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Abenteuer Kamerun Teil 5 Jedes Jahr am 11. Februar findet in Kamerun das Fête de la Jeunesse statt. Alle schulen paradieren dann auf der Strasse in ihren Schuluniformen, die vorher auf Hochglanz gebracht werden, denn die Schulen werden nach ihren Auftritten beim Défilée beurteilt. Früher gab es bei den Manodachakindern immer betrübte Gesichter an diesem Tag, weil sie fürchteten, dass ihre Schulen schlecht abschneiden würden an diesem grossen Tag, weil sie aus der Reihe stachen: Sie hatten nicht die richtigen Schuhe! Als Ann dies einmal erfuhr, fand sie unter den Spendern in der Schweiz jemanden, der den Kindern die richtigen Schuhe für diesen Tag bezahlte. Seither ist der Tag eine ungetrübte Freude. Richtig dazu gehören ist doch so wichtig! Die Kinder und Jugendlichen hätten es sehr gerne gehabt, wenn wir diesen Tag auch noch mit ihnen verbracht hätten. Bei andern Kinder kommen doch jeweils die Eltern zuschauen… Aber sie sind in so verschiedenen Schulen, dass es unmöglich gewesen wäre, bei allen zuzuschauen. Wir hatten andere Pläne und reisten früh am Morgen ab. Um sechs Uhr hatte Père Philipp versprochen, uns abzuholen. Wir standen sehr lange wartend mit allen Koffern vor dem Haus… das ist Afrika. Dann aber brachte er uns zum Busbahnhof. Dort stand bereits einer der grossen Busse bereit. Das Ticket muss an einem Schalter bezahlt werden. Soweit so gut.

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Page 1: Abenteuer Kamerun Teil 4 - manodacha.ch Kameru… · Abenteuer Kamerun Teil 5 Jedes Jahr am 11. Februar findet in Kamerun das Fête de la Jeunesse statt. Alle schulen paradieren dann

Abenteuer Kamerun Teil 5

Jedes Jahr am 11. Februar findet in Kamerun das Fête de la Jeunesse statt. Alle schulen paradieren dann auf der Strasse in ihren Schuluniformen, die vorher auf Hochglanz gebracht werden, denn die Schulen werden nach ihren Auftritten beim Défilée beurteilt. Früher gab es bei den Manodachakindern immer betrübte Gesichter an diesem Tag, weil sie fürchteten, dass ihre Schulen schlecht abschneiden würden an diesem grossen Tag, weil sie aus der Reihe stachen: Sie hatten nicht die richtigen Schuhe! Als Ann dies einmal erfuhr, fand sie unter den Spendern in der Schweiz jemanden, der den Kindern die richtigen Schuhe für diesen Tag bezahlte. Seither ist der Tag eine ungetrübte Freude. Richtig dazu gehören ist doch so wichtig!Die Kinder und Jugendlichen hätten es sehr gerne gehabt, wenn wir diesen Tag auch noch mit ihnen verbracht hätten. Bei andern Kinder kommen doch jeweils die Eltern zuschauen… Aber sie sind in so verschiedenen Schulen, dass es unmöglich gewesen wäre, bei allen zuzuschauen.

Wir hatten andere Pläne und reisten früh am Morgen ab. Um sechs Uhr hatte Père Philipp versprochen, uns abzuholen. Wir standen sehr lange wartend mit allen Koffern vor dem Haus… das ist Afrika.

Dann aber brachte er uns zum Busbahnhof. Dort stand bereits einer der grossen Busse bereit. Das Ticket muss an einem Schalter bezahlt werden. Soweit so gut.

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Dann aber ging das grosse Feilschen los mit den Gepäckverantwortlichen, wie viel wir pro Koffer noch bezahlen müssten, damit die auch mitreisen durften. Der eine verlangte für die Reise der Koffer mehr als die Tickets für uns beide gekostet hatten und wir hatten doch immerhin Sitzplätze. Wir waren froh, dass Philipp diese Verhandlung für uns übernahm, denn wir hätten als Weisse auf jeden Fall mehr bezahlen müssen. Wir sehen danach aus, dass man uns ausnehmen könnte. Der Abschied fiel schwer!

Die grossen Busse sind genau wie unsere Cars. Einfach ziemlich viel älter und klappriger und damit mehr Leute reinpassen gibt es pro Reihe fünf Plätze nebeneinander. Die Sitzbreite ist keinesfalls für afrikanische Mamans ausgelegt! Wer zuerst sitzt, macht sich breit. Wir hatten keine Fensterplätze, sondern die Plätze links und rechts vom Gang. Somit mussten wir alle andern erst in die Reihe lassen und bis wir uns setzen konnten, war der Platz schon enorm eng. Ann und ich hatten je ein bisschen mehr als einen halben Platz zur Verfügung und wurden an die Armlehnen gequetscht. Irgendwann wechselten wir unsere Plätze, um die Quetscherei beidseitig auszugleichen. Um zwanzig vor acht war der Bus schon voll und die Fahrt konnte los gehen. Der Chauffeur fuhr sehr angenehm. Mit der Zeit wurde es immer heisser und die menschlichen Gerüche im Bus penetranter.So fährt man dann rund fünf Stunden. Die Plätze sind etwas unlogisch hinter den Sitzen angeschrieben, was wohl täglich zu grossen Diskussionen führt, denn der Schaffner erklärte mit der Geduld eines Gebirgsmulis immer wieder: „Man muss ich auf die Nummer setzen und nicht dahinter“. Obwohl man die Nummer nur sieht, wenn man dahinter sitzt… Jedenfalls gab es unterwegs einen riesengrossen Streit, erst unter zwei Personen und am Ende diskutierte und kreischte der ganze hintere Busteil mit. Hätte es mehr Platz gehabt, es wäre ein wildes Handgemenge entstanden. Ann sagte, sie hätte dies extra so organisiert, damit ich unterwegs etwas Unterhaltung hätte. Klar!Für Entertainment sorgte aber bereits ein anderer. Kurz nach dem Start in Bafoussam stand einer auf und lieferte in grosser Lautstärke eine Verkaufsschau. Wie bei uns an einem Markt oder auf gewissen TV-Kanälen, mit dem Unterschied, dass wir alle nicht weglaufen konnten. Aber viele Leute scheinen diese Art zu mögen, denn sie antworteten ihm auf seine Fragen. Er brachte es fertig, fast den ganzen Weg ununterbrochen zu referieren (bis auf die Zeit mit dem Streit hinten, da musste er unterbrechen). Er verkaufte Nahrungsergänzungsmittel und machte darum viele Exkurse in die Medizin, mit einem verblüffenden Halbwissen. Oder wusstet ihr, dass man nur für zehn Tage Kalziumtabletten zu nehmen braucht, um Rheuma für immer los zu sein? Oder gegen Geschlechtskrankheiten hilft Ginseng!

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Auf jeden Fall hat er einige Tabletten und Salben verkauft. Ob die Käufer damit glücklich wurden. Uns liess er einfach in Ruhe. Auch sonst lassen die Kameruner uns meistens in Ruhe, so dass man sich friedlich unter ihnen bewegen kann, ausser ein paar Rufe „la Blanche“. Das ist sehr angenehm und hat damit zu tun, dass noch wenig Tourismus im Land ist.Dann mussten wir umsteigen in den Bus nach Limbe. Nun gab es keine grossen Busse und keine reservierten Plätze mehr. Auch die kleinen Busse fahren erst, wenn sie voll sind. Also ich meine richtig voll! Es steht zwar am Toyotabüssli, dass es für 14 Personen zugelassen ist. Aber erst mit 21 war der Fahrer zufrieden. Hier drin war es noch viel enger und das Gepäck wurde aufs Dach geladen. Das Schwein in dem Korbkäfig links vom Bus auch.

Diese Fahrt dauerte etwa 5/4 Stunden und dieser Fahrer fuhr fürchterlich: Aggressiv und unkonzentriert. Drum würgte er auch einmal den Motor ab und ein paar Gäste mussten aussteigen und abschieben.Wir fuhren an vielen Plantagen vorbei: Bananen, Ölpalmen, Kautschuk.Nach dem Busbahnhof von Limbe mussten wir nochmals mit einem Taxi weiter, nochmals eine halbe Stunde.Dann erreichten wir unser Hotel Seme Beach, das am Fuss des Mount Cameroon liegt, dem grössen Berg Westafrikas mit 4070 Metern. Ein immer noch aktiver Vulkan, der seine Spitze fast stets in Wolken hüllt.

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Unterdessen waren wir vom französischsprechenden Teil von Kamerun in den englischsprechenden gekommen. Ich hatte mich darauf gefreut, weil mir diese Sprache leichter fällt. Aber zu früh gefreut. Das Französisch wird schon mit einem sehr starken Akzent gesprochen, so dass es schwer verständlich ist. Aber dieses Englisch hier, ich glaube, das würde auch kein Engländer verstehen! Pidgin- Englisch eben. Aber auch an der ganzen Gegend war zu erkennen, dass wir in einen Landesteil gekommen sind, in dem eine andere Geschichte das Land und die Leute geprägt hat. Die englische Kolonialzeit ist immer noch deutlich zu spüren. Die Gegend ist strukturierter, geschmückter, mit mehr grossen Gebäuden usw., aber gleichzeitig mit mehr Dreck und Abfällen.

Das Spezielle an diesem Hotel ist die Tatsache, dass hier eine Wasserquelle aus dem Berg sprudelt. Semmewasser wird im ganzen Land verkauft. Ihr könnt euch das ähnlich vorstellen wie in Vals: Da wird der Grossteil des Wassers in Flaschen abgefüllt für den Verkauf, aber es gibt auch noch ein Schwimmbecken, in dem man in diesem Wasser baden kann.Das Meer ist hier ziemlich warm, im Schwimmteich aber ist Süsswasser drin direkt aus dem Fels, angenehm kühl.Weil der Mount Cameroon über Jahrtausende seine Lava in diese Gegend bespuckt hat, ist der Sandstrand schwarz.

Das Hotel hier mit seinen Touristen und der normalen Hotelinfrastruktur ist wieder eine ganz andere Umgebung als die vom Waisenhaus in Bafoussam. Das erscheint mir schon ewig her zu sein, eine andere

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Welt in einer anderen Zeit. Warum wir diesen Wechsel noch gemacht haben? In den Tagen in Bafoussam musste Ann sehr viel sehen, zuhören, besprechen, reagieren, in die Wege leiten usw. Da bleib schon kaum Zeit, um all das zu verarbeiten, und erst recht keine Zeit, um alle Gespräche und Beschlüsse in Protokolle zu fassen, um dann dem Vorstand in der Schweiz ausführlich zu berichten. Wären wir aber direkt in die Schweiz zurück gekehrt, so hätte der Alltag uns wieder gepackt und Ann hätte nur mit grossen Schwierigkeiten ihre Berichte noch zusammen bekommen.Das hier ist wie eine Zwischenwelt zwischen dem Heim und der Schweiz… Wären wir direkt heimgekommen, so hätte ich keine Zeit gefunden, Berichte zu verfassen und euch zu schicken. Ob dies schade gewesen wäre, müsst ihr selber beurteilen.Der Montag als Reisetag war so anstrengend gewesen, dass wir uns erst etwas erholen mussten. Darum war am Dienstag nur die zweite Hälfte für die Arbeit vorgesehen. Am Mittwoch bekam Ann Besuch von einer Freundin: Sarah Etonge.Ich vermute einmal, dass den meisten von euch dieser Name nichts sagt. Hier in Kamerun ist sie aber eine Berühmtheit. Sie ist eine berühmte Sportlerin, eine Bergläuferin. Schon sieben Mal hat sie das Bergrennen auf den hohen Mount Cameroon gewonnen. Falls ihr einmal Lust habt, den Namen im Internet einzugeben, werdet ihr viele Einträge finden. Ich habe es für euch gemacht und Folgendes gefunden:

Perhaps one of the greatest athletes of all time is a Bakweri Woman, Sarah Etonge. The 'Mount Cameroon' race may not be as famous at the New York marathon, but it is much more grueling, and Mrs Etonge is the undisputed queen of that race.

Sarah besteht nur aus Sehnen und Muskeln. Diesen Samstag findet das Rennen wieder statt, aus der ganzen Welt werden

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Sportler dafür anreisen. Das Rennen führt von Buea (knapp 1000 Meter) hoch auf den Berg. Sarahs Rekordzeit von 2005 beträgt 5 Stunden und 38 Minuten für eine Höhendifferenz von über 3000 Metern!Sarah wird auch dieses Jahr wieder am Start sein, mit über 40 Jahren. Sie muss starten und möglichst auch gewinnen, weil sie das Preisgeld braucht. Sie ist zwar eine der bekanntesten Sportlerinnen, aber sie bekommt keine Unterstützung, keine Sporthilfe, kaum Sponsoren. Zwar hat ihr der Staat eine Statue machen lassen (die von Fans gleich wieder zerstört wurde, weil sie ihnen nicht gefallen hat), aber sonst reicht der Ruhm hinten und vorne nicht, um damit ihre Kinder zu ernähren und deren Schulgeld zu bezahlen. Vom Flugzeug aus haben wir beim Anflug den Mount Cameroon gesehen, wie er seine Spitze aus den Wolken gestreckt hat. Wenn Sarah am Samstag rennt, werden wir schon wieder in Paris sein. Dort werden wir bestimmt Zeit haben zum Daumen drücken.