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---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Falk S. Fritze Abfahrt New York Grand Central Station106005-18-01 adspecta Theaterverlag Abfahrt – New York Grand Central Station Komödie in 2 Akten von Falk Stephan Fritze

Abfahrt – New York Grand Central Station · Klappe. Wollte der nicht Berlin kaufen und einen Parkplatz draus machen? Dich darf ich ja nicht eine Minute aus den Augen lassen. (Sie

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---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Falk S. Fritze „Abfahrt – New York Grand Central Station“ 106005-18-01 adspecta Theaterverlag

Abfahrt – New York

Grand Central Station

Komödie in 2 Akten

von Falk Stephan Fritze

---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------Falk S. Fritze „Abfahrt – New York Grand Central Station“ adspecta Theaterverlag

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Inhalt:

Ort: Die Grand Luxe Suite des New Yorker Hotels „Grand Connaisseur“ im Spätherbst des

Jahres 1979. Der Unternehmer Carl aus Texas, Boss eines nationalen Konzerns in den USA,

ist auf Besuch in New York. Er will mit seiner Frau Chloe und Gefolgschaft vom Grand Central

Station, nach Boston zu einer Konferenz reisen. Treffpunkt vor der Abfahrt ist die Suite des

Hotels. Außer Chloe, seiner divenhaften Frau, die gerne mit französischen Sprüchen nervt,

fahren noch zwei weitere Damen mit. Als da wären: Edith, Carls Assistentin, die graue

Eminenz im fortgeschrittenen Alter, die ständig Probleme mit ihrem Gebiss hat, besonders

wenn sie Käse isst und die hübsche, aber etwas naive Nancy, Carls Niederlassungsleiterin für

New York. Carl, der nur mit seiner rutschenden Hose zu tun hat, macht sich im Nebenraum

fertig. Chloe und er haben auch ständig kleine Aufträge für den Pagen des Hotels. Nancy und

Edith tragen einen Kleinkrieg, nach dem Motto „Schönheit gegen Alter“ aus. Sie haben noch

Zeit. Der Page, ein kleiner Bursche mit Hang zur Philosophie, zitiert gerne Voltaire. Alle sind

von ihm angetan und Carl drängt ihn, doch eine Hotelstory aus seinem „Pagenleben“ zu

erzählen. Der Page macht es und erzählt eine haarsträubende Geschichte von einem

Privatdetektiv und seinem Auftrag, der ihn in die Lobby des Hotels geführt hat. Er kann die

Story nur häppchenweise erzählen, da er zwischendurch immer wieder Aufträge für

Hotelgäste erledigen muss. Bald werden diese Unterbrechungen der Geschichte, den

Anwesenden zu viel und sie zwingen den Pagen, die Story endlich zu Ende zu erzählen. Die

Zeit verrinnt und alle sind der Auffassung, dass der Zug um 7.30 p.m. von Grand Central

Terminal abfährt. Man lässt sich also Zeit, der Page verhaspelt sich immer mehr in seiner

Story aus Private Eye, Gangstern, Blondinen uns Blut. Da merkt Carl, dass er Teile der

Geschichte kennt. Der kleine, freche Page hat ihnen Ausschnitte aus Raymond Chandlers

Story „The Big sleep“ mit Philip Marlowe erzählt. Alle sind empört und verlangen ihre Dollars

zurück, die sie ihm bereits gegeben haben und der Page eilt tunlichst aus der Suite. Kurz

darauf klingelt das Telefon. Parker, ein Mitarbeiter Carls ist dran. Er wartet auf dem Bahnhof

auf Carl und seine Gefolgschaft. Der Schreck ist gewaltig. Sie haben eine falsche Uhrzeit für

die Abfahrt. Nicht 7.30 p.m. sondern 6.30 p.m. Es ist zu spät, den Zug erreichen sie nicht

mehr. Der nächste geht erst in drei Stunden. Zeit für alle. Sie sind sich einig darüber, den

Pagen wieder zu rufen, damit er ihnen eine neue Geschichte erzählen kann.

Spieldauer: ca. 120 Min.

Personen: 5 (2m / 3w)

Carl: ca. 63 Jahre alt, groß, kräftig, blonde Haare. Unternehmer aus Texas. Sklavenhalter,

Ausbeuter, dominant, laut. Lacht gackernd. Starke Persönlichkeit. Mit „gönnerhaft

menschlichen Zügen“. Hose mit breiten Hosenträgern, weißes offenes Hemd. Hose sitzt

locker, muss sie zeitweise festhalten. Zieht oft kurz an den Hosenträgern, lässt sie

zurückschnellen.

Chloe: Carls Frau. 48 Jahre alt (redet nicht über das Alter). Mittelgroß, hübsch, damenhaft.

Dunkelblonde, toupierte Haare, die im 60er Jahre Stil hochgesteckt sind, so wie bei Andrey

Hepburn in Frühstück bei Tiffany. Diese ist auch ihr Vorbild. Raucht mit langer

Zigarettenspitze. Dunkles Kostüm der Zeit, Perlenkette und großen Ring an der rechten Hand

(Hochzeitsgeschenk von Carl) Amüsant, schlagfertig mit Hauch zu Diva. Will hofiert werden.

---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------Falk S. Fritze „Abfahrt – New York Grand Central Station“ adspecta Theaterverlag

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Genießt den Luxus (Warum wohnen wir nicht im Waldorf Astoria?) Spricht oft im abfälligen

Tonfall. Nennt Carl oft zynisch: Majestät, Herrscher, Sir, Vormund, mon General, Big Daddy,

etc. Hat französische Sprüche auf Lager.

Edith: Carls Assistentin, die graue Eminenz. Klein, zierlich. Anfang sechzig, dicke Brille,

graue Haare nach hinten, streng zu einem Knoten, gebunden. Putzt oft ihre Brille mit einem

Taschentuch. Zahnersatz klappert, fliegt fast raus. Buhlt um die Gunst von Carl. Ist

eifersüchtig auf Nancy und deren Jugend und Aussehen. Lästert über die Jugend und mag

den neuen Film Easy Rider und heimlich Peter Fonda. Trägt ein strenges, graues Kostüm,

weiße Bluse und Krawatte.

Nancy: Carls Leiterin der New Yorker Niederlassung. Etwa 27 Jahre alt. Blond, hübsch,

toupierte Haare um Stil der 60er Jahre. Schwarzes Kleid mit blauen Punkten, nicht ganz

knielang. Schuhe mit Absatz und Riemchen. Liebt Filme mit Laurel und Hardy (Lachen ist

gesund, beide mit Lachkrampf) Sie ist etwas naiv, aber nicht dumm. Manchmal ein wenig

peinlich. Macht sich an Carl ran. Vorlaut, schnippisch, trotzig, kichert.

Page: Klein, zierlich, etwa 17 Jahre alt. Trägt die übliche Pagenuniform mit Kappe und

weißen Handschuhen. Schneidet hinterrücks Grimassen. Scharf auf Trinkgeld, kriegt aber

meistens keins, hält aber trotzdem die Hand auf. Schlägt dann aber verdrossen mit der

anderen Hand drauf. Seine Pagenkappe verrutscht ständig. Redet philosophisch (Voltaire

etc.) Hat rege Fantasie und vermischt öfters die Realität mit seiner Welt.

Musik:

Theme from New York

Sänger: Frank Sinatra 1978

Komposition: Fred Ebb (Text), John Kander (Musik)

Arrangement: Don Costa

Gema: Genehmigung ist erforderlich

Bühnenbild: Eine große Suite im Hotel „Grand Connaisseur New York“

Es ist die „Grand Luxe Suite“. Eingerichtet im Stil der 60er Jahre Eine Sitzgruppe nimmt viel

Raum ein. Helles 4-Sitzer Sofa, 2 Sessel, Glastisch in der Mitte. Links vorne eine kleine

Hausbar, die man seitlich hinten betreten kann. Mit Spiegelregal, in dem die Flaschen und

Gläser stehen. Davor drei Barhocker. Rechts ein Sideboard im Palisander- Stil. Mit Fernseher

drauf, sowie Tischlampe, Radio und Plattenspieler. Davor eine kleine Sitzbank (Einsitzer) mit

Telefon drauf.

Von der Decke hängt eine Hängelampe im Sputnik-Stil (Space Age)

Am Ende der Bühne ein großes Fenster mit Blick auf die Wolkenkratzer von Manhattan. Links

führt eine Tür in den Arbeitsraum der Suite mit Toilette, rechts am Ende ist der Zugang zum

Flur und den Schlafraum sowie das Badezimmer. An der Wand hängen „modernistische“

Bilder. Der Raum ist hell ausgeleuchtet, dunkelt aber beim Übergang von Nachmittag zum

Abend ab.

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(Bei noch geschlossenem Vorhang beginnt die Musik zu spielen. Der Vorhang hebt sich

langsam, die Stimme von Frank Sinatra ertönt:)

Start spreading the news

I am leaving today

I want to be a part of it

New York, New York

These vagabond shoes

They are longing to stray

Right through the very heart of it

New York, New York

(Carl ist zu sehen. Er tanzt unbeholfen und steif. Eine Flasche in der Hand; vor dem Mund -

soll das Mikrofon darstellen und seinen Gesang andeuten.)

I wanna wake up in a City that doesn´t sleep

And find I´m king of his hill - Top of the heap

This little town blues

Are melting away

(Carl verrenkt sich zu der Musik, spielt den Sinatra)

I'll make a brand new start of it

in old New York

If I can make it there, I´ll make it anywhere

(Chloe tritt auf, zieht die Augenbrauen hoch und geht links zur Hausbar)

It´s up to you New York, New York

(Chloe setzt sich auf den Barhocker, entnimmt dem Zigarettenspender eine Zigarette und

steckt sie in eine lange Zigarettenspitze. Carl ist voll und ganz in Aktion, in einer anderen

Welt)

New York, New York. I want to wake up in that City…

Chloe: (räuspert sich laut)

Carl! Carl! Wake du mal up!

Carl: (stockt und dreht sich erschrocken um)

Chloe… was soll das? (er winkt ab) that never sleeps… (er stottert es nur noch vor sich hin.

Er will seine Vorstellung fortsetzen, verliert aber den Anschluss) And find I´am hey number

one Top of his list, King of the hill (Carl geht resigniert zum Plattenspieler und schaltet ihn

aus) Du störst meine Hingabe.

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Chloe:

Hingabe… ts! Willst du jetzt Popstar werden? Und dann noch der Sinatra mit seiner großen

Klappe. Wollte der nicht Berlin kaufen und einen Parkplatz draus machen? Dich darf ich ja

nicht eine Minute aus den Augen lassen. (Sie wedelt mit der Zigarettenspitze) Feuer! (Carl

geht zu ihr, greift nach dem Feuerzeug auf dem Tresen. Sie schüttelt den Kopf. Carl gibt ihr

Feuer, sie nimmt einen Zug und bläst Carl den Rauch durch die Nase in das Gesicht) Du bist

nicht Frank Sinatra, sondern Carl der Große, der Mächtige… also benimm dich auch so.

Carl:

Kleiner Rückfall in die Zeit vor Jahren. Damals war es Elvis, heute… naja. Aber, du musst

zugeben, dass ich das Zeug zum Star habe.

Chloe:

Gewiss mein Herrscher. Du bist auch jetzt eben ein Star. Aber Stars sind doch wohl Vögel,

also du jetzt demzufolge ein komischer Vogel. Passt doch, so wie du dich hier aufführst.

Carl: (winkt wieder ab)

Läster du mal. Nimm mich doch ganz einfach so wie ich bin. Mein Geld nimmst du doch auch.

Chloe: (klimpert mit den Augenwimpern)

Natürlich nehme ich dich, mein Häuptling. Du bekommst ja auch jede Menge dafür.

Carl:

Was soll das sein? Jede Menge?

Chloe: (geht zu ihm, haucht leise)

Meine Schönheit! (sie küsst ihn auf die Wange)

Carl: (umarmt sie)

Na gut, überzeugt bin ich beinahe. Kein schlechter Deal für mich, also. (Er zieht an einem

Hosenträger, lässt ihn leicht zurückschnappen und grinst schelmisch)

Chloe:

Für dich nicht. (Sie klopft mit einer Hand sanft auf seinen Bauch) Na, mein Dickerchen, ein

bisschen schwanger was? Oder hast du einen Baseball verschluckt?

Carl: (schüttelt den Kopf)

Musste das jetzt sein Liebchen? Du zerstörst gerade die aufkommende Romanik und bringst

mich aus dem Gleichgewicht

Chloe: (zieht die Augenbrauen hoch)

„Die schönste Waffe einer Frau ist die Fantasie des Mannes“, macht doch Sinn, nicht wahr?

Carl:

Ertappt! Der Spruch ist doch nicht von dir.

Chloe: (lächelt)

Von meinem Pendant.

Carl:

Pendant, du hast eines? Wo? Her damit! Ist sie blond?

Chloe:

Schweig still Gockel. Das hat Sophia Loren mal gesagt.

Carl: (schaut sich gekünstelt um)

Die Loren… dein Pendant. Aber die ist doch dunkel.

Chloe:

Das nehmen wir Frauen doch nicht so genau. Außerdem kann man das ändern (Sie greift mit

einer Hand nach dem Hosenträger, zieht ihn ganz weit weg) Soll ich loslassen?

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Carl:

Bitte nicht, Darling, Schätzchen, mein Herzblatt. Das tut doch weh.

Chloe:

Dir oder mir?

Carl:

Lass das! (Chloe zieht noch weiter dran) Bitte nicht, ich bin sensibel und keinesfalls

schmerzresistent.

Chloe: (lässt den Hosenträger zurückschnappen. Mit einem lauten Knall schlägt er auf Carls

Bauch)

Doch!

Carl: (stöhnt auf)

Au! Ha! (er massiert die Stelle mit einer Hand) Luder! Jetzt stehe ich da wie der Dumme.

Chloe: (schelmisch)

Geh doch davon aus, dass du es auch schon vorher warst.

Carl:

Nicht immer. Willst du nicht mal eben deine Fingernägel lackieren gegen?

Chloe: (sie wirkt verwirrt)

Warum? Die sind doch perfekt! Was soll das?

Carl:

Na, dann bist du, jedenfalls so lange der Lack nicht getrocknet ist, wehrlos. Und das

„Dickerchen“ nehme ich dir übel.

Chloe:

Kannst dich ja nachher bei der Ollen ausheulen. Die kommt doch auch, oder?

Carl:

Die Olle? Welche Olle? Ach du meinst Edith meine graue Eminenz. Die hast du mir doch

auf´s Auge gedrückt. Warst doch panisch in Sorge um deinen Status. Hast doch so lange

rumgeheult bis ich die eingestellt habe. Und deren Referenzen? Das Alter und das

Aussehen?

Chloe:

Panisch? Ich? Meinst wohl eher realistisch. Hätte ich zulassen sollen, dass du dir als

Assistentin eine junge und hübsche einverleibst? (Carl grinst schelmisch) Nein, mein Lieber.

Bei den Männern heutzutage muss man äußerst wachsam sein. Und ich, ganz besonders bei

dir.

Carl: (leicht genervt)

Ist ja gut jetzt. Ich hab die Alte an der Backe und du deine Ruhe, und ich auch.

Chloe: (reißt die Augen weit auf, tippt Carl auf die Brust)

Ach, du gibst es also zu?

Carl: (schüttelt den Kopf)

Was? Wer? Wie? Wann? Wo?

Chloe:

Spiel mal hier nicht den naiven Hauskater. Schleichst doch um den Sahnetopf. Hättest also

lieber eine jüngere. Eine, die was hermacht. Die deinen Büroalltag erleuchtet und deine

Fantasie… na, du weißt schon. Tja, „Avoir un vieux chat dans la gorge.“ Nun hast du also

eine alte Katze am Hals.

---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------Falk S. Fritze „Abfahrt – New York Grand Central Station“ adspecta Theaterverlag

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Carl:

Püppchen, Püppi, du redest in Rätseln. Was willst du?

Chloe: (lächelt genüsslich)

Was ich will? Ce que femme veut, Dieu en tremble. Mein Liebster, du musst wissen, was eine

Frau will, davor zittert selbst Gott.

Carl:

Nicht nur der. So Schätzchen, nun flitz mal schnell an das Telefon und bestelle Wein und

Käsehäppchen.

Chloe:

Dafür bin ich also gut

Carl: (grinst neckisch)

Dafür auch!

Chloe: (lächelt geschmeichelt)

Qui mon General. Also Käse und Wein für drei Personen.

Carl:

Vier!

Chloe:

Drei! Ich kann doch noch zählen. Also, natürlich ich, du, muss sein und die Olle. Macht also…

na mein Mathematicus?

Carl:

Vier. (Chloe stöhnt genervt auf) Meine New Yorker Niederlassungsleiterin kommt doch auch

noch.

Chloe:

Hast du absichtlich nicht erwähnt, du Gauner.

Carl:

Die ist doch noch neu. Muss unbedingt mit nach Boston.

Chloe:

Hast mir gar nicht erzählt, dass du die Stelle hier neu besetzt hast. Und muss unbedingt mit

nach Boston? Ach ja! (blickt Carl musternd an) Hüte dich! Auf dich muss ich ja aufpassen.

Carl:

Ach komm schon

Chloe: (stoppt mi einer energischen Handbewegung)

Lass mich raten. Jung, so Mitte zwanzig, schlank, nett gekleidet, also Rock und nicht etwa

Hose. Mittelgroß und blond. Blond deshalb, weil ich ja dunkelblond bin, also ein wenig

Abwechslung muss schon sein.

Carl: (spielt empört)

Na hör mal.

Chloe:

Was, hör mal? Hab ich recht oder nicht?

Carl: (druckst herum)

Gut gezielt, Weib. Fast, beinahe.

Chloe:

Also?

Carl:

Nun ja… aber sehr gebildet.

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Chloe:

Spielt das denn bei dir eine besondere Rolle? Also?

Carl:

Liebchen, nun ja. Siebenundzwanzig, blond, schlank, keine langen Hosen. (fügt schnell

hinzu) Aber überhaupt nicht mein Fall. (greift nach ihr, sie entzieht sich) Kann mit dir

überhaupt nicht mithalten.

Chloe:

Kann mit mir nicht mithalten? Hast sie also abgecheckt und mit mir verglichen (sie schüttelt

den Kopf) Carl, Carl wag es nicht, mich zu hintergehen. Auf dich muss ich noch besser

aufpassen. So mein Lieber, ich bestelle jetzt den Wein, die Käsehäppchen, ein

Hundehalsband und eine lange Leine. Muss sein, dich lass dich nur noch angeleint durch das

Leben laufen. (Das Telefon klingelt in diesem Augenblick, Carl gibt Chloe ein Zeichen. Chloe

geht zum Telefon, hebt ab) Ja bitte? (sie lauscht in den Hörer) Darf hochkommen! (Kurze

Pause) Ach, Moment noch! Ich möchte eine kleine Bestellung aus ihrem Restaurant

aufgeben. Notieren Sie? Also, wir hätten gerne Wein und Käsehäppchen für (sie dreht sich

mit bösem Blick zu Carl) vier Personen. Welchen Wein? Welchen Käse? (sie zuckt die

Achseln, schaut fragend zu Carl)

Carl: (halblaut)

Weißburgunder oder halbtrockener Riesling, könnte passen.

Chloe: (schnippisch)

Irgendeinen, soll das Restaurant entscheiden und Käse ist auch egal. Häppchen eben. Ja,

natürlich zu uns nach oben, auf die Luxe Suite… oder glauben Sie, wir wollen im Keller

tafeln? (schüttelt den Kopf, legt auf) Heini! Muss doch wissen, was wir wollen. Brüsten sich

schließlich damit, die Wünsche ihrer Gäste schon auszuführen, bevor diese die auch nur

gedacht haben. Saftladen (dreht sich zu Carl) So, mein Herr und Meister. Befehl ausgeführt

und gleich kommt noch die Olle hoch.

Carl:

Ehrlich? Das ist gut. Da kann ich mit der noch einige Unterlagen durchgehen (zieht seine

Hose hoch)

Chloe:

Und überhaupt Carl, sag mal, warum sind wir denn nicht im Waldorf Astoria abgestiegen?

Wäre doch wohl standesgemäß. Außerdem sollen die unterirdisch ja auch einen Bahnsteig

mit Direktverbindung zur Grand Central… (Es klopft an der Tür. Chloe geht öffnen. Man hört

Stimmengemurmel und lautes Hackenzusammenschlagen)

Edith: (tritt auf, hinter ihr folgt der Page mit einem Servierwagen auf dem Wein,

Käsehäppchen, Salzstangen und Gläser stehen. Edith erscheint auch in der Tür) Hallo Boss!

(Sie nickt Carl zu, geht zum Sofa und setzt ihren Aktenkoffer ab)

Page: (geht zu Carl, knallt die Hacken stramm zusammen)

Sir! Käsehäppchen und Wein! Wein, die Nachtigall unter den Getränken! Ist von Voltaire (er

dreht sich beifallheischend zu den andern) Und Käse schließt den Magen! Hat meine Oma,

Gott hab sie selig, immer gesagt. (Er bekreuzigt sich)

Chloe: (geht zu dem Pagen)

Wie geht das denn? Ich habe doch eben erst telefonisch bestellt?

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Page:

Der Leitspruch unseres Hauses, des berühmten Hotels „Grand Connaisseur New York“ lautet:

„Wir erfüllen Ihre Wünsche, bevor Sie die auch nur gedacht haben“ (Er knallt wieder laut die

Hacken zusammen. Wartet auf Trinkgeld)

Chloe: (blickt ungläubig zu Carl und Edith. Beide reagieren verwirrt, aber Edith lächelt dazu.

Chloe blickt zu Carl) Wie ist dann erst der Service im Waldorf Astoria?

Carl: (zuckt mit den Schultern)

Vielleicht verteilen sie da vorab Schnuller für schwatzhafte Frauen. Erfahrungswerte

gewissermaßen.

(Chloe schüttelt den Kopf und zieht eine Schnute; Carl geht zum Pagen, sucht Kleingeld in

der Hosentasche. Der Page streckt erwartungsvoll eine Hand aus. Carl findet keine Münze,

ergreift die Hand vom Pagen und schüttelt sie) Danke! Abtreten!

(Der Page blickt verwirrt auf die leere Hand, blickt genervt ins Publikum, schüttelt den Kopf

und knallt die Hacken zusammen. Kopfschüttelnd tritt er ab)

Chloe: (zu Carl)

Einen Dime hättest du ihm schon geben können.

Carl: (winkt ab, wendet sich Edith zu)

Greifen Sie doch zu, Edith. Ein Gläschen Wein muss schon sein und macht fein (gackert in

sich hinein; geht zu dem Servierwagen und öffnet die Weinflasche und gießt drei Gläser voll.

Er reicht Chloe und Edith eins. Dann hebt er das Glas) Zum Wohl! Ist doch so: „Der größte

Feind von uns Menschen ist der Alkohol. Doch… (er hebt mahnend den Finger) … in der

Bibel steht auch, wir sollen unsere Feinde lieben (lacht gemütlich und zupft an einem

Hosenträger. Er blickt zu Edith, zeigt auf die Käsehäppchen) Greifen Sie doch zu Edith.

Edith: (geht zu dem Servierwagen, nimmt ein Häppchen hält es hoch und dreht sich Richtung

Publikum. Sie klappert mit ihrem Gebiss, so dass es ein Stück nach vorne rutscht) Lecker,

Käse… perfekt für jeden Gebissträger… klebt so schön dran

(Das Telefon klingelt)

Chloe: (hebt ab)

Ja bitte? (Sie lauscht in den Hörer) Wer? Kenn ich nicht. Ist sie etwa hübsch? (lauscht) Wenn

es sein muss, darf sie hochkommen (legt auf, blickt zu Carl) Eine Miss „Irgendwer“ kommt

hoch. Soll hübsch sein, sagt dir das was?

Carl:

Wird wohl Nancy sein. Du weißt schon…

Chloe:

Ich weiß noch nicht, ob ich weiß. Aber wehe dir, sie ist zu hübsch, dann weiß ich was…

Edith: (hat ein Käsehäppchen im Mund und kaut darauf rum. Redet mit vollem Mund, man

spürt förmlich, wie der Käse an ihrem Gebiss klebt und es vom Zahnfleisch löst)

Die Nancy, Chef? Warum die denn? (dreht sich von Carl weg und fummelt an ihren Zähnen

rum, wobei sie Käsestreifen vom Gebiss abzieht)

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Carl: (dröhnend)

Muss ich mich hier vor allen rechtfertig? (tritt nach vorne zu Edith) Die soll was lernen, ist

doch noch neu (tritt an den Rand der Bühne, zwinkert mit einem Auge und murmelt)

Außerdem ist die hübsch (blickt zu Edith)

Chloe:

Was murmelst du da rum?

Carl:

Ich murmle nicht rum (dreht sich zu Edith) Sagen Sie mal, was machen Sie da eigentlich? Ist

ja ekelig! (dreht sich zu Chloe, zeigt auf Edith) Die, die hat ihr Gebiss in der Hand und puhlt

den Käse ab)

(An der Tür wird laut geklopft; Carl zu Chloe)

Hat geklopft. Würde die Dame des Hauses mal bitte… (er zeigt Richtung Tür)

Chloe: (setzt sich wieder auf den Barhocker und schlägt die Beine übereinander)

Die Dame des Hauses würde nicht. Wozu haben wir Personal? Ich bin doch nicht der

Dienstbote hier.

Carl: (laut, heftig)

Mann, Mann, Mann! Edith bitte… (zeigt wieder zur Tür; es klopft nochmals)

Edith:

Okay Chef! Edith würde mal… am liebsten auf dem Zahnfleisch (sie fummelt wieder am

Gebiss rum und verzieht das Gesicht. Sie geht zur Tür und einen Augenblick später steht der

Page im Raum. Er knallt die Hacken zusammen)

Page:

Hoher Besuch, Sir (zeigt zur Tür) Miss… äh… Miss…äh… (zögert, dann fragend) Miss USA!?

(Nancy tritt auf. In der Hand hält sie einen kleinen Reisekoffer und über den Schultern hängt

eine Ledertasche. Den Pagen beachtet sie nicht weiter)

Nancy:

Hi, hier bin ich Chef.

Carl: (geht zu ihr und verbeugt sich leicht; zeigt zu Chloe)

Meine Frau Chloe!

Nancy: (geht langsam und aufreizend zu Chloe, murmelt leise)

Nicht mehr lange.

Chloe: (mustert Nancy)

Ja, seine Frau und das für alle Ewigkeit, wenn Sie verstehen, was ich meine? (Nancy will

Chloe die Hand reichen, aber diese ignoriert die Geste. Der Page steht still im Raum und

wartet. Chloe wendet sich an den Pagen) Und worauf warten Sie?

Page: (streckt zögerlich eine Hand vor in Erwartung des Trinkgeldes)

Nun, auf… (dreht sich ab) Ist wohl nicht mein Tag heute. (tritt ab)

Nancy: (zu Carl)

Von mir aus kann es losgehen.

Carl:

Wir haben noch viel Zeit, unser Zug geht erst um 7.30 von der Grand Central Station. Ich

werde eben noch mit Edith den Brief von gestern fertig schreiben.

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Nancy: (dreht sich zu Edith)

Sie sind Edith?

Edith:

Bin ich. Den ganzen Tag und darüber hinaus (sie schmatzt rum, das Gebiss klappert)

Nancy:

Herrjeh, da haben wir schon so oft miteinander telefoniert… ja… habe Sie mir ganz anders

vorgestellt.

Edith: (etwas angezickt)

So, wie denn?

Nancy:

Na, jünger zum Beispiel, und auch hüb… (sie stockt) Anders jedenfalls.

Edith:

Anders. So, so! Da komme ich noch drauf zurück… Nancy! Irgendwann, aber auf jeden Fall.

Carl:

So Kinder, genug Small Talk. Edith bitte! (zeigt zum Nebenraum; Edith geht vor und Carl

hinterher. Er dreht sich zu Chloe um) Ihr könnt ja weiterhin Small Talk machen, aber nicht

über mich herziehen. Auch wenn es schwerfällt. Ich höre alles!

Nancy:

Herziehen auf keinen Fall… nicht ich… nicht doch, Sie etwa? (sie blickt zu Chloe)

Chloe:

Ist ja gut Schätzchen. Kommen Sie her, es gibt Käsehäppchen.

Nancy: (kichert)

Lecker Häppchen, aber bitte nur häppchenweise. Der Figur wegen (Sie stellt sich in Position)

Chloe:

Mir macht das nichts. Die Natur hat bei mir aufgepasst und mich hervorragend ausgestattet

(Sie lächelt böse)

Nancy:

Wie schön für Sie. Und nachts ist es kälter als draußen.

Chloe:

Hä? Sie reden in Rätseln

Nancy:

Macht doch nichts. Im übrigen nennen wir ihn „Big Daddy“

Chloe: (zuckt mit den Schultern)

Schön für Sie! Für mich ist er „Big Money“

Lárgent n´a pas d´odeur. Geld stinkt nicht. Damit Sie es auch verstehen, obwohl das ja ihre

Richtlinie ist.

Nancy:

Muss ich? Meine Güte, Sie gehen ja in die Offensive. Was ist los? Wir kennen uns knapp

zwei Minuten und schon zittern Sie vor Angst. Wovor? Meinem Aussehen? Meiner Jugend?

Keine Sorge Chloe. Ich beabsichtige zur Zeit nichts in dieser Richtung, wenn Sie verstehen?

Chloe: (überheblich)

Schätzchen, das sollten Sie auch nicht im geringsten in Erwägung ziehen. Außerdem kenne

ich solche aufgeblasenen Figuren wie Sie.

Nancy: (schnappt nach Luft)

Was soll das?

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Chloe:

Ganz ruhig Püppchen. Ich habe Sie sofort durchschaut. Ihr Blick zu Carl war für mich eine

Offenbarung. Typen wie Sie kenne ich aus Erfahrung…

Nancy: (unterbricht sie)

Die eigene… Erfahrung?

Chloe: (lächelt verschmitzt)

Ich merke schon, wir verstehen uns. Also, Mädel halt dich unter Kontrolle oder du gerätst

unter Kontrolle, meine. Alles klar?

Nancy:

Yes, Chefin! Nennt man wohl Besitzstandswahrung oder so?

Chloe:

Beides!

Nancy:

Meine Güte, in was für eine Schlangengrube bin ich denn hier geraten? Aber, um es auch in

französisch zu sagen: une fois n'est pas coutume!

Chloe:

Falsch Baby. Einmal, ist einmal zu viel. So genug jetzt. Die Grenzen sind abgesteckt. Bei

euch jungen Gemüse muss man auf der Hut sein.

Nancy:

All right Madam. Aber Eifersucht ist ein schlechter Ratgeber…. (setzt sich auf einen Sessel)

Chloe:

Jugendliche Schönheit auch.

Nancy: (genervt)

Ist ja gut jetzt… oder soll ich nach dem Pagen klingeln, damit er ein paar Beruhigungspillen

bringt, Chloe? (Chloe schnappt nach Luft) Chloe… was ist das überhaupt für ein Name?

Findet man den im Wörterbuch unter „perfekt“? Hab Ihnen doch überhaupt noch nichts getan

und Sie wiehern mich an wie ein aufgescheuchtes Pferd. Verraten Sie mir ihr kleines

Geheimnis?

Chloe:

Welches Geheimnis?

Nancy:

Das Gift. Ich meine, was ist das für ein Gift, das durch ihre Adern fließt?

Chloe: (schüttelt den Kopf)

Genug jetzt. Sie übertreiben. Zur Sache, kommen Sie zu sich. Wie spät ist es?

Nancy: (schaut auf ihre Armbanduhr)

16.55 Uhr! (sie stutzt) 1655, das Jahr der Pest!

Chloe:

Das Jahr der Pest? Was soll das?

Nancy:

Sagt man doch so. Noch nie gehört?

Chloe: (schüttelt den Kopf)

Merkwürdige Aussage.

Nancy:

Ist ja auch nicht wirklich von mir. Hab es mal irgendwo, irgendwann… (sie dehnt die Worte)

von irgendwem aufgeschnappt.

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Chloe:

Hörensagen also!

Nancy:

Gewissermaßen (ungeduldig) Wollen wir noch lange um das Thema rumtanzen. Können wir

es nicht einfach still und leise wechseln.

Chloe:

Carl hat gesagt wir sollen Small Talk machen… Und was unser König befiehlt, ist doch

Gesetz. Aber gut, dann erzählen Sie doch mal einen Schlag aus Ihrer Jugend.

Nancy:

Schlag aus meiner Jugend? Könnte ich, aber ich befürchte, so einige kleine Episödchen

würden Ihnen die Haarnadeln aus Ihrer Perücke ziehen.

Chloe: (fasst sich unwillkürlich an die Haare)

So schlimm?

Nancy: (flüstert)

Ganz schlimm. Meine Generation. Also, Sex, Drugs und… Countrymusic (sie kichert in sich

hinein) Meine Generation eben. Und Ihre? Die „Silent Generation“?

Chloe: (unterbricht sie, beugt sich auf den Barhocker vor, spricht leise)

Genau! Die „Silents“, wir haben es stets geschafft aus schlechten Situationen das Beste zu

machen, zu unserem Vorteil natürlich. (sie richtet sich auf) Eigentlich nichts anderes als Ihre

Generation. Nur sind wir damit nicht öffentlich hausieren gegangen. Das hatten wir nicht

nötig. Das ist nämlich primitiv.

Nancy:

Finden Sie?

Chloe:

Wenn ich, es so finde, dann ist es meine Meinung. Es ist aber nicht meine Meinung, es ist

eine Tatsache (sie lächelt gekünstelt) Können Sie mir geistig folgen?

Nancy: (Will etwas erwidern, da klopft es an der Tür. Sie dreht sich zur Tür)

Es hat geklopft!

Chloe: (bissig)

Ach, wer mag das sein?

Nancy: (zuckt mit den Schultern)

Keine Ahnung.

Chloe:

Und wie kriegen wir das raus? Man kann das rausfinden, wissen Sie.

Nancy:

Durch nachschauen?

Chloe: (klopft sich begeistert auf die Schenkel)

Tolle Idee! Sind ja von ganz alleine draufgekommen (Es klopft nochmals, etwas lauter) Klopf!

Klopf! Hören Sie das Nancy? Springen Sie doch mal geschwind hin, vielleicht steht ja ein

edler Ritter vor der Tür und will Sex und Drugs?

(Nancy geht zur Tür und man hört wie sie geöffnet wird und dann das laute „Klack“ des

Zusammenschlagens der Hacken des Pagen)

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Page: (tritt auf. Er hält ein Tablett in den Händen. Darauf steht eine Flasche Sekt und vier

Sektkelche)

Mit der besten Empfehlung des Hauses. Nur für Vips! (Er trägt das Tablett zum Tisch und

stellt es ab)

Chloe: (schaut auf die Flasche)

Hausmarke! (zynisch) Mehr ist wohl nicht drin für Vip´s?

Nancy: (blickt fragend)

Was sind denn Vip´s?

Page:

Very important Persons! Die Creme der Creme. Das Sahnehäubchen der Gesellschaft. Der

finanzielle Hochadel. Die…

Chloe: (unterbricht ihn)

Ist ja gut Jungchen. Sie versteht es doch nicht. (Sie beugt sich vor) Weil sie nicht

dazugehört… Aber sie ist ja noch jung und lernfähig.

Nancy:

Ich verstehe es wohl (trotzig) Bald gehöre ich ganz sicher dazu. Nun erst recht!

Page: (knallt die Hacken zusammen. Chloe und Nancy erschrecken und blicken ihn böse an)

Ladies! Darf ich einschenken?

Chloe: (beugt sich zu Nancy)

Na Darling, wieder was dazugelernt, aber ob Sie jemals auch dazugehören, wer weiß.

(wendet sich dem Pagen) Sklave…äh, sorry, Page (macht einen Himmelsblick) Sorry Boy!

Danke! Aber wir machen das selbst. Wir fahren nämlich später noch Eisenbahn. Apropos

Page, hatten Sie früher eine Eisenbahn? (dreht sich zu dem Raum wo Edith und Carl

arbeiten) Carl! Carl!

Carl: (steckt den Kopf durch die Tür)

Was ist?

Chloe: (überheblich)

Sag mal „Big Money“, (mit einem Seitenblick zu Nancy) Sag mal, warum fahren wir eigentlich

mit der schnöden Eisenbahn? Warum spendiert deine Bude dir denn keinen Privatjet. Du bist

doch wer. Richard Nixon hat doch auch einen, dann du doch erst recht.

Nancy: (naiv)

Mit eigenem Piloten?

Chloe:

Sogar mit eigener Stewardess! Aber nur, wenn ich mitfliege.

Carl:

Was ist das hier für ein Gequatsche? Ich muss arbeiten. Ich habe reserviert, sogar Sitzplätze.

Chloe:

Hoffentlich erste Klasse. Zu dem Fußvolk setze ich mich nicht. Lieber laufe ich.

Nancy:

Mit Stöckelschuhen nach Boston? Na viel Freude unterwegs. Aber ich puhle Ihnen dann nicht

die Blasen von den Füßen.

Carl:

Was ist? Bitte keine weiteren Fragen. Ändert sowieso nichts.

Chloe:

Bist du es ihnen nicht wert?

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Carl: (nervös)

Wer? Was wert?

Chloe:

Na du! Deiner Firma. Bist doch der Häuptling dort. Bist du es ihnen nicht wert? Haben doch

alle.

Carl: (tritt etwas vor; der Page verfolgt das Gespräch interessiert)

Was haben alle?

Chloe:

Stell dich nicht so an. So ein kleines Flugzeug. Eine „Cessna“. Ist doch in aller Munde.

Solltest du ihnen doch wert sein.

Carl: (fragend)

In aller Munde?

Chloe:

Nun stelle dich aber mal nicht so dumm. In unseren Kreisen, den gehobenen… Der High

Society natürlich.

Carl:

Da fliegt man Cessna?

Chloe: (schüttelt den Kopf)

Man lässt fliegen, ist doch logisch

Nancy:

Logisch!

Page:

Logisch!

Chloe:

Logisch!

Carl:

So, nun habt ihr alle logisch gesagt. (schüttelt den Kopf) Also muss es so sein! Schätzchen,

ich kaufe uns gleich morgen früh so ein Spielzeug für dich… für uns. Wenn es denn dein

Herzilein höher schlagen lässt. Aber nicht, dass du dich von mir scheiden lässt, wenn es nicht

gleich ausgeliefert wird.

Chloe: (arrogant)

Mieux vaut tard que jamais. Besser spät als nie! Eine meiner Lebensweisheiten, die mich so

erfolgreich machen. (wendet sich direkt an Carl) Wenn du schon viel Geld ausgeben willst,

denk dran…

Carl:

Was kommt denn nun noch?

Chloe:

Etwas enorm Wichtiges. Wir brauchen in unserer Villa ganz, ganz dringend einen größeren

Balkon.

Carl:

Ah, ja! Und wozu? Willst du aus Verzweiflung runterspringen wenn du mal deinen Willen nicht

bekommst?

Chloe:

Weit gefehlt mein großer Liebhaber. Ich will den größer, damit ich mich besser meinem Volk

zeigen kann. Denn schließlich verdienst du mehr als ich ausgeben kann. Passt also!

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Carl/Nancy: (stöhnen auf)

Oh, nein!

Edith: (kommt in den Raum)

Carl! Äh Chef! Wollen wir…

Carl:

Ja, ja. Sofort. (blickt zu dem Pagen) Kannst bei dem da ja schonmal die Bestellung für das

Flugzeug aufgeben. Das Hotel hier liest uns doch alle Wünsche aus den Gedanken (geht auf

ihn zu) Und überhaupt, was lungern Sie hier noch rum? Warten sie auf eine Privataudienz bei

mir oder meiner Königin (zeigt auf Chloe)

Page:

Nein, nein Sir. Keine Privataudienz heute. Vielleicht morgen (knallt die Hacken zusammen)

Ich wurde etwas gefragt und meine Antwort steht noch aus.

Carl:

Frage? Antwort? Spielt ihr hier Quiz, oder was? Kerl, wer hat dich was gefragt?

Page: (unterwürfig)

Ihre Königin, die Lady hat mich gefragt, ob ich in meiner schlimmen Kindheit eine Eisenbahn

hatte.

Carl: (zieht die Augenbraun hoch)

Interessante Frage. Und? Hattest du? Die Antwort wird sicher mein Leben verändern.

Page: (eingeschüchtert)

Sie mögen mich nicht. Geht mir oft so. Aber eines Tages wird alles gut sein, das ist meine

Hoffnung. Heute ist alles in Ordnung, das ist meine Illusion. Ist ein von mir leicht

abgewandeltes Zitat von Voltaire.

Nancy:

Wie lustig hier. Unser Page ist ja ein kleiner Philosphicus oder wie man die nennt.

Chloe:

Besser jedenfalls als ein Theologicus.

Page: (blickt Nancy an)

Madam! Miss USA oder so… recht haben Sie. Der erste Schritt zur Philosophie ist der

Unglaube. Ist von Diderot.

Chloe:

Mein Gott ist der Knabe schon gebildet.

Edith: (aus der Tür zum Büro)

Besser so, als wenn er unmoralische Witze ablässt.

Page: (knallt wieder die Hacken zusammen)

Genau so ist es! Aber ich bin ja flexibel, kann auch die andere Seite des Lebens darstellen.

Chloe:

Mein Gott wie theatralisch. Na, dann stelle mal dar.

Page: (laut, fast militärisch)

Die andere Seite, ein Witz. Ein unmoralischer… soll ich?

Carl:

Nun mal sachte Boy. Kommt auf den Grad der Unmoral an. Also auf einer Skala von harmlos

bis… naja, sagen wir mal…

Page:

Fast harmlos bis wirklich nett.

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Alle:

Los schon!

Page:

Ist ein Witz aus meinem Milieu, passt also.

Chloe:

Das einfache Volk verschafft sich Gehör.

Page: (steht stramm, die Hände an der Hosennaht. Er räuspert sich)

Spielt im Hotel an der Rezeption, draußen regnet es.

Page: „Chefin ich muss rüber ins Bordell!“

Chefin: „Du bleibst hier!“

Page: „Aber ich muss…!“

Chefin: „Du bleibst hier!“

Page: „Okay, dann muss sich Ihr Mann den Regenschirm selbst holen“

(Alle lachen außer Chloe)

Chloe: (zu Carl)

Über sowas kannst du also lachen? Ja, je schlüpfriger desto besser… nicht wahr, mein Hero?

(Sie geht zu Carl, greift nach dem Hosenträger und zieht ganz lang an ihm)

Carl:

Bitte nicht! Das macht doch „Aua“!

Chloe:

Findest dich wohl in diesem Witz wieder? (zieht noch mehr am Hosenträger)

Carl:

Nein, nein! Bestimmt nicht. Und lass das bitte, tut doch weh.

Chloe:

Ebendrum. Soll es doch auch. Ist eine neue Erziehungsmethode von mir. Wirkt bestimmt!

(lässt den Hosenträger los, der mit lautem Knall auf Carls Bauch aufschlägt. Carl verzieht sein

Gesicht vor Schmerz)

Edith: (zuckt zusammen)

Das tut weh. Dabei ist Carl doch nicht schuld. Den Witz hat doch der Bursche da erzählt.

Chloe:

Carl hat gelacht, das reicht mir aus. (wendet sich an den Pagen) Keine solchen Witze mehr,

Kapiert Jüngling?

Page: (knallt die Hacken zusammen)

Jawohl Madam! Alles wird gut.

(Alle zucken zusammen)

Nancy: (geht auf den Pagen zu, zieht an seinen Knöpfen, dreht sie in den Fingern)

Alle trampeln hier nur auf dir rum mein Kleiner. Hast doch nichts getan. Nur ein Witz. Aber ein

Rat von mir… bleib besser bei Voltaire, liegt der Wahrheit ferner, (blickt lästerlich zu Chloe,

dreht sich zu allen) Wie furchtbar dieses junge Leben. Elende Kindheit, keine Eisenbahn und

dann noch philosophisch angehaucht. Ist für mich alles so was von fern der Realität.

(schüttelt bedauernd den Kopf)

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Edith:

Wahrscheinlich sind seine Vorfahren aus Deutschland, die sind alle so… Das Land der

Dichter und Denker. Wollen immer die Welt verändern. Selbst wenn sie auf die Philosophie

zurückgreifen müssen

Carl:

Na klar. Stimmt genau. Fredericus Rex, der große Friedrich hatte doch was mit Voltaire…

oder war es Steuben?

(Alle zucken mit den Schultern)

Egal, jedenfalls ist er abstämmig deutsch.

Page:

Abstämmig deutsch. Aye, Aye, Sir! Meine Großeltern sind die Übeltäter, aber ich bin jetzt ein

ehrenwertes Mitglied der amerikanischen Familie.

Nancy: (spitz)

Und dieser Voltaire oder wie der heißt ist dein geistiger Held, nicht wahr?

Page:

Jawohl Darling (grinst schelmisch) Aber… ich mag keine Helden. Sie machen mir zu viel

Lärm. Ist auch von Voltaire. Tja, der hatte es eben drauf.

Chloe:

Mein Gott, was der alles weiß (blickt zu Carl) Warum weißt du so etwas nicht? Macht doch so

viel her, wirkt so bedeutend. (Carl zieht die Nase hoch und blickt zu Chloe) Besonders auf

Cocktailpartys. Dann kann ich auch mal stolz auf dich sein.

Page: (zu Chloe)

Pardon Miss… ich darf wohl untertänigst widersprechen. „Je mehr einer weiß, desto mehr

bezweifelt er.“ Ist ebenfalls von dem.

Chloe:

Moment, passt gut zu mir. Ich weiß viel über meinen geliebten Ehemann Carl, bezweifle aber

sicherheitshalber alles. Hat sich schon oft bewährt. In Puncto Treue ganz besonders. Wenn

ihr versteht?

Carl: (zu Chloe)

Hack! Hack! Hack! Wie ein Specht, aber ich bin nicht der Baum. (schüttelt den Kopf) Was

mache ich überhaupt hier? Lasse mich von euch allen zutratschen. Dabei habe ich zu tun.

Bin Unternehmer, also eine Klasse für sich. Bedeutend, weltmännisch, erfahren. Also Leute,

zurück auf die Plätze, Edith, wir beide gehen wieder an die Arbeit und du Skla… äh Page…

Abmarsch!

Page: (knallt die Hacken zusammen)

Sir! Madams! (geht zur Tür, dreht sich nochmal um, spitz) Und ich hatte doch eine Eisenbahn!

Ätsch!

Nancy: (legt die Hand auf ihr Herz)

Da bin ich dann doch mal erleichtert. Unser Page steht nicht auf der Schattenseite des

Lebens…

Chloe:

Und wenn schon, dann nicht sehr lange. Glauben Sie mir Nancy: „Die Erde dreht sich, so

kommt er ganz automatisch auf die Schattenseite”.

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Carl: (zu Edith)

Kommen Sie schon mit ins Büro. Hier sind ja alle so gebildet, ohne Schwächen… (blickt zu

Chloe) … nicht wahr mein Engelchen? (geht mit Edith in den anderen Raum)

Chloe: (brüllt hinterher)

Schwächen, ich? Kenne ich nicht an mir. (zögert) Halt Carl, doch eine Schwäche habe ich,

das bist du!

Carl: (blickt nochmal in den Raum)

Vorsicht meine kleine Lady. Nicht ich bin deine Schwäche, sondern mein Geld.

Chloe:

Ach Carl, komm schon. Was ist schon deine starke Persönlichkeit gegen Geld? Geld ist doch

nichts.

Carl:

Na dann, ist es ja gut. (zieht den Kopf zurück)

Chloe: (murmelt halb verständlich Richtung Publikum)

Ist doch wirklich so: Geld ist nichts. Aber viel Geld… das ist etwas anderes! (dreht sich zu

Nancy) Netter und vor allem stimmiger Spruch. Ist leider nicht von mir, sondern von Bernard

Shaw, kennzeichnet aber meine Vorstellung vom Sein.

Nancy:

Also, nicht bloß Äußerlichkeiten?

Chloe:

Was schwatzen Sie da?

Nancy:

Ist es bei Ihnen beiden nicht eher ein Handel. Schönheit gegen Geld?

Chloe: (gelangweilt)

Wenn Sie es so sagen, Schätzchen. Auch wenn Sie es nicht glauben. Ich liebe Carl auf meine

Art. Und da ist mein Leitspruch: Pacta sunt servanda. Vereinbarungen müssen eingehalten

werden. Nur so, damit Sie es auch verstehen. Sollen ja nicht dumm ins Gras beißen.

Nancy: (holt tief Luft)

Dann ist Ihr Carl also der Meinung, dass er für Geld alles bekommen kann?

Chloe:

Recht so. Kann er auch.

Nancy:

Gerät er dann nicht schnell in den Verdacht, dass er auch bereit ist für Geld alles zu tun?

Chloe:

Verstehe ich nicht, was Sie hier andeuten wollen. Oder soll das etwa heißen, dass Geld

bestechlich macht?

Nancy:

Nein! Kein Geld schon eher. So rum wird ein Fuchsschwanz draus.

Chloe: (ungehalten)

Was, bitte meinen Sie damit?

Nancy: (stottert rum)

Ja, nun. Ich kann jetzt auch bloß vermuten, was ich damit meinte.

Chloe:

Was stottern Sie hier rum wie ein in die Enge getriebener Angeklagter. Äußern Sie sich mal…

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Nancy: (blickt gelangweilt umher, singt leise)

Im Wonnemonat Mai, da brat ich mir ein Ei.

Chloe: (macht genervt einen Himmelsblick)

Nun tun Sie doch hier bloß nicht so cool. Fängt ja gleich hinter Ihnen an zu schneien.

Nancy:

Ach Chloe, das ist nicht fein. Das war ja jetzt mal ein richtiger Kinnhaken aus dem Nichts.

Chloe: (lächelt)

So ein richtiger Schwinger auf die Schna… na egal. Muss auch nicht sein, verunstaltet nur

das Gesicht und beeinflusst das Selbstbewusstsein. Außerdem ist es nicht gut für die

Schönheit.

Nancy:

Meine oder Ihre?

Chloe:

Schätzchen, schauen Sie mich an. Meine ist makellos, da bin ich stets am Ball. Ach,

übrigens… (geht zu Nancy, fasst sie am Arm) Ich habe da eine ganz, ganz nigelnagelneue

Kosmetiklinie entdeckt. Von einem sehr jugendlichem „Creator“, sag ich mal. Holt aus einem

„Normalgesicht“, also eines wie Ihres in etwa, alles, aber auch alles raus was an Schönheit

auch nur in Ansätzen da ist.

Nancy:

Recht so, haben Sie also gekauft? Mit gutem Grund. Tja, Schönheit ist vergänglich, die geht

mit der Zeit. Fliegt davon wie die Seele der Verstorbenen.

Chloe: (überspitzt, theatralisch)

Falsch, ganz, ganz falsch Kindchen. Wurde mir, als wichtige Persönlichkeit, überreicht, um es

zu testen und zu bewerten. Ich soll es meinen vielen Freundinnen zeigen. Mhm! (zeigt mit

dem Finger auf Nancy) Ich habe es hinten. Na, wie wärs? Wir probieren es gleich nachher

mal aus, Zeit haben wir ja genug. (Nancy will etwas erwidern aber Chloe stoppt sie) Keine

Widerrede, Il faut souffir pour etre belle! Ist Französisch, verstehen Sie nicht. Wer schön sein

will, muss leiden.

Nancy:

Da sind Sie bei mir falsch. Ich muss nicht leiden, ich bin schön.

Chloe:

Sicher, sicher. Aber auch am Morgen nach dem Duschen? (Sie wartet keine Antwort ab)

Sehen Sie, ist doch so. Nachher zeig ich es Ihnen mal

Carl: (erscheint)

Nancy, rufen Sie doch bitte mal den Pagen hoch. Er muss unsere Post besorgen. Schicken

Sie den dann gleich zu mir. (zieht seine Hose hoch, zieht sich zurück)

Nancy: (Mit einem Augenaufschlag)

Mach ich doch gerne für Sie… Carl! (lächelt aufreizend)

Chloe: (ahmt sie nach)

Mach ich doch gerne für Sie… Caaaarl! Naja, Nancy… solange Sie bloß Handlanger-

tätigkeiten für Carl erledigen, soll es so sein.

Nancy: (will etwas erwidern, winkt aber ab)

Warum so bärbeißig? Ist doch nur ein ganz kleiner Auftrag? Dazu noch völlig ohne

körperliche Bemühung. Ist da nicht Ihr, ich sag mal „Ärger“ übertrieben? Ist aber scheinbar

wirklich so: „Den Kranken ärgert die Fliege an der Wand“.

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Chloe:

Ich sehe Sie aber nicht als Fliege. Egal, was stehen Sie noch rum?

Nancy:

Das Telefon? Wo ist das Telefon?

Chloe: (bösartig, schaut sich um)

Ich sehe was, was du nicht siehst

Nancy: (blickt um sich; sieht es)

Ach da ist es ja (geht hin und wedelt mit dem Zeigefinger vor dem Telefon) Hast dich ja

versteckt, kleiner Lümmel. All right! (hebt den Hörer ab und lauscht) Macht: Tut Tut!

Chloe:

Sicher, was erwarten Sie denn? Soll es Sie mit Miau begrüßen?

Nancy:

Sehr witzig. Meines ist anders. Und nun? Macht weiter: Tut Tut, keiner meldet sich.

Chloe: (bissig)

Tuten tut der Nachtwächter. Ach, was solls? Sie müssen die Null wählen, letztes Loch.

Nancy: (lächelt)

Nun werden Sie mal nicht politisch. Die Null wählen! Also, ich hab den Jimmy Carter nicht

gewählt

Chloe: (lacht)

Guter Scherz Kindchen! Dann bohren Sie mal einen Ihrer Wurstfinger in das Loch, wo die Null

ist. Dann drehen Sie die Wählscheibe und lassen Sie wieder los. Wollen doch mal sehen, was

passiert?

Nancy:

Bin ja auch sehr gespannt, was passiert, wenn ich die Null wähle… (sie dreht sich zu Chloe)

Ist nicht persönlich gemeint, auch nicht politisch.

Chloe:

Ihr Glück! Los schon!

Nancy: (macht es, murmelt dabei)

Die Null wählen, letztes Loch (lauscht in den Hörer) Ja, guten Tag, hier ist die Null… (sie

stockt, schüttelt den Kopf und wirft Chloe einen bösen Blick zu) Nein, nicht doch, hier ist…

Hier ist… (blickt Chloe fragend an) Wo sind wir hier eigentlich?

Chloe:

Im Hotel Grand…

Nancy: (winkt ab, schaut auf das kleine Schild auf dem Telefon)

Ich rufe aus der „Grand Lux Suite“ an. Wir brauchen bitte mal Ihren Pagen. Können Sie den

bitte gleich hochschicken? Ja! Danke! (legt den Hörer auf, murmelt) Wir brauchen einen

Pagen… hoffentlich verstehen die das nicht falsch in dieser vulgären Welt?

Chloe:

Na, sehen Sie. Geht doch!

Nancy:

Man tut, was man kann.

Chloe:

Genau, wenn das alles ist? Wenn Sie sonst nichts können.

Nancy:

Was sind Sie so gemein zu mir? Sie sind wohl ein Einzelkind?