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Thomas Semmel 3. Auflage ABCDE – Die Beurteilung von Notfallpatienten

ABCDE – Die Beurteilung von Notfallpatienten · 2020-04-24 · IX Die Geschichte des ABDCE Das Lesen der Rezensionen zur ersten und zweiten Aufl age dieses Buches, hat mich dazu

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Page 1: ABCDE – Die Beurteilung von Notfallpatienten · 2020-04-24 · IX Die Geschichte des ABDCE Das Lesen der Rezensionen zur ersten und zweiten Aufl age dieses Buches, hat mich dazu

Thomas Semmel

3. Auflage

ABCDE – Die Beurteilung von Notfallpatienten

Page 2: ABCDE – Die Beurteilung von Notfallpatienten · 2020-04-24 · IX Die Geschichte des ABDCE Das Lesen der Rezensionen zur ersten und zweiten Aufl age dieses Buches, hat mich dazu

Inhaltsverzeichnis

1 Sicher ist sicher – die Beurteilung der Einsatzstelle . . . 11.1 Gefahren an der Einsatzstelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31.2 Persönliche Schutzausrüstung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91.3 Beurteilung des Verletzungsmechanismus . . . . . . . . . . . 101.4 Art der Erkrankung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121.5 Patientenanzahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131.6 Bewegungseinschränkung der HWS . . . . . . . . . . . . . . . . 131.7 Testen Sie Ihr Wissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

2 ABCDE – Die initiale Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152.1 Der Ersteindruck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182.2 Bewusstseinsgrad und Orientierung . . . . . . . . . . . . . . . . 192.3 „A“ wie Airway – der Atemweg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192.4 „B“ wie Breathing – die Atmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232.5 „C“ wie Circulation – der Kreislauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252.6 „D“ und „E“ – Disability und Exposure/Environment . . . 272.7 ABCDE bei lebensbedrohlicher Blutung . . . . . . . . . . . . . 272.8 Testen Sie Ihr Wissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

3 Schnelle Traumauntersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313.1 Der Verletzungsmechanismus entscheidet . . . . . . . . . . . 343.2 Vitalzeichen und SAMPLE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393.3 Kurze neurologische Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403.4 Testen Sie Ihr Wissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

4 Untersuchung von Nicht-Traumapatienten . . . . . . . . . . . 434.1 Ansprechbar oder nicht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454.2 Nicht ansprechbar – schnell von Kopf nach Fuß . . . . . . . 464.3 Ansprechbar – zuerst die Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . 484.4 Testen Sie Ihr Wissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52

5 Vitalzeichen – einfach nur vital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 555.1 Atemfrequenz und Atemqualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 575.2 Pulsfrequenz und Pulsqualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 605.3 Blutdruck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 635.4 Hautkolorit und Hautbeschaff enheit . . . . . . . . . . . . . . . . 655.5 Körperkerntemperatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 665.6 Pupillomotorik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68

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VIII Inhaltsverzeichnis

5.7 Testen Sie Ihr Wissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69

6 Die regelmäßige Verlaufskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . 716.1 Bewusstseinsgrad und Orientierung . . . . . . . . . . . . . . . . 746.2 „A“ wie Airway – der Atemweg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 756.3 „B“ wie Breathing – die Atmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 756.4 „C“ wie Circulation – der Kreislauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . 756.5 Die gezielte körperliche Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . 766.6 Vitalzeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 766.7 Diagnostische Hilfsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 776.8 Testen Sie Ihr Wissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93

7 Beurteilung von Kindern in Notfallsituationen . . . . . . . . 957.1 Altersentsprechendes Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 987.2 Hilfsmittel zur Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98

8 Beurteilung von älteren Patienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 998.1 Besondere Patienten – besondere Beurteilung

( GEMS-Diamant) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1008.2 Die Traumaanamnese – SPLATT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100

9 Beurteilung von Schmerzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1039.1 Hilfreiche Skalen zur Schmerzbeurteilung . . . . . . . . . . . 1049.2 Beurteilung von Schmerzen bei dementen Patienten . . . 106

10 Diagnostische Technik – aber richtig . . . . . . . . . . . . . . . 10710.1 Ermittlung der Atemfrequenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10810.2 Ermittlung der Pulsfrequenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10910.3 Blutdruckmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11110.4 Blutzuckermessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11210.5 EKG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11310.6 Pulsoximetrie und Kapnografi e . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114

Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 Internationale Merkhilfen zur Beurteilung und

Versorgung von Notfallpatienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134

Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143

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Die Geschichte des ABDCEDas Lesen der Rezensionen zur ersten und zweiten Aufl age dieses Buches, hat mich dazu bewogen die Geschichte der ABCDE-Beurteilung einmal genauer darzustellen. Nicht wenige scheinen zu glauben, dass die strukturierte Patientenbeurteilung durch die heute bekannten und hervorragenden Kurssysteme wie z. B. AMLS oder ITLS er-funden wurde. Das stimmt so allerdings nicht.Prof. Dr. med. Peter Safar verwendete die bekannte Buchstabenfolge zum ersten Mal bereits Mitte der fünfziger Jahre. Er beschrieb hiermit die Maßnahmen der kardio-pulmonalen Reanimation. Seit dieser Zeit steht der Buchstabe „A“ für „Airway“, „B“ für Breathing und „C“ für Circulation. Um alle notwendigen Maßnahmen der kardio-pulmonalen Reanimation zu beschreiben, verwendete Safar zusätzlich zu den Buch-staben „A, B und C“, die Buchstaben „D, E, F, G, H und I“. Allerdings hatten „D und E“ damals eine andere Bedeutung, als im heutigen ABCDE-Schema. „D“ stand bei Safar für Drugs und Fluids, also die Gabe von Medikamenten und Infusionslösungen, „E“ stand für die EKG-Diagnostik oder besser die Rhythmusanalyse. „F“ stand für „fi brillation treatment“, also die Defi brillation, aber auch für die Gabe von Antiarr-hythmika. Der Buchstabe „G“ bedeutete „Gauging“, was übersetzt soviel wie Eichung oder Messung bedeutet. Prinzipiell sollten in diesem Schritt die reversiblen Ursachen des Herz-Kreislaufstillstandes erkannt und behandelt werden. Der Begriff „Human mentation“, also das „H“ zielte auf die cerebrale Wiederbelebung, also das bestmög-liche neurologische Überleben des Patienten ab. Der letzte Buchstabe, das „I“ bedeu-tete „Intensive care“, die intensivmedizinische Behandlung bzw. die Postreanima-tionsbehandlung.Das erste Kurssystem, das die strukturierte Patientenbeurteilung und -behandlung anwendete war der ATLS-Kurs, ein Kurs zur strukturierten Beurteilung und Behand-lung von Traumapatienten im Schockraum. Dieser Kurs wurde von James Styner ent-wickelt und im Jahr 1978 in Amerika eingeführt.Ein Jahr später, 1979, erschien das erste Lehrbuch für amerikanisches Rettungsfach-personal mit dem Titel „Emergency Care in the Streets“. Dieses Buch war über Jahr-zehnte das Lehrbuch für die amerikanischen Paramedics. Die Autorin, Nancy L. Ca-roline, Mitarbeiterin von Peter Safar, gilt als eine Pionierin der präklinischen Notfall-medizin. Von Safar erhielt sie im Jahr 1975 das Angebot das sogenannte Freedom House Projekt als medizinische Direktorin fortzuführen. Im Rahmen dieses Projektes wurden Arbeitssuchende zu Paramedics ausgebildet. Zur Fortführung des Projektes gehörte es auch ein Lehrbuch zu schreiben, wodurch das oben genannte Werk ent-stand. Es beschreibt die strukturierte Beurteilung und Behandlung von Notfallpatien-ten. Seitdem fi ndet diese systematische Beurteilung von Notfallpatienten internatio-nal Anwendung.

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EinführungDas vorliegende Buch möchte Rettungsfachpersonal und Notärzten, aber auch Kli-nikpersonal und First-Respondern die Vorteile eines zügigen und systematischen Vorgehens zur Beurteilung von Notfallpatienten näher bringen und somit das Erken-nen und Behandeln kritischer Patienten verbessern helfen.Das Ziel einer strukturierten Vorgehensweise zur Beurteilung von Notfallpatienten ist in erster Linie, lebensbedrohliche Zustände rasch zu erkennen und umgehend zu behandeln. Ein weiteres Ziel des ABCDE-Schemas ist es aber auch, im Notfall mit einer Sprache zu sprechen. Überblickt man allerdings die Kurslandschaft und be-trachtet die Kursinhalte im Hinblick auf die Beurteilung von Notfallpatienten, so stellt man fest, dass es hier unterschiedliche Vorgehensweisen gibt. Auch wenn die Unterschiede nicht groß sind, so bergen sie doch die Gefahr, dass zukünft ig wieder größere Unterschiede bei der Beurteilung von Notfallpatienten entstehen und ver-schiedene Beurteilungsschemata angewendet werden. Ein Beispiel hierfür ist das „X-ABCDE-Schema“, welches die Beurteilung bzw. Behandlung bei lebensbedrohli-chen, äußeren Blutungen beschreibt. Das „X“ steht hierbei für den englischen Begriff „exsanguinating hemorrhage“, also das „Ausbluten“. Hier wird ein Buchstabe ver-wendet, der nicht sofort an die eigentliche englische Bezeichnung denken lässt. Aus didaktischen Gründen wird im Buch auch weiterhin das „<C>ABCDE-Schema“ ver-wendet.Was versteckt sich hinter dem ABCDE-Schema? Die ersten drei Schritte der Beurtei-lung – A, B und C – stellen die absolut lebensnotwendigen Funktionen des menschli-chen Körpers dar, nämlich Atemweg, Atmung und Kreislauff unktion. Rettungsfach-personal und Notarzt verwenden viele technische Geräte zur Diagnostik, Behandlung und Überwachung. Gerade in der Phase der initialen Beurteilung und Behandlung von Notfallpatienten sind diese Geräte aber häufi g nicht erforderlich. Vielmehr können sie die notwendige Behandlung verzögern. Die initiale Beurteilung eines Notfallpatienten nach dem ABCDE-Schema hilft lebensbedrohliche Situationen schnell zu erkennen und zu behandeln. Hierzu sind lediglich die Sinne (Sehen, Hören und Fühlen) des Hel-fers erforderlich. Zur Beurteilung von Notfallpatienten gehören mehrere Komponen-ten, denen jeweils ein eigenes Kapitel in diesem Buch gewidmet ist. Die nachfolgende Beschreibung bietet Ihnen einen Überblick über den Aufb au des Buches.

Beurteilung der Einsatzstelle

Von Einsatzstellen können die unterschiedlichsten Gefahren für das Einsatzpersonal, den Patienten und umstehende Personen ausgehen. Die Sicherheit des eingesetzten Personals muss an erster Stelle stehen. Erst wenn eine Einsatzstelle als sicher einge-stuft wird, hat das Einsatzpersonal die Möglichkeit sich um Patienten und Umstehen-de zu kümmern. Andernfalls müssen entsprechende Maßnahmen zur Sicherung der Einsatzstelle eingeleitet werden. Kann dies das Einsatzpersonal nicht leisten, ist die

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Einführung XI

Nachforderung von Spezialkräft en (z. B. Polizei, Feuerwehr, etc.) erforderlich. Nach Sicherung der Einsatzstelle ist bei Traumapatienten der Verletzungsmechanismus bzw. bei Nicht-Traumapatienten die Art der Erkrankung zu ermitteln. In dieser Phase muss auch die Anzahl der Patienten ermittelt werden, um bei einer Mehrzahl von Patienten frühzeitig weitere Rettungsmittel anzufordern.

ABCDE – Die initiale Beurteilung

Die initiale Beurteilung des Notfallpatienten ist ein systematisches Vorgehen zur schnellen Ermittlung und Behandlung von lebensbedrohlichen Zuständen. Schon der erste Eindruck den das eingesetzte Personal vom Patienten erhält, kann einen Hinweis auf notwendige Maßnahmen geben. Deshalb ist es sinnvoll, den Patienten nach dem ABC-Schema zu beurteilen. So werden die lebenswichtigen Funktionen in der richti-gen Reihenfolge überprüft und vorliegende Störungen können sofort behandelt wer-den. Dieses Vorgehen ist für Traumapatienten und Nicht-Traumapatienten identisch, der Patient kann dabei schneller als nicht kritisch oder kritisch eingestuft werden.

Die schnelle Traumauntersuchung

Erst nach der Beurteilung der Einsatzstelle und der initialen Beurteilung des Notfall-patienten ist eine Diff erenzierung des weiteren Vorgehens sinnvoll. Kritische Trau-mapatienten müssen so schnell wie möglich einer defi nitiven Versorgung in einer geeigneten Klinik zugeführt werden. Die Entscheidung zu einer schnellen Untersu-chung von Traumapatienten wird anhand des Verletzungsmechanismus gefällt. Sig-nifi kante Verletzungsmechanismen wie z. B. ein Sturz aus großer Höhe, erfordern eine schnelle Untersuchung des Traumapatienten. Hierzu wird systematisch von Kopf nach Fuß vorgegangen. Ist der Patient während der initialen Beurteilung nicht kritisch und der Verletzungsmechanismus nicht signifi kant, reicht es aus, die verletz-te Körperregion zu untersuchen. In beiden Fällen soll, sofern möglich, eine Kurzana-mnese durchgeführt werden. Im Anschluss daran werden die Vitalzeichen (Atemfre-quenz, Pulsfrequenz, Blutdruck, etc.) exakt erhoben und dokumentiert.

Untersuchung von Nicht-Traumapatienten

Bei Nicht-Traumapatienten entscheidet der Bewusstseinsgrad über das weitere Vor-gehen. Nicht ansprechbare Patienten müssen, wie der Traumapatient mit signifi kan-tem Verletzungsmechanismus, schnell von Kopf nach Fuß untersucht werden. An-sprechbare Patienten werden auf ihre momentanen Beschwerden hin untersucht. Patienten mit Schmerzen werden nach der betroff enen Region, dem Beginn der Schmerzen, eventueller Schmerzausstrahlung und der Stärke der Schmerzen befragt.

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XII Einführung

Eine Kurzanamnese mittels SAMPLER-Schema liefert in dieser Situation die wich-tigsten anamnestischen Informationen. Danach werden die Vitalzeichen (Atemfre-quenz, Pulsfrequenz, Blutdruck, etc.) ermittelt und dokumentiert.

Vitalzeichen und regelmäßige Verlaufskontrolle

Vitalzeichen sind das, wonach sie benannt sind – lebenswichtig. Während sie bei der ersten Beurteilung nur abgeschätzt werden, müssen sie nach Beendigung der schnel-len Untersuchung exakt erhoben werden. Einmal erhobene Vitalzeichen spiegeln aber nur eine Momentaufnahme des Patienten wider. Um einen aussagekräft igen Verlauf zu dokumentieren ist es wichtig die Vitalzeichen bei kritischen Patienten alle 5 Minuten und bei nicht kritischen Patienten alle 15 Minuten zu erheben. Die lebens-wichtigen Funktionen Atemweg, Atmung und Kreislauf müssen immer wieder be-urteilt werden, wenn sich z. B. der Zustand des Patienten verändert oder wenn Maß-nahmen am Patienten durchgeführt wurden.Trotzdem dieses Buch großen Wert auf den Einsatz der Sinne des Helfers legt, kom-men die Geräte zur Diagnostik, Behandlung und Überwachung dabei nicht zu kurz. So werden EKG, Pulsoximetrie und Kapnografi e besprochen. Abgerundet wird jedes Kapitel durch eine Fragensammlung, deren kommentierte Lösungen am Ende des Buches zu fi nden sind. Die Antworten sind bewusst ausführlich gehalten, damit man auch mit diesem Teil allein sein Wissen überprüfen kann.Die Beurteilung eines Patienten nach dem ABCDE-Schema ist eine internationale Vorgehensweise, somit ist die Verwendung einiger, weniger englischer Begriff e un-erlässlich. Viele Begriff e werden aber im Glossar übersetzt bzw. erklärt.

Mein Dank gilt Ingrid Stoeger und Heiko Krabbe vom Elsevier Verlag, die an meine Idee geglaubt und geholfen haben, dieses Buch zu realisieren. Danken möchte ich auch Anna-Marie Seitz und Karin Kühnel für die Realisierung der vorliegenden, überarbeiteten Aufl age. Dank gilt auch Frank Flake für seine guten Ratschläge. Be-danken möchte ich mich natürlich auch bei meinen Fotomodellen, Nicole Grün, Christian Häfner und Jan Hempfl ing. Zu guter Letzt möchte ich mich noch bei meiner Familie bedanken, die es mir erlaubt hat mir die Zeit für dieses Buch zu nehmen.

Petersberg, im April 2019Th omas Semmel

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1KAPITEL

1 Sicher ist sicher – die Beurteilung der Einsatzstelle

1.1 Gefahren an der Einsatzstelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

1.2 Persönliche Schutzausrüstung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

1.3 Beurteilung des Verletzungsmechanismus . . . . . . . . . . . 10

1.4 Art der Erkrankung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

1.5 Patientenanzahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

1.6 Bewegungseinschränkung der HWS . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

1.7 Testen Sie Ihr Wissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

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1Lernziele

Nach Durcharbeiten des Kapitels kennen Sie• die unterschiedlichen Gefahren an Einsatzstellen• die notwendige persönliche Schutzausrüstung im Notfalleinsatz• die Notwendigkeit Verletzungsmechanismen bzw. die Art einer Erkrankung zu

beurteilen

Fallbeispiel

Ein Rettungswagen wird zu einem häuslichen Unfall alarmiert. Die Einsatzstelle liegt in einer Neubausiedlung. Als der Rettungswagen in die Straße einbiegt, erkennt das Team in ca. 200 Meter Entfernung einen winkenden Mann. An der Einsatzstelle ein-getroff en nimmt das Team das notwendige Equipment aus dem Fahrzeug. Der Mann berichtet währenddessen, dass sein Arbeitskollege im Badezimmer mit Elektroarbei-ten beschäft igt war. Nun liege er neben seiner Leiter auf dem Boden und reagiere nicht auf Ansprache. Das Team begibt sich zum Badezimmer. Von der Tür aus kann man einen Mann auf dem Rücken liegen sehen. Neben dem Mann liegt eine umge-stürzte Haushaltsleiter und ein Stromkabel. Der Teamführer spricht den Mann laut an und erhält darauf keine Reaktion. Auf Anweisung des Teamführers entfernt der zweite Notfallsanitäter zusammen mit dem Kollegen des Mannes die Sicherungen und sichert diese gegen Wiedereinschalten. Danach wird der Notarzt nachgefordert. Erst nachdem das Badezimmer stromlos ist, tritt das Rettungsteam an den Patienten heran. Da der Verdacht eines Stromschlags mit nachfolgendem Sturz von der Leiter nahe liegt, übernimmt der Teamführer die initiale Beurteilung des Patienten nach dem ABCDE-Schema. Sein Kollege hält den Kopf des Patienten zum Schutz der Hals-wirbelsäule in Neutralposition und öff net durch Anwendung des modifi zierten Es-march-Handgriff s den Atemweg. Der Atemweg ist frei, die Atmung ausreichend tief, aber beschleunigt. Der Patient wird umgehend mit hoch dosiertem Sauerstoff (15 l/min) über eine Sauerstoff maske mit Reservoirsystem versorgt. Der Puls ist am Hand-gelenk (Radialispuls) tastbar und arrhythmisch. Die Haut des Patienten ist blass und kühl. Die schnelle Traumauntersuchung von Kopf nach Fuß ergibt keinen Hinweis auf schwerere Verletzungen. Die Erhebung der Vitalzeichen ergibt:• Atemfrequenz 25/min• Pulsfrequenz 100/min arrhythmisch• Blutdruck 95/50 mmHg.

Der Patient wird mithilfe einer Schaufeltrage auf eine Vakuummatratze gelagert und dort immobilisiert. Anschließend wird der Patient umgehend zum Rettungswagen transportiert. Im Rettungswagen erhält der Patient zwei peripher-venöse Zugänge, zum Off enhalten der Zugänge wird balancierte Vollelektrolytlösung appliziert. Da-nach wird die regelmäßige Verlaufskontrolle durchgeführt und parallel hierzu das

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1 Sicher ist sicher – die Beurteilung der Einsatzstelle

Monitoring (Kapnografi e, EKG, Pulsoximeter) angebracht. Nach Übergabe des Not-fallpatienten an den mittlerweile eingetroff enen Notarzt wird der Patient in die Not-aufnahme der nächstgelegenen Klinik transportiert (› Abb. 1.1).

1.1 Gefahren an der EinsatzstelleAn manchen Einsatzstellen , z. B. bei Verkehrsunfällen, sind die Gefahren für das ein-gesetzte Personal häufi g off ensichtlich. Andere Einsatzstellen, z. B. der internistische Notfall in einer Wohnung, werden in Bezug auf die Gefährdung des Einsatzpersonals nicht selten unterschätzt. Aber auch von diesen Einsatzstellen kann Gefahr für das eingesetzte Personal ausgehen.

Beurteilung der Einsatzstelle

Abb. 1.1 Algorithmus Beurteilung der Einsatzstelle [M844]

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4 1 Sicher ist sicher – die Beurteilung der Einsatzstelle

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Gefahr durch Straßenverkehr

Unfälle im Straßenverkehr (› Abb. 1.2) haben ein erhöhtes Gefahrenpotential für das Einsatzpersonal . Schon bei der Annäherung an die Einsatzstelle ist diese aufmerksam zu betrachten. Die Übermittlung eines Ersteindrucks von der Einsatzstelle an die Leitstelle ist sinnvoll. So kann die Leitstelle z. B. bei Unfällen mit Gefahrguttransportern oder bei Unfällen mit mehreren Beteiligten frühzeitig weitere Einsatzkräft e alarmieren. Das Ret-tungsmittel muss an einer sicheren Stelle abgestellt werden. Fahrzeuge des Rettungs-dienstes müssen nicht direkt am Unfallort halten. Die mobile Ausstattung und moderne Tragensysteme lassen einen größeren Abstand zur Einsatzstelle zu. Der Raum direkt am Unfallort ist z. B. für die Feuerwehr freizuhalten. Diese muss mit ihren Geräten an die verunfallten Fahrzeuge, um den Brandschutz sicherzustellen und eventuell eingeschlos-sene Personen zu befreien. Bei Verkehrsunfällen im Bereich von Autobahnen ist das Einsatzpersonal durch Fahrzeuge, die mit hoher Geschwindigkeit fahren besonders ge-fährdet. Kann das Einsatzpersonal die Einsatzstelle nicht selbst absichern, ist eine früh-zeitige Sicherung der Einsatzstelle durch andere Einsatzkräft e wie z. B. Polizei oder Feuerwehr notwendig. Aber nicht nur der Verkehr selbst kann das Einsatzpersonal ge-fährden. Bei der Annäherung an die Unfallstelle ist auf den Auslauf von Treibstoff en, rutschige Oberfl ächen, Rauchentwicklung und möglichen Gefahrstoff austritt zu achten.

Einsatz im Gleisbereich

Bei Unfällen mit Schienenfahrzeugen oder Unfällen im Gleisbereich besteht bei unsach-gemäßem Verhalten Lebensgefahr für das Einsatzpersonal . Gefahren entstehen durch:• die Spurgebundenheit der Schienenfahrzeuge – Ausweichen ist unmöglich• Fahrten mit sehr hohen Geschwindigkeiten – teilweise bis 300 km/h• Sogwirkung der schnell fahrenden Schienenfahrzeuge

Abb. 1.2 Verkehrsunfall [M235]

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1 Sicher ist sicher – die Beurteilung der Einsatzstelle

• teilweise sehr niedrige Geräuschpegel der Schienenfahrzeuge (Bsp.: ICE)• Hochspannung (Oberleitungen stehen unter 15 000 Volt Wechselstrom).

Die Deutsche Bahn AG hat ein Notfallmanagement entwickelt. Der Notfallmanager der Deutschen Bahn ist Einsatzleiter bei Unfällen im Bereich von Gleisanlagen (› Tab. 1.1). Im Bereich von großen Bahnhöfen üben die jeweiligen Bahnhofsmana-ger das Notfallmanagement aus. Beim Betreten von nicht gesperrten Gleisen besteht für das Einsatzpersonal Lebensgefahr. Vor dem Betreten der Gleisanlagen muss die Gleissperrung durch den Notfallmanager der Bahn oder die Leitstelle bestätigt sein. Aber auch der Bereich neben nicht gesperrten Gleisen ist sehr gefährlich. Um dem Sog schnell fahrender Züge zu entgehen, empfi ehlt die Deutsche Bahn einen Abstand von 3 Metern zur Gleismitte. Die Deutsche Bahn hat einige Verhaltensregeln für Ein-sätze im Gleisbereich aufgestellt.Die Oberleitungsanlage steht unter 15 000 Volt Spannung. Der sogenannte Fahrdraht befi ndet sich normalerweise in einer Höhe von 5,50 bis 6,00 Metern über der Schie-nenoberkante. Im Bereich von Tunneln oder Brücken kann diese Höhe auf 4,95 Me-ter, teilweise bis auf 4,80 Meter abgesenkt sein. Bei einer alleinigen Abschaltung der Oberleitung können Restspannungen von bis zu 8000 Volt vorhanden sein. Deshalb muss zusätzlich eine Erdung der Oberleitung durchgeführt werden Die Erdung der Oberleitung darf nur von Personen mit besonderer Einweisung vorgenommen wer-den. Neben den bisher genannten Gefahren besteht im Gleisbereich durch den Güter-transport auf der Schiene auch die Gefährdung durch austretende Gefahrstoff e.

Gefahr durch Strom

Stromunfälle sind nicht nur für die betroff enen Patienten gefährlich. Auch für das Ein-satzpersonal besteht in diesen Situationen eine große Gefahr. Die Berührung von unter Strom stehenden Personen und Gegenständen ist unter Umständen lebensgefährlich. Generell unterscheidet man drei Stromarten, den Gleichstrom, den Wechselstrom und

Tab. 1.1 Verhaltensregeln bei Notfällen im Gleisbereich

Verhaltensregel Achtung!Das Gleis nur betreten, wenn es unumgänglich ist Grundsatz auch bei gesperrten Gleisen beachten

Nicht auf Schienenköpfe treten Rutschgefahr, besonders bei feuchter Witterung

Vorsicht bei Weichen Nie zwischen die Weichen treten oder fassen

Nicht im Gleis laufen Große Stolpergefahr durch Schotter und Schienen-befestigung

Sicherheitsabstand zu ab-gestellten Wagen

Der Sicherheitsabstand zu abgestellten Wagen beim Überqueren der Gleise beträgt mindestens 2 Meter

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6 1 Sicher ist sicher – die Beurteilung der Einsatzstelle

1den Drehstrom. Der Wechselstrom ist der typische Haushaltsstrom. Eine weitere Unterscheidung ist in Bezug auf die Span-nung sinnvoll. Man unterscheidet in Nie-derspannung bis 1 Kilovolt (kV), Mittel-spannung von 1–50 kV, Hochspannung von 50–220 kV (› Abb. 1.3) und die Höchstspannung > 220 kV. Je nach Spannungsstärke sind unter-schiedliche Eigensicherungsmaßnahmen notwendig:• Niederspannungsunfälle (< 1 kV)

– Sicherung entfernen bzw. FI-Schutz-schalter in Nullstellung bringen

– Netzstecker ziehen bzw. Gerät abschalten (nur wenn nicht die Unfallursache)– Vor Wiedereinschalten sichern!

• Hochspannungsunfälle (> 1 kV)– mindestens 4 m Sicherheitsabstand einhalten– Freischalten und gegen Wiedereinschalten sichern (nur durch Elektrofachkraft )– Spannungsfreiheit prüfen (nur durch Elektrofachkraft )– Bei am Boden liegenden Hochspannungsleitungen muss der Spannungstrichter

beachtet werden (Mindestabstand 20 m).

Gefahr durch Feuer und Rauch

Brandeinsätze (› Abb. 1.4) gehören seltener zum Alltag des Rettungsfachpersonals. Gefahren bestehen durch gift ige Brandgase , die Ausbreitung von Feuer und Rauch und der Unvorhersehbarkeit der Brandentwicklung. Oft trifft der Rettungsdienst noch vor der Feuerwehr an diesen Einsatzstellen ein. Für das zuerst eintreff ende Personal entsteht großer Druck, Rettungsmaßnahmen durch-zuführen, speziell, wenn z. B. bei einem Gebäudebrand noch Menschen in diesem Ge-bäude sind. Die Erwartungshaltung von Angehörigen, Nachbarn oder Umstehenden erhöht diesen Druck auf das eingesetzte Personal zusätzlich. Schnell stellt sich die Frage, ob das Rettungsfachpersonal das Gebäude trotz Feuer und Rauch betreten soll, um eingeschlossene Menschen zu evakuieren. Das Rettungsfachpersonal muss sich in diesen Situationen folgende Fragen stellen:• Ist das Betreten des Gebäudes sinnvoll und notwendig?• Steht das Vorgehen in Relation zu den Risiken?

Die Gefährdung von eingeschlossenen Personen z. B. in einem anderen Stockwerk ist am Anfang meist nicht sehr groß. Erst das Öff nen einer Eingangstür kann zu einer Ausbrei-tung des Brandrauches führen. Es ist daher sinnvoller, Menschen an den geöff neten

Abb. 1.3 Achtung Hochspannung [M844]

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1 Sicher ist sicher – die Beurteilung der Einsatzstelle

Fenstern ihrer Wohnung zu halten und sie verbal zu betreuen. Statistiken zufolge kommt es in Deutschland jährlich zu ca. 40 000 Fahrzeugbränden. Dement-sprechend häufi g wird das Rettungsfach-personal mit diesen Einsatzsituationen konfrontiert. Durch die Verwendung einer Vielzahl von Kunststoff en im Fahrzeugbau entwickeln sich gefährliche Brandgase, die für Fahrzeuginsassen, Umstehende und das eingesetzte Personal sehr gefährlich werden können. Sind Lösch- bzw. Ret-tungsmaßnahmen erforderlich ist eine Annäherung an das Fahrzeug mit dem Wind notwendig, um sich den toxischen Brandgasen nicht auszusetzen.

Gefährliche Stoff e

Gefährliche Stoff e können dem Rettungs-fachpersonal in allen Einsatzsituationen begegnen. Hierbei handelt es sich häufi g um Chemikalien . Diese kommen in verschiedenen Aggregatszuständen vor, können also fest, fl üssig oder gasförmig sein. Ist bei Unfällen mit Gefahrguttransportern die Ge-fährdung meist off ensichtlich, denkt man bei Notfällen im häuslichen Bereich nicht sofort an das Vorhandensein von gefährlichen Stoff en. Aber gerade im Haushalt ist eine Reihe von gefährlichen Chemikalien zu fi nden, die bei unsachgemäßer Anwen-dung oder Lagerung schnell zu schweren Unfällen führen können. Zu den gefährli-chen Haushaltschemikalien gehören Reinigungsmittel, Farben, Lacke, Klebstoff e und viele andere mehr. Das Rettungsfachpersonal muss sich eine mögliche Gefährdung durch Chemikalien immer, noch vor der Annäherung an Einsatzstellen, bewusst ma-chen. Die Einsatzstelle selbst ist aufmerksam mit den Sinnen zu erfassen. Gibt es aus-gelaufene Flüssigkeiten, auff ällige Gerüche oder ist Rauch bzw. Dampf wahrzuneh-men. Betroff ene Personen und Umstehende sind sorgfältig über den Verletzungsme-chanismus oder die Erkrankungsursache zu befragen. Besteht der Verdacht, dass eine Chemikalie oder ein Chemikaliengemisch Ursache des Notfalls ist, müssen Regeln zur Eigensicherung beachtet werden:• Einsatzstelle aufmerksam mit den Sinnen erfassen• sorgfältige Befragung der betroff enen Person und Umstehenden über Verlet-

zungsmechanismus oder Erkrankungsursache• sind Chemikalien die Ursache des Notfalles, so müssen:

– die betroff enen Bereiche abgeschlossen werden, um eine weitere Gefahrstoff -ausbreitung zu verhindern

Abb. 1.4 Gebäudebrand mit starker Rauchentwicklung [O429]

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1– Gefahrstoffk onzentration in der Luft verringern (Fenster öff nen)– Spezialkräft e nachalarmieren (z. B. Feuerwehr)– Versorgung des Notfallpatienten möglichst nicht im Gefahrenbereich.

Wird schon bei Annäherung an eine Unfallstelle klar, dass ein Gefahrguttransporter beteiligt ist, ist eine frühzeitige Rückmeldung zur Leitstelle wichtig. Die Leitstelle kann so schon sehr früh Spezialkräft e zur Unfallstelle beordern. Das Rettungsfach-personal sollte einen Sicherheitsabstand von 50 Metern einhalten. Nur wenn keine Eigengefährdung besteht, kann eine rettungsdienstliche Versorgung durchgeführt werden. Hierzu müssen die Betroff enen aus dem Gefahrenbereich gebracht werden. Auch von, mit Gefahrstoff en, kontaminierten Personen kann eine erhebliche Gefähr-dung für das eingesetzte Personal ausgehen. Zum Beispiel können Ausdünstungen dieser Personen einen nicht unerheblichen Gift anteil besitzen und vom Einsatzperso-nal über die Atemwege oder die Haut aufgenommen werden und zu Vergift ungs-erscheinungen führen.

Tiere

Nicht nur die exotische Gift schlange, die aus dem Terrarium entwichen ist, stellt eine Gefährdung des Einsatzpersonals dar. Auch sonst eigentlich harmlose oder vom Ein-satzpersonal als harmlos eingeschätzte Haustiere (› Abb. 1.5) können zu einer Ge-fährdung für das Personal an der Einsatz-stelle werden, wenn sie ihrem natürli-chen Instinkt folgen und versuchen ihren Besitzer zu verteidigen.Deshalb ist eine aufmerksame Beobach-tung der Einsatzstelle notwendig. Ein Hinweisschild auf einen Hund oder ein Fressnapf neben dem Hauseingang muss das Einsatzpersonal aufmerksam ma-chen. Sofern das Tier eine Gefährdung für das Personal darstellen kann, muss es von der Einsatzstelle entfernt werden be-vor die Versorgung des Patienten begon-nen wird.

Kriminelle Handlungen

Ob bei einem Drogennotfall, einer Schlägerei auf einem Volksfest oder bei der Ver-sorgung eines Verletzten nach einem Familienstreit, in diesen Situationen ist immer eine Gefährdung des Rettungsfachpersonals möglich. Eine Gefährdung besteht durch

Abb. 1.5 Haustiere – eine mögliche Gefahr für das Rettungspersonal [J787]

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1 Sicher ist sicher – die Beurteilung der Einsatzstelle

Gewalt, die sich gegen das Einsatzpersonal richtet, aber auch durch ungesicherte Waff en die sich im Umfeld des Notfallpatienten befi nden. Das Rettungsfachpersonal ist in solchen Situationen besonders gefordert, die Eigengefährdung einzuschätzen und bei Unsicherheit der Einsatzstelle diese nicht zu betreten. Ein Betreten solcher Einsatzstellen ist erst dann wieder möglich, wenn die Einsatzstelle durch die Polizei gesichert wurde. Rettungsfachpersonal das Einsatzstellen nach kriminellen Handlun-gen betreten hat, muss immer darauf achten, ob sich das Umfeld an der Einsatzstelle verändert. Ein Weg für einen schnellen Rückzug von der Einsatzstelle muss dem Ein-satzpersonal immer zur Verfügung ste-hen. Steigt z. B. die Gewaltbereitschaft an der Einsatzstelle und eine akute Gefähr-dung des Einsatzpersonals ist nicht mehr sicher auszuschließen, muss sich das Per-sonal umgehend von der Einsatzstelle entfernen. Hierbei ist die Mitnahme des notfallmedizinischen Equipments mehr als unwichtig. An der Einsatzstelle muss nach möglichen Waff en geschaut wer-den. Als Waff en dürfen hierbei aber nicht nur Schusswaff en oder Messer gesehen werden. Viele Gegenstände können bei entsprechendem Gewaltpotential gegen das Rettungsfachpersonal als Waff e ein-gesetzt werden.

1.2 Persönliche Schutzausrüstung

Die persönliche Schutzausrüstung (› Abb. 1.6) ist zur Erhaltung der Ge-sundheit des Rettungsfachpersonals sehr wichtig. Für das Rettungsfachpersonal ist die persönliche Schutzausrüstung in der DGUV Regel 105–003 der Deutschen Ge-setzlichen Unfallversicherung festgelegt. Unternehmen, die Rettungsdienst und Krankentransport anbieten, müssen ihren Mitarbeitern eine individuelle per-sönliche Schutzausrüstung in ausrei-chender Anzahl zur Verfügung stellen. In

Abb. 1.6 Rettungsfachpersonal in kompletter Schutzausrüstung [M844]

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10 1 Sicher ist sicher – die Beurteilung der Einsatzstelle

1besonderen Fällen ist es möglich, dass die persönliche Schutzausrüstung von mehre-ren Mitarbeitern gemeinsam genutzt wird. In diesen Fällen muss der Unternehmer sicherstellen, dass durch die gemeinsam genutzten Schutzausrüstungen weder hygie-nische Probleme, noch gesundheitliche Gefahren für die Mitarbeiter entstehen. Die Art der Schutzausrüstung wird anhand einer Gefährdungsbeurteilung für das Ret-tungsfachpersonal festgelegt. Rettungsfachpersonal benötigt hiernach:• Kopf-, Augen- und Gesichtsschutz• Schutzkleidung• Fußschutz• Handschutz.

Auf allen Einsatzfahrzeugen des Rettungsdienstes ist je ein Schutzhelm nach DIN EN 443, (Feuerwehrhelm) pro Besatzungsmitglied vorzuhalten. Bei gemeinsamer Nut-zung müssen hygienische Ansprüche, z. B. durch Verwendung einer so genannten Papierschonmütze, gewährleistet werden. Der Helm muss mit Visier und Nacken-schutz ausgestattet sein.Unabhängig vom Visier muss für jedes Besatzungsmitglied eine Schutzbrille als Spritzschutz vorhanden sein. Handschutz, Fußschutz und die Schutzbekleidung ist nach den Europäischen Normen (EN) festgelegt. Die Schutzkleidung muss ausrei-chenden Schutz vor Gefahren im öff entlichen Verkehrsraum, Schutz vor klimatischen Einwirkungen und begrenzten Schutz vor Flamme und Hitze bieten. Zum Schutz vor Infektionen müssen entsprechende Schutzbekleidungen vorhanden sein. Hierzu ge-hören fl üssigkeitsdichte Einmalhandschuhe, evtl. Einwegschutzanzüge oder -kittel und ein Gesichts- bzw. Mundschutz. Regelungen hierzu fi ndet man in TRBA 250 (Quelle: http://baua.de).

M E R K ESchutzbekleidung kann noch so funktionell und sicher sein. Wenn sie nicht kor-rekt getragen wird, kann sie nicht schützen.

1.3 Beurteilung des Verletzungs-mechanismus

Der Verletzungsmechanismus beschreibt wie eine Verletzung entstanden ist und wel-che Kräft e hierbei auf den Körper eines Menschen eingewirkt haben. Die Beurteilung des Verletzungsmechanismus gibt wertvolle Hinweise auf mögliche schwere Verlet-zungen des Patienten. In manchen Situationen ist der Verletzungsmechanismus der einzige Anhaltspunkt für versteckte Verletzungen. Unfallforschung über viele Jahre hat geholfen signifi kante Verletzungsmechanismen (› Tab. 1.2) zu erkennen, die häufi g schwere Verletzungen verursachen.

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1 Sicher ist sicher – die Beurteilung der Einsatzstelle

Um Verletzungsmechanismen korrekt einzuschätzen, muss zuerst ein kleiner Aus-fl ug in die Physik unternommen werden. Das Trägheitsgesetz nach Newton ist hier-bei von besonderer Bedeutung. Frei übersetzt lautet das Trägheitsgesetz:

I N F OEin Körper bleibt in Ruhe oder gleichförmiger, gradliniger Bewegung, solange keine Kraft auf ihn einwirkt. Der Körper ändert seinen Bewegungszustand, wenn Kräfte auf ihn einwirken. Er wird dann entweder beschleunigt, verzögert oder er ändert die Richtung seiner Bewegung.

Übertragen auf den Fahrer eines PKW bedeutet dies: Wenn das Fahrzeug mit einer Geschwindigkeit von 80 km/h auf einer Straße entlang fährt, bewegt sich der Körper des Fahrers mit der gleichen Geschwindigkeit. Wichtig zu beachten ist hierbei, dass sich mit dem Körper selbstverständlich auch die inneren Organe mit der gleichen Ge-schwindigkeit bewegen. Fährt das Fahrzeug mit der gleichen Geschwindigkeit gegen ein feststehendes Hindernis, wird nicht nur das Fahrzeug in kürzester Zeit abgebremst. Während das Fahrzeug mit seinen Knautschzonen noch einwirkende Kräft e resorbie-ren kann, fehlen dem Körper und den inneren Organen diese Möglichkeit. Die Kräft e wirken ohne Abschwächung auf Körper und Organe ein. Um einen Verletzungsme-chanismus zu beurteilen, müssen folgende allgemeine Fragen gestellt werden:• Welche Kraft hat auf den Körper eingewirkt?• Wie lange hat die Kraft auf den Körper eingewirkt?• Welche Körperregionen waren der Kraft einwirkung ausgesetzt?

Übertragen auf einen Verkehrsunfall mit einem PKW müssen folgende Fragen ge-stellt werden:• Mit welcher Geschwindigkeit ist das Fahrzeug gefahren als es zu dem Aufprall kam?• Gegen welchen Gegenstand (feststehend oder beweglich) ist das Fahrzeug geprallt?

Tab. 1.2 Signifi kante Verletzungsmechanismen

Patient wurde aus dem Fahrzeug geschleudert

Tod einer anderen Person im selben Fahrzeug

Stürze aus einer Höhe > 3 Meter

Fahrzeugüberschlag

Fahrzeugkollisionen mit hoher Geschwindigkeit ≥ 55 km/h

Fussgänger-Fahrzeugkollisionen

Motorradunfälle

Nicht ansprechbare Patienten/Patienten mit Bewusstseinsstörungen nach Unfall

Penetrierende Traumen an Kopf, Thorax und Abdomen

Bei Kindern:

Stürze aus einer Höhe, die der zweifachen Körpergröße des Kindes entsprechen

Fahrradunfälle

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1• Wo und welche Verformungen sind außen am Fahrzeug feststellbar?• Welche Beschädigungen oder Verformungen sind im Fahrzeuginneren zu fi nden?• Waren die Fahrzeuginsassen korrekt angegurtet und haben sich die Airbags, so-

fern vorhanden, geöff net?

Patienten, die in Unfälle mit großer Energie verwickelt waren, haben wahrscheinlich schwere Verletzungen davongetragen. Es ist wichtig zu beurteilen, ob es sich um einen generalisierten Verletzungsmechanismus handelt. Also ob die Kräft e auf den gesamten Körper eingewirkt haben oder ob es sich um einen fokussierten Verlet-zungsmechanismus handelt und die Kräft e dementsprechend nur isoliert auf den Körper eingewirkt haben. Ein Beispiel für einen generalisierten Verletzungsmecha-nismus ist ein Sturz aus großer Höhe. Während ein Messerstich in den Oberschenkel einen fokussierten Verletzungsmechanismus darstellt. Nicht immer ist der Verlet-zungsmechanismus off ensichtlich. Fragen an den Betroff enen und Unfallzeugen kön-nen helfen den Verletzungsmechanismus festzustellen. Eine Entscheidung, ob man eine schnelle Traumauntersuchung und einen zügigen Transport in eine Klinik durchführt, sollte anhand des Verletzungsmechanismus gefällt werden. Nicht immer sind Traumapatienten trotz ihrer schweren Verletzungen bei der initialen Beurtei-lung kritisch. Fünf bis fünfzehn Prozent dieser Patienten haben initial normale Vital-zeichen und keine äußerlich sichtbaren Verletzungen.

M E R K EVerletzungsmechanismen können oft die einzigen Hinweise auf schwere Ver-letzungen sein.

1.4 Art der ErkrankungBei der Versorgung eines Traumapatienten gibt die Beurteilung des Verletzungsme-chanismus wichtige Hinweise auf mögliche Verletzungen. Während der initialen Be-urteilung von Nicht-Traumapatienten hilft es die Art der Erkrankung zu bestimmen. Diese ergibt sich oft aus den Hauptbeschwerden des Patienten, die häufi g der Grund für die Alarmierung des Rettungsdienstes sind. In dieser frühen Phase ist es sinnvoll den Patienten in grobe Kategorien, wie z. B. Patient mit Atemnot oder Patient mit einer allergischen Reaktion, einzustufen. Die Einsatzstelle selbst kann hierbei wichti-ge Hinweise geben. Medikamentenschachteln, Dosieraerosole, leere Flaschen etc. können wichtige Hinweise auf die Art der Erkrankung geben. Die wertvollsten Hin-weise über den Patienten kann der Patient selbst geben. Es ist wichtig frühzeitig Fra-gen in Bezug auf das Ereignis zu stellen. Ist ein Patient nicht mehr ansprechbar kön-nen Angehörige oder Umstehende eventuell Informationen liefern.

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1 Sicher ist sicher – die Beurteilung der Einsatzstelle

1.5 PatientenanzahlUnabhängig davon um welche Einsatzsituation es sich handelt, die Patientenanzahl muss in der Phase der Beurteilung der Einsatzstelle bestimmt werden. Sind mehrere Patienten an einer Einsatzstelle vorhanden, müssen frühzeitig weitere Einsatzkräft e nachalarmiert werden, um allen Patienten eine adäquate Versorgung zu kommen zu lassen.

1.6 Bewegungseinschränkung der HWSSchon in dieser Phase muss an eine Bewegungseinschränkung der HWS gedacht wer-den, insbesondere wenn der Verletzungsmechanismus eine Schädigung der Halswir-belsäule vermuten lässt. Hierzu wird der Kopf des Patienten durch einen Helfer in Neutralposition ruhiggestellt. Diese manuelle Bewegungseinschränkung sollte bis zur defi nitiven Bewegungseinschränkung mit geeigneten Hilfsmitteln aufrechterhalten werden.

1.7 Testen Sie Ihr Wissen1. Wodurch ist das Einsatzpersonal bei Verkehrsunfällen auf Autobahnen beson-

ders gefährdet?a. rutschigen Untergrundb. auslaufende Kraft stoff ec. mit hoher Geschwindigkeit fahrende Fahrzeuged. am Boden liegende Stromleitungen

2. Welchen Sicherheitsabstand zur Gleismitte empfi ehlt die Deutsche Bahn wegen der Sogwirkung schnell fahrender Züge?a. 0,5 Meterb. 1 Meterc. 3 Meterd. 2 Meter

3. Wann darf ein Gleis bei Unfällen im Gleisbereich betreten werden?a. wenn kein Zug zu sehen istb. nur nach Bestätigung der Gleissperrung durch Notfallmanager oder Leitstellec. immer, da die Patienten schnell versorgt werden müssend. Gleise können immer betreten werden, da man die Züge gut hören kann

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14 1 Sicher ist sicher – die Beurteilung der Einsatzstelle

14. Von Niederspannung spricht man bis zu einer Spannung von …

a. 10–50 kVb. bis 1 kVc. 50–220 kVd. 5–10 kV

5. Welcher Sicherheitsabstand (Spannungstrichter) muss bei am Boden liegenden Hochspannungsleitungen unbedingt eingehalten werden?a. 5 Meterb. 1 Meterc. 20 Meterd. 4 Meter

6. Der Rettungswagen ist bei einem Gebäudebrand mit Personen im Gebäude als erstes Fahrzeug eingetroff en. Welche Maßnahme sollte der Rettungsdienst vor dem Eintreff en der Feuerwehr durchführen?a. Eingangstür des Gebäudes öff nen, um den Brandrauch abziehen zu lassenb. Personen an den geöff neten Fenstern ihrer Wohnung halten und betreuenc. Rettungsversuch mit Leiter unternehmend. Versorgung der Patienten im brennenden Haus

7. Wie groß sollte der Sicherheitsabstand zu einem verunfallten Gefahrguttranspor-ter sein?a. 50 Meterb. 5 Meterc. 10 Meterd. 20 Meter

8. Wie ist mit Tieren, von denen eine Gefährdung für das Einsatzpersonal ausgehen kann, an Einsatzstellen zu verfahren?a. Tiere einfach nicht beachtenb. Hunde durch verbalen Zuspruch beruhigenc. Tiere von der Einsatzstelle entfernen lassend. von Haustieren z. B. Hunden geht keine Gefährdung für das Einsatzpersonal

aus9. In welcher Regel ist die persönliche Schutzausrüstung für das Personal im Ret-

tungsdienst geregelt?a. TvÖDb. Rettungsdienstgesetze der Länderc. PDV/DV 810d. DGUV Regel 105–003

10. Welcher der genannten Verletzungsmechanismen zählt nicht zu den signifi kan-ten Verletzungsmechanismen?a. Sturz aus großer Höheb. Fahrzeugüberschlagc. Amputation des Ringfi ngersd. Fahrzeugkollisionen mit hoher Geschwindigkeit ≥ 55 km/h

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2KAPITEL

2 ABCDE – Die initiale Beurteilung

2.1 Der Ersteindruck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

2.2 Bewusstseinsgrad und Orientierung . . . . . . . . . . . . . . . . 19

2.3 „A“ wie Airway – der Atemweg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

2.4 „B“ wie Breathing – die Atmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

2.5 „C“ wie Circulation – der Kreislauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

2.6 „D“ und „E“ – Disability und Exposure/Environment . . . 27

2.7 ABCDE Sonderfall: Lebensbedrohliche Blutung . . . . . . . . 27

2.8 Testen Sie Ihr Wissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

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16 2 ABCDE – Die initiale Beurteilung

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Lernziele

Nach Durcharbeiten des Kapitels kennen Sie• die Notwendigkeit eines systematischen Vorgehens• das Prinzip hinter ABCDE• die Maßnahmen zur Beurteilung des Atemwegs, der Atmung und des Kreislaufs

Fallbeispiel

Alarm für den Rettungswagen zu einem Notfall in einem Büro. Auf dem Weg vom Rettungswagen zum Büro berichtet ein Arbeitskollege, dass sein Kollege sich den ganzen Morgen schon nicht wohl gefühlt hat. Plötzlich habe er die Augen verdreht und sei langsam vom Stuhl auf den Boden gerutscht. Der Rettungsdienst wurde sofort alarmiert, auch weil sich alle im Büro mit der Ersten Hilfe nicht gut auskennen. Im Büro angekommen fi ndet das Team des Rettungswagens einen Mann neben seinem Schreibtisch liegend vor. Die Einsatzstelle wird als sicher eingestuft . Schon von der Eingangstür des Büros sieht man, dass der Mann eine aschfahle Hautfarbe hat, es ist ein schnarchendes Atemgeräusch zu hören. Auf laute Ansprache reagiert er nicht. Der Teamführer begibt sich umgehend zum Patienten und rüttelt diesen vorsichtig an den Schultern, auch hierauf reagiert der Mann nicht. Der Teamführer macht um-gehend den Atemweg durch Überstrecken des Kopfes und Anheben des Kinns frei. Das schnarchende Atemgeräusch verschwindet. Während der zweite Kollege des RTW den Sauerstoff vorbereitet, überprüft der Teamführer die Atmung. Der Patient atmet mit normaler Frequenz und ausreichendem Atemzugvolumen. Die Haut des Patienten ist kaltschweißig. Der Puls ist am Handgelenk (Radialispuls) gut tastbar, rhythmisch und in normaler Geschwindigkeit. In der Zwischenzeit appliziert der an-dere Notfallsanitäter hoch dosiert Sauerstoff (15 l/min) über eine Maske mit Reser-voirsystem und hält den Atemweg mittels modifi ziertem Esmarch-Handgriff frei. Der Teamführer lässt umgehend durch den Arbeitskollegen den Notarzt nachfordern und untersucht den Patienten nun von Kopf nach Fuß. Hierbei ergibt sich kein Anhalt für Verletzungen, jedoch hat der Patient eingenässt. Vom Teamführer werden umgehend die Vitalzeichen erhoben. Diese ergeben:• eine Atemfrequenz von 20/min• eine Pulsfrequenz 90/min• RR 100/70• die Sauerstoff sättigung liegt bei 95 % SpO2.

Die Pupillen des Patienten sind seitengleich, rund und reagieren auf Lichteinfall. Der Blutzucker liegt bei 20 mg/dl. Der Teamführer installiert einen peripher-venösen Zu-gang und appliziert hierüber 10 g Glukose. Kurze Zeit später wird der Patient zuneh-mend wach. Eine erneute Blutzuckerkontrolle ergibt jetzt einen Wert von 60 mg/dl.

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2 ABCDE – Die initiale Beurteilung

Die initiale Beurteilung von Patienten (› Abb. 2.1) ist eine zügige und systematische Untersuchung der lebensnotwendigen Funktionen des Patienten nach dem AB-CDE-Schema. Der Helfer benötigt hierfür keine Geräte, sondern nur die Sinne Sehen, Hören und Fühlen. Die Beurteilung eines ansprechbaren Patienten kann in weniger als 10 Sekunden durchgeführt werden. Bei nicht-ansprechbaren Patienten benötigt der Helfer maximal 20–30 Sekunden für die initiale Beurteilung. Ein konsequentes Vorgehen nach dem ABCDE-Schema hilft gerade in hektischen und unübersichtli-chen Notfallsituationen immer systematisch zu arbeiten und zum richtigen Zeitpunkt das Richtige zu tun. Dem ABCDE-Schema liegt das Prinzip zugrunde, immer zuerst das zu behandeln, was unbehandelt schnell zum Tod eines Menschen führt.

„Treat fi rst, what kills fi rst.“

Die Beurteilung eines Patienten darf nur bei einer Atemwegsverlegung oder einem Kreislaufstillstand unterbrochen werden. Diese Probleme können von einem Helfer alleine nicht behoben werden. In allen anderen Situationen sollte der Untersuchende die Maßnahmen anordnen, die von weiteren Helfern durchgeführt werden. Eine

Beurteilung der Einsatzstelle

Initiale Beurteilung

Abb. 2.1 Algorithmus Initiale Beurteilung [M844]

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Unterscheidung, ob es sich um einen Traumapatienten oder einen Nicht-Traumapa-tienten handelt, wird in dieser Phase noch nicht getroff en. Erst wenn die Beurteilung der Einsatzstelle und die initiale Beurteilung abgeschlossen sind, ist eine Diff erenzie-rung in Trauma- oder Nicht-Traumapatienten sinnvoll. Allerdings lässt sich für beide Patientengruppen schon jetzt ermitteln, ob es sich um einen nicht kritischen oder kritischen Patienten handelt.

2.1 Der Ersteindruck Der Ersteindruck ist eine systematische Sammlung von Hinweisen über den Zustand des Patienten (› Abb. 2.2). Schon bei Annäherung an einen Patienten erhält das Ret-tungsfachpersonal viele Hinweise über seinen Notfallpatienten. Alter, Geschlecht, Auffi ndesituation, Verhalten und Umfeld müssen schon bei der Annäherung an die Notfallstelle bewusst aufgenommen wer-den. In dieser frühen Phase ist häufi g schon zu ermitteln, ob es sich um einen nicht kritischen oder kritischen Patienten handelt. Ein Autofahrer beispielsweise, der mit bläulicher Hautfarbe regungslos über das Lenkrad des Fahrzeuges gebeugt liegt und nicht auf Ansprache reagiert, be-fi ndet sich höchst wahrscheinlich in aku-ter Lebensgefahr und eine zügige Beurtei-lung und Behandlung ist erforderlich. Während der Lagerarbeiter, der ansprech-bar und voll orientiert von der Quet-schung seines Unterarmes berichtet, auf-grund fehlender Lebensgefahr kein kriti-scher Patient ist und somit für die Beurtei-lung und Behandlung mehr Zeit zur Verfügung steht.

Abb. 2.2 Person in „Kutscherhaltung“ [M844]

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2.2 Bewusstseinsgrad und Orientierung

Auch wenn das ABCDE-Schema mit der Beurteilung des Atemwegs beginnt, werden Bewusstseinsgrad und Orientierung des Patienten schon beim ersten Kontakt festge-stellt. Die laute Ansprache des Patienten, die Vorstellung des Rettungsteams und die Frage nach dem Problem des Patien-ten klären den Bewusstseinsgrad und die Orientierung. Reagiert der Patient ad-äquat auf die Fragen ist er wach und an-sprechbar. Um den Bewusstseinsgrad eines Patienten schnell einzustufen, hat sich das AVPU-Schema (› Tab. 2.1) als sehr hilfreich erwiesen. Dieses Schema stellt eine kurze und einfache Untertei-lung der verschiedenen Bewusstseinsgra-de dar und ist ausreichend für diese Pha-se der Beurteilung. Alle Einstufungen des Bewusstseinsgrades unterhalb von „A“, müssen den Helfer dazu veranlassen im Laufe der Beurteilung nach den Ursa-chen für das verminderte Bewusstsein zu suchen.

2.3 „A“ wie Airway – der AtemwegOhne einen off enen Atemweg ist der Mensch nicht in der Lage den lebenswichtigen Sauerstoff aufzunehmen und das Kohlendioxid abzugeben. Aus diesem Grund muss der Atemweg eines Patienten zuerst beurteilt werden. Ansprechbare Patienten ma-chen eine Beurteilung einfach. Wer spricht hat einen off enen Atemweg. Allerdings sollte sich das Rettungsteam immer bewusst sein, dass sich ein off ener Atemweg, z. B.

Abb. 2.3 Setzen eines Schmerzreizes [M844]

Tab. 2.1 AVPU-Schema

A Lert Patient ist wach, ansprechbar und orientiert

V erbal response Patient reagiert nur auf laute Ansprache

P ainful stimuli Patient reagiert nur auf Schmerzreiz (› Abb. 2.3)

U nresponsive Patient ist nicht ansprechbar – Achtung: Atemweg freima-chen

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2durch eine Veränderung der Bewusstseinslage des Patienten schnell verschließen kann. Patienten mit vermindertem oder gar erloschenem Bewusstsein sind in großer Gefahr eine Atemwegsverlegung (› Tab. 2.2) zu erleiden. Bei diesen Patienten sind die lebensnotwendigen Schutzrefl exe wie Schlucken oder Husten oft nicht mehr vor-handen.Abnorme Atemgeräusche bei der Einatmung müssen den Helfer auf eine Atemwegs-verlegung aufmerksam machen. Ein schnarchendes Atemgeräusch z. B. weist auf eine Verlegung der Atemwege durch die Weichteile des Rachenraumes hin. Neuere Untersuchungen haben gezeigt, dass es sich hierbei in erster Linie nicht um die Zunge handelt, die den Atemweg verlegt, sondern generell um die Weichteile im Rachenraum. Die Epiglottis z. B. verliert ihren Tonus und verschließt den Atemweg. Bei Hinweisen auf eine Atemwegsverlegung muss sofort gehandelt werden. Manchmal reichen einfache Maßnahmen aus, um einen Atemweg freizumachen. Bei einer nicht-ansprechbaren Person, bei der sicher kein Verdacht auf eine Verletzung der Halswirbelsäule besteht, wird zum Freimachen des Atemwegs der Kopf über-streckt und das Kinn angehoben (› Abb. 2.4). Hierzu legt der Helfer eine Hand auf die Stirn und die andere Hand unter das Kinn des Patienten. Nun wird der Kopf nach hinten überstreckt und das Kinn angehoben. Wichtig ist hierbei, insbesondere bei Kindern , dass die Finger nicht die Halsweich-teile komprimieren, sondern auf den Unterkieferknochen aufgelegt werden. Bei Neu-geborenen und Säuglingen ist das Überstrecken des Kopfes kontraindiziert. Es würde, aufgrund der anatomischen Besonderheiten dieses Alters, zu einer weiteren Verle-gung der Atemwege führen. Kindern in dieser Altersgruppe wird der Atemweg frei-gemacht, indem der Kopf in Neutralposition (Schnüff elposition ) gehalten und nur das Kinn angehoben wird.Eine weitere Methode zum Freimachen der Atemwege ist der Esmarch-Handgriff (› Abb. 2.5). Da aber bei der Anwendung des Esmarch-Handgriff s der Kopf über-streckt wird, darf auch diese Methode bei Verdacht auf eine Verletzung der Halswir-belsäule nicht angewendet werden.

Tab. 2.2 Akustische Hinweise auf Atemwegsverlegungen

Pfeifendes Atemge-räusch bei der Einat-mung (Stridor)

Hinweis auf Verlegung der oberen Atemwege durch Schwellung der Schleimhäute z. B. bei einer allergi-schen Reaktion

Schnarchendes Atem-geräusch Verlust des Tonus der Weichteile im Rachenraum

Gurgeln, glucksendes Atemgeräusch Flüssigkeiten im Mund-Rachenraum

Fehlendes Atemge-räusch

Komplette Verlegung der oberen Atemwege, Atemstill-stand

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I N F OJohann Friedrich August von Esmarch (1823–1908), deutscher Arzt. Veröff entli-chung seines Werkes „Handbuch der kriegschirurgischen Techniken“ im Jahr 1877. Hierin wird von ihm auch der Esmarch-Handgriff zum Freimachen der Atemwege das erste Mal beschrieben.

Abb. 2.4 Freimachen der Atemwege [M844]

Abb. 2.5 Esmarch-Handgriff [M844]

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Um bei Traumapatienten den Atemweg freizumachen, ist der modifi zierte Es-march-Handgriff (› Abb. 2.6) anzuwenden. Hierbei wird der Kopf des Patienten in Neutralposition gehalten und mit den Fingern der Unterkiefer nach oben geschoben. Um den Atemweg nach Anwendung einer dieser Maßnahmen weiterhin freizuhalten, können Hilfsmittel wie ein Oropharyngealtubus (Guedel-Tubus ) oder ein Nasopha-ryngealtubus (Wendl-Tubus ) eingelegt werden. Doch sowohl der Oropharyngealtu-bus, als auch der Nasopharyngealtubus bringen einige Gefahren mit sich. Die Einlage eines Oropharyngealtubus bei noch nicht komplett erloschenen Schutzrefl exen, kann zum Auslösen von Erbrechen oder gar zum Auslösen eines Laryngospasmus führen. Bei diesen Patienten ist die Anwendung eines Nasopharyngealtubus sicherer. Aber auch bei der Verwendung dieses Tubus können Probleme entstehen. Insbesondere dann, wenn die Länge des Tubus zu groß gewählt wurde, besteht auch hier die Gefahr Erbrechen oder einen Laryngospasmus auszulösen. Bei Patienten mit Verdacht auf eine Schädel-Basis-Fraktur ist eine Einlage des Nasopharyngealtubus in die Schädel-höhle möglich, aber bisher selten vorgekommen. Für die meisten Erwachsenen kön-nen Nasopharyngealtuben der Innendurchmessergrößen 6–7 (› Tab. 2.3) verwen-det werden. Das Abmessen der korrekten Länge eines Nasopharyngealtubus ist ein-

Abb. 2.6 Modifi zierter Esmarch-Handgriff [M844]

Tab. 2.3 Größentabelle Nasopharyngealtuben für Erwachsene

Innendurchmesser (mm) Außendurchmesser (mm) Länge (mm)6,0 8,67 170

6,5 9,33 170

7,0 10,00 170

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fach, aber wichtig. Die korrekte Länge reicht von der Nasenspitze des Patienten bis zum Ohrläppchen (› Abb. 2.7). Kann der Atemweg auch durch diese Maßnahmen nicht freigemacht bzw. freigehal-ten werden ist es notwendig invasivere Methoden anzuwenden. Hierzu gehört das Absaugen mit einem ausreichend großen Absaugschlauch, die Verwendung von sup-raglottischen Atemwegshilfen wie dem Larynx-Tubus , die endotracheale Intubation oder auch die Koniotomie. Natürlich dürfen alle Maßnahmen nur von dem angewen-det werden, der diese auch sicher beherrscht. Bevor der Atemweg des Patienten nicht beurteilt und falls notwendig freigemacht und freigehalten ist, darf die Beurteilung des Notfallpatienten nicht weitergeführt werden.

M E R K EJede Atemwegsbehinderung reduziert oder verhindert den Sauerstoff transport in das Gewebe und ist als absolut lebensbedrohlich einzustufen. Eine sofortige Behandlung der Störung ist notwendig.

2.4 „B“ wie Breathing – die AtmungDie Beurteilung der Atmung ist der zweite wichtige Schritt der initialen Beurteilung von Notfallpatienten. Die Atmung kann erst beurteilt werden, wenn der Atemweg frei ist. Der Helfer muss sich bei der Beurteilung der Atmung immer folgende Fragen stellen:• Atmet der Patient?• Kann der Patient ohne Unterbrechung zum Atmen sprechen?

Abb. 2.7 Abmessen eines Wendl-Tubus [K115]

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Sicher in der Ersteinschätzung