekte).

Dr.-Ing. Olaf BçttcherBundesinstitut f�r Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR)Straße des 17. Juni 112, 10623 Berlin

Geb. 1970, Studium der Energietechnik an der TU Berlin, nach dem Diplom 1998Arbeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Berlin (Hermann-Rietschel-In-stitut f�r Heiz- und Raumlufttechnik, 2003 Promotion), seit 2006 am Institut f�rErhaltung und Modernisierung von Bauwerken e. V. (IEMB), seit 2009 Leiter desReferates „Energieoptimiertes Bauen“ im Bundesinstitut f�r Bau-, Stadt- und Raum-forschung. Im November 2008 Bestellung zum Bundes-Energiebeauftragten durchdas BMVBS.

4 A 1 Nachhaltiges Bauen – Beitrag des Bauwesens zur Nachhaltigkeit

Inhaltsverzeichnis

1 Grundlagen und Instrumente desNachhaltigen Bauens im Bundesbau 6

1.1 Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung 61.2 Gesch�ftsstelle Nachhaltiges Bauen 61.3 Leitfaden Nachhaltiges Bauen 71.3.1 Neufassung des Leitfadens Nachhaltiges

Bauen 81.3.2 Struktur des Leitfadens 9

2 Bewertungssystem Nachhaltiges Bauendes Bundes 10

2.1 Grundlagen 102.2 Lebenszyklusbetrachtung 112.3 Bewertungsmethodik 112.4 Werkzeuge und Arbeitshilfen 13

3 Weiterentwicklung des BewertungssystemsNachhaltiges Bauen 13

3.1 Entwicklung weiterer Systemvarianten 133.2 Module f�r die Nutzungsphase 133.3 Nachhaltigkeit in Wettbewerbsverfahren 13

4 Nachhaltigkeitsanforderungen anzuk�nftige Baustoffe 14

4.1 Rolle der Baustoffe im BNB 144.1.1 �berblick 14

4.1.2 Wirkungen auf die globale und lokaleUmwelt 15

4.1.3 Beurteilung des Risikopotenzials f�r dieUmweltmedien Grundwasser, Oberfl�chen-wasser, Boden und Außenluft 16

4.1.4 Nachhaltige Materialgewinnung/Holz 164.1.5 Innenraumhygiene 174.1.6 Technische Materialanforderungen 174.1.7 �konomische Materialanforderungen 174.2 WECOBIS 17

5 Nachhaltigkeitsindikator Energie 19

6 Maßnahmen zur praktischen Umsetzung vonBNB und Leitfaden Nachhaltiges Bauen 25

6.1 Arbeit und Ausbildung desBNB-Nachhaltigkeitskoordinators 25

6.2 Netzwerk Nachhaltiger Bundesbau 266.3 Aktuelle Bauprojekte mit BNB-Relevanz 266.3.1 BNB-Projekte 266.3.2 Nachhaltigkeitskoordinierung Umweltbundesamt

Berlin 26

7 Ausblick 28

8 Literatur 28

Inhaltsverzeichnis 5

1 Grundlagen und Instrumente desNachhaltigen Bauens im Bundesbau

1.1 Nachhaltigkeitsstrategie derBundesregierung

Als grçßter çffentlicher Bauherr in Deutschland be-kennt sich der Bund seit Langem zu seiner Vorbildfunk-tion im nachhaltigen und energieeffizienten Bauen. Mitdem umfassend �berarbeiteten Leitfaden NachhaltigesBauen [1] unterzieht der Bund seine Geb�ude von derersten Planung an einer „Nachhaltigkeits�berpr�fung“und definiert Mindestanforderungen in der Umsetzung.Mit der verpflichtenden Einf�hrung des Leitfadens f�rdie Bundesbauverwaltung mit Erlass vom M�rz 2011[2] setzt das Bundesministerium f�r Verkehr, Bau undStadtentwicklung (BMVBS) nachhaltiges Bauen inkonkretes Verwaltungshandeln um. Mit dem Erlassvom 14. Mai 2012 [3] sind diese Mindestanforderungennunmehr bei allen großen Neubaumaßnahmen von B�-ro- und Verwaltungsgeb�uden, also mit Investitionskos-ten �ber 2 Mio. Euro, die entsprechend der Richtlinienf�r die Durchf�hrung von Bauaufgaben des Bundes(RBBau) [4] als „große“ Neu-, Um- und Erweiterungs-bauten erstellt werden, einzuhalten. Der Nachweis istauf Grundlage des Bewertungssystems NachhaltigesBauen des Bundes (BNB) zu f�hren, das in Abschn. 2im Detail vorgestellt wird.Das Leitbild der Bundesregierung geht zur�ck auf denZukunftsbericht „Our Common Future“ (Brundtland-Report) der UN-Weltkommission f�r Umwelt und Ent-wicklung (WCED) aus dem Jahr 1987, der eine all-gemeing�ltige Definition einer nachhaltigen Entwick-lung begr�ndete. Grundlage ist, dass diese „den Bed�rf-nissen der heutigen Generation entspricht, ohne dieMçglichkeit zuk�nftiger Generationen zu gef�hrden,ihre eigenen Bed�rfnisse zu befriedigen“ [5]. Vondem Ansatz ausgehend, entwickelte sich die grunds�tz-liche Forderung nach einer gleichberechtigten Integra-tion sozialer und çkologischer Aspekte, an denen sichdie wirtschaftliche Entwicklung orientieren sollte.Damit war die Grundlage f�r eine gleichberechtigte Be-trachtung der drei S�ulen der Nachhaltigkeit „�ko-logie“, „�konomie“ sowie „sozio-kulturelle Aspekte“geschaffen, wie sie bereits 2001 im ersten LeitfadenNachhaltiges Bauen [6] zu Grunde gelegt wird.Basierend auf den „Zielen und Rahmenbedingungeneiner nachhaltigen zukunftsvertr�glichen Entwicklung“– formuliert von der vom Deutschen Bundestag einge-setzten Enquete-Kommission „Schutz des Menschenund der Umwelt“ –, setzt die Bundesregierung 2001in Weiterf�hrung ihrer nationalen Nachhaltigkeitsstra-tegie erstmalig den „Rat f�r Nachhaltige Entwicklung“ein. Dieser soll einen kritischen Dialog mit den Akteu-ren aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft f�hren undmit der Formulierung von Zielen und Indikatoren zurWeiterentwicklung der Nachhaltigkeitsstrategie beitra-gen und insbesondere konkrete Handlungsfelder undProjekte f�r die Umsetzung vorschlagen. So wurden

erstmals quantifizierbare Nachhaltigkeitsziele definiertund methodische Ans�tze entwickelt, diese durch Indi-katoren �berpr�fbar zu machen. In den folgenden Ak-tionsfeldern konnten konkrete Handlungsempfehlungenentwickelt werden:– zur Energieeffizienz und -forschung,– zur Verminderung der Fl�cheninanspruchnahme,– gegen die unkontrollierte Nutzung nat�rlich vorkom-

mender Ressourcen,– zur Modernisierung des çffentlichen Beschaffungs-

wesens und– zur unternehmerischen Verantwortung in einer glo-

balisierten Welt.Der Rat f�r Nachhaltige Entwicklung wirkt damit so-wohl beratend in die Politik wie auch in die breite �f-fentlichkeit, indem er Nachhaltigkeitspolitik vermittelt[7].Die Bundesregierung hat dar�ber hinaus mit dem„Staatssekret�rsausschuss f�r Nachhaltige Entwick-lung“ – Green Cabinet – unter Leitung des Chefs desBundeskanzleramtes ein zentrales Steuerungselementgeschaffen, dessen Aufgabe es ist, die nationale Nach-haltigkeitsstrategie umzusetzen, inhaltlich weiterzuent-wickeln und deren Umsetzung regelm�ßig zu �berpr�-fen. Er entwickelte u. a. Empfehlungen f�r den Bereich„Bauen und Wohnen“. Demnach soll „Nachhaltigkeitvon Geb�uden vermehrt �ber den gesamten Lebens-zyklus – also von der Rohstoffgewinnung �ber die Er-richtung bis zum R�ckbau – durch Einbeziehung çko-logischer, çkonomischer wie auch sozialer Aspektetransparent, messbar und �berpr�fbar ausgewiesen wer-den – bei gleichzeitiger Beachtung der gestalterischen,st�dtebaulichen, technischen und funktionalen Qualit�t.Die Beurteilung soll sich dabei auf wissenschaftlichanerkannte Methoden der �kobilanzierung und Lebens-zykluskostenrechnung st�tzen“ [8].Das Bundesministerium f�r Verkehr, Bau und Stadtent-wicklung hat bereits im Dezember 2001 den „RundenTisch Nachhaltiges Bauen“ als Gremium zu seiner Un-terst�tzung bei der Umsetzung des Nachhaltigen Bau-ens eingerichtet. Seine Mitglieder setzen sich aus Ver-tretern von Verb�nden der Bauwirtschaft, der Industrieund der Planer sowie der wesentlichen Bauverwaltun-gen und der Wissenschaft zusammen. Im Rahmen derForschungsinitiative Zukunft Bau wurde der RundeTisch in begleitenden Forschungsvorhaben intensivwissenschaftlich unterst�tzt. Die am Runden Tisch ein-gerichteten Arbeitsgruppen leisteten in den Jahren 2007und 2008 einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung so-wie Fortschreibung der Kriterien und Berechnungs-methoden des Bewertungssystems Nachhaltiges Bauenund begleiteten die Aktualisierung des LeitfadensNachhaltiges Bauen.

1.2 Gesch�ftsstelle Nachhaltiges Bauen

Zur fachlichen und organisatorischen Unterst�tzung hatdas BMVBS im Bundesinstitut f�r Bau-, Stadt- undRaumforschung (BBSR) im Referat Nachhaltiges Bau-

6 A 1 Nachhaltiges Bauen – Beitrag des Bauwesens zur Nachhaltigkeit

en die Gesch�ftsstelle Nachhaltiges Bauen im Sinneeines Kompetenzzentrums f�r Fragen zum nachhaltigenBauen eingerichtet. Das Referat ist neben der eigen-st�ndigen wissenschaftlichen Bearbeitung des Themen-feldes Nachhaltiges Bauen u. a. f�r die Koordinierungder Forschungsaktivit�ten zum Cluster NachhaltigesBauen und Bauqualit�t im Rahmen der Forschungsini-tiative „Zukunft BAU“ sowie die Politikberatung undUnterst�tzung in der �ffentlichkeitsarbeit des BMVBSverantwortlich.Die Gesch�ftsstelle Nachhaltiges Bauen unterst�tzt dasBMVBS fachlich und organisatorisch, insbesondere beider Umsetzung und Fortschreibung des Bewertungssys-tems Nachhaltiges Bauen, aber auch durch die Vertre-tung in Gremien, die Durchf�hrung von çffentlichkeits-wirksamen Maßnahmen sowie die Pflege des Informa-tionsportals Nachhaltiges Bauen (www.nachhaltiges-bauen.de).Das Informationsportal b�ndelt wesentliche Informatio-nen, die zum nachhaltigen Bauen erarbeitet wurden. Zuden angebotenen Informationen z�hlen neben allgemei-nen Erl�uterungen und Hinweisen zum nachhaltigenBauen insbesondere die Leitf�den und Arbeitshilfendes Bundes, Angaben zum Bewertungssystem Nachhal-

tiges Bauen sowie umfangreiche Datengrundlagen zurNachhaltigkeitsbewertung. Erg�nzt wird dieses Ange-bot durch Hinweise zu Forschungsthemen, aktuelleVeranstaltungen und die Darstellung von guten Beispie-len f�r das Nachhaltige Bauen.Aufgrund des breiten Informationsspektrums bildet die-ses Portal eine nationale und zuk�nftig auch interna-tionale Schnittstelle f�r alle Akteure des nachhaltigenBauens (Bauverwaltungen von Bund, L�ndern undKommunen, Planer, Bauherren, Zertifizierer und andereInteressierte).

1.3 Leitfaden Nachhaltiges Bauen

Bereits 2001 setzte das BMVBS mit den formuliertenZielen und Anforderungen im ersten Leitfaden Nach-haltiges Bauen (s. Abschn. 1.1) in der Fachçffentlich-keit deutliche Impulse im Sinne des nachhaltigen Bau-ens. F�r die Bundesbauverwaltung wurde der Leitfadenals Arbeitshilfe f�r die Planung, das Bauen, die Bau-unterhaltung, den Betrieb und die Nutzung von Liegen-schaften und Geb�uden eingef�hrt. Mit einer �berwie-gend qualitativen Beschreibung der Anforderungen er-f�llte der Leitfaden seine Aufgabe als Planungshilfe

Grundlagen und Instrumente des Nachhaltigen Bauens im Bundesbau 7

Bild 1. Informationsportal Nachhaltiges Bauen www.nachhaltigesbauen.de

und adressierte erstmalig die Themen der ganzheitli-chen Betrachtungsweise hinsichtlich einer „�kologi-schen Tiefenbewertung“ und der monet�ren Lebens-zyklusbetrachtung.

1.3.1 Neufassung des Leitfadens NachhaltigesBauen

Die angestrebte Weiterentwicklung zu einem Instru-ment der Qualit�tskontrolle bedingte allerdings – aufGrund des weitgehenden Fehlens quantifizierbarer Kri-terien – verst�rkte wissenschaftliche Anstrengungen zurEntwicklung von kriterienbasierten Bewertungshilfenf�r das nachhaltige Bauen. In Folge wurde der „Leitfa-den Nachhaltiges Bauen“ auf Grundlage verschiedenerwissenschaftlicher Vorhaben im Rahmen der For-schungsinitiative Zukunft Bau des BMVBS umfassendaktualisiert und durch ein ganzheitliches quantitativesBewertungsverfahren f�r nachhaltige Geb�ude erg�nzt.Das BMVBS hat den Leitfaden im M�rz 2011 in deraktualisierten Fassung herausgegeben. Diese Neufas-sung des Leitfadens beschreibt Methoden und Verfah-ren zur Umsetzung von Nachhaltigkeitsaspekten imBauwesen. Dar�ber hinaus formuliert der Leitfaden ein-zuhaltende Zielvorgaben f�r die Geb�udeplanung vonNeubauvorhaben und Erweiterungsbauten im Rege-lungsbereich der Bundesbauverwaltung bzw. der Richt-linien f�r die Durchf�hrung von Baumaßnahmen desBundes [4]. Mit der vorgesehenen Erg�nzung um dieTeile Empfehlungen f�r das nachhaltige „Nutzen undBetreiben von Geb�uden“ und „Bauen im Bestand“liegt dann mit dem �berarbeiteten Leitfaden eine kom-

plexe Handlungsanleitung zum nachhaltigen Bauen vor.Als zeitbezogene Systemgrenze wird im Sinne derDIN EN 15643-2:2011-05 Nachhaltigkeit von Bauwer-ken – Bewertung der Nachhaltigkeit von Geb�uden –Teil 2: Rahmenbedingungen f�r die Bewertung der um-weltbezogenen Qualit�t [9] der gesamte Lebenszykluseines Geb�udes betrachtet, als r�umliche Systemgrenzewird im Rahmen des Leitfadens das Geb�ude selbstbewertet.Allgemein basiert der klassische Ansatz der Nachhaltig-keit auf den drei Dimensionen �kologie, �konomie undSoziokultur, die als gleichwertig und �ber einen lang-fristigen Zeithorizont zu betrachten sind. Ziel ist es,mçglichst �ber die gesamte Nutzungsdauer eines Ge-b�udes – die umgangssprachlich auch Lebensdauer ge-nannt wird – die Betrachtungen und Bewertungen zuf�hren. F�r die konkreten Lebenszyklusbetrachtungenwird ein definiertes Abbild der ersten 50 Jahre einesGeb�udes in den Berechnungen simuliert.Aus den allgemeinen Schutzg�tern wurden f�r dieNachhaltigkeitsbetrachtung von Geb�uden Schutzzieleabgeleitet, die dann in einzelnen Kriterien konkretisiertwurden.Neben den klassischen und schon beschriebenen Nach-haltigkeitsbereichen musste ein Weg gefunden werden,damit die hohen technischen Standards der Geb�ude inDeutschland angemessen bewertet und ausgewiesenwerden kçnnen. Somit wurde die Technische Qualit�tals Querschnittsqualit�t neu eingef�hrt. Voraussetzungf�r eine erfolgreiche Umsetzung des nachhaltigen Bau-ens ist eine intensive Begleitung der Planung und Bau-ausf�hrung. Bereits in der fr�hen Planungsphase werden

8 A 1 Nachhaltiges Bauen – Beitrag des Bauwesens zur Nachhaltigkeit

Bild 2. Herleitung der Schutzziele desnachhaltigen Bauens (BBSR)

die Weichen f�r die sp�tere Nachhaltigkeitsqualit�t einesGeb�udes gestellt. Eine Optimierung des Planungspro-zesses im Hinblick auf die Aspekte der Nachhaltigkeit istdaher aus heutiger Sicht unerl�sslich. Diese Aspektem�ssen in allen Planungs-, Bau- und Bewirtschaftungs-prozessen ber�cksichtigt werden, um einerseits die Qua-lit�t des Geb�udes herzustellen (Neubau), andererseitsaufrechtzuerhalten (Betrieb) bzw. zu verbessern (Bauenim Bestand). Die ebenfalls neu aufgenommene Prozess-qualit�t schafft dar�ber hinaus die Mçglichkeit, dies �berentsprechende Kriterien zu bewerten.Eine ganzheitliche Betrachtung der Nachhaltigkeit ei-nes Geb�udes ist ohne die Ber�cksichtigung des Stand-ortes aus wissenschaftlicher Sicht nicht vollst�ndig, dadie Standortauswahl und die Standortbedingungen we-sentlichen Einfluss auf die Geb�ude und deren Ausf�h-rung haben. Andererseits sind bei einem vorgegebenenStandort die Rahmenbedingungen f�r den Bauherrn unddie Planer nur sehr bedingt beeinflussbar. Aus diesenGr�nden wurde am Runden Tisch entschieden, denStandort nicht direkt zu bewerten, sondern die Stand-ortmerkmale getrennt auszuweisen und nicht in die ei-gentliche Geb�udebewertung einzubeziehen.

1.3.2 Struktur des Leitfadens

Der Leitfaden Nachhaltiges Bauen soll einerseits dieallgemeing�ltigen Grundlagen des nachhaltigen Bauensvermitteln, andererseits eine Handlungsanleitung f�rdie obersten Bauverwaltungen des Bundes darstellen.In diesem Sinne gliedert sich der Leitfaden wie folgt:– Allgemeiner Teil mit dem Regelungsbereich zum

Leitfaden,– Teil A Grunds�tze,– Teil B Neubau,– Teil C Empfehlungen f�r das nachhaltige Nutzen und

Betreiben von Geb�uden,– Teil D Bauen im Bestand.

Mit Erlass des Bundesministeriums f�r Verkehr, Bauund Stadtentwicklung vom M�rz 2011 wurden in einemersten Schritt die Teile A und B f�r die Bundesbauver-waltung verbindlich eingef�hrt. Der Leitfaden nimmtdabei direkt Bezug auf das Bewertungssystem Nach-haltiges Bauen, zur Zeit vorrangig auf die Systemvaria-nte Neubau B�ro- und Verwaltungsbau, da diese bei derEinf�hrung des Leitfadens zur Anwendung zur Ver-f�gung stand.Die derzeit in der Entwicklung befindlichen Teile C„Empfehlungen f�r das nachhaltige Nutzen und Betrei-ben von Geb�uden“ und Teil D „Bauen im Bestand“werden Anfang 2013 nachgef�hrt. Zeitgleich stehenauch die zugehçrigen Bewertungsmodule mit den ent-sprechenden Kriteriensteckbriefen zur Verf�gung.Der Teil A des Leitfadens bietet eine allgemeine Ein-f�hrung zu den Grunds�tzen des nachhaltigen Bauens.Neben der Beschreibung der Prinzipien, Dimensionenund Qualit�ten des nachhaltigen Bauens werden all-gemeine Handlungsanweisungen zur Nachhaltigkeits-bewertung erl�utert. Die dargestellten Planungsstrate-gien und Bewertungsmethoden gelten f�r alle Bauvor-haben, unabh�ngig davon, ob diese von der çffentlichenHand oder der Privatwirtschaft durchgef�hrt werden.Im Teil B Neubau wird die Umsetzung der Nachhaltig-keitsanforderungen orientiert an der chronologischenAbfolge der Planungsphasen bei Neubaumaßnahmennach den Richtlinien f�r die Durchf�hrung von Bauauf-gaben des Bundes bzw. den Leistungsphasen der Hono-rarordnung f�r Architekten und Ingenieure (HOAI) dar-gestellt. Damit soll das Bewertungssystems als Instru-ment f�r eine ganzheitliche Qualit�tssicherung �ber dengesamten Planungs- und Bauprozess angewendet wer-den.Einerseits sind f�r jedes Teilkriterium Mindestanforde-rungen zu erf�llen. Andererseits kçnnen durch eineganzheitliche Betrachtung �ber alle Nachhaltigkeitskri-terien die gegenseitigen Wechselwirkungen fr�hzeitig

Grundlagen und Instrumente des Nachhaltigen Bauens im Bundesbau 9

Bild 3. Nachhaltigkeitsqualit�ten –Hauptkriteriengruppen (BBSR)

in die Planungsentscheidungen einbezogen werden. Da-mit wird �ber den gesamten Prozess eine laufende Op-timierung im Sinne der Nachhaltigkeit erreicht. Mit derSicherstellung einer hohen Nachhaltigkeitsqualit�t kçn-nen die Geb�ude des Bundes dar�ber hinaus Vorbild-wirkung f�r andere Bauherren entfalten. Durch einelaufende Dokumentation kann der Prozess insgesamttransparent gestaltet werden.In Verbindung mit dem Bewertungssystem BNB stehtder Leitfaden damit als Werkzeug f�r die Planung undErrichtung nachhaltiger Geb�ude zur Verf�gung undbietet gleichzeitig ein Instrument zur �berpr�fung derbeschriebenen Nachhaltigkeitsaspekte im Sinne derQualit�tssicherung bis hin zu einer abschließenden Be-wertung und Auszeichnung der erreichten Qualit�t.Neben den dargestellten Textteilen werden die Anlagenzum Leitfaden, u. a. das energetische Muster-Pflichten-heft, Zielvereinbarungen, Checklisten oder Dokumen-tationshilfen �ber das Informationsportal NachhaltigesBauen aktuell zur Verf�gung gestellt.

2 Bewertungssystem NachhaltigesBauen des Bundes

2.1 Grundlagen

Aufbauend auf den Erfahrungen mit den ersten weltweitvorhandenen Geb�udebewertungs- und -zertifizierungs-systemen, war es das Ziel, in Deutschland ein Zertifi-zierungssystem der „zweiten Generation“ zu ent-wickeln. Die Systeme der ersten Generation, wie z.B.BREEAM (Building Research Establishment Environ-mental Assessment Method) in Großbritannien oderLEED (Leadership in Energy and Environmental De-sign) in den USA bewerten in der Regel jeweils aus-gew�hlte Aspekte der Nachhaltigkeit auf sehr hohemNiveau. Sie weisen jedoch deutliche Unterschiede inder systematischen Herangehensweise, den metho-dischen und datentechnischen Grundlagen sowie denverwendeten Kriterien und Indikatoren auf. BestimmteAspekte der Nachhaltigkeit, wie z. B. eine lebens-zyklusorientierte Kostenbetrachtung, werden nicht inallen Systemen adressiert. Die deutsche Systematiksollte bewusst die Mçglichkeit bieten, die Nachhaltig-keit von Geb�uden mittels eines ganzheitlichen Be-trachtungsansatzes umfassend zu bewerten und sodazu beitragen, energieeffiziente und çkologische Ent-wicklungen voranzutreiben.F�r die Beschreibung und Bewertung nachhaltiger Wir-kungen von Geb�uden wurden Regelungen zugrundegelegt, die aus den gleichzeitigen Aktivit�ten im Rah-men der nationalen (DIN), europ�ischen (CEN) undinternationalen (ISO) Normung hervorgingen. In �ber-einstimmung mit den dort entwickelten ganzheitlichenAns�tzen wurde das Bewertungssystem auf die inBild 3 dargestellten f�nf Nachhaltigkeitsqualit�ten ab-gestellt. Hierf�r sind unter anderem die Normungsvor-haben im Rahmen von ISO/TC 59/CS 17 „Nachhaltiges

Bauen“ von Bedeutung, die ihrerseits die Grundlage f�rdas europ�ische Normungsvorhaben unter CEN/TC 350„Nachhaltigkeit von Geb�uden“ bilden. Der Normen-ausschuss NA 005-01-31 AA Nachhaltiges Bauen spie-gelt f�r Deutschland die genannten internationalen Gre-mien.Das Bewertungssystem spiegelt damit einerseits den in-ternationalen Stand der Normung zum NachhaltigenBauen wider, andererseits wurden bei der Entwicklungder Bewertungsgrundlagen und Methoden die nationalenRahmenbedingungen, wie Planungs- und Bauverfahren,Gesetzeswerke, Normen, Leitf�den etc. herangezogen.Wesentliche Grundlagen bildeten dabei zahlreiche For-schungsprojekte, die durch die Forschungsinitiative „Zu-kunft Bau“ des BMVBS finanziert wurden.Nach einer zweij�hrigen Kooperationsphase desBMVBS mit der Deutschen Gesellschaft f�r Nachhalti-ges Bauen (DGNB) konnte der Fachçffentlichkeit einerster Satz nationaler Nachhaltigkeitskriterien ein-schließlich einer Berechnungs- und Bewertungsmetho-dik vorgestellt werden. Er zeichnet sich durch die um-fassende Betrachtung des gesamten Lebenszyklus vonGeb�uden unter Ber�cksichtigung der çkologischen,çkonomischen, soziokulturellen Qualit�t sowie dertechnischen und prozessualen Aspekte und durch eintransparentes, objektiv nachvollziehbares Bewertungs-system aus. Der Verwendungsbereich des Bewertungs-systems beschr�nkte sich dabei vorerst auf den Neubauvon B�ro- und Verwaltungsgeb�uden.Das Bewertungssystem folgt einem ganzheitlichen Be-wertungsansatz unter Ber�cksichtigung des Lebens-zyklus eines Geb�udes sowie einer umfassenden Quan-tifizierung. Neben einer abschließenden Bewertung ei-nes Geb�udes, soll mit dem Bewertungssystem, begin-nend mit der Planung �ber die Bauausf�hrung, dieNutzung, die Wartung, die Instandhaltung bis hin zuHinweisen zum Umgang mit dem Abbruch und denbaulichen Anlagen im Sinne der Weiternutzung vonim Geb�ude gespeicherten „Wertstoffen“, eine hoheBauqualit�t erreicht werden.F�r den Regelungsbereich der Bundesbauten wurde da-raus das „Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen desBundes“ (BNB) abgeleitet und f�r die besonderen An-forderungen der çffentlichen Hand als Bauherr weiter-entwickelt.Mit dem BNB steht dem Bund erstmalig ein wissen-schaftlich fundiertes und planungsbasiertes Bewer-tungssystem zur Umsetzung und Bewertung der Anfor-derungen aus dem Leitfaden Nachhaltiges Bauen zurVerf�gung. Im Gegensatz zur Bundesbauverwaltungbleibt die Anwendung des Bewertungssystems Nach-haltiges Bauen zur Beschreibung und Bewertung derNachhaltigkeitsqualit�t von Geb�uden und baulichenAnlagen f�r andere, insbesondere private Bauherrenfreiwillig. Seitens einiger Bundesl�nder besteht jedochInteresse an einer Einf�hrung f�r ihre Landesbauvor-haben, ggf. auch f�r kommunale Projekte. Das BNBist �ber das Internetportal www.nachhaltigesbauen.deçffentlich zug�nglich.

10 A 1 Nachhaltiges Bauen – Beitrag des Bauwesens zur Nachhaltigkeit

2.2 Lebenszyklusbetrachtung

Da Geb�ude �blicherweise �ber sehr lange Zeitr�umegenutzt werden, kann erst die Betrachtung �ber dengesamten Lebenszyklus Aufschluss �ber die tats�ch-liche Qualit�t eines Geb�udes geben. Der Lebenszykluseines Geb�udes setzt sich insbesondere aus den folgen-den Phasen zusammen:– Planung, Rohstoffgewinnung (Vorstufen),– Herstellung, Errichtung,– Nutzung einschließlich Instandhaltung und Moderni-

sierung sowie– R�ckbau, Verwertung und Entsorgung.Ziel des nachhaltigen Bauens ist es, ein Geb�ude �berdessen gesamten Lebenszyklus zu optimieren. Es gehtdarum, den Energie- und Ressourcenverbrauch zu mi-nimieren, Umweltbelastungen zu verringern und dieGesamtwirtschaftlichkeit zu verbessern. Die konventio-nelle Planung von Geb�uden beschr�nkt sich bisher aufdie Betrachtung von Einzelaspekten, ohne mçglicheWechselwirkungen zu ber�cksichtigen. Die integralePlanung bezieht hingegen den gesamten Lebenszyklusdes Bauwerkes „von der Wiege bis zur Bahre“ ein unddie Planungsbestandteile werden mit Blick auf ihreWechselwirkung verkn�pft und sinnvoll erg�nzt.Dar�ber hinausgehendes Ziel ist es, zu einer objektivie-renden und quantifizierenden Bewertungsmethode f�rden Variantenvergleich unterschiedlicher Geb�udeent-w�rfe zu gelangen, um eine mçglichst hohe Geb�ude-qualit�t mit mçglichst geringen Auswirkungen auf dieUmwelt zu erreichen. Weiter- oder Umnutzungen bietendabei gegen�ber dem Neubau von Geb�uden und Lie-genschaften den Vorteil, dass in der Regel deutlich ge-ringere Energie- und Stoffstrçme im Bereich der einge-setzten Baumaterialien anfallen. Den Bestand weiter zunutzen und durch gezielte Instandhaltung und Moderni-sierung an die Nutzeranforderungen anzupassen, mini-miert den Ressourcenverbrauch und schont die Umwelt.F�r die wirtschaftliche Bewertung werden einmaligeInvestitionskosten und laufende Nutzungskosten in ei-ner Lebenszykluskostenrechnung (Life cycle costing,LCC), bezogen auf den ausgew�hlten Betrachtungszeit-raum, berechnet.Alle aus dem Lebenszyklus eines Geb�udes resultieren-den Umweltwirkungen, wie Ressourcenverbrauch,Emissionen und Fl�cheninanspruchnahme, werden ineiner �kobilanzierung (Life cycle assessment, LCA),dargestellt – standardisiert nach DIN EN ISO 14040„Umweltmanagement-�kobilanz“ [10] – und somit be-wertbar gemacht.

2.3 Bewertungsmethodik

Im Zuge einer Bewertung nach dem BNB werden dief�nf Hauptkriteriengruppen des Nachhaltigen Bauens,die çkologische Qualit�t, die çkonomische Qualit�t, diesoziokulturelle und funktionale Qualit�t, die technischeQualit�t und die Prozessqualit�t, anhand verschiedenerEinzelkriterien quantitativ abgebildet. Obgleich die

f�nf Qualit�ten der Nachhaltigkeit in enger Wechsel-wirkung zueinander stehen, werden sie jeweils getrenntbewertet und mit festgelegter Gewichtung zu einer Ge-samtnote verrechnet. Dies bietet die Mçglichkeit, he-rausragende Qualit�ten in ein oder mehreren Teilberei-chen auch gesondert darzustellen. Mit Hilfe der Ge-samtnote kann die Nachhaltigkeit von Geb�uden objek-tiv dargestellt und quantifiziert werden, sodasszuk�nftig Vergleiche zwischen bewerteten bzw. zertifi-zierten Geb�uden mçglich sind. Die Standortmerkmale,auf die die Planung nur bedingt Einfluss nehmen kann,werden getrennt von den Objektqualit�ten bewertet undals zus�tzliche Information ausgewiesen.Die f�nf Hauptkriteriengruppen sind in der BNB Ver-sion 2011_1 mit derzeit 46 Kriteriensteckbriefen (vgl.Bild 4) genau definiert und lassen sich anhand vonquantifizierbaren Grçßen messen bzw. bewerten. EineGewichtung der Kriterien innerhalb der �bergeordnetenHauptkriteriengruppen erfolgt nach deren Relevanz f�rdie Schutzziele mit Hilfe eines Bedeutungsfaktors von1 bis 3 (geringe bis hohe Bedeutung). Die Festlegungder Bedeutungsfaktoren erfolgte in enger Abstimmungmit den Arbeitsgruppen des Runden Tisches Nachhal-tiges Bauen sowie dem BMVBS.Die Steckbriefe – quasi die Handlungsanweisungen f�rdie Bewertung der Einzelkriterien – sind im Wesentli-chen gegliedert nach:

(A) Beschreibung des Einzelkriteriums• Relevanz und Zielsetzungen,• Beschreibung und Kommentar,• Bewertung,• Datengrundlagen und• Rechenhilfen sowie• Beziehungen zu weiteren Kriterien;

(B) Bewertungsmaßstab

(C) Anlagen• Nutzungskostentabellen,• Gesetzesgrundlagen,• Begriffskl�rungen,• Checklisten.

F�r die einzelnen Kriterien werden nach festgelegtenRegeln Punkte vergeben. Insgesamt kann in jedem Kri-terium eine maximale Bewertung von 100 Punkten ent-sprechend der jeweiligen Berechnungsvorschrift er-reicht werden, wobei der Wert 100 immer der Zielwert-definition entspricht. Die Hauptkriteriengruppen wer-den jeweils getrennt bewertet und mit festgelegterGewichtung zu einem Gesamterf�llungsgrad und damitzu einer Endnote zusammengef�hrt. In der Urkundezum Bewertungsergebnis werden das Geb�ude vor-gestellt und sowohl die Einzelwerte wie auch das Ge-samtergebnis dargestellt. In Abh�ngigkeit vom erreich-ten Gesamterf�llungsgrad kçnnen die Geb�ude mit ei-nem Zertifikat in den Qualit�tsstufen Bronze (‡ 50 %),Silber (‡ 65 %) oder Gold (‡ 85 %) ausgezeichnet wer-

Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen des Bundes 11

12 A 1 Nachhaltiges Bauen – Beitrag des Bauwesens zur Nachhaltigkeit

Bild 4. �bersicht der Kriterien im Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen f�r Bundesgeb�ude (BBSR)

den. Die Bewertung erfolgt durch einen Auditor undwird jeweils einer Konformit�tspr�fung unterzogen.Die kontinuierliche Fortschreibung des Systems wirdsichergestellt durch die Anpassung des Kriterienkata-logs an aktuelle Forschungsergebnisse sowie an �nde-rungen gesetzlicher Regelungen, Normungen, ministe-rieller Erlasse etc. Die Verçffentlichung erfolgt �berden Runden Tisch Nachhaltiges Bauen sowie �ber dasInformationsportal Nachhaltiges Bauen. Dort werdenauch Ansprechpartner sowie Regelungen zur Durchf�h-rung von BNB-Bewertungen, zur Konformit�tspr�fungund zur Dokumentation der Zertifizierung und Modali-t�ten zur Auditorenausbildung zur Verf�gung gestellt.

2.4 Werkzeuge und Arbeitshilfen

Zur Unterst�tzung der Anwender des Bewertungssys-tems BNB, insbesondere f�r die komplexen Berech-nung der LCC und LCA, werden �ber das Informations-portal Nachhaltiges Bauen eine Reihe von Werkzeugen,Arbeitshilfen und Datengrundlagen bereitgestellt. Einewesentliche Grundlage f�r die �kobilanzierung bildeteine dynamische Baustoff-Datenbank �KOBAU.DAT,die im wesentlichen Datens�tze zu den globalen Um-weltwirkungen aus Baustoffen zur Verf�gung stellt(siehe Abschnitt 4.1).Das Informationssystem WECOBIS – webbasiertesçkologisches Baustoffinformationssystem (siehe Ab-schnitt 4.2) – liefert f�r den Planungsprozess weitereInformationen zu çkologischen Gesichtspunkten aus-gew�hlter Produktgruppen. Eine Tabelle mit Nutzungs-dauern f�r ausgew�hlte Bauteile ermçglicht die notwen-dige Absch�tzung der Erneuerungszyklen innerhalb desBetrachtungszeitraums von 50 Jahren und damit derKosten und çkologischen Wirkungen f�r den Austauschim Rahmen der Lebenszyklusbetrachtung. F�r verschie-dene Steckbriefe werden Berechnungstools angeboten.Mit diesen Instrumenten kann eine einheitliche und um-fassende Dokumentation sichergestellt werden.

3 Weiterentwicklung desBewertungssystemsNachhaltiges Bauen

3.1 Entwicklung weiterer Systemvarianten

Im Rahmen der Forschungsinitiative Zukunft Bau hatdas BMVBS die vorhandenen Instrumente und Arbeits-hilfen stetig fortentwickeln lassen. Es liegen derzeitSystemvarianten f�r den Neubau von Verwaltungs-geb�uden in den Versionen 2009_4 und 2011_1 undf�r Außenanlagen vor. Zudem haben bereits Systemer-probungen f�r die Bewertungssystemvarianten „Neu-bau von Unterrichtsgeb�uden“ und „Forschungs- undLaborbauten“ begonnen. Nach einer abschließenden�berpr�fung der Steckbriefe soll die Einf�hrung stufen-weise im Jahr 2013 beginnen. F�r die Geb�udekategorie„�berbetriebliche Ausbildungsst�tten“ wird noch indiesem Jahr ein Systemvorschlag erwartet, der im An-schluss ebenfalls in eine Erprobung geht und nach Fest-stellung der Anwendungsreife voraussichtlich Ende2013 zur Verf�gung gestellt werden kann.

3.2 Module f�r die Nutzungsphase

Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeiten lag dabei aufder Erweiterung des Anwendungsbereichs des Leitfa-dens Nachhaltiges Bauen f�r den Geb�udebestand, ver-bunden mit notwendigen Anpassungen der Bewertungs-kriterien und -regeln mit abschließender Erprobung desBewertungssystems. Das neu erarbeitete Modul „Nut-zen und Betreiben“ beschreibt den nachhaltigen Geb�u-debetrieb. Das dahinter liegende Bewertungssystemf�hrt zu einer erstmaligen Bewertung des Geb�ude-betriebs rund drei Jahre nach der Fertigstellung. Grund-s�tzlich wird dabei davon ausgegangen, dass f�r dasGeb�ude eine Planungs- und Baubegleitung mit demLeitfaden beziehungsweise mit dem Bewertungssystemf�r Neubauten stattgefunden hat. Das Modul „Kom-plettmaßnahmen im Bestand“ beschreibt die nachhalti-ge Fortentwicklung bestehender Geb�ude im Zuge vonUmbau- oder Erweiterungsmaßnahmen sowie umfang-reicheren Modernisierungen. Das Bewertungssystemstellt analog zum Neubausystem eine Bewertung desPlanungs- und Bauprozesses w�hrend der Maßnahmedar. Die schrittweise Einf�hrung dieser Teile des Leit-fadens ist f�r die erste H�lfte des Jahres 2013 geplant.

3.3 Nachhaltigkeit in Wettbewerbsverfahren

Weitere Handlungsempfehlungen, zum Beispiel umNachhaltigkeitsaspekte einheitlich in Wettbewerbsver-fahren im Sinne der Richtlinien f�r Planungswettbewer-be (RPW 2008) zu verankern oder zum barrierefreienBauen, sind in der Abstimmung.Zuk�nftig werden bereits in das Wettbewerbsverfahren– neben den bisher �blichen Fragestellungen zu st�dte-baulichen und gestalterischen Qualit�ten – auch dieçkologischen, çkonomischen, soziokulturellen und

Weiterentwicklung des Bewertungssystems Nachhaltiges Bauen 13

Bild 5. Bewertungsstufen in Gold, Silber und Bronze (BNB)

funktionalen Aspekte sowie die technische Qualit�t unddie Prozessqualit�t einbezogen. Ebenso sind Absch�t-zungen zu �kobilanzierung und Lebenszykluskosten-rechnung sowie soziokulturelle Fragen als verbindlicheAnforderungen im Planungswettbewerb zu definieren.Im Leitfaden werden Kernkriterien f�r die Ber�cksich-tigung im Wettbewerb definiert, anhand derer die Um-setzung der Anforderungen an die Nachhaltigkeit ineiner solch fr�hen Phase gepr�ft werden kann. Die sp�-tere Kontrolle der Umsetzung der im Wettbewerb fest-gelegten Anforderungen ist mittels der angebotenen undausgef�hrten Leistungen zu gew�hrleisten, die Ergeb-nisse sind entsprechend zu dokumentieren. WichtigeAspekte sind dabei die Gewichtungen von einzelnenWettbewerbskriterien zueinander sowie die Zusammen-setzung des Preisgerichtes hinsichtlich der Vorkenntnis-se zu den genannten Nachhaltigkeitsqualit�ten. Im Be-reich der Bundesbaumaßnahmen planen und realisierendie zust�ndigen Bundesbauverwaltungen die Wett-bewerbe.

4 Nachhaltigkeitsanforderungen anzuk�nftige Baustoffe

In zahlreichen politischen Initiativen, auf globaler, eu-rop�ischer und nationaler Ebene werden politische Zie-le formuliert, die im Zusammenhang mit der Nachhal-tigkeit zu sehen sind, beispielsweise Energieeffizienz,Ressourceneffizienz, Verringerung der Treibhausgas-emissionen. Es gibt unterschiedliche politische Pro-gramme, die mit verschiedenen Einzelaspekten derNachhaltigkeit befasst sind. Programme, in denen dasBauwesen angesprochen wird, sind z.B. die nationaleNachhaltigkeitsstrategie (Bundesregierung, April 2002)[11], die Deutsche Anpassungsstrategie (DAS) (Bun-deskabinett, Dezember 2008) [12], das Deutsche Res-sourceneffizienzprogramm (Prog Ress) (Bundeskabi-nett Februar 2012) [13].H�ufig sind die f�r das Bauwesen relevanten Themenmit Anforderungen an Baumaterialien und Bauprodukteverkn�pft. In der Deutschen Anpassungsstrategie wer-den im Bereich Bauwesen zuk�nftig erforderliche An-passungen an den Klimawandel genannt, beispielsweiseAnpassungen der Geb�ude an h�ufiger auftretendefeuchte Winter oder intensive Sonneneinstrahlung imSommer – hierf�r sind ggf. Baumaterialien anders alsbisher zu bewerten oder neue Materialien zu ent-wickeln.Im Ressourceneffizienzprogramm wird u.a. die Fragenach Stoffstrçmen und erhçhten Recyclingquoten ge-stellt. Hierbei kçnnen energiesparende Materialienund Produkte, Material sparende Bauweisen, Erhçhungder Dauerhaftigkeit, Umnutzungsf�higkeit von Geb�u-den etc. eine wichtige Rolle spielen.In der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie werden f�reine nachhaltige Entwicklung in Deutschland konkreteAufgaben und Ziele definiert. In den entsprechenden

Maßnahmenprogrammen wurden konkret Ziele wiedie Halbierung der CO2-Emissionen der Bundesregie-rung bis 2020 (gegen�ber 1990) oder die Erarbeitungeines energetischen Sanierungsfahrplans f�r alle beste-henden Bundesgeb�ude beschlossen. F�r den Bundes-bau spielt die Nationale Nachhaltigkeitsstrategie einebesonders wichtige Rolle, da im Maßnahmenprogrammdie „Ausrichtung von Bundesbauten an den Anforde-rungen des BNB“ beschlossen und im Nachgang dieAnwendung des BNB f�r den Neubau von B�ro- undVerwaltungsgeb�uden per Erlass durch das BMVBS am3. M�rz 2011 [2] verbindlich eingef�hrt wurde.Durch die verbindliche Einf�hrung des BNB nimmtDeutschland bez�glich des Nachhaltigen Bauens in Eu-ropa eine Vorreiterrolle ein. Es ist eines der wenigenL�nder, in denen der Staat f�r seine çffentlichen Ge-b�ude (Bundesbauvorhaben) eine Nachhaltigkeits-bewertung verbindlich einfordert. In den meisten euro-p�ischen L�ndern werden derartige Zertifizierungssys-teme, wenn �berhaupt, freiwillig angewendet. Zudemsind die deutschen Bewertungssysteme, BNB ebensowie das privatwirtschaftlich eingesetzte Zertifizierungs-system der Deutschen Gesellschaft f�r NachhaltigesBauen e. V., in Europa diejenigen Systeme, die diemeisten �berhaupt definierten und bewerteten Nachhal-tigkeitskriterien abdecken.Bei der Anwendung des BNB werden �ber die umfas-senden Nachhaltigkeitskriterien viele der in den zuvorgenannten politischen Initiativen genannten Nachhal-tigkeitsaspekte bereits ber�cksichtigt: beispielsweiseR�ckbaubarkeit eines Geb�udes; Recyclingf�higkeitvon Bauprodukten; globale Umweltwirkungen mitdem Treibhauspotenzial als wesentlichem Faktor; um-welt- und gesundheitsrelevante Auswirkungen auf Bo-den, Wasser und Luft; Innenraumluftqualit�t und wei-tere Aspekte.Dass die Ber�cksichtigung von Nachhaltigkeitsaspek-ten in Europa und f�r Bauprodukte aktuell an Bedeu-tung gewinnt, wird u. a. durch die europ�ische Baupro-duktenverordnung deutlich, die seit dem 24. April 2011in Kraft getreten ist (die f�r Bauprodukthersteller we-sentlichen Artikel werden allerdings erst zum 1. Juli2013 wirksam). Erstmals wird das Thema Nachhaltig-keit im Zusammenhang mit Bauprodukten direkt for-muliert in der wesentlichen Grundanforderung 7 „Nach-haltige Nutzung der nat�rlichen Ressourcen“ [14].

4.1 Rolle der Baustoffe im BNB

4.1.1 �berblick

Im Folgenden wird die Rolle der Baustoffe/-produkteim BNB erl�utert. Vor dem Hintergrund der Nachhal-tigkeitsentwicklung wird immer wieder die Nennungsogenannter „çkologischer“ oder „nachhaltiger“ Bau-produkte gefordert. Da im BNB die Nachhaltigkeit ei-nes Geb�udes unter Ber�cksichtigung aller Nachhaltig-keitskriterien im Bereich der çkologischen, çkonomi-schen, soziokulturellen, technischen Qualit�t und Pro-

14 A 1 Nachhaltiges Bauen – Beitrag des Bauwesens zur Nachhaltigkeit

zessqualit�t erfolgt, werden auch die Bauprodukte aufGeb�udeebene innerhalb der jeweiligen Hauptkriterien-gruppen in der Bewertung ber�cksichtigt. Die Baupro-dukte werden nicht als einzelnes Produkt bewertet, son-dern im Geb�udekontext ber�cksichtigt. Bauproduktem�ssen die unterschiedlichsten Anforderungen erf�llen,hinsichtlich technischer Aspekte (z. B. Festigkeiten,Brandschutz, Dauerhaftigkeit), aber auch hinsichtlichumwelt- und gesundheitsrelevanter Aspekte (z. B. Ge-fahren f�r die Umwelt; Gefahren f�r den Anwenderw�hrend der Verarbeitung oder w�hrend der Geb�uden-utzung) sowie wirtschaftlicher Aspekte (Kosten). DieBeurteilung, ob die Bauprodukte in einem Geb�udenachhaltig eingesetzt werden, h�ngt daher vom Kontextdes betrachteten Geb�udes und somit von unterschied-lichen Nachhaltigkeitskriterien ab. Im Grunde spielendie Eigenschaften der Bauprodukte in allen Nachhaltig-keitsbereichen eine Rolle: çkologische Qualit�t (�ko-bilanzierung, Umwelt, Material), çkonomische Qualit�t(Lebenszykluskosten), soziokulturelle Qualit�t (z. B.Innenraumhygiene), technische Qualit�t und Prozess-qualit�t. Daher findet im BNB eine Beurteilung derBaustoffe indirekt und anteilig in verschiedenen Krite-riensteckbriefen statt – generell unter Ber�cksichtigungdes Lebenszyklus in dem gew�hlten Betrachtungszeit-raum von 50 Jahren.Insbesondere im Bereich der �kologischen Qualit�t, indem Wirkungen auf die globale und lokale Umweltber�cksichtigt werden, fließen die Bauprodukte wesent-lich in die Gesamtbewertung ein. Hervorzuheben sindhierbei die folgenden Nachhaltigkeitskriterien.

4.1.2 Wirkungen auf die globale und lokale Umwelt

Hinter den folgenden Kriteriensteckbriefen (1.1.1„Treibhauspotenzial“, 1.1.2 „Ozonschichtabbaupoten-zial“, 1.1.3 „Ozonbildungspotenzial“, 1.1.4 „Versaue-rungspotenzial“, 1.1.5 „�berd�ngungspotenzial“) ver-birgt sich im BNB die �kobilanzierung auf Geb�udee-bene f�r die genannten Umweltindikatoren. Der Beitragdes Geb�udes zum Treibhauseffekt – �ber das Treib-hauspotenzial ermittelt – ist unter den genannten Um-weltindikatoren der bedeutungsvollste und wird st�rkergewichtet als die anderen Umweltindikatoren. Nebendem Treibhauseffekt werden die vorgenannten Um-welteinwirkungen ber�cksichtigt, die u. a. Ozonloch,Smog, sauren Regen und �berd�ngung verursachenmit den entsprechenden Folgewirkungen auf die Ge-sundheit des Menschen und das çkologische Systeminklusive Flora und Fauna. Bei der �kobilanzierungwird der Beitrag des Geb�udes zum jeweils betrachtetenUmweltindikator f�r den im BNB gew�hlten Betrach-tungszeitraum von 50 Jahren berechnet. Hierbei werdendie Phasen Geb�udeerstellung, Nutzung und Entsor-gung ber�cksichtigt.F�r die Phase Herstellung sind s�mtliche im Bauwerkverwendete Materialien gegliedert nach den Kosten-gruppen 300 und 400 gem�ß DIN 276 [15] mengen-m�ßig zu ber�cksichtigen. F�r die im Bauwerk ver-

wendeten Baustoffe und Bauprodukte liefert die vomBund �ber das Informationsportal Nachhaltiges Bauenkostenfrei zum Download bereitgestellte Datenbank�KOBAU.DAT [16] die notwendigen Basisdaten. F�rdie Bauprodukte werden produktneutrale oder f�r einigeBauprodukte herstellerspezifische Werte f�r Treibhaus-,Ozonschichtabbau-, Ozonbildungs-, Versauerungs- und�berd�ngungspotenzial geliefert, in der Regel bezogenauf eine Einheitsgrçße wie z.B. m±, m�, St�ck. DieseDaten stammen aus �kobilanzierungen, die u.a. im Rah-men von Umweltproduktdeklarationen f�r die Baupro-dukte erstellt werden. In diesen Daten sind die f�r dieProduktherstellung verwendeten Ausgangsstoffe, dieRohstoffgewinnung und Produktionsprozesse ber�ck-sichtigt (Herstellung bis Werktor). Es handelt sich um�kobilanzdaten der Bauprodukte, die in die �kobilan-zierung auf Geb�udeebene einfließen.Neben den produktbezogenen Basisdaten fließen f�r diebetrachtete Phase Nutzung des Geb�udes Daten f�r dieGeb�ude- und Anlagentechnik, z. B. f�r die Energie-und Wasserversorgung, ein. Auch diese Daten werdenin der �KOBAU.DAT bereitgestellt. In der Nutzungs-phase sind weiterhin planm�ßige Instandsetzungen zuber�cksichtigen. Die vom Bund im Informationsportalzur Verf�gung gestellte Nutzungsdauertabelle [17] gibtan, welche Bauteile innerhalb der betrachteten 50 Jahreauszutauschen sind – diese sind entsprechend mit dendaf�r zu verwendenden Materialien in der �kobilanzie-rung zu ber�cksichtigen.F�r die Phase der Entsorgung ist prinzipiell zwischenden Entsorgungs- bzw. Verwertungswegen Recycling/Verwertung, Thermische Verwertung und Entsorgungauf Deponie zu unterschieden. Auch hier bietet die�KOBAU.DAT f�r die jeweiligen Baumaterialien Ba-sisdaten f�r die jeweiligen Entsorgungswege. Alle dieseDaten fließen in die �kobilanzierung auf Geb�udee-bene ein. �kobilanzierungen werden von Fachexpertenin der Regel mit Hilfe geeigneter Softwaretools durch-gef�hrt. H�ufig generieren diese Tools zus�tzlich Datenf�r die lebenszyklusbezogenen Kosten (relevant f�rKriteriensteckbrief 2.1.1 „Geb�udebezogene Kostenim Lebenszyklus“). Am Ende werden die geb�udebezo-genen Werte der Umweltindikatoren geliefert, die jenach Anforderungsniveau zu der Bewertung im entspre-chenden Kriteriensteckbrief f�hren. Ziel ist es, f�r einepositive Bewertung die Materialien so zu w�hlen, dassdie negativen Beitr�ge zu den Umweltwirkungen mçg-lichst gering ausfallen.In der Datenbank finden sich generische Basisdaten, dief�r die Baumaterialien geeignete Durchschnittswerteder Umweltindikatoren liefern, sowie auch produktspe-zifische Werte, die im Rahmen von Umweltproduktde-klarationen ermittelt werden. Je nach Datenlage oderPlanungsphase ist es sinnvoll, generische bzw. produkt-spezifische Daten einzusetzen.Als derzeit aktuelle Version wird die �KOBAU.DAT2011 (Vorg�ngerversion �KOBAU.DAT 2009) zurVerf�gung gestellt. An dieser Stelle sei darauf hinge-wiesen, dass voraussichtlich in 2013 eine Folgeversion

Nachhaltigkeitsanforderungen an zuk�nftige Baustoffe 15

der �KOBAU.DAT verçffentlicht wird, die den Anfor-derungen der europ�ischen Norm DIN EN 15804 [18]entsprechen wird.

4.1.3 Beurteilung des Risikopotenzials f�r dieUmweltmedien Grundwasser,Oberfl�chenwasser, Boden und Außenluft

W�hrend �ber die �kobilanzierung im Wesentlichensogenannte globale Umwelteinfl�sse (z. B. Treibhaus-potenzial) ber�cksichtigt werden, werden in dem Krite-riensteckbrief 1.1.6 „Risiken f�r die lokale Umwelt“Bauprodukte hinsichtlich ihres lokalen Risikopotenzialsf�r Grund- und Oberfl�chenwasser, Boden und Außen-luft bez�glich Umwelt- und Gesundheitsgefahren be-wertet.Ziel ist es, die Verwendung von Materialien zu reduzie-ren bzw. zu vermeiden, die aufgrund ihrer stofflichenEigenschaften oder Rezepturbestandteile w�hrend ihrerVerarbeitung auf der Baustelle oder durch l�ngerfristigeBewitterung (Außenbauteile) ein Risikopotenzial f�rdie o. g. Medien enthalten. Folgende Stoffgruppen wer-den betrachtet:– halogenierte und teilhalogenierte K�lte- und Treib-

mittel,– Schwermetalle,– Stoffe und Produkte, die unter die Biozid-Richtlinie

[19] fallen,– besonders besorgniserregende Stoffe gem�ß CLP-/

REACH-Verordnung [20],– organische Lçsemittel (VOC – volatile organic com-

pounds),– Freisetzung gef�hrlicher Stoffe (Boden und Grund-

wasser).Die erforderlichen Informationen sind derzeit meist un-�bersichtlich in verschiedenen Informationsquellen zufinden (technische Merkbl�tter; Sicherheitsdatenbl�tter;produktbezogene Informationen der Berufsgenossen-schaften (GISCODE); Stofflisten und Stoffinformatio-nen gem�ß g�ltiger Verordnungen, Richtlinien und Re-gelwerke; technische Regeln f�r Gefahrstoffe (TRGS);Umwelt(produkt-)deklarationen; branchenbezogeneRegelwerke und G�tezeichen bzw. Zertifizierungen; çf-fentliche Ausschreibungsempfehlungen des Umwelt-bundesamtes und sonstige).Aufgrund der Vielzahl an zu ber�cksichtigenden Um-welt- und Gesundheitsparametern sowie der entspre-chend hohen Anzahl an verschiedenen Informations-quellen wird derzeit f�r das BNB ein anwenderfreund-liches Bewertungstool (accessbasiert) entwickelt. Indem Tool werden zun�chst die allgemeinen Projekt-daten und Zielwerte eingegeben (d. h., es wird angege-ben, welche Bewertungsstufe in dem Kriteriensteck-brief insgesamt erreicht werden soll); und schließlichwerden f�r das Geb�ude strukturiert �ber Bauteile ge-m�ß DIN 276 [15] (analog zur �kobilanzierung) dieverwendeten Bauproduktgruppen und Bauproduktemit den entsprechenden Hersteller- und Mengenanga-ben aufgef�hrt. Eine Umsortierung nach Leistungs-

bereichen ermçglicht einen Abgleich mit den Positio-nen im Leistungsverzeichnis. Hinter jedem verwende-ten Produkt werden Informationen dar�ber geliefert,welche mçglichen Risikopotenziale bestehen, welcheNachweise vorzulegen sind und ob das avisierte Quali-t�tsniveau in der Bewertung �berhaupt erreicht werdenkann. Das Tool erlaubt sowohl f�r die Planungsphase(z. T. unter Verwendung produktunabh�ngiger Umwelt-informationen aus WECOBIS, vgl. Abschnitt 4.2) alsauch schließlich f�r das realisierte Geb�ude – unterAngabe der produktspezifischen Umweltinformationen– die Eingabe der gesundheits- und umweltrelevantenDaten und Nachweise. Zudem sind erl�uternde Texte,Informationen zu den Baumaterialien und Hinweise, anwelchen Quellen die geforderten Produktdaten zu fin-den sind, eingestellt.Ausnahmen von den Anforderungen werden zugelas-sen, wenn aus technischen oder funktionalen Gr�nden(z. B. aufgrund der geringen verbauten Mengen, in Er-mangelung eines funktional gleichwertigen Produktesoder einer Konstruktionsalternative) die Umweltanfor-derungen f�r das Produkt nicht erf�llbar sind.Generell ist zu beobachten, dass die im BNB abgefrag-ten gesundheits- und umweltrelevanten Aspekte immerh�ufiger auch an anderen Stellen abgefragt werden undan Bedeutung gewinnen. Die Bewertungen im hier be-schriebenen Nachhaltigkeitskriterium kçnnen bei derZielvorgabe hoher Qualit�tsniveaus durchaus zum Aus-schluss von bestimmten Bauprodukten/Bauprodukt-gruppen f�hren. Dieses Kriterium hat daher f�r die Bau-produkte eine besonders hohe Bedeutung. Generell ha-ben die Produkthersteller ein Interesse daran, dass dieProdukte in den Bewertungssystemen der Nachhaltig-keit positiv abschneiden, so dass das BNB in gewisserWeise eine Motivation f�r die Entwicklung von Bau-produkten mit niedrigem Risikopotenzial f�r die hierangesprochenen Umwelt- und Gesundheitsgefahrensein kann.

4.1.4 Nachhaltige Materialgewinnung/Holz

W�lder haben eine herausragende Bedeutung f�r dieSicherung der nat�rlichen Lebensgrundlagen und f�rdie Bewahrung und nachhaltige Nutzung der biologi-schen Vielfalt. Ziel ist es daher, eine nachhaltige Wald-bewirtschaftung und legalen Holzeinschlag zu fçrdern.Das Bewertungskriterium 1.1.7 „Nachhaltige Material-gewinnung / Holz“ bildet insofern im Rahmen des BNBeine Ausnahme, da hier f�r eine Materialgruppe expli-zite Anforderungen gestellt werden. Jedoch wird nichtdas Material Holz an sich bevorzugt bewertet, sondernes wird �ber die Forderung von Zertifikaten die Ver-wendung von Holz und Holzwerkstoffen, f�r die einegeregelte, nachhaltige Bewirtschaftung des Herkunfts-forstes nachgewiesen ist, befçrdert und positiv ange-rechnet. Damit wird einem gemeinsamen Erlass desBundesministeriums f�r Wirtschaft und Technologie(BMWi), des Bundesministeriums f�r Ern�hrung,Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV), des

16 A 1 Nachhaltiges Bauen – Beitrag des Bauwesens zur Nachhaltigkeit

Bundesministeriums f�r Umwelt, Naturschutz und Re-aktorsicherheit (BMU) sowie des Bundesministeriumsf�r Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) vom22. Dezember 2010 Rechnung getragen. Danach sindf�r alle Hçlzer und Holzprodukte Zertifikate wiePEFC – Programme for the Endorsement of Forest Cer-tification Schemes, FSC – Forest Stewardship Councilsowie vergleichbare Zertifikate oder entsprechendeEinzelnachweise vorzulegen.

4.1.5 Innenraumhygiene

Im Bereich der soziokulturellen Qualit�t (Gesundheit,Behaglichkeit und Nutzerzufriedenheit) ist das Nach-haltigkeitskriterium der Innenraumhygiene hervorzuhe-ben (BNB-Kriteriensteckbrief 3.1.3), mit dem die Luft-qualit�t im Innenraum bewertet wird. Konkret werdenim fertig gestellten Geb�ude (4 Wochen nach Erstel-lung) die Innenraumluftkonzentration fl�chtiger organi-scher Stoffe (TVOC – total volatile organic com-pounds) und die Formaldehydemission bestimmt. Wei-terhin werden die vorgesehen L�ftungsraten bewertet,die z.B. �ber die Auslegung der zu çffnenden Fenster-fl�chen oder andere Methoden beeinflusst werden.

4.1.6 Technische Materialanforderungen

Im Bereich der technischen Qualit�t (technische Aus-f�hrung) spielen die technischen Eigenschaften derMaterialien im Zusammenhang mit der Konstruktioneine Rolle, z. B. Schall-, W�rme- und Tauwasserschutz.Im Zusammenhang mit den Forderungen nach einemschonenden Umgang mit Ressourcen ist die Betrach-tung der Verwertungs- und Recyclingf�higkeit des Ge-b�udes bzw. der verwendeten Materialien das wesent-liche Nachhaltigkeitskriterium, in dem die Baupro-dukte ber�cksichtigt werden (BNB-Kriteriensteckbrief4.1.4 „R�ckbau, Trennung und Verwertung“).

4.1.7 �konomische Materialanforderungen

Im Bereich der çkonomischen Qualit�t fließen die Kos-ten der Bauprodukte entsprechend in die Gesamtkosten(Lebenszykluskosten) und somit die Gesamtbewertungein. Da die Baustoffe an verschiedenen Stellen in dieBewertung einfließen und u. a. nach den oben genann-ten, sehr unterschiedlichen Kriterien auszuw�hlen sind,ist eine geeignete Auswahl der zu verwendenden Bau-materialien und Bauprodukte f�r ein Geb�ude �ußerstschwierig. Es gibt zahlreiche Informationen zu Baustof-fen, die jedoch in der Regel nur Informationen zu be-stimmten Eigenschaften liefern und daher an sehr un-terschiedlichen Informationsquellen zu finden sind(z. B. technische Eigenschaften im technischen Daten-blatt oder Lieferblatt; Arbeitsschutzhinweise im Sicher-heitsdatenblatt, umweltrelevante Informationen �berverschiedene Labels oder in Umweltproduktdeklaratio-nen; Abfallschl�sselnummern in entsprechenden Kata-logen). Dies macht die Baustoffauswahl sehr komplex.

4.2 WECOBIS

Eine sinnvolle Hilfestellung bietet die WECOBIS. DieInternetplattform www.wecobis.de wird seit 2010 ge-meinsam vom BMVBS und der Bayerischen Architek-tenkammer betrieben und �ber die Gesch�ftsstelle imBundesinstitut f�r Bau-, Stadt- und Raumforschung(BBSR) gef�hrt. Der Bund bietet �ber die Internetplatt-form WECOBIS kostenfrei umfassende Informationenzu umwelt- und gesundheitsrelevanten Aspekten vonBaumaterialien f�r unterschiedliche Lebenszykluspha-sen an. Ber�cksichtigt werden die Rohstoffe, die Her-stellung, Verarbeitung, Nutzung und Nachnutzung derBauprodukte und Materialien. WECOBIS richtet sichan Planer und Architekten und bietet ein Hilfsmittelf�r die Auswahl von geeigneten Baumaterialien und-produkten unter Ber�cksichtigung von umwelt- undgesundheitsrelevanten Fragestellungen. Da die Infor-mationen s�mtlich produktneutral angeboten werden,geht es zun�chst darum, beispielsweise herauszufinden,ob es in bestimmten Bauproduktgruppen �berhauptschadstoffarme oder schadstofffreie Produkte gibt. Soist es mçglich, bei bestimmten Produktgruppen (z. B.Kleber, Farben und Lacke) herauszufinden, dass sowohllçsemittelfreie als auch lçsemittelhaltige Produkte aufdem Markt verf�gbar sind. Diese Information kann eineHilfe f�r die weitere Produktwahl sein, je nachdem,welche weiteren Anforderungen f�r die entsprechendeAnwendung in dem Geb�ude/Bauwerk zu erf�llen sind.Es kann durchaus sein, dass f�r bestimmte Anwendun-gen aufgrund der geforderten technischen Eigenschaf-ten (z. B. Brandschutz) bestimmte Inhaltsstoffe mit denentsprechenden Umweltwirkungen in Kauf genommenwerden. WECOBIS bietet insofern eine Hilfestellung,als dass darauf hingewiesen wird, welche Risikopoten-ziale �berhaupt mçglicherweise zu beachten sind. Jenach Lebenszyklusphase kann das unterschiedlich sein:einige Bauprodukte emittieren beispielsweise w�hrendder Herstellung umwelt- und gesundheitsrelevante Gase– diese Auswirkungen kçnnen zumeist �ber einen ge-eigneten Arbeitsschutz abgefangen werden –, sind aberw�hrend der Anwendungs- und Nutzungsphase unkri-tisch.�ber eine nachhaltige Anwendung von Bauproduktenentscheidet schließlich das komplexe Zusammenspielder vielf�ltigen Anforderungen an die Bauprodukte inder jeweiligen Anwendung im Geb�ude/Bauwerk. Hier-bei spielen u. a. die oben erw�hnten Nachhaltigkeits-kriterien (�kobilanz, Kosten, Risiken f�r die lokaleUmwelt, Innenraumhygiene, Verwertung/Entsorgung/Recyclingf�higkeit und weitere) eine Rolle. Die Bewer-tung �ber eine nachhaltige Anwendung erfolgt somit imRahmen der Zertifizierung auf Geb�udeebene.WECOBIS ist kein Tool zur Beurteilung einzelner Bau-produkte, sondern gibt hilfreiche und umfassende Erst-informationen, um mçgliche umwelt- oder gesundheits-relevante Aspekte der betrachteten Bauproduktgruppenaufzuzeigen. In den jeweiligen Kategorien werden dannweiterf�hrende Informationen geliefert. Es wird zudem

Nachhaltigkeitsanforderungen an zuk�nftige Baustoffe 17

zahlreich auf weiterf�hrende Internetseiten verlinkt, aufdenen dann produktbezogene Informationen zu findensind.In WECOBIS sind verschiedenste Bauproduktgruppenbzw. Grundstoffe erfasst. Bild 6 zeigt beispielhaft dieAuflistung der Untergruppen f�r Holz und Holzwerk-stoffe.Nach Auswahl einer entsprechenden spezifischen Un-tergruppe der Bauproduktgruppe gliedern sich die wei-terf�hrenden Informationen in die Bereiche „Allgemei-

nes“ und „Lebenszyklus“. Generell werden f�r jedespezifizierte Bauproduktgruppe bzw. f�r jeden dar-gestellten Grundstoff die in Tabelle 1 aufgef�hrten In-formationen geliefert.S�mtliche aktuellen Entwicklungen im Bereich derNachhaltigkeit zeigen, dass die Beurteilung von Bau-produkten hinsichtlich mçglicher umwelt- und gesund-heitsrelevanter Auswirkungen deutlich an Bedeutungzunimmt. So gibt es derzeit unterschiedliche �ber-legungen, ob an verschiedenen Stellen, an denen bereits

18 A 1 Nachhaltiges Bauen – Beitrag des Bauwesens zur Nachhaltigkeit

Bild 6. Internetplattform WECOBIS – Gliederung der Bauproduktgruppen (Beispiel Holz und Holzwerkstoffe)

Tabelle 1. �bersicht der Grundinformationen in WECOBIS f�r jede spezifizierte Bauproduktgruppe

Allgemeines Lebenszyklus

• AllgemeinesProduktdefinition; Lieferzustand, Anwendungsbereich

• RohstoffeAusgangsstoffe und Hauptbestandteil; Informationen zuGewinnung und Verf�gbarkeit der Prim�rstoffe

• Risikentabellarische �bersicht zu mçglichen Gesundheits- undUmweltrisiken innerhalb der angezeigten Bauproduktgruppe

• HerstellungGesundheits- und Umweltschutz bei Herstellprozessen;„Graue Energie“

• AusschreibungAusschreibungshilfen (z. B. Verlinkung zu den çffentlichenAusschreibungshilfen des Umweltbundesamtes)

• VerarbeitungVerarbeitungsempfehlungen: Arbeitshygienische Risiken undArbeitsschutz

• UmweltdeklarationenVerlinkungen zu Zeichen, Labels etc.

• NutzungUmwelt- und Gesundheitsrisiken bei bestimmungsgem�ßerNutzung sowie im Schadenfall (z. B. Emission Innen-/Außen-raum); Dauerhaftigkeitsaspekte

• Literatur • NachnutzungInformationen zur Wiederverwendung bzw. Entsorgungswege;EAK-Abfallschl�ssel

jetzt Informationen �ber die Bauprodukte geliefert wer-den, auch die f�r die Beurteilung im Sinne der beschrie-benen Bewertungssysteme (BNB, DGNB) erforderli-chen Kriterien geliefert werden kçnnen, beispielsweisein den Umweltproduktdeklarationen. Derartige Ent-wicklungen verfolgt der Bund aufmerksam.

5 Nachhaltigkeitsindikator EnergieIn der Vergangenheit wurde das Thema „Nachhaltig-keit“ oftmals auf den Bereich „Energie“ reduziert. Da-bei lag das Hauptaugenmerk zudem nahezu ausschließ-lich auf dem Energieeinsatz f�r den Betrieb von Geb�u-den. Ein Grund hierf�r ist sicherlich auch dessen klareçkonomische Bewertbarkeit. Mit der Entwicklung vonBewertungssystemen f�r die Nachhaltigkeit von Geb�u-den kamen und kommen deutlich mehr Aspekte in denFokus, die es zu ber�cksichtigen gilt, wenn ein nach-haltiges Geb�ude gebaut, saniert oder betrieben werdensoll. Gleichwohl hat das Thema „Energie“ nach wie voreinen starken Einfluss bei einer Nachhaltigkeitsbewer-tung.Die Bundesregierung hat vor etwa 20 Jahren im Zusam-menhang mit der Entscheidung der Verlegung des Re-gierungssitzes von Bonn nach Berlin den Beschluss ge-fasst, f�r die neu zu errichtenden sowie die herzurich-tenden Geb�ude in Berlin einen Energiebeauftragten zuberufen, der f�r eine einheitlich hohe energetische G�te

bei den jeweiligen Baumaßnahmen sorgen sollte. Mitteder 90er Jahre nahm der Energiebeauftragte f�r die um-zugsbedingten Bauten des Bundes in Berlin, so die of-fizielle Bezeichnung, seine T�tigkeit auf. Einige derwesentlichen grunds�tzlichen Prinzipien, die f�r allevon ihm begleiteten Baumaßnahmen galten, lauteten:– Es ist ein hohes Maß an winterlichem und sommer-

lichem W�rmeschutz zu erreichen.– Auf die K�hlung von R�umen mit „normaler“ Nut-

zung ist zu verzichten.– Die Tageslichtnutzung ist zu maximieren.– Es soll eine weitgehende Nutzung erneuerbarer

Energien erfolgen.– Die Warmwasserbereitstellung ist auf wenige aus-

gew�hlte Bereiche zu beschr�nken.Anhand der vorgenannten Leitprinzipien ist bereits er-kennbar, dass sowohl bauliche als auch anlagentech-nische Parameter bei der energetischen Optimierungvon Geb�uden zu betrachten sind. Dabei sollten zu-n�chst erst alle baulichen Mçglichkeiten zur Senkungdes Energiebedarfs eines Geb�udes ausgeschçpft unddarauf aufbauend ein optimales Konzept zur Deckungdes verbleibenden Energiebedarfs entwickelt werden.Das wohl bekannteste und in seiner Dimension wohlauch grçßte Energiekonzept der damaligen Baumaß-nahmen des Bundes wurde f�r den Spreebogen in Berlinentwickelt. Zur Versorgung der Geb�ude des DeutschenBundestages und des Bundeskanzleramtes wurde einEnergieverbund geschaffen, in dem die von Blockheiz-

Nachhaltigkeitsindikator Energie 19

Bild 7. Ergebnis der Energiebedarfsberechnung gem�ß EnEV 2007 f�r ausgew�hlte Bundesbauten

kraftwerken (BHKW) erzeugte Energie zwischen denGeb�uden optimal verteilt werden kann. Zur Zwischen-speicherung von W�rme und K�lte wurden zwei Aqui-ferspeicher in verschiedenen Tiefen (etwa 60 m Tiefef�r K�ltespeicherung, etwa 300 m Tiefe f�r W�rmespei-cherung) angelegt. Als çkologische Komponente derEnergieversorgung des Spreebogens ist im Wesentli-chen der Einsatz von Rapsçl f�r die BHKW vorgese-hen. Zudem wurden einige Geb�ude mit Photovoltai-kanlagen ausgestattet. Insgesamt wurden 357 kWPeakPV-Leistung auf einer Dachfl�che von 5 230 m± instal-liert. Dabei handelt es sich sowohl um Module aus mo-nokristallinem Silizium (1990 m±) als auch um Moduleaus amorphem Silizium (3240 m±).Die praktischen Erfahrungen aus den vom Energie-beauftragten begleiteten Baumaßnahmen flossen bereitsin den ersten Leitfaden Nachhaltiges Bauen ein, der imJahr 2001 verçffentlicht wurde. Eine einheitliche Be-wertung der verschiedenen Baumaßnahmen, in denender Energiebeauftragte t�tig war, wurde in den Jahren2007–2009 vorgenommen, als n�mlich f�r die Geb�udeder Obersten Bundesbehçrden und f�r ausgew�hlte Ge-b�ude des Deutschen Bundestages in Berlin Energiebe-darfsausweise nach den Regeln der Energieeinsparver-ordnung 2007 (EnEV 2007) erstellt wurden. Das Ergeb-nis dieser Berechnungen f�r ausgew�hlte Bundesgeb�u-de zeigt Bild 7.Im Durchschnitt aller betrachteten Geb�ude ergibt sich,dass die Anforderungen aus der EnEV 2007 an sanierteBestandsbauten bez�glich des Jahres-Prim�renergiebe-darfs (Qp) um 46 % bzw. bzgl. des spezifischen Trans-missionsw�rmetransferkoeffizienten (HT’) um 39 %unterschritten wurden. F�r die errichteten Neubautenweisen die Berechnungen Unterschreitungen von 50 %bei Qp und 58 % bei HT’ aus.Vergleicht man die Ergebnisse f�r die Neubauten mitden Neubauanforderungen der EnEV 2007, so werdenimmer noch durchschnittliche Unterschreitungen von30 % in Bezug auf den Jahres-Prim�renergiebedarf

und 41 % in Bezug auf den spezifischen Transmissions-w�rmetransferkoeffizienten erreicht. Dies belegt ein-drucksvoll den Erfolg der Bestrebungen hinsichtlich ei-nes Energie sparenden und ressourcenschonenden Bau-ens.Wegen der nachgewiesenen Erfolge wurde das Wir-kungsgebiet des Energiebeauftragten nach dem offiziel-len Abschluss des Umzuges der Bundesregierung aus-gedehnt und seine Erfahrungen auch in Baumaßnahmenaußerhalb von Berlin genutzt. Erster Meilenstein dieserAufgabenerweiterung war die Errichtung des neuenDienstsitzes des Umweltbundesamtes in Dessau f�rca. 800 Mitarbeiter. Auch hier gab es ambitionierteenergetische Zielstellungen, die mit der Planung umzu-setzen waren. Beispielsweise sollte der Jahres-Prim�r-energiebedarf des Geb�udes 100 kWh/(m±NGF·a) nicht�bersteigen. Zur Erreichung der Zielstellungen wurdeeine Geb�udeh�lle gew�hlt, deren energetische Qualit�tvergleichbar mit dem Passivhausstandard ist, und einVersorgungskonzept umgesetzt, dass eine hohe Ausnut-zung erneuerbarer Energien vorsieht. Dieses Konzeptist in Bild 8 dargestellt. Besonderheiten des Konzeptessind die solare K�lteerzeugung, bei der die f�r den K�l-teerzeugungsprozess in der Adsorptions-K�ltemaschineerforderliche W�rme zum Teil �ber thermische Solar-kollektoren gewonnen wird, und die Einbindung einesErdw�rmetauschers mit etwa 5000 m± W�rmetauscher-fl�che zur Vortemperierung der Außenluft f�r die me-chanische B�rol�ftung. Das Zusammenspiel der einzel-nen Komponenten des Energieversorgungskonzeptes inder Praxis erwies sich als schwierig. So musste bei-spielsweise die Betriebsf�hrung von Erdw�rmetauscherund W�rmer�ckgewinnung, beide Bauteile sind im An-lagenaufbau der raumlufttechnischen Anlagen in Seriegeschaltet, erst im Laufe des Geb�udebetriebs auf derBasis der gesammelten Messwerte optimiert werden.Erst im Jahr 2008 – und damit erst im dritten Jahr nachInbetriebnahme des Geb�udes im Mai 2005 – konntemesstechnisch nachgewiesen werden, dass der ange-

20 A 1 Nachhaltiges Bauen – Beitrag des Bauwesens zur Nachhaltigkeit

Bild 8. EnergieversorgungskonzeptUmweltbundesamt in Dessau(EWT – Erdw�rmetauscher, FW –Fernw�rme, WRG – W�rmer�ck-gewinnung, PV – Photovoltaik,RKW – R�ckk�hlwerk/freie K�hlung,AdKM – Adsorptions-K�ltemaschine,KKM – Kompressions-K�ltemaschine);Foto: Busse

strebte prim�renergetische Zielwert tats�chlich einge-halten werden kann. Seither allerdings wird die Markevon 100 kWh/(m±NGFa), trotz einer stetig wachsendenInstallationsdichte und l�ngeren Betriebszeiten, stabilunterschritten.Mit der Ausweitung des T�tigkeitsgebietes des Energie-beauftragten wurden auch dessen Aufgaben vom Bun-desministerium f�r Verkehr, Bau und Stadtentwicklung(BMVBS) neu definiert. Die wesentlichen Aufgabensind nunmehr:

Fachliche Begleitung von ausgew�hlten Bundes-Bau-maßnahmen (Neubau und Sanierung)– Definition der spezifischen energetischen Ziele einer

Baumaßnahme– (regelm�ßige) Teilnahme an Projektbesprechungen

w�hrend der Planungsphase– Begleitung w�hrend der Bauphase durch die fachli-

che Bewertung von Maßnahmen zur Qualit�tssiche-rung (Luftdichtheitstest, Infrarot-Thermografie)

Bewertung bzw. Erstellung von Energiebedarfsausweisen

Durchf�hrung eines energetischen Monitorings in denersten Jahren nach Inbetriebnahme eines Geb�udes

Erstellung des Energie- und CO2-Berichts der Bundes-regierung

Konzeptionelle Arbeiten im Bereich des Energie spa-renden und ressourcenschonenden Bundesbaus– Neubau-Standard „Niedrigstenergiegeb�ude Bun-

desbau“– Energetischer Sanierungsfahrplan f�r den Bundesbau

Vorbereitung der fachlichen Inhalte zu Erlassen desBMVBS (z.B. „Vorbildwirkung Bundesbau“)

Beratung des BMVBS in Fragen des Energie sparendenund ressourcenschonenden Bauens sowie im BereichTechnische Geb�udeausr�stung

Wissenschaftliche Begleitung von Energieeinsparpro-grammen im Bundesbau– Grundlagenermittlung zur Aufstellung der Fçrder-

richtlinien– Wiss. Begleitung der Umsetzung bzw. Auswertung

des Programmerfolgs

Fachliche Betreuung des Themas „Energie“ im Leitfa-den nachhaltiges Bauen des BMVBS

Wissenschaftliche Begleitung des Einsatzes von innova-tiven Technologien im Bereich Hochbau (z.B. Phasen-wechselmaterialien, Vakuumisolierung etc.) sowie imBereich Technische Geb�udeausr�stung (z.B. LED-Be-leuchtung, Brennstoffzelle etc.)

Vertretung des BMVBS in Gremien

Unterst�tzung des BMVBS bei �ffentlichkeitsarbeit

Die Definition der energetischen Ziele in einer konkre-ten Baumaßnahme erfolgt �ber ein energetisches Pflich-tenheft. Hierin wird auf die einzuhaltenden Rahmenbe-

dingungen (thermische Behaglichkeit, Luftqualit�t, Be-leuchtungsst�rken etc.) sowie energetischen Kenngrç-ßen eingegangen, zudem werden die Anforderungen andie energetische G�te der zu entwickelnden Technik-konzepte formuliert. Außerdem werden in dem Pflich-tenheft die Verantwortlichkeiten innerhalb des Projek-tes benannt sowie die jeweiligen Nachweismethodenund -zeitpunkte aufgef�hrt. Das Instrument eines ener-getischen Pflichtenheftes hat sich in der Vergangenheitsehr gut bew�hrt. Deshalb und weil sich die T�tigkeitdes Bundes-Energiebeauftragten aus Kapazit�tsgr�ndenauf ausgew�hlte Baumaßnahmen des Bundes be-schr�nkt, wurde ein energetisches Muster-Pflichtenheftin den Anhang des Leitfadens Nachhaltiges Bauen auf-genommen. In Anlage 4 des Leitfadens ist nunmehreine Vorlage enthalten, auf deren Basis ein energeti-sches Pflichtenheft f�r jede Bundes-Baumaßnahme er-stellt werden kann. Mit dem energetischen Pflichtenheftwerden wesentliche Kennwerte f�r eine bestimmte Bau-maßnahme vorgegeben, die es in der Planung zu be-r�cksichtigen gilt und an denen sich die Planung messenlassen muss. Dabei wird im Regelfall mit Grenzwerten,die in jedem Fall eingehalten werden m�ssen, und mitZielwerten gearbeitet. Die Zielwerte zeigen das Poten-zial auf, in welchem Maß die Planung optimiert werdensollte. Die wesentlichen Kennwerte sind insbesondere:– Jahres-Prim�renergiebedarf,– energetische Qualit�t der Bauteile der w�rme�ber-

tragenden Umfassungsfl�che,– Jahres-Elektroenergiebedarf.Die Anforderungen an die beiden erstgenannten Krite-rien richten sich an den jeweils aktuellen energetischenZielstellungen der Bundesregierung aus. Derzeit istdiesbez�glich ein Erlass des BMVBS (B-12-8133.2/3vom 03. 03.2011) in Kraft. Darin werden folgende An-forderungen formuliert (Tabelle 2):

Bez�glich der Anwendung der Anforderungen aus Ta-belle 2 heißt es im Erlass (B-12-8133.2/3): „Die Anfor-derungswerte […] gelten im Falle von Neubauten sowiebei �nderung, Erweiterung und Ausbau sowie grçßerenSanierungen von Bestandsgeb�uden, wenn die Erf�l-lung der EnEV-Anforderungen �ber den Nachweis derEinhaltung des Jahres-Prim�renergiebedarfs und derW�rmedurchgangskoeffizienten der w�rme�bertragen-den Umfassungsfl�che erfolgt (EnEV 2009, § 9, Ab-satz 1, Satz 2). Erfolgt der Nachweis der Erf�llung derEnEV-Anforderungen im Falle der �nderung, der Er-weiterung und des Ausbaus sowie bei grçßeren Sanie-rungen von Bestandsgeb�uden anhand der Hçchstwerteder W�rmedurchgangskoeffizienten bei erstmaligemEinbau, Ersatz und Erneuerung von Bauteilen (EnEV2009, Anlage 3, Tabelle 1), so sind die dort genanntenWerte zu unterschreiten, soweit wirtschaftlich vertret-bar ist.“

Die energetischen Kennwerte f�r den Elektroenergie-bedarf werden im Rahmen des energetischen Muster-Pflichtenheftes auf der Basis von Teilenergiekennwer-ten ermittelt. Dabei werden sowohl der Energiebedarf

Nachhaltigkeitsindikator Energie 21

f�r die EnEV-relevanten Prozesse, wie Heizung, L�f-tung, K�hlung, Beleuchtung und Warmwasserberei-tung, als auch der nutzerbedingte Elektroenergiebe-darf, bspw. f�r Computer, Teek�chen etc., betrachtet.Somit ist bereits w�hrend der Planungsphase darstell-bar, welchen Anteil der Nutzer mit seinem Handelnund seiner Beschaffungsstrategie am gesamten Elek-troenergiebedarf eines Geb�udes haben wird. Hier�bergelingt es zunehmend, auch den Nutzer in die Bem�-hungen zur Reduzierung des Energiebedarfs einzube-ziehen.Die im energetischen Muster-Pflichtenheft aufgef�hr-ten Teilenergiekennwerte wurden der VDI 3807, Teil 4(2008) [21] sowie der SIA 380/4 (2006) [22] entnom-men. Der Vorteil der Daten aus der VDI 3807 ist, dasses sich um gemessene Werte handelt. Zudem werdentechnologische Lçsungen zum Erreichen der aufgef�hr-ten Werte benannt. Hierdurch werden die abstraktenAnforderungen aus den jeweils genannten energeti-schen Kennwerten auf reale bautechnische Komponen-ten heruntergebrochen und somit das praktische Erf�l-len der Anforderungen oder die Einsch�tzung des er-reichten Planungsstandes erleichtert. Mit der im ener-getischen Pflichtenheft detailliert dargestelltenHerleitung des jeweiligen Grenz- und Zielwertes f�rden Elektroenergiebedarf wird ein hohes Maß an Trans-

parenz erreicht, wodurch die Akzeptanz der gefordertenKennwerte, aber auch die Identifikation mit der Pla-nungsaufgabe erhçht werden sollen.Tabelle 3 enth�lt energetische Kennwerte f�r den Elek-troenergiebedarf, wie sie f�r Bundesbauten im energe-tischen Muster-Pflichtenheft benannt sind. Die Aufstel-lung bezieht sich auf Geb�ude, deren Hauptnutzungeine B�ronutzung ist. Bei den genannten Grenz- undZielwerten wird sowohl zwischen verschiedenenHauptnutzungsanteilen als auch zwischen unterschied-lichen technischen Ausstattungsgraden unterschieden.Neben der Tabelle enth�lt das energetische Muster-Pflichtenheft auch die Berechnungsbl�tter aller dar-gestellten Kennwerte. In analoger Weise kann auf die-ser Basis f�r eine konkrete Baumaßnahme ein spezi-fischer Grenz- und Zielwert ermittelt werden.Mit den Planungsvorgaben aus dem energetischenPflichtenheft sollen nat�rlich nicht nur der Energiebe-darf des Geb�udes gesenkt, sondern auch dessen Emis-sionen an klimasch�digenden Gasen reduziert werden.Die aktuellen Ziele der Bundesregierung hierzu stam-men aus dem „Maßnahmenprogramm Nachhaltigkeit“[23], welches am 06. 10.2010 vom Staatssekret�rsaus-schuss f�r nachhaltige Entwicklung beschlossen wurde.Darin wird formuliert, dass die CO2-Emissionen in denGeb�uden im Gesch�ftsbereich der Bundesregierunggegen�ber dem Wert von 1990 halbiert werden sollen.Derzeit weist der aktuelle Energie- und CO2-Berichteine entsprechende Reduzierung um etwa 60 % aus.Um dem Aspekt der Emissionsreduzierung klimasch�-digender Gase einen besonderen Wert zu geben, wirdim energetischen Pflichtenheft vorgeschrieben, in denplanungsbegleitenden Wirtschaftlichkeitsberechnungenauch einen monet�ren Ansatz f�r die Klimafolgenver-meidung vorzusehen. Derzeit sind hier 70,- S/tCO2 zuber�cksichtigen, womit einer Empfehlung des Umwelt-bundesamtes [24] gefolgt wird.Die k�nftigen Ziele der Bundesregierung im Bereichdes Energie sparenden Bauens finden sich in [23] undden Beschl�ssen der Bundesregierung zum Energiekon-zept, die im Eckpunktepapier „Der Weg zur Energie derZukunft – sicher, bezahlbar und umweltfreundlich“ [25]aufgef�hrt sind. Darin heißt es, dass der Geb�ude-bestand bis 2050 klimaneutral werden soll und dieneu zu errichtenden Geb�ude ab 2012 die Kriteriendes Niedrigstenergiestandards erf�llen sollen.Um die energetische Qualit�t der Bestandsgeb�ude zuverbessern, ist noch in der laufenden Legislaturperiodeein energetischer Sanierungsfahrplan zu entwickeln.Mit diesem Sanierungsfahrplan sind der W�rmebedarfder Geb�ude im Gesch�ftsbereich der Bundesregierungum 20 % bis 2020 und der Prim�renergiebedarf in derGrçßenordnung von 80 % bis 2050 zu senken. Dieseambitionierte Aufgabe wird mit einer deutlichen Erhç-hung der j�hrlichen Sanierungsrate verbunden sein. AufBasis der bereits vorliegenden Studien zu diesem Sa-nierungsfahrplan ist bereits jetzt davon auszugehen,dass die Sanierungsrate mindestens auf den in der k�rz-lich verabschiedeten EU-Energieeffizienzrichtlinie [26]

22 A 1 Nachhaltiges Bauen – Beitrag des Bauwesens zur Nachhaltigkeit

Tabelle 2. Auszug aus dem Erlass (B-12-8133.2/3) zurenergetischen Vorbildwirkung Bundesbau

Unterschreitung der EnEV-Anforderung(Bezug: EnEV 2009)

Jahres-Prim�renergiebedarf

–20 %(–30% bei Bezug von Fernw�rme)

(1) Der mittlere W�rmedurchgangskoeffizient [W/8 m2K] ist alsspezifischer Kennwert der gesamten w�rme�bertragendenUmfassungsfl�che des Geb�udes zu verstehen und ein Maßf�r deren energetische G�te. Er ist gem�ß EnEV 2009(Anlage 2, Nummer 2.3) anhand der vorgesehenenU-Werte der einzelnen Bauteile und deren Fl�che zuermitteln.

(2) Die Anforderung bezieht sich auf die Gesamtheit vonopaken und transparenten Bauteilen der w�rme�bertra-genden Umfassungsfl�che eines Geb�udes. Das Erreichendes vorgenannten Ziels f�r die gesamte Geb�udeh�lle istdurch eine kostenoptimale energetische Verbesserung dereinzelnen Bauteile der Geb�udeh�lle sicherzustellen. Dasheißt, dass eine gegebenenfalls unwirtschaftliche Ziel-erreichung bei einem Bauteil durch die wirtschaftlicheenergetische Verbesserung eines anderen Bauteils kom-pensiert werden soll.Der Bezugswert hinsichtlich der Unterschreitungsanforde-rung ist, in gleicher Weise wie unter (1) benannt, anhandder Hçchstwerte der W�rmedurchgangskoeffizienten ausder EnEV 2009 (Anlage 2, Tabelle 2) und den spezifischenBauteilfl�chen des realen Geb�udes zu ermitteln.

f�r Geb�ude der jeweiligen nationalen Zentralregierunggeforderten Wert von j�hrlich 3% steigen wird.F�r ihre neu zu errichtenden Geb�ude strebt die Bun-desregierung den Niedrigstenergiestandard an. DieserBeschluss gilt im Grundsatz bereits jetzt, jedoch istder benannte Standard erst noch zu definieren. Bei derDefinition werden mit Sicherheit auch die Erfahrungenaus einem aktuellen Pilotprojekt im Bundesbau einflie-ßen. In diesem Projekt wird in Berlin ein erstes klima-neutrales Geb�ude f�r Zwecke des Bundes errichtet.Hierbei wurde das Planungskonzept des „Netto-Null-energiehauses“ verfolgt, bei dem der Jahres-Energiebe-darf des Geb�udes durch den Jahres-Energieertrag ausder Nutzung erneuerbarer Energien am Geb�ude voll-st�ndig gedeckt wird.Es wird demnach eine ausgeglichene Jahresbilanz hin-sichtlich des Energieertrags und des Energiebedarfs an-gestrebt, nicht hingegen eine zu jedem Zeitpunkt aus-geglichene Bilanz.Das Geb�ude wird nach seiner Fertigstellung durch dasUmweltbundesamt genutzt werden. Der Projekttitelder Baumaßnahme „UBA 2019“ ber�cksichtigt abernicht nur den sp�teren Nutzer, sondern gibt auch einen

Hinweis auf die Ausgangsbasis bei der Projektplanung.Zeitgleich mit der Entscheidung f�r eine Neubaumaß-nahme im Jahr 2009 wurde auf europ�ischer Ebene�ber die nunmehr in Kraft getretene EU-Richtlinie�ber die Gesamtenergieeffizienz von Geb�uden(2010/31/EU) [27] diskutiert. Es war absehbar, dassmit dieser Richtlinie zuk�nftige Anforderungen anneu zu errichtende Geb�ude formuliert werden. DieAnforderungen an çffentliche Geb�ude, ab dem Jahr2019 den jeweiligen nationalen Niedrigstenergiestan-dard erf�llen zu m�ssen, wurden in das Projekt �ber-tragen und als wesentliche Planungsaufgabe definiert.In Ermangelung einer bestehenden nationalen Defini-tion dieses energetischen Standards wurde entschie-den, sowohl den nutzungsbedingten als auch den nut-zerbedingten Energiebedarf des Geb�udes bei der Bi-lanzierung zu ber�cksichtigen.Das strategische Herangehen zur Lçsung der Planungs-aufgabe ist wiederum davon gepr�gt, dass1. der Energiebedarf des Geb�udes zuerst durch bauli-

che Maßnahmen minimiert wird und dann2. der verbliebene Energiebedarf weitgehend durch die

Nutzung erneuerbarer Energien gedeckt wird.

Nachhaltigkeitsindikator Energie 23

Tabelle 3. Beispiele f�r Grenz- und Zielwerte des Elektroenergiebedarfes f�r Bundesbauten

B�rogeb�ude AnteilHauptnutzung

Zielwerte Grenzwerte

kWh/(m2a) kWh/(m2a)

NGF1) NGF1)

– Hauptnutzung: Einzel- und Gruppenb�ros (max. 6 Arbeitspl�tze)– „helle“ Arbeitspl�tze (hier: Fenster-/Bodenfl�chen-Verh�ltnis min. 30 %)– geringer Anteil ventilatorgest�tzte L�ftung

(hier: Besprechung und WC)– geringer Anteil K�hlung (hier: Besprechung und Serverraum)– geringer Anteil EDV-Großger�te (Serverraum)– normale Ger�teausstattung bzw. Betriebseinrichtungen– Cafeteria

ca. 33 % 15 27,5

ca. 50 % 20 37,5

– Hauptnutzung: Einzel- und Gruppenb�ros (max. 6 Arbeitspl�tze)– „helle“ Arbeitspl�tze (hier: Fenster-/Bodenfl�chen-Verh�ltnis min. 30 %)– hçherer Anteil ventilatorgest�tzte L�ftung

(hier: Besprechung, WC, K�che, Kantine)– geringer Anteil K�hlung (hier: Besprechung, Serverraum)– mittlerer Anteil EDV-Großger�te (Serverraum)– hçhere Ger�teausstattung bzw. Betriebseinrichtungen– K�che/Kantine

ca. 30 % 25 45

ca. 50 % 35 60

– Hauptnutzung: Einzel- und Gruppenb�ros (max. 6 Arbeitspl�tze)– „helle“ Arbeitspl�tze (hier: Fenster-/Bodenfl�chen-Verh�ltnis min. 30 %)– hçherer Anteil ventilatorgest�tzte L�ftung

(hier: Besprechung, WC, K�che, Kantine, B�ro)– hçherer Anteil K�hlung (hier: Besprechung, Serverraum, B�ro)– hoher Anteil EDV-Großger�te (Serverraum)– hçhere Ger�teausstattung bzw. Betriebseinrichtungen– K�che/Kantine

ca. 33 % 40 65

ca. 50 % 50 85

1) f�r Umrechnung auf BGF-Bezug: NGF/BGF = 0,87

Die energetische G�te der Geb�udeh�lle entspricht dereines Passivhauses. Die U-Werte der Bauteile sind wiefolgt:– Außenwand (vorgefertigte Holzelementtafeln mit

Zellulosed�mmung): 0,12 W/(m±K);– Dach (Flachdach mit Zellulosed�mmung):

0,06 W/(m±K);– Bodenplatte (Beton mit Schaumglas und PUR/PIR):

0,09 W/(m±K);– Fenster (3-fach Verglasung mit integriertem

Sonnenschutz): 0,71 W/(m±K).Das vorgesehene Energieversorgungskonzept des Ge-b�udes ist in Bild 9 dargestellt. Das Geb�ude selbst ver-f�gt lediglich �ber einen Anschluss an das Energienetzdes Stromversorgers. �ber diese Schnittstelle werden�bersch�ssige Energieertr�ge aus der PV-Anlage indas Netz eingespeist oder eine etwaige regenerativeUnterdeckung des Energiebedarfs ausgeglichen.Die Jahres-Energiebilanz des Geb�udes f�r den Bereich„Elektroenergie“ ist in Bild 10 gezeigt. Dem Bild ist

auch zu entnehmen, wie sich der Energiebedarf aufdie verschiedenen Bedarfstr�ger aufteilt. Das Bildmacht deutlich, dass in der Jahresbilanz auch die Ener-giebedarfe der nutzerbedingten Verbraucher, wie bei-spielsweise PC oder Teek�chen, ber�cksichtigt wurden.Den errechneten etwa 48 000 kWh Jahresbedarf anelektrischer Energie steht eine PV-Anlage mit etwa65 kWPeak installierter Leistung und einem erwarte-ten Jahresertrag von etwa 53 000 kWh gegen�ber. DieDifferenz zwischen dem errechneten Bedarf und demprognostizierten Ertrag ist der vollst�ndigen Ausnut-zung der bestehenden Dachfl�che f�r die Installationder PV-Anlage geschuldet. Hierdurch werden nunmehrformal sogar die Anforderungen an ein „Netto-Effi-zienzhaus Plus“ erf�llt, also ein �berschuss an Energieerzeugt.F�r das Geb�ude ist ein umfangreiches mehrj�hrigesMonitoring vorgesehen. Dies ber�hrt insbesondereenergetische Belange, aber auch Aspekte der Nachhal-tigkeit. Die Baumaßnahme wird 2013 fertiggestellt.

24 A 1 Nachhaltiges Bauen – Beitrag des Bauwesens zur Nachhaltigkeit

Bild 9. Energieversorgungskonzept„UBA 2019“; Umweltbundesamt inBerlin (WRG – W�rmer�ckgewinnung,PV – Photovoltaik); Grafik: Braun-Kerbl-Lçffler Architekten + Ingenieure;Christopher K�hn

Bild 10. Jahres-Elektroenergiebilanz „UBA 2019“; Umweltbundesamt in Berlin

6 Maßnahmen zur praktischenUmsetzung von BNB und LeitfadenNachhaltiges Bauen

6.1 Arbeit und Ausbildung desBNB-Nachhaltigkeitskoordinators

Parallel zur Einf�hrung des Bewertungssystems Nach-haltiges Bauen in den Bundesbau, wird nunmehr dieBundesbauverwaltung mit der Umsetzung der Nach-haltigkeitsanforderungen bei zivilen Neubauten desBundes konfrontiert. Es stellt sich dabei die Frage,ob die Anforderungen an eine Nachhaltigkeitskoor-dinierung im Sinne der Umsetzung des LeitfadensNachhaltiges Bauen grunds�tzlich als interne Eigen-leistung der Bauverwaltung oder als externe Dienst-leistung durch freiberuflich T�tige zu erfolgen hat.Neben den reinen Inhalten des Leitfadens und des Be-wertungssystems sowie den darauf aufbauenden Nach-weisen, ist der Bundesbau im Speziellen durch dieUmsetzungen der Richtlinien f�r die Durchf�hrungvon Bauaufgaben des Bundes gekennzeichnet. DieRBBau beschreibt dem Grunde nach den Projektablaufvon der Bedarfsermittlung bis hin zur Dokumentationdes errichteten Geb�udes und ist von allen Bundesbau-

verwaltungen verbindlich anzuwenden. Die logischeKonsequenz einer Nachhaltigkeitskoordinierung ist so-mit die Ber�cksichtigung der festgelegten Prozesse inder RBBau in Abstimmung mit den Anforderungenund Nachweisschritten des Leitfadens NachhaltigesBauen.Um diese Zusammenh�nge bestmçglich in Harmonie zubringen, wurde seit 2011 ein Curriculum zur Ausbil-dung von BNB-Nachhaltigkeitskoordinatoren ent-wickelt und ein Ausbildungsprozess in allen Bundes-bauverwaltungen ins Leben gerufen. Prim�r richtetsich die Ausbildung, die aus mehreren aufeinander auf-bauenden Lehrmodulen besteht, an die Projektleitun-gen, da diese s�mtliche Projektphasen direkt begleiten.Die Ausbildung besteht aus insgesamt vier Lehrmodu-len, einem Grundlagenmodul und drei Fachmodulen zurAnwendung des Bewertungssystems Nachhaltiges Bau-en, die an jeweils zwei Tagen unterrichtet werden. Daserlernte Wissen muss f�r ein erfolgreiches Bestehen derAusbildung �ber eine praktische Hausarbeit sowie einem�ndliche und schriftliche Pr�fung nachgewiesen wer-den. Bisher haben bereits �ber 140 Mitarbeiter der Bun-desbauverwaltungen die Ausbildung erfolgreich absol-viert und wenden das erlernte Wissen in verschiedens-ten Projekten des Bundes an.

Maßnahmen zur praktischen Umsetzung von BNB und Leitfaden Nachhaltiges Bauen 25

Bild 11. Konzept Nachhaltigkeitskoordination Bundesbau

Parallel zu den Ausbildungen im Bereich der Bundes-bauverwaltungen haben seit dem Jahr 2011 erste, imprivatrechtlichen Bereich agierende Ausbildungstr�gerwie z. B. die Architektenkammer Berlin, die Ingenieur-kammer Sachsen oder das Steinbeis Transfer Institut inDresden ein Ausbildungsangebot auf Basis des Bewer-tungssystems Nachhaltiges Bauen im Aufbau bzw. ak-tuell im Fortbildungsangebot, so dass Freiberuflernebenfalls der Zugang zum Bewertungssystem ermçg-licht wird.

6.2 Netzwerk Nachhaltiger Bundesbau

Neben der reinen Ausbildung steht f�r die Bundesbau-abteilungen auch die Vernetzung der aus den Nachhal-tigkeitskoordinierungen abgeleiteten Erkenntnisse imFokus. Mit dem „Netzwerk Nachhaltiger Bundesbau“als Submen� des Informationsportals NachhaltigesBauen des Bundesministeriums f�r Verkehr, Bau undStadtentwicklung wird derzeit eine interne Arbeitsplatt-form f�r die ausgebildeten Nachhaltigkeitskoordinato-ren aufgebaut. Ziel ist, zuk�nftig den hohen Informati-onstransfer zu laufenden Bundesbaumaßnahmen – wiez. B. Pilotprojekten im Niedrigstenergiehausstandardoder im Auslandsbau – bestmçglich verf�gbar zu ma-chen und inhaltliche Fragestellungen zur Umsetzungdes Bewertungssystems in der Praxis mit allen Bundes-bauabteilungen der Bundesl�nder �bergreifend dis-kutieren zu kçnnen.

6.3 Aktuelle Bauprojekte mit BNB-Relevanz

Um der Vorbildrolle des Bundes gerecht zu werden,muss neben der Erarbeitung der theoretischen Grund-lagen zur Nachhaltigkeit von Bauwerken sowie der da-mit einhergehenden Ausbildung von Nachhaltigkeits-koordinatoren die praktische Umsetzung der im Leitfa-den Nachhaltiges Bauen verbindlich definierten Anfor-derungen – Mindestniveau Silber im Neubau – ankonkreten Bauvorhaben vorangetrieben werden.

6.3.1 BNB-Projekte

Derzeit befinden sich folgende Verwaltungsgeb�ude inPlanung und Ausf�hrung:• Bundesministerium f�r Bildung und Forschung in

Berlin,• Ersatzneubau Umweltbundesamt „UBA 2019“ Ber-

lin,• Erweiterungsneubau und Bestandssanierung Um-

weltbundesamt Berlin,• Erweiterungsneubau UN-Campus in Bonn,• Erweiterungsneubau Bundesamt f�r Justiz Bonn,• Erweiterungsbau Umweltbundesamt in Dessau-

Roßlau,• Erweiterungsbau Bundesamt f�r Strahlenschutz in

Salzgitter und• Erweiterungsbau Bundesministerium f�r Arbeit und

Soziales in Berlin.

Dar�ber hinaus wird das Bewertungssystem Nachhalti-ges Bauen freiwillig bei Baumaßnahmen angewendet,f�r die die aktuelle Erlasslage des Bundesministeriumsf�r Verkehr, Bau und Stadtentwicklung bisher nochkeine Regelungen getroffen hat:• Neubau Vorstandsgeb�ude Deutsches Zentrum f�r

Luft- und Raumfahrt (Zuwendungsbaumaßnahme) inKçln,

• Ersatzneubau Umweltbundesamt Messstation„Schauinsland“,

• Neubau Umweltbundesamt Messstation „Zingst“und die

• Sanierung der Deutschen Botschaft in Washington.Es ist eine hohe Motivation erkennbar, nachhaltige Ge-b�ude zu errichten – so streben derzeit ca. die H�lfte deraktuellen Projekte das Ziel eines BNB-Erf�llungsgra-des �ber 80 % – Gold-Niveau – an.Das Vorbild des Bundes zeigt Wirkung. So bekommtder derzeit hinsichtlich Nachhaltigkeitsbewertungen beiden çffentlichen Bauverwaltungen Deutschlands quan-titativ noch f�hrende Bundesbau durch freiwillige Lan-desbaumaßnahmen seit 2012 erste Konkurrenz. Auchim Bereich der Bundesl�nder werden erste Aktivit�tenzur Umsetzung von Baumaßnahmen initiiert sowie dieFragen zur vereinheitlichten Regelfindung beim Aus-schuss Staatlicher Hochbau in eigens daf�r eingerichte-ten Projektgruppen diskutiert.

6.3.2 NachhaltigkeitskoordinierungUmweltbundesamt Berlin

Wie im Abschnitt 5 „Nachhaltigkeitsindikator Ener-gie“ erw�hnt, errichtet das Bundesamt f�r Bauwesenund Raumordnung f�r das Umweltbundesamt in Berlindas erste „Netto-Nullenergiehaus“ des Bundes. Parallelzu den beschriebenen energetischen Zielanforderungenwurden f�r das Geb�ude die freiwillige Anwendungdes Leitfadens Nachhaltiges Bauen sowie die Umset-zung des Bewertungssystems Nachhaltiges Bauen mitdem Nutzer vereinbart. Zielanforderung ist die maxi-male Umsetzung der Nachhaltigkeitskriterien imobersten Silberniveau und – wenn mçglich – die Er-reichung des Goldstandards nach BNB Version2009_4. Mit Beginn der Planungsphase erfolgt seitJanuar 2010 die Nachhaltigkeitskoordinierung durchinterne Mitarbeiter im Bundesamt f�r Bauwesen undRaumordnung.Aufgrund der sehr hohen energetischen Anforderungenan das Geb�ude einerseits und der besonderen Anfor-derungen an die Nutzungsqualit�ten andererseits, ergabdie Bestimmung des Gesamterf�llungsgrades des Ent-wurfes zum Zeitpunkt der ES-Bau – im Leitfaden Nach-haltiges Bauen auch mit „Pre-Check“ bezeichnet – einhohes Silberniveau. Die Detailbeurteilung ist dem Be-richt zur Bewertung der Nachhaltigkeit mit Stand ES-Bau, Anlage 8 des Leitfadens Nachhaltiges Bauen [1],zu entnehmen.Mit Vertiefung der Planungsdetails liegt der prognosti-zierte Gesamterf�llungsgrad des Geb�udes (dargestellt

26 A 1 Nachhaltiges Bauen – Beitrag des Bauwesens zur Nachhaltigkeit

im Bild 12) bei rund 78 % mit Option auf weitere 2 bismaximal 4 %.Die Bewertung der vierzig bauwerksrelevanten Nach-haltigkeitskriterien sowie der sechs Standortmerkmalewird mit fortschreitender Planung und Ausf�hrung suk-zessiv durch den Nachhaltigkeitskoordinator aktuali-siert.Das Beispiel einer çkobilanziellen Variantenunter-suchung am Bauteil des Flachdaches soll die nunmehrim Bundesbau Einzug haltende Betrachtungstiefe unddie daraus resultierenden Entscheidungsprozesse ver-deutlichen.

Randbedingungen an das FlachdachBedingt durch den Wunsch der Ausf�hrung eines Gr�n-daches in Kombination mit einer relativ fl�chenintensi-ven Photovoltaik-Anlage und den hohen energetischenAnforderungen bez�glich des U-Wertes des Bauteils,waren die konstruktiven Varianten Holzkonstruktionmit Aufd�mmung aus Hochleistungsd�mmstoffen (fa-vorisierter Planungsvorschlag) oder alternativ eineHolzkonstruktion mit Zwischend�mmung zu unter-suchen. Weitere Randbedingungen waren zudem dieSicherstellung der Entw�sserungsgef�lle aufgrund rela-tiv langer Entw�sserungswege, die aus dem Gef�lle re-

Maßnahmen zur praktischen Umsetzung von BNB und Leitfaden Nachhaltiges Bauen 27

Bild 12. Entwicklung des Gesamterf�llungsgrads Umweltbundesamt �ber die Planungs- und Ausf�hrungsphasen

Bild 13. Durchf�hrung einer çkobilanziellen Variantenuntersuchung am Bauteil Flachdach gerechnet mit der Software LEGEP

sultierende Bauteilhçhe sowie die Umsetzung der kons-truktiven Lçsung mit einer Holztragkonstruktion, da essich bei dem Geb�ude um ein Geb�ude mit Holztrag-werk handelt. Die Dimensionierung der Materialschich-ten wurde so gew�hlt, dass die Bauteilvarianten identi-sche U-Werte aufweisen. Somit ist die Vergleichbarkeitder funktionellen Einheit – ein m±-Flachdach – sicher-gestellt.Zur Vereinfachung wurden in die Bilanzierung nur dieBereiche aufgenommen, die nicht identisch in ihrerAusf�hrung waren, d. h., der Aufbau des Gr�ndachessowie die installierte Photovoltaikanlage sind in denberechneten Umweltwirkungen des Bildes 13 nicht ent-halten. Die çkobilanzielle Auswertung hat dabei erge-ben, dass der Einsatz einer Zellulosesch�ttung bei die-ser konkreten Baumaßnahme in Holzbauweise, in allenzu berechnenden Umweltwirkungen– dem Treibhauspotenzial,– dem Versauerungspotenzial,– dem �berd�ngungspotenzial,– dem Ozonschichtzerstçrungspotenzial sowie– dem Ozonbildungspotenzialgeringere Beitr�ge an Umweltlasten erzeugt. Das sehreindeutige Ergebnis ist dabei auf den Herstellungspro-zess der Zellulosesch�ttung als eigentliches Recycling-produkt zur�ckzuf�hren. In Kombination mit den zu-dem leicht geringeren Investitionskosten, fiel die Ent-scheidung f�r die Ausf�hrung der Variante „Zellulose“.

7 AusblickAus Sicht der Bundesregierung – besonders aus Sichtder f�r das Bauwesen zust�ndigen Ressorts – wurden inden vergangenen Jahren erste wesentliche Schritte f�rdie Umsetzung der vorgehend beschriebenen Nachhal-tigkeitsaspekte auf den Weg gebracht.Speziell der Hochbau hat mit den nun zur Verf�gungstehenden Rahmendokumenten und Nachweismetho-den einen „Werkzeugkasten“ zur Umsetzung der zu-k�nftigen Anforderungen zur Verf�gung. Die erarbei-teten Methoden wurden evaluiert und verfeinert, so dasseine �bertragung in andere Nutzungsvarianten imHochbau, aber auch weitere Bereiche des Bauwesens,wie z. B. den Tiefbau, den Wasserwegebau oder dieinfrastrukturellen Baumaßnahmen, ansteht.Wichtig bei den zuk�nftigen Entwicklungen ist das Zielvon vergleichbaren Inhalten und Begrifflichkeiten, da-mit eine hohe Transparenz und Verst�ndlichkeit ge-wahrt bleibt. Das Bundesministerium f�r Verkehr,Bau und Stadtentwicklung sowie die Deutsche Gesell-schaft f�r Nachhaltiges Bauen werben deshalb f�r einengemeinsamen methodischen Ansatz in Deutschland.Neben dem Hochbau ist es dar�ber hinaus von grçßterBedeutung, diesen Gedanken der ganzheitlichen Be-trachtung und Bewertung langfristig auf s�mtliche Bau-werke anwenden zu kçnnen, um die ruhenden Optimie-rungspotenziale der Bauwerke sinnvoll zu aktivieren.Dabei m�ssen Fragen zu notwendigen oder nicht not-

wendigen Abgrenzungen unterschiedlicher Systempro-file, wie z. B. Außenanlagen zu Geb�uden oder Liegen-schaften zu st�dtebaulichen Fragen, erçrtert und in Lç-sungsans�tze �berf�hrt werden.Bedingt durch den stetigen demografischen Wandel inDeutschland, die sich ver�ndernden klimabedingtenAnforderungen, neue Anforderungen an Bauprodukteoder aber zuk�nftige energetische Qualit�ten von Ge-b�uden, geregelt in EU-Verordnungen, muss das Bau-wesen in seinen Teilbereichen auf seine Anpassungs-f�higkeit hin neu durchdacht werden. Diesen zuk�nfti-gen Aufgaben f�r das Bauwesen stellt sich das BMVBSmit seiner Forschungsinitiative ZukunftBau, um durchgezielte Grundlagenforschung die wissenschaftlicheBasis f�r das n�chste Jahrzehnt der Entwicklungen zulegen.Dar�ber hinaus wurde die Evaluierung der bisherigeneingeleiteten Maßnahmen im Bereich Bundesbau f�rden Zeitraum von 2011 bis Ende 2014 im Maßnahmen-programm Nachhaltigkeit des Staatssekret�rsausschussf�r nachhaltige Entwicklung [23] verbindlich verankert.

8 Literatur[1] Bundesministerium f�r Verkehr, Bau und Stadtentwick-lung (BMVBS) (Hrsg.): Leitfaden Nachhaltiges Bauen, Ber-lin, 2011.

[2] Bundesministerium f�r Verkehr, Bau und Stadtentwick-lung (BMVBS): Erlass des BMVBS vom 3. M�rz 2011,Az. B13-8141.7/2, Richtlinien f�r die Durchf�hrung vonBauaufgaben des Bundes (RBBau) – Einf�hrung des Leitfa-dens Nachhaltiges Bauen (Not-Nr. 2010/554/D), Berlin,2011.

[3] Bundesministerium f�r Verkehr, Bau und Stadtentwick-lung (BMVBS): Erlass des BMVBS vom 14. Mai 2012,Az. B13-8141.7/2, Leitfaden Nachhaltiges Bauen – Umset-zung im Bundesbau, Berlin, 2012.

[4] Bundesministerium f�r Verkehr, Bau und Stadtentwick-lung (BMVBS) (Hrsg.): Richtlinien f�r die Durchf�hrungvon Bauaufgaben des Bundes (RBBau); 19. Austauschliefe-rung; Runderlass vom 09.03.2009.

[5] Brundtland-Report „Our Common Future“, United Nati-ons Organization (UNO), 1987.

[6] Bundesministerium f�r Verkehr, Bau- und Wohnungs-wesen (BMVBW) (Hrsg.): Leitfaden Nachhaltiges Bauen;Berlin, 2001.

[7] Bundesinstitut f�r Bau-, Stadt- und Raumforschung(BBSR) im Bundesamt f�r Bauwesen und Raumordnung(BBR) (Hrsg.): BBSR-Berichte KOMPAKT; NachhaltigesBauen – Strategien/Methodik/Praxis, Ausgabe 14/2010,Bonn, 2010.

[8] Bausteine f�r ein zuk�nftiges nachhaltiges Regierungs-programm 2008/2009.

[9] DIN EN 15643-2:2011-05 Nachhaltigkeit von Bauwer-ken – Bewertung der Nachhaltigkeit von Geb�uden – Teil 2:

28 A 1 Nachhaltiges Bauen – Beitrag des Bauwesens zur Nachhaltigkeit

Rahmenbedingungen f�r die Bewertung der umweltbezoge-nen Qualit�t.

[10] Nationale Nachhaltigkeitsstrategie (durch die Bundes-regierung verabschiedet am 17. April 2002), Internetwww.nationale-nachhaltigkeitsstrategie.de.

[11] DIN EN ISO 14040:2009-11 Umweltmanagement –�kobilanz – Grunds�tze und Rahmenbedingungen(ISO 14040:2006).

[12] Deutsche Anpassungsstrategie (DAS) (durch das Bun-deskabinett verabschiedet am 17. Dezember 2008), Internethttp://www.bmu.de/klimaschutz/downloads/doc/42783.php.

[13] Deutsches Ressourceneffizienzprogramm (ProgRess) (durch das Bundeskabinett verabschiedet am 29. Fe-bruar 2012), Internet http://www.bmu.de/wirtschaft-_und_umwelt/ressourceneffizienz/ressourceneffizienzpro-gramm/doc/47841.php.

[14] Verordnung (EU) Nr. 305/2011 des Europ�ischen Par-laments und des Rates vom 9. M�rz 2011 zur Festlegungharmonisierter Bedingungen f�r die Vermarktung von Bau-produkten und zur Aufhebung der Richtlinie 89/106/EWGdes Rates (Bauproduktenverordnung), Internet http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2011:088:0005:0043:DE:PDF (Stand 30.10.2012).

[15] DIN 276-1:2008-12 Kosten im Bauwesen – Teil 1:Hochbau.

[16] �KOBAU.DAT, Datenbank; Internet www.nachhalti-gesbauen.de.

[17] „Nutzungsdauern von Bauteilen zur Lebenszyklusana-lyse nach BNB“, Internet www.nachhaltigesbauen.de.

[18] DIN EN 15804:2012-04 Nachhaltigkeit von Bauwerken– Umweltproduktdeklarationen – Grundregeln f�r die Pro-duktkategorie Bauprodukte.

[19] Richtlinie 98/8/EG des Europ�ischen Parlaments unddes Rates vom 16. Februar 1998 �ber das Inverkehrbringenvon Biozid-Produkten (Biozid-Richtlinie), Internethttp://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/site/de/oj/1998/l_123/l_12319980424de00010063.pdf (Stand 30.10.2012).

[20] CLP/REACH (Classification, Labeling and Packagingof Substances and Mixture/Registration, Evaluation, Autho-risation of Chemicals), Internet http://www.reach-clp-help-desk.de/de/Startseite.html (Stand 30.10.2012).

[21] VDI 3807 Blatt 4:2008-08 Energie- und Wasserver-brauchskennwerte f�r Geb�ude – Teilkennwerte elektrischeEnergie.

[22] SIA 380/4:2006 Elektrische Energie im Hochbau.

[23] Staatssekret�rsausschuss f�r nachhaltige Entwicklung:„Nachhaltigkeit konkret im Verwaltungshandeln umsetzen –Maßnahmenprogramm Nachhaltigkeit“, 06.12.2010.

[24] Umweltbundesamt: „�konomische Bewertung vonUmweltsch�den – Methodenkonvention zur Sch�tzung exter-ner Umweltkosten“, 2007.

[25] BMWi/BMU: Eckpunktepapier „Der Weg zur Energieder Zukunft – sicher, bezahlbar und umweltfreundlich“,06.06.2011.

[26] EU-Kommission: Richtlinie 2012/27/EU des Europ�i-schen Parlaments und des Rates �ber Energieeffizienz vom25.10.2012, 2012.

[27] EU-Kommission: Richtlinie 2010/31/EU des Europ�i-schen Parlaments und des Rates vom 19.05.2010 �ber dieGesamtenergieeffizienz von Geb�uden, 2010.

Literatur 29