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„Antimuslimischer Rassismus als Bestandteil extrem rechter Ideologie“ Dokumentation des BNW-Fachtags 2016 im Kollegiensaal des Rathauses Altona Dokumentation Fachtag 1.11.2016

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„Antimuslimischer Rassismus als Bestandteil extrem rechter Ideologie“

Dokumentation des BNW-Fachtags 2016 im Kollegiensaal des Rathauses Altona

Dokumentation Fachtag 1.11.2016

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Landeskoordinierungsstelle des Beratungsnetzwerk gegen Rechtsextremismus Hamburg

Angri� e auf Demokratie und Rechts-staatlichkeit sowie Erscheinungsformen Gruppenbezogener Menschenfeindlich-keit sind eine dauerhafte Herausforder-ung für die gesamte Gesellschaft. Wollen wir diesen Phänomenen wir-kungsvoll etwas entgegensetzen, bedarf es zielgerichteter Strategien, die sich an den konkreten Problemen und Bedürf-nissen vor Ort orientieren. Hamburgs Engagement gegen Rechtsextremismus und religiös begründeten Extremismus wird sowohl durch die Beteiligung am Bundesprogramm „Demokratie leben!“, durch das Beratungsnetzwerk gegen Rechtsex tremismus als auch durch das Beratungsnetzwerk Prävention und Dera-dikalisierung deutlich.

Die Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI) ist federführend für Präventions- und Interventionspro-jekte im Bereich Rechtsextremismus-bekämpfung und religiös begründeten Extremismus zuständig. Hierfür fördert sie im Rahmen von Landes- und Bundes-programmen zahlreiche Beratungsange-bote und diverse Projekte in der Stadt.

Die teilnehmenden Projekte haben alle einen sehr anspruchsvollen Arbeitsalltag und eine fundamental wichtige Aufgabe für unsere demokratische Gesellschaft. Das Verhindern von Radikalisierung und die positive Ausgestaltung der Demokra-tie stellen eine komplexe Anforderung an die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Projekte.

Auch in Hamburg haben ablehnende Einstellungen und Übergri� e gegenüber (tatsächlichen oder vermeintlichen) mus-limischen Menschen zugenommen.

Rassismus beschränkt sich dabei nicht auf die rechte Szene, sondern die Gefahr der Abwertung von Menschen, die als „Andere“, „Fremde“ wahrgenommen werden, geht bis weit in die Mitte der Gesellschaft.

Eine Bevölkerungsgruppe, die die Vor-urteile und Ausgrenzungen besonders deutlich zu spüren bekommt, sind Musli-mas und Muslime.

Mit dieser Fachtagung möchte das Be-ratungsnetzwerk gegen Rechtsextremis-mus Impulse geben und ein deutliches Zeichen gegen antimuslimischen Rassis-mus, Ressentiments und rechtes Ge-dankengut setzen, Positionen dagegen stärken und damit eine demokratische und solidarische Gesellschaft fördern.

Hintergrund und Ziel der Fachtagung

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Programm der Veranstaltung

14:00 Uhr Erö� nung und Begrüßung

Petra Lotzkat, Leiterin des Amtes für Arbeit und Integration, ESF Ver- waltungsbehörde in der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration Dr. Liane Melzer, Bezirksamtsleitung Altona

14:20 Uhr Vorträge mit anschließender Diskussion

„Antimuslimischer Rassismus und Islamfeindlichkeit“ Kübra Gümüşay, Journalistin und Bloggerin aus Hamburg

„Das Geschäft mit der Angst - Muslimfeindlichkeit und die extreme Rechte“ Alexander Häusler, Sozialwissenschaftler, Forschungsschwerpunkt Rechtsextremismus/Neonazismus der Fachhochschule Düsseldorf

16:00 Uhr Pause mit Bu� et

16:30 Uhr Thementische

An den Thementischen sollen verschiedene Aspekte des Themas und Erfahrungen im Alltag/Arbeitsalltag refl ektiert werden.

1. „Islamfeindlichkeit in Institutionen - am Beispiel von Jugendarbeit, Schule oder Unterkünften für gefl üchtete Menschen“

2. „Empowerment – Strategien und Handlungsmöglichkeiten von Be tro� enen“

3. „Stärkung der Zivilcourage als Strategie“

4. „Im Kleinen anfangen - für Verständigung im Stadtteil“

5. „social media - mit Hashtag # gegen Alltagsrassismus“

6. „Die Abwertung der Anderen - wem nützt diese Strategie?“

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Programm der Veranstaltung

Moderation der Thementische

• Nissar Gardi und Sarah Sott, empower - Beratung für Betro� ene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt

• Birte Weiß und Christina Lede Abal, amira – Beratung bei Diskriminierung wegen (zugeschriebener) Herkunft und Religion

• Katharina Höfel, Müge Zünbül und Kay Seligmann, Mobiles Beratungsteam gegen Rechtsextremismus Hamburg

• Sally Riedel, Junge Islam Konferenz Hamburg

• Dr. Irmgard Schrand, Landeskriminalamt, Prävention gewaltzentrierte Ideologien

• Katty Nöllenburg und Dieter Lünse, Institut für konstruktive Konfl iktaustragung und Mediation e.V.

• Kübra Gümüşay, Journalistin und Bloggerin aus Hamburg

• Alexander Häusler, Sozialwissenschaftler der FH Düsseldorf

17:30 Uhr Präsentation der Diskussion und Zusammenfassung des Tages

18:15 Uhr Imbiss und kultureller Ausklang der Veranstaltung mit „Poetisch-Politisch“- Poetry Slam der Jungen Islam Konferenz Hamburg

19:00 Uhr Ende der Veranstaltung

Durch die Veranstaltung führt Sie Özlem Nas, Bildungsreferentin im SCHURA-Rat der islami-schen Gemeinschaften Hamburg.

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Vortrag

„Antimuslimischer Rassismus und Islamfeindlichkeit“Kübra Gümüşay, Journalistin und Bloggerin aus Hamburg

Den Auftakt des Fachtages bildet der Impulsvortrag der Bloggerin Kübra Gümüşay. Sie thematisiert den einseitigen Blick auf eine Person oder eine Bevölkerungsgruppe als „singuläre Geschichte.“

Gümüşay nimmt Bezug auf die feministische nigerianische Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie, die wiederum die Entstehung von Vorurteilen in ihrem Vortrag „The danger of a single story“ mit Beispielen von einseitigen Geschichten und Darstellungsweisen exemplarisch aufzeigt.

Die zentrale These ist, dass durch die Beschränkung auf nur eine von vielen Geschichten, die Bildung von Klischees und Stereotype befördert werden und dies wiederum den Nährboden für Alltagsrassismus bildet.

Beispielhaft beschreibt Gümüşay das Gefühl von Menschen, die mit Alltagsrassismus konfrontiert sind und sich nicht als gleichwertig behandelt fühlen: „Frauen, die ein Kopftuch tragen, erleben immer wieder, dass sie vom Gesprächspartner einfach nicht wahrgenommen werden. Diese „Unsichtbarkeit“ belastet zutiefst und verlangt von den Frauen eine hohe Anstrengung, sich aus dieser Situation zu befreien.“

Alltagsrassismus ist längst zu einer sich wiederholenden Wirklichkeit geworden und der Hass im Netz ist der Vorbote für den Hass o� ine, stellt die Bloggerin fest und zeigt exemplarisch die Diskussion, die auf der Social Media-Plattform Twitter unter dem Hashtag (#) „SchauHin: Kampf dem Alltagsrassismus (https://twitter.com/schauhin)“ geführt wurde. Beiträge (Tweets) über rassistische Vorfälle auf der Straße, beim Einkaufen, an der Universität, in der Schule und bei der Arbeit häufen sich unter #SchauHin.

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D A N G E R O F T H E

S I N G L E

S T O R Y - C H I M A M A N D A

N G O Z I A D I C H I E

Das Hashtag erfüllt die Funktion eines Forums für all diejenigen, die betro� en sind und sich über ihre Erfahrungen austauschen wollen. #Schauhin zeigt Missstände auf und erzählt die „andere Geschichte“, die sonst nie erzählt worden wäre.

Zusammenfassend macht Gümüşay folgende Strategien aus, die unerlässlich sind, um sich gegen die spürbar zunehmende Muslimfeindlichkeit zu stellen:

• Vielfältige Geschichten erzählen• Missstände benennen• Vorfälle ernst nehmen• Missstände gemeinsam anpacken

http://ein-fremdwoerterbuch.com/

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Vortrag

„Das Geschäft mit der Angst - Muslimfeindlichkeit und die extreme Rechte“

Alexander Häusler, Sozialwissenschaftler, ForschungsschwerpunktRechtsextremismus/Neonazismus der Fachhochschule Düsseldorf

politische-bildung-brandenburg.de

Das Thema Zuwanderung ist mit viel Zustimmung, aber auchÄngsten verbunden, die vor allem muslimische Zuwanderer betrifft.Die rechte Szene versucht, über die Furcht vor dem Islam anEinfluss zu gewinnen. Welche Rolle die AfD dabei spielt, erklärtAlexander Häusler.

InSachsen ist der Anteil der Bevölkerung, der den Islam bedrohlichfindet, mit 78 Prozent deutschlandweit am höchsten.Rechtspopulistische Initiativen knüpfen daran an und versuchen,ihren Einfluss in der Gesellschaft auszuweiten mit Losungen wieder auf dem Foto. Foto: Jasper Goslicki / Wikimedia Commons /CC BY-SA 3.0

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Aus rechtlichen Gründen konnte Herr Häusler dem Beratungsnetzwerk den original Beitrag nicht zur Dokumentation zur Verfügung stellen. Deshalb hat Herr Häusler dem Beratungsnetzwerk eine alternative Version seines Vortrags bereitgestellt, den er im März 2015 gehalten hat. Dieser behandelt inhaltlich die gleiche Fragestellung, wie der Beitrag auf dem Fachtags in Hamburg. Quelle: http://www.politische-bildung-brandenburg.de/node/11271

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Herr Häusler, was verstehen Sie unter Islamfeindlichkeit?

Islamfeindlichkeit im engeren Sinn meint die Ablehnung einerbestimmten Religion, des Islam. Der Begriff wird aber auch häufigauf abwertende Haltungen und Äußerungen gegenüber Muslimenbezogen. Ich würde dafür allerdings den Begriff derMuslimfeindlichkeit verwenden. Denn dadurch wird deutlich, dasses sich hierbei um die Ablehnung und Diskriminierung einer Gruppevon Menschen handelt, die als Muslime markiert und der pauschalnegative Eigenschaften zugeschrieben werden.

Was macht rechte Islamfeindlichkeit aus?

Im politischen Rechtsaußenspektrum verdichten sichmuslimfeindliche Zuschreibungen zu einem antimuslimischenRassismus. Dabei werden typisch rassistische Stereotypen aufkulturelle und religiöse Ebenen übertragen und den Muslimenzugeschrieben. Ein solcher antimuslimischer Rassismus weistfolgende Merkmale auf:

Die Gleichsetzung von ethnischer Herkunft und Glauben sowievon Ethnie und Kultur

Die Behauptung ethno-kultureller Unvereinbarkeit („Abendlandstatt Morgenland“)

Die Überschneidung von kulturellen mit demografischenUntergangsprophezeiungen („demografische/kulturelleLandnahme“)

Pauschalzuschreibung unabänderlicher Wesensmerkmale

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(frauenfeindlich, unehrlich, machtbesessen etc.)

Alexander Häusler ist wissenschaftlicher Mitarbeiter desForschungsschwerpunktes Rechtsextremismus/Neonazismus derFH Düsseldorf. Gemeinsam mit Rainer Roeser ist er Autor derNeuerscheinung: „Die rechten „Mut“-Bürger. Entstehung,Entwicklung & politische Positionierung der Alternative fürDeutschland“.

Eine solche Haltung gipfelt in der Gleichsetzung: Muslim =Ausländer = Islamist = Eroberer.

Um ihren Rassismus zu verschleiern, bezeichnen sich vieleAkteure der extremen Rechten als „Islamkritiker“. Doch dieseangebliche Islamkritik ist nicht durch eine legitimeAuseinandersetzung mit religiösem Fundamentalismusgekennzeichnet, sondern speist sich schlicht aus der rassistischenAbwertung von Muslimen. Das eigentliche Feindbild der extremenRechten, die multikulturell verfasste Einwanderungsgesellschaft,kann dadurch mit scheinbar aufgeklärten Argumenten bedientwerden.

Trendsetter einer solchen Politik der Feindbilder ist derniederländische Rechtspopulist Geert Wilders, der sich als

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„Freiheitskämpfer“ bezeichnet und seine ausgrenzenden unddiskriminierenden Forderungen als demokratisch zu verkaufenversucht.

Im Zentrum dieser Rhetorik steht die Mär vom ›Untergang desAbendlandes‹ durch die ›Islamisierung Europas‹. Derösterreichische FPÖ-Nationalratsabgeordnete Eduard Manonibezeichnete in einem Interview diese Strategie als „Geschäft mitder Angst“, die sich aus der realen Gefahr des terroristischenIslamismus speist.

Welche Parteien in Deutschland ordnen Sie als muslimfeindlichein und warum?

Im Unterschied zu unseren Nachbarländern hatten rechtsextremeund rechtspopulistische Parteien hierzulande bislang noch keinevergleichbaren Erfolge mit muslimfeindlichen Parolen erzielenkönnen. Neben Rechtsaußenparteien wie der NPD, PRONRW/Deutschland und der Partei Die Freiheit, bedienenunterschiedliche Initiativen und Vereine den antimuslimischenRassismus. So etwa der bundesweit aktive VereinBürgerbewegung Pax Europa (BPE), der politisch eng an der ParteiDie Freiheit angebunden ist. Die 2008 gegründete BPE ist aus derFusion der Vereine Bundesverband der Bürgerbewegungen zurBewahrung von Demokratie, Heimat und Menschenrechten e.V.(BdB) und Pax Europa e.V. hervorgegangen.

Dort werden Verschwörungstheorien über die angebliche arabisch-muslimische Unterwanderung Europas verbreitet und Initiativengegen Moscheebauvorhaben entfaltet. Informations- undPropagandaplattform für diese Gruppierungen ist der WeblogPolitically Incorrect (PI), das größte deutschsprachige Internetportal

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mit offen rassistischer Stoßrichtung. Die PRO-Parteien mit ihrerUrsprungsformation PRO Köln und ihren Exportmodellen PRONRW und PRO Deutschland sind eine Wahlgruppierung derextremen Rechten, die getarnt als ›Bürgerbewegung‹ versucht, sichvon der Domstadt Köln aus in Nordrhein-Westfalen und darüberhinaus in ganz Deutschland auszubreiten. Zentrales Merkmal ihrerrechtspopulistischen Inszenierungen ist ein kampagnenorientierterantimuslimischer Kulturrassismus. Diese Kampagnenorientierungdrückt sich praktisch aus in rechtspopulistischen Aufgeboten aufkommunaler Ebene in Form von Bürgerbegehren und Aufmärschengegen Moscheebauprojekte und Migrantenvereinigungen.

Deutliches Merkmal hierfür ist eine medienorientierte politischeInszenierungsstrategie, die auf Eskalation undDiskursverschiebung ausgerichtet ist. So gelang es z.B. PRODeutschland mit einer bloßen Ankündigung, im September 2012 inBerlin öffentlich ein muslimfeindliches Hetzvideo zeigen zu wollen,eine internationale Medienpräsenz zu erzielen.

Auch die NPD als älteste Partei des bundesdeutschenRechtsextremismus versucht, mit dem Thema Islam zu punkten: Ineiner programmatischen Stellungnahme dieser neonazistischenPartei heißt es zum Islam:

Das sichtbarste Zeichen der ungebremsten Überfremdungunseres Landes ist die expansive Ausbreitung des Islam.“

In Berlin hingegen ist im Jahr 2010 die rechtspopulistische ParteiDie Freiheit (DF) aus Abtrünnigen von der CDU und Aktivisten vonPax Europa gegründet worden. Die DF war in ihren Grundzügengeprägt von antimuslimischer und rechtspopulistischer Ausrichtung.Der Vorsitzende der DF, Rene Stadtkewitz, war als CDU-Mitglied in

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Berlin aktiv in einer lokalen Bürgerinitiative gegen die Errichtungeiner Moschee. Anlass zur Gründung der Partei war ein Konfliktinnerhalb der Berliner CDU um die Einladung Geert Wilders durchStadtkewitz. Daraufhin trat dieser aus der CDU aus und gründetedie DF. Trotz der prominenten Unterstützung durch denniederländischen Rechtspopulisten Wilders blieb der DF der Erfolgversagt: Zu sehr war sie verstrickt in das Netzwerk offenrassistischer Initiativen und Weblogs, um für breitere bürgerlicheWählerschichten ansprechend zu wirken. Mit der im Jahr 2013gegründeten Alternative für Deutschland (AfD) ist eine neue Parteirechts von den Unionsparteien entstanden, in welcher auch etlichefrühere Aktivisten aus der DF sowie den Republikanern undanderen rechten Kleinparteien aktiv geworden sind.

Entsteht in Deutschland gerade eine rechtspopulistischeBewegung?

Bislang war Deutschland noch hinsichtlich des muslimfeindlichenRechtspopulismus eine Art politisches Entwicklungsland: Trotzvergleichbarer fremden- und muslimfeindlicher Einstellungen mitdenen in unseren Nachbarländern hatte sich diesesEinstellungspotenzial bisher noch nicht entsprechend auf derStraße und in der Wahlkabine wiedergespiegelt. Vergleichbarerfolgreiche Rechtsaußenparteien wie den französischen FrontNational, die österreichische FPÖ oder die niederländische PVVgab es hierzulande noch nicht. Diese politische Leerstelle könntenun in Zeiten von „PEGIDA“ durch die AfD gefüllt werden.

Seit ihren Erfolgen bei den Landtagswahlen 2014 in Sachsen,Thüringen und Brandenburg weist die AfD eine deutlicheHinwendung zu dem rechten Kampagnenthema Islam auf: Sofindet sich im sächsischen AfD-Landesprogramm die Forderung

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nach Bürgerentscheiden zum Minarettbau – eine Forderung, diehierzulande bisher ausschließlich von Parteien des rechten Randeserhoben worden sind. Zudem hatte die AfD keine Skrupel, sich imostdeutschen Wahlkampf als Anwalt der Entrechteten undBenachteiligten zu inszenieren, indem sie der unzufriedenenWählerschaft sowohl ein Protestventil wie zugleich auch dieentsprechenden Feindbilder anbot: die „Altparteien“ und dieZuwanderer.

Das Ganze wurde von der AfD in Brandenburg zudem populistischangereichert mit regressiv-nostalgischen Rückgriffen auf denangeblichen Segen der DDR-Sicherheitspolitik und Parolen wie„Sichere Grenzen statt grenzenloser Kriminalität.“ EineHinwendung zu muslimfeindlichem Populismus offenbarte derAfD-Landesvorsitzende von Brandenburg, Alexander Gauland, mitseiner Forderung nach einem Zuzugsstopp von Zuwanderern ausdem Nahen Osten mit dem Verweis, diese würden kulturell „nichtzu uns“ passen. Ebenfalls war es Gauland, der demonstrativ denKontakt zu den rechten PEGIDA-Anhängern gesucht und sich fürdie Unterstützung der dort artikulierten Forderungen eingesetzt hat.So bekundete er öffentlich: „Wir sind die ganz natürlichenVerbündeten dieser Bewegung.“

Aus dem Religionsmonitor der Bertelsmann Stiftung: DerAnteil, der den Islam bedrohlich findet, beträgt in Westdeutschland55 %.und in Ostdeutschland 66 %. In Sachsen ist der Anteil, derden Islam bedrohlich findet, mit 78% am höchsten und in NRW mit46 % am niedrigsten. Zudem fühlen sich 40% dernichtmuslimischen Bürger durch die „vielen Muslime“ wie Fremdeim eigenen Land. Der Aussage, Muslimen sollte die Zuwanderungnach Deutschland untersagt werden, stimmen bundesweit 24 %„voll und ganz“ oder „eher“ zu. In Westdeutschland beträgt dieser

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Anteil 22% und in Ostdeutschland 29%.

Wie wirkt sich diese Muslimfeindlichkeit auf die politischeKultur aus?

Durch die PEGIDA-Aufmärsche ist offenbar geworden, dass es einpolitisch heterogenes Potenzial rechter Wutbürger gibt, die beientsprechendem politischen Angebot bereit sind, auf die Straße zugehen. Dabei zeigt das von rechts initiierte Schreckgespenst voneiner drohenden Islamisierung Deutschlands bedenklicheAuswirkungen: Die besonders in Ostdeutschland erkennbareZustimmung zu der PEGIDA-Paranoia vor dem realen Hintergrundeines verschwindend geringen Anteils dort lebender Muslimeoffenbart zugleich, dass die sogenannte Islamisierung lediglich eineChiffre darstellt für dahinter stehende gesamtgesellschaftlicheVeränderungs- und Pluralisierungsprozesse.

Diese Leute stört, dass wir eine multikulturell verfassteEinwanderungsgesellschaft sind und dass Minderheiten das Rechtauf freie Religionsausübung und gesellschaftliche Partizipation undGleichstellung gewährt werden soll. Dies hat nicht zuletzt auchseine Ursache in einem tradierten völkisch-nationalistischenIdentitätsdiskurs, der nicht bloß von rechtsaußen propagiert wordenist. Zugleich haben die PEGIDA-Aufmärsche zur Folge, dass beiParteien wie der CDU Tendenzen erkennbar sind, Wählerzurückgewinnen zu wollen, indem die PEGIDA-Forderungen alsAusdruck „legitimer Sorgen“ verklärt werden. Dadurch werdendiskriminierende und ausgrenzende Forderungen hoffähig gemachtund der politische Diskurs nach rechts verschoben.

Was ärgert Sie am meisten an der gegenwärtigen Debatte umIslamfeindlichkeit?

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In den Medien erfahren meiner Wahrnehmung nach dielobenswerten zivilgesellschaftlichen Initiativen zur Unterstützungvon Flüchtlingen sowie gelungene Beispiele von interkulturellemMiteinander nicht die ihnen gebührende Beachtung. Ich halte es fürproblematisch, dass sich die Debatte um „Sorgen und Ängste derBürger“ auf diese dunkle Seite der Zivilgesellschaft fokussieren undso die Opfer von deren Ausgrenzungsparolen aus dem Blickgeraten.

Statt mit der Plattitüde vom Dialog mit dem Bürger die paranoidePEGIDA-Fremdenfeindlichkeit weiter salonfähig zu machen, isteine intensive Auseinandersetzung über das Selbstverständnis vonDeutschland als multikulturell verfassterEinwanderungsgesellschaft sowie über die Bedeutung vonpolitischer Partizipation und Gleichstellung vonnöten. Diesbeinhaltet zugleich die offensive Auseinandersetzung mit denpolitischen Profiteuren der PEGIDA-Proteste.

Landeszentrale, März 2015

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Thementisch - 1

„Islamfeindlichkeit in Institutionen - am Beispiel von Jugendarbeit, Schule oder Unterkünften für gefl üchtete Menschen“

a. Am Beispiel von Jugendarbeit und Schule

• Rechtssicherheit • Wissensvermittlung • Refl exion der Machtstrukturen -> Wer darf entscheiden? • Empathieforderung • Konfl iktanalyse – Was stört genau? Warum stört es mich? • Selbstrefl exion der eigenen Haltung • Perspektivwechsel • Rollen im Konfl ikt • Empowerment der Betro� enen • Ausschluss sichtbar machen • Mehr muslimische Pädagog*innen in Schule und Jugendeinrichtungen

b. Unterkünfte für gefl üchtete Menschen

• Begegnungen auf Augenhöhe scha� en • Mündigkeit anerkennen • Gesellschaftsfähigkeit von extrem rechten Themen • Brisanz der Situationen in Gefl üchtetenunterkünften • Raum zum Ankommen • Grundgesetz und Menschenrechte wahren • Stimme geben

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a. Am Beispiel von Jugendarbeit und Schule

Die Mitglieder des Thementischs „Islamfeindlichkeit in Institutionen – am Beispiel von Jugend -arbeit und Schulen“ sehen als wichtige Eckpunkte für eine erfolgreiche Aufklärung vor allem Rechts sicherheit für Lehrer und Lehrerinnen sowie Sozialpädagogen und Sozialpädagoginnen. Dies gilt nicht nur in Hinblick auf die Situationen mit Schülern und Eltern, sondern auch im Umgang mit Vorgesetzten. Die Machtstrukturen der Institutionen erleichtern die Aufklärungsarbeit nicht und müssen daher genauer auf die Möglichkeit einer o� enen und transparenten Entscheidungsstruktur hin überprüft werden. Nur so kann eine Konfl iktanalyse durchgeführt werden, die Probleme in der Struktur oder mit einzelnen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen aufdeckt.

Lösungsansätze, um den Vorgesetzten oder den Kollegen mit der rassistischen Haltung zu konfrontieren, bestehen in einem Perspektivenwechsel, also den Betro� enen mit seinen Vorwürfen zu konfrontieren, indem man die Person in ein diskriminierendes Setting einbaut. Wichtig dabei ist die Refl exion der eigenen Haltung. Es kann allerdings auch sein, dass eine bestimmte Rolle in einer Institution dazu führt, dass das Verhalten des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin zu diskriminierenden Verhalten führt.

Eine gezielte Betreuung, ein Empowerment von Betro� enen und den Ausschluss einzelner sichtbar zu machen, sind die wichtigen Maßnahmen, die in Schulen und der Jugendarbeit durchgeführt werden müssen, um Rassismus aufzudecken. Die Arbeitsgruppe stellt mit besonderem Augenmerk auf die Situation der Muslime und Muslimas fest, dass es an muslimischen Pädagogen und Pädagoginnen fehlt.

b. Unterkünfte für gefl üchtete Menschen

Die Arbeitsgruppe sieht ein Problem in der Hierarchie, zwischen Betreuern, Sicherheitsdienst und Anwohnern, ehrenamtlich Aktiven und Gefl ohenen. Um die Situation zu verbessern muss es gelingen, eine Begegnung auf Augenhöhe auch innerhalb der Wohnunterkünfte herzustellen. Auch wenn Asylverfahren noch nicht abgeschlossen sind, müssen die Beteiligten sich darüber verständigen, dass Gefl ohene auch mündig sind. Die besondere Situation, dass extrem rechte Themen in der Umgebung der Wohnunterkünfte gesellschaftsfähig werden, erschwert die Dialogbereitschaft zudem.Es muss gelingen, dass Gefl ohene einen Raum zum Ankommen fi nden und die besondere Brisanz, auch innerhalb der Unterkünfte, nicht dazu führt, dass Menschenrechte missachtet oder Diskriminierungen Einzug erhalten. Die Gruppenmitglieder erachten es als dringlichstes Anliegen, dass den Gefl üchteten „eine Stimme gegeben wird“.

Zusammenfassung

„Islamfeindlichkeit in Institutionen - am Beispiel von Jugendarbeit, Schule oder Unterkünften für gefl üchtete Menschen“

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Thementisch - 2

Empowerment – Strategien und Handlungsmöglichkeiten von Betro� enen

• Stärker bei sich bleiben und bei der eigenen Eingebundenheit • Einerseits Gemeinschaft durch Zwang, andererseits Unterschiedlichkeit • Ein Votum dafür, Stimmen untereinander ambivalent auszutauschen

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Diskutiert wurde in der Arbeitsgruppe zu Empowerment die Notwendigkeit von Empowerment-Räumen – als Austausch- und Lernräume nur von Menschen, die im deutschsprachigen Raum eigene Erfahrungen mit (anti-muslimischen) Rassismus erfahren haben. Deutlich wurde in der Diskussion, dass aufgrund dieser gemeinsamen, wenn auch unterschiedlichen Erfahrungen, eine Gemeinschaft (zwangsläufi g) besteht.

Diese Gemeinschaft wird im Zusammenhang von Ein- und Ausschlussstrukturen in der Gesellschaft konstruiert. Die bewusste Entscheidung zu Empowerment-Räumen ermöglicht vor diesem Hintergrund einerseits, den Austausch über die gemeinsamen Erfahrungen und auf dieser Grundlage ein Verstehen dazu, wie (Antimuslimischer-) Rassismus sich aktuell - auch in Hamburg - auswirkt. Andererseits ermöglichen Empowerment-Räume auch Unterschiede in den Erfahrungen, im Umgang mit diesen sowie Unterschiede in den inhaltlichen, politischen Perzeptiven zu diskutieren.

Die Arbeitsgruppe erarbeitet in der Diskussion, dass es hierbei hilfreich sein könnte, stärker „bei sich zu bleiben“ und auch die eigene Eingebundenheit in den Blick zu nehmen, als wieder über die „Anderen“ zu sprechen. Mit Blick auf die Vorträge und Diskussion der Tagung sowie den Erfahrungen in der Arbeitsgruppe ergab sich ein gemeinsames Votum, Stimmen, inhaltliche Positionen und Erfahrungen untereinander ambivalent auszutauschen.

Zusammenfassung

Empowerment – Strategien und Handlungsmöglichkeiten von Betro� enen

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Thementisch - 3

Stärkung der Zivilcourage als Strategie

• Zivilcourage – moral courage – Bürgermut • Beherztheit – Mut – Engagement • Eigene Werte, eigener Standpunkt – Verantwortung – Hilfe für Schwache – Gerechtigkeit • Soll ich mich einmischen? Mit welchem Mandat? • Soziale Kosten – Ansehen – Beruf

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Erst die Refl exion der förderlichen und hinderlichen Faktoren von Zivilcourage liefern Ansatzpunkte für Interventionen zur Stärkung der Zivilcourage. Zivilcourage unterliegt sowohl situativen, als auch personenbezogenen Bedingungen. Die Eindeutigkeit der Situation für Außenstehende ist ein erster wichtiger Einfl ussfaktor, um beherzigt und mit Mut oder Engagement zu interagieren. Je mehrdeutiger und unklarer die Situation, die eigenen Werte, der eigene Standpunkt sind, umso schwieriger ist es zu erkennen, ob es sich um eine kritische Situation handelt und zivilcouragiertes Eingreifen erforderlich ist. So kann es beispielsweise schwierig sein zu unterscheiden, ob es sich um eine Rangelei unter Freunden oder um einen körperlichen Angri� handelt.

Ein zweiter Situationsfaktor sind die Kosten einer zivilcouragierten Intervention. Je höher die subjektiv zu erwartenden Kosten für die eigene Zivilcourage sind, desto geringer ist die Tendenz, sich zivilcouragiert zu verhalten. Man mag idealistisch einwenden, dass den Menschen dann das Thema, d. h. die Sicherung von Grund- und Menschenrechten, wohl nicht bedeutsam genug ist, wenn sie zu hohe Kosten von einem zivilcouragierten Einsatz abhalten. Jedoch muss man als Trainer/in genau diese individuelle Kosten-Nutzenabwägung mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern von Zivilcourage-Trainings refl ektieren und prosoziale Entscheidungsansätze entwickeln.

Antizipierte Konsequenzen, die von milden sozialen Folgen (z. B. Blamage oder Verlust von Ansehen oder Unterstützung) über schwere Nachteile (z. B. juristische Auseinandersetzungen mit staatlichen Autoritäten oder institutionelle Repressalien) bis hin zu schwersten Auswirkungen (z. B. Gefahr für Leib und Leben) reichen können, bestimmen die Art zivilcouragierten Handelns. Diese sozial- rechtlichen Fragen sind entscheidend für ein bürgerliches Engagement, für Zivilcourage.

Zivilcourage wird immer ihre sozialen Kosten haben, es geht jedoch darum, mit einem gesamtgesellschaftlichen Bürgermut insgesamt weniger riskante und dabei wirkungsvolle Verhaltensweisen herzustellen.

Zusammenfassung

Stärkung der Zivilcourage als Strategie

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Thementisch - 4

Im Kleinen anfangen – Für Verständigung im Stadtteil

• Dialog herstellen • Muslimische Akteur*innen stärken • Ö� entliche Plätze bespielen = einnehmen (z.B. Ramadan in St. Georg)

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Die Gruppe des vierten Thementischs betrachtete die Situation der Menschen vor Ort, in den Stadtteilen. Welche Voraussetzungen braucht es, damit Nachbarn miteinander ins Gespräch kommen? Wie können Vorurteile abgebaut werden, um miteinander im Stadtteil in Dialog zu treten?

Um das nachbarschaftliche Miteinander und den Zusammenhalt der Bevölkerung in Hamburger Stadtteilen zu stärken, bedarf es einer breiten Verständigung vor Ort. Eine Dialog-Kultur muss verankert werden, beispielsweise über Akteure in Kitas, Schulen und ö� entlichen Plätzen. Durch gezielte Aktionen müssen Räume gescha� en werden, in denen Menschen in Dialog treten können, wie Beispielsweise zum Ramadan in St. Georg.

Es ist wichtig, in den Diskussionen muslimische Akteure und Akteurinnen zu stärken, um die Bereitschaft zum Dialog zu erhöhen und Vorurteile abzubauen.

Zusammenfassung

Im Kleinen anfangen – Für Verständigung im Stadtteil

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Thementisch - 5

social media – mit Hashtag # gegen Alltagsrassismus

• Was kann der/die Einzelne tun? Was die Gesellschaft? • Bestehende Kampagnen teilen und „hochpuschen“ • Professionalisierung • Als Thema intensiv in die (Schul-) Bildung einbinden

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Hasskommentare gehören mittlerweile zum digitalen Alltag. Im Netz werden zunehmend auch Angri� e im realen Leben vorbereitet und organisiert. Doch das Internet kann auch politisch klug genutzt und zu einem Gegenmittel werden.

„Hass“ bleibt nicht allein im Internet, auf Facebook oder Twitter, sondern fi ndet Einzug in den Alltag und kann sich in Angri� en auf Fremde, Flüchtlinge äußern. Solche Aktionen werden heute nicht mehr allein am Stammtisch, im Klubhaus oder im heimischen Wohnzimmer geplant, sondern digital auf Social Media-Plattformen. Wenn Menschen dann in einer Masse auftreten können und entindividualisiert sind, dann sind die Hemmschwellen geringer und der Hass kann sich verbreiten.

Genauso kann das Internet, politisch klug genutzt, auch zu einem Gegenmittel werden. Dafür muss es eine aktive Aufklärung in Bildungseinrichtungen geben. Es ist wichtig, dass Kinder und Jugendliche verstehen, wie Kommunikation im Social Web funktioniert, wie Algorithmen das eigene Profi l analysieren und warum mir auf Facebook und Twitter bestimmte Kommentare und Nachrichten angezeigt werden.

Soziale Medien sind kein neutraler Raum, denn sie handeln mit den Daten der Nutzer. Damit diese immer wiederkommen, wird das Surfverhalten im Internet sehr genau von diesen Anbietern analysiert. Dadurch soll dem Nutzer ein bestmögliches Besuchserlebnis bei Facebook oder Twitter geboten werden, wenn er auf die Plattform zurückkehrt und seine Interessen dort abgebildet werden.

Um Aktionen und Kampagnen gegen Rechtsextremismus und für Toleranz zu stärken, müssen diese aktiver geteilt und damit verbreitet werden. Institutionen müssen sich auf Social Media-Plattformen stärker engagieren, professionalisieren und vernetzen.

Zusammenfassung

social media – mit Hashtag # gegen Alltagsrassismus

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Thementisch - 6

Die Abwertung der Anderen – wem nützt diese Strategie?

• Welchen Weg, um Leute zu überzeugen • Wie stellen wir uns antimuslimischen Rassismus entgegen? • An welchem Punkt sind wir nicht mehr disskusionsbereit? • Mit wem sprechen wir?

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An diesem Thementisch entwickelte sich schnell eine Diskussion in deren Mittelpunkt die Frage stand, welchen Umgang es mit Menschen geben solle, die sich rassistisch, bzw. antimuslimisch äußern.Hier wurde deutlich, dass neben dem erstrangigen Schutz von potentiellen Betro� en-en in solchen Situationen, eine genauere Bestimmung des jeweiligen „Ziels einer Intervention“ notwendig ist.

Neben einer o� ensiven Zurückweisung von rassistischen Grundaussagen die immer notwendig ist, müssen sowohl wir als Einzelpersonen, als auch Gruppen in denen wir arbeiten, deutlich machen, dass wir für uns defi nieren, was in unseren Zusammenhängen sagbar und diskutierbar ist und wir uns dies weder von Rechtsaußen, noch aus der sogenannten „Mitte der Gesellschaft“ heraus aufoktroyieren lassen.

Dass dies nicht heißt, bei jedem falschen Argument sofort den Ausschluss der so Argumentierenden zu fordern, ist dabei genauso klar, wie die immer notwendige o� ensive inhaltliche Zurückweisung von diskriminierenden Äußerungen.

Zusammenfassung

Die Abwertung der Anderen – wem nützt diese Strategie?