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A. Leibniz' Monadologie und die universielle Charakteristik

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EUROPA UND ÖSTERREICHDie Schwierigkeiten Leibnizens, das Projekt der scientia generalis mit einer semantisch und formal einheitlich geordneten universiellen Charakteristik zuende zu bringen, setzt sich fort in den Spannungen der Monadologie zwischen Physik, Biologie und Bewußtsein.Inhalt:1. Der immanente Widerspruch der Monade und dessen erste Auflösung2. Der Aufriß der Monadologiea) Das Reich der belebten und unbelebten Natur und das Reich der Gnadeb) Leibniz zwischen Popovic und Gottsched.3. Die Entwicklung der Sprachphilosophie und des logischen KalkülsIn den ersten beiden Kapiteln ist in einer puplizierbaren Version die Bezugnahme auf das vinculum substantiale zur Unterscheidung des psychistisch angelegten Ursprunges der Monade und den »wohlfundierten Phänomenen«, welche den mechanisch-physikalischen, den vitalistisch-biologischen, und den gesellschaftlich-staatwissenschaftlichen Interpretationen der Monade zugrunde liegen müsen, zu erwarten.

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Wolfgang Cernoch

GIBT ES EINE UNIVERSIELLE CHARAKTERISTIKVON PHYSIK, BIOLOGIE UND BEWUßTSEIN

IN DER MONADOLOGIE LEIBNIZENS?

1. Der immanente Widerspruch der Monadeund dessen erste Auflösung

Nachdem nach vielen Einzeluntersuchungen Leibniz von der Auffassungeines gewissermaßen molekularen Konnex zwischen Wort undGegenstandselement abrücken mußte, scheint in ihm der Entschluß gereiftzu sein, eine Metaphysik nicht von der Erkenntnismöglichkeit ausgehendzu entwerfen, sondern daß deren Substanzbegriff, vergleichbar mit demEnthaltensein aller möglicher Prädikate im Subjekt, alle vergangenen undzukünftigen wirklichen Handlungen gesetzmäßig enthalten soll. Dieserneue Ansatz scheint angesichts der Schwierigkeiten, die zur Überlegungder etwaigen Notwendigkeit unendliche Urteile für absolute Wahrheitenführten einerseits1 und der Schwierigkeit, das unendlicheKoizidenzproblem in seinen Überlegungen zur Mechanik gegenüber demunendlichen Koizidenzproblem im mathematischen Kontinuum zuvereinbaren andererseits für nicht unplausibel. Historisch läßt sichjedenfalls feststellen, daß er knapp vor der Abfassung des Majuskel-Kalküls im August 1690 im März deselben Jahres aus Venedig AntoineArnauld einen Abriss einer Metaphysik zuschickte, welche bereits dieGrundzüge seiner Monadenlehre samt deren Konsequenzen enthielt.

Leibniz verwendete als erster den Begriff »Monade« in reinmetaphysischer Bedeutung, der zuvor in seiner eher philosophisch-mathematischen Bedeutung als Monas bei Plato oder als Atom beiCusanus bzw. insbesondere bei Giorano Bruno als das Unteilbarebezeichnend gebraucht worden war. Bis zur Jahrhundertwendeverwendet Leibniz forma substantialis, force primitive, Entelechie odereinfach substantia; erst in der Theodizee gab er jener Einheit den NamenMonade als Verbindung der platonischen Monas und der platonischenIdee. Da Leibniz damit weder physikalische noch mathematische, sondern

1 Noch in der analytischen Urteilstheorie (1686) ist es Kennzeichen gegenüber den

absoluten Wahrheiten, daß nur die kontigenten Wahrheiten einer unendlichenAnalyse bedürfen.

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metaphysische Einheit meinte, kam er nie mit dem Problem der endlosenTeilbarkeit in Schwierigkeiten.2

Mit dieser Erklärung ist aber das Problem noch nicht wirklich aus derWelt geschafft, sondern verlangt nach einer Bestimmung, was denn unterdem Begriff eines metaphysischen Punktes alles zu verstehen sei. Damitsteht Leibniz nicht nur vor dem Problem, der negativen Erklärung dermathesis universalis einen positiven Entwurf der Metaphysikgegenüberzustellen, sondern auch daß jenes Geschehen, welches wir inden Erscheinungen wahrnehmen, sowohl eine Entsprechung im wahrhaftund eigentlichen Sein wie im endlichen Seienden besitzen soll.3

Vereinfacht dargestellt besteht das zentrale Problem nicht darin, dasObjekt der Erfahrung auf den realen Gegenstand zu bringen, sondern daßdas eigentliche, nicht selbst phänomenale Sein, ob nun als Monade oderals Reales bezeichnet, ein einfaches Wesen sein soll, welches selbst keineAkzidentien als Teile hat, welche bei gleichzeitiger Beharrlichkeit desWesenskernes veränderlich sein könnten. So wird also sowohl derEmpfang einer Wirkung wie auch eine Wirkung eines einfachen Wesensauf ein anderes verunmöglicht, zumindest wenn die Abgabe einerWirkung mit einer Veränderung deren Quelle gedacht wird, und nichteine fortlaufende Emanation eines sich selbst gleichbleibenden Wesensanzusetzen ist, was aber für solche einfachen Wesen, welche dieWirklichkeit selbst als Phänomen erscheinen lassen, nicht in Betrachtgezogen wird. Aber selbst gäbe es eine solche Wirkung, so könnte sie vonanderen einfachen Wesen nicht empfangen werden. Noch der junge Kant(Nova dilucidatio) und der späte Boskovic haben deshalb den göttlichenVerstand zur Verbindung zwischen den einzelnen einfachen Atomen undderen Veränderung vorausgesetzt.

Darin liegt nun besonders für Leibniz die Schwierigkeit, welcher trotzseiner uneinheitlichen Verwendung des Begriffes von der Monade undvon der Materie, die erstere bald als Einheit der Materie oder substantielleEinheit, dann als Einfachheit oder Form der Einheit überhaupt nennend,

2 Friedrich Kaulbach, Der philosophische Begriff der Bewegung, Köln, Graz 1965,3 Hier reicht die für die Transzendentalphilosophie bemerkenswerte Interpretation

vom Dasein als Sein und vom, dem Vorhandenem und Zuhandenemzugrundeliegenden Seienden bei Heidegger nicht aus.

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die zweite auch als Verhältnis einer herrschenden Substanz zu der von ihrbeherrschten Materie bezeichnend,4 doch darin übereinkommt, daß dieMonade eine fortlaufend spontane Tätigkeit nach einem in ihr alleinliegenden Veränderungsgesetz ganz ohne äußere Vorschreibung oderUrsache dieser Veränderung ausübt. Durch die Fensterlosigkeit derMonade ist dasjenige, was durch die stetige Tätigkeit verändert wird,nichts anderes als sie selbst. Daß nun dies nicht die oben verunmöglichteVeränderung des sich selbst gleichen Wesens aus äußeren Gründen ist,aber auch nicht die fortlaufende Emanation eines solchen, versteht sichvon selbst. Daß aber die Veränderung des sich selbst gleichen Wesens ausinneren Gründen nicht zu einem inneren Widerspruch führt, erklärt sichdaraus, daß Leibniz die Monade auch Entelechie genannt hat; es sich alsogar nicht um ein mit sich selbst gleiches Wesen im Sinne des zweitenTeiles der aristotelischen Definition handelt, welches der vom ontologisch-wissenschaftlichen Syllogismus vorausgesetzten Konstanz der Arten zuentsprechen hat, sondern der Wesensbegriff bei Leibniz mit der Differenzder reinen Idee des Wesens in seiner Vollkommenheit und der in derZeitlichkeit geschauten Idee im Eidos gemeinsam betrachtet wird; also dieZeitlichkeit nicht mehr in der Reihe der Erscheinungen abstraktiv zu einerEinheit zusammengefaßt wird, sondern die Überzeitlichkeit deseigentlichen Seins erst die zeitliche Auseinandergelegtheit der idealenIdee des Wesens vorstellig machen kann (das Ideal als Schema). Nur sokann die Monade in der kontingenten Zeit als einfach und ohne Teilebetrachtet werden. Eine phänomenale Wirkung von einer Monade aufeine andere bleibt so ausgeschlossen.

Diesem idealen Entwurf, welcher dem oben vorstellig gemachten MotivLeibnizens, eine Metaphysik auf Grund des Verdachts der unendlichenAnalysierbarkeit absoluter Wahrheit aufzustellen, entspricht, ist einrationaler Entwurf aus dem Koizidenzproblem in der Mechanikgegenüberzustellen. Darin wird jeder einfachen Substanz eine passive, wieauch aktive Fähigkeit unteilbar zugesprochen. Deren Passivität erklärtsich aus der Unvollkommenheit einer jeden einfachen (also auch jederzusammengesetzten) Substanz gegenüber dem Ganzen des Seins; deren 4 Hartenstein, De leibnitii materiae notione commentatio, 1846, bei Robert

Zimmermann, Leibnitz und Herbart. Eine Vergleichung ihrer Monadologien, Wien1849. S. 30

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Aktivität aus dem daraus resultierenden Streben nach Vollkommenheit.Das grundlegenden Neue daran besteht aber darin, daß Leibniz von derPotenz der Scholastiker, welches nichts als das potentielle Vermögen alsdie unmittelbare Bedingung der bevorstehende Möglichkeit des Wirkensist, welche noch einer äußeren Anregung bedarf, ein Mittleres zwischender Fähigkeit zu wirken und der Wirkung selbst, unterscheidet. Erbestimmt also die Kraft als wesentliche und aktuale Eigenschaft jederwirklichen Substanz, welche von der eigentlichen Wirkung nur durch einäußeres Hindernis getrennt ist.5

Die Explosivkaft einer allgemeinen (thomistischen) Substanzmetaphysikeiner Hierarchie des von der prima causae (göttlicher Beweger Aristoteles)absteigenden Reihe von Ursachen im Verhältnis zu einer Metaphysik desphysikalischen Substanzbegriffes versucht Leibniz dadurchauszugleichen, indem eben die innewohnende Strebung allein durch denGrad der Vollkommenheit gegenüber der Ganzheit des Seins überhauptweiter bestimmt wird, und so nicht aus dem endlichen Verhältniszwischen Monaden (z.B. physikalischen Substanzen, welche gar nichteinfach sein können) bestimmbar sein kann. Diese sollten sich dann alsEinheit und „Welt« allein aus Gründen einer prästabilierten Harmoniebestimmen lassen, die gewissermaßen die Verhältnisse zwischenElementen größerer und geringerer Unvollkommenheit für die endlicheZeitlichkeit (als Epoche) einmal festsetzt und damit auch die Tendenzender damit gegebenen Strebungen. So versucht Leibniz die 1714 zwei Jahrevor seinem Tod in der zunächst als Einführung und Ergänzung der 1710in Druck erschienenen Theodizee gedachten Monadologie die Bedeutungder idealen Strebung für die Perzeptionen der Monade zurückzunehmen,um den Inhalt derselben zur Geltung zu bringen (nach Physik, Biologieund Anthropologie unterscheidbar).

Auch liegt im Entwurf der prästabilierten Harmonie das Problemverborgen, daß der mundus idealis als Reich der prästabilierten Monaden(gegenüber dem mundus realis als kontingente und zeitliche Existenz

5 Über die Verbesserung der ersten Philosophie, in: Acta eruditorum, 1694, in: Diephilosoph. Schrift G.W. Leibniz, Hrsg.: C.I. Gerhardt, Bd. I-VII, Berlin 1875-90; I, 5, p. 468ff.. Damit unterscheidet sich Leibniz grundlegend in der Auffassung der Materie vonDescartes, der nur zwischen unausgedehnten und ausgedehnten Substanzen unterschied.

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derselben) mehr als die Entelechie einer Monade auszumachen hat,sondern bereits alle Enetelechien aller Monaden zur vollkommenenEinheit zu bringen hätte. Das kann aber nicht mit der Theorie dermöglichen Welten und der Auswahl Gottes, die beste aller möglichenWelten zu schaffen, in Übereinstimmung gebracht werden, da dann garkeine andere Welt als mundus realis  möglich wäre, soll diese auf einerprästabilierte Harmonie als Ausdruck der Vereinbarkeit aller Entelechienberuhen.6

Leibniz nimmt in seiner metaphysischen Spekulation der Monadologieden Ansatz aus der Metaphysik der Physik des Raumes zugunsten einerallgemeinen Metaphysik zurück, um derart die Einheit von Inhalt(Wissen) und Form (Kalkül) aus den ersten Entwürfen derscientia generalis  zumindest »philosophisch« in der Monadenlehre zuretten. Dabei läßt er Mechanik und Organismus unter der Einheit einerperzipierenden Monade konvergieren,7 welche als einzig Wirkliches imSinne von Real die Gestalt des besonderen Einzelnen annimmt, waskonsequenterweise jede Repräsentation in der Welt wie auch jedePräsentation der Welt in dieses Einzelne verlegt. Während dieUndeutlichkeit der Perzeptionen das Leidende, und so die passive Materieder Monade ausmachen, sodaß die Strebung nach der Vollkommenheit inder Monade nur jenes zu treffen vermag, welches an der Materie deutlichwird, also die Form derselben bereits die möglichen Perzeptionvorausbestimmt und anscheinend damit in dem Kreis der prästabiliertenHarmonie, und damit wiederum zurück in die Einheit der Monade führt,setzt anderseits Leibniz auch eine beseelte apperzipierende Monade an,welche sich von der vorhergehenden nur darin unterscheidet, auch eineVorstellung Gottes und der Perzeptionshandlungen zu besitzen.

6 Vgl. dazu auch die Erörterung der ersten vierzehn Sätze der 24 Sätze von Leibniz,

die zum Prinzip der Verwirklichung der größtmöglichen Mannigfaltigkeit allerMöglichkeiten in einer Welt gelangt. Gerhardt, Bd. VII, Kap. VIII, p. 289.

7 Vgl. die Einschätzung Leibnizens durch Zimmermann als gemäßigter Nominalist imSinne Abelards Konzeptualismus. Zimmermann, Robert: Studien und Kritiken zurPhilosophie und Aesthetik, Bd.1, Wien 1870

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2. Der Aufriß der Monadologie

Zweifellos läßt sich die Physik und die Raumerfassung von der Idealitätder Monade aus ebenso regieren wie sich die zeitgenössischenVorstellungen des Entwicklungsgedankens in Botanik und Zoologie inden Entwurf der Monadologie Leibnizens einfügen lassen. Allerdings sinddie verschiedenen Konzepte als regionalontologischeWissenschaftsgrundlegungen nicht überzeugend miteinander vereinbar.8

Das Gebiet des stärksten Zusammenhanges verschiedener Entwürfe istwohl die Erfindung der Infinitesimalrechnung mittels der Verbindung derphysikalischen Vorstellung der Bewegung und der Kraft im dynamischenMomentum (Descartes) mit dem geometrischen Momentum (Cusanus).Das herausfallende Materiale in der Fassung der Monade als dynamischenmetaphysischen Punkt ist als dessen Produkt der Kontinuation derStrebung mittels Repetation zu denken, die in der daraus resultierendenphänomenalen Kontinuation in der Perzeption der beseelten Monadevorgestellt wird.

Hingegen scheint die Fassung der Monade als freie Seele weder mit derMonade des metaphysischen Punktes noch mit den substantialen Formendes Lebensprinzipes in einem engen und notwendigen Zusammenhangzu stehen, wie die Naturromantik behauptet; weder die vitalistischeVorstellung der Entelechie noch ihr systematisches Gegenstück in derMechanik und deren Reich der Wahrscheinlichkeiten desZusammentreffens vermag der Monade als freie Seele gerecht zu werden.Jedoch besitzt die vitalistisch gefaßte Entelechie eine Gemeinsamkeit mitder beseelten Monade, die auch selbst Zwecke setzend ist: Nur das Reichdes Bewußtseinslebens in den menschlichen Tätigkeiten undWillensbildungen vermag selbst im Kleinen schöpferisch zu sein. Leibnizkann damit nur die Naturbeherrschung mittels der Mechanik meinen.

8 Vgl. die Ablehnung der Verbindung von Intentionalität (Suarez: Foramalobjekt) und

empirischer Gegenstandsbereich einer Wissenschaft bei Husserl durch Heidegger.In: Vortrag von Rainer Turnher (Innsbruck): Husserls »Ideen« und Heideggers »Seinund Zeit«, gehalten am 15. November 1990 in der ÖsterreichischenNationalbibliothek anläßlich des Husserl-Schütz-Symposium (Gelehrtenrepublik undLebenswelt) im Rahmen der Ausstellung: Edmund Husserl und die phänomenologischeBewegung.

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Aber über die Aufstufung der natürlichen Vergesellschaftung vonGeschlechtergemeinschaft, Generationsgemeinschaft und Sippe hinausscheint derart keine angemessene Gesetzmäßigkeit der Entwicklung derAufstufung zur allgemeinen felicitas mehr gefunden werden zu können.

Die Spannung zwischen der vitalistischen Monade der Perzeptionen(Leibseele) und der Monade der Apperzeption (Geistseele) bestimmt nichtnur den Entwurf der Monadologie als Naturphilosophie, sondern hatschon im Rahmen der Entwicklung der Sprachphilosophie und derlogischen Urteilstheorie seinen Ursprung. Zunächst zeigt sich das daran,daß Leibniz den Versuch unternommen hat, die Elemente der natürlichenSprache als Elemente eines mathematischen und logischen Kalküls derscientia generalis  zu behandeln, deren universielle Charakteristik sowohlformal wie semantisch geordnet ist. Das Scheitern dieses Versuches haterst in die Spekulation der Monade als die überzeitliche, also mithistorischer Dimension ausgestattete Ausdehnung des Seienden geführt,welche über das jeweils aktuelle Geschehen im Raum anhand vonStrebung, Entelechie und Antizipation hinausgreift.9 Die Einsicht in diefreie Seele, die aus dem Determinismus der prästabilierten Harmonie indie Freiheit gegenüber der Vorsehung Gottes getreten ist, verbietet, diePhilosophie als die mathematische und logische Reduktionsform dersprachlichen Verfaßtheit des Bewußtseins überhaupt anzusehen.

a) Das Reich der belebten und unbelebten Naturund das Reich der Gnade

Leibniz stellt auf mehrfache Weise die Biologie in Beziehung zurMonadologie. In der kleinen Schrift »Monadologie« stellt Leibniz seinen

9 Dazu R. HEINRICH 1985 über die Haltung Kants in dieser Frage (p. 46 f.): »Kantdenkt, wie schon erwähnt, daß man in der philosophischen Begriffszergliederung "aufunauflösliche Begriffe zu kommen" (Nat.Theol. A 75) hätte. Er gibt jedochunmißverständlich zu erkennen, daß er diese Begriffe keineswegs als die einfachenElemente (oder Zeichen) eines kombinatorischen Systems betrachtet wissen will.Heinrich ist in diesem Punkte nicht sehr klar, aber man muß betonen: Kant spricht vonunauflöslichen Begriffen nie als von Elementen eines dereinst möglichen synthetischenVorgehens. Wo er dieses ferne Ideal erwähnt, gebraucht er die Wendung: "deutlich undund ausführlich verstandene Begriffe". (Nat.Theol. A 87)

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Entwurf der Monadenwelt ab § 61 nicht mehr auf die Grundlage zwischenmetaphysischen Punkt und substantialer Form und deren Entwicklungzur dynamischen Ausdehnung durch Kontinuation und Repetation(perzepierende Monade) hier und zur teleologischen Zwecksetzung alsEinheitsgrund (apperzipierende Monade) da. Vielmehr versucht er mitder Unterscheidung zwischen belebter Natur und dem mit demBewußtsein von Gott begabten Menschen den Schwierigkeiten des imKern psychistischen Konzepts der Monade gerecht zu werden und gelangtdabei zum Entwurf eines doppelten Weltbegriffes in l'universe  undmonde .

Im letzten Drittel zieht er hiezu die Entdeckung der lebendigen Zelledurch den Mikroskopisten Leuwenhoek heran, um der »Maschinenwelt«des Descartes, die dieser als Idealwelt der Hypothesenbildung eingeführthat, eine »Organsimenwelt« gegenüberzustellen. Gemeinsam mit demletztens eingeführten »Reich der Gnade«, in dem Gott nicht mehr alsBaumeister, sondern als Vater und König der Universalmonarchie allerfreien Geister betrachtet wird, soll im Anschluß derVereinbarungsproblematik von Physik und Biologie auch das Problemzwischen l'universe  und monde  — eben daß der Mensch auch dem Reichder Natur angehört — einer Lösung zugeführt werden können. Hiebeigewinnt die substantiale Form bzw. die Entelechie überhaupt erst wiedervitalistische Züge, die sie in der Diskussion der Bewegungslehre mitDescartes, wo es zwischen lebendigen Kräften und toten Kräften um dieUnterscheidung der Kraftgröße und der Bewegungsgröße in derMechanik ging, auch nicht als lebendige Kraft besessen hat. In der Schrift»Betrachtungen über die Lebensprinzipien und über die plastischenNaturen« (1705) schreibt Leibniz zu Beginn:

» [...] Ich nehme in der Tat an, daß die Lebensprinzipien in der ganzenNatur verbreitet und daß sie unsterblich sind, da sie ja unteibareSubstanzen oder Einheiten sind, während die Körper Vielheiten sind, diedurch die Auflösung ihrer Teile dem Untergang unterworfen sind. DieseLebensprinzipien oder Seelen haben Vorstellungen und Streben [...] DieLebensprinzipien kommen nur den organischen Körpern zu. Allerdingsgibt es nach meinen System keinen Teil der Materie, in dem nicht eineunendliche Anzahl von organischen und beseelten Körpern - worunter ich

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nicht nur die Tiere und Pflanzen, sondern möglicherweise noch andere,uns gänzlich unbekannte Arte einbegreife - enthalten ist. Man darf jedochdarum nicht sagen, daß jeder Teil der Materie beseseelt ist, sowenig maneinen Teich voller Fische darum einen beseelten Körper nennt, weil jederFisch beseelt ist.«

In diesem Zusammenhang wird von Entelechie und Seele nur vitalistischgesprochen; die freie beseelte Monade besitzt einen freien Willen undvermag Gott zu erkennen, weshalb deren Entelechie auch von den eigenenZwecksetzungen der freien beseelten Monade bestimmt wird und eineranderen Gesetzmäßgkeit unterworfen wird. Trotz der Unterscheidung,daß nur organische Körper ein Lebensprinzip als Entelechie besitzen, aberdaß nicht jeder Teil der Materie beseelt ist, bleibt mit der zugleichaufgestellten Behauptung, daß in seinem System kein Teil der Materieohne unendliche Anzahl organischer und beseelter Körper möglich sei,das Gewicht des biologistisch-vitalistischen Erklärungsansatzes derMaterie bestehen. Der Versuch eines Ausgleiches zwischen Physik undBiologie wird parallel dazu in der Erklärung des Verhältnisses von»Maschinenwelt« und »Organismenwelt« deutlich: Entgegen der vonmenschlicher Kunstfertigkeit gebauten Maschinen bleiben die Maschinendes göttlichen Baumeisters auch bei noch so weit geführter Teilung immerMaschinen, was Leibniz zunächst als natürlichen Automat und alsKennzeichnen des Organischen überhaupt auffaßt. Damit nähert sichLeibniz wieder Descartes und seiner mechanischen Auffassung vomtierischen Leben an, was auch die vitalistisch interpretierte Entelechie andie den Dingen äußerlich bleibenden Wahrscheinlichkeit desZusammentreffens von Determinationen in der mechanischen Weltangleicht.

Mit der Behandlung der Frage nach dem Beginn und dem Ende desLebens wird dieser Gedanke aber noch weiter - und umgebildet:Eigentlich ist das Lebensprinzip wie die Monade (oder wie jede Monade)von außen unzerstörbar und kann so nur mit der Schöpfung selbstbeginnen und erst am Weltende zugrundegehen. So ist der Tod und dieZeugung nichts als die Umgestaltung ein und desselben Geschöpfes, dassich vermindert oder vermehrt. Hier liegt auch die Grundlage desEntschlussens Leibnizens gegen die Metempsychose zugunsten der

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Metamorphose. Die Körperwelt wird, so wie schon in Fragen der Physikvom metaphysischen Punkt als modale Bestimmung des mathematischenPunktes, auch von der Enetelechie als Lebensprinzip abgetrennt, denn dieKörper der Organismen im Raum gehorchen den Kausalgründen,während die Monaden in ihrer historischen Ausdehnung des Werdensund Vergehens vor oder nach der der bloßen Körperwelt nachFinalgründen handeln. Damit ist auch die Entsprechung zur obenfestgehaltene Unterscheidung erklärbar, daß nicht jeder Teil der Materiebeseelt sei, und beleuchtet nochmals den vitalistischen Charakter derEntelechie im Moment des Zusammenspiels von Monadenwelt undKörperwelt. Die Idee der prästabilierten Harmonie setzt in diesemRahmen zur Erklärung des Verhältnisses der Seelenmonaden und derenFinalgründe der Verknüpfung ihrer Perzeptionen einerseits und derKörperwelt und deren Verknüpfung nach Kausalgründen in derMechanik andererseits ein: Nach Gesetz der letzteren bewegen sich dieHüllen der Monaden, wenn sich das Lebensprinzip auf die nächstkleineren Welt des Lebendigen zurückgezogen hat.

Es zeigt sich also ein noch nicht geleisteter Übergang von erstens derMonade als Interpretation des mathematischen Punktes zummetaphysischen Punkt zu zweitens dem im Rahmen der Physikangezogenen Vorschlag, die materiellen Phänomene im Raum durchKontinuation der Strebung, Repetation als in sich geschlossener Kreis vonUrsache und Wirkung und daraus resultierender abermaligerKontinuation zum materiellen Phänomen und damit anhand der Formund Regel der Perzeptionen zum Substrat des Erfahrungsbegriffes zuerklären. Drittens bleibt die Monade als auch vitalistisch interpretierbareEntelechie in einem ausgezeichneten Verhältnis zum psychistischenModell der Monade: Das Lebensprinzip der biologistisch gefaßtenMonade wird schließlich als Prinzip einer jeden sich die Welt aneignetenInbesitznahme aufgefaßt und sprengt damit die Fensterlosigkeit derMonade.

Damit ist aber der Übergang von l'universe  und monde  eben noch nichtgeleistet, wie die Diskussion Leibnizens anhand des Unterschiedes derTier- und Menschenseelen deutlich zeigt. Denn in der Schrift über dieMonadologie unterscheidet er die gewöhnlichen Seelen und die freien

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Seelen oder Geister nicht allein dadurch, daß die letzteren gegenüber denersteren nicht nur ein Abbild der kreatürlichen Welt, sondern vor allemein Abbild Gottes sind (und begründet damit ihr Verhältnis zu Gott alsUniversalmonarch). Vielmehr folgert er daraus weiters auch diebesondere Eigenschaft dieser Geister, selbst im Kleinen schöpferisch seinzu können. Die damit notwendig gewordene Idee des place d‘autruy  gehtüber die Entdeckung der Spontaneität der vitalistisch gefaßten Monadehinaus und entdeckt den Geist-Monaden ihren individuellen Ausdrucknicht mehr in der Beweglichkeit in der abstrakten Stellenordnung desRaumes, oder in der Aneignungsfähigkeit nach vitalen Interessen (beidesist unter dem point de vue  zu bringen), sondern in der Selbstbegegnungmit dem anderen, der selbst schöpferisch sein kann. Die Trilateralität vonPhysik, Biologie (als Leibseele) und Bewußtsein (als Geistseele) bleibt trotzder Analogien zwischen Physik und Bewußtsein (Strebung) einerseits undBiologie und Bewußtsein (Entelechie) andererseits ontologisch allerdingsungelöst.

b) Leibniz zwischen Popovic und Gottsched.Die Entwicklung der Sprachphilosophie und des logischen Kalküls

Leibniz hat von Anfang an bis hin zur Entwicklung des logischen Kalkülsin der analytischen Urteilslehre ein semantisches und nicht rein formalesElement im Auge gehabt. Es ist die Frage, ob für ihn die Substantiata derreinen Form des Gedankens sich mit einer allgemeinstenBedeutungsebene der Semantik oder mit logischen Prinzipien treffen.Leibniz experimentierte in verschiedenen Ansätzen zum logischen Kalkülauch mit einem semantisch definierten Zeichen der Prädikation einesselbst nicht notwendigerweise syllogistisch definierbaren Begriffes, dessenlogisches Verhältnis zwischen spezifischer Differenz von Gattung und Arteinerseits und von Species und Akzidenz nach wie vor eine Streitfragedarstellt. Dieses semantische Zeichen eliminiert er aber schließlich alsnicht konstituierend für ein rein logisches Kalkül zugunsten einermodalen Interpretation des Satzes vom zureichenden Grundes. Leibnizbegann demnach in der analytischen Urteilstheorie von 1684 mit einerbloßen Analyse der bestehenden Sprache, und zwar einerseits um aus ihr

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die Elemente einer Wissenschaftssprache zu gewinnen, und andererseitsdie Regeln eines Kalküls zu finden, mit denen sich mit Begriffen rechnenläßt. Jedoch sah er die Unmöglichkeit des Vorhabens, beides im Rahmeneines einzigen systematischen Ansatzes ein und konstruierte für seinKalkül eine völlig neue Kunstsprache, die sich aber vom Projekt eineruniversalen Charakteristik durch die formale Inhaltslosigkeit deslogischen Kalküls unterschied. Der logische Kalkül muß erst für Begriffeoder für Aussagen interpretiert werden, um Wahrheitswerte zu ergeben.

Leibniz Untersuchungen über die Logik und die Sprache stehen alsoimmer schon in der Spannung, die schon seine frühe Beschäftigung mitLullus und Hobbes ausgezeichnet haben. Aus den verstreutenÄußerungen Leibnizens zu den scholastischen Nominalisten,Konzeptualisten und Realisten ließe sich seine Stellung in der Frage nachdemVerhältnis von Sprache, Logik und Ontologie in der Wahrheitsfragepräzisieren. Zimmermann stellt Leibniz hier in die Nähe von Abelard,einem gemäßigten Vertreter des Konzeptualismus.

Ist nun das Reale unserer Perspektive in der unmittelbarenSelbstgewißheit der belebten und beseelten Monade ohne der Vermittlungder verschiedenen Willen in einer Sache als äußeres Drittes auch schonjenseits einer „intermonadologischen“ Sprachkompetenz, so wird die fürdie wiederherzustellende Verbindlichkeit gesuchte Ursprache mit derErsetzung der Sprache der Offenbarung durch eine bloße formale Theoriealler Sprachen aber auch in den Entwürfen einer künstlichen Idealsprachenach dem Modell der Sprache der Benennung der Naturdinge durchAdam ihre nur vermeintlich umfassende Selbstgewissheit desSelbstverständnisses verlieren. Das bedeutet eben nicht, daß Leibniz seinInteresse an der empirischen Mannigfaltigkeit von Sprachformenaufgegeben haben wird; noch dazu, wenn man annimmt, daß er dasScheitern einer scientia generalis, die auch mit Begriffen rechnen könnensollte, angemessen zu beurteilen in der Lage war.

So ist aus der Bestärkung Popovic10 durch ein Schreiben Leibnizens nichtein Hinweis auf gleiche methodische Ansichten zu schließen; vielmehr ist 10 Roswitha Kornhofer, Popowitsch. Ein Leben zwischen Sprachwissenschaft undNaturwissenschaft, in:Verdrängter Humanismus-Verzögerte Aufklärung. ÖsterreichischePhilosophie zur Zeit der Revolution und Restauration (1750-1820), Wien 1992, p. 503 ff.

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anzunehmen, daß Popovic auch in der sonstigen Tradition von Urspracheeingebettet ist, aus der Leibniz anfangs nur ein, wenn auch prominenterVertreter unter andern ist. Der Gegner Popovic in Wien war derabwesende Gottsched, der sich von Popovic in seiner konstruktivistischenAuffassung in der Frage der Sprachreform und in den Zielsetzungen desParadigmas, in welchen die Sprache gebraucht werden kann (vgl.Gottscheds Auseinandersetzung mit Klopstock) deutlich unterscheidet.Gerade der Utilitarismus in Gottscheds Sprachnormen, die er auch auf dieSprachkunst ausgedehnt haben wollte, kam der Bildungspolitik am Hof inWien aber letztlich sehr entgegen, auch wenn Popovic gegen Gottschedvon Maria Theresia ins Rennen geschickt worden ist. DieserKonstruktivismus bezog sich analytisch entgegen den theoretischenAussagen der rationalistischen Sprachauffassung der Aufklärer dennochauf einen deutschen Dialekt, und daraus nur auf eine standesspezifischeAusprägung: Gottscheds Sprachlehre beruht auf der historischen Normder Gelehrtensprache des Obersächsisch-Meißnischen.

So ist Gottsched zu Leibniz zweimal ins Verhältnis zu bringen: In derpraktischen Sprachlehre verfährt auch Gottsched zunächst noch vor demselben Hintergrund wie der frühe Leibniz nach seiner Lektüre von Lullusund Hobbes; d.h. nach der Konsequenz der Physei-Auffassung, die derfrühere Leibniz in Variation neben dem ontologischen Wahrheitsbezugunterhalten hat. Hingegen vertritt Gottsched theoretisch eine Erweiterungdes Anspruches der apophantischen Logik (Aussagen über etwas als) aufdie ganze Sprachphilosophie, wobei er den zureichenden GrundLeibnizens — anders als dieser in der analytischen Urteilstheorie, wo erden zureichenden Grund als außerhalb den Gründen des Kalküls liegendletztlich der Kontingenz zuordnet — sprachimmanent verwendet. Geradedort, wo Leibniz Sprache und logisches Kalkül letztenendes auseinanderfallen läßt, nämlich in der analytischen Urteilstheorie, findet Gottsched fürseine Absichten den zureichenden Grund. In der Urteilstheorie erkenntLeibniz hingegen zum ersten Mal, daß er nicht eine ganzeWissenschaftssprache künstlich konstruieren kann, aber auch, daß dieBedingungen eines Kalküls nur auf sich selbst bezogen bleiben muß unddessen Nützlichkeit nicht technisch-praktisch ausgewertet werden kann,ohne zuvor zu entdecken und zu erfinden, was schon vor der Anwendungdes Kalküls klassifikatorisch behandelt werden kann.

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Stimmt man der Überlegung zu, daß Leibniz aus den Scheitern desProjektes einer scientia generalis als einheitliches System eineruniversiellen Charakteristik, die wie Aussagenlogik und Prädikatenlogikein gemeinsames interpretierbares logisches Kalkül erfüllt, die geordneteMannigfaltigkeit des Seienden und die logisch-mathematische Formalitätderen Beschreibbarkeit in einem Doppelsystem zu umfassen hätte, seineLehren gezogen hat, kann auch historisch mit einiger Plausibeilitätangenommen werden, daß die nach dem Zusammenbruch übrigbleibende Vorstellung von der Übersprachlichkeit des cusanischenSeelenfünkleins Leibniz wieder zur Bewußtseinsphilosophiezurückgeführt hat. Das Doppelsystem von der Mannigfaltigkeit desSeienden und der logisch-mathematischen Formalität, das sich nunmehrnicht in eine scientia generalis mit semantisch geordneter universiellerCharakteristik erfüllen kann, hat nun zur Folge, daß die Einheit desBewußtseins von etwas nicht allein den zureichenden Grund der Geltungausmacht, sondern auch die Behandlung des phänomenologischenBestands benötigt, der selbst verschiedene Naturen umfassen kann.

So steht man vor der paradoxen Situation, die pragmatische wiemetaphysisch-rationalistische Seite Leibnizens in der Sprachphilosophiegegen die Stoßrichtung der Gottschedschen Sprachreform halten zukönnen, während seine späteren theoretischen Überlegungen ebenso fürdie Thesei-Auffassung der rationalistischen Sprachaufklärer wieGottsched wie gegen die Physei-Auffassung der Gegenreformation, derauch Popovic angehört, sprechen. Popovic teilt wiederum mit dem frühenLeibniz die adamitische Ursprachentheorie, die als Vorläuferin derSemantik anzusehen ist. Es ist also zwar möglich, Popovic und Gottschedvor dem Hintergrund Leibniz zu unterscheiden, aber es ist nicht möglich,eine Tradition von Leibniz zu Gottsched oder zu Popovic eindeutig undwiderspruchsfrei zu konstruieren.

Hingegen ergibt die Beleuchtung dieser Verhältnissse von Herder ausgenau den Verlust, der hier anhand der von Leibniz demonstriertenDifferenz zwischen den Realen der Apperzeption und der sprachlichenExplorationsfähigkeit vorgestellt wird, sodaß die Frage zu stellen ist, obHerders Überlegungen, die insgesamt mehr der antiken Literaturverpflichtet sind, als ein Indiz für die Möglichkeit einer Einsicht

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Leibnizens in die nicht-sprachlichen Verfaßtheit der Seeleneinheitverstanden werden könnten. Gerade der monadologische Entwurf nachdem Zuendekommen seines logisch-mathematischen Projekts sprichtabermals für die Möglichkeit einer Einsicht Leibnizens in dieBeschränktheit der Sprachverfaßtheit der Seelen- und Bewußtseinseinheit.Um so wichtiger mußte dann die Infinitesimalrechnung für diephilosophischen Absichten Leibnizens gewesen sein, deren qualitativeInterpretation in den Übergängen von einer Art zur anderen auchverhindert haben wird, daß die unendliche Analyse zum Nachweisnotwendiger Wahrheiten jeder Art (Begriffe und Aussagen) — wie Leibnizin seinen Entwürfen zum Kalkül schon versucht, aber wiederausgeschlossen hat — auch noch zu einer unendlichen semantischenAnalyse wird.

Leibniz bewegt sich also zwischen der thesei-Auffassung und der physei-Auffassung, wobei zwischen einer vergleichsweisen naiven Auffassungunter dem Eindruck Lullus und der späten Auffassung unter demEindruckes des Scheiterns des Projektes einer scienta generalis zuunterscheiden ist. Nun ist Popovic (wie auch Hamann) einerseits eher dernaiven physei-Auffassung einer ungebrochenen Tradition derUrsprachentheorie zuzurechnen, andererseits erlaubt die Tatsache, daßPopovic am Grazer Jesuitenkollegium Theologie und Philosophie studierthat, unter Beanspruchung der These, Leibnizens pragmatische Übergängevon der Monadologie zum Reich der Einzelwissenschaften entsprechedem mittelalterlichen Übergang von Neuplatonismus zu einer Form desin der christlichen Philosophie aufgefangenen Aristotelismus, dieSpekulation, daß Popovic trotz seiner vergleichsweise naiven Auffassungvon einer biblischen Ursprache einiges von der späten WendungLeibnizens von anderer Seite vorbereitet mitdenken hat können (vgl. denBriefwechsel Leibnizens mit dem Jesuiten Des Bosses).