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1 1.1. Gegenstand und Aufgabe der Arbeits- und Organisationspsychologie 1.1.1. Allgemeines Die ABO-Psychologie ist ein Teilgebiet der Wirtschaftspsychologie; letztere lässt sich wie folgt untergliedern: Definition der ABO-Psychologie (nach Greif, 1995): Die ABO-Psychologie dient der Beschreibung, Erklärung und Vorhersage von Erleben und Verhalten im Arbeitskontext sowie in der Gestaltung von menschlicher Arbeit und Organisation. Nerdinger et. al nennen 4 zentrale Themenfelder der ABO-Psychologie: 1) Arbeit 3) Personal 2) Organisation 4) Markt bzw. Kunden Definition von Arbeit (nach Nerdinger et al., 2008): Arbeit ist eine planmäßige, menschliche Tätigkeit, die auf Erreichung wirtschaftlicher oder organisationaler Ziele ausgerichtet ist und den Einsatz körperlicher und/oder geistiger Kräfte erfordert. Sie erfolgt in der Regel arbeitsteilig und unter Nutzung von Werkzeugen! Definition von Organisation (nach Nerdinger et al., 2008): Organisationen sind soziale Systeme, die bestimmte Ziele verfolgen (z.B. Selbsterhalt, Wertschöpfung etc.). Da die Erreichung dieser Ziele arbeitsteilig erfolgt, weisen Organisationen Strukturen bzw. Regelwerke auf, mit deren Hilfe die Aktivitäten der Mitglieder aufeinander abgestimmt und auf die Ziele ausgerichtet werden. Aktuelle Herausforderungen der ABO-Psychologie: Demographischer Wandel; Ausbildungsniveau, globale Vernetzung und Technisierung von Arbeit stärker als je 1. Geschichte der ABO-Psychologie

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1.1. Gegenstand und Aufgabe der Arbeits- und Organisationspsychologie

1.1.1. Allgemeines

Die ABO-Psychologie ist ein Teilgebiet der Wirtschaftspsychologie; letztere lässt sich

wie folgt untergliedern:

Definition der ABO-Psychologie (nach Greif, 1995): Die ABO-Psychologie dient der

Beschreibung, Erklärung und Vorhersage von Erleben und Verhalten im

Arbeitskontext sowie in der Gestaltung von menschlicher Arbeit und Organisation.

Nerdinger et. al nennen 4 zentrale Themenfelder der ABO-Psychologie:

1) Arbeit 3) Personal

2) Organisation 4) Markt bzw. Kunden

Definition von Arbeit (nach Nerdinger et al., 2008): Arbeit ist eine planmäßige,

menschliche Tätigkeit, die auf Erreichung wirtschaftlicher oder organisationaler

Ziele ausgerichtet ist und den Einsatz körperlicher und/oder geistiger Kräfte

erfordert. Sie erfolgt in der Regel arbeitsteilig und unter Nutzung von

Werkzeugen!

Definition von Organisation (nach Nerdinger et al., 2008): Organisationen sind

soziale Systeme, die bestimmte Ziele verfolgen (z.B. Selbsterhalt, Wertschöpfung

etc.). Da die Erreichung dieser Ziele arbeitsteilig erfolgt, weisen Organisationen

Strukturen bzw. Regelwerke auf, mit deren Hilfe die Aktivitäten der Mitglieder

aufeinander abgestimmt und auf die Ziele ausgerichtet werden.

Aktuelle Herausforderungen der ABO-Psychologie: Demographischer Wandel;

Ausbildungsniveau, globale Vernetzung und Technisierung von Arbeit stärker als je

1. Geschichte der ABO-Psychologie

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zuvor; Angebot von Erwerbsarbeit nimmt in vielen Bereichen ab; schnellere

Veränderungen der Arbeitsbedingungen (=> Stichwort: lebenslanges Lernen)

1.1.2. ABO-Psychologie im Studium und im Beruf

Eine Absolventenbefragung der DGPs (2003) zeigt: Die ABO-Psychologie ist nach

der klinischen Psychologie das Teilgebiet der Psychologie, für das unter Studenten am

meisten Interesse besteht.

Interessenschwerpunkt ABO: rund 39%

Interessenschwerpunkt Klinische: rund 70%

Ein beachtlicher Anteil der Psychologie-Absolventen arbeitet im Bereich der

Wirtschaftspsychologie (14,5%). Ein größerer Anteil arbeitet lediglich in der

Psychotherapie (22,3%) und in der klinischen Psychologie (17,2%).

Da freiberufliche Psychologen und solche, die in der Aus-, Fort- und

Weiterbildung tätig sind, in der zitierten Statistik gesondert geführt werden, ist

davon auszugehen, dass der Anteil an Psychologen im ABO-Sektor sogar noch

größer als 14,5% ist!

Darüber hinaus ist der ABO-Sektor aufgrund der aktuellen Herausforderungen

(s.o.) stark im Wachsen begriffen!

Die häufigsten Tätigkeitsfelder von ABO-Psychologen:

1) Weiterbildung und Training: 51%

2) Personalauswahl: 43%

3) Organisationsentwicklung: 38%

4) Personalentwicklung: 30% 3

1.1.3. „Telefonbuch-Infos“

Wichtige Berufsvereinigungen:

Fachgruppe A&O-Psychologie (seit 1985) der Deutschen Gesellschaft für

Psychologie (DGPs)

Sektion Wirtschaftspsychologie (seit 1948) des Berufsverbands Deutscher

PsychologInnen (BDP)

European Association of Work & Organizational Psychology (EAWOP)

Academy of Management (seit 1936): eine übergreifende Berufsorganisation der

Organisationspsychologie; u.a. Hrsg. wichtiger Zeitschriften

Wichtige Zeitschriften:

Deutschsprachige Zeitschriften:

1. Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie

2. Zeitschrift für Arbeitswissenschaft

3. Zeitschrift für Personalpsychologie

Englischsprachige Zeitschriften:

1. Academy of Management Journal

2. European Journal of Work and Organizational Psychology

3. Journal of Management

4. Journal of Applied Psychology

Wichtige Handbücher:

Anderson et al. (2001): Handbook of Industrial, Work and Organizational

Psychology (Vol. I + II)

Rogelberg (2002): Handbook of research methods in industrial and organizational

psychology

Schuler (2004): Enzyklopädie der Psychologie. Bände Organisationspsychologie I

und II

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1.2. Historischer Überblick über die Entwicklung der ABO-Psychologie

1.2.0. Allgemeines

Entwicklungsaufgaben eines Faches:

1) Entdeckung des Aufgabenfeldes

2) Entwicklung exemplarischer Lösungen

3) Expansion unter Abgrenzung und Zusammenarbeit mit angrenzenden Gebieten

4) Verbandsorganisation

5) Fachzeitschriften

6) Fachtagungen

7) Ausbau einer systematischen Aus- und Weiterbildung mit Zertifikaten

Pioniere und Vorläufer der ABO-Psychologie:

Adam Smith (1876): beschreibt in „Wealth of Nations” die Prinzipien der

Arbeitsteilung und der Marktwirtschaft (die „unsichtbare Hand”)

Walter Dill Scott (1903): beschäftigte sich als einer der ersten mit

Marktpsychologie („Psychology of Advertising in Theory and Practice“) und

bemühte sich um eine wissenschaftlich fundierte Personalauslese bzw.

Eignungsdiagnostik.

William Stern (1903): führte die Unterscheidung zwischen „Psychotechnik“ und

„Psychognostik“ ein und gilt als einer der Begründer der angewandten

Psychologie (= „Psychotechnik“).

Frederick Taylor (1911): „Principles of Scientific Management“ (s.u.)

Hugo Münsterberg (1912): gilt als Nestor der angewandten Psychologie und kann

aufgrund seines Werks „Psychologie und Wirtschaftsleben“ als Begründer der

Wirtschaftspsychologie angesehen werden.

Walter Moede (1920): „industrielle Psychotechnik”

Max Weber (1925): befasste sich mit den Strukturen und Regeln einer idealen

Bürokratie

1.2.1. Taylor(ismus) und Ford(ismus)

Frederick Taylor, seines Zeichens Ingenieur, veröffentlichte 1911 sein Werk „The

Principles of Scientific Management“ („Die Prinzipien wissenschaftlicher

Betriebsführung“). Ziel der darin dargelegten Überlegungen war es, industrielle

Arbeitsabläufe auf Basis ingenieurswissenschaftlicher Analysen zu optimieren.

Grundgedanke: Mit Hilfe wissenschaftlicher Zeit- und Bewegungsstudien lässt

sich ermitteln, wie eine bestimmte Arbeit (z.B. Feilen) am besten, sprich:

ökonomischsten, durchzuführen ist (the „one best way“).

Zu diesem Zweck werden zunächst 10 bis 15 Personen ausgewählt, die in der

zu analysierenden Tätigkeit besonders geschickt sind.

Anschließend werden diese Personen genauestens beobachtet, wobei es darum

geht, a) die von ihnen ausgeführte Tätigkeit in möglichst kleine

Bewegungselemente bzw. Einzeloperationen zu unterteilen und b) die Zeit zu

messen, die sie für diese Einzeloperationen benötigen.

Auf Basis der so gesammelten Daten lässt sich schließlich ermitteln, wie sich

die untersuchte Arbeit am schnellsten ausführen lässt (Ausschaltung unnötiger

Bewegungen etc.).

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Prinzipien des Taylorismus:

1) Zergliederung der Arbeitsaufgaben in einzelne Arbeitselemente, die anschließend

analysiert und mithilfe von Zeit- und Bewegungsstudien rationalisiert werden

(extreme Arbeitsteilung und Partialisierung minimale Qualifikation der

Arbeiter, maximale Effizienz)

2) Auswahl und Schulung von Arbeitskräften, die am besten für eine Tätigkeit

geeignet sind.

3) Trennung von Kopf- und Handarbeit: Das Management übernimmt die Planung

und Überwachung der Aufgaben, die Arbeiter deren praktische Ausführung

4) Leistungsbezogenes Lohnsystem zur Motivierung der Arbeiter

5) Einvernehmen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, insofern die

Rationalisierung höhere Löhne für die Beschäftigten und höhere Gewinne für die

Unternehmer bringt.

Probleme des Taylorismus:

1) Monotone Tätigkeiten => Langeweile und Demotivation

2) Geringer Handlungsspielraum der Arbeitenden

3) Geringe Innovationskraft

4) Hoher Koordinations- und Überwachungsbedarf

5) Ausbeutung der Arbeiter?!

Taylor betonte in diesem Zusammenhang immer wieder, dass es bei seiner

Methode nicht darum gehe, das Maximalquantum eines Arbeiters

herauszufinden, sondern darum, eine angemessene Tagesleistung zu

bestimmen, die ohne seelischen oder körperlichen Schaden von jedem erreicht

werden könne!

Sogar Lenin war vom Taylorismus begeistert, so dass dieser auch in den

sowjetischen Ländern (z.B. der DDR) fester Bestandteil der Betriebskultur

war!

Eine radikale Weiterentwicklung des Taylorismus ist der auf Henry Ford

zurückgehende „Fordismus“; er umfasst u.a. folgende Maßnahmen:

Weitgehende Mechanisierung der Arbeitsprozesse (Einsatz des Fließbands)

Montageband als Tempomacher => Verzicht auf Überwachungsbürokratie

Eignungsuntersuchungen zur Personalauswahl

Verbot von Gewerkschaften im Betrieb

Hohe Löhne und niedrige Preise zur Förderung kaufkräftiger Nachfrage

1.2.2. Die Hawthorne-Studien und die „Human-Relations-Bewegung“

Die Hawthorne-Studien (Mayo, Roethlisberger & Dickson) wurden zwischen 1927

und 1932 in den Hawthorne-Werken durchgeführt. Ziel der Studien war es,

herauszufinden, durch welche Arbeitsbedingungen die Produktivität erhöht werden

kann.

Variiert wurden u.a. die Anzahl und Dauer der Pausen, die Gesamtarbeitszeit (bis

16:00; 16:30 und 17:00 Uhr) und die Beleuchtung. Als AV wurde die

Produktivität erhoben.

Ergebnis: Die Produktivität erhöhte sich bei fast jeder Veränderung, sogar bei

deren Rücknahme!

Interpretationen:

a) Teamarbeit führt zu größerer Zufriedenheit und höherer Leistung!

b) Freundliche Arbeitsatmosphäre und unterstützende Führung erhöhen

Arbeitszufriedenheit und –motivation.

c) Die spezielle Untersuchungssituation ist für die Ergebnisse verantwortlich; es

handelt sich bei diesen somit um ein Untersuchungsartefakt („Hawthorne-

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Effekt“: Schon die Teilnahme an einer Untersuchung hat Einfluss auf das

Verhalten der Untersuchungsteilnehmer)

Kritik: In den 70er Jahren ergaben Recherchen, dass die Hawthorne-Studien

schwerwiegende methodische Mängel aufwiesen.

Austausch „kooperationsunwilliger Arbeiterinnen“

Arbeit unter privilegierten Bedingungen (z.B. erhielten die Probanden höhere

Löhne)

Einmischungen des Versuchsleiters (Rüge wegen Schwatzhaftigkeit; Androhung

der Rückkehr auf alten Arbeitsplatz falls Leistungssteigerung ausbleibt)

Arbeiterinnen erhielten regelmäßige Leistungsrückmeldung.

Fazit: Was bleibt vom Mythos Hawthorne?

Die Hawthorne-Studien erlauben es nicht, die Produktivitätssteigerung auf

spezifische Ursachen zurückzuführen.

Aus den Ergebnissen der Hawthorne-Studien zu schließen, dass

experimentalpsychologische Untersuchungen zum Scheitern verurteilt sind, ist

jedoch verfehlt!

Stattdessen zeigen die Hawthorne-Studien durchaus, dass soziale Faktoren in

irgendeiner Form wirksam sind, weshalb neben dem Kriterium der Effizienz

(Taylorismus) auch Faktoren wie das Betriebsklima und die Arbeitszufriedenheit

berücksichtigt werden sollten!

Rezeption: Die Ergebnisse der Hawthorne-Studien waren ein Grund für das

Aufkommen der „Human-Relations-Bewegung“ in den 40er/50er Jahren. Dabei

handelt es sich um eine Art Gegenbewegung zum Taylorismus.

Hauptthese der Human-Relations-Bewegung: Die Qualität der

zwischenmenschlichen Beziehungen („human relations“) in einem Betrieb hat

entscheidenden Einfluss auf die Produktivität der Arbeiter; diese wollen neben

ihren finanziellen Bedürfnissen nämlich auch soziale Bedürfnisse (wie das nach

Achtung und Anerkennung) erfüllt wissen!

Die wichtigste Aufgabe der Vorgesetzten besteht daher darin, die

zwischenmenschlichen Beziehungen in einem Betrieb zu pflegen und für eine

gute Arbeitsatmosphäre zu sorgen!

Zentrale Forschungsthemen: Gruppendynamik, Führungsstile, Betriebsklima etc.

Kurt Lewin (ab 1939): hatte ein demokratisches und humanistisches

Selbstverständnis und zeigte u.a., das ein demokratischer Führungsstil

autoritären und Laissez-faire-Stilen überlegen ist!

Das Tavistock Institute (ab 1949): führte Untersuchungen zur Gruppenarbeit

im Kohlebergbau durch; letztere begründeten den soziotechnischen

Systemansatz und ebneten den Weg für teilautonome Arbeitsgruppen!

1.2.3. Humanisierung der Arbeit

Maslow (1954) und McGregor (1960): betonten das Bedürfnis nach

Selbstverwirklichung in der Arbeit

Maslow: s.u.

McGregor: Aufgabe des Managements ist es, geeignete Rahmenbedingungen zur

Selbststeuerung der Arbeitnehmer zu schaffen; statt eines autoritären

Betriebsklimas und engmaschiger Kontrolle gilt es also, den Arbeitnehmern

möglichst viel Freiheit und Eigenverantwortung zu übertragen.

Herzberg et al. (1959): stellte die Zwei-Faktoren-Theorie der Arbeitszufriedenheit

auf und rückte dabei die Arbeitsinhalte ins Zentrum (s.u.)!

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Hackman & Oldham (1975): Bedeutsamkeit, Vollständigkeit, Anforderungsvielfalt,

Autonomie und Feedback als wesentliche Bestandteile intrinsisch motivierter Arbeit!

Hacker; Ulich; Volpert u.a. (ab 1978): Handlungstheorie betont Vollständigkeit

und Persönlichkeitsförderlichkeit von Arbeit!

Arbeitsgestaltungsmaßnahmen zur Verbesserung der Qualität des Arbeitslebens:

Job Rotation; Job Enrichment (qualitative Erweiterung); Job Enlargement

(quantitative Erweiterung); teilautonome Gruppenarbeit usw.

1.2.4. Professionalisierung und Differenzierung

Seit den 80er Jahren wächst der Bedarf an ABO-Psychologen; dem entspricht eine

zunehmende Etablierung und Professionalisierung der ABO-Psychologie sowohl in

Unternehmen als auch an der Universität.

Ausgelöst wurde diese Entwicklung v.a. durch Entwicklungen in der Arbeitswelt:

Von Massenproduktion zu kundenorientierter Fertigung

Zunehmende Technisierung von Arbeit

Globalisierung der Wirtschaft

Erprobung neuer Arbeitsformen (v.a. Gruppenarbeit)

Aktueller Forschungstrend: Interindividuelle Unterschiede in den arbeitsbezogenen

Bedürfnissen rücken stärker in den Vordergrund.

1.2.5. Forschungsphasen orientiert an Menschenbildern

1.3. Theorien der ABO-Psychologie

1.3.1. Allgemeines

Auch wenn – oder gerade weil die ABO-Psychologie ein Anwendungsfach ist, basiert

sie auf theoretischen Modellen und Annahmen. Eine ihrer wichtigsten Aufgaben

besteht dementsprechend in der Überprüfung und Weiterentwicklung dieser Theorien.

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Funktionen einer Theorie:

Präzise Beschreibung eines Forschungsgegenstandes

Abstraktionsgrad hängt von der angestrebten Generalisierbarkeit ab

Erklärung der Existenz, Entstehung oder Veränderung des

Forschungsgegenstandes möglichst in Form von Ursache-Wirkungs-

Zusammenhängen

Vorhersage von zukünftigen Entwicklungen und Effekten

Steuerung von Interventionen

Hauptkriterium für die Qualität einer Theorie ist ihre hinreichende empirische

Bewährung!

Folgende Arten von Theorien spielen in der ABO-Psychologie eine Rolle:

Klassische Theorien (Taylor, Weber)

Lerntheorien

Motivationstheorien

Führungstheorien

Handlungstheorie

Entscheidungstheorien

1.3.2. Klassische Theorien: Taylor, Weber

Taylor(ismus): Maßnahmen des Managements haben sich an empirischen

Untersuchungen zu orientieren („Scientific Management“): s.o.

Max Weber (1922) beschreibt in einem seiner Werke die ideale Bürokratie; er liefert

damit die erste explizite Organisationstheorie.

Die moderne Bürokratie ist nach Weber allen anderen Formen der Verwaltung

überlegen; sie zeichnet sich durch Präzision, Sachlichkeit, Unpersönlichkeit und

Berechenbarkeit aus. Ihre wichtigsten Charakteristika sind:

Eine streng hierarchische, pyramidenförmige Struktur

- Entlastung der Mitglieder durch Verantwortungsverschiebung und

Spezialisierung (=Arbeitsteilung)

- Leichte Ersetzbarkeit der einzelnen Mitglieder

- Kontrolle von Machtmissbrauch (Jeder Vorgesetzte hat nur eine kleine

Kontrollspanne

- Problem: Starrheit (aufgrund langer Dienstwege)

Entscheidungsprozesse sind durch explizite Regeln festgelegt

Aktenmäßigkeit (alles wird schriftlich festgehalten: a) zu Kontrollzwecken, b)

zur Sicherstellung der Kontinuität beim Wechsel von Amtsinhabern)

Unpersönlichkeit der Beziehungen

Die Entstehung der modernen Bürokratie ist nach Weber Teil der in allen

Lebensbereichen voranschreitenden Rationalisierung.

1.3.3. Lerntheorien

Klassisches Konditionieren: Die wiederholte Kopplung eines neutralen Reizes mit

einem unbedingten Reiz führt zu einer bedingten Reaktion auf den ursprünglich

neutralen Reiz!

Operantes Konditionieren: Verhaltensmodifikation durch den Einsatz von

Verstärkern und/oder Bestrafungen.

Die Wirkung des operanten Konditionierens hängt ab von:

a) dem Verstärkungsplan (kontinuierlich vs. intermittierend)

b) dem zeitlichen Abstand zwischen Verhalten und Belohnung bzw. Bestrafung

c) der (Nicht-)Belohnung konkurrierender Verhaltensweisen

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Modelllernen (Bandura, 1963): Lernprozesse, die auf der Beobachtung und

Nachahmung anderer Personen beruhen

Die Nachahmungswahrscheinlichkeit steigt, wenn…

a) das Modell eigene Bedürfnisse befriedigt (z.B. Ähnlichkeit)

b) das Modell gelobt bzw. belohnt wird (stellvertretende Verstärkung)

c) das Modell den Nachahmenden lobt (externe Verstärkung)

d) sich der Nachahmende selbst lobt (Selbstverstärkung)

Soziale Lerntheorie (Vgl. Kapitel „Arbeitsmotivation“)

Lernende Organisation (von Chris Argyris): Führen Maßnahmen einer Organisation

nicht zum erwünschten Ergebnis („Soll-Ist-Vergleich“) bestehen 2 Möglichkeiten:

Entweder es kommt zu einer Verhaltensänderung im Rahmen des bisherigen

Repertoires, z.B. indem eine Werbekampagne intensiviert wird („Single Loop“) oder

das Repertoire selbst wird erweitert, z.B. indem die Werte, Strategien oder Ziele des

Unternehmens überdacht werden („Double Loop“).

„Double

Loop“

„Single

Loop“

1.3.4. Motivationstheorien (siehe: Kapitel „Arbeitsmotivation“)

Theorie der Bedürfnishierarchie: Maslow (1954)

2-Faktoren-Theorie: Herzberg et al. (1959)

VIE-Theorie: Vroom (1964)

Zielsetzungstheorie („Goal setting“): Locke & Latham (1990)

1.3.5. Führungstheorien

Dispositionale Theorien der Führung

Kontingenztheorie der Führung

Transaktionale und transformationale Führung

Leader-Member-Exchange-Theorie: Graen & Uhl-Bien (1995)

Entscheidungsmodell der Führung: Vroom et al. (2000)

Management by Objectives (MBO-Theorie)

„Führung von unten”

Repertoire der

Organisation

Handlung

Soll-Ist-Vergleich

Ende

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1.3.6. Handlungstheorie

Miller, Galanter & Pribram (1960): Personen reagieren nicht nur auf externe Reize

(Behaviorismus), sondern verfolgen aktiv persönliche Ziele.

Der Prozess der Zielerreichung lässt sich dabei als Regelkreis (T-O-T-E)

beschreiben:

Im ersten Schritt erfolgt ein Vergleich zwischen der Soll- und Ist-Situation

(Test 1) Daran anschließend erfolgt ein Umwelteingriff, der dazu dient, Soll- und Ist-

Zustand einander anzugleichen (Operate 1).

Es folgt eine Rückmeldung über das erzielte Veränderungsresultat (Test 2).

Diese Test- und Operate-Einheiten wiederholen sich so lange, bis das

gewünschte Resultat erreicht wird (Exit).

1.3.7. Entscheidungstheorien

Entscheidungstheorien gehen davon aus, dass Entscheidungsprozesse den Kern einer

Organisation ausmachen!

Zu unterscheiden ist zwischen normativen und deskriptiven Entscheidungstheorien:

Normative Entscheidungstheorien beruhen auf dem Erwartungs × Wert-Ansatz;

sie gehen also davon aus, dass Entscheidungen aufgrund rationaler Überlegungen

getroffen werden.

Beispiel: „Subjective Expected Utility“(SEU) von Edwards

Deskriptive Entscheidungstheorien gehen davon aus, dass der Mensch nur

begrenzte kognitive Kapazitäten hat; seine Entscheidungen gründen daher nur z.T.

auf rationalen Überlegungen („bounded radtionality“); mindestens genauso

wichtig sind z.B. Heuristiken usw.

Beispiel: „Prospect theory“ (Tversky und Kahneman)

1.4. Methodische Forschungsansätze der ABO-Psychologie

1.4.1. Untersuchungsplanung

Die verschiedenen Methoden der (ABO-)Psychologie lassen sich anhand folgender 3

Dimensionen klassifizieren:

1) Ort: Labor vs. Feld

2) Strategie: unsystematisches Vorgehen vs. systematisches Vorgehen vs.

quasiexperimentelles Vorgehen vs. experimentelles Vorgehen

3) Aktivität des Forschers: Introspektion vs. Befragung vs. Beobachtung

Da jedes Forschungsdesign jeweils spezifische Vor- und Nachteile hat, ist es wichtig,

verschiedene Designs zu integrieren:

Qualitative und quantitative Untersuchungen:

Qualitative (Fall-)Studien: dienen der Hypothesengenerierung

- Definition der Untersuchungsfrage

- Auswahl der Fälle (kleines Sample!)

- Entwicklung der Untersuchungsinstrumente

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- Flexible und breite Datensammlung

- Datenanalyse innerhalb und zwischen den Fällen

- Entwicklung von Hypothesen und iterativer (sukzessiver) Abgleich mit den

Daten

- Vergleich mit bestehender Literatur

- Fazit

Quantitative Studien: dienen der Hypothesenüberprüfung

- Definition der Untersuchungsfrage

- Studium der bestehenden Literatur

- Entwicklung der (theoretischen und statistischen) Hypothesen

- Möglichst große Stichprobe

- Auswahl der Untersuchungsinstrumente

- Standardisierte Datensammlung

- Datenanalyse und Test der Hypothesen

- Fazit

Labor- und Feldstudien:

Feldstudien haben folgende Vor- und Nachteile:

+ hohe externe (=ökologische) Validität

+ hohe Akzeptanz bei Praktikern

- Keine Kontrolle des Kontexts (=> geringe interne Validität)

- Vorwiegend deskriptiv, Kausalaussagen schwierig

- Geringe Innovation

Laborstudien haben folgende Vor- und Nachteile:

+ Kontrolle der Kontextbedingungen (=> hohe interne Validität)

+ Kausalaussagen sind i.d.R. möglich

+ hohe Innovation

- Externe (=ökologische) Validität (=Generalisierbarkeit) ist fraglich

- Niedrige Akzeptanz bei Praktikern / Anzweiflung der Praxisrelevanz

Korrelatives und experimentelles Vorgehen:

Am besten sind experimentelle Feldstudien; am schlechtesten korrelative

Laborstudien!

Im Kontext der ABO-Psychologie sieht sich die Wissenschaft häufig in einem

Interessenkonflikt mit der Wirtschaft!

Problematisch wird’s, wenn…

Nur ein Ergebnis akzeptiert wird

Nachfolgende Maßnahmen auf jeden Fall, d.h. unabhängig von den

wissenschaftlichen Befunden, durchgeführt werden

Von vorneherein klar ist, dass keines der möglichen Ergebnisse Konsequenzen

haben wird!

1.4.2. Datengewinnung

Methoden der Datengewinnung:

Interviews

Fragebögen

Beobachtungen

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Testverfahren

Simulationen

Nicht-reaktive Verfahren (Archivdaten, Protokolldateien etc.)

Sekundäranalysen (z.B. Metaanalyse)

Gütekriterien von Tests:

Objektivität: Unabhängigkeit der Ergebnisse vom Untersucher

Durchführungsobjektivität

Auswertungsobjektivität

Interpretationsobjektivität

Reliabilität: Genauigkeit, mit der etwas gemessen wird (= Anteil der wahren

Varianz an der beobachteten Varianz)

Re-Test-Reliabilität

Split-Half-Reliabilität

Paralleltest-Reliabilität

Interne Konsistenz (z.B. Cronbachs Alpha)

(Interne und externe) Validität:

Inhaltliche Validität: Wie genau ist das Verfahren in Bezug auf den zu

messenden Inhalt?

Konstruktvalidität: Wie genau ist das Verfahren in Bezug auf das zu messende

Konstrukt (z.B. Intelligenz)?

- Konvergente und diskriminante Konstruktvalidität

Kriteriumsvalidität: Korrelation des Testergebnisses mit einem

Außenkriterium

- Prädiktive vs. konkurrente Kriteriumsvalidität

Soziale Akzeptanz

1.4.3. Bewertung der Ergebnisse

Untersuchungsartefakte:

Messfehler (bei UV und/oder AV)

Mangelnde Konstruktvalidität

Varianzeinschränkung der Variablen (Decken- und Bodeneffekte)

Effekte von Drittvariablen (z.B. parallele Ereignisse, Selbstselektion, Regression

zur Mitte etc.)

Reaktivität („Hawthorne Effekt“)

Inadäquate Kontrollgruppen (Imitations-, Kompensations- u.a. Effekte)

„Single source“ und „Common method”-Artefakte

Die Dokumentation der Ergebnisse: hat sich an den Standards der DGPs oder APA

zu orientieren.

Klare Fragestellung

Klare Darstellung der Methoden (zwecks Wiederholbarkeit)

Vollständige Ergebnisdarstellung (u.a. für Metaanalysen)

Neben den p-Werten sollten auch Effektstärken (Cohens d oder r) angegeben

werden.

- Kleiner Effekt: ab d = 0,2 oder r = 0,1

- Mittlerer Effekt: ab d = 0,5 oder r = 0,3

- Großer Effekt: ab d = 0,8 oder r = 0,5

Schlüssiges Fazit

Bewertung der Ergebnisse:

Wichtig sind Implementierungskontrollen; dazu zählen z.B.:

Pilotstudien

Expertenurteile

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Manipulation checks / Suspicion checks / offene Fragen

Prüfung der Datenqualität

Berücksichtigung von Metanalysen

Bei einer Metaanalyse sind die Beobachtungseinheiten keine einzelnen Personen,

Gruppen oder Organisationen, sondern ganze Untersuchungen; berechnet werden

Einzeleffektstärken und deren Heterogenität; Hauptziel ist, die Einzelergebnisse

auf diese Weise zu einer Gesamteffektstärke mit Konfidenzintervall zu integrieren.

Fazit: Bei psychologischen Untersuchungen sollte folgendes beachtet werden:

Theoriegeleitetes Vorgehen

Gründliche Untersuchungsplanung vorab; evtl. gestützt auf explorative

(qualitative) Untersuchungen oder Pilotstudien

Eher große Stichproben und wenige Variablen als kleine Stichproben und viele

Variablen

Der Königsweg ist das Experiment

Kombination aus Labor- und Feldstudien

Adäquate Kontrollgruppen

Wichtig ist eine genaue Dokumentation des Vorgehens und der Ergebnisse

Dabei sollten, zusätzlich zu den Ergebnissen der Signifikanztests,

Effektstärken angegeben werden!

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2.1. Zur Bedeutung von Arbeit und Arbeitslosigkeit

2.1.1. Definition und Bedeutung von Arbeit

3 Definitionen von Arbeit:

1) Nerdinger et al. (2008): Arbeit ist eine planmäßige menschliche Tätigkeit, die auf

die Erreichung wirtschaftlicher oder organisationaler Ziele ausgerichtet ist, den

Einsatz geistiger und/oder körperlicher Kräfte erfordert und i.d.R. unter Einsatz

von Werkzeugen erfolgt (s.o.).

2) Semmer & Udris (2003): Arbeit ist eine zielgerichtete menschliche Tätigkeit, bei

der es um die Erfüllung selbst- oder fremdgesetzter Aufgaben geht und die in

materieller oder ideeller Form gesellschaftlich bewertet wird. Sie dient sowohl

der Transformation und Aneignung der Umwelt als auch der Realisierung und

Weiterentwicklung individueller und kollektiver Bedürfnisse, Ansprüche und

Kompetenzen.

3) Hacker (1986): Arbeit ist eine bewusste und zielgerichtete Tätigkeit, die

ausgerichtet ist auf die Verwirklichung eines Ziels im Sinne eines

vorweggenommenen Resultats (=Produkt), das vor dem Handeln ideell gegeben

war. Arbeit ist willensmäßig auf das bewusste Ziel hin reguliert. Bei der

Herstellung des Produkts formt sich zugleich die Persönlichkeit. Jede

Arbeitstätigkeit ist in ihren wesentlichen Merkmalen gesellschaftlich bestimmt.

Im Rahmen der „Meaning of Working“-Studie (MOW) von 1987 wurden 15.000

Personen aus 8 verschiedenen Ländern (Belgien, Deutschland, Großbritannien, Israel,

Japan, Jugoslawien, Niederlande und USA) dazu befragt, welche Bedeutung Arbeit in

ihrem Leben hat.

Methodik:

Zentralitätsfrage: Die Pbn sollen durch die Vergabe von insgesamt 100

Punkten angeben, wie wichtig ihnen die folgenden 5 Lebensbereiche sind: „my

leisure“, „my community“ (Parteien, Ehrenämter etc.), „my work“, „my

religion“, „my family“

Lottofrage: Was würden Sie tun, wenn Sie im Lotto gewonnen hätten?

- Mit der Arbeit aufhören

- Weiterarbeiten wie bisher

- Weiterarbeiten, aber unter anderen Bedingungen

Ergebnisse:

40% gaben an, dass ihnen Familie am wichtigsten sei, bei 27% stand die Arbeit

an erster Stelle

86% würden auch nach einem Lottogewinn weiterarbeiten

- Akademiker antworteten dabei eher mit „ja“; Arbeiter eher mit „nein“

- Deutsche antworteten eher mit „nein“; Japaner eher mit „ja“

Eine andere Methode, die Bedeutung von Arbeit zu erfassen, stammt von Schuler und

Moser (1993); gefragt wird dabei nach dem „involvement“, man versteht darunter die

Identifikation einer Person mit Arbeit im Allgemein und dem jeweiligen Beruf im

Speziellen.

Es werden demnach zwei Arten von „Involvement“ unterschieden:

a) Unter „Work Involvement“ (bzw. „Employment Commitment“?!) versteht

man den relativ stabilen Stellenwert von Arbeit im Allgemeinen.

b) „Job Involvement“ meint die Identifikation mit der aktuellen Arbeitstätigkeit,

bzw. dem jeweiligen Beruf einer Person sowie die damit einhergehende

Anstrengungsbereitschaft

2. Arbeit und Arbeitslosigkeit

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- z.B.: „Für mich vergehen die ersten Arbeitsstunden wie im Flug.“

Commitment: meint die Bindung an die Institution bzw. Organisation, für die

man arbeitet.

Zur Wertigkeit von Arbeit:

Gegenwärtig lässt sich folgender Wertwandel beobachten (Inglehart, 1989):

Während Arbeit früher v.a. als Pflichterfüllung und notwendiges Übel angesehen

wurde, gilt sie heute zunehmend als Möglichkeit zur Selbstentfaltung und

persönlichen Erfüllung.

Rosenstiel & Nerdinger (2000) unterscheiden im Zusammenhang mit Arbeit

folgende Wertetypen:

1) Karriereorientierung: Personen mit einer Karriereorientierung streben nach

einer leitenden Position in der Wirtschaft oder Verwaltung, weil sie a) etwas

bewegen wollen und b) viel Geld verdienen wollen. Sie sind bereit, dafür mehr

als 40 h in der Woche zu arbeiten.

2) Freizeitorientierung: Personen mit einer Freizeitorientierung geht es um eine

sichere Position mit geregelter Arbeitszeit. Sie sind weniger ehrgeizig und

legen ihren Schwerpunkt nicht auf die Arbeit, sondern auf ihre Freizeit!

3) Alternatives Engagement: Idealisten, denen es v.a. darauf ankommt, für eine

„gute Sache“ zu arbeiten; Bezahlung und Ansehen sind ihnen weniger wichtig.

Bewertungsaspekte von Arbeit: Bei der Bewertung von Arbeit spielen folgende

Aspekte eine Rolle:

1) Arbeitsinhalt (Ganzheitlichkeit, Abwechslungsreichtum etc.)

2) Arbeitsbedingungen (Arbeitszeit, Arbeitstempo, Belastungen wie Lärm oder Hitze

etc.)

3) Organisationale Rahmenbedingungen (Sicherheit des Arbeitsplatzes,

Karrieremöglichkeiten)

4) Soziale Bedingungen (Kontaktmöglichkeiten, Betriebsklima)

5) Finanzielle Bedingungen (Lohn, Prämien, Sozialleistungen etc.)

Psychosoziale Funktionen von Arbeit (nach Jahoda und Warr; in den 80ern):

1) Existenzsicherung: Arbeit ist a) notwendig, um den eigenen Lebensunterhalt zu

sichern und b) eine gesellschaftliche Verpflichtung

2) Aktivität und Kompetenz: Durch Arbeit erwirbt der Einzelne Fähigkeiten und

Kenntnisse und entwickelt darüber hinaus ein Gefühl von Handlungskompetenz.

3) Zeitstrukturierung: Arbeit strukturiert nicht nur die Tages-, Wochen- und

Jahresplanung einer Person, sondern auch deren Lebensplanung (Erreichung von

Karrierezielen usw.)

4) Kooperation und soziale Kontakte: Am Arbeitsplatz werden nicht nur Kontakte

geknüpft (Entwicklung eines sozialen Netzwerks), sondern damit einhergehend

auch soziale Kompetenzen (z.B. Kooperationsfähigkeit) erworben!

5) Soziale Anerkennung: Die Arbeit einer Person trägt wesentlich zu deren sozialem

Status bei; darüber hinaus gibt Arbeit dem Einzelnen das Gefühl, etwas zum Erhalt

der Gesellschaft beizutragen.

6) Persönliche Identität: Die berufliche Rolle einer Person ist ein zentraler

Bestandteil des Selbstbildes und enorm wichtig für das Selbstwertgefühl. Darüber

hinaus gilt Arbeit zunehmend als Ort der Persönlichkeitsentfaltung!

Page 15: Abo

15

2.1.2. Definition und Verbreitung von Arbeitslosigkeit

Geschichtliches: Das Phänomen der Arbeitslosigkeit ist uralt (Vgl. die Bibel oder die

Bauprojekte von Perikles) – den Begriff der „Arbeitslosigkeit“ gibt es dagegen erst

seit ca. 130 Jahren; davor zählten Arbeitslose einfach nur zum „Heer der Armen“.

Ab 1877: wurden unter dt. Gewerkschaftsmitgliedern erste Umfragen

durchgeführt, um das Ausmaß der Arbeitslosigkeit abschätzen zu können.

Ab 1880: wurden in deutschen Städten erstmals Arbeitsvermittlungsstellen

eingerichtet.

Ab 1882: wurden vom Staat erstmals Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen initiiert

(Einrichtung sog. Arbeiterkolonien)

Erst seit 1927: gibt es in Deutschland eine staatliche Arbeitslosenunterstützung!

Definition: Die ILO („International Labour Organisation”) unterscheidet 3 Arten

von Erwerbslosigkeit („unemployment“)

1) „without work“

2) „currently available for work“

3) „seeking work“

Zur Verbreitung von Arbeitslosigkeit…

in der Welt: Die höchsten Arbeitslosenquoten (z.T. mehr als 50%) finden sich in

Afrika, die niedrigsten Arbeitslosenquoten (< 5%) haben u.a. die USA, China,

Japan, Norwegen und Schweden.

in Deutschland: unterliegt die Arbeitslosigkeit erheblichen Schwankungen; die

Zahl der von Arbeitslosigkeit Betroffenen pro Jahr ist dementsprechend deutlich

höher als die Arbeitslosenquote. Phasen von Erwerbslosigkeit sind mittlerweile ein

normaler Bestandteil der Erwerbsbiographie.

Aktuelle Arbeitslosenquote in Deutschland (April 2009): 8,6% (=ca. 3,5 Mio.)

- West-Deutschland: 7,2% (am niedrigsten in Süddeutschland)

- Ost-Deutschland: 13,9%

Entwicklung der Arbeitslosigkeit in Deutschland:

- In den 60ern: Vollbeschäftigung

- 70er und 80er Jahre: Rezession durch Ölpreiskrise

- Seit 1989: Anpassungsprobleme der ostdeutschen Wirtschaft

- Ab 2006: Abnahme der Arbeitslosenquote

- Seit 2009 (Weltwirtschaftskrise): Erneute Zunahme der Arbeitslosigkeit

2.1.3. Folgen von Arbeitslosigkeit

„Die Arbeitslosen von Marienthal“ (1933): Marie Jahoda, Lazarsfeld und Zeisel

führten Ende der 20er / Anfang der 30er Jahre in Marienthal, einem Fabrikdorf bei

Wien, einen soziographischen Versuch zu den Langzeitfolgen von Arbeitslosigkeit

durch. Aufgrund seiner methodischen Vielseitigkeit gilt der Versuch dabei bis heute

als richtungsweisend (ein Meilenstein der empirischen Sozialforschung)!

Ausgangssituation: Die Flachsspinnerei von Marienthal setzte 1926 ihre

Belegschaft auf die Hälfte herunter. Dementsprechend waren von den rund 3.000

Einwohnern mit einem Schlag ca. 1.500 arbeitslos!

Forschungsmethoden:

Reaktive Methoden:

- Teilnehmende Beobachtung: Hausbesuche, Hausinventare, Lebens-

beschreibungen

- Aktionsforschung (Kleideraktion „Winterhilfe“, ärztliche Sprechstunden,

Erziehungsberatung, Zeichenkurse für Frauen, Turnkurse für Mädchen):

diente einerseits dazu, Zugang zu den Menschen zu bekommen und sie für

Page 16: Abo

16

das Forschungsprojekt zu gewinnen, andererseits um durch teilnehmende

Beobachtung an Infos zu kommen.

- Mündliche Befragungen: biographische Interviews

- Schriftliche Befragungen: Schulaufsätze (z.B. zu dem Thema „Was

wünsche ich mir zu Weihnachten“), Mahlzeiteninventare, Zeitbudget-

Tagebücher

Non-reaktive Methoden:

- Auswertung amtlicher Statistiken und Dokumente (Wahlstatistik,

Bevölkerungsstatistik, Beschwerden bei der Industriellen

Bezirkskommission)

- Dokumentenanalyse (Abonnentenzahl in der Bibliothek, Mitgliederzahlen

in Parteien und Vereinen, Geschäftsbücher der Unternehmen,

Katatserblätter, die für jede betroffene Familie angelegt wurden)

- Verdeckte Beobachtung (Gehgeschwindigkeit, Gesprächsthemen und

Beschäftigung in Gaststätten und im Arbeiterheim, Qualität des Schulbrots)

Ergebnisse: Langzeitarbeitslosigkeit hat eine paradoxe Wirkung; sie führt nicht

zu Revolte oder aktiver Nutzung der neu gewonnenen Freizeit, sondern zu

passiver Resignation.

Die Leihbücherei wurde weniger als vorher genutzt

Die politischen Aktivität ging zurück

Das Engagement bei der Arbeitssuche nahm mit der Dauer der Arbeitslosigkeit

stark ab

Langsamer Schritt / häufige Pausen beim Gehen

Die Kinder der Arbeitslosen hatten weniger deutliche Vorstellungen bezüglich

ihrer beruflichen Zukunft und wussten nicht, was sie sich zu Weihnachten

wünschen sollten.

Interpretation: Die Folgen von Langzeitarbeitslosigkeit sind darauf

zurückzuführen, dass die manifesten und latenten Funktionen von Arbeit (s.u.)

nicht ersetzt werden können.

Aktuell geht es in der psychologischen Arbeitslosigkeitsforschung v.a. um folgende

Fragen: Wie stark ist der Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und psychischer

Gesundheit?

Durch welche Faktoren wird der Zusammenhang beeinflusst (Moderatoranalysen)?

Wie ist der Zusammenhang zu interpretieren (Kausalverhältnis zwischen

Arbeitslosigkeit und psychischer Gesundheit)?

Auf welchen Wirkmechanismen beruht der Zusammenhang (Erklärungsmodelle

und deren empirische Überprüfung)?

Kurz- und Langzeitfolgen von Arbeitslosigkeit:

Stufentheorie nach Eisenberg und Lazersfeld (1938): Die Reaktion auf- und der

Umgang mit Arbeitslosigkeit ändern sich in Abhängigkeit von deren Dauer.

1. Stufe: Schock

2. Stufe: Optimismus

3. Stufe: steigender Pessimismus

4. Stufe: Resignation, Fatalismus

Kurzzeitfolgen:

Marienthalstudie: Bei vorher starken Arbeitsbelastungen (z.B. Lärm, Stress

etc.) bessert sich die Gesundheit zunächst!

Mohr (1987, 2001): Entlastungseffekte können auftreten a) bei geringer

finanzieller Belastung, b) bei unbefriedigenden Arbeitsbedingungen vor der

Arbeitslosigkeit sowie c) bei Bestehen einer Alternativrolle.

Page 17: Abo

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Langzeitfolgen für die Betroffenen selbst: Psychisches Unwohlsein (u.a. geringeres Selbstwertgefühlt sowie geringere

externale Kontrollüberzeugungen)

Psychosomatische Symptome (u.a. Alkoholismus, Drogenmissbrauch, Angst)

Ungünstigeres Gesundheitsverhalten hinsichtlich Rauchen, Beruhigungsmittel,

Sport, Zähneputzen, Vorsorgeuntersuchungen, Therapieabbrüchen und

Rückfallquoten

Soziale Isolation

Neuaufnahmen in Psychiatrie

Langzeitarbeitslose weisen eine um 20-30% erhöhte Sterblichkeitsrate auf

(Herzversagen, Suizid)

Langzeitfolgen für das Umfeld:

Familie:

- Partner von Arbeitslosen klagen über eine verminderte Beziehungsqualität

und eine Zunahme der eigenen psychischen Belastung

- Kinder von Arbeitslosen haben häufig Konzentrationsstörungen,

Depressionssymptome und schlechtere Noten.

Verbliebene Mitarbeiter im Unternehmen: erhöhte Fehlzeiten, Zynismus,

Beanspruchungssymptome

Gesellschaft: Risikoscheu, Konjunkturschwäche, politische Radikalisierung

Eine Metaanalyse zum Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und psychischer

Belastung von Paul, Zempel & Moser (2007) ergab folgende Ergebnisse:

Arbeitslose (34%) sind rund doppelt so häufig von psychischen Problemen

betroffen wie Erwerbstätige (16%)!

Arbeitslosigkeit – psychische Belastung allgemein: d = 0,56

Arbeitslosigkeit – Depression: d = 0,55

Arbeitslosigkeit – subj. Wohlbefinden: d = 0,51

Arbeitslosigkeit – Angst: d = 0,4

Arbeitslosigkeit – Selbstwert: d = 0,38

Moderatoren, die den Zusammenhang beeinflussen:

Geschlecht: Männer werden durch Arbeitslosigkeit stärker belastet als Frauen!

Sozioökonomischer Status: Menschen mit geringer Schulbildung leiden

stärker unter Erwerbslosigkeit!

Dauer: Das Befinden von Langzeitarbeitslosen ist deutlich schlechter!

Soziale Unterstützung: Die Effekte von Erwerbslosigkeit sind umso stärker, je

niedriger die soziale Unterstützung der Betroffenen ist!

Employment Commitment / Work Involvement: Je stärker die innere Bindung

an eine Erwerbstätigkeit ist, desto größer die Effekte von Erwerbslosigkeit!

Persönlichkeitsfaktoren: Eine hohe emotionale Stabilität, ein hohes

Selbstwertgefühl und Extraversion verringern die negativen Wirkungen von

Erwerbslosigkeit!

Alter: kein gesicherter Effekt, tendenziell kurviliniear

Partnerschaftsstatus: kein Effekt; evtl. gegenseitige Aufhebung von Stützung

und Schwächung!

Moderatoren aus Einzelstudien:

Starke Religiosität => geringere Betroffenheit

Anderweitige Aktivitäten (Arbeiten im Haus und Garten, Weiterbildungen,

Hobbies, Erziehung der Kinder etc.) => geringere Betroffenheit

In reicheren, egalitäreren und kollektivistischeren Ländern => geringere

Betroffenheit

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18

Problem: Der Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und psychischer Belastung

kann unterschiedlich erklärt bzw. interpretiert werden.

Folgende Erklärungen/Interpretationen sind denkbar:

1. Psychisch belastete oder gestörte Menschen werden leichter arbeitslos

(„Selection“-Hypothese)!

2. Psychisch belastete oder gestörte Menschen bleiben länger arbeitslos, so dass

es zu einer statistischen Häufung von psychischen Störungen bei Arbeitslosen

kommt („Selection“-Hypothese).

3. Eine dritte Variable, wie z.B. körperliche Gesundheit oder Sucht, ist sowohl

für Arbeitslosigkeit als auch für den schlechten psychischen

Gesundheitszustand verantwortlich!

4. Arbeitslosigkeit führt zu psychischen Belastungen oder Störungen

(„Causation“-Hypothese)!

Studien:

Eine Metaanalyse von Murphy & Athanasou (1999) über 16

Längsschnittstudien, bei denen als Kriterium die psychische Gesundheit

(General Health Questionaire) erhoben wurde, spricht für die

Kausalitätshypothese!

- Effekt des Arbeitsplatzverlustes: d = -.36

- Effekt des Wiedereinstiegs in die Erwerbstätigkeit: d = .54

- Keine Moderation durch Geschlecht, Beruf oder kulturellen Hintergrund

Eine Metaanalyse von Paul et al. (2007) zeigt, dass Selektionseffekte deutlich

geringer ausfallen als Kausalitätseffekte.

- Kausalitätseffekte sind Längsschnitteffekte (z.B. die Verschlechterung der

psychischen Befindlichkeit nach dem Verlust des Arbeitsplatzes bzw.

deren Verbesserung nach Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit)

- Selektionseffekte entsprechen dagegen den bei einem

Querschnittsvergleich gefundenen Unterschieden zwischen zukünftigen

Arbeitslosen und zukünftigen Erwerbstätigen. Sie sind am deutlichsten,

wenn Erwerbstätige verglichen werden (d = 0,23) und am geringsten, wenn

Schüler miteinander verglichen werden (d = 0,08).

Fabrikschließungsstudien haben den Vorteil, dass Selektions- oder

Drittvariableneffekte bei Fabrikschließungen so gut wie nicht ins Gewicht

fallen; dass von einer Fabrikschließung Betroffene nur unwesentlich

schwächer leiden als andere Arbeitslose, spricht somit ebenfalls für die

Kausalitätshypothese!

2.1.4. Erklärungsmodelle bzw. Wirkmechanismen

Der Kausalzusammenhang zwischen Erwerbslosigkeit und psychischer Gesundheit

kann seinerseits wiederum auf unterschiedliche Weise erklärt werden:

1) Erlernte Hilflosigkeit durch vergebliche Stellensuche

2) Wegfall der latenten und manifesten Funktionen von Arbeit (Jahoda)

3) Vitaminmodell (Warr)

4) Handlungsrestriktionstheorie (Fryer & Payne)

5) Inkonsistenz (Paul und Moser, 2008)

Jahoda (1983) führt die Folgen von Arbeitslosigkeit darauf zurück, dass mit der

Erwerbstätigkeit auch deren verschiedene Funktionen wegfallen

(=Deprivationstheorie). Sie unterscheidet dabei zwischen der manifesten Funktion

der Existenzsicherung (Geld) und 5 latenten Funktionen (Zeitstrukturierung;

Sozialkontakte außerhalb der Familie; kollektive, über individuelle Anliegen

hinausgehende Ziele; Status und Aktivität).

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Um Jahodas Theorie empirisch zu überprüfen, haben Paul und Batinic

a) verschiedene Bevölkerungsgruppen (nämlich Erwerbstätige, Studierende,

Hausfrauen, Rentner und Arbeitslose) bezüglich der besagten Variablen verglichen

und b) untersucht, inwiefern die Ausprägung dieser Variablen jeweils mit der

psychischen Belastung der Befragten zusammenhängt.

a) Vergleich der Bevölkerungsgruppen:

- Erwerbstätige > Studierende, Hausfrauen, Arbeitslose, Rentner

Aktivität: d = 1,07

Zeitstruktur: d = 1,02

kollektive Ziele: d = 0,65

- Erwerbstätige > Hausfrauen, Rentner, Arbeitslose

Sozialkontakt: d = 0,66

- Erwerbstätige, Studierende, Hausfrauen, Rentner > Arbeitslose

Status: d = 0,84

Geld: d = 0,58

b) Der Zusammenhang mit psychischen Belastungssymptomen:

- Die Variablen Status (-.49), Geld (-.45) und Sozialkontakt (-.27) hängen

am stärksten mit dem psychischen Befinden zusammen.

- Die Zeitstruktur (-.13), kollektive Zielsetzungen (-.16) und Aktivität

(-.18) haben dagegen einen recht geringen Einfluss auf das psychische

Befinden.

- Erwerbstätige weisen eine bessere psychische Gesundheit auf als

Arbeitslose: d = 0,58; vergleicht man sie aber mit Nichterwerbstätigen

ohne Arbeitslose, findet sich so gut wie kein Effekt (d = 0,11) – dieser

Befund spricht klar gegen Jahodas Theorie (s.u.)!

Kritik an Jahodas Theorie:

Empirisch:

- Was den Zusammenhang zwischen den latenten Funktionen von Arbeit und

der psychischen Gesundheit betrifft, gehen die Effekte zwar in die

erwartete Richtung, sie sind aber nicht sehr stark. Jahodas Theorie kann

insofern nur einen Teil des schlechten Befindens Arbeitsloser erklären!

- Der finanzielle Aspekt scheint wichtiger zu sein als die latenten

Funktionen!

- Bezüglich der von Jahoda genannten Variablen unterscheiden sich

Erwerbstätige von Nichterwerbstätigen generell – bezüglich der

psychischen Gesundheit jedoch nur von Arbeitslosen!

- Längsschnittstudien fehlen bisher!

Theoretisch:

- Die 5 latenten Funktionen stützen sich weniger auf empirische Befunde als

auf ein bestimmtes Menschenbild: Der Mensch wird als passives Wesen

betrachtet, das keine selbstgesteckten Ziele hat und daher ganz auf die

latenten Funktionen von Arbeit angewiesen ist!

- Der Deprivationstheorie zufolge müsste jede Arbeit besser als keine Arbeit

sein, was de facto nicht so ist!

Page 20: Abo

20

Das Vitaminmodell von Warr (1987, 2007) geht davon aus, dass die psychische

Gesundheit einer Person nicht so sehr von der Frage abhängt, ob sie erwerbstätig ist

oder nicht, sondern von 9 Kontextfaktoren. Wie die Vitamine die physische

Gesundheit beeinflussen, beeinflussen diese die psychische Gesundheit und wie bei

Vitaminen kommt es nicht nur auf das Vorhandensein der Faktoren, sondern auch auf

deren Dosierung an.

Das Vitaminmodell trifft keine pauschale Unterscheidung zwischen

Erwerbslosigkeit und Erwerbstätigkeit, sondern geht davon aus, dass die

psychische Gesundheit Erwerbsloser und Erwerbstätiger von denselben

Umweltfaktoren abhängt.

Je nach Ausprägung dieser Faktoren, kann zwischen „guter“ und „schlechter“

Arbeit sowie zwischen „guter“ und „schlechter“ Arbeitslosigkeit unterschieden

werden!

Die 9 Kontextfaktoren sind:

1. Die Möglichkeit, Kontrolle auszuüben

2. Die Möglichkeit, eigene Fertigkeiten zu gebrauchen

3. Externe Zielvorgaben, die aktivierend und motivierend wirken

4. Vielfalt und Abwechslung (Möglichkeit, neue Erfahrungen zu machen)

5. Klarheit der Umgebung (= Vorhersagbarkeit und Durchschaubarkeit von

Ereignissen)

6. Sozialkontakte

7. Geld (Verfügbarkeit ausreichender finanzieller Ressourcen)

8. Physische Sicherheit

9. Soziale Stellung und Ansehen (=> Selbstachtung)

Die ersten 6 Faktoren können in zu hohen Dosen schädlich für die Psyche sein

(wie die Vitamine A und D für die Physis), die letzten 3 Faktoren können auch in

hoher Dosis nicht schaden (wie die Vitamine C und E)!

Die „Handlungsrestriktions-“ bzw. „Agency Restriction-“ Theorie von Fryer &

Payne (1986) geht im Gegensatz zur Deprivationstheorie Jahodas davon aus, dass der

Mensch ein aktives, intrinsisch motiviertes Wesen ist, das unter normalen

Bedingungen selbständig plant und tätig wird.

Die Probleme Arbeitsloser sind dementsprechend v.a. auf folgende 3 Gründe

zurückzuführen:

1. Materielle Verarmung

2. Unvorhersagbarkeit der Zukunft

3. Mangel an sozialer Macht

Gemeinsam ist diesen Faktoren, dass sie zu einer Einschränkung des

Handlungsspielraums führen: sie erschweren es, vorhandene Handlungspläne zu

verwirklichen und erhöhen die Wahrscheinlichkeit zu scheitern. Die Folge sind

psychische Probleme!

Die Inkongruenz-Hypothese von Paul & Moser (2006) führt die psychischen

Probleme bei Arbeitslosigkeit auf das Gefühl der Inkongruenz zurück. Letzteres

entsteht dadurch, dass bei Arbeitslosen arbeitsbezogene Werte und die Lebensrealität

auseinanderklaffen.

Die Inkongruenz-Hypothese wird von der Empirie bestätigt:

1. Sowohl Arbeitslose als auch Erwerbstätige halten Arbeit für einen wichtigen

Wert; bezüglich ihres „employment commitments“ bestehen somit kaum

Unterschiede.

A,D

C,E

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21

2. Inkongruente sind generell stärker belastet als Kongruente; für inkongruente

Arbeitslose ist die Belastung jedoch noch größer als für inkongruente

Erwerbstätige!

Erwerbstätige Arbeitslose

Hohe Wertschätzung

von Arbeit

Kongruenz

=> Wohlbefinden

Inkongruenz

=> Leiden

Geringe Wertschätzung

von Arbeit

Inkongruenz

=> Leiden

Kongruenz

=> Wohlbefinden

3. Die Wertschätzung der Arbeit („employment commitment“ bzw. „work

involvement“) vermag im Längsschnitt die Veränderung der psychischen

Gesundheit abhängig vom Erwerbsstatuswechsel vorherzusagen (=> Kausaler

Effekt!)

2.1.5. Interventionen bei Arbeitslosigkeit

Qualifikation und Training: Umschulungen, Weiterbildungen, Stärkung von

Kontrollerleben, „Social Scills“, Selbstmanagement etc.

Beispiel: Selbstwirksamkeitstraining bei Arbeitsplatzsuche von Eden &

Aviram (1993)

Ziel: „Selbstwirksamkeit“ ist die Überzeugung, über ausreichende physische,

intellektuelle oder emotionale Ressourcen zu verfügen, um Erfolg zu haben

bzw. etwas erreichen zu können (Beispielitem: „Wenn ich mir etwas

vornehme, bin ich mir sicher, dass ich es auch umsetzen kann“). Sie ist hoch

korreliert mit dem Selbstvertrauen einer Person und hat großen Einfluss auf

deren Ausdauer und Anstrengungsbereitschaft.

Ablauf: Da die Selbstwirksamkeit negativ mit der Dauer der Arbeitslosigkeit

korreliert, haben Eden und Aviram ein Selbstwirksamkeitstraining speziell für

Arbeitsuchende entwickelt:

- Darbietung von Videosequenzen, in denen gelingende Elemente der

Arbeitsplatzsuche dargestellt sind

- Diskussion des gezeigten Verhaltens

- Rollenspiele (Aktivität)

- Feedback durch die anderen Teilnehmer und den Seminarleiter (verbale

Bekräftigung)

- Zusammenfassung am Ende jeder Sitzung

Bewertung: Personen, die an dem Training teilgenommen haben, weisen

danach in der Tat eine höhere Selbstwirksamkeit auf und zeigen eine

intensivere Arbeitsplatzsuche als vorher. Darüber hinaus finden Personen, die

vor dem Training eine geringe Selbstwirksamkeit hatten, danach häufiger

einen Job!

- Aber: Unerfüllte Hoffnung kann einen negativen Effekt haben. Daher sind

die Vermittlung einer realistischen Einschätzung und die Ermutigung zu

Aktivität empfehlenswerter!

Verbesserung der Akzeptanz von Arbeitslosen bei Arbeitgebern: Probezeiten,

befristete Arbeitsverträge, Zeit- bzw. Leiharbeit.

Unter Zeit- bzw. Leiharbeit versteht man ein Arbeitsverhältnis, bei dem der

Arbeitsnehmer in einem Unternehmen arbeitet, ohne dort angestellt zu sein.

Stattdessen wird er dem betreffenden Unternehmen von einem

Zeitarbeitsunternehmen vorübergehend „überlassen“. Die rechtliche Grundlage

dessen bildet das „Arbeitnehmerüberlassungsgesetz“.

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Das Dreiecksgefüge der Zeitarbeit:

Vor- und Nachteile der Zeitarbeit:

Aus Sicht der Einsatzbetriebe: flexibler Einsatz bei Personalausfall oder

-engpässen; Ersparnisse bei der Rekrutierung (es braucht kein

Bewerbungsverfahren etc.)

Aus Sicht der Zeitarbeitnehmer: Beendigung der Arbeitslosigkeit,

Arbeitserfahrung; dafür aber: höhere Belastung durch häufigen Wechsel und

Schlechterstellung gegenüber Normalbeschäftigten (geringerer Lohn, geringere

Beschäftigungsstabilität, beschränkte Qualifizierungsmöglichkeiten, höhere

Geschlechtersegregation, Gefährdung der beruflichen Identität usw.)

- Eine Befragung des Weltverbandes der Zeitarbeitsunternehmen (CIETT)

zeigt: 67% der Zeitarbeitnehmer in der EU entscheiden sich für Zeitarbeit,

weil sie keine andere Wahl hatten oder vorher arbeitslos waren.

- In Deutschland war die Hälfte aller Zeitarbeitnehmer vorher arbeitslos und

erhofft sich auf diese Weise einen Wiedereinstieg => Schätzungen zufolge

werden 30% der Zeitarbeitnehmer im ersten halben Jahr von einem

Einsatzunternehmen übernommen.

Determinanten der Übernahme (Galais, 2003):

Soziodemografische Aspekte (Alter, Geschlecht) und der Grad der

Qualifikation (Schuldbildung, Berufsausbildung, Arbeitserfahrung) haben

keinen Einfluss auf die Übernahmewahrscheinlichkeit!

Soziale Fertigkeiten sind der wichtigste Prädiktor für die Übernahme durch

ein Einsatzunternehmen.

Selbstreflexive Misserfolgsverarbeitung reduziert die Übernahme-

wahrscheinlichkeit!

Outplacement: Unter Outplacement bzw. Außenvermittlung versteht man eine von

Unternehmen finanzierte Dienstleistung für ausscheidende Mitarbeiter, die als

professionelle Hilfe zur beruflichen Neuorientierung angeboten wird.

Vorgehen:

1. Der Vorgesetzte, der dafür ein speziell trainiert wurde, führt ein

„Trennungsgespräch“ mit dem betroffenen Mitarbeiter und leitet ihn an einen

Outplacement-Berater weiter.

2. Letzterer bietet dem Betroffenen zunächst professionelle Hilfe bei der

emotionalen Bewältigung der Entlassung („Wie sage ich es meinem Partner?“

etc. etc.), um auf diese Weise eine emotionale Überreaktion zu vermeiden.

3. Anschließend unterstützt er den Betroffenen bei der Arbeitsplatzsuche.

- Ermittlung von Stärken und Schwächen und Formulierung von

Karrierezielen (Was kann ich? Was will ich? Was braucht der Markt?)

- Konkrete Bewerbungshilfen

- Ressourcenbereitstellung

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Umverteilungskonzepte: zielen darauf ab, die Arbeit, die aufgrund des technischen

Fortschritts usw. zunehmend knapper wird, möglichst gerecht zu verteilen.

Lebenszeitarbeitskonto (z.B. Hewlett-Packard): Ein Teil der vertraglich zu

leistenden Arbeitsstunden wird nicht ausbezahlt, sondern als Freizeitguthaben

angelegt.

Reduzierung der Wochenarbeitszeit => 4-Tage-Woche (z.B. VW)

Stafettenmodell / Altersteilzeit: Gestaffelter Einstieg und Ausstieg aus dem

Arbeitsleben (z.B. VW)

Rotierende Erwerbslosigkeit (z.B. Dänemark)

Steuerliche Vergünstigungen für die Reduzierung von Arbeitszeit zugunsten der

Schaffung neuer Stellen (z.B. Frankreich)

Grundeinkommen / Bürgergeld

Erwerbsarbeit wird v.a. aufgrund der fortschreitenden Technisierung

zunehmend knapper (würde das technische Potenzial voll ausgeschöpft, läge

die Arbeitslosenquote laut Schätzungen schon jetzt bei 38%!); die Folgen

dieser Entwicklung können durch ein Grundeinkommen für alle Bürger

(„Bürgergeld“) abgefedert werden.

Vorteile dieses Konzepts:

- Da das Bürgergeld im Gegensatz zur Sozialhilfe unterschiedslos allen

Bürgern zuerkannt werden würde, würde der Verwaltungsaufwand enorm

sinken.

- Die materielle Absicherung und Unabhängigkeit aller wäre gewährleistet

(konsequente Umverteilung)

- Arbeit wäre nicht mehr extrinsisch, sondern intrinsisch motiviert!

- Die Wertschätzung anderer Lebenstätigkeiten (z.B. Ehrenamt,

Familienarbeit etc.) würde zunehmen!

- Das technische Potenzial der Automatisierung könnte voll ausgeschöpft

werden!

Abmilderung der negativen Effekte auf die psychische Gesundheit durch:

a) Verhaltenstherapeutische Programme zur Erlernung konstruktiver Gedanken

usw.

b) Entstigmatisierung von Erwerbslosigkeit

Förderung beruflicher Selbständigkeit

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3.1. Allgemeines

3.1.1. Begriffe:

Belastung (=Ursache) und Beanspruchung (=Folge):

„Belastung“: Als „psychische Belastungen“ werden im Bereich beruflicher Arbeit

alle von außen auf den Menschen einwirkenden (=objektiven!) Faktoren

bezeichnet, die zu seiner „Beanspruchung“ beitragen.

Belastungsfaktoren sind dementsprechend nicht nur extreme einmalige

Ereignisse, sondern auch „daily hassles“

Beispiele für Belastungsfaktoren: Tragen schwerer Lasten, Lärm, Giftstoffe,

Kälte, Hitze, Schmutz, Nachtarbeit, Zeitdruck, Mobbing etc.

„Beanspruchung“: „Beanspruchungen“ werden durch Belastungen ausgelöst.

Man versteht darunter die im Menschen auftretenden Änderungen seiner

Organfunktion (physisch), seiner psychischen Leistungsfunktion (mental) und

seines Befindenszustandes (emotional) bei der Ausführung von Arbeitstätigkeiten.

Kurz: Beanspruchungen sind die Folge von Belastungen und äußern sich auf

physischer, mentaler und emotionaler Ebene.

Beispiele für Beanspruchungen: Ermüdung (s.u.), Konzentrationsprobleme,

Gereiztheit etc.

Beanspruchungsfolgen zeigen sich…

a) In den Arbeitsergebnissen und der Leistung

b) In kurz-, mittel- und langfristigen Veränderungen der emotionalen und

motivationalen Befindlichkeit sowie der körperlichen und geistigen

Leistungsfähigkeit.

Stress: ist ein subjektiver Zustand, der aus der Befürchtung entsteht, dass eine stark

aversive, zeitlich nahe und lang andauernde Situation nicht vermieden werden kann –

und zwar weder durch persönliche Beeinflussung der Situation, noch durch den

Einsatz von Ressourcen!

Der Begriff „Stress“ ist nicht so klar umrissen wie die Begriffe „Belastung“ und

„Beanspruchung“: er wird sowohl für belastende Umweltfaktoren (Stressoren) als

auch für deren psychischen und physischen Auswirkungen (Stressreaktionen)

verwendet.

Begriffsvielfalt:

3. Arbeitsbelastung und -beanspruchung

„Strain“ = „Druck“, „Spannung“, „Beanspruchung“

„Eustress“ = positiver Stress

Page 25: Abo

25

„Ermüdung“: Reversible Leistungsminderung eines Organs (lokale Ermüdung)

oder des Gesamtorganismus (zentrale Ermüdung) als Folge von Tätigkeit!

Kennzeichen:

Physische Kennzeichen: Pulsbeschleunigung, flache Atmung

Psychische Kennzeichen: Abnahme der Konzentration, Denkstörungen,

Müdigkeitsgefühle (letztere treten meist verspätet ein!)

Beachte: Leistungsminderung aufgrund biologischer Tagesrhythmik wird nicht als

„Ermüdung“ bezeichnet, da es sich dabei nicht um die Folge einer Tätigkeit

handelt!

Intervention: Erholung; Pausen, wobei häufige kurze Pausen besser sind als seltene

lange und regelmäßige besser als frei gewählte!

Bei kurzen Pausen kommt es zwar zu mehr Ermüdungswellen, dafür fallen

diese aber nicht so groß aus; die durchschnittliche Ermüdung liegt daher unter

der bei wenigen langen Pausen!

„Monotonie“: Zustand herabgesetzter psychophysischer Aktiviertheit durch Zwang

zu ständiger Aufmerksamkeit in einem eingeschränkten Beobachtungsfeld bei

gleichzeitiger Reizarmut!

Abgrenzung gegenüber verwandten Konzepten:

Ermüdung: Bei Ermüdung dominiert ein erschöpfungsartiges

Ermüdungsgefühl, bei Monotonie ist das Ermüdungsgefühl eher von

Schläfrigkeit, Dösen und Apathie geprägt. Hinzu kommt, dass der

Monotoniezustand nach einem Wechsel der Tätigkeit sofort verfliegt!

Langeweile: wird durch das Gefühl bestimmt, nichts zu tun zu haben;

Monotonie dagegen durch das Gefühl, immer das Gleiche tun zu müssen!

Sättigung: kommt durch den Zwang zustande, sich gegen den eigenen

Arbeitswillen bestimmten Arbeitssituationen fügen zu müssen (so wie ich

grad!); Auswirkungen sind Spannungen im emotionalen Bereich (Gereiztheit,

sozial unangepasstes Verhalten etc.) sowie ein erhöhtes Unfallrisiko!

Inhaltliche Gleichförmigkeit der Tätigkeit begünstigt Monotonie, zeitliche

Gleichförmigkeit kann dagegen entlasten (Fließband)

Gefahren / Folgen von Monotonie: Leistungsstörungen, Fehlhandlungen,

Ermüdung durch „Ankämpfen“ gegen Monotonie, fehlende

Persönlichkeitsförderlichkeit

Mögliche Interventionen:

Planmäßiger Tätigkeitswechsel

Aufgabenerweiterung

Gruppenarbeit

3.1.2. Verschiedene Beanspruchungsfolgen

Physiologisch-somatische Ebene:

Kurzfristig: Mittel- bis langfristig:

Ansteigen der Herzfrequenz Infarkt/Koronarerkrankungen

Steigerung des Blutdrucks Bluthochdruck

Erhöhte Atemfrequenz Magen-/Darmerkrankungen

Schweißausbrüche Rheumatische Erkrankungen

Muskelschmerzen Infektionen

Durchfall Hautallergien

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Ebene des Erlebens:

Kurzfristig: Mittel- bis langfristig:

Misserfolgsgefühl, Frustration Depression

Monotonie Angst, Ängstlichkeit

Sättigung Permanente Erschöpfung

Ermüdung Unzufriedenheit

Ärger, Gereiztheit Schmerzen,

körperliches Unwohlsein

Verhaltensebene:

Kurzfristig:

Mittel- bis langfristig:

Leistungsschwankungen Chronischer Leistungsabfall

Konzentrationsmängel Nikoton-, Alkohol-, Drogen-

missbrauch

Fehler in Arbeitsausführung Gehäufte Fehlzeiten/Arztbesuche

Verschlechterung der Feinmotorik Soziale Isolierung

Erhöhte Reizbarkeit/Unfreundlichkeit Konflikte/Mobbing

Beispiel für kognitive Auswirkungen von Stress: Eine Untersuchung mit

militärischen Führungskräften hat gezeigt: Während bei geringem Stress

Intelligenz und Leistung korreliert sind, hat die Intelligenz unter hohem Stress

keinen nennenswerten Einfluss auf die Leistung!

3.2. Stressmodelle

3.2.1. Reizorientierte Stressmodelle

Reizorientierte Stressmodelle basieren auf dem klassischen S-R-Modell; der Fokus

liegt dabei auf den Reizen, die Stress auslösen (=Stressoren, Belastungsfaktoren);

anhand ihrer wird versucht, das Konstrukt „Stress“ näher zu bestimmen.

Stress wird somit vorwiegend als unabhängige Variable bzw. im Sinne von

„Belastung“ verstanden.

Forschung: Es werden verschiedene Stressoren auf ihre Wirkung hin untersucht mit

dem Ziel, von der Art der Stressoren auf die psychische Belastung der Betroffenen

schließen zu können.

Stressoren bzw. Belastungsfaktoren können sowohl bestimmte Umwelteinflüsse

(Lärm etc.) als auch kritische Lebensereignisse (z.B. Scheidung,

Arbeitsplatzwechsel etc.) sein.

Ausgewählte Ergebnisse:

Holmes & Rahe untersuchten den Stresswert (1-100) verschiedener

Lebensereignisse; den höchsten Stresswert (100) hat nach ihrer Untersuchung

der Tod des Ehepartners, recht weit oben steht auch „Heirat“ (50); einen eher

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27

geringen Stresswert haben dagegen z.B. geringfügige Gesetzesübertretungen

(11) oder Weihnachten (12)

Forsa Studie der DAK zu beruflichen Belastungsfaktoren bei Angestellten,

Beamten und Selbständigen:

- Die in allen Gruppen am häufigsten beklagten Belastungsfaktoren sind

Zeit- bzw. Termindruck (45%), und zu viel Arbeit (35%); der insgesamt

am wenigsten verbreitete Belastungsfaktor ist Unterforderung am

Arbeitsplatz (12%);

- Probleme mit Kollegen kommen bei Beamten (31%) deutlich häufiger vor

als in den beiden andern Gruppen; dafür haben sie selten Angst vor dem

Verlust des Arbeitsplatzes (3%). Probleme mit Vorgesetzten sind bei

Selbständigen selten (7%)

Kritik am reizorientierten Ansatz:

Die subjektive Wahrnehmung und Bewertung von Stressoren bleibt

unberücksichtigt!

Der Tatsache, dass Stressreaktionen interindividuell verschieden sind, wird zu

wenig Gewicht beigemessen!

Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Stressoren bleiben unberücksichtigt!

Die Vergleichbarkeit unterschiedlicher Stressoren (z.B. Heirat und Tod des

Ehepartners) ist fraglich!

Rückkopplungsprozesse (Coping etc.) und sich verändernde Stressoren bleiben

unberücksichtigt!

3.2.2. Reaktionsorientierte Stressmodelle (Selye)

Reaktionsorientierte Stressmodelle gehen genau umgekehrt vor, indem sie versuchen,

Stress, unabhängig vom jeweiligen Auslöser, über die Reaktionen des Organismus

zu bestimmen.

„Stress“ wird hier also vorwiegend als abhängige Variable bzw. im Sinne von

„Beanspruchung“ verstanden!

Der Vater des reaktionsorientierten Ansatzes (und der Stressforschung insgesamt) ist

Hans Selye. Er geht davon aus, dass der Organismus auf alle Stressoren in gleicher

Weise reagiert, nämlich mit dem „Allgemeinen Adaptionssyndrom“. Es handelt sich

dabei um eine unspezifische Reaktion, die dazu dient, den Organismus an die

Anforderungen einer Stresssituation anzupassen.

Das Allgemeine Adaptionssyndrom umfasst nach Selye 3 Stadien:

1) Die Alarmreaktion: besteht aus Schock (=Störung des Gleichgewichts:

verminderter Blutdruck, geringere Muskelkraft etc.) und Gegenschock

(Wiederherstellung des Gleichgewichts durch Aktivierung des Sympathikus,

Freisetzung von Adrenalin usw.)

2) Widerstand: In der Phase des Widerstands pendelt sich das physiologische

Gleichgewicht auf einem anderen Niveau wieder ein. Dadurch ist die Resistenz

gegenüber dem auslösenden Stressor zwar über längere Zeit erhöht;

gleichzeitig aber der Widerstand gegenüber anderen Stressoren herabgesetzt

(Schwächung des Immunsystems)

3) Erschöpfung: tritt ein, wenn der Stress so lange anhält, bis der Widerstand

(erhöhte Hormonausschüttung usw.) nicht mehr aufrecht erhalten werden

kann!

Körperliche Reaktionen bei Stress:

Nebennieren schütten Adrenalin aus, das u.a. für eine Erhöhung des

Blutdrucks, eine Steigerung der Herzfrequenz und eine Erhöhung des

Blutzuckers führt!

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Blutgefäße in Haut, Skelettmuskeln, Gehirn und viszeralem System ziehen sich

zusammen!

Blutgefäße in den äußeren Genitalien erweitern sich!

Erhöhte Schweißabsonderung!

Erweiterung der Pupillen und Entspannung der Ziliarmuskeln, um Weitsicht zu

ermöglichen.

Verringerung der Verdauungsaktivität

Anspannung der Schließmuskeln!

Kritik am reaktionsorientierten Ansatz:

Rein biologischer Ansatz; kognitive bzw. psychische Verarbeitungsprozesse

bleiben dementsprechend unberücksichtigt – mit der Folge, dass das Konzept

wenig Ansatzpunkte für Präventionsmaßnahmen gibt!

Sofern das AAS als unspezifische Reaktion verstanden wird, bleiben

interindividuelle Unterschiede in der Stressreaktion unberücksichtigt!

Prozess der Stressauslösung wird nicht eindeutig spezifiziert!

Reaktionsmaße häufig nicht oder nur wenig korreliert!

Reaktionsmaße unterliegen komplexer Dynamik!

Belastungen werden ausschließlich negativ definiert!

3.2.3. Transaktionales Stressmodell (Lazarus)

Das transaktionale Stressmodell von Lazarus ist ein kognitives Modell: Es betrachtet

die Entstehung von Stress als einen komplexen Interaktions- bzw.

Transaktionsprozess zwischen Situation und Individuum.

Ob bei einer Person Stress entsteht oder nicht, hängt laut Modell nämlich davon

ab, wie die betreffende Person die Situation bewertet und welche

Bewältigungsmöglichkeiten ihr zur Verfügung stehen.

Die Beurteilung einer Situation hängt dabei nach Lazarus von 3

Bewertungsprozessen („Appraisals“) ab:

1) „Primary Appraisal“: Im ersten Schritt wird eine Anforderungssituation danach

beurteilt, ob sie günstig, irrelevant oder bedrohlich („stressful“) für einen ist.

Als „stressful“ werden Situationen wahrgenommen, die a) eine Bedrohung

darstellen, b) einen Verlust oder eine Schädigung mit sich bringen können oder

c) eine Herausforderung sind.

2) „Secondary Appraisal“: Wird die Situation als bedrohlich eingestuft, folgt eine

Einschätzung der eigenen Bewältigungsressourcen („Coping Resources“) und

–möglichkeiten („Coping options“).

Coping-Ressourcen können sowohl Merkmale der Situation als auch

Merkmale der Person sein. Bei ersteren spricht man von situationsbezogenen

(externen) Ressourcen, bei letzteren von personenbezogenen (internen)

Ressourcen.

a) Situationsbezogene Ressourcen sind z.B.: Handlungsspielraum

(Kontrollmöglichkeiten); soziale Unterstützung (direkte oder indirekte

Hilfe durch Kollegen, Partner etc.); Arbeitsplatzbedingungen (zur

Verfügung stehende Zeit; finanzielle Mittel; Beleuchtung etc.)…

b) Personenbezogene Ressourcen sind z.B.: Gesundheit; soziale Fertigkeiten;

berufliche Qualifikation; Selbstvertrauen, Optimismus

Unter Coping-Optionen versteht man Möglichkeiten, mit einer

Anforderungssituation umzugehen. Unterschieden werden kann dabei

zwischen problembezogenen (=instrumentellen) und emotionsbezogenen

(=palliativen) Bewältigungsstrategien bzw. Coping-Stilen.

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29

a) Problembezogene Coping-Strategien: zeichnen sich dadurch aus, dass die

Bedrohung bzw. das Problem aktiv angegangen wird.

- Z.B.: Ändern der Arbeitsstrategie; Erwerb neuer Kompetenzen; offenes

Aussprechen und Austragen von Konflikten etc.

b) Emotionsbezogene Coping-Strategien: dienen weniger der

Problembewältigung als vielmehr der Emotionsregulation; sie vermögen

zwar kurzfristig Entlastung zu bringen, sind aber langfristig eher

dysfunktional!

- Z.B.: Entspannung; Ablenkung; Bagatellisierung; Einnahme von

Psychopharmaka, Alkohol- und Nikotinkonsum etc.

3) „Reappraisal“: Abschließend wird geprüft, ob das Coping erfolgreich war und

die Anforderungssituation bewältigt wurde oder nicht! Ist letzteres der Fall,

reagiert die Person mit Stress und die 3 Bewertungsschritte werden von Neuem

durchlaufen.

Coping-Strategien bringen immer auch Kosten mit sich! Das gilt v.a. für

emotionsbezogene Coping-Strategien (s.o.), die zwar kurzfristig wirksam-, langfristig

aber meist dysfunktional sind!

Beispiel: Studenten, die dazu tendieren, Dinge eher aufzuschieben, haben zwar zu

Beginn des Semesters weniger Stress als Nichtaufschieber, dafür aber am Ende des

Semesters bedeutend mehr!

3.2.4. Handlungstheoretischer Ansatz (Hacker)

Die Handlungstheorie beschreibt menschliche Tätigkeit nicht als reaktives Verhalten

(S-R-Modelle), sondern betont deren Zielgerichtetheit.

Die Grundlage der Handlungstheorie bildet das sog. TOTE-Modell (s.o.), das,

sofern es kognitive Aspekte berücksichtigt, eine Erweiterung und Alternative zum

klassischen S-R-Modell darstellt.

Nach Hacker sind Handlungen hierarchisch-sequentiell organisiert.

Sequentielle Struktur: Eine vollständige Handlung setzt ein Ziel voraus.

Ausgehend von diesem Ziel wird ein Plan entworfen. Nach der Ausführung des

Plans wird kontrolliert, ob das Ziel erreicht wurde; ist dem nicht so, beginnt der

Regelkreis von Neuem!

Ziel (das Auto soll wieder fahren)

Plan (die Reifen müssen gewechselt werden)

- Handlungspläne sind hierarchisch strukturiert (s.u.): Um die Reifen zu

wechseln, muss zunächst das Werkzeug bereit gelegt werden, dazu muss

zunächst der Kofferraum geöffnet werden usw.

Ausführung des Plans

Kontrolle der Zielerreichung

Hierarchische Struktur: Eine vollständige Handlung umfasst mehrere Unter-

und Teilziele, denen wiederum bestimmte Handlungen entsprechen; dabei gilt,

dass die Ziele und Operationen auf einer untergeordneten Ebene durch die jeweils

übergeordnete Ebene generiert, organisiert und gesteuert werden.

Beispiel (s.o.): Um die Reifen zu wechseln, muss zunächst das Werkzeug

bereitgestellt werden (1. Unterziel), dazu muss der Kofferraum geöffnet und

das Werkzeug herausgeholt werden (Unterziel 2) usw.

Darüber hinaus geht Hacker davon aus, dass die Handlungsregulation auf qualitativ

verschiedenen Niveaus erfolgt (3 Regulationsebenen).

1) Auf der sensumotorische Regulationsebene (bewusstseinsfern): werden

Bewegungsroutinen organisiert.

Z.B. das Öffnen des Kofferraums, das Tippen von Buchstaben etc.

Page 30: Abo

30

2) Auf der perzeptiv-begrifflichen Ebene (bewusstseinsfähig): sind

Wahrnehmungs- und Wissensschemata angesiedelt, anhand derer bekannte

Situationen klassifiziert und beurteilt und entsprechende Handlungsschemata

initiiert werden.

Z.B.: Wenn der Reifen platzt, muss er gewechselt werden, wobei so und so

vorzugehen ist (Handlungschema); bei Rot muss der Wagen angehalten

werden usw.

3) Auf der intellektuellen Ebene (bewusstseinspflichtig): sind komplexere Prozesse

angesiedelt, die eine aktive Zuwendung der Aufmerksamkeit erfordern; dazu

zählen z.B. die Analyse von Anforderungssituationen, die Repräsentation

übergeordneter Ziele, der Entwurf von Problemlösungen, das Treffen von

Entscheidungen (bei verschiedenen Handlungsalternativen), Innovationen etc.

Belastungen bei Arbeitstätigkeiten werden von der Handlungstheorie auf folgende

Ursachen zurückgeführt:

Störungen der Handlungsregulation durch…

1) Regulations-Hindernisse: z.B. Unterbrechungen während der Arbeit oder

Behinderungen des Arbeitsprozesses (z.B. durch fehlende Infos, unzureichende

Mittel etc.) usw.

2) Regulations-Unsicherheit: z.B. Unklarheit über die Mittel zur Zielerreichung,

Fehlen von Feedback, Rollenkonflikte und -ambiguität usw.

3) Regulations-Überforderung: z.B. Zeitdruck, zu hohe Komplexität der

Aufgabe, Überlastung des Arbeitsgedächtnisses usw.

„Unvollständigkeit“ bzw. Fragmentierung von Arbeitshandlungen (=

mangelnder Handlungsspielraum).

Handlungsspielraum: Ziele können auf unterschiedliche Weise erreicht

werden; der Handlungsspielraum ist die Summe der sich daraus ergebenden

Freiheitsgrade; man versteht darunter die Möglichkeit, eine Situation zu

kontrollieren und gemäß der eigenen Interessen zu beeinflussen (Wahl des

Verfahrens, die Wahl der Arbeitsmittel, zeitliche Organisation etc.)

Schlussfolgerung: Um Belastungen zu vermeiden, sollte auf eine

„ganzheitliche“ bzw. „vollständige“ Aufgabengestaltung geachtet werden, d.h.

den Mitarbeitern sollte die Möglichkeit gegeben werden, sich selbständig Ziele

zu setzen, ihnen sollte ein hinreichender Handlungsspielraum gewährt werden

und sie sollten Feedback erhalten!

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3.2.5. Job Demand-Control-Modell (Karasek)

Nach dem Job Demand-Control- bzw. Anforderungs-Kontroll-Modell von Karasek

hängt arbeitsbedingter Stress von 2 Faktoren ab: den Anforderungen einer

Arbeitsaufgabe und der Ausmaß der Autonomie bei der Erledigung dieser Aufgabe

(=Entscheidungs- bzw. Handlungsspielraum).

Zusammenhänge:

Eine Erweiterung des Job Demand-Control-Modells ist das Job Demand-Control-

Support-Modell; letzteres berücksichtigt neben der Arbeitsautonomie und den

Arbeitsanforderungen auch das Ausmaß an sozialer Unterstützung.

Die höchste Belastung ergibt sich danach aus hohen Anforderungen, geringer

Autonomie und geringer sozialer Unterstützung!

Bezüglich des Zusammenhangs der verschiedenen Faktoren, lassen sich 2 Hypothesen

unterscheiden.

1) Die sog. „Pufferhypothese“: geht von einem multiplikativen Zusammenhang

aus.

Anforderungs-Kontroll-Modell: Der Zusammenhang zwischen den

Anforderungen und der Stressreaktion wird durch den Faktor der Autonomie

beeinflusst; mangelnde Autonomie wirkt somit nur dann stressinduzierend,

wenn zugleich hohe Anforderungen vorliegen.

Anforderungs-Kontroll-Unterstützungs-Modell: Der Zusammenhang zwischen

Anforderungen und Stressreaktion wird durch die Faktoren Autonomie und

soziale Unterstützung beeinflusst.

2) Die „Stresshypothese“: geht von einem additiven Zusammenhang zw. den

Faktoren aus, deren stressinduzierende Wirkung somit unabhängig voneinander

ist.

Anforderungs-Kontroll-Modell: Mangelnde Autonomie wirkt unabhängig von

den Anforderungen stressinduzierend.

Anforderungs-Kontroll-Unterstützungsmodell: Mangelnde Autonomie und

Unterstützung wirken unabhängig von den Anforderungen stressinduzierend.

Die höchste Belastung („high strain“)

resultiert aus hohen Anforderungen und

niedriger Autonomie – die geringste

Belastung ist bei hoher Autonomie und

geringen Anforderungen zu beobachten.

Tatsächlich zeigen Leute, deren

Arbeitsanforderungen hoch sind und

deren Autonomie gering ist, die

meisten Beanspruchungssymptome!

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3.3. Sonstiges

3.3.1. Verschiedene Stressoren

Belastungen, die auf die Arbeitsaufgabe selbst zurückzuführen sind:

Unterforderung Überforderung

Qualitativ Monotonie

(wenig Abwechslung;

Nicht-Nutzung von Fähig-

keiten)

Unklarheit der An-

forderungen;

zu komplexe An-

forderungen

Quantitativ Langeweile Zeitdruck; Akkordlohn

Anmerkung: In den Folien wird Monotonie als quantitative- und Langeweile als

qualitative Unterforderung bezeichnet – diese Zuordnung ist jedoch vor dem

Hintergrund der Begriffsdefinitionen (s.o.) unlogisch!

Sonstige Stressoren:

3.3.2. Interventionsmöglichkeiten

Interventionsmaßnahmen zur Reduktion von arbeitsbedingtem Stress setzen auf

unterschiedlichen Ebenen an. Grundsätzlich wird dabei zwischen verhältnis- und

verhaltensbezogenen Maßnahmen unterschieden; erstere zielen auf eine

Veränderung der Arbeitsbedingungen (Ebene des Betriebs), letztere auf einen

besseren Umgang mit Stress (Ebene des Individuums)!

Verhältnisbezogenen Maßnahmen geht es um eine bessere Arbeitsgestaltung; sie

setzen dabei entweder an den objektiven Stressoren oder den externen Ressourcen

an; erstere gilt es, zu reduzieren, letztere zu gilt es, auszubauen.

Abbau von Stressoren: z.B. durch Verbesserung der Arbeitsbedingungen

(Lärmschutz, Pausen usw.), job enlargement, job rotation etc.

Aufbau externer Ressourcen (Handlungsspielraum, Unterstützung usw.): z.B.

durch job enrichment oder teilautonome Arbeitsgruppen etc.

Page 33: Abo

33

Verhaltensbezogene Maßnahmen setzen auf der Ebene des einzelnen

Mitarbeiters an; ihr Ziel ist, einen besseren Umgang mit Stress sowie

gesundheitszuträgliches Verhalten zu fördern.

Vermeidung von Stresssituationen: Trainings zum Zeitmanagement,

Kommunikations- und Konflikttrainings etc.

Aufbau interner Ressourcen für einen besseren Umgang mit Stress: kognitiv-

verhaltenstherapeutische Verfahren (Stressimpfungstraining,

Selbstsicherheitstraining etc.); Verfahren zur Spannungsreduktion (z.B.

progressive Muskelrelaxation, autogenes Training); Mediationstrainings usw.

Vermeidung dysfunktionaler Coping-Strategien: Alkoholpräventions-

programme, Antiraucherprogramme; Ernährungsprogramme; Sport,

Gymnastik, Rückenschule etc.

Das Stressimpfungstraining nach Meichenbaum: basiert auf dem transaktionalen

Stressmodell von Lazarus und zielt darauf ab, die Widerstandsfähigkeit gegenüber

Stress zu steigern. Zu diesem Zweck wird auf Techniken der kognitiven

Verhaltenstherapie zurückgegriffen.

Das Training umfasst 3 Stufen bzw. Phasen:

1) Informationsphase: Vermittlung des transaktionalen Stressmodells und

individuelle Problemanalyse anhand von Selbstbeobachtungsbögen, Interviews

und Fragebögen

2) Lern- und Übungsphase: Einübung effektiver und neuer

Bewältigungsstrategien

- Erkennen kognitiver Fehler und irrationaler Denkmuster

- Entspannungstechniken (z.B. PMR)

- Relativieren von Stresssituationen durch sozialen Vergleich

- Selbstinstruktionstraining zur Emotionskontrolle („Ich bleibe ruhig und

bewahre einen kühlen Kopf!“)

3) Anwendungsphase: Transfer des gelernten auf relevante Alltagssituationen,

durch Vorstellungsübungen, Rollenspiele und In-vivo-Expositionen

Page 34: Abo

34

4.1. Allgemeines

4.1.1. Begriffsklärung

Unterschieden werden muss zwischen dem Anreiz einer Situation, den überdauernden

Motiven einer Person und deren situationsspezifischer Motivation.

Motive: sind individuell verschiedene Wertungsdispositionen bzw. Beweggründe

des Handelns.

Wichtige Motive sind z.B.: das Leistungsmotiv, das Machtmotiv und das

Anschlussmotiv; sie sind bei den verschiedenen Menschen unterschiedlich

ausgeprägt.

Anreize: sind Merkmale einer Situation, durch die Motive angeregt werden

können.

Eine Leistungssituation hat beispielsweise einen hohen Anreiz für Personen

mit hohem Leistungsmotiv. Je nachdem, ob die Person eher erfolgs- oder eher

misserfolgsorientiert ist, wirkt der Anreiz dabei entweder positiv (=>

Annäherung) oder negativ (=> Vermeidung)

Motivation: ist die momentane Ausrichtung auf ein Handlungsziel; sie hängt ab

von individuellen Merkmalen der Person, den Motiven der Person und den

Merkmalen bzw. Anreizen der jeweiligen Situation.

Definition von „Arbeitsmotivation“ (nach Donovan): „A set of energetic forces that

originates both within and beyond the individual’s being to initiate work-related

behavior, and to determine its form, direction, intensity and duration.”

4.1.2. Die wichtigsten Theorien zur Arbeitsmotivation

Bezüglich der Arbeitsmotivation muss zwischen inhaltsorientierten und

prozessorientierten Modellen bzw. Theorien unterschieden werden.

Inhaltsorientierte Modelle fragen nach den Motiven, die menschlichem

Arbeitsverhalten zugrundeliegen: „Warum?!“

Maslows Bedürfnispyramide

Higgins Unterscheidung zwischen Annäherungs- und Vermeidungsmotivation

McClellands Motivtheorie

Das Job Charcteristics Model von Hackman & Oldham

Prozessorientierte Modelle fragen nach den psychologischen Prozessen, die der

Ausführung von Handlungen zugrundeliegen: „Wie?“

Wert-Erwartungs-Modelle

Zielsetzungstheorie

Selbstbestimmungstheorie

Equity Theory

Bewertung:

Prozessorientierte Modelle haben mehrere Vorteile:

1) Sind sie näher am tatsächlichen Verhalten dran!

2) Können sie erklären, warum sich ein starkes Motiv manchmal nicht durchsetzt!

3) Wirken sie der beobachtbaren Tendenz entgegen, für alles ein Motiv zu

„erfinden“ (Sicherheitsbedürfnis usw. usw.)

ABER: Das Konstrukt der „Valenz“, das in prozessorientierten Modellen eine

zentrale Rolle spielt, ist letztlich nur inhaltlich zu bestimmen!

4. Arbeitsmotivation

Page 35: Abo

35

4.2. Inhaltsorientierte Modelle

4.2.1. Maslows Bedürfnispyramide (40er, 50er Jahre)

Maslows Bedürfnispyramide besteht aus 5 hierarchisch angeordneten Stufen, denen

jeweils spezifische Bedürfnisse entsprechen.

1) Auf der untersten Ebene sind physiologische Bedürfnisse wie Nahrung, Schlaf

und Sexualität angesiedelt; ihre Befriedigung ist Voraussetzung für körperliches

Wohlbefinden.

2) Die zweite Stufe bildet das Bedürfnis nach Sicherheit; dazu zählen beispielsweise

das Bedürfnis nach Recht und Ordnung und das Bedürfnis nach einem gesicherten

Einkommen.

3) Auf der dritten Stufe sind soziale Bedürfnisse angesiedelt, also z.B. die

Bedürfnisse nach Geselligkeit, Partnerschaft, Liebe und Kommunikation.

4) Die vierte Stufe bilden Individualbedürfnisse. Maslow versteht darunter v.a. das

Bedürfnis nach Achtung und Anerkennung; letzteres äußert sich z.B. im Streben

nach Wohlstand, Macht und Wertschätzung.

5) Die höchste Stufe ist das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung: es äußert sich

z.B. in dem Streben nach Wissen, Güte oder Individualität.

Nach Maslow werden Bedürfnisse höherer Ordnung erst dann wirksam, wenn die

darunterliegenden Bedürfnisse hinreichend gestillt sind. Darüber hinaus unterscheidet

er zwischen Defizit- und Wachstumsbedürfnissen.

Zu den Defizitbedürfnissen gehören die Bedürfnisse der 3 unteren Stufen: also

das Bedürfnis nach körperlichem Wohlbefinden, nach Sicherheit und nach

Sozialkontakt! Ihre Befriedigung ist eine notwendige Voraussetzung für ein

zufriedenes Leben!

Zu den Wachstumsbedürfnissen zählt Maslow das Bedürfnis nach Anerkennung

und das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung. Kennzeichnend für

Wachstumsbedürfnisse ist, dass sie im Gegensatz zu Wachstumsbedürfnissen

unstillbar sind!

4.2.2. Prevention- vs. Promotion Focus (Higgins)

Higgins unterscheidet zwischen 2 regulatorischen Foki: dem Prevention Fokus

(=Annäherung) und dem Promotion Fokus (=Vermeidung).

Der Prevention Fokus ist auf die Vermeidung von Fehlern und Misserfolgen

gerichtet und dementsprechend risikoavers; von ihm betroffene Personen gehen

also ungern Risiken ein und neigen zu Vermeidungsverhalten.

Der Promotion Fokus ist dagegen auf das Erreichen positiv bestimmter Ziele

gerichtet und dementsprechend risikoaffin; d.h.: von ihm betroffene Personen

nehmen Risiken bewusst in Kauf und neigen zu Annäherungsverhalten.

Higgins Unterscheidung zwischen Prevention- und Promotion Fokus weist zahlreiche

Parallelen zum Konzept der Erfolgs- und Misserfolgsorientierung auf.

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4.2.3. Motivtheorie von McClelland (60er Jahre)

McClelland unterscheidet 3 Grundmotive:

1) das Leistungsmotiv

2) das Machtmotiv und

3) das Anschlussmotiv

Diese Motive sind nach McClelland zwar evolutionsbiologisch bedingt und insofern

universell, ihre spezifische Ausprägung ist ihm zufolge jedoch v.a. auf die individuelle

Lerngeschichte einer Person zurückzuführen.

Bewertung: McClellands Modell erlaubt es, in Abhängigkeit von

Motivkonstellationen spezifische Vorhersagen für den Arbeitskontext zu treffen, die

sich empirisch gut bewährt haben!

So konnte z.B. gezeigt werden, dass erfolgreiche Top-Manager durch ein hohes

sozialisiertes Machtmotiv und ein geringes Anschlussmotiv gekennzeichnet sind!

4.2.4. Job-Characteristics Modell von Hackman & Oldham (70er Jahre)

Das Job-Characteristics-Modell von Hackman & Oldham versucht aufzuzeigen, von

welchen Merkmalen einer Arbeitstätigkeit das psychische Befinden und

Arbeitsverhalten derer abhängt, die die betreffende Tätigkeit ausführen.

Unterschieden wird dementsprechend zwischen Merkmalen der Arbeit, den

psychischen Zuständen der Arbeitenden und den Konsequenzen, die sich aus

beidem für die Arbeit ergeben.

Damit Arbeit zufrieden macht und intrinsisch motiviert ist, müssen nach

Hackman und Oldham 3 psychologische Grundbedingungen erfüllt sein:

1) Die Tätigkeit muss als bedeutsam bzw. sinnvoll erlebt werden.

2) Die Arbeitenden müssen sich für die Ergebnisse ihrer Tätigkeit

verantwortlich fühlen.

3) Die Arbeitenden müssen die Resultate ihrer Tätigkeit kennen und deren

Qualität einschätzen können.

Diese psychologischen Grundbedingungen sind ihrerseits von folgenden

Aufgabenmerkmalen abhängig:

1) Die erlebte Sinnhaftigkeit einer Arbeit hängt von deren Variabilität,

Ganzheitlichkeit und Bedeutsamkeit ab, wobei diese drei Faktoren in einem

kompensatorischen Verhältnis zueinander stehen.

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2) Ob man sich für eine Arbeitstätigkeit verantwortlich fühlt, hängt davon ab,

wie autonom man bei ihrer Ausführung ist. (s.o.: Handlungsspielraum)

3) Die Kenntnis der Arbeitsresultate hängt davon ab, wie direkt und umfassend

das Feedback ist, das man während und nach der Arbeit erhält.

Die wichtigsten Konsequenzen, die sich aus den genannten Zusammenhängen für

die Arbeit ergeben, sind eine hohe Arbeitszufriedenheit und eine hohe

intrinsische Motivation. Hinzu kommt, dass sich die Qualität der Arbeitsleistung

verbessert, eine geringere Fluktuation (Arbeitsplatzwechsel) stattfindet und der

Absentismus weniger wird.

Wie stark der durch die psychischen Grundbedingungen vermittelte

Zusammenhang zwischen den Arbeitsmerkmalen und den genannten

Konsequenzen ist, hängt von dem Bedürfnis nach persönlicher Entfaltung ab

(=Moderatorvariable).

Je stärker dieses ausgeprägt ist, desto wahrscheinlicher führen die

Aufgabenmerkmale zu den psychischen Zuständen und die Zustände zu den

Folgen.

Das Motivationspotenzial lässt sich auf Basis des Job-Characteristics-Modells

wie folgt berechnen:

Kritische Würdigung des JC-Modells:

Empirische Befunde:

Da die multiplikative Verknüpfung der Faktoren Verhältnisskalenniveau

voraussetzt, lässt sich das JC-Modell nur schwer prüfen.

Wird von einer additiven Verknüpfung der UVs ausgegangen, zeigen sich

meist höhere Korrelationen mit den Kriterien!

- Bei additiver Verknüpfung der Faktoren zeigt sich durchweg ein hoher

Zusammenhang mit der Arbeitszufriedenheit: r = .74 (allerdings liegt hier

möglicherweise eine Überschätzung aufgrund des „common method bias“

vor)

- Die gefundenen Zusammenhänge mit anderen Kriterien, wie der Leistung

(r =.27) fallen unterschiedlich aus.

- 80 % der Längsschnittstudien zeigen eine Steigerung der

Arbeitszufriedenheit, rund 60% eine Steigerung der Leistung!

Die intrinsische Motivation als zentrales Kriterium wurde nur selten erhoben!

Die vermittelnde Wirkung der kritischen psychologischen Zustände ist

empirisch nicht eindeutig belegt!

Die postulierte Kausalrichtung bedarf einer genaueren Überprüfung!

Vorteile:

Das JC-Modell ist eine nützliche Heuristik für die Arbeitsanalyse und

–gestaltung!

Das JC-Modell liefert eine theoretische Grundlage für zahlreiche

Interventionsmaßnahmen: z.B. Job enrichment, Job enlargement, Job

rotation, Gruppenarbeit oder partizipatives Management

Motivationspotenzial = 𝑉𝑎𝑟𝑖𝑎𝑏𝑖𝑙𝑖𝑡 ä𝑡×𝐺𝑎𝑛𝑧 ℎ𝑒𝑖𝑡𝑙𝑖𝑐 ℎ𝑘𝑒𝑖𝑡×𝐵𝑒𝑑𝑒𝑢𝑡𝑠𝑎𝑚𝑘𝑒𝑖𝑡

3 × Autonomie × Feedback

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4.3. Prozessorientierte Modelle

4.3.1. Die VIE-Theorie von Victor Vroom (60er Jahre)

Vrooms VIE-Theorie ist eine Motivationstheorie, sie versucht sowohl die Wahl von

Handlungszielen (Intentionsbildung) als auch die damit einhergehende Motivation

und Anstrengungsbereitschaft zu erklären.

Dabei geht sie davon aus, dass diese Wahl von 3 Faktoren abhängt:

1) Der Erwartung bzw. Wahrscheinlichkeit, das betreffende Ziel zu erreichen.

2) Den Instrumentalitäten des Ziels, womit die positiven und negativen Folgen

gemeint sind, die sich aus einer Zielerreichung ergeben

3) Den Valenzen bzw. subjektiven Gewichtungen dieser Folgen!

Die VIE (=Valenz-Instrumentalitäts-Erwartungs)-Theorie ist somit eine Erweiterung

der klassischen Erwartungs-Wert-Theorien. Die entscheidende Neuerung besteht

darin, dass zwischen dem direkten Handlungsergebnis (Ergebnis erster Ordnung)

und dessen Folgen (Ergebnissen zweiter Ordnung) unterschieden wird, wobei der

Zusammenhang zwischen beidem als „Instrumentalität“ bezeichnet wird und positiv

bzw. negativ sein kann.

Der Unterscheidung zwischen Ergebnissen erster und zweiter Ordnung entspricht

die Unterscheidung zwischen Valenzen erster und zweiter Ordnung: Die Valenz

erster Ordnung bezieht sich dabei auf das direkte Handlungsergebnis, die Valenzen

zweiter Ordnung auf dessen Folgen.

Dabei gilt, dass sich die Valenz erster Ordnung aus der Summe der Produkte

der Valenzen zweiter Ordnung und den zugehörigen Instrumentalitäten

ergeben! V = Valenz des Handlungsziels (Valenz erster Ordnung)

Ii = Instrumentalität der Folge i

V`i = Valenz (=Gewicht) der Folge i

Die Motivation bzw. Handlungsintention für ein bestimmtes Ziel ergibt sich

aus dem Produkt der Erwartung und der Valenz erster Ordnung.

Graphische Veranschaulichung:

Beispiel: Eine Beförderung (Ergebnis erster Ordnung) bringt unterschiedliche

Folgen mit sich: einerseits ist sie mit einem höheren Gehalt und einem besseren

Status verknüpft, andererseits mit weniger Freizeit und mehr Stress. Je nachdem

wie diese Folgen im Einzelnen gewichtet werden (Valenzen zweiter Ordnung),

wird die Beförderung als erstrebenswertes oder weniger erstrebenswertes Ziel

betrachtet (Valenz erster Ordnung); wird die so ermittelte Valenz der Beförderung

mit der Wahrscheinlichkeit multipliziert, die Beförderung auch zu erreichen, erhält

man ein Maß für die Motivation bzw. Handlungsintention.

V = (𝐼𝑘𝑖=1 i × V`i)

Page 39: Abo

39

Kritische Würdigung der VIE-Theorie:

Die mathematische Formulierung des Modells ermöglicht eine präzise empirische

Überprüfung – ABER: Die Theorieüberprüfung ist methodisch äußerst

anspruchsvoll (Verhältnisskalen wegen multiplikativer Verknüpfung, Within

Subject-Designs aufgrund individueller Unterschiede in den Valenzen etc.)!

Eine multiplikative Verknüpfung der Faktoren führt nicht immer zur besten

Vorhersage, die Annahme eines additiven oder nichtlinearen multiplikativen

Zusammenhangs ist also oft besser!

Eine Metaanalyse ergibt folgende Zusammenhänge:

- Verhaltensintention: r = .34

- Anstrengung: r = .23

- Leistung: r = .19

Bei korrekter Operationalisierung (within-subject-design) sind die

metaanalytisch ermittelten Zusammenhänge jedoch höher:

- Anstrengung: r = .59

- Verhaltensintention: r = .49

Das zugrundeliegende Menschenbild (= „homo oeconomicus“), das den

Menschen als ein rational kalkulierendes und ausschließlich auf den eigenen

Vorteil bedachtes Wesen beschreibt, ist fragwürdig!

4.3.2. Die Zielsetzungstheorie von Locke & Latham (90er Jahre)

Die Zielsetzungstheorie von Locke & Latham befasst sich mit der Frage, wie Ziele die

Leistung beeinflussen und durch welche Faktoren der Zusammenhang zwischen

beidem vermittelt und moderiert wird.

Während der Auswahl von Handlungszielen (VIE-Theorie) motivationale Prozesse

zugrunde liegen, basiert deren Umsetzung auf volitionalen (=willentlichen)

Prozessen!

Locke und Latham gehen von folgenden 2 Hypothesen aus:

1) Schwierige, herausfordernde Ziele führen zu besseren Leistungen als mittlere

oder leicht zu erreichende Ziele!

„Schwierigkeit“ meint dabei, dass die geforderte Leistung in realistischem

Maß über den bisher gezeigten Leistungen in vergleichbaren Aufgaben liegen

sollte.

2) Präzise, spezifische Ziele führen zu besseren Leistungen als allgemeine, vage

Ziele (im Sinne von „Geben Sie Ihr Bestes!“)

Der Zusammenhang zwischen herausfordernden, spezifischen Zielen und der Leistung

wird dabei über verschiedene Mediatoren bzw. Wirkmechanismen vermittelt, deren

Wirkung ihrerseits durch moderierende Größen beeinflusst wird.

Die Mediatoren bzw. Wirkmechanismen:

1. Aufmerksamkeit (=> Handlungsrichtung): Durch herausfordernde, spezifi-

sche Ziele wird die Aufmerksamkeit auf Informationen ausgerichtet, die für die

Zielerreichung relevant sind, während irrelevante Infos ausgeblendet werden.

2. Ausdauer (=> Handlungsdauer): Herausfordernde, spezifische Ziele erhöhen

die Ausdauer!

3. Anstrengung (=> Handlungsintensität): Herausfordernde, spezifische Ziele

führen zu mehr Anstrengung!

4. Aufgabenspezifische Strategien: Für weniger komplexe Aufgaben liegen

meist schon Handlungsstrategien und Pläne vor, für komplexe Aufgaben

müssen diese dagegen meist erst entwickelt werden. Der damit verbundene

Zeitaufwand erklärt, warum in solchen Fällen herausfordernde Ziele keine

größere Leistung bewirken.

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40

Die Moderatoren: bestimmen, wie eng der Zusammenhang zwischen Zielen und

Leistung ist.

1. Akzeptanz/Zielbindung: Je stärker sich Mitarbeiter an ihre Ziele gebunden

fühlen, desto enger ist der Zusammenhang zwischen Zielen und Leistung.

- Erreicht werden kann eine hohe Zielbindung z.B. durch Partizipation!

2. Selbstwirksamkeit: Je höher die Selbstwirksamkeit ist, desto stärker der

Zusammenhang!

3. Feedback: Rückmeldung in Bezug auf die Zielerreichung verstärkt den

Zusammenhang zwischen Zielen und Leistung!

4. Aufgabenkomplexität: Je höher die Komplexität, desto schwächer der

Zusammenhang zwischen Zielen und Leistung. Schließlich hängt die Leistung

bei komplexen Aufgaben nicht nur vom Willen, sondern auch von der Qualität

der Pläne und Strategien ab (s.o.).

Graphische Veranschaulichung:

Die SMART-Formel von Rubin ist eine Art Erweiterung der Zielsetzungstheorie: Ihr

zufolge ist die Leistung dann am besten, wenn Ziele…

Specific

Measurable

Attainable

Relevant

Time-bound …sind!

Kritische Würdigung:

Die Zielsetzungstheorie ist empirisch gut bestätigt – und zwar sowohl in Labor- als

auch in Feldstudien!

Eine Feldstudie mit Lkw-Fahrern zeigte z.B., dass diese ihre Lkws bei

herausfordernder und spezifischer Zielsetzung mit rund 90% des zulässigen

Ladegewichts wesentlich effizienter beladen als bei unspezifischer Zielsetzung

(„Do your best!“), bei der lediglich 60% des Maximalgewichts eingeladen

wurden.

Der große Vorteil der Zielsetzungstheorie besteht in ihrer praktischen

Anwendbarkeit: Schließlich lässt sich aus ihr eine Vielzahl von

Handlungsempfehlungen ableiten, u.a. für Führung (Management by Objectives),

Mitarbeitergespräche, Selbstmanagement oder die Gestaltung von

Belohnungssystemen

Noch offen sind u.a.:

Die Auswirkung auf die Qualität der Arbeit!

Der Einfluss von multiplen Zielen!

Der Prozess der Revision von Zielen während der Arbeit!

Page 41: Abo

41

4.3.3. Selbstbestimmungstheorie und Cognitive Evaluation Theory von Deci & Ryan

Die Selbstbestimmungstheorie ist eine allgemeine Motivations- und

Persönlichkeitstheorie, die von 3 Grundmotiven bzw. -bedürfnissen ausgeht, die allen

Menschen eigen sind und die die Grundlage aller intrinsisch motivierten Handlungen

bilden:

1) Das Bedürfnis nach Selbstbestimmung bzw. Autonomie

2) Das Bedürfnis nach Kompetenz

3) Das Bedürfnis nach sozialer Eingebundenheit

Die Cognitive Evaluation Theory ist eine Subtheorie der Selbstbestimmungstheorie.

Sie basiert auf dem Korrumpierungseffekt von Belohnung:

Laborstudie: Kinder spielen ein Mathespiel, nachdem es vorübergehend

belohnt wurde, weniger häufig als vor der Belohnungsphase. Ihre intrinsische

Motivation scheint also durch die Belohnung vermindert worden zu sein.

Interpretation: Externe Anreize (wie z.B. Bezahlung) stehen dem Bedürfnis

nach Selbstbestimmung entgegen und haben insofern eine negative Wirkung

auf die intrinsische Motivation!

Schlussfolgerung: Intrinsische Motivation setzt die Befriedigung der genannten

Grundbedürfnisse voraus!

Einen positiven Einfluss auf die intrinsische Motivation haben

dementsprechend:

a) Positives Feedback (=> Bedürfnis nach Kompetenz)

b) Entscheidungsfreiräume (=> Bedürfnis nach Selbstbestimmung)

c) Selbstbestimmung

Einen negativen Einfluss auf die intrinisische Motivation haben dagegen:

a) Negatives Feedback ( Kompetenz) ?!

b) Leistungsabhängige Belohnungen ( Selbstbestimmung) ?!

c) Drohungen ( Selbstbestimmung)

d) Fristen ( Selbstbestimmung) ?!

e) Wettbewerb ( soziale Eingebundenheit) ?!

Kritische Würdigung:

Die empirischen Befunde sind durchwachsen!

Eine Metaanalyse zeigt entgegen der Theorie nur geringe Effekte von

Belohnungen auf freiwillige Weiterbeschäftigung (-.04) und sogar positive

Effekte auf die Einstellung zur Tätigkeit (+.14)

Bestätigt wird das Modell vorwiegend durch kurzfristige Laborstudien mit

Kindern und geringen Belohnungen!

Bei Erwachsenen in längerfristigen Arbeitskontexten wird bei

leistungsabhängiger Bezahlung eine höhere intrinsische Motivation berichtet!

- Ergo: Leistungsabhängige Anreize können die intrinische Motivation

auch steigern (vermutlich aufgrund des Informationsaspektes)!

Fazit: Das Modell ist v.a. für Tätigkeiten relevant, die anfangs ein hohes

intrinsisches Motivationspotenzial haben; ob negatives Feedback,

leistungsabhängige Belohnungen, Fristen und Wettbewerb tatsächlich einen

negativen Einfluss auf die intrinsische Motivation haben, ist äußerst fraglich!

Page 42: Abo

42

4.3.4. Equity Theory von Adams (60er Jahre)

In der Regel wird zwischen 3 Formen erlebter (Un-)Gerechtigkeit unterschieden:

1) Verteilungsgerechtigkeit (=distributive Gerechtigkeit): ist die wahrgenommene

Fairness bei der Verteilung von Ressourcen (wie Geld, Status oder Macht)!

2) Verfahrensgerechtigkeit (=prozedurale Gerechtigkeit): ist die wahrgenommene

Fairness des Verfahren, das der Verteilung von Ressourcen zugrundeliegt.

3) Interaktionale bzw. interpersonale Gerechtigkeit: bezieht sich auf die Art und

Weise, wie sich Entscheider gegenüber Ressourcenempfängern verhalten (z.B. das

Verhältnis zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern)

Dass die empfundene Gerechtigkeit einen Einfluss auf die Arbeitszufriedenheit, die

Leistung und das Verhalten von Mitarbeitern hat, wird durch eine Metaanalyse von

Colquitt et al. eindeutig belegt: Der stärkste (korrigierte) Zusammenhang besteht dabei

zur Arbeitszufriedenheit.

Arbeitszufriedenheit:

Verteilungsgerechtigkeit: ρ = .56

Verfahrensgerechtigkeit: ρ = .40

Interaktionale Gerechtigkleit: ρ = .35

Negatives Verhalten (Diebstahl etc.):

Verfahrensgerechtigkeit: ρ = -.38

Interaktionale Gerechtigkeit: ρ = -.35

Verteilungsgerechtigkeit: ρ = -.30

Leistung:

Verfahrensgerechtigkeit: ρ = .36

Verteilungsgerechtigkeit: ρ = .15

Interaktionale Gerechtigkeit: ρ = .03

„Equity Theory“: Eine ausformulierte psychologische Theorie liegt bislang nur zur

Verteilungsgerechtigkeit vor; es handelt sich dabei um die Equity (=Beitrags-)

Theorie von Adams.

Die wahrgenommene Verteilungsgerechtigkeit hängt davon ab, ob das Verhältnis

der eigenen Erträge (Lohn) zum erbrachten Einsatz dem entsprechenden

Verhältnis bei Vergleichspersonen entspricht oder davon abweicht.

Kurz: Bekommen andere für dieselbe Leistung denselben Lohn oder nicht?!

Formel:

Dabei sind folgende Vergleichsresultate denkbar:

1) Konsonanz: liegt vor, wenn das Verhältnis von Lohn und Leistung bzw.

Ergebnis und Beitrag bei der Vergleichsperson dasselbe ist wie bei einem

selbst.

- In diesem Fall kommt es zu keinen Veränderungen, d.h.: man verbleibt in

der Organisation und hält das Leistungsniveau. Sind der eigene Lohn und

Einsatz niedrig, ist man jedoch i.d.R. nicht zufrieden, sondern wartet auf

eine attraktivere Stelle.

Page 43: Abo

43

2) Dissonanz: liegt vor, wenn das Verhältnis von Lohn und Einsatz bei der

Vergleichsperson ein anderes ist als bei einem selbst. Man ist dann entweder

überbezahlt oder unterbezahlt.

- Überbezahlung führt zu Schuldgefühlen: bei Zeitlohn steigt die Quantität

und/oder Qualität; bei Stücklohn steigt die Qualität und die Quantität sinkt!

- Unterbezahlung führt zu Unzufriedenheit: bei Zeitlohn sinkt die Qualität

und/oder Quantität; bei Stücklohn sinkt die Qualität und die Quantität

steigt!

Strategien zur Wiederherstellung von Equity:

Man ändert seine Beiträge (sprich: man steigert und reduziert den eigenen

Einsatz).

Man ändert seine Ergebnisse (z.B. indem man sich mehr Stunden aufschreibt

als man tatsächlich gearbeitet hat oder was mitgehen lässt).

Man verzerrt seine Beiträge oder Ergebnisse kognitiv („Ich mache ja auch

mehr bzw. weniger als xy“).

Man geht aus dem Feld (kündigt).

Man wirkt auf die Vergleichsperson ein, damit diese ihre Beiträge oder

Ergebnisse ändert.

Man wechselt die Vergleichsperson.

Kritische Würdigung der Equity Theory:

Empirische Evidenz:

- Personen zeigen mehr „Toleranz“ gegenüber Überbezahlung als gegenüber

Unterbezahlung!

- Vermittelnde Variablen (z.B. die Wahrnehmung von Input und Output,

Wahl der Vergleichsgruppe etc.) wurden bislang zu wenig berücksichtigt!

- Die Wahl des Vergleichsstandards und der Umgang mit multiplen

Standards (z.B. beim Vergleich mit dem Chef) sind unklar!

Praktische Relevanz (für die Gestaltung von Arbeit):

- Motivationale Prozesse werden stark vereinfacht

- Modell macht kaum spezifische Aussagen

- Weiterführende Ansätze (s.u.) zur prozeduralen Fairness und sozialen

Kontrakten sind jedoch vielversprechend: sie liefern u.a. eine Erklärung für

Organizational Citizenship Behaviour (OCB) und destruktives Verhalten

Weiterführende Ansätze:

Greenberg untersuchte in einer experimentellen Feldstudie die Auswirkung

interaktionaler Gerechtigkeit auf das Verhalten der Belegschaft. Untersucht

wurden 3 Fabriken eines Unternehmens. In 2 dieser Unternehmen mussten die

Löhne aufgrund wirtschaftlicher Engpässe für 10 Wochen gekürzt werden.

Während diese Maßnahme in der einen Fabrik adäquat begründet und mit den

Mitarbeitern diskutiert wurde, wurde sie der Belegschaft in der anderen Fabrik

lediglich mitgeteilt (inadäquate Begründung). Als AV wurde in allen 3 Fabriken

die Diebstahlsrate („Materialschwund“) erhoben – und zwar vor, während und

nach der Lohnkürzungsphase.

Ergebnis: In beiden Lohnkürzungs-Fabriken nahm die Diebstahlrate

signifikant zu; in der Fabrik, in der die Lohnkürzung nicht adäquat begründet

wurde, nahm sie jedoch deutlich stärker zu als in der anderen.

Interpretation: Wird die Interaktion zwischen Manager und Mitarbeitern als

gerecht empfunden, wird vermutlich auch das Verfahren als gerechter

empfunden. Die negativen Folgen einer ungerechten Verteilung können auf

diese Weise erheblich abgeschwächt werden.

Page 44: Abo

44

Die wahrgenommene Verfahrensgerechtigkeit in Organisationen hängt von

verschiedenen Faktoren ab:

a) Besteht die Möglichkeit zu Mitsprache und Mitbestimmung?!

b) Besteht die Möglichkeit, Urteilsfehler zu korrigieren, sprich: können von

höherer Stelle getroffene Entscheidungen diskutiert und gegebenenfalls wieder

rückgängig gemacht werden?!

c) Werden die Verfahrensregeln bei allen Personen in gleicher Weise

angewendet?!

d) Werden Entscheidungen auf Basis genauer Informationen getroffen?!

Es lassen sich 3 Zuteilungsregeln von Belohnungen unterscheiden:

1. Equity (= Beitrag): Die Belohnungen bzw. Ergebnisse werden so verteilt,

dass sie den erbrachten Beiträgen entsprechen!

- Ziel dieser Verteilungsregel ist die Maximierung der Gruppenproduktivität!

- Eingesetzt werden sollte sie bei Aufgaben, zu deren Erledigung nur ein

geringes Maß an Kooperation erforderlich ist!

2. Need (=Bedürfnis): Die Belohnungen bzw. Ergebnisse werden nach

Bedürfnissen verteilt.

- Wird angewendet, wenn sich die Person, die die Belohnungen zuteilt, für

das Wohlergehen des Empfängers verantwortlich fühlt, erfolgreich ist oder

sich als kompetent ansieht.

3. Equality (=Gleichheit): Alle Teilnehmer erhalten die gleichen Belohnungen

bzw. Ergebnisse.

- Ziel dieser Verteilungsregel ist die Maximierung von Harmonie und die

Minimierung von Konflikten innerhalb einer Gruppe!

- Eingesetzt werden sollte sie, wenn die Erledigung der Aufgabe ein hohes

Maß an Kooperation erfordert und es nur schwer ist, die einzelnen Beiträge

und Bedürfnisse der Empfänger zu ermitteln.

Page 45: Abo

45

5.1. Allgemeines

5.1.1. Begriffsklärung:

Definition: Arbeitszufriedenheit wird i.d.R. definiert als Einstellung zur Arbeit bzw.

einzelnen Aspekten der Arbeit, wobei „Einstellung“ in diesem Zusammenhang

sowohl emotionale, kognitive als auch konative Komponenten umfasst.

Weitere Definitionen sind:

AZ als affektive Bewertungsreaktion

AZ als Bedürfnisbefriedigung

AZ als (aufgehobene) Ist-Soll-Differenz

AZ als Entsprechung einer Erwartungshaltung

Operationale Definitionen von AZ

Einbettung des Konzepts: Die Arbeitszufriedenheit ist ein Teilaspekt der

Lebenszufriedenheit und umfasst ihrerseits wiederum verschiedene Teilaspekte: z.B.

die Zufriedenheit mit der Bezahlung, der Aufgabe, den Kollegen, den Vorgesetzten

usw.

Wird AZ als Entsprechung einer Erwartungshaltung definiert, lassen sich folgende

Formen von Arbeitszufriedenheit bzw. -unzufriedenheit unterscheiden:

Wird die Arbeitssituation den Erwartungen gerecht, gibt es zwei Möglichkeiten:

Entweder das Anspruchsniveau wird angehoben oder beibehalten.

In ersterem Fall spricht man von progressiver Arbeitszufriedenheit,

in letzterem von stabilisierter Arbeitszufriedenheit.

Wird die Arbeitssituation den Erwartungen nicht gerecht, bestehen folgende

Möglichkeiten:

Wird das Anspruchsniveau heruntergesetzt, spricht man von resignativer

Arbeitszufriedenheit.

Wird das Anspruchsniveau beibehalten, aber die Situationswahrnehmung

verfälscht (indem man sich die Lage schön redet), spricht man von Pseudo-

Arbeitszufriedenheit.

Wird das Anspruchsniveau aufrechterhalten, aber nichts unternommen, um die

Lage zu verbessern, spricht man von fixierter Arbeitsunzufriedenheit!

Wird das Anspruchsniveau aufrechterhalten und gleichzeitig versucht, die

Lage zu verbessern, spricht man von konstruktiver Arbeitsunzufriedenheit!

Umfragen zeigen, dass im deutschsprachigen Raum 70 bis 90% der Arbeitnehmer

zufrieden sind mit ihrer Arbeit.

Dieser Anteil ist erstaunlich hoch, es spricht jedoch vieles dafür, dass die

Zufriedenheit systematisch überschätzt wird.

Zweifel an der Anonymität der Befragung

Relativ global formulierte Items

Dissonanzreduktion (=Bestreben, ein positives Selbstbild aufrecht zu erhalten)

Konvention: „Wie geht’s?“ –„Gut!“

Vorausgegangene Senkung des Anspruchsniveaus (= resignative

Arbeitszufriedenheit)

5. Arbeitszufriedenheit

Page 46: Abo

46

5.1.2. Korrelate von Arbeitszufriedenheit

Wohl am intensivsten wurde der Zusammenhang zwischen AZ u. Leistung untersucht.

Eine Metanalyse von Judge et al. über 312 Stichproben ergab dabei einen

korrigierten Zusammenhang von ρ = .30!

Das ist zwar nicht überwältigend, aber auch nicht zu vernachlässigen!

Was die Richtung des Zusammenhangs betrifft, sind die Befunde uneinheitlich:

1) Modell 1: Arbeitszufriedenheit führt zu höherer Leistung!

2) Modell 2: Bessere Leistungen führen zu höherer Arbeitszufriedenheit!

3) Modell 3: Arbeitszufriedenheit und Leistung beeinflussen sich wechselseitig!

4) Modell 4: Der Zusammenhang zwischen AZ und Leistung ist auf Drittvari-

ablen zurückzuführen, sprich: auf Variablen, die sowohl die Zufriedenheit, als

auch die Leistung beeinflussen.

- Empirisch belegte Drittvariablen sind u.a.: Selbstwert, Organizational

Commitment, Job Involvement, Vertrauen in die Unternehmensführung

und Partizipation an Entscheidungen!

5) Modell 5: Der Zusammenhang zwischen Arbeitszufriedenheit und Leistung

wird durch Moderatorvariablen vermittelt.

- Einzelfallweise belegte Moderatoren sind u.a.: eine leistungsabhängige

Bezahlung, ein hohes Leistungsmotiv, die Komplexität der Arbeit, der

Selbstwert und die Attribution von Erfolg.

6) Modell 6: Es besteht gar kein Zusammenhang zwischen AZ und Leistung!

7) Modell 7: Arbeitszufriedenheit hat Einfluss auf den Affekt eines Mitarbeiters,

der wiederum Einfluss auf dessen „In-Role-“ und „Extra-Role-Behaviour“ hat!

Judge et al. gehen auf Basis ihrer Metaanalyse von einem wechselseitigen

Zusammenhang zwischen Arbeitszufriedenheit und Leistung aus; wobei sie

jeweils unterschiedliche Mediatoren und Moderatoren vermuten.

Dass sich die Leistung positiv auf die Zufriedenheit auswirkt, hängt mit dem

erreichten Erfolg sowie dem Gefühl der Selbstwirksamkeit und dem positiven

Affekt zusammen, der sich daraus ergibt. Moderiert wird der Zusammenhang

durch die Leistungs-Belohnungs-Kontingenz, die Komplexität der

Arbeitsaufgabe, das Leistungsmotiv und das Work Commitment.

Die positive Wirkung der Zufriedenheit auf die Leistung lässt sich durch die

positive Stimmung und die Verhaltensintentionen erklären, die mit hoher

Zufriedenheit einhergehen sowie durch die Tatsache, dass Unzufriedenheit

häufig zu Leistungsverweigerung führt. Moderiert wird der Zusammenhang

durch die Persönlichkeit bzw. das Selbstkonzept des Betroffenen, die erlebte

Autonomie, Leistungsnormen und die kognitive Zugänglichkeit der

Zufriedenheit.

Page 47: Abo

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Sonstige Korrelate:

Arbeitszufriedenheit korreliert negativ mit…

Fluktuation : r= -.40

Destruktivem Verhalten: r = -.28 bis -.51

Absentismus: r = -.09

Positive Korrelationen finden sich dagegen mit…

Commitment: r = .60

Organizational Citizenship Behaviour: r = .31 bis r = .54

- „Organizational Citizenship Behaviour” ist ein Konstrukt zur Erklärung

extraproduktiven Verhaltens. Man versteht darunter freiwilliges

(=selbstbestimmtes) Verhalten, das sich positiv auf die Funktionsfähigkeit

der Organisation auswirkt und im Rahmen des formalen Anreizsystems

nicht direkt oder explizit berücksichtigt wird.

5.2. Einflussfaktoren

5.2.1. Zwei-Faktoren-Theorie von Herzberg

Die Zwei-Faktoren-Theorie von Herzberg geht davon aus, dass Arbeitszufriedenheit

und Arbeitsunzufriedenheit jeweils von unterschiedlichen Faktoren abhängen:

Während die Arbeitszufriedenheit von sog. „Kontentfaktoren“ bzw. „Motivatoren“

abhängt, ist die Arbeitsunzufriedenheit von sog. „Kontext-“ bzw. „Hygienefaktoren“

abhängig.

Kontext- bzw. Hygienefaktoren beziehen sich auf das Arbeitsumfeld und sind

somit extrinsisch, d.h. außerhalb der eigentlichen Tätigkeit liegend. Sind sie nicht

hinreichend erfüllt, führen sie zu Unzufriedenheit. Ist die Ausprägung der

Kontextfaktoren positiv, resultiert daraus jedoch nicht Zufriedenheit, sondern ein

neutraler Erlebniszustand, den Herzberg als „Nicht-Unzufriedenheit“ bezeichnet.

Skala: Hohe Unzufriedenheit___________________Keine (Un-)zufriedenheit

Beispiele für Hygienefaktoren:

- Firmenpolitik und –Verwaltung

- Kompetenz der Vorgesetzten

- Beziehung zu Untergebenen, Kollegen und Vorgesetzten

- Arbeitsbedingungen

- Gehalt

- Status

- Einfluss des Berufes auf das Privatleben

- Sicherheit des Arbeitsplatzes

Kontentfaktoren bzw. Motivatoren beziehen sich auf die Arbeitstätigkeit selbst

und sind somit intrinsisch. Sind sie in ausreichendem Maß gegeben, führen sie zu

Zufriedenheit, sind sie nicht erfüllt, resultiert daraus jedoch keine Unzufriedenheit,

sondern wiederum ein neutraler Zustand, den Herzberg als „Nicht-Zufriedenheit“

bezeichnet.

Skala: Keine (Un-)zufriedenheit______________________hohe Zufriedenheit

Beispiele für Motivatoren:

- Erfolgserlebnisse

- Anerkennung

- Arbeitsinhalt

- Übertragene Verantwortung

- Fortschritt

- Das Gefühl, sich in der Arbeit entfalten zu können

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Die Zwei-Faktoren-Theorie basiert auf der sog. „Pittsburgh-Studie“, im Rahmen

derer 203 Pbn rückblickend von Ereignissen berichten sollten, bei denen sie entweder

hoch zufrieden oder hoch unzufrieden mit ihrer Arbeit waren.

Aus den Aussagen der Pbn wurden anschließend die genannten Faktoren

extrahiert.

Kritische Würdigung der Zwei-Faktoren-Theorie:

Die Erhebungsmethode, mittels derer die Faktoren gewonnen wurden, ist

umstritten.

Mögliche Artefakte sind: Gedächtniseffekte; Attributionsmechanismen;

Hygienefaktoren z.T. doppeldeutig (Gehalt oder Status können z.B. subjektiv

als Anerkennung interpretiert werden) etc.

Die Theorie konnte in ihren differentiellen Vorhersagen nur unzureichend

bestätigt werden.

Die Theorie unterschätzt den Einfluss sozialer Beziehungen auf die

Arbeitszufriedenheit

Aber: Sehr einflussreiche Theorie, die erstmals die Bedeutung des Inhalts der

Arbeitstätigkeit betonte (intrinsischer Aspekt) und damit u.a. das Fundament für

das „Job Enrichment“ legte!

5.2.2. Korrelationen

Die Arbeitszufriedenheit hängt einerseits von Merkmalen der Arbeit, andererseits von

Merkmalen der Person ab.

Persönlichkeitsvariablen, die einen Einfluss auf die Arbeitszufriedenheit haben,

sind u.a.:

Eine positive Affektivität (ρ = .50)

Der Locus of Control (external vs. internal)

Extraversion

Merkmale der Arbeit, die einen Einfluss auf die Arbeitszufriedenheit haben, sind

u.a.:

„Perceived Organizational Support“ (s.u.): r = .62

Organisationale Bedingungen:

- Das Management: r = .42

- Kollegen: r = .30

- Aussicht auf Beförderung: r = .28

- Bezahlung: .17 < r < .28

Aufgabencharakteristika (nach dem Job Characteristics Modell): .20 < r < .39

Rollenkonflikte: zwischen -.40 und -.20

Konflikte Arbeit – Familie:

- r = -.40 bei Männern

- r = -.02 bei Frauen

Stress und Beanspruchung

Empfundene Gerechtigkeit (s.u.)

Fazit: Den größten Einfluss hat der Vorgesetzte/das Management bzw. die

wahrgenommene Unterstützung durch das Unternehmen („Perceived

Organizational Support“)

Page 49: Abo

49

Das Konzept der Arbeitszufriedenheit wird mittlerweile zunehmend durch das

Konzept des „Perceived Organizational Support“ (POS) ergänzt. Dazu zählt zum

einen die wahrgenommene Würdigung der Beiträge der Mitarbeiter, zum anderen die

wahrgenommene Sorge um das Wohlergehen der Mitarbeiter.

Die wahrgenommene Unterstützung durch die Organisation (POS) hängt von der

Fairness des betreffenden Unternehmens, der Unterstützung durch Vorgesetzte

sowie der Bezahlung und den Arbeitsbedingungen ab und bringt nicht nur positive

Effekte für die Mitarbeiter, sondern auch für das betreffende Unternehmen.

Eine Metanalyse zum POS ergab folgende Zusammenhänge:

Erfasst wird die wahrgenommene Unterstützung durch das Unternehmen über

einen standardisierten Fragebogen, der 8 Items umfasst, wobei die Pbn anhand

einer 7-stufigen Skala ihre Zustimmung bzw. Ablehnung zum Ausdruck bringen.

Beispielitems: „Die Organisation würde Beschwerden von mir ignorieren.“;

„Die Organisation kümmert sich um mein Wohlergehen.“

5.2.3. Ergänzung: Aspekte von Lohngerechtigkeit

Anforderungsgerechtigkeit: Der Lohn muss den Anforderungen am jeweiligen

Arbeitsplatz entsprechen und den Arbeitswert wiedergeben.

Leistungsgerechtigkeit: Der Lohn muss die persönlichen Leistungen angemessen

berücksichtigen.

Soziale Gerechtigkeit: Aspekte wie Alter, Konstitution, Familienstand u. ä. müssen

berücksichtigt werden, um den Bedürfnissen der unterschiedlichen Menschen gerecht

zu werden.

Marktgerechtigkeit: Der aktuelle Wert einer Arbeitskraft muss den jeweiligen

Marktbedingungen angepasst sein.

Distributive Gerechtigkeit (s.o.): Das Verhältnis von Eigenleistung (Input) und

Gehalt (Output) muss gleich verteilt sein.

Prozedurale Gerechtigkeit (s.o.): Die Art, wie es zu gehaltsrelevanten

Entscheidungen kommt, muss gerecht (= Transparenz, Partizipation etc.) sein.

Page 50: Abo

50

6.1. Allgemeines

6.1.1. Begriffsbestimmung

Definition: Im Rahmen der psychologischen Arbeitsanalyse werden Arbeits-

tätigkeiten und ihre Bedingungen sowie die Wirkungen der Arbeitsbedingungen und

-anforderungen auf das Individuum analysiert und bewertet. Zu diesem Zweck

werden in systematischer Form Informationen über die Tätigkeit eines arbeitenden

Individuums erfasst und anhand bestimmter Kriterien beurteilt.

Auf folgende Komponenten einer Arbeitstätigkeit kann sich die Analyse dabei

beziehen:

1. Arbeitsaufgaben (Inhalte und Abläufe)

2. Aufgabenbezogene Verhaltensweisen und Anforderungen (z.B. Denk- und

Entscheidungserfordernisse; Handlungsspielräume etc.)

3. Arbeitsmittel (Interaktion mit Maschinen, Materialien und Werkzeugen)

4. Arbeitsprodukte und Leistungskennzahlen (Produktivitätsraten, Fehlerraten,

AU-Tage etc.)

5. Arbeitsumgebung (z.B. Arbeitszeit, gefordertes Arbeitstempo, Belastungs-

faktoren usw.)

6. Soziale Bedingungen (z.B. Kontaktmöglichkeiten, Betriebsklima)

7. Die zur Ausführung einer Aufgabe erforderlichen Leistungsvoraussetzungen

(z.B. Fähigkeiten, Fertigkeiten, Wissen) und Anforderungen (z.B.

widersprüchliche Anforderungen bei Dienstleistungsunternehmen: Kunde vs.

Organisation).

- Schnittstelle zur Anforderungsanalyse (s.u.).

Die Arbeitsanalyse und –bewertung verfolgt zwei übergeordnete Ziele: Zum einen

geht es um eine Rationalisierung der Arbeitsprozesse, zum anderen um eine

Förderung der Human- und Sozialverträglichkeit von Arbeit!

Nerdinger et al. nennen 4 Funktionen bzw. Ziele:

1. Erhaltung und Verbesserung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes

- Erforschung von Unfallursachen; Identifikation von Belastungsfaktoren...

- Erhöhung der Sicherheit und Persönlichkeitsförderlichkeit von Arbeit!

2. Optimierung der Arbeitsgestaltung und –organisation

- Ermittlung von Faktoren, die den Arbeitsprozess beeinträchtigen

(Wartezeiten, schlechte Beleuchtung, suboptimale Ausstattung,…);

Identifikation fehlerhafter Arbeitsprozesse und überflüssiger

Arbeitsleistungen usw.

- Standardisierung von Arbeitsabläufen; Festlegung von Vorschriften;

Einrichtung zweckmäßiger Kommunikationssysteme usw.

3. Bestimmung von personalen Fördermaßnahmen

- Analyse von Trainingsbedarf und –inhalten

- Gestaltung von Aus- und Fortbildungen

4. Bestimmung von Eignungsanforderungen

- Berufsberatung, Umschulung und Rehabilitation; Personalauswahl und

–platzierung (Gestaltung von Assessments-Centern)

5. Vergleiche von Arbeitstätigkeiten

- Evaluation von Arbeitsgestaltungsmaßnahmen

- Berufsforschung (Analyse und Klassifikation von Berufen)

- Entwicklung gerechter Entlohnungssysteme

6. Arbeitsanalyse und -bewertung

Rationalisierung

Menschen-

förderlichkeit

Rationalisierung

Menschen-

förderlichkeit

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Die Arbeitsanalyse und –bewertung steht somit in engem Zusammenhang zu den

Themen „Arbeitsgestaltung“, „Gesundheitsförderung“, „Personalauswahl“

(Anforderungsanalyse) und „Personalentwicklung“.

Eine eindeutige Abgrenzung zur Anforderungsanalyse ist schwierig: Während die

Arbeitsanalyse darauf abzielt, Schwachstellen zu identifizieren, auf deren Basis die

Gestaltung und Optimierung von Arbeitstätigkeiten erfolgen kann, geht es in der

Anforderungsanalyse darum, Leistungsvoraussetzungen und Merkmale von

Personen für bestimmte Berufe und Positionen zu bestimmen.

6.1.2. Bewertungsebenen und -kriterien

Hacker und Richter unterscheiden 4 (hierarchisch angeordnete) Bewertungsebenen:

1) Ausführbarkeit: Sind die Voraussetzungen für ein zuverlässiges,

forderungsgerechtes und langfristiges (!) Ausführen der Tätigkeit gegeben?!

In Abhängigkeit vom Auftrag, den Arbeitsmitteln und Arbeitsbedingungen

wird zw. folgenden Unterkategorien unterschieden :

a) Uneingeschränkte Ausführbarkeit

b) Bedingte bzw. eingeschränkte Ausführbarkeit

c) Zuverlässige Ausführbarkeit nicht gegeben

Kriterien, die zur Klassifikation herangezogen werden können, sind u.a.:

- Bewegungsstudien

- Sinnesphysiologische Normwerte (Beleuchtung, Lärmpegel, Haltung,

Anstrengung etc.)

2) Schädigungslosigkeit: Sind körperliche und psychische Gesundheitsschäden

ausgeschlossen?!

Unterkategorien:

a) Gesundheitsschäden ausgeschlossen

b) Gesundheitsschäden möglich

c) Gesundheitsschäden wahrscheinlich

Kriterien, die zur Klassifikation herangezogen werden können, sind u.a.:

- Erkrankungs- und Unfallstatistiken

- Morbiditätsrate

3) Beeinträchtigungsfreiheit: Kann die Tätigkeit ohne Beeinträchtigungen

durchgeführt werden (wobei zu Beeinträchtigungen auch geringe und kurzfristige

Fehlbeanspruchungen ohne gesundheitliche Konsequenzen gezählt werden)?!

Unterkategorien:

a) Ohne bzw. mit zumutbaren Beeinträchtigungen

b) Bedingt zumutbare Beeinträchtigungen

c) Nicht zumutbare Beeinträchtigungen (=funktionelle Störungen)

Kriterien:

- Psychophysiologische Kennwerte (z.B. EKG oder EEG)

- Maße der Befindensbeeinträchtigung (z.B. Ausmaß der Gereiztheit oder

psychosomatischer Beschwerden)

4) Persönlichkeitsförderlichkeit: Wird durch die Tätigkeit eine Weiterentwicklung

von Fähigkeiten, Fertigkeiten und Einstellungen ermöglicht?!

Unterkategorien:

- Weiterentwicklung von Fähigkeiten, Fertigkeiten und Einstellungen

- Erhaltung von Fähigkeiten, Fertigkeiten und Einstellungen

- Rückbildung von Fähigkeiten, Fertigkeiten und Einstellungen

Kriterien:

- Zeitanteil für selbständige oder schöpferische Verrichtungen

- Ausmaß der zur Tätigkeitsausübung erforderlichen Lernaktivitäten

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Rohmert unterscheidet ebenfalls 4 Bewertungsebenen:

1) Ausführbarkeit: Übersteigt die Arbeit die körperlichen Kräfte des Arbeitenden?

Ist die Arbeit kurzfristig(!) ausführbar?

Im Unterschied zu Hackers Konzept wird hier nicht die langfristige, sondern

die kurzfristige Ausführbarkeit von Arbeitstätigkeiten geprüft und beurteilt!

Untersucht wird dieses Kriterium weniger von der ABO-Psychologie als von

der Arbeitswissenschaft und Ingenieurpsychologie!

2) Erträglichkeit: Kann die Arbeit langfristig ausgeführt werden, ohne

gesundheitliche Schäden davonzutragen?

Das Kriterium der „Erträglichkeit“ entspricht der „Schädigungslosigkeit“ in

Hackers Modell.

Thema der Arbeitswissenschaft, Arbeitsmedizin und ABO-Psychologie

3) Zumutbarkeit: Ist die Arbeit aus subjektiver und gesellschaftlich-normativer

Perspektive langfristig zumutbar?

Für dieses Kriterium gibt es in Hackers Modell keine Entsprechung.

Untersucht wird die Zumutbarkeit in den Gesellschaftswissenschaften und der

angewandten Ethik!

4) Zufriedenheit: Führt die Tätigkeit langfristig zu Arbeitszufriedenheit?!

Mit den Kriterium der Persönlichkeitsförderlichkeit und

Beeinträchtigungsfreiheit vergleichbar.

Auch Ulich unterscheidet 4 Bewertungsebenen:

1) Schädigungsfreiheit: Freiheit von objektiv feststellbaren und

behandlungsbedürftigen psychischen und physischen Schädigungen

Entspricht Hackers Kategorie der „Schädigungslosigkeit“

2) Beeinträchtigungslosigkeit: Psychosoziales und psychosomatisches

Wohlbefinden

Entspricht Hackers Kategorie der „Beeinträchtigungsfreiheit“

3) Zumutbarkeit: Akzeptanz der Arbeitsbedingungen (von gesellschaftlichen

Normen und Werten abhängig)

Entspricht Rohmerts Kategorie der „Zumutbarkeit“

4) Persönlichkeitsförderlichkeit: Wird durch die Arbeit die Persönlichkeit

gefördert?

Entspricht Hackers Kategorie der „Persönlichkeitsförderlichkeit“

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53

7.1. Allgemeines

7.1.1. Zuordnungsformen von Personen (P) zu Arbeitsplätzen (A)

Beratungssituation: In der Beratungssituation steht eine Person zwei oder mehreren

möglichen Berufslaufbahnen gegenüber und muss sich entscheiden. Aufgabe des

Beraters ist es, bei dieser Entscheidung zu helfen. Im Vordergrund steht dabei der

Nutzen für die betreffende Einzelperson.

Beratung:

Personalauswahl (Selektion): Bei der Personalauswahl geht es darum, einen von

mehreren Bewerbern für ein Stellenangebot auszuwählen. Im Vordergrund steht dabei

der Nutzen für die betreffende Organisation.

Selektion:

Die Selektion eines Bewerbers erfolgt aufgrund dreier Kriterien:

1. Qualifikatorische Passung: Wie geeignet ist die Person für die Stelle?!

2. Bedürfnisbezogene Passung: Wie geeignet ist die Stelle für die Person?!

3. Potenzialbezogene Passung: Wie geeignet ist die Person auf lange Sicht für

die Organisation (Lernfähigkeit, soziale Kompetenz, Selbstvertrauen etc.)?!

Platzierung / Klassifikation: Bei Platzierungs- bzw. Klassifikationsfragen stehen für

mehrere Personen verschiedene Alternativen zur Auswahl; die Institution entscheidet

dabei, wem welche Alternative zugewiesen wird. Erfolgt diese Entscheidung aufgrund

mehrerer Kriterien bzw. Prädiktoren, spricht man von Klassifikation, bei nur einem

Prädiktor von Platzierung.

Platzierung / Klassifikation Klassifikation + Selektion

Folgende Klassifikationsstrategien lassen sich unterscheiden:

1. Klassifikation nach der zu erwartetenden Leistung: Die Stelle bekommt

der, der von allen Kandidaten am besten dafür qualifiziert ist.

- Problem: Ist einer für alle zu vergebenden Stellen der am besten

qualifizierte Kandidat, müsste man ihm alle Stellen und den anderen keine

geben (was faktisch nicht geht).

2. Klassifikation aufgrund der individuellen Qualifikation: Jeder Kandidat

bekommt die Stelle, für die er persönlich am besten qualifiziert ist (ungeachtet

dessen, dass andere vielleicht noch besser qualifiziert sind und dass die

Anforderungen der Stelle die Qualifikation des dafür ausgewählten Kandidaten

eventuell übersteigen).

3. Klassifikation gemäß der Anforderungen der zu vergebenden Stellen: Ein

Kandidat bekommt die Stelle, deren Mindestanforderungen er aufgrund seiner

Qualifikation erfüllt!

7. Personalauswahl

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7.1.2. Allgemeines zur Eignungsdiagnostik

Der trimodale Ansatz der Eignungsdiagnostik (von Schuler):

Schuler unterscheidet zwischen 3 eignungsdiagnostischen Vorgehensweisen bzw.

Verfahren:

1. Biographieorientierte Verfahren: basieren auf der Annahme, dass zukünftige

Ergebnisse durch bereits erzielte Ergebnisse vorhergesagt werden können.

- Analyse der bisherigen beruflichen Laufbahn; Einholen von Referenzen;

Auswertung von Arbeitszeugnissen; biographische Fragebögen etc.

2. Simulationsorientierte Verfahren: basieren auf der Annahme, dass

zukünftiges Verhalten durch aktuelles Verhalten vorhergesagt werden kann;

die Aufgaben, die die Bewerber erfüllen müssen, sind dabei so gewählt, dass

sie möglichst nah an der Praxis sind (Simulation der späteren Arbeitstätigkeit)

- Präsentationsübungen, Postkorbaufgaben, Gruppendiskussionen etc.

3. Eigenschafts- bzw. konstruktorientierte Verfahren: basieren auf der

Annahme, dass beruflicher Erfolg durch überdauernde Eigenschaften (wie

Intelligenz, Extraversion etc.) vorhergesagt werden kann.

- Intelligenztests, Persönlichkeitstests usw.

Den verschiedenen Verfahren entsprechen je eigene Kriterien für beruflichen

Erfolg: nämlich Ergebnis-, Verhaltens- und Eigenschaftskriterien!

Die Konstruktvalidität der Verfahren hängt davon ab, inwiefern sie diese

Kriterien tatsächlich erfassen!

Die Kriteriumsvalidität hängt davon ab, ob die Kriterien tatsächlich

beruflichen Erfolg vorhersagen.

Die Eignungsdiagnostik umfasst vor diesem Hintergrund 3 Bereiche:

1. Die Anforderungsanalyse: dient dazu, die Anforderungen eines Berufes bzw.

einer bestimmten Position zu bestimmen. Sie bildet die Grundlage für alles

Weitere!

2. Das Aufstellen von Berufserfolgskriterien: Auf Basis der Anforderungen gilt

es konkrete Kriterien für beruflichen Erfolg zu formulieren: Welche

Ergebnisse muss der Kandidat erzielt haben? Welches Verhalten muss er an

den Tag legen? Über welche Eigenschaften muss er verfügen?

3. Die Entwicklung bzw. Auswahl eignungsdiagnostischer Verfahren: basiert

ebenfalls auf der Anforderungsanalyse.

Kriterien des Berufserfolgs:

Beurteilung durch Vorgesetzte, Kollegen, Kunden oder einen selbst

Objektive Leistungsergebnisse (Zeugnisse, Produkte, Arbeitsproben,

Veröffentlichungen etc.)

Preise und Auszeichnungen

Leistung auf Gruppenebene

Leistung auf Ebene der Organisation (Umsatz, Marktposition etc.)

Karrieremaße (Position / Alter)

Gehalt

Aufträge / Nachfrage

Qualitätsmaße (z.B. Fehlerzahl)

Physische und psychische Gesundheit

Fluktuation

Fehlzeiten

Arbeitszufriedenheit

Kompetenzentwicklung

Die Eignungsdiagnostik/Personalauswahl umfasst 4 Schritte: 1) Anforderungsanalyse;

2) Bewerberansprache; 3) Auswahlverfahren; 4) Eignungsdiagnostische Entscheidung

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55

7.2. Anforderungsanalyse und Bewerberansprache

7.2.1. Anforderungsanalyse

Das Ziel einer Anforderungsanalyse ist die Identifikation von Prädiktoren (bzw.

Eignungsvoraussetzungen) für eine erfolgreiche Tätigkeit in einem bestimmten Beruf.

Drei Arten von Anforderungen bzw. Prädiktoren lassen sich dabei unterscheiden:

1. Tätigkeitsspezifische Anforderungen: beziehen sich auf Fähigkeiten,

Fertigkeiten und Kenntnisse der Person

2. Tätigkeitsübergreifende Anforderungen: beziehen sich auf generell

erfolgsrelevante Eigenschaften (z.B. soziale Kompetenz, Selbstvertrauen)

sowie das Entwicklungspotenzial (z.B. Lernfähigkeit) einer Person

3. Befriedigungspotenzial einer Tätigkeit: hängt von den Interessen,

Bedürfnissen, Motiven und Werthaltungen der Person ab

Diesen Faktoren entsprechen die 3 bereits erwähnten Formen von Passung: die

qualifikatorische-, die potenzialbezogene und die bedürfnisbezogene Passung!

Es lassen sich 3 Ansätze bzw. Methoden der Anforderungsanalyse unterscheiden:

1) Erfahrungsgeleitet-intuitive Methode: Experten (z.B. im Arbeitsamt oder in der

Chefetage eines Unternehmens) beurteilen auf der Basis ihrer Erfahrung die

Passung zwischen den Anforderungen der Stelle und den Merkmalen der Person.

Eine systematische, geschweige denn empirische Analyse der Anforderungen oder

Personenmerkmale findet dabei nicht statt.

Beispiel: Die „Methode der kritischen Ereignisse“ dient dazu, durch die

Befragung von „Experten“ (=Stelleninhabern, Vorgesetzten, Kunden etc.) ein

Anforderungsprofil zu erstellen; die Experten werden zu diesem Zweck

gebeten, ausgehend von ihren eigenen Erfahrungen besonders effektive und

ineffektive Arbeitsweisen zu beschreiben; dabei sollen sie neben dem

Verhalten selbst auch dessen Hintergrundbedingungen und Konsequenzen

beschreiben.

2) Personenbezogen-empirische Methode: Es werden Korrelationen zwischen

Personenmerkmalen (Traits, Interessen etc.) und bestimmten Kriterien für

beruflichen Erfolg (z.B. Beurteilungen von Vorgesetzten) berechnet und

ausgehend davon aussagekräftige Prädiktoren für beruflichen Erfolg ausgewählt.

3) Arbeitsplatzanalytisch-empirische Methode: Im ersten Schritt werden mit Hilfe

einer systematischen und standardisierten Arbeitsanalyse (s.o.) die spezifischen

Eigenschaften einer Tätigkeit ermittelt (Quellen: Stelleninhaber, Vorgesetzte oder

externe Experten). Im zweiten Schritt werden die so ermittelten

Tätigkeitseigenschaften durch Experten in Personenmerkmale „übersetzt“.

Die systematische Arbeitsanalyse kann z.B. anhand des Fragebogens zur

Arbeitsanalyse (FAA) erfolgen; dieser umfasst 221 Items und erhebt

Informationen zu 4 Bereichen:

a) Informationsaufnahme und –verarbeitung (z.B. die verschiedenen

Formen des Gedächtnisses usw.)

b) Arbeitsausführung (z.B. Grad und Art der körperlichen Belastung;

Anforderungen an die Psychomotorik usw.)

c) Arbeitsrelevante Beziehungen

d) Umgebungseinflüsse und besondere Arbeitsbedingungen

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7.2.2. Bewerberansprache

Offene Stellen können entweder intern oder extern besetzt werden und auch die

Ansprache von Bewerbern kann intern oder extern erfolgen.

Interne Bewerberansprache:

Ausschreibungen am „schwarzen Brett“ oder im Intranet

Hauszeitungen/Rundschreiben

Direkte Ansprache von infrage kommenden Mitarbeitern

Führungskräfte vertraulich nach interessanten und interessierten Kandidaten

fragen

Mitarbeiter nach Freunden, Bekannten oder ehemaligen Kollegen fragen

Teilzeitbeschäftigten eine Vertragsaufstockung anbieten

Übernahme von Zeitarbeitnehmern oder Azubis

Externe Bewerberansprache:

Stellenanzeigen

Direktansprache („Head Hunting“)

Personalmarketing an Schulen und Hochschulen (z.B.

Firmenkontaktgespräche, Unternehmenspräsentationen, Referenten, Praktika

und Ferienjobs, Diplomarbeiten, AC-Trainings, Kooperation mit studentischen

Vereinen, Kontakte zu Dozenten etc.)

Broschüren und Imageanzeigen

Internet: Rekrutierungsportale und Unternehmenshomepage

7.3. Auswahlverfahren

7.3.1. Gütekriterien von Auswahlverfahren

Gütekriterien, auf die bei der Auswahl von Auswahlverfahren geachtet werden muss:

1) Objektivität

Durchführungsobjektivität

Auswertungsobjektivität

Interpretationsobjektivität

2) Reliabilität

Paralleltestreliabilität

Retest-Reliabilität

Split-Half-Reliabilität

Interne Konsistenz (Interkorrelation der Items einer Skala)

3) Validität

Inhaltsvalidität: Wie gut wird der interessierende Gegenstandsbereich (z.B.

Intelligenz) durch den Test erfasst? Erfolgt durch Expertenrating (Maß ist die

Übereistimmung der Experten)

Konstruktvalidität: Misst der Test tatsächlich das Konstrukt, das er messen

soll?

Kriteriumsvalidität: Korrelation der Messergebnisse mit einem Außenkriterium

(z.B. beruflichem Erfolg)

4) Akzeptanz (soziale Validität)

5) Ökonomischer Nutzen (Kosten-Nutzen-Relation): Verhältnis von Aufwand und

Nutzen

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Prädiktive Validität von Auswahlverfahren (Korrelation mit Vorgesetztenurteil):

Validität einzelner Prädiktoren (nach der Größe geordnet):

Arbeitsproben: r = .54 (an erster Stelle)

Allgemeine kognitive Fähigkeitstests: r = .51

Strukturiertes Einstellungsgespräch: r = .51

Fachkenntnistest: r = .48

Probezeit: r = .44

Integritätstests: r = .41

Unstrukturiertes Einstellungsgespräch: r = .38

Assessment Center: r = .37

Biographische Daten: r = .35

Gewissenhaftigkeitstests: r = .31

Interessen: r = .10

Graphologie: r = .02 (an letzter Stelle)

Die multiple Korrelation:

Allg. kognitive Fähigkeitstests + Integritätstests: r = .65 (am höchsten)

Allg. kognitive Fähigkeitstests + Arbeitsproben: r = .63

Allg. kognitive Fähigkeitstests + Strukt. EinGesp.: r = .63

Allg. kogn. Fähigkeitstests + Gewissenhaftigkeit: r = .60

Allg. kogn. Fähigkeitstests + Graphologie: r = .51 (kein Zuwachs!)

7.3.2. Eigenschaftsorientiertes Verfahren

Kognitive Fähigkeitstests:

Intelligenztests: z.B. der Intelligenz-Struktur-Test (IST) oder das Leistungs-Prüf-

System (LPS)

Definitionen von Intelligenz:

- Binet: „Gut urteilen, gut verstehen, gut denken“ sind die wesentlichen

Bestandteile von Intelligenz

- Schuler & Höft: Intelligenz als die Qualität und Geschwindigkeit der

Lösung neuartiger Aufgaben

- Boring: „Intelligenz ist das, was Intelligenztests messen.“

Metaanalyse zum Zusammenhang zwischen IQ und Berufserfolg:

- Zusammenhang zur Arbeitsleistung (r = .33) höher als der zum

Einkommen (r = .25)

Konzentrationstests: z.B. der Aufmerksamkeits-Belastungs-Test (d2-Test)

Wissens- und Verständnistests: z.B. der Mechanisch-technische Verständnistest

(WTVT) oder der differentielle Wissenstest (DWT)

Persönlichkeitstests: z.B. der NEO-FFI (Fünf-Faktoren-Inventar):

Neurotizismus (hoch: gespannt, ängstlich, nervös, launisch, empfindlich, instabil

vs. niedrig: stabil, ruhig, zufrieden)

Neurotizismus korreliert negativ mit der Arbeitsleistung (r = -.15); besonders

mit Teamarbeit ( r = -.22) und Berufszufriedenheit (r = -.29)

Extraversion (hoch: gesprächig, bestimmt, aktiv, energisch, offen vs. niedrig: still,

scheu, reserviert, zurückgezogen)

Extraversion korreliert positiv mit der Arbeitsleistung (r = .15); besonders mit

der Ausbildungsleistung (r = .28)

Am besten ist Extraversion bei Personen, die im Management arbeiten

(r = .21); bei Spezialisten ist Extraversion dagegen negativ mit Berufserfolg

korreliert (r = -.11)

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Offenheit (hoch: breit interessiert, einfallsreich, originell, wissbegierig,

intellektuell, künstlerisch, geistreich vs. niedrig: einseitig interessiert, gewöhnlich,

einfach, unintelligent)

Offenheit korreliert schwach positiv mit beruflichem Erfolg (r = .07), dafür

aber hoch positiv mit der Ausbildungsleistung (r = .33)

Verträglichkeit (hoch: mitfühlend, nett, herzlich, großzügig, kooperativ usw. vs.

niedrig: kalt, unfreundlich, streitsüchtig undankbar etc.)

Verträglichkeit korreliert positiv mit beruflichem Erfolg (r = .11), v.a. mit

Teamarbeit (r = .34)

Gewissenhaftigkeit (hoch: organisiert, sorgfältig, verantwortlich, zuverlässig,

effektiv, genau usw. vs. niedrig: unordentlich, unzuverlässig, vergesslich etc.)

Gewissenhaftigkeit korreliert am stärksten mit beruflichem Erfolg (r = .24),

v.a. mit der Beurteilung durch Vorgesetzte (r = .31) – und zwar für alle

Berufsgruppen!

Integritätstests: z.B. das „Inventar Berufsbezogener Einstellungen und Selbst-

einschätzungen“ (IBES)

Das „Inventar berufsbezogener Einstellungen und Selbsteinschätzungen“ besteht

aus zwei Teilen: einem einstellungsorientierten- und einem

eigenschaftsorientiertem Teil. Sie umfassen folgende Skalen:

Einstellungsorientierter Teil:

a) Skala: Misstrauen (z.B.: „Wenn man Kollegen bei der Arbeit unterstützt,

wird man meistens nur ausgenutzt.“)

b) Skala: Ansichten über die Verbreitung normverletzenden Verhaltens (z.B.:

„So ziemlich jeder hat schon mal einen kleinen Diebstahl oder Betrug

begangen, wenn die Gelegenheit günstig war.“)

c) Skala: Rationalisierungen abweichenden Verhaltens

d) Skala: Verhaltensabsichten / Phantasien über abweichendes Verhalten

Eigenschaftsorientierter Teil:

a) Skala: Gelassenheit

b) Skala: Zuverlässigkeit

c) Skala: Suche nach Stimulation („sensation seeking“)

d) Skala: Manipulation / Berechnung

e) Skala: Konfliktvermeidung

Integrität korreliert negativ mit kontraproduktivem Verhalten (bis zu -.39),

zugegebenem Diebstahl (-.42), Arbeitsunfällen (-.52) und Sachschäden (-.69) und

hoch positiv mit der anhand von Vorgesetztenratings gemessenen Arbeitsleistung

(r = .41)

Ebenfalls recht hohe Korrelationen finden sich zu emotionaler Stabilität,

Gewissenhaftigkeit und Verträglichkeit!

7.3.3. Simulationsorientierte Verfahren

Arbeitsproben: gehören zu den besten Auswahlverfahren im Bereich der

Personaldiagnostik; ihre prognostische Validität liegt bei r = .54

Gruppendiskussionen (ggf. mit Rollenvergabe); andere Gruppenaufgaben

(kompetitiver und/oder kooperativer Art); dyadische Rollenspiele (z.B. Simulation

eines Kundengesprächs); Vorträge und Präsentationen (s.u.); Wirtschaftsübungen

(Postkorbübungen, Fallstudien); motorische Arbeitsproben; Selbstvorstellungen

etc.

In einer Postkorbübung erhalten die Bewerber eine Auswahl an Briefen, Emails,

Telefonnotizen etc. Ihre Aufgabe ist es, dieses Material unter Zuhilfenahme eines

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Organigramms und anhand eines fiktiven Terminkalenders zu organisieren und zu

bearbeiten. Dabei kommt es darauf an,…

die Dringlichkeit von Problemen einzuschätzen

Prioritäten zu setzen

Terminüberschneidungen zu erkennen

Zusammenhänge zwischen Sachverhalten zu erkennen

die Delegierbarkeit von Aufgaben zu beurteilen

unter Zeitdruck und bei unvollständigem Informationsstand Entscheidungen zu

treffen

Analyse und Entscheidung zu integrieren

Probezeit: prognostische Validität liegt bei r = .44!

Assessment-Center-Verfahren: bestehen aus einer Kombination verschiedener

verhaltensorientierter Simulationsübungen (Arbeitsproben), wobei letztere z.T. durch

Tests und Interviews ergänzt werden. Die prädiktive Validität solcher Verfahren liegt

bei r = .37 (was zufriedenstellend ist); die Konstruktvalidität und Reliabilität fallen

dagegen eher gering aus.

Haupteinsatzgebiet: Auswahl und Entwicklung von Führungskräften

Ablauf:

Gruppe von ca. 10 Teilnehmern

Dauer: 1 – 5 Tage

Schwerpunkte: Realitätsbezug und Sozialverhalten

Die Beurteiler (=Assessoren) sind Führungskräfte

Am Ende: verhaltensbezogene Rückmeldung

Bewertung: relativ teuer, aber hohe Akzeptanz (= soziale Validität)

Beispiel: Überprüfung der Dimension „Systematisches Denken und Handeln“

Konkretisierung der Dimension: Bewerber erkennt Zusammenhänge zwischen

mehreren Sachverhalten; geht strukturiert vor; berücksichtigt alle vorhandenen

Infos; hält Zeiten ein; setzt Prioritäten, schiebt Entscheidungen nicht auf

andere ab; bedenkt die Konsequenzen seiner Entscheidungen/schätzt Risiken

ab

Erfassung der Dimension anhand von 5 Übungen:

a) Kurpräsentation: Kandidat spricht nach kurzer Vorbereitungszeit (30

Min) 3 Min über ein vorgegebenes Thema

b) Simulation einer Unternehmenskonferenz: Gruppenübung zu einer

komplexen Planungsaufgabe

c) Präsentation: Längere Vorbereitungszeit (1-3 h) und Redezeit (ca. 10

Min)

d) Postkorbübung (s.o.): Bearbeitung mehrerer Schriftstücke, die sich in

Dringlichkeit, Komplexität und Bedeutsamkeit unterscheiden.

e) Fallstudie: Erarbeitung und Begründung von Lösungsvorschlägen für ein

konkretes Problem (z.B. Konflikt zwischen Mitarbeitern)

Sekundärfunktionen des AC:

Assessoren (=Führungskräfte) erhalten einen Überblick über die Qualifikation

des Nachwuchses

Beobachtungsgabe der Assessoren (=Führungskräfte) wird geschult, was ihnen

auch im Alltag zugutekommt.

Assessment-Center unterstreichen die Bedeutung von Personalauswahl und

–entwicklung in einem Unternehmen

AC liefern Anhaltspunkte in Bezug auf Defizite im Unternehmen

AC fördern die Entwicklung eines Konsenses bezüglich der Anforderungen

und Leistungskriterien einer bestimmten Position

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7.3.4. Biographieorientierte Verfahren

Bewerbungsunterlagen: enthalten Lebenslauf, Motivationsschreiben, Zeugnisse,

Referenzen, Bescheinigungen etc.

Ihre Beurteilung erfolgt anhand folgender Kriterien, wobei deren Gewichtung

durch die Praktiker oft intuitiv, widersprüchlich und wenig transparent ist:

Formale Aspekte (Vollständigkeit, Übersichtlichkeit etc.)

Übereinstimmung von Lebenslauf und Belegen

Stil der Ansprache und Selbstdarstellung

Bewerbungsmotive

Schul- und Studienleistungen

Berufliche Qualifikation

Bisherige Tätigkeiten / erreichte Position

Plausibilität früherer Stellenwechsel

Ergänzende, anforderungsspezifische Aspekte (z.B. Mobilität,

Berufserfahrung…)

Arbeitszeugnisse

…müssen folgende Anforderungen erfüllen:

- Schriftlichkeit

- Zeugniswahrheit

- Vollständigkeit (Tätigkeitsbeschreibung, Leistungsbeurteilung, Sozial-

verhalten, Persönlichkeitsmerkmale)

- Wohlwollen

- Individualität (keine Schablone)

Probleme:

- Zeugniscodes sollten nicht verwendet werden, sind aber trotzdem die Regel

- Unsicherheit beim Verfassen und bei der Interpretation

- Mildetendenzen (z.B. exzessiver Gebrauch von Superlativen)

Referenzen weisen erhebliche methodische Probleme auf (Mildetendenzen; oft

selbst verfasst usw.); die prognostische Validität aktiv eingeholter Referenzen ist

dementsprechend relativ gering (r = .26)

Biographische Fragebögen: sind standardisierte Fragebögen zur retrospektiven

Erhebung biographischer Merkmale, die sich für den Erfolg in einem bestimmten

Beruf/einer bestimmten Position als relevant bzw. vorhersagekräftig erwiesen haben.

Da für unterschiedliche Berufe unterschiedliche Merkmale relevant sind, sind

biographische Fragebögen kaum verallgemeinerbar, sondern sollten

berufsspezifisch sein.

Bei empirisch fundierten Fragebögen werden die einzelnen Items entsprechend

ihrer prognostischen Validität gewichtet!

Einstellungsinterviews: sind in der Praxis sehr weit verbreitet, obwohl sie, zumindest

in ihrer traditionellen Form, nur eine geringe prognostische Validität besitzen (r liegt

zwischen .05 und .38)!

Gründe für die mangelnde Validität:

Durchführung und Interpretation stark intuitiv und wenig transparent!

Mangelnder Anforderungsbezug der Fragen

Beanspruchung des Interviewers durch die Gesprächsführung

Unzureichende Dokumentation und Verarbeitung der aufgenommenen Infos

Urteilsfehler (Primacy-/Recency-Effekt, Halo-Effekt; Überbewertung

negativer Infos etc.) und subjektive Verzerrungen (emotionale Einflüsse usw.)

führen zu einer geringen Beurteiler-Übereinstimmung

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Verbesserungsmöglichkeiten:

Anforderungsbezogene Gestaltung

Strukturierte bzw. (teil-)standardisierte Durchführung

Verwendung verschiedener Fragetypen

Verwendung geprüfter und (verhaltens-)verankerter Skalen

Trennung von Informationssammlung und Entscheidung

Gewichtungs- und Entscheidungsprozedur nach psychometrischen Prinzipien

Evtl. zwei Interviewer

Verfahrensspezifisches Training der bzw. des Interviewers

Das multimodale Interview ist ein teilstandardisiertes Interviewverfahren, das in

8 Teile untergliedert ist und dem Interviewer eindeutige Kriterien für die

Bewertung der Antworten an die Hand gibt:

1. Gesprächsbeginn: kurzes, informelles „Warm-up“; Skizzierung des

Verfahrensablaufs

2. Selbstvorstellung des Bewerbers: Bewerber stellt seinen persönlichen und

beruflichen Hintergrund dar

3. Freie Fragen: Interviewer stellt offene, ihn interessierende Fragen, um einen

summarischen Eindruck zu gewinnen.

4. Berufswahl und Handlungswissen: Interviewer stellt offene Fragen zur

Berufswahl und dem Handlungswissen des Kandidaten um einen

summarischen Eindruck zu gewinnen.

5. Biographiebezogene Fragen: Interviewer stellt vorgegebene Fragen zur

Biographie des Kandidaten und bewertet dessen Antworten anhand einer

verhaltensverankerten Skala (1-, 3 und 5 Punkte)

- Beispiel: „In welchem Fall haben sie einen Kollegen oder eine Kollegin

unterstützt, ein Problem zu lösen?“

6. Realistische Tätigkeitsinformation: Interviewer informiert den Kandidaten

über den Arbeitsplatz und das Unternehmen

7. Situative Fragen: Interviewer befragt den Kandidaten dazu, wie er sich in

bestimmten Situationen verhalten würde und bewertet die Antworten anhand

einer verhaltensverankerten Skala (1-, 3- und 5 Punkte)

- Beispiel: „Sie müssen einen Mitarbeiter, dessen Leistung stark

nachgelassen hat, über eine Gehaltskürzung informieren. Wie gehen sie

vor?“

8. Gesprächsabschluss: Fragen des Bewerbers, Zusammenfassung, weitere

Vereinbarungen

Am wichtigsten!

Page 62: Abo

62

7.3.5. E-Assessment

Vorteile:

Ökonomisch: Zeitersparnis, geringere Reise-, Raum- und Personalkosten; globale

Präsenz => höhere Bewerberzahlen

Flexibel: Möglichkeit adaptiven Testens; Einfügung von Multimedia-Elementen;

Unabhängigkeit der Teilnahme von Ort und Zeit

Standardisierung: computergestützte Auswertung, keine subjektiven

Verzerrungen

Zusätzliche Infos: Dokumentation von Korrekturen und Abläufen wie z.B.

Response-Zeiten usw.

Hohe Akzeptanz: zumindest bei jüngeren Teilnehmern Imagevorteil durch

modernes Medium

Nachteile:

Mangelnde Durchführungskontrolle: Unterstützung der Kandidaten durch andere

kann nicht ausgeschlossen werden; Störungen durch technische Probleme,

Tageszeit etc.

Hard- und Softwareprobleme

Schutz von Testverfahren: Mögliche „Lösungen“ im Internet

Übungseffekte: unterschiedliche Ausgangsbedingungen für Bewerber mit

unterschiedlicher Computererfahrung

Datenschutz

Page 63: Abo

63

8.1. Allgemeines

8.1.1. Begriffsklärung

Definition: Unter Personalentwicklung sind alle geplanten(!) Maßnahmen zur

Wiederherstellung, Erhaltung oder Erweiterung der individuellen(!) beruflichen

Handlungskompetenz!

Dazu zählen Maßnahmen, die auf die Vermittlung von Wissen, Fertigkeiten und

Einstellungen zielen ebenso wie Maßnahmen, die der Persönlichkeits- oder

Gesundheitsförderung dienen.

Veranlasser und Nutznießer von Personalentwicklungsmaßnahmen ist immer die

Organisation!

Begriffsabgrenzungen:

Personalentwicklungsmaßnahmen sind Trainingsmaßnahmen; da Veranlasser und

Nutznießer von Trainings variieren können, ist das Trainingskonzept jedoch

umfassender als das der Personalentwicklung,

Nutznießer

Veranlasser

* Out-Placement-Maßnahmen: sind Bewerbungstrainings für

Mitarbeiter, die entlassen werden sollen (s.o.)!

Sofern nur geplante Maßnahmen zur Personalentwicklung gezählt werden, ist der

Begriff von dem der „Sozialisation“ zu unterscheiden.

Sofern die Maßnahmen der Personalentwicklung sich auf die individuelle

Handlungskompetenz der Mitarbeiter beziehen, ist der Begriff von der

„Organisationsentwicklung“ zu unterscheiden.

Themen der PE: Am häufigsten beziehen sich PE-Maßnahmen auf EDV-Kenntnisse

im kaufmännischen Bereich (63%); ebenfalls weit verbreitet sind Verkaufstrainings

(52%); kaufmännisch-betriebswirtschaftliche Themen (48%) und technische/

betriebliche Anwendungen (48%)

Grundlagen der Personalentwicklung:

Lerntheorien (operantes Konditionieren, Modelllernen, Feedback etc.)

Persönlichkeitspsychologie und Diagnostik: Erfassung des Entwicklungsstandes

und des –potenzials; Einfluss von Intelligenz und Persönlichkeitseigenschaften auf

den Lernerfolg etc.

Pädagogische Psychologie (Didaktik, Lehrmethoden etc.)

Bedeutsamkeit der Personalentwicklung:

Jährliche Ausgaben deutscher Unternehmen für Personalentwicklung: ca. 25

Milliarden Euro!

51% der ABO-Psychologen arbeiten im Bereich Weiterbildung und Training; 30%

in der Personalentwicklung!

Organisation Andere

Organisation Personalentwicklung Out-Placement-

Maßnahme

Andere Berufliche

Rehabilitation

(Veranlasser:

Berufsgenossenschaft)

z.B. Trainigs für

Arbeitslose

(Veranlasser: Arbeits-

amt)

8. Personalentwicklung

Page 64: Abo

64

8.1.2. Prozessmodell der Personalentwicklung

Die Planung, Entwicklung und Durchführung von PE-Maßnahmen erfolgt in 7

Schritten:

Die Bedarfsanalyse: ist nichts anderes als ein Soll-Ist-Vergleich. Erfassung des Soll-Zustandes: Organisationsanalyse:

- Bestimmung aktueller und zukünftiger organisatorischer Ziele

- Aufstellen von Effizienzkriterien (Quantität, Qualität, Sicherheit,

Energiekosten, Absentismus etc.)

- Ziele der Mitarbeiter

Aufgabenanalyse: - Aufgaben- und Anforderungsanalyse

Erfassung des Ist-Zustandes: Personenanalyse:

- Verfahren der Eignungsdiagnostik (Arbeitsproben, ACs, Tests)

- Leistungs- und Potenzialbeurteilung durch Vorgesetzte

- Selbst- und Kollegeneinschätzung beruflicher Kompetenzen Soll-Ist-Vergleich

Ziele der Personalentwicklung:

1) Wissensvermittlung (Fakten, Prozesse, Regeln)

2) Verhaltensmodifikation (Vermittlung von Fertigkeiten)

3) Motivation, Interessen, Einstellungen

4) Persönlichkeitsentwicklung (Sozialkompetenz, Selbstvertrauen usw.)

5) Stressprävention und Gesundheitsförderung

Mögliche Vermittlungsformen: Traditionelle Unterrichtsformen (Vortrag, Gruppenarbeit etc.) Selbststudium (Bücher, DVDs etc.) Erlebnispädagogik Computergestütztes Training On-the-job

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Wichtige Verfahren der Personalentwicklung: Persönlichkeits- und erlebnisorientierte Verfahren

Z.B.: Persönlichkeitstrainings, Sensitivitätstrainings, gruppendynamische

Ansätze

Verhaltensorientierte Maßnahmen

Z.B.: Verhaltensmodellierung, simulationsorientierte Verfahren, Fallstudien,

Planspiele, Rollenspiele etc.

Kommunikationszentrierte Verfahren

Z.B.: Stärkung der Präsentations-, Moderations-, Unterweisungs-,

Gesprächsführungs- oder Inspirationskompetenz

Selbstmanagementorientierte Verfahren

Zuweisung von entwicklungsförderlichen Aufgaben

Coaching und Mentoring

8.2. Verfahren der Personalentwicklung

8.2.1. Persönlichkeits- und erlebnisorientierte Verfahren

Zu den persönlichkeits- und erlebnisorientierten Verfahren gehören Persönlichkeits-

trainings, Sensitivitätstrainings und gruppendynamische Ansätze. Gemeinsam ist

diesen Verfahren, dass es sich dabei um Selbsterfahrungskurse handelt. Ziele: Verbesserte Selbst- und Fremdwahrnehmung, Klärung der eigenen

Vergangenheit, verbessertes Sozial- und Führungsverhalten, Selbstverwirklichung

usw.

Problematisch: Die Methoden haben oft kein hinreichendes theoretisches

Fundament und sind z.T. ethisch bedenklich, da sie bewusst auf eine Manipulation

der Teilnehmer abzielen! Verschleierung: Es werden keine Vorab-Infos über die Inhalte und Ziele der

Maßnahmen gegeben. Weckung von Allmachtsphantasien: Es wird die Botschaft vermittelt, jeder sei

Herr seines Schicksals! Nicht diskutierbare Regeln: Die Regeln werden apodiktisch vorgegeben und

stehen nicht zur Diskussion. Präsentation überraschender, nachträglicher Interpretationen: z.B. wird den

Teilnehmern nach dem Joggen gesagt, je langsamer sie gewesen seien, desto

größer seien ihre Widerstände gegenüber Veränderungen. Isolation: Trainings finden meist an abgeschiedenen und den Teilnehmern

unbekannten Orten statt. Kommunikationsverbot: Teilnehmer dürfen außerhalb der Übungen nicht über das

Seminar sprechen. Intime Beichten: Teilnehmer werden zu intimen Selbstoffenbarungen vor der

Gruppe animiert. Gedankenstopp: Teilnehmer werden angehalten, negative Gedanken zu

unterbinden.

Bewertung: Bei Praktikern und Teilnehmern sehr beliebt! Gruppendynamische Trainings führen in über 80% der Studien zu Veränderungen

des Selbstkonzepts und des Sozialverhaltens; allerdings gehen diese

Veränderungen oft auch in die negative Richtung (Senkung des Selbstwertgefühls,

Unsicherheit etc.) Ob ein Transfer in den Beruf stattfindet, ist ungeklärt!

Page 66: Abo

66

Mitarbeiter werden weniger zwecks Förderung zu solchen Psychotrainings entsandt,

sondern vielmehr als Belohnung! Hinzu kommt, dass das Unternehmen dem betroffenen Mitarbeiter damit

unterschwellig vermittelt, dass er sich Autoritäten (den Seminarleitern) zu fügen

hat!

8.2.2. Verhaltensorientierte Methoden

Verhaltensorientierte Verfahren dienen dazu, konkrete Verhaltensweisen einzuüben;

z.B. einen guten Umgang mit Beschwerden von Mitarbeitern oder effektive

Kundengespräche.

Verhaltensmodellierung („Behaviour Modeling“): dient dazu, Verhaltensweisen

anhand von Modellen einzuüben (=Modelllernen). Verhaltensmodellierende Maßnahmen sind dann besonders effektiv, wenn

folgende Bedingungen erfüllt sind: Nutzung eines vertrauenswürdigen, positiven Verhaltensmodells Verwendung positiver und negativer Modelle zwecks Kontrastierung Training findet vor Publikum statt – aber: Zahl der Beobachter ≤ 2 Aufzeichnung des Übungsverhaltens – und Rückmeldung anhand des

Videoprotokolls Angstfreie Übungsatmosphäre (z.B. durch Entspannungsübungen) Verstärkung durch Lob Komplexes Verhalten nicht in Gesamtheit, sondern in Schritten einüben Selbstwirksamkeitserwartung der Anwendung in der Praxis wecken Gruppengespräch, wie Verhalten in der Praxis umgesetzt werden kann Verstärkung des neuen Verhaltens auch im beruflichen Alltag

Die Vier-Stufen-Methode ist der Methode der Verhaltensmodellierung sehr

ähnlich; sie wird angewendet, wenn es um das Anlernen manueller, relativ

gleichbleibender Tätigkeiten geht: 1. Vorbereitung der lernenden Person durch den Trainer (Einführung, Ziele

nennen, Motivieren, Vorkenntnisse ermitteln) 2. Beschreibung und Vorführung des Verhaltens durch die unterweisende Person 3. Ausführung durch die lernende Person (nachmachen – und evtl. erläutern

lassen) 4. Abschluss (bis zur Selbständigkeit üben lassen; Lernerfolg bestätigen,

Rückzug des Unterweisenden)

Simulationsorientierte Verfahren (Rollenspiele, Planspiele und Fallstudien)

zeichnen sich durch eine hohe Praxis- und Realitätsnähe aus. Rollenspiele: Merkmale: - simulationsorientiertes Verfahren

- Mind. 2 Personen übernehmen best. Rollen (z.B. Kunde und

Verkäufer)

- Teilstrukturierte Aufgabe: Vorgabe einer bestimmten

Situation; danach: Eigendynamik

- Feedback anhand von Videoaufzeichnung und aufgrund

vorher festgelegter Kriterien

- Sozialer Vergleich und Als-ob-Situation motivieren Lerneffekte: - Übernahme fremder Rollen erhöht Fähigkeit zur Perspektiv-

übernahme

- Schon allein die Beobachtung des eigenen Verhaltens auf

Video kann zu einer Änderung des Verhaltens führen

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67

- Konstruktives, videogestütztes Feedback stützt Änderung

alter Verhaltensweisen und stabilisiert neue!

- Durch Beobachtung der anderen Teilnehmer wird das eigene

Verhaltensrepertoire erweitert Planspiele: sind (meist computergestützte) Simulationen von Märkten,

Unternehmen etc.; die Befunde zur Wirksamkeit sind gemischt.

Probleme:

- Ungeeignet für Neulinge, da hohes Maß an Vorwissen vorausgesetzt wird.

- Konsequenzen von Verhaltensweisen und Entscheidungen sind z.T. nicht

überblickbar

Anwendung: Durch mehrmaliges „spielen“ von Planspielen mit Rückmeldung

kann vorhandenes Wissen stabilisiert und dessen Anwendung trainiert werden!

Fallstudien: Teilnehmer erhalten die detaillierte Beschreibung eines realen

Beratungsfalles einer Organisation; ihre Aufgabe ist es, zunächst für sich alleine

die Krisenursache zu klären und Lösungsvorschläge zu entwickeln. Im zweiten

Schritt wird in Kleingruppen diskutiert – im letzten Schritt die Ergebnisse der

Kleingruppen zusammengeführt und in der Gesamtgruppe unter Leitung eines

Experten diskutiert.

Lernziele: Problemanalyse und Entscheidungsfindung

Wege:

- Aktivierung des eigenen Vorwissens

- Kennenlernen der Vorgehensweise der anderen Teilnehmer

- Diskussion der Analyse- und Lösungsvorschläge

- Rückmeldung durch Experten

Zusammenfassende Wirksamkeitsstudien stehen noch aus.

Kritik: Fehlende Realitätsnähe (normalerweise viel größerer Zeitdruck);

Förderung konventioneller (statt innovativer) Lösungen

8.2.3. Kommunikationszentrierte Maßnahmen

Präsentationstraining: Wissensvermittlung in Bezug auf die Vorbereitung, den rhetorischen Aufbau, den

Einsatz von Humor und die Rahmung einer Präsentation Kennenlernen und Einübung verschiedener Visualisierungsformen (Folien,

Flipchart, Pinnwand usw.) Optimierung des persönlichen Auftretens in Bezug auf Aussprache, Gestik,

Mimik, Körperhaltung, Blickkontakt, Stimmmodulation, Vermeidung von

Füllseln, Einsatz von Pausen etc. Einübung der Bewältigung schwieriger Situationen (z.B. Lampenfieber, kritische

Fragen, Störungen etc.)

Moderationstraining (z.B. erfolgreiche Moderation eines Arbeitsgruppentreffens): Infos zur Rolle eines Moderators (Allparteilichkeit, effiziente Gesprächsführung

etc.) Vermittlung von Gruppenarbeitsmethoden zum Sammeln, Bewerten und

Auswählen von Problemen und Lösungsvorschlägen sowie Einübung der

Methoden in Rollenspielen Sensibilisierung für gruppendynamische Prozesse (Teamentwicklung,

Rollenbildung, Gruppenklima etc.) Einübung der Bewältigung schwieriger Situationen (Konflikte zwischen

Gruppenteilnehmern, dominierendes Verhalten Einzelner etc.)

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Stärkung der Unterweisungskompetenz: Unterweisungen (z.B. wenn der Meister dem Lehrling was erklärt) folgen meist

der 4-Stufen-Methode (s.o.) Semmer et al. nennen 10 Merkmale, die eine gute Unterweisung ausmachen:

1. Anknüpfung am Vorwissen des Lernenden 2. Explizite Erklärung neuer Konzepte, Begriffe und Regeln 3. Verdeutlichung der neuen Konzepte an Beispielen 4. Klar erkennbare Gliederung (roter Faden) 5. Verwendung von Modellen, Werkstücken, Abbildungen und Skizzen, um das

Lernmaterial auf möglichst vielfältige Weise zu kodieren (bildhaft, akustisch,

haptisch etc.) 6. Wiederholungen und Zusammenfassungen 7. Einsatz von Aufgaben zum Ausprobieren und Üben 8. Feedback bezüglich des Lernfortschritts 9. Hinweise auf Fehler und Möglichkeiten ihrer Vermeidung 10. Erläuterung von Fehlerbewältigungsstrategien

Stärkung der Inspirationskompetenz (Kommunikation und Vermittlung von

Visionen, charismatische Führung): Visionen beziehen sich auf organisationale Veränderungsprozesse; um die

Mitarbeiter für sie zu begeistern, sollte auf Folgendes geachtet werden: Erzeugen eines positiven und anschaulichen Bildes des zukünftigen Zustandes. Um die Identifikation mit der Vision zu erleichtern, sollte dieses Bild jedoch

zugleich in der Schwebe bleiben (Verwendung von Metaphern!); hinzu

kommt, dass die Vision den Wertvorstellungen der Mitarbeiter entsprechen

sollte. Ziel ist es, einen Aha-Effekt bei den Mitarbeitern hervorzurufen, ein Wir-

Gefühl zu beschwören und Wirksamkeitserwartungen zu stärken. Körpersprachliche Unterstützung des Vortrags etc.

8.2.4. Selbstmanagementorientierte Maßnahmen

Unter Selbstmanagement versteht man die zielgerichtete Beeinflussung des eigenen

Verhaltens. Durch Selbstmanagementtrainings sollen Personen dazu befähigt werden,

für sich zielführende Handlungsweisen zu identifizieren sowie deren Ausführung zu

üben und zu festigen. Beispiele: Verminderung der persönlichen Fehlzeiten, Steigerung der eigenen

Verkaufszahlen, Verbesserung des Zeitmanagements etc. Theoretische Basis: Sozialkognitive Lerntheorie (von Bandura);

Zielsetzungstheorie (von Locke und Latham)

Ablauf selbstmanagementorientierter Maßnahmen: 1) Änderungsmotivation aufbauen 2) Selbstbeobachtung Identifikation von problematischen Verhaltensweisen sowie deren

Ausgangsbedingungen und Konsequenzen (z.B. anhand von

Selbstbeobachtungstagebüchern) 3) Zielsetzung Festlegung kurz-, mittel- und langfristiger Ziele, die möglichst spezifisch,

verhaltensbezogen und realistisch sein sollten 4) Selbstverstärkung und Stimuluskontrolle Vermeidung riskanter Situationen, Selbstbelohnung zielführenden Verhaltens

etc.

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5) Selbstverträge in Anwesenheit Dritter In Selbstverträgen werden die Ziele sowie die Konsequenzen bei deren

Erreichung und Verfehlung festgelegt; sie dienen der Verfestigung und der

Transfersicherung des Trainings 6) Rückfallprävention Strategien bei Rückfällen etc.

Beispiel (typische Zeitmanagementprobleme): Aufschieben Zu wenig Planung Unfähigkeit, Nein zu sagen Ablenkungen und Unterbrechungen Zu wenig Delegation Schlechte Ordnung am Arbeitsplatz Zu wenig Pausen Unklare Ziele und Prioritäten Unterschätzung der Aufgabendauer

...

8.2.5. Zuweisung entwicklungsförderlicher Aufgaben

Bei der Zuweisung entwicklungsförderlicher Aufgaben geht es um folgende Ziele: Erwerb impliziten Wissens durch „learning by doing“ („tacit knowledge”) Aufbau und Gestaltung von Arbeitsbeziehungen (Teamwork, delegieren etc.) Aneignung von Werten und Arbeitshaltungen Einsichten über die eigene Person gewinnen (Stärken, Schwächen, Vorlieben etc.)

Entwicklungsförderliche Aufgabenmerkmale sind: Klare Anforderungen und Fristsetzungen Soziale Sichtbarkeit der Ergebnisse Eindeutige Kriterien für Erfolg und Misserfolg Hohe Erwartungen wichtiger anderer Verantwortung Gestaltungsspielraum Organisationaler und gesellschaftlicher Nutzen Anknüpfung an vorhandene Fähigkeiten

Beispiele: Auslandsentsendungen, Übernahme von Personalverantwortung, Aufbau

neuer Geschäftsbereiche etc.

8.2.6. Coaching

Coaching ist ein individuell unterstützender Beratungsprozess; eingesetzt wird das

Verfahren bei einem breiten Spektrum persönlicher und privater Probleme. Coaching-Ziele: Erlernen des Umgangs mit neuen Rollen (z.B. Vorbereitung auf den nahenden

Ruhestand etc.) Vorbereitung auf neue Aufgaben (z.B. bei einer Beförderung) Verbesserung der sozialen Kompetenzen Verbesserung der (Selbst-)Mangementfähigkeiten

Ablauf: Zielgruppe sind in der Regel Führungskräfte Unterschieden werden kann zwischen Individual- und Gruppencoaching (letzteres

wird eher im Rahmen der Organisationsentwicklung angewendet)

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Durchgeführt werden kann ein Coaching von einem organisationsexternen Coach,

einen organisationsinternen Coach oder einen Vorgesetzten. Dauer: i.d.R. 6-9 Monate (10-15 Sitzungen zu je 1,5 bis 2 Stunden) Ablauf: Bestandsaufnahme, Zielvereinbarung; Feedback

Wirksamkeit: Wirksamkeitsstudien zum Coaching weisen vielfach methodische Mängel auf;

insgesamt zeigen sie jedoch, dass sich gecoachte Führungskräfte eher entlastet

fühlen, neue Sichtweisen entwickeln, eine erhöhte Reflexions-, Kommunikations-

und Führungskompetenz aufweisen und effektiver handeln. Der Erfolg eines Coachings hängt u.a. ab von: Der Art der Zielformulierung Der Qualifikation des Coaches Dem Engagement des Coaches Der Authentizität des Coaches Dem angepassten (=situationsgemäßen) Einsatz verschiedener Techniken

(Feedback, Konfrontation, Klärung dysfunktionaler Denkmuster; Pacing,

Rollenspiele, Verhaltenstrainings etc.)

8.2.7. Mentoring

Unter Mentoring versteht man die intensive Austauschbeziehung zwischen einem

Senior (=Mentor) und einem Junior (Protégé; Mentee) in einer Organisation! Auch Peer-Mentoring gibt’s – es ist jedoch selten. Neben natürlich gewachsenen Mentoring-Beziehungen, gibt es mittlerweile in

vielen Unternehmen formale Mentoring-Programme. Weibliche Nachwuchskräfte werden in formalen Mentoring-Programmen

häufiger Kollegen statt Vorgesetzten zugeordnet; bei männlichen

Nachwuchskräften ist es umgekehrt! => Mies!

Kennzeichen einer Mentoring-Beziehung: Funktionen des Mentors: Karrierebezogene Funktion: der Mentor unterstützt den Protégé in seinem

beruflichen Aufstieg. Psychosoziale Funktion: der Mentor hört dem Protégé zu, gibt ihm

Ratschläge, unterstützt ihn bei persönlichen Problemen, zeigt ihm seine

Stärken und Schwächen auf, motiviert ihn usw. Funktion als Rollenmodell: der Mentor dient dem Protégé als Rollenmodell

Funktionen des Protégés: Der Protégé nimmt dem Mentor Aufgaben ab ist ihm gegenüber loyal versorgt ihn mit Infos aus der Organisation

Mentoring vs. Coaching: Mentoring ist langfristiger, weniger direktiv, stärker emotional getönt und

umfassender (es geht nicht nur um Karriere-, sondern um Biographieförderung).

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8.3. Evaluation von Personalentwicklungsmaßnahmen

Mögliche Messzeitpunkte: Vor der Maßnahme: Erwartungen der Teilnehmer, Vorkenntnisse etc. Während der Maßnahme: Einschätzung einzelner Schritte, laufende Messung des

Lernfortschritts, Feedback bei Trainings „on the job“ etc. Direkt nach der Maßnahme: Feedbackrunden, Selbsteinschätzung des Gelernten,

Wissenstests etc. Follow-up (z.B. 3 Monate später): Mitarbeiterbefragung; Leistungsmaße;

Wissenstests; Beförderungen etc.

Die Evaluation von PE-Maßnahmen setzt an verschiedenen Ebenen an (Kirkpatrick);

die Wirkungen auf den einzelnen Ebenen sind dabei relativ unabhängig voneinander;

außer zwischen den Ebenen kann auch auf der zeitlichen Ebene zwischen kurz-,

mittel- und langfristigen Effekten differenziert werden 1) Reaktion: Subjektive Bewertungen Einstellungen und Gefühle zum Training 2) Lernen: Aufnahme, Verarbeitung und Bewältigung der Lerninhalte 3) Verhalten: Umsetzung des Gelernten im Arbeitskontext / Leistung 4) Resultate: Erreichung organisationaler Ziele (Qualität und Quantität der Leistung;

Fehler; Unfälle; Beförderungen; Produktivitätssteigerungen etc.

Analyse von Trainingstransfers:

Evaluationsergebnisse: Die durchschnittliche Effektstärke von Maßnahmen zur Leistungssteigerung liegt

bei d = .44 Am effektivsten sind Trainings (=PE-Maßnahmen): d = .78! Es folgen: Zielsetzung (d = .75); soziotechnische Maßnahmen (d = .62);

finanzielle Anreize (d = .57); Arbeitsgestaltungsmaßnahmen (d = .42);

Feedback; flexible Arbeitszeiten, Supervision und an letzter Stelle

Management by Objectives (d = .12) Auf der Reaktions-, Lern- und Verhaltensebene sind sensumotorisch orientierte

PE-Maßnahmen am effektivsten, gefolgt von kognitiv orientierten Maßnahmen.

Was die Ergebnisse (sprich: die Erreichung organisationaler Ziele) betrifft, sind

interpersonale Maßnahmen am besten. Den größten Einfluss haben PE-Maßnahmen auf das Wissen der Teilnehmer; es

folgen: das Verhalten, Ergebnisse und Einstellungen.

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Zur Evaluation von PE-Maßnahmen gehört auch eine monetäre Nutzenanalyse, die

sich wie folgt berechnet:

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9.1. Allgemeines

9.1.1. Verschiedene Arten der Leistungsbeurteilung

Es lassen sich 3 Formen der Leistungsbeurteilung unterscheiden:

1) Mitarbeiterbeurteilung: Bei der Mitarbeiterbeurteilung wird primär der

Mitarbeiter als Person, und erst in zweiter Linie seine Leistung beurteilt. D.h.: im

Vordergrund stehen seine Qualifikationen, sein Fachwissen, seine berufliche

Erfahrung, seine Motivation etc.

Beurteilungszeitraum: mittelfristig zurückblickend

Beurteilungsmaßstab: sind die globalen Ziele der Organisation bzw. der

Beitrag, den der betreffende Mitarbeiter zu deren Erreichung geleistet hat.

Anwendungsbeispiele: Arbeitszeugnisse, Potenzialbeurteilungen etc.

2) Berufliche Leistungsbeurteilung: Bei der beruflichen Leistungsbeurteilung wird

die Leistung beurteilt, die eine Person im Rahmen ihrer Berufslaufbahn erbracht

hat; die beurteilte Leistung ist somit weder aufgaben- noch

organisationsspezifisch, sondern bezieht sich auf die Gesamtbiographie.

Beurteilungszeitraum: langfristig zurückblickend

Beurteilungsmaßstab: Normen der betreffenden Profession und

Entwicklungsziele der Person

Anwendungsbeispiele: Berufungsverfahren von Profs; Laufbahnforschung

3) Tätigkeitsbezogene Leistungsbeurteilung: bezieht sich auf die Leistung bei der

Erledigung bestimmter Aufgaben bzw. auf die Leistungen, die eine Person in

einem bestimmten Zeitraum in einer bestimmten Organisation erbracht hat.

Beurteilungszeitraum: eher kurzfristig zurückblickend

Beurteilungsmaßstab: sind die Ziele der Organisation bzw. der durch die

Person geleistete Beitrag zu deren Erreichung

Ziel: Optimierung d. Unternehmenserfolgs d. Leistungsanreize und Selektion

Anwendungsbeispiele: Mitarbeitergespräch, Feedbackrunden etc.

Ziele und Funktionen der Leistungsbeurteilung:

Übergeordnete Funktionen:

Interpersoneller Vergleich (Grundlage für personelle Entscheidungen...)

Intrapersoneller Vergleich (Feedback-Funktion, operantes Lernen,

Feststellung individuellen PE-Bedarfs…)

Organisationserhaltung (Personalplanung, Erhaltung der Autoritätsstruktur…)

Dokumentation (Evaluation von PE-Maßnahmen…)

Konkrete Ziele:

Leistungsbeurteilungen bilden die Grundlage für personelle Entscheidungen:

Beförderungen, Versetzungen, Kündigungen etc.

Leistungsbeurteilungen bilden die Grundlage für die Festlegung des Gehalts

Leistungsbeurteilungen ermöglichen die Planung und Gestaltung von

Personalentwicklungsmaßnahmen und können für die Evaluation von

Personalauswahl- und Personalentwicklungsmaßnahmen herangezogen werden

Leistungsbeurteilungen sind Teil der Verhaltenssteuerung und zielen somit

auf eine Leistungsverbesserung (kein passiver Messvorgang, sondern aktive

Führung und Gestaltung!)

Leistungsbeurteilungen dienen der Motivation und Sozialisation (indem sie

u.a. die Anforderungen deutlich machen)

Leistungsbeurteilungen haben eine Signalfunktion, indem sie die Bedeutung

des Leistungsprinzips innerhalb der Organisation betonen

9. Leistungsbeurteilung und Feedback

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74

9.1.2. Tätigkeitsbezogene Leistung

Ergebnisbezogene Definition von Leistung: Tätigkeitsbezogene Arbeitsleistung ist

die Gesamtheit der Ergebnisse des Tätigwerdens einer Person im

Beurteilungszeitraum – bewertet aus Sicht der Organisation. Dabei lassen sich 4 Ergebnisdimensionen unterscheiden:

1. Produktivität: verstanden als die Summe aus Effektivität (Grad der

Zielerreichung) und Effizienz (Verhältnis der erreichten Ziele zum Ausmaß der

dafür eingesetzten Ressourcen) 2. Kundenzufriedenheit: wobei unter Kunden sowohl interne als auch externe

Leistungsempfänger zu verstehen sind 3. Rückzugs- und kontraproduktives Verhalten: dazu zählen Absentismus,

Kündigung, die Schädigung von Organisationsmitgliedern (z.B. durch

Mobbing oder sexuelle Belästigung) und die Schädigung der Organisation

(z.B. durch Diebstahl, Sabotage, Unfälle oder Störfälle) 4. Rechtliche und leumundliche Beanstandungsfreiheit der Organisation:

damit ist das Einhalten von Gesetzen (z.B. Steuer- und Zollgesetzen) und

sozialen Erwartungen (z.B. durch Verzicht auf legale, aber in der

Öffentlichkeit nicht tolerierte Umweltverschmutzung) gemeint. Zuordnungsproblem: Eine Definition, die Leistung an den Arbeitsergebnissen

festmacht, hat das Problem, dass die Ergebnisse nicht nur vom individuellen

Arbeitsverhalten abhängen, sondern auch von organisationsinternen und –externen

situativen und strukturellen Gegebenheiten, die der Arbeitende de facto nicht zu

verantworten hat.

Verhaltensbezogene Definition von Leistung: Tätigkeitsbezogene Arbeitsleistung ist

die Summe der Erwartungswerte des Arbeitsverhaltens eines Beschäftigten in Bezug

auf die von der Organisation gewünschten Konsequenzen im Beurteilungszeitraum! Experten (sprich: Stelleninhaber, Vorgesetzte, Personalfachleute etc.) legen

erfolgskritische Verhaltensweisen fest und schätzen ein, welchen Beitrag sie zur

Erreichung der organisationalen Ziele leisten (positiver Erwartungswert der

Verhaltensweisen). Die Leistung des Beurteilten entspricht dann der Summe der

positiven Erwartungswerte der von ihm gezeigten Verhaltensweisen. Beispiel: Für den Verkauf von Versicherungspolicen ist seriöse Kleidung eine

erfolgskritische Verhaltensweise.

Fazit: Aufgrund des Zuordnungsproblems wird die Arbeitsleistung einer Person nicht

über die tatsächlichen Arbeitsergebnisse definiert, sondern darüber, in welchem

Ausmaß die betreffende Person Verhaltensweisen zeigt, die nach Ansicht von

Experten mit hoher Wahrscheinlichkeit zu positiven Ergebnissen für die Organisation

führen.

Unterschieden werden kann zwischen der aufgabenbezogenen Leistung („In-role

behaviour“) und umfeldbezogener Leistung („Extra-role behaviour“) Die aufgabenbezogene Leistung bezieht sich auf die durch die Stelle formal

vorgegebenen Aufgaben einer Person (Produktion von Gütern, Dienstleistungen

Führung und Koordination) Sie ist abhängig von den Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten einer

Person sowie von ihrer Erfahrung.

Die umfeldbezogene Leistung betrifft Aspekte, die über die formalen

Verpflichtungen hinausgehen, also z.B. die Hilfsbereitschaft gegenüber Kollegen,

die Unterstützung des Unternehmens, Eigeninitiative, Anstrengung, Ausdauer etc. Sie ist abhängig von der Persönlichkeit und Motivation der Person sowie ihrer

Erfahrung!

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75

Strukturmodell von Leistung nach Campbell:

8.2. Leistungsmessung

8.2.1. Allgemeines

Leistung ist ein Konstrukt, das sich als solches nur indirekt über Kriterien

(=Leistungsmaße bzw. –indikatoren) erfassen lässt. Da ein Indikator dazu i.d.R.

nicht ausreicht, sollten immer mehrere Indikatoren erhoben werden! Die Kriteriumsrelevanz eines Indikators: ist das Ausmaß, in dem der Indikator

(z.B. Fachwissen) einen wichtigen Aspekt des Konstrukts erfasst. Die Kriteriumsdefizienz: ist der Anteil eines Konstrukts, der durch einen Indikator

nicht aufgeklärt bzw. abgedeckt wird. So umfasst die Arbeitsleistung z.B. mehr als

nur Fachwissen. Die Kriteriumskontamination (=Verunreinigung) eines Indikators: kommt durch

Aspekte des Indikators zustande, die nichts zum Kriterium beitragen. So gehört

zum Fachwissen z.B. auch die Kenntnis früherer Produkte und Arbeitsverfahren,

die heute nicht mehr aktuell sind, weshalb ihre Kenntnis nichts mehr zur Leistung

beiträgt.

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In Bezug auf die Arbeitsleistung kann zwischen 3 Arten von Kriterien unterschieden

werden: 1) Ergebnisbezogene Leistungskriterien Beispiele: Umsatz / Output; Terminüberschreitungen; Nachfrage; Preise und

Auszeichnungen, Anzahl an Patenten / Publikationen; Aktienwert etc. Vorteile: - sind plausibel, klar umrissen, „objektiv“ und leicht überprüfbar

- fördern Kosten-Nutzen-Denken

- bieten Verhaltensspielraum (schließlich ist es egal, wie die

Ergebnisse erzielt wurden)

- sind empfohlen, wenn erfolgskritisches Verhalten schwer

beobachtbar ist Nachteile: - Zurechnungsproblem (s.o.)

- können als unfair erlebt werden

- bringen die Gefahr kontraproduktiven Wettbewerbs mit sich

- enthalten keine Hinweise auf förderliches Verhalten (geringer

Informationsgehalt)

- werden dann erhoben, wenn es meistens schon zu spät für

Korrekturen ist

- Reliabilitätsproblem bei seltenen Ereignissen (z.B. bei Preisen

oder Super-Deals etc.) 2) Verhaltensbezogene Kriterien Beispiele: XY „hilft Kollegen“; „hält Termine ein“; „hat ein seriöses

Auftreten“; „führt keine Privatgespräche in Gegenwart von Kunden“ etc. Vorteile: - Zuordnungsproblem ist gering

- sind eindeutig und transparent

- haben einen hohen Informationsgehalt für die Beurteilten

- erlauben ursachenbezogenes Feedback

- ermöglichen Selbstkontrolle und Steuerung durch Vorgesetzte Nachteile: - werden mitunter als einengend erlebt

- sind anfällig für Beschönigungstendenzen

- aufwändig

- relevantes Verhalten gegebenenfalls unbeobachtbar 3) Eigenschafts- und personenbezogene Kriterien Beispiele: Belastbarkeit, Kontaktfreude, Teamfähigkeit, Gewissenhaftigkeit,

Motivation, Fachwissen, Leistungsbereitschaft, Karrieremaße (Alter/Position) Vorteile: - Erlauben Vergleiche zwischen verschiedenen Berufen/Positionen

- Erlauben Prognosen für zukünftiges Verhalten

- Geringer Entwicklungsaufwand

- Sind empfohlen, wenn die Ziele einer Tätigkeit nur sehr allgemein,

aber nicht operational definierbar sind Nachteile: - Nicht direkt erfassbar

- Großer Interpretationsspielraum

- Anfällig für subjektive Verzerrungen und Beschönigungen

- Geringe Transparenz

- Geringe Akzeptanz

- Wenig veränderbar und daher kaum für Feedback geeignet

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Die Leistungsmessung kann absolut (in Bezug auf objektive Leistungskriterien) oder

relativ (in Bezug auf die anderen Mitarbeiter) erfolgen. Die Vorteile einer relativen Leistungsmessung sind: Geringe Kosten Herausfilterung gemeinsamer Störeinflüsse (die betrieblichen Bedingungen

etc. sind für alle Mitarbeiter gleich) Eine übertrieben gute Beurteilung aller Mitarbeiter ist nicht möglich

Die Nachteile einer relativen Leistungsmessung sind: Teammitglieder sind nur bedingt vergleichbar (unterschiedliche Aufgaben und

Funktionen etc.) Wettbewerb wirkt sich ggf. negativ auf die Kooperationsbereitschaft aus Anreize für Mobbing, Sabotage und rücksichtsloses Verhalten Gefahr von leistungsmindernden Absprachen zwischen den Mitarbeitern Mögliche Demotivation von schwächeren Mitarbeitern durch stark

unterschiedliche Leistungspotenziale

Mögliche Quellen einer Leistungsbeurteilung: Objektive Daten: z.B. Produktionsdaten Externe Quellen: z.B. Kunden oder Lieferanten (Direkte) Vorgesetzte: Reihung, Verhaltensbeobachtung Gleichgestellte (Peers): z.B. gegenseitiges Feedback in Teams Mitarbeiter („Upward feedback“): Verhaltensfeedback für Führungskräfte Man selbst

360°-Feedback: ist ein multiperspektivisches Beurteilungsverfahren, das v.a. bei

der Beurteilung von Führungskräften eingesetzt wird; meist anhand von

standardisierten Fragebögen werden das Selbsturteil sowie Urteile von Mitarbeitern

(Untergebenen), Kollegen (Peers), Vorgesetzten und Kunden eingeholt und

miteinander verglichen. Ziel des Verfahrens ist es, durch den Vergleich von Selbst- und

Fremdbeurteilungen Reflexionsprozesse und gegebenenfalls eine Veränderung des

Führungsverhaltens anzustoßen. Die Multiperspektivität des Verfahrens führt dabei zu größerer Objektivität!

8.2.2. Verschiedene Beurteilungsverfahren und Leistungsmaße

Die freie Eindrucksschilderung: ist ein Verfahren, bei dem Eindrücke aus der

direkten Zusammenarbeit und Beobachtung eines Mitarbeiters gesammelt und

verschriftlicht werden. Die gesammelten Eindrücke können sich dabei sowohl auf

Eigenschaften als auch auf Verhaltensweisen beziehen. Welche Urteilsaspekte

berücksichtigt werden, liegt im Ermessen des Beurteilers; eine Skalierung gibt es

nicht. Probleme: stark anfällig für subjektive Verzerrungen; geringe Urteiler-

Übereinstimmung und Retest-Reliabiltät

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Kennzeichnungs- und Auswahlverfahren: Bei dieser Art von Verfahren bekommen

Mitarbeiter oder Vorgesetzte eine Aussagenliste vorgelegt, anhand derer sie die zu

beurteilende Person charakterisieren sollen. Dabei muss unterschieden werden zwischen gemischten Aussagenlisten mit freier

Wahl und gruppierten Aussagenlisten mit Wahlzwang. Bei ersteren sind die Aussagen auf der Liste ungeordnet; Aufgabe des

Ausfüllenden ist es, die Aussagen anzukreuzen, die auf die zu beurteilende

Person zutreffen (…kommt häufig zu spät, …reagiert empfindlich auf Kritik,

…ist sehr gewissenhaft etc.) Bei gemischten Aussagenlisten mit Wahlzwang werden die Aussagen

paarweise oder im Tripel vorgegeben und der Auszufüllende muss sich für

einer der so gruppierten Aussagen entscheiden. Problem: Werden aufgrund geringer Akzeptanz in der Praxis eher selten

verwendet

Rangordnungsverfahren: Hierbei hat die beurteilende Person die Aufgabe, die

Gesamtheit der zu beurteilenden Personen in eine Rangordnung zu bringen. Letzteres kann entweder durch Bildung direkter Rangreihen, Rangbildung mit

Quotenvorgabe oder sukzessive Dominanzpaarvergleiche geschehen. Direkte Rangreihenbildung: Die zu beurteilenden Personen werden anhand

eines Kriteriums („Leistung“) in eine Rangreihe gebracht. Rangbildung mit Quotenvorgabe: Die einzelnen Personen werden anhand

vorgegebener Quoten (10% - 20% - 40% - 20% - 10%) einer von mehreren

Leistungsstufen zugeordnet; die Personen, die zu den besten 10% gehören,

werden der ersten-, diejenigen, die zu den darauffolgenden 20% gehören, der

zweiten Leistungsstufe zugeordnet usw.

Indirekte Rangbildung anhand von Dominanzpaarvergleichen: Jede Person

wird mit jeder verglichen und aus der so erhaltenen Häufigkeitstabelle

Skalenwerte berechnet.

Einstufungsverfahren (Ratings): Hierbei erfolgt die Beurteilung einer Person anhand

von Ratingskalen (z.B. von 1 bis 7). Werden diese graphisch dargeboten, spricht man

von graphischen Skalen. Verhaltensbeobachtungsskalen geben die Verhaltensweisen wieder, die im

Rahmen einer Arbeitsanalyse als erfolgskritisch identifiziert wurden Bei einem Kellner sollen z.B. folgende Items anhand einer 6-stufigen Skala

(von „fast nie“ bis „fast immer“) geratet werden: „nimmt neue Bestellungen

zügig auf“; „hält die Aschenbecher sauber“ usw. Bei verhaltensverankerten Einstufungsskalen werden den einzelnen

Skalenausprägungen Verhaltensweisen als Anker zugeordnet. Ein quotiertes Rating liegt vor, wenn die zu beurteilenden Personen bezüglich

diverser Items (z.B. „beantwortet Anfragen sehr zügig“) dahingehend beurteilt

werden sollen, ob sie zu den besten 10%, den darauffolgenden 20% etc. gehören

(s.o.).

Zielorientierte Beurteilungsverfahren: Hierbei wird die Leistung einer Person

anhand objektiver Leistungsmaße (Stückzahlen, Fehlzeiten, Unfälle, Beförderungen

etc.) beurteilt.

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8.2.3. Durchführung und Nutzen von Leistungsbeurteilungen

Drei Anlässe bzw. Formen von Leistungsbeurteilungen lassen sich unterscheiden: 1) Tägliche Rückmeldung („day-to-day-feedback”): dient der (kurzfristigen)

Verhaltenssteuerung und dem Lernen der Mitarbeiter; erfolgt im Rahmen

informeller Gespräche am Arbeitsplatz; basiert i.d.R. auf frei gesammelten

Eindrücken. 2) Die Regelbeurteilung: dient der mittel- und langfristigen Verhaltenssteuerung und

Zielsetzung; bildet die Grundlage für die individuelle Gehaltsfindung und

Beförderungsentscheidungen; erfolgt in regelmäßigen Abständen (meist jährlich)

in Form eines Mitarbeitergesprächs (mit dem Vorgesetzten); basiert auf

standardisierten Beurteilungsinstrumenten (s.o.); die Beurteilungsergebnisse gehen

in die Personalakte ein. 3) Die Potenzialbeurteilung: dient dazu die langfristige Entwicklungsfähigkeit einer

Person einzuschätzen und ist somit im Ggs. zu den anderen

Leistungsbeurteilungen auf die Zukunft bezogen; erfolgt meist im Rahmen der

Eignungsdiagnose; basiert z.B. auf einem Assessment-Center

Funktionen von Mitarbeitergesprächen (zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter): Leistungs- und ggf. Potenzialbeurteilung Zielsetzung Austausch von Sachinfos Beziehungsklärung und Konfliktmanagement Förderung

Das Ausmaß der Rückmeldung wirkt sich positiv auf folgende Faktoren aus

(Korrelationen sind nach Größe geordnet): Erlebte Bedeutsamkeit der Arbeit: r = .57 Erlebte Verantwortlichkeit: r = .56 Zufriedenheit mit persönlicher Entwicklung: r = .56 Arbeitszufriedenheit: r = .43 Intrinsische Arbeitsmotivation: r = .34 Absentismus: r = -.19 Leistung: r = .09

8.2.4. Güte von Leistungsbeurteilungen

Urteilsverzerrungen: Die Urteile von Personen können durch verschiedene

Störfaktoren verzerrt werden. Informationsverarbeitung:

Milde- und Strengetendenz (= Mittelwertstendenzen)

Tendenz zur Mitte (= Streuungstendenz)

Halo-Effekt (= Korrelationstendenz)

Primacy-/Recency-Effekt

Motivation / Emotion:

Mildere Urteile bei positiver Stimmung

Vermeidung von Konflikten

Die Beurteilung der Mitarbeiter ist indirekt auch eine Beurteilung des

Managements und damit der eigenen Person

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Strategisches:

Wegloben problematischer Mitarbeiter

Halten von guten Mitarbeitern

Einbezug leistungsfremder Gesichtspunkte: „Wer braucht eine gute

Beurteilung?“ statt: „Wer hat sich eine gute Beurteilung verdient?“

Differentielles:

Sympathie

Differenzierungsfähigkeit in Wahrnehmung und Sprache (=> Tendenz zur

Mitte=)

Implizite Persönlichkeitstheorien (=> Halo-Effekt)

Selbstbild

Objektive Gründe für Verzerrungen:

Beobachtungshäufigkeit

Beobachtungsrepräsentativität

Maßnahmen zur Reduktion von Urteilstendenzen: Vorgabe eindeutiger und verhaltensbezogener Kriterien Genaue Kenntnis der Tätigkeitsanforderungen Repräsentativität der Beobachtungen Beurteilertrainings (Infos zu Urteilsfehlern, Beobachtungsschulung, Entwicklung

eines gemeinsamen Maßstabes)

Einsatz mehrerer Beurteiler

Mehrere Urteilsquellen (360°-Feedback)

Akzeptanzbedingungen für Beurteilungsverfahren: Kurze Beurteilungsintervalle Existenz eines formalen Beurteilungssystems (wie z.B. bei Mercedes Benz) Partizipation der Betroffenen während der Entwicklung und Einführung des

Beurteilungssystems Beurteilungsdimensionen werden als relevant angesehen (hohe

Augenscheinvalidität) Hohe Sach- und Gesprächsführungskompetenz der Beurteiler (z.B. Kritik nicht

gehäuft und nicht eigenschaftsbezogen)

Gelegenheit für die Beurteilten, Einwände zu äußern

Auf empfundene Schwächen des Beurteilungssystems wird mit Veränderung

reagiert

Einige Gütemaße (berechnet für ein standardisiertes unternehmensweites Verfahren

von Mercedes Benz): Stabilität (=Retest-Reliabilität) on Vorgesetztenurteilen: r = .81 Interrater-Reliabilität Für Vorgesetzte: r =.52 Für Gleichgestellte: r = .42 Für Mitarbeiter: r = .31 bis r = .36

Validität ist… am höchsten, wenn die Beurteilung durch Vorgesetzte und Kollegen erfolgt:

r = .62 deutlich geringer, wenn sich die Beurteilung auf verhaltensbezogene und

objektive Kriterien bezieht: r = .39

deutlich geringer, wenn die Beurteilung durch Kollegen und den Beurteilten

selbst (r = .36) oder Vorgesetzte und den Beurteilten selbst (r = .34) erfolgt.

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9.1. Wie immer: Allgemeines

9.1.1. Begriffsklärung

Definition: „Führung“ ist ein Sammelbegriff für alle Interaktionsprozesse, in denen

Personen absichtlich sozialen Einfluss auf andere Personen nehmen, um die

Erfüllung gemeinsamer Aufgaben im Kontext einer strukturierten Arbeitssituation

sicherzustellen. Kurz: Führung als bewusste und zielbezogene Einflussnahme auf Menschen

Da die Führung eines Unternehmens auf verschiedenen Ebenen stattfindet, kann

zwischen 3 Formen von Führung unterschieden werden (wobei der Unterschied

zwischen diesen Formen im Ausmaß der Personalisierung liegt) 1) Personale Führung (bezieht sich auf einzelne Mitarbeiter)

2) Personalmanagement (bezieht sich auf den Mitarbeiterstab im Ganzen)

3) Unternehmensführung (bezieht sich auf das Gesamt-Unternehmen)

French und Raven unterscheiden 6 Machtquellen bzw. Formen der Machtausübung: 1) Belohnungsmacht Z.B. durch Zuweisung finanzieller Mittel, Verteilung von Lob und

Wertschätzung etc. 2) Bestrafungsmacht z.B. durch Androhung von Sanktionen etc.

3) Legitimierte Macht durch vertragliche Regelung

4) Identifikationsmacht durch Attraktivität bzw. Vorbild- und Modellwirkung

5) Expertenmacht durch Fachkompetenz und Wissensvorsprung bedingt

6) Informationsmacht durch Besitz strategisch wichtiger Infos bedingt

Was tun Führungskräfte?! Auswahl wichtiger Aufgaben: Organisation nach außen repräsentieren Mitarbeiter anleiten und motivieren Personalbeschaffung, -auswahl, -einsatz und -entwicklung

Delegieren von Aufgaben und Autorität Verwaltungs- und Büroarbeit

Ressourcenkontrolle

Kommunizieren und Informieren; Beeinflussen und Überzeugen; Planen und

Organisieren; Koordinieren etc.

Empirische Befunde: 40-80% der Tätigkeit von Führungskräften ist kommunikativer Art; die Inhalte

der Kommunikation sind dabei nicht nur aufgabenbezogen, sondern beziehen

sich nicht selten auf Netzwerkbildung und Sicherung der eigenen Position

Die Arbeitstätigkeit von Führungskräften ist oft fragmentiert: ca. 50 bis 200

Episoden pro Tag; dabei sind die einzelnen Episoden oft nicht selbstbestimmt,

sondern durch externe Störungen oder unvorhergesehene Kontakte bedingt.

Es steht nur wenig Zeit für Reflexion und die langfristige Planung von

Tätigkeitszielen zur Verfügung! Häufig muss auf informelle, gerüchteartige

Infos zurückgegriffen werden.

9. Führung

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Fragen, die sich eine Führungskraft stellen muss: Was gehört zu meinen Führungsaufgaben? Was kann ich delegieren? Was mache ich selbst? Wer neidet mir die Position? Auf wen kann ich mich verlassen? Wie viel Nähe lasse ich zu? Wie viel Distanz baue ich auf? Wie viel Rückendeckung habe ich durch meine Vorgesetzten? Wie fördere ich Leistung und Engagement? …

9.1.2. Führungserfolg und Führungsergebnisse

Der Führungsprozess: Ein Rahmenmodell:

Die Führungsergebnisse und der Führungserfolg hängen von dem

Führungsverhalten und dispositionellen Merkmalen der Führungskraft ab.

Dabei gilt jedoch zweierlei:

1. Wird der Zusammenhang zumindest teilweise durch Moderatorvariablen

vermittelt. Sprich: Ob ein bestimmtes Verhalten bzw. bestimmte Merkmale

zu guten Ergebnissen führen, hängt u.a. von Merkmalen der Aufgabe und

der zu führenden Gruppe ab, dem situativen Kontext und vielem mehr.

2. Wirken die Führungsergebnisse und der Führungserfolg auf die Merkmale

und das Verhalten der Führungskraft, sowie auf die besagten

Moderatorvariablen zurück (Wechselwirkung).

Führungsergebnisse und Indikatoren für Führungserfolg:

Führungsergebnisse: 1. Zielerreichungsgrad (Effektivität und Effizienz) 2. Leistungseinstellung der Gruppe 3. Arbeitszufriedenheit 4. Teamklima 5. Akzeptanz des Führenden durch die Geführten 6. Aufrechterhaltung der Position des Führenden

Indikatoren für Führungserfolg: 1. Leistungsbeurteilungen

2. Erreichte Position bzw. Zahl der

Beförderungen

3. Gehaltshöhe

4. Ansehen

5. Zufriedenheit

Wichtig: Der Führungserfolg (gemessen an der Karrieregeschwindigkeit, dem

Gehalt etc.) und die Führungsergebnisse (gemessen an den erreichten Zielen)

müssen nicht identisch sein!

Sprich: Erfolgreiche Führungskräfte müssen nicht zwangsläufig die besten

Ergebnisse bringen!

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83

Die Messung von Führungsverhalten erfolgt anhand von Fremd- und

Selbstbeurteilungen oder Mischformen aus beidem.

Fremdbeurteilung:

Fragebögen: z.B. der „Frageborgen zur Vorgesetzten-Verhaltens-

Beschreibung“ (FVVB)

Beobachtungssysteme: z.B. das „Leader Observation System“ (LOS)

Selbstbeurteilung:

Fragebögen: z.B. der „Leader Opinion Questionaire“ (LOQ) oder die „Least

Preferred Coworker”-Skala (LPC)

Mischung aus Fremd- und Selbstbeurteilung: 360°-Feedback (s.o.)

9.2. Führungsmodelle

9.2.1. Dispositionelle Ansätze

Dispositionelle Ansätze gehen davon aus, dass der Führungserfolg von Merkmalen

der Führungskraft abhängt. Die Merkmale, die dabei zur Vorhersage herangezogen werden, variieren

zwischen den verschiedenen Autoren z.T. enorm: Häufig genannte Merkmale sind:

- Soziale Kompetenz / Geselligkeit („Sociability“)

- Durchsetzungsvermögen („Assertiveness“)

- Selbstvertrauen („Self confidence“)

- Originalität

- Emotionale Stabilität

- Leistungsmotivation („Achievement Motivation“)

- Sozialisiertes Machtmotiv

- …

Empirische Befunde:

Eine Metaanalyse von Judge et al. erbrachte die folgenden korrigierten

Zusammenhänge zwischen Merkmalen der Führungskraft und Führungserfolg: Offenheit: ρ = .37 Extraversion: ρ = .31 Gewissenhaftigkeit: ρ = .28 Intelligenz: ρ = .27 Emo. Stabilität: ρ = .24 Verträglichkeit: ρ = .08

Die Wahl zum Führer hängt laut einer anderen Metaanalyse von folgenden

Faktoren ab: Intelligenz: r = .50 Extraversion: r = .26 Verträglichkeit: r = .24 Dominanz: r = .13

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Wie die Merkmale des Führers sich auf die Führungsergebnisse auswirken, hängt

nicht zuletzt von den Merkmalen der zu führenden Personen ab. Setzt man den Selbstwert und die Intelligenz der Geführten zur

Persuasionswirkung eines Führers in Bezug, ergibt sich ein quadratischer

Zusammenhang, sprich: die Persuasionswirkung ist bei durchschnittlicher

Ausprägung des Selbstwerts und der Intelligenz am höchsten und lässt mit

zunehmender Abweichung von diesem Mittelwert nach. Am schwersten zu

überzeugen sind dementsprechend extrem schlaue Leute mit hohem Selbstwert

sowie deren Gegenteil: also Leute mit sehr niedriger Intelligenz und

entsprechend geringem Selbstwert! Personen mit starkem Bedürfnis nach personaler Führung („schwache

Menschen“) erleben eine Führungsperson eher als charismatisch und reagieren

positiver darauf (Arbeitszufriedenheit, Commitment) als Leute mit geringem

Bedürfnis nach personaler Führung. Aber: Auch Personen, die wenig auf

Sicherheit des Arbeitsplatzes und Stabilität bedacht sind (also vermeintlich

„starke Menschen“) reagieren positiv auf charismatische Führung! Weitere Moderatorvariablen ergeben sich aus der Art der Aufgabe bzw. der Art

der betrachteten Führungsergebnisse. So konnte z.B. gezeigt werden, dass sich eine hohe Durchsetzungsfähigkeit

(„Assertiveness“) zwar positiv auf den instrumentellen Nutzen der

Führungstätigkeit auswirkt, dafür aber einen negativen Effekt auf den sozialen

Nutzen von Führung hat.

Schematheorie der Führung (von Lord & Mahler): Die Frage, ob jemand als guter

Führer angesehen wird, hängt von dem Führungsschema ab, dass der Beurteilung

zugrunde gelegt wird. Ergo: Eine Führungsperson wird umso mehr akzeptiert, je eher

sie in ihren Merkmalen und Verhaltensweisen den Vorstellungen bzw. dem aktivierten

Führungsschema der Geführten entspricht! Führungsschemata sind dabei nicht zuletzt kulturabhängig. Eine Studie, die das

eindrücklich nachweist, ist die sog. GLOBE-Studie („Global Leadership and

Organizational Behaviour Effectiveness”).

Im Rahmen der GLOBE-Studie wurden Manager aus 61 Ländern u.a. dazu befragt,

wie Führung aus ihrer Sicht ist (Praktiken) und wie sie sein sollte (Werte). Ein

zentrales Anliegen der Studie war es, herauszufinden, inwiefern die

Unternehmenskultur und der Führungsstil von der jeweiligen Landeskultur abhängen. Die GLOBE-Studie unterscheidet folgende 9 Kulturdimensionen:

1. Machtdistanz (Akzeptanz ungleicher Machtverteilung) 2. Unsicherheitsvermeidung (Abhängigkeit von Normen, Regeln und Standards

zur Vermeidung von Unsicherheit) 3. Humanorientierung (Bedeutsamkeit und Verstärkung humanen Verhaltens) 4. Gruppen-/ und Familien-Kollektivismus (Stolz, Loyalität und Kohäsion in

Familien und/oder Organisationen) 5. Institutioneller Kollektivismus (Bedeutung und Verstärkung von kollektivem

Handeln und gerechter Ressourcenverteilung) 6. Konfliktorientierung/Selbstdurchsetzung (Bedeutung und Verstärkung

bestimmten, konfrontativ-aggressiven Beziehungsverhaltens) 7. Geschlechtergleichheit 8. Zukunftsorientierung (Investitionen in die Zukunft, Planungsaktivitäten,

Gratifikationsaufschub) 9. Leistungsorientierung

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Ergebnisse:

Zwar gibt es Merkmale von Führung, die weltweit ähnlich beurteilt werden, es

gibt aber auch kulturelle Unterschiede. Ergo: Führungstheorien bzw.

–schemata unterliegen landes- und unternehmenskulturellen Einflüssen!

Ob ein bestimmter Führungsstil effektiv ist, hängt nicht zuletzt vom

gesellschaftlich-kulturellen Kontext ab!

Praktiken und Werte gehen in fast allen Bereichen auseinander (einzige

Ausnahme: Geschlechtergleichheit)

Deutsche Führungskultur zeichnet sich durch eine verhältnismäßig hohe

Leistungs- und Zukunftsorientierung aus! Gleichzeitig weist sie aber auch ein

überdurchschnittlich hohes Maß an Unsicherheitsvermeidung auf (was auf

Kosten von Innovation und Experimentierfreudigkeit geht). Was die

Humanorientierung betrifft, ist Deutschland auf einem der letzten Plätze!

Kritische Würdigung des dispositionellen Ansatzes: Vorteile: Persönlichkeitsmerkmale und Intelligenz leisten in der Tat einen wenn auch

unterschiedlich hohen Beitrag zur Vorhersage von Führungserfolg! Der Ansatz ist äußerst plausibel und weist einen hohen Allgemeinheitsgrad

auf! Nachteile: Das Modell ist monokausal und statisch! Der Zusammenhang zwischen Dispositionen und bestimmten

Verhaltensweisen (als Mediatoren des Führungserfolgs) ist bisher noch kaum

untersucht worden.

9.2.2. Verhaltensorientierte Ansätze: Führungsstile

Definition: Unter einem Führungsstil versteht man ein zeitlich überdauerndes und in

Bezug auf bestimmte Situationen konsistentes Führungsverhalten von Vorgesetzten

gegenüber Mitarbeitern. Der große Vorteil gegenüber eigenschaftsorientierten Ansätzen: Führungsstile

lassen sich trainieren (meist geschieht das anhand von Fallbeispielen)

A) Mitarbeiter- vs. Aufgabenorientierung

Bezüglich des Führungsstils lässt sich zw. Mitarbeiterorientierung (=Consideration)

und Aufgabenorientierung (=Initiating structure) unterscheiden. Ein mitarbeiterorientierter Führungsstil: zeichnet sich durch Rücksichtnahme

und Fürsorge gegenüber den Mitarbeitern aus; auf einengende Vorgaben und

Autoritätsbekundungen wird weitgehend verzichtet! Ein aufgabenorientierter Führungsstil: zeichnet sich dagegen durch ein hohes

Maß an Kontrolle, Strukturierung und Aktivierung aus; im Vordergrund stehen

nicht soziale Ziele, sondern die Erreichung der organisationalen Ziele.

Bezüglich des Zusammenhangs zwischen diesen beiden Führungsstile gibt es

unterschiedliche Theorien: Die Michigan-Schule (Likert et al.) betrachtet Mitarbeiterorientierung und

Aufgabenorientierung als zwei Pole ein und derselben Dimension. Nach diesem

Modell schließen die beiden Führungsstile einander also mehr oder minder aus. Die Ohio-Schule (Blake, Mouton u. a.) fasst „Consideration“ und „Initiating

Structure“ dagegen als zwei unterschiedliche, weitgehend unabhängige Faktoren

auf, die einander keineswegs ausschließen. Das Ohio-Modell hat sich letztlich durchgesetzt!

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Das Verhaltensgitter („Managerial Grid“) von Blake & Mouton unterscheidet

anhand der beiden Dimensionen „Mitarbeiterorientierung“ und

„Aufgabenorientierung“ verschiedene Führungsstile. Die beiden Dimensionen bzw. Achsen sind zu diesem Zweck in jeweils 9 Stufen

unterteilt, so dass sich insgesamt 9*9=81 verschiedene Verhaltensmuster ergeben.

Als relevant werden jedoch lediglich die folgenden 5 Führungsstile betrachtet: 1. „Teammanagement“ (= „Führungsstil 9/9“): gilt als das beste

Führungsverhalten; es ist sowohl durch ein hohes Maß an

Mitarbeiterorientierung (9) als auch durch ein hohes Maß an

Aufgabenorientierung (9) gekennzeichnet.

- Effekt: Ziele werden als gemeinsame Ziele angesehen, das Team

kooperiert und legt eine hohe Leistung an den Tag.

2. „Galcéhandschuh-Management“ (= „Führungsstil 1/9“): ist durch ein

hohes Maß an Mitarbeiterorientierung (9), dafür aber eine geringe

Aufgabenorientierung (1) gekennzeichnet.

- Effekt: gutes Arbeitsklima, aber geringe Effektivität und Effizienz bei der

Erreichung der Ziele

3. „Laissez-Faire-Stil“ (= „Führungsstil 1/1“): gilt als der ungünstigste

Führungsstil; Führungskraft zeigt weder besonderen Einsatz für die

Mitarbeiter, noch für die Ziele der Organisation

4. „Befehl-Gehorsam-Management“ (= „Führungsstil 9/1“): Planung und

Festlegung der Arbeitsbedingungen ohne Beachtung der Mitarbeiter

5. „Organisationsmanagement“ (= „Führungsstil 5/5): Kompromisslösung

- Effekt: Mitarbeiter sind zwar motiviert, laufen aber nicht zu Höchstform auf.

Der bekannteste Fragebogen zur Erfassung des Führungsstils ist der „Leader-

Behaviour-Description-Questionnaire” (LBDQ), der in der deutschen Fassung

„Fragebogen zur Vorgesetztenverhaltensbeschreibung“ (FVVB) heißt. Der FVVB umfasst 32 Items, die anhand einer 5-stufigen Skala (1 = „immer“; 5 =

„fast nie“) von Mitarbeitern beantwortet werden. Die 32 Items lassen sich ihrerseits 4 bzw. 5 Dimensionen zuordnen:

1. Freundliche Zuwendung

- Beispielitem: „Er ist freundlich und man hat leicht Zugang zu ihm.“

2. Mitbestimmung

- Beispielitem: „Er entscheidet und handelt, ohne es vorher mit seinen

Mitarbeitern abzusprechen.“

3. Mitreißende Aktivität

- Beispielitem: „Er regt seine Mitarbeiter zu Selbständigkeit an.“

4. Kontrolle

- Beispielitem: „Er gibt seinen Mitarbeitern Aufgaben, ohne ihnen zu sagen,

wie sie sie ausführen sollen.“

- Führungsstil 9/9 ist optimal; alle

Formen im Bereich 5/5; 5/9 und 9/5

erstrebenswert!

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5. Kombination aus freundlicher Zuwendung und mitreißender Aktivität:

- Beispiel: „Er ist am pers. Wohlergehen seiner Mitarbeiter interessiert.“

Reanalysen haben gezeigt, dass die 4 genannten Dimensionen ihrerseits zu 2

Faktoren zusammengefasst werden können (2-Faktoren-Lösung), die zusammen

ca. 80% der Gesamtvarianz aufklären. Diese beiden Faktoren sind:

a) Mitarbeiterorientierung (= Freundlichkeit + Mitbestimmung) b) Aufgabenorientierung (= Aktivität + Kontrolle)

Judge et al. haben in einer Metaanalyse die Effekte der beiden Dimensionen

„Consideration“ und „Initiating Structure“ untersucht und sind dabei zu folgenden

Ergebnissen gekommen: Eine hohe Mitarbeiterorientierung trägt insgesamt gesehen mehr zum

Führungserfolg bei als eine hohe Aufgabenorientierung (ρ = .48 vs. ρ = .29).

Wie erwartet, korreliert die Mitarbeiterorientierung dabei besonders eng mit der

Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter (ρ = .46) – diese Korrelation ist mehr als

doppelt so hoch wie die zwischen Aufgabenorientierung und Arbeitszufriedenheit

(ρ = .22)

Noch eklatanter ist der Unterschied, was die Zufriedenheit der Mitarbeiter mit

der Führung betrifft (ρ = .78 vs. ρ = .33)

Der Zusammenhang zw. Leistung und Aufgabenorientierung (ρ = .30) ist nur

unwesentlich stärker als der zwischen Mitarbeiterorientierung und Leistung (ρ =

.28)

Die Validität der Mitarbeiterorientierung (im Schnitt ca. 0,5) ist bei fast allen

einschlägigen Fragebögen höher als die der Aufgabenorientierung (im Schnitt ca.

0,35); einzige Ausnahme ist der „Leader Opinion Questionnaire“ (LOQ), wo es

umgekehrt ist.

Wie hoch Mitarbeiter- und Aufgabenorientierung miteinander korrelieren, hängt

vom verwendeten Fragebogen ab; im Schnitt besteht eine schwach positive

Korrelation (r = .17); legt man den LBDQ zugrunde, fällt sie jedoch deutlich höher

aus (r = .44), beim LOQ und SBDQ ist sie dagegen schwach negativ (r = -.08)

In Wirtschaftsunternehmen ist mitarbeiterorientierte Führung etwas weniger

verbreitet als im öffentlichen Sektor!

Consideration und Initiating Structure korrelieren mit bestimmten

Persönlichkeitseigenschaften:

Consideration korreliert erwartungsgemäß mit Offenheit (r = .18) und

Verträglichkeit (r = .14).

Initiating Structure korreliert dagegen negativ mit Verträglichkeit (r = -.15),

dafür aber positiv mit Gewissenhaftigkeit (r = .26) und Extraversion (r = .20).

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B) Transaktionale Führung, transformationale Führung und „Laissez-Faire“

Transaktionale Führung: ist ein rationaler Austauschprozess, der auf dem Prinzip d.

Verstärkung beruht. Die Hauptaufgabe des Führenden besteht darin, die Mitarbeiter

durch entsprechende Anreize (Gehalt, Lob, Bestrafung etc.) für die eigenen Ziele zu

gewinnen und darauf zu achten, dass sie seinen Erwartungen gerecht werden.

Transaktionale Führung beruht demnach auf folgenden Prinzipien:

1. Leistungsabhängige Belohnung („contingent reward“): Für bestimmte,

genau festgelegte Leistungen des Mitarbeiters bietet die Führungskraft eine

festgelegte Gegenleistung (Entgelt, Lob, Aufstieg etc.).

2. „Management durch Ausnahmen“ („Management by Exception“): Wenn

Probleme bzw. „Ausnahmen“ auftreten, greift der Führende korrigierend ein.

Dabei werden die Probleme von ihm entweder aktiv gesucht und antizipiert

(aktive Form) – oder der Führende greift erst dann ein, wenn sie von selbst zu

Tage treten (passive Form = Laissez-faire)

Probleme:

Die Leistung der Mitarbeiter bleibt im Rahmen der an sie gestellten

Erwartungen und geht nicht darüber hinaus!

Je selbständiger und flexibler gearbeitet werden soll, desto unangemessener ist

ein Führungsverhalten, das ausschließlich auf Kontrolle u. Belohnung beruht.

Transformationale (charismatische) Führung: versucht, den Mitarbeitern Sinn in

ihrer Arbeit zu vermitteln, um auf diese Weise ihre Arbeitseinstellung und

Leistungsbereitschaft zu transformieren. Die Hauptaufgabe des Führenden besteht

somit darin, die Mitarbeiter für seine Ziele bzw. Visionen zu begeistern – und zwar so,

dass ihre Leistungen über die formalen Erwartungen hinausgehen.

Transformationale Führung basiert auf 4 Prinzipien:

1. Charisma („idealized influence“): Der Führende verfügt über

Ausstrahlungskraft, weckt Vertrauen bei den Mitarbeitern, ist Vorbild und

Identifikationsfigur und spornt zum Nacheifern an.

- „XY macht mich stolz darauf, mit ihm/ihr zu tun zu haben.“

2. Inspiration („inspirational motivation“): Der Führende vermittelt seinen

Mitarbeitern eine ansprechende und inspirierende Vision, lässt sie den Sinn in

ihrer Arbeit erkennen und überzeugt sie von ihren eigenen Möglichkeiten und

Fähigkeiten.

- „XY spricht mit Begeisterung über das, was erreicht werden soll.“

3. Geistige Anregung („intellectual stimulation“): der Führende stellt

Gegebenes in Frage, ist risikobereit und regt auch die Mitarbeiter zu

eigenständigem und kreativem Denken an.

- „XY bringt mich dazu, Probleme aus verschiedenen Blickwinkeln zu

betrachten.“

4. Individuelle Hinwendung („indvidualized consideration“): der Führende

schenkt jedem Einzelnen genügend Aufmerksamkeit, geht auf persönliche

Bedürfnisse ein, ist bei Bedarf Coach und leitet an.

- „XY hilft mir, meine Stärken auszubauen.“

Kennzeichen charismatischen Führungsverhaltens:

Ziele werden an die Utopie bzw. Vision einer besseren Zukunft geknüpft

Entwicklung herausfordernder Leistungserwartungen

Es wird mit emotionalen Appellen gearbeitet

Stärkung der Selbstwirksamkeit der Geführten

Betonung kollektiver Identitäten und kollektiver Wirksamkeit

Die propagierten Werte, Einstellungen und Verhaltensweisen werden aktiv

vorgelebt

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Motivationale Mechanismen: Aufrechterhaltung und Stärkung des Selbstwertgefühls, der Selbstwirksamkeit,

Würde und Hoffnung der Geführten

Persönliche Identifikation mit dem Führenden

Soziale Identifikation (mit dem Kollektiv)

Anregung von intensiven Emotionen

Internalisierung von Werten und Zielen

Selbst-Konsistenz (sofern die Ziele des Führenden von den Geführten als ihre

eigenen übernommen werden)

Trainierbarkeit transformationaler Führung:

Eintägiges Gruppentraining (mit 20 Bankmanagern) zu „intellectual

stimulation“ und eine Einzelsitzung mit Trainer führten bei den Mitarbeitern

zu höherem Commitment, höherer erlebter „intellectual stimulation“ und

besseren Leistungen (Vertragsabschlüsse) im Vergleich zu einer

Kontrollgruppe!

Ein 1,5-tägiges Training zu „inspirierender Kommunikation“ (Prinzipien,

Rollenspiele, Video-Feedback) führte zu einer signifikanten Verbesserung des

Verhaltens (Ratings von Videoaufnahmen durch trainierte Beurteiler)

„Laissez-Faire“ (auch als „Nonleadership“ bezeichnet) ist die schlechteste Form von

Führung; sie ist durch Verantwortungsverweigerung, Verschleppung von

Entscheidungen und Verzicht auf Einflussnahme gekennzeichnet.

Der „Multifactor Leadership Questionnaire“ (MLQ) ist ein Fremd-

beurteilungsverfahren (Geführte beurteilen Führenden), mit Hilfe dessen folgende 3

Führungsstile erfasst werden: a) transaktionaler-, b) transformationaler-, c) „Laissez-

faire“-Stil

Der Fragebogen umfasst 10 Skalen:

1. Charisma: „XY vermag mich durch ihre Persönlichkeit zu beeindrucken und

zu faszinieren.“

2. Idealized Influence attributed: „XY macht mich stolz darauf, mit ihr zu tun

zu haben.“

3. Indealized Influence Behaviour: „XY berücksichtigt die moralischen und

ethischen Konsequenzen von Entscheidungen.“

4. Inspirational Motivation: „XY spricht mit Begeisterung über das, was

erreicht werden soll.“

5. Intellectual Stimulation: „XY bringt mich dazu, Probleme aus verschiedenen

Blickwinkeln zu betrachten.“

6. Individualized Consideration: „XY erkennt meine individuellen Bedürfnisse,

Fähigkeiten und Ziele.“

7. Contengent Reward: „XY macht deutlich, wer für bestimmte Leistungen

verantwortlich ist.“

8. Management by Exception – active: „XY verfolgt alle Fehler konsequent.“

9. Management by Exception – passive: „XY wartet bis etwas schiefgegangen

ist, bevor sie etwas unternimmt.“

10. Laizzez-Faire (umkodiert): „XY trifft schnell und ohne zu Zögern ihre

Entscheidungen.“

Judge et al. haben in einer Metaanalyse die Effekte der 3 genannten Führungsstile

untersucht und sind dabei zu folgenden Ergebnissen gekommen: Leistungskontingente Belohnung wirkt sich stärker die Berufszufriedenheit

der Mitarbeiter aus als ein transformationaler Führungsstil: ρ = .64 zu ρ = .58!

Transformational

Transaktional

Laissez-Faire

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Auch der Führungserfolg („Leader job performance“) ist bei

leistungskontingenter Belohnung größer als bei einem tranformationalen

Führungsstil: ρ = .45 zu ρ = .27! Dafür führt ein transformationaler Führungsstiel jedoch zu einer höheren

Zufriedenheit mit dem Führenden (ρ = .77 zu ρ =.55) und zu höherer

Führungseffektivität (ρ = .64 zu ρ = .55)! Bedacht werden muss, dass sich ein transformationaler Führungsstil und

kontingente Belohnung nicht ausschließen. Im Gegenteil: die beiden Faktoren

korrelieren äußerst hoch miteinander: r = .80! In der Wirtschaft ist kontingente Belohnung verbreiteter als ein

transformationaler Führungsstil – auf der Uni, beim Militär und im

öffentlichen Sektor ist es umgekehrt! Die verschiedenen Führungsstile korrelieren mit bestimmten

Persönlichkeitseigenschaften:

Der transformationale Führungsstil hängt dabei am stärksten mit der

Persönlichkeit zusammen (R² = .09); MBE-aktiv am schwächsten (R² = .01);

bei kontingenter Belohnung und Laissez-Faire liegt der

Determinationskoeffizient R² jeweils bei 0,3!

Einzelzusammenhänge:

- Der transformationale Führungsstil korreliert positiv mit Extraversion

(ρ=.24); Offenheit (ρ=.15); Freundlichkeit (ρ=.14) und Gewissenhaftigkeit

(ρ=.02) und negativ mit Neurotizismus (ρ= -.17).

- Kontingente Belohnung korreliert positiv mit Freundlichkeit (ρ=.17) und

Extraversion (ρ=.14) und negativ mit Neurotizismus (ρ = -.10)

- Ein Laissez-Faire-Stil korreliert negativ mit Freundlichkeit (ρ = -.12),

Gewissenhaftigkeit (ρ = -.11) und Extraversion (ρ = -.09)

- MBE-aktiv korreliert negativ mit Freundlichkeit (ρ = -.11)

Vermittelnde Variablen:

Der transaktionale Führungsstil hängt direkt mit der Leistung der Geführten

und der Innovativität der Gruppe zusammen.

Der transformationale Führungsstil wirkt sich über das „Organizational

Citizenship Behaviour“ (OVB) auf die Leistung der Geführten aus – und über

die Anregung von Debatten auf deren Innovativität!

9.2.3. Kontingenz-Ansätze

A) Das Kontingenzmodell der Führung nach Fiedler

Das Kontingenzmodell der Führung geht davon aus, dass der Führungserfolg, definiert

als die Gruppenleistung, sowohl vom Führungsstil (Aufgaben- vs.

mitarbeiterorientiert) als auch von Merkmalen der Situation abhängig ist; maximal ist

der Erfolg, wenn beides (Führungsstil und Situation) aufeinander abgestimmt sind.

Der Führungsstil wird über die „Least-preferred-Coworker“-Skala (von

Fiedler) erfasst; dabei soll der Vorgesetzte seinen schlechtesten Mitarbeiter

anhand von 18 bipolaren Adjektiven beurteilen.

Beurteilt er ihn noch relativ positiv (positive LPC-Werte), ist er

mitarbeiterorientiert. Beurteilt er ihn dagegen sehr negativ, ist er

aufgabenorientiert.

Die Führungssituation wird anhand von 3 Dimensionen beschrieben:

1. Führer-Mitarbeiter-Beziehung (gut vs. schlecht)

2. Aufgabenstruktur (strukturiert vs. unstrukturiert)

3. Positionsmacht des Vorgesetzten (hoch vs. niedrig)

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Aus der Kombination dieser Dimensionen ergeben sich 8 verschiedene

Führungssituationen:

1. Bei guter Beziehung, starker Aufgabenstrukturierung und viel Positionsmacht

(z.B. Arbeitsgruppe in der Produktion) ist ein aufgabenorientierter Führungsstil

am erfolgreichsten.

2. Bei guter Beziehung, starker Aufgabenstrukturierung und wenig

Positionsmacht (z.B. Basketballteam) gilt dasselbe (=> Aufgabenorientierung)

3. Bei guter Beziehung, geringer Aufgabenstrukturierung und viel Positionsmacht

(z.B. militärischer Planungsstab) ebenfalls (=> Aufgabenorientierung)

4. Anders ist es bei guter Beziehung, geringer Aufgabenstrukturierung und wenig

Positionsmacht (z.B. in einem Forschungsteam) – hier ist ein

mitarbeiterorientierter Führungsstil am erfolgversprechendsten!

5. Bei schlechter Beziehung, starker Aufgabenstrukturierung und viel

Positionsmacht empfiehlt sich ebenfalls ein mitarbeiterorientierter

Führungsstil.

6. Dasselbe gilt bei schlechter Beziehung, starker Aufgabenstrukturierung und

wenig Positionsmacht (=> Mitarbeiterorientierung).

7. Bei schlechter Beziehung, geringer Aufgabenstrukturierung und viel

Positionsmacht sind der mitarbeiter- und der aufgabenorientierte Führungsstil

in etwa gleich erfolgreich.

8. Bei schlechter Beziehung, geringer Aufgabenstrukturierung und wenig

Positionsmacht ist dagegen ein aufgabenorientierter Führungsstil am

erfolgversprechendsten.

Zusammenfassung:

Bei guter Beziehung ist, außer bei geringer Aufgabenstrukturierung und wenig

Positionsmacht, immer der aufgabenorientierte Führungsstil der bessere.

Bei schlechter Beziehung ist dagegen meist der mitarbeiterorientierte

Führungsstil erfolgreicher. Die einzigen Ausnahmen bilden Situationen mit

schwacher Aufgabenstrukturierung und viel bzw. wenig Positionsmacht. In

ersterem Fall sind die beiden Führungsstile äquivalent, in letzterem ist ein

aufgabenorientierter Führungsstil effektiver.

Interventionsmöglichkeiten:

A) Den eigenen Führungsstil kennen- und flexibilisieren lernen (= Anpassung des

Führungsstils an die Situation)!

B) Die Situation so gestalten, dass sie zum Führungsstil passt (= Anpassung der

Situation an den Führungsstil)!

Kritische Würdigung:

Nachteile:

Atheoretische Konzeption

Unreliable und wenig valide Messung des Führungsstils (LPC)

Ablösung des Michigan-Modells vom Ohio-State-Modell, sofern Aufgaben-

und Personenorientierung nicht als unabhängige Faktoren, sondern als zwei

Pole derselben Dimension betrachtet werden!

Willkürliche Auswahl der 3 Situationsparameter

Situationsparameter sind nicht unabhängig voneinander

Einseitiges Erfolgskriterium (=Gruppenleistung)

Fiedlers Befunde konnten bisher kaum repliziert werden!

Vorteil:

Historischer Verdienst, sofern Fiedler erstmals die Bedeutung von situativen

Moderatoren betont hat!

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B) Entscheidungsstil-Modell von Vroom & Yetton

Das Entscheidungsstil- bzw. Vroom-Yetton-Modell gibt vor, in welchen Situationen

welcher Entscheidungsstil zulässig bzw. besonders effektiv ist. Zu diesem Zweck wird

je nach Grad der Mitarbeiter-Partizipation zwischen 5 Entscheidungsstilen und 13

verschiedenen Entscheidungssituationen bzw. Problemtypen unterschieden. Letztere

ergeben sich dabei aus der Kombination von 7 dichotomen Merkmalen.

Die 5 Entscheidungsstile sind:

A I: Autoritäre Alleinentscheidung des Vorgesetzten auf Grundlage der

verfügbaren Informationen. Die Mitarbeiter werden weder nach Informationen,

noch nach ihrer Meinung gefragt.

A II: Autoritäre Alleinentscheidung des Vorgesetzten, die sich jedoch auf

Informationen von Mitarbeitern stützt.

C I (Konsultative Entscheidung, Typ I): Entscheidung erfolgt nach vorheriger

Beratung mit einzelnen Mitarbeitern, wobei diese nicht nur nach

Informationen, sondern auch nach ihrer Meinung und Lösungsvorschlägen

gefragt werden.

C II: (Konsultative Entscheidung, Typ II): Entscheidung erfolgt nach einer

Gruppenbesprechung, im Rahmen derer nicht nur Infos, sondern auch

Meinungen und Lösungsvorschläge ausgetauscht werden.

G II (Gruppenentscheidung): Der Vorgesetzte moderiert zwar den Prozess

der Entscheidungsfindung – getroffen wird die Entscheidung aber

gemeinschaftlich, d.h.: von der gesamten Gruppe!

Welcher Entscheidungsstil angebracht ist, hängt von den folgenden

7 Situationsmerkmalen ab:

1. Ist die Qualität der Entscheidung wichtig?

2. Sind genügend Informationen vorhanden, um eine fundierte Entscheidung zu

treffen?

3. Ist das Problem strukturiert?

4. Ist die Akzeptanz der Mitarbeiter bedeutsam für die Umsetzung der

Entscheidung?

5. Würde eine Alleinentscheidung des Vorgesetzten akzeptiert werden?

6. Werden die Organisationsziele, die durch die Entscheidung erreicht werden

sollen, von den Mitarbeitern akzeptiert?

7. Werden potenzielle Lösungen zu Konflikten zwischen Mitarbeitern führen.

In Abhängigkeit von der Ausprägung dieser Merkmale ergeben sich

13 verschiedene Problemtypen bzw. Entscheidungssituationen (Ent-

scheidungsbaum), in denen jeweils unterschiedliche Entscheidungsstile zulässig

sind und für die immer ein Entscheidungsstil am effektivsten ist (Modell A).

Für wenig bedeutsame Entscheidungen, die auch dann akzeptiert werden, wenn

sie alleine getroffen werden bzw. deren Akzeptanz für die Ausführung nicht

wichtig ist, ist z.B. der Stil A I am effektivsten.

Empirische Befunde:

Vorgesetzte entscheiden v.a. dann partizipativ, wenn…

a) die Qualität der Entscheidung wichtig ist!

b) die Entscheidung eine hohe Akzeptanz bzw. ein hohes Commitment erfordert!

c) ihnen wichtige Informationen fehlen!

Frauen führen generell partizipativer als Männer!

Je höher die Managementebene, desto partizipativer der Entscheidungsstil!

Das Vroom-Yetton-Modell ist empirisch gut bewährt:

Die Wahl eines zulässigen Entscheidungsstils führt zu einer signifikanten

Erhöhung der Erfolgswahrscheinlichkeit!

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Stimmt die Führungskraft mit dem Vroom-Yetton-Modell überein, ist der

Anteil produktiver Arbeit signifikant größer als bei Nichtübereinstimmung;

dasselbe gilt für Arbeitszufriedenheit und Zufriedenheit mit der Führungskraft!

Kritische Würdigung:

Nachteile:

Modell stellt hohe Anforderungen an die Führungskraft, sofern diese zu einer

validen Beurteilung der Entscheidungssituation in der Lage sein muss.

Autoritäre Ideologie

Vorteil:

Empirisch gut belegt!

C) Der Reifegradansatz von Hersey & Blanchard

Dem Reifegradansatz zufolge muss der Führungsstil an den Reifegrad der geführten

Mitarbeiter angepasst werden. Es wird daher zwischen 4 Führungsstilen (S1-S4)

unterschiedenen, denen auf Seiten der Mitarbeiter jeweils ein spezifischer Reifegrad

(R1-R4) entspricht.

Die beiden Dimensionen, anhand derer die Führungsstile unterschieden werden, sind

zum einen dirigierendes-, zum anderen sekundierendes Verhalten; ersteres dient der

Anleitung und ist insofern eher aufgabenorientiert; letzteres dient der Unterstützung

und ist insofern eher mitarbeiterorientiert.

R1 S1 („Dirigieren“): Sind die Mitarbeiter unfähig und unmotiviert oder

unsicher (R 1 = geringer Reifegrad), ist es notwendig, genaue Instruktionen zu

geben und deren Ausführung zu überwachen; der Führende sollte also ein hohes

Maß an Anleitung und ein geringes Maß an Unterstützung an den Tag legen (S1

= dirigierendes Führungsverhalten).

R2 S2 („Trainieren“): Sind die Mitarbeiter unfähig, aber motiviert oder

zuversichtlich (R 2 = geringe bis mäßige Reife), ist dagegen sowohl ein hohes

Maß an Anleitung, als auch ein hohes Maß an Unterstützung erforderlich; d.h.:

Entscheidungen sollten erläutert werden und die Mitarbeiter sollten Gelegenheit

bekommen, nachzufragen (S2 = trainierendes Führungsverhalten).

R3 S3 („Partizipieren“): Sind die Mitarbeiter fähig, aber unmotiviert oder

unsicher (R 3 = mäßige bis hohe Reife), sollte die Unterstützung hoch und die

Anleitung gering sein; d.h.: der Führende sollte die Mitarbeiter an der

Entscheidungsfindung teilhaben lassen (S3 = partizipatives Führungsverhalten).

R4 S4 („Delegieren“): Sind die Mitarbeiter fähig und motiviert oder

zuversichtlich (R4 = hoher Reifegrad), kann sowohl die Unterstützung als auch die

Anleitung auf ein Minimum beschränkt werden; den betreffenden Mitarbeitern

kann also die Verantwortung für Entscheidungen und deren Implementierung

übertragen werden ( S4 = delegierendes Führungsverhalten)

Page 94: Abo

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9.2.4. Theorie der Führungssubstitute

Die Theorie der Führungssubstitute geht davon aus, dass Führung durch strukturelle

Gegebenheiten ersetzt, neutralisiert oder verstärkt werden kann.

Differenzierung:

Strukturelle Merkmale, die das Führungsverhalten ersetzen, weil sie dieselbe

Wirkung haben, werden als Substitute bezeichnet (ist z.B. bei professioneller

Orientierung und Kontrolle der Fall).

Strukturelle Merkmale, die das Führungsverhalten neutralisieren, weil sie

dessen Wirkung entgegenstehen, werden als Neutralisierer bezeichnet (ist

z.B. bei sabotierenden Gruppennormen und Feedback der Fall).

Strukturelle Merkmale, die die Wirkung des Führungsverhaltens verstärken,

werden als Verstärker bezeichnet (ist z.B. bei unterstützenden

Gruppennormen und Feedback)

Strukturelle Merkmale, deren Auswirkung durch Führung verstärkt wird,

werden als Supplements bezeichnet.

Merkmale, die einen Einfluss auf die Wirksamkeit von Führung haben:

A) Merkmale der Geführten:

- „Fähigkeit, Erfahrung, Übung und Wissen“ können eine

aufgabenorientierte Führung ersetzen, nicht aber das Prinzip der

Verstärkung oder eine beziehungsorientierte Führung!

- „Das Bedürfnis nach Unabhängigkeit“ kann den Einfluss von

Vorgesetzten extrem reduzieren und steht damit sämtlichen Formen von

Führung im Wege (=Neutralisierer)!

- Eine „professionelle Orientierung“ der Mitarbeiter (v.a. bei Experten weit

verbreitet) kann beispielsweise die Kontrolle durch einen Vorgesetzten

vollständig ersetzen (=Substitut)!

- „Gleichgültigkeit gegenüber Belohnungen durch die Organisation“ behindert ebenfalls sämtliche Formen von Führung (=Neutralisierer).

B) Merkmale der Aufgabe:

- „Eindeutige und routinemäßige Aufgaben“ ersetzen eine

aufgabenorientierte Führung (Substitut)!

- „Aufgabeninhärente Leistungsrückmeldung“ ersetzt eine positive

Verstärkung durch den Vorgesetzten (Substitut).

- „Intrinsisch befriedigende Aufgaben“ ersetzen eine beziehungsorientierte

Führung und Belohnungen durch den Vorgesetzten (Substitut).

C) Merkmale der Arbeitsgruppe bzw. Organisation:

- „Stark formalisierte Ziele und Zuständigkeitsbereiche“ ersetzen eine

aufgabenorientierte Führung (Substitut).

- Dasselbe gilt für „inflexible Rahmenbedingungen“ (rigide Regeln und

Verfahren).

- Eine hohe „Kohäsion der Arbeitsgruppe“ kann die Führung durch einen

Vorgesetzten entweder ersetzen (Substitut), sie verstärken (Verstärker)

oder ihr im Wege stehen (Neutralisierer).

Ein Fragebogen, mit dem die genannten strukturellen Merkmale erfasst werden

können, ist die „Substitutes for Leadership“-Skala. Sie umfasst 13 Skalen (s.o.:

z.B. „Fähigkeit, Erfahrung, Übung und Wissen“) und 41 Items.

Beispielitem: „Ich habe genug Übung und Fachwissen, um mit den meisten

Situationen, die mir im Rahmen meines Jobs begegnen, adäquat umzugehen.“

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95

Überwindung ineffektiver Führung: Eine ineffektive Führung kann nach dem

Modell 2 Ursachen haben: Entweder das Führungsverhalten ist inadäquat oder die

strukturellen Merkmale sind ungünstig.

Je nachdem, was von beidem der Fall ist und wie die jeweiligen

Rahmenbedingungen sind, gibt es folgende Lösungsmöglichkeiten:

1. Ersetzen des Führers (wenn möglich und aufgrund problematischer

Eigenschaften begründet)

2. Training des Führers (wenn möglich und aufgrund problematischer

Verhaltensweisen begründet)

3. Schaffung von Substituten (wenn das Problem im Verhalten und den

Eigenschaften des Führers begründet liegt)

4. Eliminierung von Neutralisierern + Schaffung von Verstärkern

9.2.5. Leader-Member-Exchange-Theorie (LMX-Theorie)

Die Leader-Member-Exchange-Theorie bzw. Theorie der Führungsdyaden basiert im

Wesentlichen auf 2 Annahmen:

Da das Verhalten einer Führungskraft nicht für alle Mitarbeiter gleich ist, lassen

sich keine generalisierten Aussagen über die Beziehung zwischen der

Führungskraft und den Mitarbeitern treffen. Stattdessen müssen die dyadischen

Beziehungen zu den einzelnen Mitarbeitern ins Auge gefasst werden.

Dabei gilt: Je enger bzw. partnerschaftlicher diese dyadischen Beziehungen sind,

desto besser ist die Leistung, die Arbeitszufriedenheit und das Commitment der

betroffenen Mitarbeiter.

Die Leader-Member-Exchange-Theorie hat im Laufe ihrer Entwicklung mehrere

Entwicklungsstadien durchlaufen:

Stadium 1: Die Vertical-Dyad-Linkage-Theorie (VDL) ist eine Vorläufertheorie

der LMX-Theorie; sie besagt, dass die Beziehung einer Führungskraft zu ihren

Mitarbeitern nicht über alle Mitarbeiter generalisiert werden kann, sondern von

Mitarbeiter zu Mitarbeiter variiert. Kurz: FK bauen zu ihren MA unterschiedliche

Beziehungen auf!

Nur so lässt es sich z.B. erklären, dass unterschiedliche Mitarbeiter dieselbe

Führungskraft z.T. ganz unterschiedlich beschreiben.

Stadium 2: Die LMX-Theorie besagt, dass die Art der dyadischen Beziehungen

Konsequenzen für die Organisation hat. Genauer: Je enger die dyadischen

Beziehungen zwischen einer Führungskraft und den einzelnen Mitarbeitern sind,

desto besser ist deren jeweilige Leistung.

Stadium 3: Der Begriff „Leadership Making“ stellt eine Weiterentwicklung der

LMX-Theorie dar; er verweist auf die Tatsache, dass sich dyadische Beziehungen

über die Zeit hinweg entwickeln. Die Führungskraft muss sich daher aktiv darum

bemühen, im Lauf der Zeit zu möglichst jedem Mitarbeiter eine „reife“

(=förderliche) Beziehung aufzubauen.

Stadium 4: Der Begriff „Team Making“ stellt eine weitere Ergänzung zur LMX-

Theorie dar; er verweist auf den Umstand, dass die dyadischen Beziehungen

zwischen der Führungskraft und ihren Mitarbeitern jeweils im Kontext der anderen

Beziehungen stehen und insofern nicht unabhängig voneinander betrachtet werden

können. Ins Auge gefasst werden müssen vielmehr Kollektive als Ansammlungen

von Dyaden.

Page 96: Abo

96

Der Begriff „Leadership Making“ verweist auf die zeitliche Entwicklung

dyadischer „Leader-Member“-Beziehungen; dabei wird zwischen 3 Stadien

unterschieden: im ersten sind sich die Führungskraft und der Mitarbeiter noch

„fremd“, im zweiten Stadium lässt sich ihr Beziehung als „Bekanntschaft“ und im

dritten als „reife Partnerschaft“ beschreiben.

„Leader-Member-Exchange“: Während der Austausch zwischen FK und MA im

ersten Stadium noch gering ist, nimmt er in den beiden folgenden Stadien

sukzessive zu.

Zeitspanne der Reziprozität: Dasselbe gilt für die Zeitspanne der Reziprozität.

Einfluss: Auch der wechselseitige Einfluss ist im Anfangsstadium am geringsten

und in der „reifen Partnerschaft“ am größten.

Führungsstil: Der Führungsstil wandelt sich von einem rein transaktionalen Stil

über eine Mischung aus transaktionalen und transformationalen Stilelementen hin

zu einem transformationalen Stil.

Der LMX 7 ist ein Fragebogen zur Erfassung der Beziehungsstufe bzw. des „Leader-

Member-Exchange“; er umfasst 7 Items, die anhand einer 5-stufigen Skala zu

beantworten sind, und liegt in zwei Versionen vor, nämlich einer für Vorgesetzte und

einer für Mitarbeiter.

Beispielitems:

„Do you know, where you stand with your leader?” – “Does your member

usually know, where he or she stands with you?”

“How well does your leader recognize your potential?” – “How well do you

recognize the potential of your member?”

Korrelationen:

Hohe LMX-Werte korrelieren positiv mit…

- Zufriedenheit mit der Führung: r = .62

- Arbeitszufriedenheit: r = .46

- Leistungseinschätzung durch Vorgesetzten: r = .41

- Commitment: r =. 35

- Rollenklarheit: r = .34

- Leistungseinschätzung durch Kollegen: r = .28

Hohe LMX-Werte korrelieren negativ mit…

- Kündigungsabsicht: r = -.28

- Rollenkonflikten: r = -.26

Kritik:

LMX 7 misst weniger die Interaktion zwischen FK und MA, als vielmehr das

Ergebnis dieser Interaktion!

Die Konstruktvalidität von LMX ist problematisch:

a) Dass hohe LMX-Werte mit guten Leistungen zusammenhängen, muss

nicht auf eine gute Beziehung zwischen FK und MA zurückgeführt

werden, sondern kann auch daran liegen, dass sich die MA für das starke

Engagement des Vorgesetzten einfach revanchieren möchten; ihr erhöhter

Arbeitseifer wäre demnach eine Folge von Gerechtigkeitserwägungen!

b) Bei besonders hohen LMX-Werten sind kontraproduktive Abhängigkeiten

wahrscheinlich, unter denen insbesondere die Innovationskraft im Team

leidet. Der Zusammenhang zwischen LMX und Leistung ist insofern wohl

eher kurviliniear als linear!

Page 97: Abo

97

9.2.6. Führen durch Ziele („Management by Objectives“)

„Führen durch Ziele“ („Management by objectives“) ist eine transaktionale

Führungsmethode, die sich auf der Zielsetzungstheorie von Locke & Latham stützt

Letztere geht davon aus, dass die Leistung der Mitarbeiter dann am größten ist, wenn

ihnen spezifische und herausfordernde Ziele gesetzt werden (s.o.).

Beim „Management by Objectives“ wird davon ausgegangen, dass die

Zufriedenheit, Motivation und Leistung der Mitarbeiter v.a. von den folgenden 3

Größen abhängen:

1. Der Zielsetzung

2. Dem Feedback

3. Der Partizipation (bei der Zielvereinbarung)

Den Kern der MbO-Methode bilden dementsprechend Zielvereinbarungsgespräche

und eine regelmäßige Leistungsrückmeldung.

Die Ziele sollten dabei folgende Bedingungen erfüllen: Sie müssen…

…sein!

Von Hertel gibt’s einen Kurzfragebogen zur Erfassung der Qualität des MbO:

Beispielitems:

„Bei der Vereinbarung meiner Aufgaben und Ziele bin ich aktiv beteiligt.“

„Meine gegenwärtigen Ziele sind mit völlig klar.“

„Manche der vereinbarten Ziele stehen im Widerspruch zueinander.“

„Meine Ziele werden regelmäßig überprüft und bei Bedarf angepasst.“

Verbreitung: In Deutschland arbeiten etwa 84% der Unternehmen mit

Zielvereinbarungen, um so die Mitarbeitermotivation zu erhöhen (häufigstes Ziel), die

Erreichung der Unternehmensziele zu fördern und/oder die Qualität zu sichern.

Die am häufigsten genannten Probleme mit MbO sind:

Die Festlegung des Anspruchsniveaus

Die Feststellung des Zielerreichungsgrades

Die Koppelung der Ziele an Entgelt.

Empirische Bestätigung:

Feedback hat in Bezug auf Zufriedenheit, Motivation und Leistung eine

Effektstärke von d = .30; die Korrelation der Zielsetzung mit diesen Größen

beträgt r = .23

Feedback und Ziele haben eine gemeinsame Effektstärke von d = .63!

Page 98: Abo

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9.2.7. Sonstige Ansätze

Symbolische Führung umfasst alle Aspekte von Führung, denen eine tiefere

Bedeutung beigemessen werden kann. Ziel symbolischer Führung ist es, mit diesen

Aspekten (z.B. Kleidung, Ritualen etc.) bewusst umzugehen und sie gezielt zur

Beeinflussung der Mitarbeiter zu nutzen.

Ein Akt symbolischer Führung ist es z.B.,

dass das Büro des Chefs immer in der obersten Etage liegt.

dass der Chef besonders auf seine Ausdrucksweise achtet.

dass der Chef seiner Sekretärin jedes Jahr einen Blumenstrauß zum Geburtstag

schenkt.

dass der Chef die bislang übliche automatische Arbeitszeiterfassung ersatzlos

streicht.

dass der Chef seine Mitarbeiter nicht schriftlich, sondern persönlich über

Kursänderungen informiert.

eine „Corporate Identity“ (z.B. durch Leitsätze, Firmenlogos, Sponsoring,

Zeremonien etc.) zu schaffen.

Gefahren:

Negative Wirkung bei bemerkter Beeinflussungsabsicht (Reaktanz)

Mehrdeutigkeit symbolischen Führungsverhaltens

Entwicklung von Leitbildern:

Erwartete Effekte eines Leitbildes:

Schaffen Vertrauen und Sinn

Erhöhen Identifikation

Verbessern interne Koordination

Geben Orientierung

Betonen Besonderheit

Anforderungen an ein Leitbild:

Mitarbeiterbeteiligung

Realisierbarkeit

Anschaulichkeit

Widerspruchsfreiheit

Gegenwärtigkeit

Erarbeitung, Handhabung und Weiterentwicklung von Leitbildern:

Beauftragung durch den Vorstand

Beteiligung möglichst vieler Organisationsmitglieder (z.B. durch eine

Mitarbeiterbefragung)

Entwicklung von Vorfassungen, die diskutiert und modifiziert werden

Graphische Gestaltung (Logos, Poster, Broschüren, Intranet)

Verabschiedung durch den Vorstand und Betriebsrat

Feierliche Einführung und Bekanntmachung

Schulung von Führungskräften und Multiplikatoren

Wiederkehrende Aktionen (Intranet, Aushänge etc.)

Anpassung aller Verfahren (Personalmanagement usw.)

Klare Reaktion auf Fehlverhalten und Verstöße

Qualitätszirkel zur Weiterentwicklung

Page 99: Abo

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Führung von unten: Nicht nur die Führenden beeinflussen die Untergebenen,

sondern auch die Untergebenen die Führenden - z.B. durch sachliche Argumentation,

Bildung von Koalitionen, Schmeichelei, Deals, die Einschaltung übergeordneter

Instanzen etc. etc.

Führung von unten nimmt gegenwärtig aus folgenden Gründen zu:

Aufgrund steigender Qualifikation und Spezialisierung sind MA ihren

Vorgesetzten häufig überlegen.

Dezentrale Arbeitseinheiten und flache Hierarchien stärken den Einfluss der

Mitarbeiter

Wertewandel: Unabhängigkeit, Gleichberechtigung, Überzeugung statt

Gehorsam etc.

Durch strukturelle Maßnahmen wird Führung von unten zumindest teilweise

institutionalisiert:

Vorschlagswesen

Flache Hierarchien

Investieren in Weiterbildungen

Betriebsräte

9.2.8. Zusammenfassung: Was trägt bei zu guter Führung?

Intelligenz, Extraversion, Verträglichkeit, emotionale Stabilität und Offenheit

(eigenschaftsorientierter Ansatz)

Aufgaben- und Mitarbeiterorientierung schließen einander nicht aus

(verhaltensorientierte Ansätze)

Berücksichtigung von Partizipation (situative Ansätze)

Berücksichtigung der Interessen und Bedürfnisse der Mitarbeiter (LMX,

transaktionale Führung)

Visions- und Inspirationskraft, Begeisterungsfähigkeit, Vorbildwirkung

(transformationale Führung)

Vereinbarungen eindeutiger und herausfordernder Ziele inklusive Leistungsfeedback

(MbO)

Berücksichtigung des organisationalen Kontextes (Substitute der Führung,

systemische Ansätze)

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10.1. Allgemeines

10.1.1. Begriffsklärung:

Definitionen: Unter sozialer Interaktion versteht man die wissentliche oder

unabsichtliche Einwirkung verschiedener Personen aufeinander; Kommunikation ist

dagegen als Übermittlung oder Austausch von Informationen definiert.

Kommunikation bildet demnach eine Teilmenge der Interaktion.

Das Sender-Empfänger-Modell ist das wohl bekannteste Kommunikationsmodell:

Es geht davon aus, dass im Rahmen von Kommunikation Informationen von einem

Sender auf einen Empfänger übertragen werden.

Graphische Veranschaulichung:

Zu diesem Zweck müssen die betreffenden Informationen von Sender zunächst

enkodiert, d.h. in kommunizierbare Botschaften transformiert werden.

Übermittelt werden Botschaften über sog. Kanäle bzw. Medien (z.B. verbal –

nonverbal; schriftlich – mündlich usw.).

Um verstanden zu werden, müssen (sprachliche und nichtsprachliche)

Botschaften vom Empfänger zunächst dekodiert werden.

Da der Kommunikationsprozess i.d.R. nicht einseitig ist, sind Empfänger und

Sender über eine Feedbackschleife verbunden.

Sprechakttheoretische Erweiterungen:

Nach Schulz von Thun enthält jede Nachricht vier Botschaften bzw. „Seiten“:

1) den Sachinhalt

2) einen Appell

3) eine Selbstoffenbarung und

5) eine Beziehungsbotschaft

Neubergers TALK-Modell unterscheidet ebenfalls zwischen 4 Aspekten:

- T atsachen (es ist…)

- A usdruck (ich bin…)

- L enkung (du sollst…)

- K lima (wir sind…)

Damit Kommunikation gelingt, müssen sowohl auf Sender- als auch auf

Empfängerseite bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein.

Sender:

- Beziehungsebene: Wertschätzung

- Sachebene: Verständlichkeit durch einfache, strukturierte und

empfängerorientierte Formulierungen

- Selbstoffenbarung: selektive Authentizität, Ich-Botschaften

- Appellebene: Vermeidung von versteckten, paradoxen oder unklaren

Appellen

10. Kommunikation in Organisationen

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Empfänger:

- Aktives Zuhören: Empathie, Betrachtung aller vier Facetten, gezieltes

Rückfragen

- Konstruktives Feedback

- Metakommunikation

Kommunikation in Organisationen:

dient nicht zuletzt der Reduktion von Unsicherheit und Mehrdeutigkeit.

Zu unterscheiden ist dabei zwischen formeller Kommunikation (die losgelöst von

Individuen ist und i.d.R. zwischen verschiedenen Hierarchieebenen abläuft) und

spontaner, informeller Kommunikation (die auf gleicher Ebene abläuft).

Die beiden Formen unterscheiden sich u.a. bezüglich ihres Kontexts (formale

Kommunikation findet in offiziellen Räumen statt), ihrer Richtung (vertikal vs.

horizontal), ihrer Verbindlichkeit, Sorgfalt (Alltagssprache vs. formeller Ton)

und Zuordenbarkeit (informelle Kommunikation lässt sich häufig keiner

eindeutigen Quelle zuordnen, z.B. bei Gerüchten).

Je nach Grad der Zentralisierung lassen sich drei (formale)

Kommunikationsstrukturen in Unternehmen unterscheiden:

1. Das „Rad“ ist dadurch

gekennzeichnet, dass alle

Mitarbeiter über eine Stelle

(i.d.R. den Vorgesetzten)

kommunizieren.

2. Die „Kette“ ist dadurch

gekennzeichnet, dass die

Kommunikation hier-

archisch strukturiert ist; in

ihrer Reinform ist diese

Struktur so angelegt, dass

nur Mitarbeiter auf

benachbarten Hierarchie-

ebenen miteinander kom-

munizieren können.

3. Die „Totale“ ist eine

dezentralisierte Kommuni-

kationsstruktur, die da-

durch gekennzeichnet ist,

dass jeder mit jedem

kommuniziert.

Welche Kommunikationsstruktur am effektivsten ist, hängt von der

Aufgabenschwierigkeit ab:

Je komplexer die zu bewältigenden Aufgaben sind, desto besser sind

dezentralisierte Kommunikationsstrukturen (die „Totale“).

Bei einfach zu bewältigenden Aufgaben ist es dagegen umgekehrt: hier sind

zentralisierte Kommunikationsformen (das „Rad“ oder die „Kette“) am

effektivsten!

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10.1.2. Medienwahl

Zur Übermittlung von Informationen stehen verschiedene Kommunikationsmedien

(Telefon, Emails, Briefe, schwarzes Brett, Face-to-Face-Gespräche etc.) zur

Verfügung:

Die verschiedenen Kommunikationsmedien lassen sich dabei anhand folgender

Eigenschaften unterscheiden:

Geschwindigkeit (synchrone- vs. asynchrone Medien)

Kodevielfalt

Dokumentation (schriftliche- vs. mündliche Medien)

Technikabhängigkeit

Formalitätsgrad

Breitenwirkung („many-to-many“; „one-to-many”; „one-to-one”)

Besonderheiten

Die Theorie der medialen Reichhaltigkeit (von Trevino et al.) geht davon aus, dass

sich verschiedene Medien v.a. im Hinblick auf ihre „Reichhaltigkeit“ unterscheiden.

Letztere sollte somit das zentrale Kriterium bei der Auswahl von Medien sein.

Ein Medium ist umso reichhaltiger, je…

schneller eine Rückmeldung erfolgen kann

mehr Kanäle zur Verfügung stehen

vielfältiger die verwendbaren Kodes sind (Intonation, Gestik, Mimik etc.)

stärker sich die Kommunikation individuell prägen lässt!

Anhand ihrer Reichhaltigkeit lassen sich die wichtigsten, in Organisationen

verwendeten Medien in die folgende Reihenfolge bringen:

Implikationen für die Medienwahl:

Je höher die Interdependenz, desto häufiger sollte kommuniziert werden.

Je komplexer ein Thema oder eine Aufgabe bzw. je größer die kulturelle oder

berufsbezogene Heterogenität ist, desto reichhaltiger sollte das gewählte

Medium sein.

Umgekehrt gilt: Je einheitlicher die Ansichten und je klarer die Ziele, desto

einfacher kann das Medium sein.

Wenn reichhaltige Medien nicht erforderlich sind, sollte das am leichtesten

verfügbare Medium gewählt werden.

Verbleibende Wahlmöglichkeiten hängen von persönliche Vorlieben ab.

Emails:

sind geeignet…: - f. d. Weitergabe von Namen, Adressen, Daten, Abbildungen

Listen usw.

- für einfache Fragen und einfache Antworten (z.B.

Terminvereinbarungen)

- zum Protokollieren mündlicher Vereinbarungen

- bei schwieriger, sprachlicher Verständigung (z.B. in einer

Fremdsprache, bei rechtlichen Fragen etc.)

- nach mehreren fehlgeschlagenen Versuchen, jemanden

telefonisch zu erreichen

- bei mehreren Empfängern

sind ungeeignet…: - bei persönlichen Konflikten

- dringenden Nachrichten

Page 103: Abo

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Problem der Kommunikationsüberflutung:

Eine deutsche Führungskraft bekommt durchschnittlich zwischen 150 und 200

Emails pro Tag (ohne Spam!) – ihre Bearbeitung dauert mindestens 2 h!

Selbst Angestellte in verantwortungsvoller Position haben im Schnitt nicht mehr

als 11 Minuten am Stück, um sich einer bestimmten Aufgabe zu widmen (Gründe

für Unterbrechungen: Emails, Anrufe, Instant Messenger-Nachrichten von

Kollegen etc.); bis sie ihre Gedanken wieder gesammelt haben, dauert es 8

Minuten (so dass nur 3 Minuten für eine effektive Auseinandersetzung bleiben)

Unterbrechungen haben massive Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit. Sie

wirken sich stärker auf die Punktzahl in einem IQ-Test aus als der Konsum von

Marihuana!

10.2. Soziale Konflikte

10.2.1. Begriffsklärung

Definition: Soziale Konflikte sind Interaktionen zwischen Akteuren, die dadurch

zustande kommen, dass mindestens ein Akteur sich durch den jeweils anderen

beeinträchtigt sieht.

Folgende Konflikttypen lassen sich unterscheiden:

1. Bewertungskonflikte: basieren darauf, dass die Bedeutsamkeit eines Ziels von

den Konfliktparteien unterschiedlich bewertet wird.

2. Beurteilungskonflikte: basieren darauf, dass sich die Konfliktparteien darüber

uneinig sind, wie ein bestimmtes Ziel am besten zu realisieren ist.

3. Verteilungskonflikte: beziehen sich auf die Verteilung knapper Güter (z.B.

Geld, Anerkennung etc.)

4. Beziehungskonflikte: basieren darauf, dass sich eine Partei durch eine andere

Partei herabgesetzt oder zurückgewiesen fühlt.

Folgen von Konflikten:

Konflikte korrelieren negativ mit Zufriedenheit.

Der Einfluss, den Beziehungskonflikte auf die Zufriedenheit haben (r = -54),

ist dabei deutlich stärker als der von Aufgabenkonflikten (r = -.32).

Konflikte korrelieren negativ mit der Leistung, allerdings ist dieser

Zusammenhang a) nicht so stark wie der zur Zufriedenheit und b) bei Aufgaben-

und Beziehungskonflikten in etwa gleich ausgeprägt.

Aufgabenkonflikte und Leistung: r = -.23 (mögliche Moderatoren sind dabei:

die Aufgabenkomplexität, die Art der Interdependenz (kooperativ vs.

kompetitiv) und das generelle Teamklima (offen vs. verschlossen)

Beziehungskonflikte und Leistung: r = -.22

10.2.2. Mechanismen der Konflikteskalation

Friedrich Glasl unterscheidet 9 Stufen der Konflikteskalation und ordnet sie 3

Ebenen zu.

Die 3 Konfliktebenen: Während auf der ersten Ebene, die die ersten 3 Stufen

umfasst, noch beide Parteien gewinnen können („win-win“-Situation), hat sich

der Konflikt auf der zweiten Ebene bereits so zugespitzt, dass er nur beendet

werden kann, wenn eine der beiden Parteien verliert („win-lose“-Situation); auf

der letzten Ebene, die die letzten 3 Stufen umfasst, verlieren beide Parteien („lose-

lose“-Situation).

Page 104: Abo

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Die 9 Eskalationsstufen:

1. „Verhärtung“: Auf der ersten Stufe bestehen noch keine eindeutigen Lager

und die Beteiligten haben noch die Überzeugung, die Spannungen durch

gemeinsame Gespräche lösen zu können; die Positionen verhärten sich

allerdings zunehmend.

2. „Polarisation und Debatte“: Auf der zweiten Stufe schreitet die Polarisation

im Denken, Fühlen und Wollen weiter voran; die Übereinstimmungen werden

weniger (Schwarz-Weiß-Sicht), die verbalen Auseinandersetzungen härter und

es bilden sich eindeutige Lager.

3. „Taten statt Worte“: Die Empathie geht verloren und die Kommunikation wird

abgebrochen – stattdessen versucht man, den Gegner vor vollendete Tatsachen

zu stellen.

4. „Sorge um Image und Bildung von Koalitionen“: Die Parteien werben um

Anhänger; zu diesem Zweck werten sie sich selbst auf – und die jeweils andere

Partei massiv ab (Denunziation). Es geht nicht mehr nur darum, den Konflikt

zu gewinnen, sondern zunehmend darum, dass die Gegenpartei verliert.

5. „Gesichtsverlust“: Auf der fünften Stufe kommt es zu einer Ideologisierung

des Konflikts, es erfolgen öffentliche und direkte Angriffe, die auf den

Gesichtsverlust des Gegners zielen; gemeint ist damit der Verlust der

moralischen Glaubwürdigkeit.

6. „Drohstrategien“: Es werden Drohungen und Ultimaten ausgesprochen, die

den Konflikt beenden sollen, aber letztlich nur zu dessen Beschleunigung

beitragen.

7. „Begrenzte Vernichtungsschläge“: Es wird gezielt versucht, dem Gegner

Schaden zuzufügen; dabei wird eigener Schaden, sofern er nur kleiner ist als

der der Gegenseite, bereits als Gewinn angesehen.

8. „Zersplitterung“: Ziel ist die Zerstörung des Gegners und die Begrenzung des

eigenen Schadens.

9. „Gemeinsam in den Abgrund“: Ab hier wird für eine Vernichtung des

Gegners auch der eigene Untergang in Kauf genommen; es wird also keine

Rücksicht mehr auf eigene Verluste genommen!

Wichtige Eskalationsmechanismen:

Kontrahenten entwickeln gegensätzliche selbstwertdienliche Ansichten, wie und

wann der Konflikt begonnen hat, sprich: die Schuld wird dem Anderen

zugeschrieben!

Zunehmende Projektion eigener Probleme auf den Gegner

Ausweitung des Konflikts durch zusätzliche Streitpunkte

Zunehmende Verflechtung der Streitpunkte

Ausweitung des Konflikts durch Einbeziehung Außenstehender

Drohungen sind als Bremse intendiert – wirken aber meist eskalierend!

„win-win“

„win-lose“

„lose-lose“

Page 105: Abo

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10.2.3. Gemischtes zum Konfliktmanagement

Unter Konfliktmanagement werden sowohl präventive als auch intervenierende

(=korrigierende bzw. schlichtende) Maßnahmen verstanden.

Präventive Maßnahmen zur Vermeidung von Konflikten:

Schaffung gemeinsamer Aufgaben und Ziele

Training und Belohnung kooperativer Verhaltensweisen

Vermeidung unnötiger Abhängigkeiten und Koordinationszwänge

Klare Zuständigkeitsverteilung

Partizipation aller Beteiligten

Erhöhung von Handlungsspielräumen

Angleichung potenzieller Konfliktparteien durch regelmäßigen Kontakt, Selektion

und gleichberechtigte Information

Konfliktdiagnose:

Gegenstand: Um welche Angelegenheiten geht es? Kennen die Beteiligten die

Belange der Gegenseite?

Verlauf: Kritische Ereignisse? Wendepunkte? Intensivierung?

Parteien: Wer ist involviert? Kernpersonen? Koalitionen? Intedependenz der

Parteien?

Beziehungen und Kontext: Formelle und informelle Beziehungen der Parteien?

Organisationaler Kontext?

Einstellungen der Beteiligten zum Konflikt?

Präventive Maßnahmen zur Verhinderung einer weiteren Eskalation:

Nicht persönlich werden, sondern auf der Sachebene bleiben!

Auf persönliche Schuldzuweisungen verzichten!

Keine Gewalt gegen Personen oder Dinge!

Verzicht auf Drohungen und Vergeltungsaktionen!

Im Gespräch miteinander bleiben!

Das eigene Bild vom Gegner immer wieder überprüfen!

Schritte der Konfliktmoderation:

1. Mit den Leitungspersonen den eigenen Auftrag klären

2. Kontakt stiften: Hoffnungen und Befürchtungen abklären (siehe AEN)

3. Rollen und Vorgehen erläutern

4. Sichtweisen der Beteiligten erhellen

5. Kreative Lösungen entwickeln

6. Ausklang mit möglichst konkreten Ergebnissen sowie einer Würdigung des

Engagements der Beteiligten / Umsetzung sichern durch Transferhilfen,

Frühwarnsysteme, Krisenpläne

Mögliche Verhandlungsstrategien bei Verteilungskonflikten:

Vergrößerung des knappen Gutes

Handel komplementärer Prioritäten (tit for tat)

Neue Güter in Verhandlungsmasse

Eine Partei bekommt das Gewünschte und übernimmt dafür die Kosten der

anderen Partei

Herausarbeiten und Befriedigen der Hintergrundbedürfnisse

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11.1. Einführung

11.1.1. Allgemeines

Definition: Von eine „Gruppe“ spricht man, wenn eine Mehrzahl von Personen über

längere Zeit in direktem Kontakt zueinander steht, durch Rollendifferenzierung und

gemeinsame Normen gekennzeichnet ist und die Mitglieder durch ein „Wir-Gefühl“

(Kohäsion) miteinander verbunden sind.

Im Kontext von Organisationen spricht man von Arbeitsgruppen oder Teams.

Arbeitsgruppen sind durch gemeinsame Aufgaben gekennzeichnet und leisten

einen spezifischen Beitrag zu den Zielen der Organisation.

Teams sind tendenziell kleiner, interdependenter, funktionsdifferenzierter,

intensiver interagierend und kohäsiver.

Zur Entwicklung von Gruppen:

Die Theorie der Gruppenentwicklung von Tuckman geht davon aus, dass sich

die Entwicklung von Gruppen in 5 Entwicklungsstadien unterteilen lässt:

1. „Forming“: Phase des gegenseitigen Kennenlernens

2. „Storming“: Entwicklung einer Gruppenstruktur und Rollendifferenzierung

3. „Norming“: Entwicklung von Gruppenzielen und –normen

4. „Performing“: Ausführung der Gruppenaufgaben

5. „Adjourning“: Gruppenauflösung nach Zielerreichung oder Scheitern

Eine andere Einteilung geht von 4 Phasen aus, in deren Abfolge sich die

Befindlichkeit der Gruppe folgendermaßen verändert:

1. Orientierung: moderates Wohlbefinden

2. Klärung: Unbehagen

3. Arbeit: Wohlbefinden mit leichten Schwankungen

4. Abschied: Wohlbefinden

Die Effektivität einer Gruppe hängt u.a. mit der Dauer der Zusammenarbeit

zusammen. Sie nimmt bis zum 3. Jahr der Zusammenarbeit kontinuierlich, um

danach wieder kontinuierlich abzunehmen;

Am geringsten ist sie dementsprechend unmittelbar zu Beginn der

Zusammenarbeit und, wenn die Gruppe schon 5 oder mehr Jahre

zusammenarbeitet.

Zur Kohäsion von Gruppen:

Die Kohäsion von Gruppen hängt ab von:

Der gegenseitigen Sympathie

Dem Prestige der Gruppe

Der Instrumentalität der Gruppe zum Erreichen von Zielen

Eine hohe Kohäsion korreliert mit:

Zufriedenheit

Der Einhaltung von Normen (Konformismus)

Geringen Fehlzeiten und geringer Fluktuation

Abwertung und Stereotypisierung der Außengruppe

Der Gruppenleistung

11. Gruppenarbeit

Page 107: Abo

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Bezüglich des Zusammenhangs zwischen Kohäsion und Gruppenleistung ist

folgendes zu beachten:

Der Einfluss der Leistung auf die Kohäsion ist stärker als der Einfluss der

Kohäsion auf die Leistung!

Der Zusammenhang zwischen Kohäsion und Leistung ist stärker, wenn die

Kohäsion auf aufgabenbezogenem Commitment und nicht auf sozio-

emotionalen Aspekten (wie Sympathie oder Prestige) beruht!

Ein weiterer Moderator, der den Zusammenhang zwischen Kohäsion und

Leistung beeinflussen, ist die Zielakzeptanz innerhalb der Gruppe: Bei

geringer Akzeptanz der Gruppenziele ist der Zusammenhang zwischen

Kohäsion und Gruppenleistung nämlich nicht positiv, sondern negativ.

Unabhängig von der Kohäsion, wird die Gruppenleistung auch durch eine

partizipative Führung gesteigert.

11.1.2. Mögliche Vor- und Nachteile von Gruppenarbeit:

Mögliche Vorteile von Gruppenarbeit:

1) Komplexe Probleme können besser gelöst werden (Synergieeffekte)

2) Gemeinsame Entscheidungen werden besser akzeptiert

3) Soziale Unterstützung und Kooperation

4) Erhöhung der Arbeitszufriedenheit

5) Reduktion von Stress

6) Prozessgewinne

Social faciliation (bei einfachen Aufgaben)

Motivationsgewinne (durch Wettbewerb oder Kooperation)

Vorteile bei der Informationsverarbeitung (transaktionales Gedächtnis)

Mögliche Nachteile von Gruppenarbeit:

1) Hohe soziale Anforderungen an die Mitarbeiter zusätzlich zur fachlichen

Qualifikation

2) Konflikte innerhalb der Gruppe

3) Zusätzliche Zeit und Energie für Sozialisation, Koordination und Gruppendynamik

4) Gruppen lassen sich schwerer führen als Einzelpersonen

5) Prozessverluste

Motivationsverluste (z.B. durch soziales Faulenzen)

Informationsverarbeitungsprobleme (z.B. durch Groupthink)

Koordinationsverluste

Page 108: Abo

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11.2. Prozessgewinne und –verluste bei Gruppenarbeit

11.2.1. Prozessgewinne

Social Faciliation: Wenn andere anwesend sind und die individuelle Leistung

beurteilt werden kann, schneidet man bei leichten Aufgaben besser-, bei schwierigen

Aufgaben dagegen schlechter ab!

Mögliche Erklärungen für den „Social Faciliation“-Effekt:

Zajonc (1965): Die Gegenwart anderer führt zu einem erhöhten Triebniveau

(Arousal), durch das die Ausführung dominanter Reaktionen (= einfache und

geübte Verhaltensweisen) erleichtert wird.

Cottrell et al. (1968): Die Gegenwart anderer führt zu einem erhöhten Arousal,

weil sie mit der Erwartung einhergeht, von den anderen bewertet zu werden;

die Folge des erhöhten Arousals ist (s.o.) eine Erleichterung bzw. Erhöhung

dominanter Reaktionen.

Sanders (1981): Die Gegenwart anderer führt zu einem Ablenkungskonflikt,

der einerseits mit einem erhöhten Arousal einhergeht und auf diese Weise zu

einer Erleichterung dominanter Reaktionen führt, andererseits aber die

Aufmerksamkeit für die Aufgabe selbst reduziert, weshalb komplexere

Aufgaben, die nicht-dominante Reaktionen erfordern, bei Anwesenheit anderer

schlechter gelöst werden können (soziale Hemmung).

Empirische Belege:

Verlangt eine Aufgabe gut gelerntes Verhalten tritt bei Anwesenheit anderer

der Effekt der sozialen Erleichterung ein. Bei einem beobachtenden Publikum

fällt die Leistungsverbesserung dabei stärker aus als bei zufälligem Publikum.

Verlangt eine Aufgabe Transferverhalten, tritt bei Anwesenheit anderer der

Effekt der sozialen Hemmung ein. Auch dieser ist bei einem beobachtenden

Publikum stärker als bei einem zufälligen Publikum.

Motivationsgewinne in Gruppen:

1) Soziale Kompensation: Leistungsstärkere Gruppenmitglieder strengen sich mehr

an, um die Defizite schwächerer Mitglieder auszugleichen (das ist allerdings nur

der Fall, wenn den stärkeren Mitgliedern die Gruppenziele wichtig sind)

2) Sozialer Wettbewerb: Bei einem relativ homogenen Leistungsniveau strengen

sich die einzelnen Gruppenmitglieder mehr an, um die anderen Gruppenmitglieder

zu übertreffen!

3) Der Köhler-Effekt: äußert sich darin, dass sich schwächere Mitglieder mehr

anstrengen, um nicht für ein schlechtes Gruppenergebnis verantwortlich zu sein;

tritt v.a. bei milder Leistungsdiskrepanz und Identifizierbarkeit der

Einzelergebnisse ein!

Informationsverarbeitungsvorteile:

1) Modelllernen: Gruppenarbeit ermöglicht es, von anderen zu lernen!

2) Transaktives Gedächtnis: Gruppenarbeit ermöglicht eine effektivere, da auf

mehrere Personen verteilte, Enkodierung, Speicherung und Abrufung von

Wissens- und Gedächtnisinhalten sowie eine Nutzung unterschiedlicher

Wissensbestände, Fähigkeiten und Fertigkeiten.

Enkodierung: Gemeinsame Bedeutungsverleihung, Hervorhebung etc.

Speicherung: Koordination, wer sich welche Inhalte merkt

Abruf: Wissen darüber, wer in der Gruppe über welches Wissen verfügt

Page 109: Abo

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11.2.2. Prozessverluste I: Motivationsverluste

Motivationsverluste: Soziales Faulenzen; Free-Rider-Effekt; Sucker-Effekt

Drei Effekte werden unterschieden:

1. Soziales Faulenzen („Social loafing“): Wenn die eigene Leistung nicht

identifiziert und beurteilt werden kann, strengt sich der Einzelne weniger an

und erbringt dementsprechend schlechtere Leistungen.

* Gilt nur für einfache Aufgaben; bei schwierigen Aufgaben ist das Gegenteil

der Fall; sprich: die Leistungen gehen (wohl aufgrund fehlender

Bewertungsangst) nach oben (s.u.)!

2. Trittbrettfahren („Free-Rider-Effekt“): Wenn der eigene Beitrag zum

Gruppenergebnis nicht wichtig erscheint, strengt man sich absichtlich weniger

an.

3. Trotteleffekt („Sucker-Effekt“): Hat man den Eindruck, von den anderen

Gruppenmitgliedern ausgenutzt zu werden, strengt man sich absichtlich

weniger an.

Ob und in welchem Ausmaß die genannten Effekte auftreten, hängt von

verschiedenen Moderatorvariablen ab:

Bedeutsamkeit der Aufgabe: Soziales Faulenzen ist am stärksten, wenn der

Aufgabe keine große Bedeutsamkeit beigemessen wird (d = .90); wird der

Aufgabe dagegen eine hohe Bedeutsamkeit beigemessen, bleibt soziales

Faulenzen i.d.R. aus.

Komplexität der Aufgabe: Soziales Faulenzen tritt lediglich bei einfachen

Aufgaben auf; bei komplexen und schwierigen Aufgaben kann dagegen sogar

ein gegenteiliger Effekt eintreten; sprich: die Leistungen der Einzelnen können

nach oben gehen (vermutlich weil in der Gruppe der Leistungsdruck wegfällt!)

Erwartung bezüglich der Mitarbeiterleistung: Am stärksten ist der Effekt,

wenn eine moderate Leistung von den MA erwartet wird, am zweitstärksten,

wenn eine hohe Mitarbeiterleistung erwartet wird; ist die erwartete Leistung

der Mitarbeiter gering, bleibt soziales Faulenzen aus.

Einzigartigkeit des eigenen Beitrags: Der „Social loafing“-Effekt tritt nur auf,

wenn der eigene Beitrag zum Gruppenergebnis nicht einzigartig (= „unique“)

ist.

Bewertbarkeit der Gruppenleistung: Besteht die Möglichkeit, das

Gruppenergebnis zu bewerten, tritt kein Social Loafing auf!

Beziehung der Gruppenmitglieder: Sind die Gruppenmitglieder Freunde oder

Teamkollegen, kommt es nicht zu sozialem Faulenzen.

Geschlecht: Bei Männern fällt der Effekt stärker aus als bei Frauen!

Kultureller Hintergrund: Im westlichen Kulturkreis ist die Tendenz zu

sozialem Faulenzen ausgeprägter als in der östlichen Welt.

Studiendesign: In Laboruntersuchungen fällt der Effekt stärker aus als in

Feldstudien.

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11.2.3. Prozessverluste II: Informationsverarbeitungspathologien

Informationsverarbeitungsprobleme: Normalerweise sollte man denken, dass in

Gruppen bessere Entscheidungen getroffen werden (mehr Infos, mehr Perspektiven,

mehr Kritikpotenzial) und ihre Umsetzung aufgrund einer höheren Motivation

(Identifikation etc.) wahrscheinlicher ist; tatsächlich treten aber häufig gegenteilige

Effekte ein: nämlich „Groupthink“ und suboptimale Entscheidungen!

„Groupthink“ liegt vor, wenn durch die Geschlossenheit und Solidarität einer

Gruppe eine rationale Problemlösung verhindert wird. Anstatt ihre eigene Meinung in

die Gruppe zu tragen, passen die einzelnen Gruppenmitglieder ihre Meinung an die

vermutete Mehrheitsmeinung an (übermäßiges Streben nach Einmütigkeit); auf diese

Weise werden schlechte Entscheidungen getroffen!

Beispiele: Schweinebucht-Invasion; Vietnamkrieg; Challenger-Unglück

Das Groupthink-Modell von Schultz-Hardt unterscheidet zwischen

Randbedingungen, Symptomen und Konsequenzen von Groupthink.

Randbedingungen, die die Wahrscheinlichkeit für „Goupthink“ erhöhen

(sofern sie zu einem übermäßigen Streben nach Einmütigkeit führen), sind:

a) Eine hohe Gruppenkohäsion

b) Strukturelle Mängel

- Abschottung

- direktive Führung

- soziale und ideologische Homogenität

- keine klar geregelten Entscheidungsprozeduren

c) Provokativer Kontext (Stress, Druck von außen etc.)

Symptome von „Groupthink“ (die durch ein übermäßiges Streben nach

Einmütigkeit bedingt sind), sind:

a) Selbstüberschätzung

- Illusion der Unverwundbarkeit

- Glaube, hohe moralische Standards zu vertreten

b) Engstirnigkeit

- Kollektive Rationalisierung

- Stereotypisierung von Outgroups

c) Uniformitätsdruck

- Illusion der Einstimmigkeit

- Selbstzensur

- Druck auf Abweichler

Die Konsequenzen von „Groupthink“ sind Fehler im Entscheidungsprozess:

- Unvollständige Generierung von Alternativen

- Unvollständige Reflexion der Ziele

- Unterschätzung der Risiken der bevorzugten Alternative

- Fehlende Neubewertung anfänglich verworfener Alternativen

- Unzureichende und verzerrte Informationssuche

- Auf Selbstbestätigung ausgerichtete Informationsverarbeitung

Empirische Überprüfung des Modells:

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Strategien, um Groupthink zu vermeiden:

Zurückhaltung des Führenden: der Führende sollte v.a. keine Lösungswege

vorab favorisieren!

Offenheit für andere Meinungen: der Führende sollte die Mitglieder zum

Äußern von Kritik und alternativen Lösungsvorschlägen animieren!

Minderheitenschutz: Minderheiten muss die Möglichkeit eingeräumt werden,

vor Abschluss des Entscheidungsprozesses noch einmal ihre Meinung

darzustellen.

Heterogene Gruppen: Gruppen sollten möglichst heterogen zusammengesetzt

sein!

Vermeidung von Verantwortungsdiffusion: Alle Mitglieder sind

gleichermaßen für die Entscheidung verantwortlich!

Bildung von Subgruppen: die die verschiedenen Alternativen durchspielen.

Schaffung von Kontrollinstanzen: Einer sollte den „Advocatus Diaboli“

spielen und für die favorisierte Alternative ein Worst-Case-Szenario

entwickeln!

Beachtung der Gruppendynamik

Offenheit für Entscheidungsrevision

Kontakt nach außen: Die Gruppenmitglieder sollten die Probleme auch mit

Personen außerhalb der Gruppe diskutieren!

Suboptimale Entscheidungen bei „Hidden Profiles“:

In einer Gruppendiskussion muss zwischen geteilten- und ungeteilten

Informationen unterschieden werden. Erstere sind allen Gruppenmitglieder schon

vor der Diskussion bekannt; letztere sind dagegen nur einzelnen

Gruppenmitgliedern bekannt (=Spezialwissen).

Ein „hidden Profile“ liegt vor, wenn für die richtige Entscheidung ungeteilte

Informationen ausgetauscht werden müssen, da die beste Alternative aufgrund

der individuellen Informationen der einzelnen Mitglieder nicht erkennbar ist.

- Beispiel: Für Alternative A sprechen insgesamt 7, für Alternative B

lediglich 4 Argumente; die einzelnen Gruppenmitglieder kennen jedoch

immer nur 2 der 7 Argumente für A, dafür aber alle 4 Argumente für B.

Ein manifestes Profil liegt vor, wenn die einzelnen Gruppenmitglieder auf

Basis ihrer individuellen Infos zu demselben Ergebnis kommen würden wie sie

auf Basis aller Infos kommen müssten. Ein Austausch der ungeteilten

Informationen ist in diesem Fall also nicht unbedingt notwendig.

- Beispiel: Für Alternative A sprechen insgesamt 7, für Alternative B

lediglich 4 Argumente, die einzelnen Gruppenmitgliedern kennen zwar

immer nur 4 der 7 Argumente für A; aber auch für B nur jeweils 3 von 4!

Liegt ein „hidden Profile“ vor, wählen Gruppen in 87% der Fälle die Alternative,

die durch die geteilten Informationen nahegelegt wird – auch wenn es sich dabei

um die schlechteste Alternative handelt; bei manifesten Profilen, entscheiden sich

Gruppen dagegen in 89% für die beste Alternative.

Geteilte Infos haben einen Sammlungsvorteil, sprich: sie werden in der

Diskussion häufiger genannt und machen damit einen höheren Anteil des

Gesprächs aus!

Geteilte Infos beeinflussen die Präferenzen aller Mitglieder, während

ungeteilte Infos nur in die Präferenz je einzelner Mitglieder eingehen. Die

Folge ist dieselbe: Geteilte Infos spielen im Gespräch eine größere Rolle!

- Anfangspräferenzen erlauben eine gute Vorhersage der Entscheidung!

- Anfänglicher Präferenzaustausch verringert Lösungswahrscheinlichkeit!

Geteilte Infos werden als glaubwürdiger und wichtiger beurteilt als ungeteilte!

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Maßnahmen zur Reduktion suboptimaler Entscheidungen:

Diversität

Meinungsvielfalt durch (konsistenten) Minoritäteneinfluss

Dialektische Techniken (z.B. Advocatus Diaboli)

Rangordnung der Alternativen

Transaktives Gedächtnis (d.h. genaues Wissen darum, wer wofür Experte ist)

Sensibilisierung der Gruppenmitglieder

11.2.4. Prozessverluste III: Koordinationsverluste

Der Ringelmann-Effekt: bezeichnet die Tatsache, dass Menschen in der Gruppe eine

geringere Leistung erbringen als aufgrund der summierten Einzelleistungen zu

erwarten wäre.

Zugrundeliegendes Experiment: Pbn sollten einzeln und in unterschiedlich großen

Gruppen Gewichte ziehen; dabei zeigte sich: Je größer die Gruppe war, desto

geringer die Einzelleistungen (bei 8 Personen, lag die Einzelleistung nur noch bei

49% der erwarteten Einzelleistung)

Produktionsblockierung beim Brainstorming: Während man den anderen zuhört,

kann man selbst nicht nachdenken – und ist dadurch in der Generierung eigener

Gedanken und Ideen blockiert.

Die Methode des Brainstorming (von Alexander Osborn) umfasst 2 Phasen:

1. Ideensammlung

- Viele Ideen in kurzer Zeit (ca. 5 – 30 Min.)

- Freies Assoziieren und Phantasieren sind erlaubt

- Kombinieren und Aufgreifen von geäußerten Ideen

- Kommentare, Korrekturen und Kritik sind verboten!

2. Sortierung und Bewertung der Ideen

Probleme beim Brainstorming:

Motivationsverluste

Evaluation Apprehension (=Bewertungsangst)

- Trotz vorgeschriebener Kritiklosigkeit werden manche Ideen erst gar nicht

genannt aus Angst, sie könnten von den anderen schlecht bewertet werden.

- Re-Evaluation: Eigene Ideen werden für nicht mehr nennenswert

empfunden, nachdem andere Ideen geäußert wurden

Produktionsblockierung - Durch Ablenkung („thougt distraction“): Während man zuhört, denkt man

nicht nach (s.o.)

Überbewertung der Gruppeneffektivität („Illusion of Group Effectivity“)

- Die einzelnen Mitglieder glauben, mehr zum Gruppenergebnis beizutragen

als es tatsächlich der Fall ist, weil sie die Ideen der anderen mit auf das

eigene Konto buchen

- Die Gruppe denkt, sehr gut zu arbeiten und hört deswegen früher auf zu

arbeiten.

Werden die Ideen parallel generiert (parallele Produktion) bleibt, der

Blockierungseffekt aus!

Lösungsansätze (= Modifikationen des klassischen Brainstormings):

1. Nominalgruppen-Technik:

- Gruppenmietglieder generieren die Ideen zunächst alleine und schreiben

sie auf.

- Erst danach werden die Ideen reihum vorgestellt.

- Abschließend findet eine Diskussion und Bewertung der Ideen statt.

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2. Stufenleiter-Technik:

- Gruppenmitglieder generieren alleine Ideen.

- Nach und nach stoßen sie zur Gruppe und stellen ihre Ideen vor

- Alle hören dem „Neuen“ zu, damit alle Ideen unabhängig voneinander

vorgestellt werden

3. Delphi-Technik:

- Hier gibt es keine Gruppe mehr, stattdessen generiert jeder seine Ideen

selbst und entscheidet über deren Qualität

- Die guten Ideen werden schließlich zusammengelegt

4. Elektronisches Brainstorming:

- Jeder Einzelne arbeitet an einem eigenen Terminal und gibt dort seine

Ideen ein, die daraufhin anonym auf den Bildschirmen der anderen

Gruppenmitglieder erscheinen!

5. Brainwriting:

- In der ersten Phase arbeitet jeder Teilnehmer für sich alleine, indem er in

Ruhe Ideen sammelt und verschriftlicht.

- Gegebenenfalls wird mehrmals zwischen Sammel- und Nennphase

abgewechselt, bevor am Ende eine Diskussion und Bewertung der

gesammelten Ideen stattfindet.

- Beim Brainwriting ist die Anzahl nicht-redundanter Ideen deutlich höher

als bei der Nominalgruppen-Technik (s.o.)

11.3. Teamdesign

11.3.1. Erfolgsrelevante Merkmale der Gruppe

Fachliche Qualifikation: Je qualifizierter die Gruppenmitglieder, desto besser die

Ergebnisse der Gruppenarbeit

Teamfähigkeit: Je besser die Teamfähigkeit der Gruppenmitglieder (effektive

Kommunikation, Konfliktmanagement etc.), desto besser die Ergebnisse der

Gruppenarbeit!

Gruppengröße: Die optimale Gruppengröße liegt zw. 3 und 12 Mitgliedern. Für die

genaue Festlegung der Gruppengröße gilt die Maxime: So viele wie nötig – so wenige

wie möglich!

Erklärung:

Größere Gruppen verfügen über mehr Ressourcen (Zeit, Wissen, Erfahrung

etc.)

ABER: Größere Gruppen erfordern gleichzeitig mehr Koordination und

erhöhen die Wahrscheinlichkeit für Motivationsverluste!

Mitgliedereigenschaften:

Verträglichkeit korreliert am höchsten mit Teamleistung (.34); darüber hinaus

korreliert Verträglichkeit positiv mit Kohäsion (.32) und negativ mit

Teamkonflikten (-.38)

Emotionale Stabilität korreliert am höchsten mit Kohäsion (.53) und schützt am

meisten vor Teamkonflikten (-.42); aber auch mit der Teamleistung besteht eine

positive Korrelation (.24)

Intelligenz korreliert positiv mit Teamleistung (.23); zur Kohäsion und Konflikten

besteht dagegen kein Zusammenhang!

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Extraversion korreliert positiv mit Kohäsion (.36) und negativ mit Teamkonflikten

(-.24); zur Teamleistung besteht ein kurvilinearer Zusammenhang:

Ist der Anteil extrovertierter Teammitglieder sehr gering oder übermäßig hoch,

geht die Effektivität der Gruppe zurück; ist der Anteil extrovertierter

Mitglieder dagegen moderat, wirkt er sich positiv auf die Effektivität aus!

Die Diversität bzw. Heterogenität der Gruppe: hat je nach Rahmenbedingungen,

Art der Diversität und abhängiger Variable positive oder negative Effekte.

Mögliche Quellen für Diversität in Gruppen:

Demographische Merkmale (z.B. Geschlecht, Alter, Kultur, Familienstand,

sozio-ökonomischer Status etc.)

Persönlichkeitsmerkmale

Meinungen und Werte

Aufgabenrelevantes Wissen oder Fertigkeiten

Der Einfluss der Heterogenität hängt ab von:

Der Art der Aufgabe: bei Kreativitäts- und Entscheidungsaufgaben eher

positive Effekte; bei Produktionsaufgaben eher negative Effekte

Dem Zeitpunkt: Homogene Gruppen zeigen eine bessere Anfangsleistung,

weil heterogene Gruppen mehr Zeit für die Teamentwicklung brauchen

Der Art der Heterogenität: Heterogenität bezüglich des Fachwissens ist eher

von Vorteil als demographische Heterogenität

Der Art der Leistungsindikatoren: Positive Effekte auf die Aufgabenleistung

gehen oftmals mit negativen Effekten auf das Teamklima und die Fluktuation

einher

- Beispiel 1: Heterogene Gruppen kommen zwar häufiger zum richtigen

Ergebnis, sind aber seltener einstimmig zufrieden mit diesem!

- Beispiel 2: Meinungsheterogene Gruppen lösen Hidden-Profile-Aufgaben

wesentlich häufiger als meinungshomogene Gruppen!

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12.1. Einführung

12.1.1. Begrifflichkeiten

Gesundheit: Anders als früher wird Gesundheit heute nicht mehr als Abwesenheit von

Krankheit, sondern als physisches, psychisches und soziales Wohlbefinden definiert!

Gesundheit lässt sich somit nicht allgemein, sondern nur mit Blick auf das

betroffene Individuum bestimmen.

Darüber hinaus ist die Herstellung von Gesundheit kein punktueller Eingriff,

sondern ein langfristiger und kontinuierlicher Prozess!

Arbeitsschutz: meint die umfassende Bewahrung des Menschen vor Gefahren und

Beeinträchtigungen in Verbindung mit seiner Berufsarbeit. Ziel des Arbeitsschutzes

ist somit die Gewährleistung der Gesundheit und die Schaffung des Wohlbefindens am

Arbeitsplatz.

Ins Auge gefasst werden dabei sowohl längerfristige Gesundheitsrisiken

(Stressforschung), als auch unmittelbare Gesundheitsrisiken (Unfallforschung)

Arbeitssicherheit: wird als gefahrenfreier Zustand bei der Berufs- und

Arbeitsausführung verstanden, den es durch Maßnahmen zur Unfallverhütung

anzustreben gilt.

Anders als der Begriff „Arbeitsschutz“ bezieht sich der Begriff „Arbeitssicherheit“

somit primär auf unmittelbare Risiken, wobei der Fokus weniger auf dem

einzelnen Individuum, als auf der Gesamtorganisation liegt.

Faktoren, von denen die Arbeitssicherheit abhängt, sind:

a) Personenmerkmale (Risikofreudigkeit etc.)

b) Technische Aspekte

c) Organisationale Bedingungen

Gefährdungen: sind mögliche Ursachen eines arbeitsbedingten Unfalls oder einer

arbeitsbedingten Beeinträchtigung.

Beispiele: - Gefährliche Stoffe (giftige Chemikalien, Asbest usw.)

- Biologische Gefährdungen (Viren, Bakterien, Pilze)

- Mechanische Gefährdungen (ungesicherte Ladungen,

Absturzgefahr, Schnittgefahr etc.)

- Elektrische Gefährdungen (offene Stromleitungen usw.)

- Thermische Gefährdungen (Hitze, Kälte)

- Sonstige physikalische Gefährdungen (Lärm, Strahlung etc.)

- Physische Belastungen (z.B. schweres Heben und Tragen;

mangelnde Ergonomie etc.)

- Psychische Belastungen (z.B. aufgrund sozialer und/oder

organisationaler Bedingungen, der Arbeitstätigkeit als solcher…)

- Organisatorische Mängel (geringe Zahl an Ersthelfern und

Sicherheitsbeauftragten, fehlende Betriebsanweisungen etc.)

Arbeitsunfälle: sind von außen auf den Menschen einwirkende, körperlich

schädigende, zeitlich begrenzte Ereignisse mit Verletzungsfolgen.

Berufskrankheiten: sind dagegen Krankheiten, die durch spezifische,

längerfristige(!) Einwirkungen am Arbeitsplatz verursacht werden, weshalb

Personen, die in dem entsprechenden Beruf tätig sind, wesentlich häufiger davon

betroffen sind als die übrige Bevölkerung!

Beispiele: Die mit Abstand am weitesten verbreitete Berufskrankheit ist

Schwerhörigkeit aufgrund anhaltender Lärmbelästigung; es folgen: asbestbedingte

Krankheiten, Hautkrankheiten, Silikose, Infektionskrankheiten usw.

12. Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz

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12.1.2. Zahlen von der BAuA (Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin)

Der Ausfall aufgrund von vorübergehender oder dauerhafter Arbeitsunfähigkeit ist im

produzierenden Gewerbe (ohne Baugewerbe), im Baugewerbe und im öffentlichen

und privaten Dienstleistungssektor am höchsten; in der Land- und Forstwirtschaft und

Fischerei am geringsten.

Die durchschnittliche Ausfallzeit pro Jahr und Person liegt bei 12 Tagen.

Belastende Arbeitsbedingungen:

Potenziell belastende Arbeitsbedingungen, von denen anteilig die meisten

Arbeitnehmer betroffen sind, sind: Arbeit im Stehen (rund 56%); Arbeit im Sitzen

(rund 53%), ein starker Termin- und Leistungsdruck (rund 54%) und Störungen

bzw. Unterbrechungen bei der Arbeit (46%)

Arbeitsbedingungen, die von den meisten der Betroffenen (> 50%) tatsächlich als

belastend empfunden werden, sind:

Arbeiten an der Grenze der Leistungsfähigkeit (wird von fast 70% der

Betroffenen als belastend erlebt)

Störungen bzw. Unterbrechungen bei der Arbeit (werden von rund 60% der

Betroffenen als belastend erlebt)

Starker Termin- und Leistungsdruck (werden ebenfalls von rund 60% der

Betroffenen als belastend erlebt)

Grelles Licht oder schlechte Beleuchtung (werden von rund 57% der

Betroffenen als belastend erlebt)

Rauch, Gase, Dämpfe, Staub (werden ebenfalls von rund 57% der Betroffenen

als belastend erlebt)

Arbeits- und Wegeunfälle:

Insgesamt kommt es Deutschland pro Jahr zu rund 1.100.000 meldepflichtigen

Arbeits- und Wegeunfällen!

Arbeitsunfälle sind dabei deutlich weiter verbreitet (ca. 2,7%) als Wegeunfälle

(0,4%).

Die Anzahl unfallbedingter Todesfälle nimmt kontinuierlich ab und lag im Jahr

2008 bei knapp über 1000!

Davon gehen knapp 600 auf Arbeitsunfälle und gute 400 auf Wegeunfälle

zurück.

Am stärksten verbreitet sind meldepflichtige Arbeitsunfälle in der Fleischerei

(rund 7% der Metzger hatten im Jahr 2008 einen Unfall) und im Baugewerbe

(6,7%); am seltensten sind meldepflichtige Arbeitsunfälle im Zuckergewerbe (rund

0,9%) und der Seefahrt (1,2%)

Sonstige Statistiken:

Im Schnitt muss pro gemeldetem Arbeitsunfall mit 12 Ausfalltagen gerechnet

werden.

Auf jeden meldepflichtigen Unfall kommen rund 5 nicht meldepflichtige Unfälle!

Auf jeden Unfall kommen ca. 10 Beinhae-Unfälle!

Geschätzte Kosten für Renten, Heilbehandlungen und berufliche

Wiedereingliederung pro Jahr: 12 Mrd. Euro

Es werden – wen wundert’s – wesentlich mehr Berufskrankheiten angezeigt als

anerkannt!

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12.1.3. Sonstiges

Das Arbeitssicherheitsgesetz sieht vor, dass ab einer Belegschaft > 20 ein

Sicherheitsbeauftragter und ein Arbeitsschutzausschuss bestellt werden müssen.

Personen, die für die Arbeitssicherheit zuständig sind, sind:

Betriebsärzte

Sicherheitsingenieure

Fachkräfte für Arbeitssicherheit

Betriebspsychologen

Was machen Psychologen?

Ermittlung der Verhaltensanforderungen von Arbeitsplätzen mit hoher Unfall-

und Gesundheitsgefährdung

Entwicklung psychologisch fundierten Trainings- und Unterweisungsmaterials

Psychologisch-ergonomische Gestaltung von Arbeitsmitteln und -wegen,

Anzeigen, Warnsystemen

Unterrichtung von Führungskräften und Sicherheitsfachkräften in

psychologischen Grundlagen der Unfallverhütung und des

Gesundheitsschutzes

Motivierung der Beschäftigten zu sicherheits- und gesundheitsförderlichem

Verhalten (z.B. Tragen von Helmen usw.)

Karl Marbe konnte zeigen, dass an dem Großteil der Unfälle nur ein kleiner Anteil

von Personen beteiligt ist; es scheint also Menschen zu geben, die aufgrund

individueller Merkmale besonders unfallgefährdet sind; Marbe prägte für sie den

Begriff des „Unfällers“.

Individuelle Faktoren, die die Wahrscheinlichkeit für Unfälle erhöhen:

Unrealistischer Optimismus

Sicherheitsmotivation: hängt ab von…

a) dem Wunsch, sich nicht zu verletzen

b) dem Wunsch, den Aufwand bei der Arbeit zu minimieren

c) dem Wunsch, die Arbeit abwechslungsreich zu gestalten

Verzerrte Risikowahrnehmung

- Ein Vergleich der tatsächlichen Todesraten mit den geschätzten zeigt, dass

seltene Gefahren (wie Naturkatastrophen, Fleischvergiftungen etc.)

systematisch überschätzt werden (vermutlich aufgrund von

Medienberichten usw.), während häufige Todesursachen (wie Diabetes,

Krebs oder Herzkreislauferkrankungen) systematisch unterschätzt werden

(Gewöhnung).

Beinahe-Unfälle: Durch Beinahe-Unfälle wird riskantes Verhalten negativ

verstärkt!!

Merkmale von „Unfällern“:

- Die Häufigkeit von Unfällen korreliert negativ mit dem Alter, der

Verträglichkeit (-.61) und Intelligenz; sprich: Unfäller sind eher jung,

unverträglich und wenig intelligent!

- Positive Korrelationen bestehen zu negativer Affektivität, negativem

Sozialverhalten, einem externen Locus of Control, Aggressivität und

Impulsivität!

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12.2. Maßnahmen zum Gesundheitsschutz

12.2.1. Integrierter Arbeitsschutz

Der „Fragebogen zur Sicherheitsdiagnose“ (FSD): ist ein Beobachtungsverfahren

für Experten, mit Hilfe dessen verhaltensbedingte Ursachen für Unfallrisiken erfasst

werden sollen.

Allgemeines:

Tätigkeitsklasse: Der FSD bezieht sich auf körperliche Arbeit.

Branchen: Er wird dementsprechend in Industrie, Handwerk,

Dienstleistungssektor, Forst- und Landwirtschaft eingesetzt

Antwortformat: teilweise zweistufig (ja/nein), teilweise 5-stufig

Durchführungszeit: Anwendung 3 - 4 h; Auswertung mindestens 2 h

Der FSD umfasst 149 Items, die in 8 Bereiche untergliedert sind:

1. Beschreibung der Arbeitstätigkeit

2. Ermittlung von Gefahren und Gefährdungen

3. Wahrnehmen und Beachten von Gefahrensignalen

4. Beurteilen und Vorhersagen von Gefahren

- „Wie wichtig ist es für einen Stelleninhaber, Anzeigen und Messwerte

richtig zu beurteilen?“ (5-stufig)

- „Anleitungen u, Betriebsanweisungen sind leicht verständlich.“ (2-stufig)

5. Planen und Vorsorgen

6. Handeln

- „Wie wichtig ist es für einen Stelleninhaber, Handlungsabläufe in der

richtigen Reihenfolge und vollständig durchzuführen?“

- „Der Stelleninhaber bekommt unmittelbare Rückmeldung über eine

korrekte bzw. fehlerhafte Handlungsausführung“ (2-stufig)

7. Zusammenarbeiten

8. Sich-Verständigen

Maßnahmen zur Unfallvermeidung (hierarchisch geordnet):

1) Beseitigung der Gefahr

z.B. Ersetzen einer giftigen Farbe

2) Trennung der Gefährdung (Entfernung der Menschen aus dem Gefahrenbereich)

z.B. durch Automatisierung

3) Abschirmung der Gefährdung (Einzug einer Barriere)

z.B. Helme, Schutzkleidung, Schutzgitter etc.

4) Anpassung der Mitarbeiter an die Gefährdung (psychologische Einstellungs-

und Verhaltensbeeinflussung):

z.B. Sicherheitstrainings

Hemmfaktoren für die Umsetzung von Sicherheitskonzepten:

1) Desinteresse, Unwissenheit

2) Subjektive psychologische Theorie („Unfällerpersönlichkeit“)

3) Kosten-Nutzen-Überlegungen und Wirtschaftlichkeitsregeln (erst Arbeitsschutz,

wenn unfallbedingte Fehlzeiten und Fluktuation auftreten)

Ein integrierter Arbeitsschutz ist durch folgende Merkmale gekennzeichnet:

Sicherheit und Gesundheit werden als strategische Managementziele anerkannt

und dementsprechend bei der Personalauswahl, der Personalentwicklung, der

Führung und Arbeitsgestaltung konsequent berücksichtigt!

Maßnahmen zum Arbeitsschutz sollten präventiv, betriebs- und personenbezogen,

ganzheitlich, aktuell, kontinuierlich und beteiligungsorientiert sein.

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Angestrebt wird eine Verbesserung der Sicherheit und Gesundheit auf allen

Hierarchieebenen, weshalb auch alle Hierarchieebenen beteiligt werden sollten

(top-down- und bottom-up-Prozesse!)

12.2.2. Personen- und bedingungsbezogene Maßnahmen

Personenbezogene Maßnahmen:

Information und Instruktion in Bezug auf Risiken (z.B. mit Hilfe von

Arbeitssicherheitsfilmen)

Arbeitssicherheitsfilme zielen darauf ab, ein gesteigertes Gefahrenbewusstsein

zu schaffen (Information) und die Bereitschaft zu wecken, das in den Videos

gezeigte Verhalten zu imitieren (Instruktion); unterschieden werden kann

zwischen instruktiven- und emotionalen Filmen (Motivierung durch

Furchtappell); erstere sind eher für Berufsanfänger, letztere eher für

Berufserfahrene gedacht!

Verhaltensmodifikation durch operante Konditionierung:

Beratung, Coaching

Trainings, Kurse, Seminare

Gezielte Personalauswahl (nach Belastbarkeit etc.)

Vorsorgeuntersuchungen

Einrichtung von Gesundheitszirkeln

Gesundheitszirkel sind regelmäßig tagende Arbeitskreise, in denen Mitarbeiter

krankmachende Aspekte ihrer Arbeit (Belastungsfaktoren) identifizieren und

Lösungsvorschläge entwickeln.

Die Wirksamkeit von Gesundheitszirkeln ist empirisch eindeutig belegt!

Bedingungsbezogene Maßnahmen:

Gestaltung der Umgebungsbedingungen (z.B. Räume, Ausrüstung, Material etc.)

Gestaltung der Rahmenbedingungen (z.B. Arbeitszeit, Entlohnung etc.)

Gestaltung der Arbeitsaufgabe (z.B. Schaffung von Handlungsspielräumen,

Vielfalt, Reduktion schwerer körperlicher Arbeit etc.)

Sicherheitskultur und Führungsverhalten

Unter der Sicherheitskultur bzw. dem Sicherheitsklima eines Betriebes versteht

man ein von (fast) allen Systemmitgliedern geteiltes Bewusstsein bzw. das

damit korrespondierende Verhalten, das die Sicherheit des Gesamtsystems

fördert!

- Die Sicherheitskultur korreliert positiv mit der Übernahme von

Verantwortung und negativ mit der Unfallrate

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Beispiel: Suchtprävention

Substanzmissbrauch und -abhängigkeit stellen ein großes Problem für

Organisationen aller Art dar!

5-10% aller Männer und 2-5% der Frauen zeigen problematisches

Trinkverhalten!

Bei über 30% der Arbeitsunfälle ist Alkohol im Spiel!

Suchtmittel führen zu einem drastischem Leistungsrückgang und einem nicht

minder drastischen Anstieg der Fehlzeiten

Ansatzpunkte betrieblicher Suchtpräventionsprogramme:

1. Veränderung der Arbeitsbedingungen (Verfügbarkeit von Alkohol, soziale

Isolierung, Stress etc.)

2. Veränderung der innerbetrieblichen Trinkkultur (Vorbildfunktion der

Vorgesetzten, Plakate etc.)

3. Hilfestellung und konsequenter Umgang mit alkoholgefährdeten

Beschäftigten

In der Uni Würzburg wird bei Leistungsmängeln und anderen Auffälligkeiten nach

folgendem 5-Stufenplan vorgegangen:

1. Vertrauliches Gespräch mit dem Vorgesetzten

2. Erweitertes vertrauliches Gespräch (Vorgesetzter und Suchtberater)

3. Einleitung von Arbeits- und dienstrechtlichen Maßnahmen (Einschaltung der

Personalabteilung)

4. Arbeits- und dienstrechtliche Konsequenzen

5. Entfernung aus dem Dienst, Einleitung des Kündigungsverfahrens