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„Die Couch war zu klein…“: Ruth‘s Idee und die Psychotherapie im 21. Jahrhundert Alexander Trost

„Die Couch war zu klein…: Ruth Zs Idee und die ... · „Das Ziel der Themenzentrierten Interaktion ist nicht die Ästhetisierung des vollkommenen, selbstentfalteten Menschen,

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„Die Couch war zu klein…“: Ruth‘s Idee und die Psychotherapie

im 21. Jahrhundert

Alexander Trost

Die Anfänge Menschen gelangen über gelebte Geschichte(n) zu theoretischen Konzepten:

• „Das Grauen der Zeit erlebte ich sehr tief. …“

• …eine in der Wolle gefärbte Psychotherapeutin

• „beachte die Körpersignale…!

• Gruppenbehandlung und Gegenübertragung

• Erlebnistherapie

• „Heilen in Beziehung“:

Die Couch war zu klein.... IAT 2015 A. Trost 2

Gegenübertragungen

- …waren in den 30er/40erJahren noch anrüchig: „Unreife“ verlangte erneute eigene Analyse

- Konsequenz: Man gab sie einfach nicht zu (…zum Schaden der therapeutischen Beziehung)

- Initialzündung: RC brachte exemplarisch ihre eigene GÜ in einer Fallvorstellung ein

- „Ich fühlte mich in diesen GÜ-Workshops zum ersten Mal nicht nur als Therapeutin oder Lehrerin, sondern als Partnerin im Leben. Dies verminderte nicht meine Funktion…“ (RC: Gucklöcher. In: Gruppendynamik 25 4. 1994, 4)

Die Couch war zu klein.... IAT 2015 A. Trost 3

„Keine Methode ersetzt persönliche Wärme. Toleranz und positive Einstellung zu Menschen… Ich sehe in der Psychotherapie und in der allgemeinen Erziehung den axiomatischen Glauben sowohl an die Autonomie des Menschen als auch an die Tatsache der zwischenmenschlichen Gebundenheit. Therapie und Erziehung verlangen, dass Menschen sich dieser Tatsache immer mehr bewusst werden…“

RC, 1970

Die Couch war zu klein.... IAT 2015 A. Trost 4

Die Geburt der TZI

Hart erarbeitete, aus den vielfältigen Erfahrungen abgeleitete „Vision“ im Traum:

Die gleichseitige Pyramide: „Die vier gleichgewichtigen Punkte veränderte ich dann aus visuellen Gründen in ein gleichseitiges Dreieck in einer vielschichtigen Kugel“ (Gucklöcher, a.a.O.)

(was ist aus dem DU geworden? AT)

Die Couch war zu klein.... IAT 2015 A. Trost 5

Ruth‘s Idealbild des Menschen Eine Person, die:

• ihre Vergangenheit kennt,

• ihre Zukunft entwickelt

• in der Gegenwart handelt

• sich von der Gleichheit untereinander tragen lässt,

• die Andersartigkeit Anderer akzeptiert

• die Chance, voneinander zu lernen, nutzt und

• nicht stehen bleibt, wenn es Entwicklungsmöglichkeit gibt. (Langmaack, 2001)

Die Couch war zu klein.... IAT 2015 A. Trost 6

TZI als System 1. Drei Axiome („ohne sie ist die TZI so wirksam wie ein in einem

Heuschober angezündetes Streichholz“ RC in G.G.)

1. Der Mensch ist eine psycho-biologische Einheit und ein Teil des Universums, autonom und interdependent (existentiell-anthropolog. A.)

2. Ehrfurcht gebührt allem Lebendigen. Respekt vor dem Wachstum bedingt bewertende Entscheidungen (ethisches A.)

3. Freie Entscheidung geschieht innerhalb bedingender innerer und äußerer Grenzen; Erweiterung ist möglich. (politisch-pragmat. A.)

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TZI als System (2)

2. Zwei Postulate:

1. Sei Deine eigene Chairperson

2. Störungen und starke Betroffenheiten haben Vorrang

3. Struktur- /4-Faktorenmodell => dynamische Balance => lebendiges Lernen in der Gruppe => Thema => Struktur => Prozess => Vertrauen

- Partizipierende Leitung

- Selektive Authentizität (Cohn 1975) Die Couch war zu klein.... IAT 2015 A. Trost 8

Gesellschaftspolitik vs. Gesellschaftstherapie

• Politik abstrahiert vom Einzelnen, auch wenn ihre Auswirkungen diesen treffen

• Ruth Cohn, obwohl gesellschaftspolitisch motiviert, tat dieses nie: Verständigung und Kooperation statt Unterdrückung und aggressiver Auseinandersetzung zwischen unterschiedlichen Gruppierungen.

• Cave: „Heilsversprechen“ (W. Zitterbarth)

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„Das Ziel der Themenzentrierten Interaktion ist nicht die Ästhetisierung des vollkommenen, selbstentfalteten Menschen, sondern das Wissen von der durch Scharten und Runzeln, persönlichen Verletzungen und öffentliche (institutionelle) Kämpfe gezeichneten Person. Die Kantigkeit von in ihrer Art sehr verschiedenen Menschen scheint mir mehr willkommen als ein irgendeinem Ideal angenäherter WILL-Typ…“ (M. Kroeger: Anthropologische

Grundannahmen der TZI, in: Löhmer, C, Standhardt, R. (HRSG) 1992: Pädagogisch-therapeutische Gruppenarbeit nach Ruth C. Cohn, Stuttgart)

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„Du kannst eine Schneeflocke sein“

• „Ich bin wichtig und Du bist wichtig und die Welt ist wichtig“

• TZI beruht auf dem Anteilnehmen: „Teilnehmen an dem, was ist. Eine bisschen Hilfe zu lernen > Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst <“

• „ Ich möchte Ohren haben, die Schreie von Männern in den Folterkellern hören: nicht vergessen, dass es das gibt“.

• „Die Schneeflocke, die den Ast zum Brechen bringt“

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Interview zum 80. Geburtstag, 22.8. 1992 ( RP) 11

Politische Situation der Nachkriegszeit:

• Wirtschaftlicher Aufschwung überall, auch durch den Kalten Krieg beflügelt …

• Befreiung von den Fesseln der Vergangenheit, Neuanfang: ZERO

• Aufstrebende Emanzipationsbewegungen

• (Fast) Alles ist möglich! Experimentierfreude

• Kein Bewusstsein für Begrenzungen

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IGK 2013: „TZI im Wandel der Zeit“

• Gelebte Geschichte:

– Veränderungen in Ausbildungsstruktur, Globe, Lehre, Anwendungsbereichen

• Worauf bin ich stolz?:

– „Wir haben Gold in den Händen“

– Nachwuchsförderung: JE

– Bewegung in Indien

• Was bedaure, kritisiere ich?

• „das Verschwinden der bunten Vögel“

• Welche Anstöße will ich geben?

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Hat sich die TZI verändert?

• H. Reiser: Theoretische Orientierungen im Spiegel der Graduierungsarbeiten 1984 -2010:

– 1. Verdreifachung theoriebezogener Begriffe

– 2. Das Bestehen der Psychoanalyse und der Aufstieg der Systemtheorie

– 3. Das Beharren auf Partizipation (teilnehmende Leitung)

• Hypothese: Die TZI hat sich nicht wesentlich verändert, aber es wurden deutlich mehr Anstrengungen zur theoretischen Explikation und (pädagogischen) Systematisierung unternommen.

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Grafische Modelle zur TZI (hier Matzdorf, P.)

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Schultze, A.: Baummodell der TZI. In: Handbuch TZI, Mina Schneider-Landolf: Das System TZI

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Rubner, Ph.: Das System der TZI. Das 3x4-Faktoren-Modell. In: TZI 2/2008

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Reiser, H.: Vorschlag für eine theoretische Grundlegung der TZI. In: TZI 2/2014 (n.b: als pädagogisches System! A.T.)

Oder auch: W. Lotz,2014

Ein fraktales Modell der TZI

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Eine andere soziopolitische Situation…

• Globalisierung der Märkte vs. Individualisierung der Risiken

• Freiheit vs. Sklaverei

• Fundamentalistische Gewalt vs. Individuelle Menschenrechte

• Migration als „Normalfall“ vs. „mir san mir!“

• Flucht vs. Abschottung

• Weltweite kriegerische Konflikte vs. ohmächtige UNO

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Papst Franziskus beim Treffen der Basisbewegungen im Vatikan:

• „Dritter Weltkrieg auf Raten“ – die zerstörerischen Auswirkungen des Imperiums des Geldes: Armut, Zwangsumsiedlung, leidvolle Migration, Menschenhandel, Drogen Krieg …..

• Solidarität und Ermutigung auf dem Weg zu:

„tierra“, „techo“, „trabajo“…. Für Alle!

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Aus Publik-Forum Dossier, Dez. 2014, auch: José Mujica, Uruguay 20

Eine andere soziopolitische Situation… (2)

• Aushöhlung rechtsstaatlicher Strukturen (TTIP, Big Data, Google etc.) vs. Basisbewegungen (Attac, Avaaz, Greenpeace, etc.)

• Lokale Nachhaltigkeitsbewegungen (DeGrowth, LOHAS) vs. SUV‘s, Fracking & Co. …

• Globale unmittelbare informationelle Vernetzung vs. Abstumpfung/Katastrophenjournalismus

• „Das Ende der Welt, wie wir sie kannten“ (Leggewie & Welzer

• Zunahme psychischer Störungsdiagnosen vs. Öffentliche Niederschwelligkeit psychotherapeutischer Begrifflichkeiten

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Bewegung für eine gutes Leben für Alle? Die Degrowth Konferenz Leipzig, 2014

„Grundsätzlich impliziert in Zeiten, in denen das offizielle Krisenrezept „Wachstum, Wachstum, Wachstum!“ lautet, bereits der Begriff De-Growth eine antagonistische Semantik: „Ziel ist eine Gesellschaft, in der Menschen mit Rücksicht auf ökologische Grenzen in offenen, vernetzten und regional verankerten Ökonomien leben. Ressourcen werden durch neue Formen demokratischer Institutionen gleicher verteilt“.

Programmheft, S.2

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Psychotherapie heute

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Allgemeine Psychotherapie-Wirkfaktoren

Die Couch war zu klein.... IAT 2015 A. Trost

1. Auflage: 1994

1. Ressourcenaktivierung: Selbstwert und Autonomie

2. Problemaktualisierung: Prinzip der realen Erfahrung

3. Aktive (methodengestützte, professionelle) Hilfe zur Problembewältigung

4. Therapeutische Klärung: Was bedeutet mein Erleben und Verhalten, welche Ziele und Haltungen bewegen mich?

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Vielfalt der Therapierichtungen (n. Grawe et. al. 1994)

• Psychodynamische Therapien (z.B. Psychoanalyse;

Psychanalyt. Kurztherapie; Individualtherapie; Katathymes Bilderleben)

• Humanistische Therapien (Klientzentr. Gesprächstherapie und

Spieltherapie; Psychodrama; Gestalttherapie; Bewegungs- und körperorient. Ther.)

• Kognitiv-behaviorale Therapien (Syst. Desensibilisierung,

Konfront.-behandl.; Biofeedback; Kogn. Therapien; Problemlösungstherapie; Selbstmanagement-Therapie; soziales Kompetenztraining)

• Systemische und interpersonale Therapien (Familientherapiemodelle z.B. Mailänder Modell; Lösungsorientíerte Kurztherapie; Reflecting Team; narrative Ansätze; Interpersonale Therapie)

• Entspannungsverfahren und trancetherapeutische Verfahren (Autogenes Training; Progressive Muskelentspannung;

Meditation; Hypnose/Trancetherapie) 25

Neuere Entwicklungen in der Psychotherapie (Auszüge)

Psychoanalyse: „Die PA ist über die Ich- und Objektbeziehungstheorie hinausgewachsen und hebt heute immer stärker die Bedeutung aktueller Beziehungen hervor. Damit entstand eine fundamentale Änderung der analytischen Behandlungspraxis. Viele Grundhaltungen und Überzeugungen wurden in Frage gestellt, modifiziert oder aufgegeben. Zugewandheit, Authentizität und kontrollierte Offenheit bestimmen heute die Begegnung. (M. Ermann, in: Psychoanalyse im 21. Jh., Stuttgart,

2014)

(…kommt uns das nicht irgendwie bekannt vor? AT)

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Neuere Entwicklungen in der Psychotherapie (Auszüge 2)

• Von der Erlebnisorientierung zur kognitiven Wende: Primat der Verhaltenstherapie,

• jetzt „3. Welle“ der VT (Schematherapie, DBT, MBSR, etc.): Skills und Achtsamkeit ÜBEN!

• Vom Individuum zum System und zurück: systemische (Familien)Therapie und „Störungsspezifische PT“

• „Extremsituationen im Fokus“: Traumatheorie und – therapie

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Neuere Entwicklungen in der Psychotherapie (Auszüge 3)

• Die Wiederentdeckung des Emotionalen

• Die Wiederentdeckung des Körpers: EMDR, Energetische Psychologie, u.a. Klopftechniken,

• Neurobiologie belegt „Altes Wissen“

• Von der Triebtheorie zur Bindungstheorie

• Affektives schafft Kognitives: Mentalisierung

• Achtsamkeit als PT-Prinzip: MBSR und ähnliche Verfahren

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Meditationsstudien

Zahlreiche Studien belegen positive Effekte auf Blutdruck, Immunstatus, psychiatrische Symptome, Gedächtnis, Selbstwahrnehmung, Empathie, Stressreaktionen, einschließlich der neurobiologischen Korrelate

Beispiel: Dharamsala & MIT, 2000 - 2003)

• Antikörper gegen Influenza

• Synchronisierung schneller Gamma- Gehirnwellen, Abnahme langsamer Wellen

• Links präfrontal dauerhaft höhere Aktivität

• Negative (re präfrontal) Affekte besser kontrollierbar

• Subjektiv: entspannter & zufriedener Die Couch war zu klein.... IAT 2015 A. Trost

Damit Menschen…

• gut mit sich und Anderen in Kontakt sein..

• Impulse, Affekte und Stress regulieren…

• lern- und arbeitsfähig sein ...

• Beziehungs- und kooperationsfähig sein…

können,

…braucht es Voraussetzungen, die am besten neurobiologisch und bindungstheoretisch beschrieben werden.

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Die Couch war zu klein.... IAT 2015 A. Trost

Funktionsprinzipien des Gehirns • Entwicklungsfenster

– Sprache

– stereoskopisches Sehen

– Bindungsbeziehungen

• Plastizität – Von „Trampelpfaden zu Autobahnen“

• Phylogenetische Hierarchie – „alte“ Hirnteile: Reflexhafte Automatismen vs.

– Neocortex: willentliche Kontrolle & Integration

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Die Couch war zu klein.... IAT 2015 A. Trost

Funktionsprinzipien des Gehirns

• Phylogenetische Hierarchie: Explizite Fähigkeiten des Neocortex, also des jüngsten Teils der Großhirnrinde, werden am stärksten durch interaktive Prozesse („nutzungsabhängig“) mit der Außenwelt modifiziert. Dies ist besonders im Hinblick auf die Aufgaben des Frontalhirns von Bedeutung:

Aufmerksamkeit

Motivation

Entscheidungsfähigkeit

Kontrollüberzeugungen

Selbstwirksamkeit.

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Bei Hirnuntersuchungen mit Schweinsaffen (Makakken) stellten die Forscher Vittorio Gallese und Giacomo Rizzolatti (Parma) fest, dass einige Nervenzellen im Stirnhirn nicht nur dann in Erregung gerieten, wenn sie eine bestimmte eigene Tätigkeit ausführten, Die gleichen Nervenzellen feuerten ihre Signale auch, wenn die Affen den Versuchsleiter bei der Ausführung der gleichen Tätigkeiten beobachteten.

Resonanz als evolutionäres Prinzip: Von Spiegelphänomenen zu Spiegelneuronen

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Gehirnaufbau

Persönlichkeit und Temperament entwickeln sich auf 4 Ebenen im Gehirn: • Untere limbische Ebene (Hypothalamus, zentrale Amygdala, vegetative Zentren des Hirnstamms)

- Regulation von lebenswichtigen vegetativen Funktionen und Notfallreaktionen - bildet unter dem Einfluss von Genen und vorgeburtlichen Erfahrungen die

Grundlage für unserer Temperament - Individuelle Funktion dieser Ebene kann durch spätere Erfahrung / Erziehung nur

schwer verändert werden. • Mittlere limbische Ebene (basolaterale Amygdala / mesolimbisches System)

- Ebene der unbewussten emotionalen Konditionierung und des individuellen emotionalen Lernens

- Funktion entwickeln sich in den ersten Lebensjahren (frühkindliche Bindungserfahrungen)

- Untere & mittlere limbische Ebene bilden den Kern unserer Persönlichkeit - Veränderungen im Jugend- oder Erwachsenenalter nur über starke emotionale

und lang anhaltende Einwirkungen (vgl. Roth / Strüber 2014: 371f) Die Couch war zu klein.... IAT 2015 A. Trost 34

• Obere limbische Ebene (limbische Cortexareale)

- bewusstes emotional-soziales Lernen - emotionale Reaktionen der beiden unteren limbischen Ebenen

werden verstärkt oder abgeschwächt - Grundlage für Gewinn- und Erfolgsstreben, Freundschaft, Liebe,

Hilfsbereitschaft, Moral und Ethik - entwickelt sich in der späteren Kindheit und Jugend aufgrund sozial-

emotionaler Erfahrungen und ist durch solche veränderbar • Kognitiv sprachliche Ebene (Sprachzentrum der linken Großhirnrinde, präfrontaler Cortex)

- bewusste sprachliche und rationale Kommunikation - bewusste Handlungsplanung, Erklärung der Welt, Rechtfertigung

des eigenen Verhaltens - individuelle Funktionen dieser Ebene entsteht relativ spät und

wandelt sich ein Leben lang, durch sprachliche Interaktion.

(vgl. Roth / Strüber 2014: 372) Die Couch war zu klein.... IAT 2015 A. Trost 35

Psychoneuronale Grundsysteme

Differenzierte Gefühle & komplexes Verhalten entstehen durch enge Wechselwirkung der neurochemischen (Transmitter-) Systeme. Daraus entstehen 6 psychoneuronale Grundsysteme:

• Stressverarbeitung • Selbstberuhigung • Bewertung und Belohnung bzw. Belohnungserwartung • Impulshemmung • Bindung • Realitätssinn

(vgl. Roth / Strüber 2014: 374) Die Couch war zu klein.... IAT 2015 A. Trost 36

Die Entwicklung des Gehirns Vorgeburtlich: - Veränderungen des Gehirns der Mutter aufgrund traumatisierender Erfahrungen: Misshandlung, Vergewaltigung, Verlust des Partners, Krieg, schwere Unfälle

wirken auf das unreife Gehirn des Embryos / Fötus Fehlentwicklungen im Stressverarbeitungs- und Selbstberuhigungssystem des Kindes

• Beeinträchtigung dieser Systeme (Bindungssystem!) bei Kleinkindern durch:

- Misshandlung, Missbrauch, Vernachlässigung und Tod der Eltern, längere Trennung von den Eltern, psychische Störungen der primären Bezugsperson

• Frühe massive Störungen des Stressverarbeitungssystems (Cortisol) und des Selbstberuhigungssystems (Serotonin) führen zu Fehlregulation des Cortisol-Haushalts

Langfristige Folgen: Beeinflussung der Ausbildung anderer psychoneuronalen Systeme

(vgl. Roth / Strüber 2014: 375) Die Couch war zu klein.... IAT 2015 A. Trost 37

Wir leben – von Anfang an – von Resonanz, Anerkennung und emotionaler Spiegelung. Dies wird in einer responsiven frühen Eltern-Kind Interaktion verwirklicht, und ist die Grundlage einer sicheren Bindung.

Martin Buber: „Der Mensch wird am Du zum Ich“

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Die Couch war zu klein.... IAT 2015 A. Trost

• Sichere emotionale Bindungen sind für Kinder die wichtigste Ressource zur Bewältigung von Unsicherheit, Angst und Stress.

• Die Ausformung und Stabilisierung sicherer Bindungsmuster hängt davon ab, ob ein Kind die wiederholte Erfahrung machen kann, dass es in der Lage ist, neue Anforderungen, die zu einer Störung seines emotionalen Gleichgewichtes führen, mit der Unterstützung einer primären Bezugsperson bewältigen zu können.

• HÜTHER meint, auf der Grundlage qualifizierter

neurobiologischer Studien, dass "Liebe ein Naturgesetz ist und das Gehirn ein Sozialorgan". Das Gehirn ist vom Aufbau her optimiert für „psychosoziale Kompetenz“.

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Die Couch war zu klein.... IAT 2015 A. Trost

Emotionale Sicherheit

Soziale Beziehungen

Wahrnehmungsfähigkeit

Neugier + Exploration

Am besten von zwei Personen + Kontext !

Motorik

Wissen + Erfahrung

Emotionale Sicherheit: Voraussetzung für Lernen und Wachstum

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Was kann ein Säugling?

• Fähigkeit, sofort nach der Geburt nachahmen zu können: „Synchronisation“ mit der Mutter: Identifikation, Teilnehmen am Erleben anderer, mittels Spiegelneuronen.

• Selbstwirksamkeit von Anfang an: Aktiv sein! Etwas beim Gegenüber bewirken!

• Diese frühe Intersubjektivität strukturiert die äußere und innere Welt des Säuglings, ist die Basis interaktiven Wissens und früher sensorischer Integration.

• Die Erfahrungen der ersten 18 Monate sind nonverbal, nicht-symbolisch, nicht erzählbar, implizites Wissen, bleibt auch nach Spracherwerb parallele Erlebenswelt (Somatische Marker).

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Affektive Kommunikation

„Die Resonanz der rechten Hemisphären von Mutter und Kind in der regulatorischen Interaktion ist der wesentliche „promotor“ für eine normale Entwicklung“ Allan Schore, 2011

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Die Couch war zu klein.... IAT 2015 A. Trost

Containment • Die Mutter akzeptiert die Gefühle ihres

Kindes, nimmt sie in sich auf, verarbeitet sie und gibt sie dem Kind in verständlicher Form zurück (Bion, W.R)

• Ziel dieses Prozesses ist es, das Kind in der Verarbeitung ängstigender Affekte / Erlebnisse so zu unterstützen, dass es in explorativem Kontakt mit der Umwelt bleiben kann.

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HOLDING D. W. WINNICOTT, der berühmte englische Kinderarzt und Psychoanalytiker, stellte in seinen Arbeiten vor allem die Bedeutung des Haltens und Gehaltenwerdens (engl.: Holding) in der frühen Mutter-Kind-Beziehung heraus. Voraussetzung für eine gesunde Persönlichkeitsentwicklung des Kindes sei die Erfahrung, von der frühesten Säuglingszeit an, von der Mutter oder einer anderen engen Bezugsperson hinreichend gehalten worden zu sein. ".....Halten: Schützt vor physischer Beschädigung. Berücksichtigt die Hautempfindlichkeit des Säuglings - Empfindlichkeit gegen Berührung, Temperatur, auditive und visuelle Reize, Empfindlichkeit gegen das Fallen und den Umstand, daß der Säugling kaum etwas von der Existenz von irgend etwas anderem als des Selbst weiß. Es umfaßt den immer gleichen Ablauf der Pflege bei Tag und bei Nacht; sie ist bei jedem Säugling anders... Es (Das Halten) folgt ebenfalls den winzigen Veränderungen, die von Tag zu Tag eintreten und zum Wachstum und zur Entwicklung des Säuglings in physischer und psychischer Hinsicht gehören" .

Die Couch war zu klein.... IAT 2015 A. Trost

„Lebendiges Lernen:

…Diesen Begriff hatte ich damals noch nicht gefunden, auch nicht von anderen gehört. Rückschauend weiß ich, dass für mich Bankstreet* die Quelle lebendigen Lernens gewesen ist: den Spuren des Interesses des Kindes folgen.“

* Bankstreet Schools: progressive Lehrerausbildung in NY. RC war Assistant Teacher dort. In: Gelebte Geschichte, S. 327

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Aaron-Segen (Num 6, 24-26)

„Der Herr segne und behüte Dich. Der Herr lasse sein Angesicht über dich leuchten und sei dir gnädig. Der Herr wende sein Angesicht dir zu und schenke dir Heil“

In der alttestamentlichen Sprache: das Gesicht der Mutter, das dem Säugling die Welt bedeutet, und das des Vaters, der sich dem Kind kraft- und lebensspendend zuwendet.

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…Ziel der (M-K) Beziehung ist nicht perfekte Übereinstimmung (perfect agreement) sondern, dass es im Gegenteil zwischen dem Baby und seiner primären Bezugsperson auch immer wieder Momente von Dissonanzen und Unverständnis gibt.

Wieso?

… Episoden von „Wiedergutmachung“ (interactive repair) kennzeichnen eine gelungene M-K-Beziehung! (Allan Schore)

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Selbstregulation (Chairpersonship?)

• …eine lebenslange Aufgabe, die (spätestens) mit der Geburt beginnt.

• Anfänglich benötigt das Kind feinfühlige Co-Regulation.

• Im Laufe der Entwicklung lernt das Kind, sich immer mehr, häufiger und besser selbst zu regulieren, und gewinnt so mehr Autonomie und Selbstwirksamkeit.

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Selbstregulation

• Kinder benötigen zur jeweils richtigen Zeit einen „kompetenten Anderen“ (Holodynski), der ihnen zur Verfügung steht.

• Dann erwerben sie bereits in der Frühkindheit diverse Strategien, um „Humankapital“ fördernde Prozesse im weiteren Lebenslauf selbständig nutzen zu können. Diese Fähigkeiten sind zunächst nicht-kognitiv.

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Selbstregulation

„Erwachsen“ kann man einen Menschen nennen, der

• somatische, psychische und soziale DysBalancen bei sich selbst wahrnimmt

• und, ggf. mit Hilfe Anderer so regulieren kann, dass er/sie im Wesentlichen mit sich und anderen gut zurecht kommt, und seine Entwicklungsaufgaben bewältigt.

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„In einer Welt voller Widersprüche braucht es die Fähigkeit mit Gegensätzlichem umzugehen und Getrenntes als zusammengehörig zu betrachten, also von der Ganzheit des Widerspruchs“ (H. S. Herzka, gestützt auf die philosophischen Gedanken

Martin Bubers)

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BINDUNG

Voraussetzungen für die Entwicklung sicherer Bindung:

- Responsive und feinfühlige Eltern-Kind-Interaktion

- Containment

- Holding

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Die Couch war zu klein.... IAT 2015 A. Trost

Bindungstheorie

• Während seines ersten Lebensjahres entwickelt der Säugling eine spezifische Bindung zu einer primären Bindungsfigur.

• Das Bindungssystem ermöglicht das Überleben.

• Die Bindungsfigur ist die “sichere Basis” für das Kind (sicherer Hafen)

• Das Bindungssystem wird bei Angst und Trennung aktiviert.

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Die Couch war zu klein.... IAT 2015 A. Trost

Bindungstheorie

• Das Bindungssystem wird durch die physische Nähe der Bindungsfigur beruhigt.

• Das Bindungssystem verhält sich reziprok zum Explorationssystem

• Sobald das Bindungssystem beruhigt ist, kann sich das Kind der Exploration zuwenden

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Die Couch war zu klein.... IAT 2015 A. Trost

Explorations- system

Bindungs- system

Explorations- system

Bindungs- system

Aktivierung des Bindungssystems Beruhigung des Bindungssystems

Eine Aktivierung des Bindungssystems und gleichzeitige Dämpfung des Erkundungssystems erfolgt, wenn das Kind ängstlich, unsicher, fremd, einsam, verlassen, hungrig, müde ist, usw.

Eine Beruhigung des Bindungssystems und gleichzeitige Aktivierung des Erkundungssystems erfolgt bei Wohlbefinden und dem Gefühl von Sicherheit. Das Kind ist unternehmungslustig, spielt, exploriert mit Mund und Händen usw.

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Die Couch war zu klein.... IAT 2015 A. Trost

Feinfühligkeit

Die Betreuungsperson / SPFH muss

1. Die Signale des Baby’s / Kooperations- partners wahrnehmen,

2. sie richtig interpretieren,

3. angemessen und

4. prompt auf sie reagieren

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Wenn eine Mutter (Primäre Bezugsperson) im ersten Jahr….

…sowohl positive als auch negative Äußerungen des Kindes vorwiegend feinfühlig beantwortet hat • weinen die Säuglinge schon mit 10 Monaten weniger und

äußern sich differenzierter, • willigen die Krabbler häufiger in die Ziele der Mutter ein,

sind kooperativer und seltener trotzig, • zeigen die Kleinkinder offener ihre Gefühle und lassen

sich gut beruhigen, und • können die Kleinkinder ihre Wünsche nach Nähe und

Trost oder Hilfe, aber auch nach ungestörtem Erkunden selbständig regulieren und entsprechend handeln.

(Grossmann & Grossmann, 2004, Sroufe et al., 2005)

Die Couch war zu klein.... IAT 2015 A. Trost 57

Die Couch war zu klein.... IAT 2015 A. Trost

Feinfühligkeit

Elterliche Feinfühligkeit, Unterstützung und Akzeptanz der Mutter ebenso wie die des Vaters

haben von frühester Kindheit an einen wesentlichen Einfluss auf die Fähigkeit, enge Bindungen einzugehen.

(Ergebnis der Bielefelder und Regensburger Längsschnittstudien von Grossmann, K & K, 2004)

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Die Couch war zu klein.... IAT 2015 A. Trost

Sichere Bindungsbeziehung / B – Gruppe

Kinder mit sicherer Bindung können in Situationen von emotionaler Belastung den Bezugspersonen ihre Gefühle offen mitteilen.

Sind ihre eigenen inneren Ressourcen erschöpft und sind sie innerlich verunsichert, können sie sich bei ihren Bezugspersonen Zuwendung, Nähe und Sicherheit holen.

Diese Kinder haben eine Grundsicherheit und Vertrauen zu ihren Bindungspersonen.

Sie können eher befriedigende und wenig störungsanfällige Beziehungen zu Gleichaltrigen aufbauen und Konflikte kompetent lösen.

Zudem haben sie eine positive Einstellung zu sich selbst.

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Die Couch war zu klein.... IAT 2015 A. Trost (Gloger-Tippelt/König 2009)

Organisierte Bindungsstrategien 50% 15-20% 25-30%

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Bindungstypen

Unsicher-vermeidend:

• Bindungsfigur als vorhersagbar, aber abweisend erlebt

• Keine Vorstellung der Bedeutung von Gefühlen

• Kein Ausdruck negativer Affekte, Affektabspaltung, Vermeidung

– Deaktivierung des Bindungssystems

• Eher externalisierende Strategien

• Weniger anfällig für gesellschaftliche Ideale

(Ettrich, 2004b, S.66/ Strauss, 2008, S.11)

Die Couch war zu klein.... IAT 2015 A. Trost 61

Bindungstypen

Unsicher-ambivalent:

• Bindungsfiguren als unachtsam und inkonsistent erlebt nicht vorhersehbar

• Keine Entwicklung hinreichender Affektregulation, da gesteigerte Emotionalität

– Hyperaktivierung des B‘Systems

• Furcht vor Zurückweisung

• Eher Ausbildung internalisierender Strategien (Ettrich, 2004b, S.66f./ Strauss, 2008, S.12)

Die Couch war zu klein.... IAT 2015 A. Trost 62

Die Couch war zu klein.... IAT 2015 A. Trost

Mentalisierung

• „To have the mind in Mind“ (P. Fonagy)

= Die Psyche einer anderen Person wird unabhängig und getrennt von der eigenen Psyche wahrgenommen.

• Mentalisierung wird heute synonym zu Reflexive Funktionen verwendet: …Bildung eines symbolvermittelten sekundären Repräsentationssystems der Affekte, des Selbst und der Objekte. Dies gelingt durch die kontingente Spiegelung der Affekte des Kindes durch die Primärobjekte…. (Potthoff P, in Hirsch M (Hg) 2008: Die Gruppe als Container. Göttingen)

• Diese Fähigkeit wird in einem in reziproken Prozess zwischen der Mutter und dem Kind entwickelt, wobei die Mutter dem Kind hilft, sein Verhalten – und das von anderen - in Verbindung mit der Benennung von Gefühlen, Wünschen, Erwartungen und Überzeugungen zu verstehen. Auch => autobiografisches Gedächtnis

• Mentalisierung gelingt in sicheren Bindungen besser als in unsicheren 63

Mentalisierung

• Affektspiegelung

• Markierung

– Eltern reagieren im Gefühlsausdruck nicht ganz gleich wie das Baby, sondern ähnlich und erkennbar übertrieben

• Autobiografisches Selbst (ab ca. 6. LJ.):

– Erinnerungen an eigene intentionale Aktivitäten kausal, temporal und kohärent organisiert

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Risiko- und Schutzfaktoren

• Schutzfaktoren für den Aufbau sicherer Bindung:

– Feinfühligkeit

– Empathische Verbalisierung

– Synchronizität und Reziprozität

(Brisch, 2002, S.355)

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• Risikofaktoren für den Aufbau unsicherer Bindung: – Psychisch Kranke Eltern

– Chronische soziale Belastung

oder Überforderung

– Trauma, Gewalt

– Pathogene Einflüsse wie

Liebesentzug, Schuldzuweisung,

Nicht-Erwünschtheit

(Ettrich, 2004b, S.66/ Brisch, 2002, S.357)

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Risiko- und Schutzfaktoren

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„Ob ein Kind zu einem warmherzigen, offenen und vertrauensvollen Menschen mit Sinn für das Gemeinwohl heranwächst oder aber zu einem gefühlskalten, destruktiven, egoistischen Menschen, das entscheiden die, denen das Kind in dieser Welt anvertraut ist, je nachdem, ob sie ihm zeigen, was Liebe ist, oder aber dies nicht tun“

(„Niemals Gewalt“: Astrid Lindgren anlässlich der Verleihung des Friedenpreises des Börsenverein des Deutschen Buchhandels 1978).

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Die Couch war zu klein.... IAT 2015 A. Trost

Das innere Arbeitsmodell – „inner working model“ (Bowlby)

Kinder bilden während der sozio – emotionalen Entwicklung ihrer frühen Kindheit eine interne Repräsentation von sich und ihrem Bezugsobjekt.

Dieses verinnerlichte frühe Beziehungsmuster hat eine beständige Wirkung auf die weitere Entwicklung und wird in ähnlichen Beziehungssituationen während des ganzen Lebens reaktiviert.

Die wichtigste Aufgabe dieses Arbeitsmodells ist es, Ereignisse der realen Welt gedanklich vorwegzunehmen, um in der Lage zu sein, das eigene Verhalten besser zu planen und die Situation kontrollieren zu können

Bei sicher gebundenen Kindern, funktioniert dieses Arbeitsmodell als sichere Basis, von der aus sie ihre Umwelt erkunden und begreifen zu können. In Zeiten von emotionalem Stress fungiert es als eine Art sicherer Hafen.

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Innere Arbeitsmodelle

• Entstehen auf Grundlage früher Bindungserfahrung

• „Kognitive –affektive Schemata, in denen Erwartungen bezüglich des Verhaltens einer bestimmten Person gegenüber dem Selbst speichert. Diese Erwartungen sind Abstraktionen, die auf wiederholte Interaktion mit dieser Person basieren.“

• Relativ stabil, aber veränderbar (Seiffge-Krenke, 2009,S.59)

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Innere Arbeitsmodelle

• Steuern Bindungsverhalten gegenüber primärer Bezugsperson

• Informationsverarbeitung Interpretation von Ereignissen

• Emotions- und Verhaltensregulation

• Prägung Selbstwertgefühl (Dias, 2008, S.189)

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Innere Arbeitsmodelle: Inneres Arbeitsmodell des Selbst

• Kernpunkt: Vorstellung der eigenen Person als liebenswert und akzeptabel

• Erwartung von eigener Effektivität (Becker-Stoll, 2003, S.135)

• Ich als von Bindungsperson geschätzter Mensch (Bretherton, 2002, S.17)

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Inneres Arbeitsmodell der Umwelt

Kernpunkt: Vorstellung über eigene Bindungsperson(en)

– Wer sie sind

– Wo sie sind

– Wie sie sich verhalten

Emotional verfügbar?

Unterstützt Exploration?

(Bretherton, 2002, S.17)

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Transgenerationale Perspektive

• Weitergabe positiver Kindheitserfahrung

• Wahrscheinlichkeit: sichere Eltern 3-4-fache höhere Wahrscheinlichkeit sichere Kinder

• statistischer Zusammenhang zwischen Bindungsrepräsentation der Eltern und der Bindungsqualität der Kinder

• Vorhersage schon vor der Geburt, welche Bindung Kind ausbildet

(Bretherton, 2001, S.61f./ Seiffge-Krenke, 2009, S.75ff/Buchheim, 2005, S.36)

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Trauma, chronische Belastung & Bindung

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„Wenn die Sehnsucht nach Liebe und Zuneigung verschlossen ist, bleibt sie unzugänglich. Dann richtet sich Ärger auf die falschen Ziele, Angst tritt in unangemessenen Situationen auf, und Feindseligkeit wird von falscher Seite erwartet“

(John Bowlby, 1988)

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Frühkindliche Phase besonders sensibel • Negative Einflüsse können später nur noch im geringem Umfang

kompensiert werden können (rumänische Waisenkinder) • Starke Beeinflussbarkeit der Organisation neuronaler Verschaltungen

durch frühe Erfahrungen • Schnelle / nachhaltige Veränderungen sind später nicht möglich

(graduelle Verstärkung und Abschwächung) • Aber positive korrigierende Einflüsse sind in dieser Phasen besonders

wirksam

positive Bindungserfahrung führt zur starken Ausschüttung von Oxytocin („Bindungshormon“), kann negative Effekte teilweise dämpfen

(vgl. Roth / Strüber 2014: 375) (vgl. Roth / Strüber 2014: 156)

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Auswirkungen früher Erfahrungen auf das Gehirn / Psyche werden von einer Generation zur anderen weitergegeben – über 3 Generationen (Transgenerationaler Transfer)

– direkte (epi-)genetische Vererbung von Anfälligkeitsfaktoren

– Auswirkungen elterlichen Verhaltens auf das Gehirn des Kindes (Hemmt Ausbildung von Bindungsstellen für Neurotransmitter)

– Umwelteinflüsse wirken auf die Genetik ein – Übereinstimmung zwischen den Bindungstypen der Eltern

und Kinder

(vgl. Roth / Strüber 2014: 177) (vgl. Roth / Strüber 2014: 183) (vgl. Roth / Strüber 2014: 194)

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• Autobiographisches Gedächtnis hat eine hohe Bedeutung für die Entwicklung der Psyche

• Erinnerungen an die ersten 18-24 Monate nicht

möglich (infantile Amnesie) • Abhängig von der Hirnentwicklung (emotionale

vor kognitive Zentren) • Traumatisierung beeinflusst Psyche – auch wenn

das Erlebnis nicht erinnert wird

(vgl. Roth / Strüber 2014: 163) (vgl. Roth / Strüber 2014: 296)

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Neue Erkenntnis:

Ursachen aller psychischen Störungen sind…

• Genetisch-epigenetische Aspekte (10-20% der Varianz)

• Traumatisierung der Mutter vor und in der Schwangerschaft

• Traumaerfahrungen des Kindes in den ersten 2-3 Lebensjahren.

(Roth, G., Stüber, N.: Wie das Gehirn die Seele macht, Stuttgart, 2014)

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Die erworbene Dysbalance… • des Stressverarbeitungssystems

• des Selbstberuhigungssystems

…blockiert Reifung der Motivationssysteme in den ersten Lebensabschnitten:

- Impulshemmung 1.-20. LJ.

- Mentalisierung und Empathie 2.-20.

- Realitätssinn und

Risikowahrnehmung 3.-20.

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The Adverse Childhood Experiences (ACE) Study: Was ist eine ACE ? → Erleben / Erleiden einer der folgenden Erfahrungen in der Familie vor dem 18. Lebensjahr:

• Wiederholte körperliche Misshandlung

• Wiederholte emotionale Misshandlung

• Sexueller Missbrauch

• Ein Alkoholiker /Drogenuser im Haushalt

• Ein Haushaltsmitglied im Gefängnis

• Jemand der chronisch depressiv, psychisch krank, suizidal oder in der Psychiatrie ist • Eine Mutter, die Gewalt erleidet

• Ein oder kein Elternteil

• Emotionale oder physische Vernachlässigung

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Desorganisierte – desorientierte Bindungsbeziehung / D – Gruppe

Diese Kinder zeigen eine Vielzahl irritierender und widersprüchlicher Verhaltensweisen, z. B. Widersprüche zwischen Mimik und Körperbewegung, Stereotypien der Gesten, eingefrorene verlangsamte Mimik oder Bewegung, direkte subtile Zeichen von Anspannung, Furcht und Desorganisation

Die hier bestehenden Zusammenhänge zwischen Misshandlung und anderen traumatischen Situationen in der Familie sind empirisch belegt.

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Desorganisation & Desorientierung:

• Desorganisiertes Bindungsverhalten stellt im Gegensatz zu organisiertem Bindungsverhalten ein „Steckenbleiben“ zwischen zwei Verhaltenstendenzen dar, bei dem auf der einen Seite die Zuwendung zur Mutter und das Nähesuchen und auf der anderen Seite die Abwendung steht. Die gleichzeitige Aktivierung von beiden Systemen führt zu einem Zusammenbruch des organisierten Bindungsverhaltens.

• Desorganisiertes Verhalten wird als Indikator für Stress und Angst angesehen, den das Kind nicht beenden kann weil die Bezugsperson gleichzeitig die Quelle von Furcht und der potentielle sichere Hafen ist („no where to go“ ).

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Bindung und Trauma Desorganisierte Bindungsmuster:

15% in nichtklinische Stichproben

25-34% bei niedrigem sozialem Status

35% Kinder mit neurologischer Auffälligkeit

43% Kinder von drogenabhängigen Müttern

48-77% misshandelte Kinder

>70% Jugendliche in Heimerziehung

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Risiken für Bindungsdesorganisation und Bindungsstörungen I

• Erleben von Gewalt – v.a. Annäherungs-Vermeidungskonflikte

• Vernachlässigung – v.a. deutlicher Rückzug und geringe emotionale Reaktivität

• psychische Erkrankung der Eltern – z.B. Fehlen von Verlässlichkeit, Schutz, Sicherheit, Struktur

• häufiger Wechsel der Bezugspersonen • Lern- / geistige Behinderung der Eltern • wenige Sozialkontakte der Mutter

insgesamt: extrem geringe Passung von kindlicher Reaktion und elterlichem Fürsorgeverhalten

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Risiken für Bindungsdesorganisation und Bindungsstörungen II

• unverarbeitete Traumatisierungen der Eltern

• komorbide Erkrankungen des Kindes

• Bereits im Neugeborenenalter Defizite in der Verhaltensorganisation – geringe Orientierungsfähigkeit, – hohe Irritabilität, – geringe Selbstregulationsfähigkeit

• Molekulargenetische Polymorphismen des Dopaminsystems

und Serotonintransports

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Auswirkungen von Angst und Dauerstress

Wissen Bindung Erfahrung

Glaube

Angst

Stressreaktion

Vertrauen in eigene Fähigkeiten

Vertrauen in die Fähigkeiten anderer

Vertrauen in vorgestellte Kräfte

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Politik & Bindungswissen

Die Couch war zu klein.... IAT 2015 A. Trost

http://kriegsursachen.blogspot.de/

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Therapie und Behandlung von Bindungsstörungen

• Bindungsorientierte Beratung und Therapie

– Fokus primär auf der Herstellung eines entwicklungsförderlichen Umfelds

– Aufarbeitung möglicher Entwicklungsdefizite

• Nachreifung durch die feinfühlige therapeutische Beziehung

– Jede neue positive Erfahrung wird im Gehirn registriert, gespeichert und verändert neurobiologische Ebene der Bindungsrepräsentation

• Psychotherapie indiziert

– 30 - 40% erhöhte Bindungssicherheit http://www.erev.de/auto/Downloads/Skripte_2006/Fuenf_Tage/2006_Folien_von_Sydow.pdf S.44 Die Couch war zu klein.... IAT 2015 A. Trost 90

Therapie und Behandlung von Bindungsstörungen

• Therapeut / Pädagoge als sichere Basis

• ermöglicht, dass auf der affektiven Ebene eine Art „Neustart“ im Sinne einer „korrigierenden Erfahrung“ stattfinden kann

• Bezugspersonen in die Behandlung einbeziehen – Kind kann Behandlungsfortschritte nur umsetzen, wenn

Bezugspersonen dies unterstützen

• Besondere Beachtung von bindungs- und trennungsrelevanten Situationen

Vgl.:Brisch. 2009. S. 131

Die Couch war zu klein.... IAT 2015 A. Trost 91

Psychotherapie generell: 1.Phase: schnelle, nicht nachhaltige Besserung hängt vom Vertrauensverhältnis (Bindungssystem) und dem gemeinsamen Glauben an die Methode ab: Oxytocin-/Serotonin- / Endorphin-vermittelt (also limbisch, nicht Großhirnrinde)

2. Phase: Langzeittherapie: Veränderung von Gewohnheiten (Üben!, auch subcortical, sensomotorisch-limbisch (Basalganglien), vermehrte Neurogenese

N.B: Einsichtsappelle bringen rein gar nichts! Die Couch war zu klein.... IAT 2015 A. Trost 92

Das Neue Psychotherapie-Wissen und die TZI ?

• Gruppe als Container, sicherer Ort

• Gruppe als Feld für korrigierende (Bindungs-) Erfahrung: Affektspiegelung, Validierung

• LeiterIn als Modell für responsives, wertschätzendes Verhalten

• Übungsraum für dialogische, themenzentrierte, regelgeleitete Auseinander-Setzung

• Adaptation der Methodik an unterschiedliche Sprachen, kulturelle Hintergründe, Milieus erforderlich

• TZI-Haltung als Grundlage für bürgerschaftliches Engagement: PRIMAT von HALTUNG!

• Prävention! Die Couch war zu klein.... IAT 2015 A. Trost 93

Vom Untertan, Massenmensch, unfreien Menschen…

…über das „In-dividuum“, dem a-tomischen* Wesen zum…

:ver-antworteten, partizipierenden sozialen Menschen:

Ruth Cohn: „Ich bin um so autonomer, je mehr ich mir meiner Interdependenz bewusst bin!“

*später gefundene subatomare Teilchen sind durch Resonanzprozesse miteinander verbunden, und können nur durch extrem hohe, zerstörerische Energie aus dieser Verbindung herausgelöst werden

Die Couch war zu klein.... IAT 2015 A. Trost 94

There is no such thing as a baby…there is a baby and someone D.W.Winnicott (1960)

… da ist ein Kind und seine Familie und …. und…

Es braucht…. ein ganzes Dorf!

Die Couch war zu klein.... IAT 2015 A. Trost 95

Ich kooperiere, also bin ich …Mensch

Um „gut“ kooperieren zu können, muss ich

• Mensch sein… qua Evolution (Tomasello)

• Mensch sein, der geliebt wurde und wird, der frei in Wahrnehmung und (Inter-) Aktion ist… cum grano salis!

=> ein utopisches Ziel auf dem Weg zum zukunftsfähigen Menschen

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„Eines Tages, nachdem wir Herr der Winde, der Wellen, der Gezeiten und der Schwerkraft geworden sind, werden wir uns in Gottes Auftrag die Kräfte der Liebe nutzbar machen. Dann wird die Menschheit, zum zweiten Mal in der Weltgeschichte, das Feuer entdeckt haben“.

Pierre Teilhard de Chardin (1881-1955), frz. Theologe, Paläontologe u. Philosoph

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