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Trends in Clinical and Experimental Dermatology Editor: J. Wohlrab VOLUME 4 Adjuvante Therapie der Atopischen Dermatitis - Konsenspapier des Arbeitskreises LATOPIA - Volume Editors J. Wohlrab Shaker Verlag Aachen

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Trends in Clinical and Experimental Dermatology

Editor: J. Wohlrab

VOLUME 4

Adjuvante Therapie

der Atopischen Dermatitis - Konsenspapier des Arbeitskreises LATOPIA -

Volume Editors J. Wohlrab

Shaker Verlag Aachen

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Mit freundlicher Unterstützung der Firma:

Cosmétique Active Deutschland GmbH Geschäftsbereich LA ROCHE-POSAY

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Trends in Clinical and Experimental Dermatology Editor: J. Wohlrab Vol. 1 Trends in Dermatopharmacy – Update 2002 - Editors: J. Wohlrab, R.R.H. Neubert, W.Ch. Marsch 246p, 2003. ISBN 3-8322-1100-4. Vol. 2 Advances in Experimental Dermatology Editors: J. Wohlrab, R.R.H. Neubert, W.A. Wohlrab 114p, 2003. ISBN 3-8322-2230-8. Vol. 3 Hyaluronsäure und Haut Editors: W.A. Wohlrab, R.R.H. Neubert, J. Wohlrab 368p, 2004. ISBN 3-8322-2890-X.

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Wohlrab (ed.) für LATOPIA Adjuvante Therapie der Atopischen Dermatitis

- Konsenspapier-

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Trends in Clinical and Experimental Dermatology Editor: J. Wohlrab

Volume 4 _______________________________________________________

ADJUVANTE THERAPIE DER

ATOPISCHEN DERMATITIS

- Konsenspapier des Arbeitskreises LATOPIA -

Volume Editor: Johannes Wohlrab

Shaker Verlag Aachen 2005

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Vorwort des Herausgebers Die angemessene und fundierte medizinische Betreuung von atopischen Patienten bedarf einer großen klinischen Erfahrung und in besonderer Weise ärztliches Engagement. Die Aufklärung, Beratung und Führung der Betroffenen sollte durch einen hohen Grad an Individualität und Anpassung geprägt sein. Ziel ist die patientenseitige Kompetenzbildung zur Krankheitsphasen-adaptierten Therapie. Neben antientzündlichen Therapiephasen mit Glukokortikoiden bzw. Calzineurininhibitoren sollte eine barriereprotektive Basistherapie ggf. mit hygroskopischen, desinfizierenden oder antipruriginösen Additiva mittel- und langfristig Anwendung finden. Als obligater Teil eines fundierten Therapiekonzepts müssen aus heutiger Sicht Aspekte des Patienten- sowie Krankheitsmanagements berücksichtigt werden. Das vorliegende Buch fasst den Konsens einer interdisziplinären Arbeitsgruppe zusammen und bündelt die Erfahrungen und Sichtweisen verschiedener Ärzte und Apotheker. Ein Konsens umfasst immer auch Kompromisse. Die daraus erwachsenden Unschärfen sollen den Leser ermutigen, die dargestellten Inhalte kritisch zu reflektieren. Gleichwohl hoffen die Mitglieder des Arbeitskreises LATOPIA, dass der dargestellte Konsens allen an der Versorgung von Atopikern Beteiligten eine Anregung und Hilfe bietet. Den Lesern wünsche ich, dass die Begeisterung und das Anliegen der Autoren erkennbar werden und Ihr Interesse finden. Johannes Wohlrab, MD Herausgeber

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Inhaltsverzeichnis Störungen der Barrierefunktion beim Atopiker...................................... 1B. Kunz Pathogenese des atopischen Ekzems…… ………………………......... 6A. Wollenberg, S. Wetzel Triggerfaktoren und Prävention………………………………….......... 23A. Gauger Adjuvante Therapie der atopischen Dermatitis (Konsenspapier)........... 39J. Wohlrab, F. Steierhoffer Anhang mit Wirkstoffdossiers…………………………………............ 53A. Herrmann, J. Wohlrab Brillantgrün…………………………………........................................... 54Chinolin und dessen Derivate……………………………………………………… 57Chlorhexidin……………………………………………………………………….. 60Gentianaviolett…………………………………………………………………….. 67Gerbstoffe, synthetisch…………………………………………………………….. 70Glycerin……………………………………………………………………………. 79Harnstoff…………………………………………………………………………… 84Polidocanol………………………………………………………………………… 94Povidonjod…………………………………………………………………………. 100Triclosan…………………………………………………………………………… 107 Mitglieder von LATOPIA…..…………………………………............ 111

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Adress of Volume Editor: Für den Arbeitskreis LATOPIA PD Dr. Johannes Wohlrab Universitätsklinik und Poliklinik für Dermatologie und Venerologie Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Ernst-Grube-Str. 40 D-06097 Halle (Saale)

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Störungen der Barrierefunktion beim Atopiker 1

____________________________________________________________________________ Wohlrab J (ed.): Adjuvante Therapie der Atopischen Dermatitis

In: Trends Clin Exp Dermatol, Aachen, Shaker, 2005, vol 4

Störungen der Barrierefunktion beim Atopiker B. Kunz Kopf- und Hautzentrum, Universitätskrankenhaus Eppendorf, Hamburg Einführung 1 Die physiologische Barrierefunktion 1 Barrierefunktion beim Atopiker 3 Zusammenfassung 4 Literatur 4 Einführung Als Grenzfläche zu unserer Umwelt hat die Haut vielfältige Funktionen. Besonders wichtig sind die Schutzfunktionen, die von der Hornschicht der Epidermis wahrgenommen werden. Das intakte Stratum corneum schützt uns vor schädlicher Einwirkung von außen (UV-Strahlung, Mikroorganismen, Allergene, unspezifische Schadstoffe). Seine wichtigste Aufgabe ist jedoch, unseren Körper vor Austrocknung zu schützen [1]. Der Wassergehalt des menschlichen Körpers beträgt zwischen ca. 75% bei Kindern und 50% im Alter. Über die Hornschicht werden täglich unmerklich nur etwa 0,5l Wasser an die Umgebung abgegeben (transepidermaler Wasserverlust, TEWL). Diese Menge ist im Gegensatz zur temperaturabhängigen Transpiration relativ konstant. Die physiologische Barrierefunktion Struktur und Funktion der epidermalen Barriere sind eng miteinander verknüpft. Das Stratum corneum besteht aus 12 – 16 Lagen von Korneozyten, die untereinander wie mit Druckknöpfen durch Adhäsionsproteine, die sog. Korneodesmosomen, verbunden sind. Die Zellzwischenräume sind vollständig von speziellen Lipiden ausgefüllt. Die Struktur erinnert somit an eine Ziegelmauer („bricks and mortar“) [2]. Sehr wichtig für die Barrierefunktion ist die Verbindung zwischen der Proteinhülle der Corneozyten (cornified envelope) und der Lipidmatrix [3]. Sie wird durch den

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2 Störungen der Barrierefunktion beim Atopiker _____________________________________________________________________________________

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sogenannten „lipid envelope“ hergestellt, eine Lipidhülle aus sehr langkettigen Omegahydroxyceramiden, die kovalent an Strukturproteine der Korneozyten gebunden sind [4]. Die Korneozyten machen etwa 80 Vol.% der Hornschicht aus. Sie haben die Fähigkeit zur Wasserbindung. Das Zellinnere enthält große Mengen Keratin sowie den sog. „Natural Moisturizing Factor“ (NMF), ein Gemisch aus ebenfall stark hygroskopischen Aminosäuren (Urocainsäure, Milchsäure, Urea u.a.). Der NMF wird im Laufe der Differenzierung der Korneozyten durch Hydrolyse aus Filaggrin gebildet, welches in den Keratohyalingranula enthalten ist. Das Signal für die Herstellung von NMF ist abhängig vom Wassergradienten im Stratum Corneum. [5]. Ebenso wichtig für die Barrierefunktion wie die Korneozyten sind die interzellulären Lipide, und zwar sowohl quantitativ als auch qualitativ. Die Epidermis synthetisiert täglich etwa 150 bis 200 mg Lipide [5], die als Wasserbarriere wirken. Aus Extraktionsversuchen mit organischen Lösungsmitteln weiß man, dass der Verlust der Lipide zu einem drastischen Anstieg des transepidermalen Wasserverlustes (TEWL) führt. Die aus der normalen Haut extrahierbaren Lipide setzen sich aus 45-50% Ceramiden, 25% Cholesterin und 10-15% freien Fettsäuren zusammen. Von besonderer Bedeutung sind die Ceramide, die sehr langkettige Fettsäuren enthalten und normalerweise mit Linolsäure verestert sind. Wird Linolsäure, wie z.B. bei Mangel an essentiellen Fettsäuren, durch Ölsäure ersetzt, ist eine Barrierefunktionsstörung die Folge [6]. Neben Menge und Zusammensetzung spielt die strukturelle Organisation der Lipide eine große Rolle für die Barriere. Die im Stratum granulosum synthetisierten Lipide werden nach Ausschleusung in den Interzellularraum mit Hilfe mehrerer Enzyme in hochgradig geordnete, parallel geschichtete Lipidlagen umstrukturiert, wobei hydrophile und hydrophobe Schichten alternieren. Insbesondere Ceramid 1 und 4 scheinen an der Ausbildung dieser Bilayer entscheidend beteiligt zu sein [7]. Eine ausreichende Hydratation der Hornschicht ist zur Aufrechterhaltung der Elastizität, Flexibilität und zur Erleichterung der physiologischen Abschuppung erforderlich. Trockene Haut neigt zu Rissen, sichtbarer (pathologischer) Schuppung und zu erhöhter Irritabilität.

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Störungen der Barrierefunktion beim Atopiker 3

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In: Trends Clin Exp Dermatol, Aachen, Shaker, 2005, vol 4

Barrierefunktion beim Atopiker Trockene Haut, auch in nicht-ekzematösen Arealen, ist ein konstantes klinisches Merkmal und ein wichtiges diagnostisches Kriterium des atopischen Ekzems. Das Ausmaß der Hauttrockenheit fluktuiert in Abhängigkeit von der Krankheitsaktivität. Seit langem sind ein erhöhter transepidermalen Wasserverlust (TEWL) [8] und ein erniedrigter Wassergehalt des Stratum corneum [9] als Ausdruck einer Barrierefunktionsstörung bekannt. In neueren Untersuchungen konnten sowohl Veränderungen der interzellulären Lipidmatrix als auch der Corneozyten als mögliche Ursachen nachgewiesen werden. Veränderungen der Interzellulären Lipide Bei Patienten mit atopischem Ekzem ist der Gesamtlipidgehalt in befallener Haut um ca. 50% reduziert. Insbesondere die Ceramide 1, 3 und 4, Linolsäure und sehr langkettige Fettsäuren (VLCFA) sind vermindert [10, 11, 12, 13]. Ursächlich könnte ein veränderter Glucosylceramid- und Sphingomyelin-Metabolismus sein [7], da v.a. Glucosylceramide, aber auch Sphingomyeline physiologische Präkursor-Substanzen von Ceramiden sind. In vitro-Untersuchungen an Keratinozyten von Patienten mit atopischem Ekzem ergaben eine erniedrigte Synthese von Ceramiden u. VLCFA [13]. Weiterhin fand sich eine signifikante Verminderung der kovalent an die Korneozyten gebundenen Omega-Hydroxyceramide (= proteingebundene Barrierelipide), auch in nicht-läsionaler Haut, also eine Veränderung des „lipid envelope“, der die Korneozyten in der Lipidschicht verankert. Der Autor stellt die Hypothese auf, dass Keratinozyten von Atopikern eine ungenügende Syntheseleistung für sehr lange Acylketten (VLCFA, langkettige Acylceramide und Ceramide) aufweisen. Andere Autoren führen den verminderten Ceramidgehalt der Hornschicht auf einen vermehrten Abbau von Ceramiden oder deren Vorgängersubstanzen durch endogene bzw. bakterielle Enzyme (Ceramidase, Sphingomyelin Deacylase, Glucosylceramid-Deacylase) zurück [14, 15, 16, 17]. Welchen Stellenwert die einzelnen Abweichungen des epidermalen Lipidmetabolismus für den erniedrigten Ceramidgehalt beim atopischen Ekzem haben, wird jedoch kontrovers diskutiert.

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4 Störungen der Barrierefunktion beim Atopiker _____________________________________________________________________________________

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Veränderungen der Korneozyten Ein weiterer Grund für den bereits angesprochenen erniedrigten Wassergehalt der Hornschicht beim Atopischen Ekzem ist eine reduzierte Wasserbindungsfähigkeit der Korneozyten. Diese geht wahrscheinlich auf eine gestörte Filaggrin-Synthese zurück [9]. Im stratum granulosum von Patienten mit atopischem Ekzem findet sich eine verminderte Anzahl von Keratohyalin-Granula. Diese enthalten das Profilaggrin, die Vorläufersubstanz des Filaggrin. Da der Aminosäureanteil des „Natural Moisturizing Factor“ (NMF) durch Hydrolyse von Filaggrin entsteht, resultiert ein verminderter Gehalt der Korneozyten an diesen wichtigen wasserbindenden Substanzen [5]. Zusammenfassung Trockene Haut ist ein klinischer Marker des atopischen Ekzems. Den seit langem bekannten Barrierefunktionsstörungen liegen nach neueren Untersuchungen Störungen des epidermalen Lipidstoffwechsels mit deutlich reduziertem Lipidgehalt der Haut einerseits sowie eine verminderte Bildung endogener wasserbindender Substanzen in der oberen Schichten der Epidermis zugrunde. Ein wichtiges therapeutisches Ziel ist die Wiederherstellung der gestörten Barrierefunktion. Eine gezielte fettende und rehydrierende Lokaltherapie ist dabei von entscheidender Bedeutung. Literatur 1. Madison KC (2003) Barrier function of the skin: „La raison d’etre“ of the

epidermis. J Invest Dermatol 121:231-241 2. Elias PM (1983) Epidermal lipids, barrier function, and desquamation. J

Invest Dermatol 80 (Suppl.):44s-49s 3. Meguro S, Arai Y, Masukawa Y et al. (2000) Relationship between

covalently bound ceramides and transepidermal water loss (TEWL). Arch Dermatol Res 292:463-468

4. Marekov LN, Steinert PM (1998) Ceramides are bound to structural proteins of the human foreskin cornified cell envelope. J Biol Chem 1273:17763-17770

5. Harding CR (2004) The stratum corneum: structure and function in health and disease. Dermatol Ther 17:6-15

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Störungen der Barrierefunktion beim Atopiker 5

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In: Trends Clin Exp Dermatol, Aachen, Shaker, 2005, vol 4

6. Melton JL, Wertz PW, Schwartzendruber DC et al.( 1987) Effects of essential fatty acid deficiency on O-acyl-sphingolipids and transepidermal water loss in young pigs. Biochim Biophys Acta 921:191-197

7. Schmuth M, Mao-Qiang M, Weber F et al. (2000) Permeability barrier disorder in Niemann-Pick disease: sphingomyelin-ceramide processing required for normal barrier homeostasis. J Invest Dermatol 115:459-466

8. Werner Y, Lindberg M (1985) Transepidermal water loss in dry and clinically normal skin in patients with atopic dermatitis. Acta Derm Venereol 65:102-105

9. Thune P (1989) Evaluation of the hydration and water binding capacity in atopic skin and so-called dry skin. Acta Derm Venereol 144 (Suppl.):133-135

10. Melnik B, Hollmann J, Plewig G (1988) Decreased stratum corneum ceramides in atopic individuals – a pathobiochemical factor in xerosis? Br J Dermatol 119:547-549

11. Imokawa G, Abe A, Jin K, et al. (1991) Decreased level of ceramides in stratum corneum of atopic dermatitis: an etiologic factor in atopic dry skin? J Invest Dermatol 96:523-526

12. Yamamoto A, Serizawa S, Ito M, Sato Y (1991) Stratum corneum lipid abnormalities in atopic dermatitis. Arch Dermatol Res 283:219-223

13. Macheleidt O, Kaiser HW, Sandhoff K (2002) Deficiency of epidermal protein-bound omega-hydroxyceramides in atopic dermatitis. J Invest Dermatol 119:166-173

14. Murata Y Ogata J, Higaki Y et al. (1996) Abnormal expression of sphingomyelin acylase in atopic dermatitis: an etiologic factor for ceramide deficiency? J Invest Dermatol 106:1242-1249

15. Ohnishi Y, Okino N, Ito M et al. (1999) Ceramidase activity in bacterial skin flora as a possible cause of ceramide deficiency in atopic dermatitis. Clin Diagn Lab Immunol 6:101-104

16. Hara J, Higushi K, Okamoto R et al. (2000) High expression of sphingomyelin deacylase is an important determinant of ceramide deficiency leading to barrier disruption in atopic dermatitis. J Invest Dermatol 115:406-413

17. Ishibashi M, Arikawa J, Okamoto R et al. (2003) Abnormal expression of the novel epidermal enzyme, glucosylceramide deacylase, and the accumulation of its enzymatic reaction product, glucosylsphingosine, in the skin of patients with atopic dermatitis. Lab Invest 83:397-408

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6 Pathogenese des atopischen Ekzems _____________________________________________________________________________________

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Pathogenese des atopischen Ekzems A. Wollenberg, S. Wetzel Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie, Ludwig-Maximilians-Universität, München Einführung 6 Klinisch-pathogenetische Aspekte 6 Klinisch-zelluläre Aspekte 9 Klinisch-infektiologische Aspekte 16 Ausblick 19 Literatur 19 Einführung Das atopische Ekzem (AE) ist eine multifaktorielle Erkrankung, die sich auf einem genetisch fixierten Hintergrund entwickelt. Im vergangenen Jahrzehnt sind viele pathogenetisch relevante Einzelaspekte in Form immunologischer Mechanismen entschlüsselt worden. Dennoch ist es bisher nicht gelungen, ein abschließendes Gesamtkonzept der Pathogenese zu entwickeln, das alle klinisch relevanten Charakteristika der Erkrankung zufriedenstellend erklärt. Auch für den ausschließlich klinisch tätigen Dermatologen ist pathogenetisches Fachwissen wichtig, um pathophysiologisch fundierte Behandlungskonzepte entwerfen und für jeden einzelnen Patienten eine optimal wirksame Therapieform auswählen zu können. In diesem Kapitel sollen relevante pathogenetische Schlüsselaspekte beschrieben werden, die sich zu einem klinisch nützlichen Komplex zusammenfügen lassen. Klinisch-pathogenetische Aspekte Atopisches Ekzem – Isochrone Polymorphie Eine Dermatitis ist definiert als akute Entzündung des Hautorgans und verläuft in Phasen, die je nach Schweregrad unter Auslassung einzelner Stadien, jedoch immer aufeinander folgend durch

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Pathogenese des atopischen Ekzems 7

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Erythem, Bläschenbildung, Nässen, Krustenbildung, Schuppung und ein Resterythem charakterisiert sind. Diese Phasen sind auch dem medizinischen Laien am Beispiel des Sonnenbrandes geläufig [5]. Das Kreibich’sche Dreieck beschreibt modellhaft verschiedene Szenarien für diesen phasenweisen Verlauf einer durch metachrone Polymorphie definierten Dermatitis, der auch eine akute allergische Kontaktdermatitis folgen kann (Abb. 1).

Abb. 1 Das Kreibich’sche Dreieck als Modell für verschiedene

Szenarien des Verlaufs einer entzündlichen Hauterkrankung: Während die Dermatitis durch nacheinanderfolgende Stadien (metachrone Polymorphie) charakterisiert ist, zeichnet sich das Ekzem durch das gleichzeitige Vorliegen mehrerer Stadien (isochrone Polymorphie) aus.

Als Ekzem wird eine durch isochrone Polymorphie der soeben erwähnten Einzelkomponenten charakterisierte, chronische Entzündung des Hautorgans bezeichnet. Das atopische Ekzem gilt als Modellerkrankung für ein Ekzem mit gleichzeitigem Vorhandensein von Erythem, Vesikulation, nässenden Arealen, Krusten oder Schuppen. Vor dem Hintergrund zahlreicher etablierter Synonyma wie endogenes Ekzem, Neurodermitis oder Prurigo Besnier erscheint die wörtliche Übersetzung der im amerikanischen Schrifttum gebräuchlichen Bezeichnung ‚atopic dermatitis’ als eine ‚atopische Dermatitis’ irreführend oder mindestens unglücklich.

Stadium exsudativum

Stadium crustosum Stadium vesiculosum

Stadium erythematosum

Stadium squamosum

Residualerythem

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8 Pathogenese des atopischen Ekzems _____________________________________________________________________________________

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Der Begriff ”Atopie” beschreibt die genetisch fixierte und vererbliche Neigung zur Entwicklung der Erkrankungen des atopischen Formenkreises – Rhinoconjunctivitis allergica, exogen allergisches Asthma bronchiale und AE. Soforttypsensibilisierungen gegenüber Aeroallergenen wie Katzenepithelien, Hausstaubmilben und Gräserpollen gelten als sinnvolles und einfach meßbares Laborkorrelat dieser atopischen Diathese. Klinische Varianten des atopischen Ekzems Das AE ist eine klinisch definierte Erkrankung, die im Vollbild leicht zu diagnostizieren ist. Die chronisch entzündlichen Hautveränderungen sind von starkem Juckreiz begleitet. Meist geht die Hauterkrankung mit leicht zu erkennenden Atopiezeichen wie einer gedoppelten Lidfalte, dem Verlust der lateralen Augenbrauenpartie oder einer Hyperlinearität der Handinnenflächen, den ”Atopiestigmata”, einher. Eine der auffälligsten Veränderungen der Hautbeschaffenheit beim atopischen Ekzem ist die starke Hauttrockenheit, die primär einen Fettmangel und erst sekundär einen Feuchtigkeitsmangel beschreibt. Die gestörte Funktion der epidermalen Barriere äußert sich unter anderem in einem erhöhten transepidermalen Wasserverlust. Häufig sind Patienten mit einem atopischen Ekzem auch von anderen Erkrankungen des atopischen Formenkreises wie Rhinoconjunctivitis allergica oder allergischem Asthma bronchiale betroffen. Bei vielen Neurodermitikern sind Aero- und Nahrungsmittel-allergenspezifische IgE-Moleküle und T-Zellen im Venenblut und in den Ekzemherden nachweisbar - dies wird nach dem Schweizer Allergologen Wüthrich als extrinsische Variante des atopischen Ekzem bezeichnet [46]. Die seltenere, intrinsische Variante weist zwar hautinfiltrierende T-Zellen auf, dafür sind weder erhöhte gesamt IgE-Spiegel noch IgE-Antikörper gegen die typischen Aero- und Nahrungsmittelallergene nachweisbar. Die frühe Einwanderung lymphohistiozytärer Zellen in die sich entwickelnden Hautläsionen eines AE ist pathogenetisch bedeutsam [14] und wird im Rahmen des Atopie-Patchtests auch diagnostisch genutzt [13].

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Pathogenese des atopischen Ekzems 9

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Atopisches Ekzem und IgE Das extrinsische AE geht wie die anderen Erkrankungen des atopischen Formenkreises mit hohen IgE-Spiegeln einher. Neben einer Erhöhung des Gesamt-IgE Spiegels sind auch spezifische IgE-Antikörper gegen typische Aero- und Nahrungsmittelallergene nachweisbar. Diese IgE-Antikörper werden von B-Lymphozyten gebildet und binden an hochaffine IgE-spezifische Rezeptoren, deren Expression auf Mastzellen und basophilen Granulozyten seit langem bekannt ist. Bei Kontakt der IgE-beladenen Mastzellen und basophilen Granulozyten mit einem multivalenten Allergen kommt es nach Kreuzvernetzung der spezifischen IgE-Antikörper zu einer Ausschüttung vasoaktiver Mediatoren wie Histamin oder Leukotrienen. Die Aktivierung dieser Reaktionskette ist der pathophysiologische Kernmechanismus der allergischen Reaktionen vom Soforttyp (Typ I), erklärt aber nicht die als Spättypreaktion (Typ IV) einzustufende Ekzemmorphe des AE. Andererseits kann die IgE-Diagnostik beim atopischen Ekzem wertvolle Hinweise auf klinisch relevante Sensibilisierungen im Sinne von Triggerfaktoren der Ekzemerkrankung liefern. klinisch-zelluläre Aspekte Das kutane Immunsystem Mit dem Begriff des kutanen Immunsystems wird die Gesamtheit aller immunologisch relevanten Zellen und Strukturen bezeichnet, die an Entstehung und Unterhalt einer Immunantwort des Hautorgans beteiligt sind [4]. Als statischer Teil des kutanen Immunsystems werden ortsständige Zellen wie Keratinozyten, Fibroblasten und Endothelzellen zusammengefasst, die auch in normaler, nicht entzündlich veränderter Haut vorhanden sind. Bei kutanen Entzündungsreaktionen wie dem atopischen Ekzem können zahlreiche Zellen in die Haut ein- und auch wieder auswandern, die als dynamischer Teil des kutanen Immunsystems zusammengefasst werden. Diese umfassen Antigen-präsentierende Zellen wie Langerhans Zellen (LC), inflammatorische dendritische epidermale Zellen (IDEC) und plasmazytoide dendritische Zellen (PDC), verschiedene Lymphozytensubpopulationen wie T-Helfer (Th)1 Zellen, Th2 Zellen und B-Lymphozyten sowie Eosinophile, Makrophagen, Basophile und Mastzellen (Abbildung 2).

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Abb. 2a Zelluläre Bestandteile der normalen Haut (NH): Keratinozyten

(KC), Langerhans Zellen (LC), Fibroblasten (Fib.), Endothelzellen (EC), dermale dendritische Zellen (DDC)

Abb. 2b Zelluläre Bestandteile der entzündlichen Haut bei atopischem

Ekzem (AE): Neben den Zellen der normalen Haut wandern weitere Zellen ein, wie inflammatorische dendritische epidermale Zellen (IDEC), Lymphozyten (TH1, TH2, B), Eosinophile, Macrophagen, Basophile und Mastzellen

NH

DDC

LC K

EC

Fib

AE

B

LC

TH

DDC

TH

MC

K IDEC EC

Fib

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Alle genannten Zelltypen sind in irgendeiner Form an der Immunreaktion, die jedem atopischen Ekzem zu Grunde liegt, beteiligt. Keratinozyten Keratinozyten bilden nach Anzahl und Volumen den zellulären Hauptbestandteil der Epidermis und sind für die Ausbildung der schützenden Hornschicht verantwortlich. Die starke Ödembildung des Gewebes führt zu einem Auseinanderweichen der Keratinozyten mit Verbreiterung des Interzellularraumes, was histologisch als Spongiose sichtbar ist. Klinisch gehen diese Veränderungen mit einem erhöhten transepidermalen Wasserverlust und einer schlechteren epidermalen Barrierefunktion einher [25]. Lange wurde diskutiert, ob die gestörte Funktion der epidermalen Barriere beim atopischen Ekzem eine Folge der atopischen Diathese ist oder ein primum movens der Erkrankung, beispielsweise aufgrund eines intrinsischen Defekts der Keratinozyten, darstellt. Kürzlich wurde gezeigt, dass die Keratinozyten eines Neurodermitikers nach Stimulation mit Interleukin (IL)-1α und Interferon (IFN)-γ mehr Granulozyten-Makrophagen Kolonie-stimulierenden Faktor (GM-CSF) produzieren als Keratinozyten eines Nichtatopikers, wobei auch die Zugabe von Keratinozytenkulturüberständen die phänotypische und funktionelle Reifung von peripheren Blutvorläuferzellen zu dendritischen Zellen bewirkte [24]. Neuere Studien konnten zeigen, dass aktivierte T-Zellen durch eine IFN-γ-Produktion über den Fas-Liganden eine Apoptose der Keratinozyten induzieren können [31]. Dies erklärt die Ausbildung der kleinen, spongiotischen Bläschen in der Epidermis. Lymphozyten Das lymphohistiozytäre Infiltrat eines AEherdes ist aus verschiedenen Typen von Lymphozyten zusammengesetzt. Die B-Lymphozyten produzieren Antikörper, die dem humoralen Immunsystem zugerechnet werden. Dieser Begriff leitet sich von Humores ab, was soviel wie Körperflüssigkeit bedeutet. Die B-Lymphozyten wandeln sich nach Aktivierung in große Plasmazellen um und setzen Antikörper wie das für atopische Erkrankungen wesentliche IgE frei.

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Die im Thymus ausreifenden T-Lymphozyten gliedern sich in zahlreiche Unterformen wie zytotoxische T-Zellen, T-Helfer- und T-Suppressor-Zellen. Alle Unterformen der T-Lymphozyten sind Teil des zellulären Immunsystems. Nach ihrer Reifung gelangen die Lymphozyten in das periphere lymphatische Gewebe. Hier können die T-Lymphozyten durch den Kontakt mit Antigen-präsentierenden Zellen aktiviert werden. Wird einem Lymphozyt im lymphatischen Gewebe sein spezifisches Antigen präsentiert, so wird er zur Proliferation angeregt. Die resultierenden Tochterzellen sind entweder aktivierte Effektorzellen, die bei erneutem Kontakt sofort auf dasselbe Antigen reagieren können oder langlebige Gedächtniszellen [4]. Reife T-Zellen exprimieren entweder das Rezeptormolekül CD4 oder CD8 auf ihrer Zelloberfläche. Fast alle Zellen des menschlichen Körpers exprimieren Haupthistokompatibilitäts-komplex (MHC)-I-Moleküle und präsentieren damit vor allem intrazelluläre Antigene. Die CD8 exprimierenden Zellen reagieren auf Antigene, die ihnen in MHC-I-Komplexen dargeboten werden. Im Gegensatz dazu reagieren CD4 exprimierende Zellen Antigene, die Ihnen in MHC-II-Molekülen präsentiert werden. Nur spezielle Antigen-präsentierende Zellen des menschlichen Körpers exprimieren MHC-II-Moleküle und präsentieren damit vor allem extrazellulär aufgenommene und prozessierte Antigene. Beim atopischen Ekzem sind typischerweise erhöhte Blutkonzentrationen von aktivierten T-Lymphozyten zu finden - während die Anzahl der CD4+ T-Zellen erhöht ist, sind weniger CD8+ T-Zellen nachweisbar. Auch in den Neurodermitisherden dominieren CD4+ T-Zellen. Diese CD4+ T-Zellen sind potente Produzenten proinflammatorischer Zytokine [4]. Darüber hinaus werden Lymphozyten nach dem Muster der von ihnen sezernierten Zytokine in Th1- und Th2-Zellen eingeteilt. Das dichotome Konzept der Th1/Th2-Zellen wurde ursprünglich im Mausmodel etabliert und in der Folgezeit auch auf humane T-Zellen ausgeweitet. Die erfolgreiche Antigenpräsentation durch dendritische Zellen veranlasst undifferenzierte Th-0 Vorläuferzellen, sich entweder in Th1- oder Th2-Richtung zu differenzieren. Th2-Zellen produzieren vornehmlich IL-4, IL-5, IL-6, IL-10 und IL-13, Th1-Zellen produzieren viel IFN-γ. Die Zytokine IL-2, IL-3 und GM-CSF werden von beiden

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Zellpopulationen gebildet. Verschiedene Infektionskrankheiten heilen je nach Erreger mit Ausbildung unterschiedlich dominierter Immunantworten schneller oder langsamer ab, was in Extremfällen von folgenloser Ausheilung bis hin zu tödlich verlaufenden Infektionen reichen kann [4]. Allergologisch gesehen ist ein Th1-Muster mit Hypersensitivitätsreaktionen vom verzögerten Typ assoziiert, wohingegen sich ein Th2-Muster vor allem bei IgE-vermittelten Soforttypreaktionen wie der Rhinoconjunctivitis allergica findet [20]. In dieser Klassifikation nimmt das AE einen Zwischenstatus ein, da es sich einerseits um eine zellvermittelte Hypersensitivitäts-reaktion handelt, andererseits aber kinetische Untersuchungen am Modell des Atopie-Patch-Testes zeigten, daß die akute Phase durch ein Th2-Muster und die Spätphase dann durch ein Th1-Profil charakterisiert ist [12]. Dies bedeutet, dass während der akut-entzündlichen Phase des AE Th2-Zellen dominieren, die durch eine IL-4 Produktion die Proliferation von IgE produzierenden B-Lymphozyten begünstigen. Der Switch vom Th2- zum Th1-Muster wird vermutlich durch IL-12 induziert, welches nicht nur von Keratinozyten und dendritischen Zellen, sondern auch von Eosinophilen gebildet wird [12]. IgE tragende dendritische Zellen Viele Zelltypen des menschlichen Körpers sind in der Lage, eine sekundäre Immunantwort auf Antigene zu initiieren, die dem Organismus aus vorangegangenen Immunantworten bereits bekannt sind. Zu Einleitung einer primären Immunantwort auf unbekannte Antigene sind hingegen nur wenige Zelltypen des menschlichen Körpers bekannt. Der potenteste Typ dieser professionellen Antigen-präsentierenden Zellen (APC) ist die Familie der dendritischen Zellen (DC). Sie sind zur Prozessierung und MHC-II-gebundenen Präsentation vor allem von extrazellulär aufgenommenen Antigenen befähigt und nehmen eine zentrale Rolle bei zahlreichen Immunprozessen und allergischen Erkrankungen ein. Die von den DC als intakte, große Moleküle aufgenommenen Proteinantigene werden innerhalb der Zelle in den Endosomen proteolytisch in kleine Oligopeptide gespalten und auf den MHC-II-Komplex geladen, der als ‘Präsentierteller’ für die

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T-Zellen fungiert. Erst nach Stimulation durch eine APC kann eine T-Zelle als Effektorzelle fungieren. Die Benennung der verschiedenen DC erfolgt nach Unterschieden in Immunphänotyp, Ultrastruktur, Lokalisation und Funktion, wobei mit myeloiden DC und plasmazytoiden DC zwei große Klassen zusammengefasst werden. Die Wanderung der APC wird von Chemokin-Gradienten beeinflusst, die über Chemokin-Rezeptoren auf der APC-Oberfläche detektiert werden [9]. Da das AE klinisch und immunhistologisch gesehen dem allergischen Kontaktekzem ähnelt, wird zellvermittelten Immunreaktionen eine wesentliche Rolle in der Pathogenese dieser Erkrankung zugesprochen. Andererseits weisen die atopische Diathese der Patienten, der erhöhte IgE-Spiegel und die IgE-vermittelten Begleiterkrankungen wie Rhinoconjunctivitis allergica und Asthma bronchiale auf eine IgE-vermittelte Pathogenese hin [35]. Der Nachweis von IgE-Molekülen und hochaffinen IgE-Rezeptoren auf der Zelloberfläche epidermaler DC löste diesen nur scheinbaren Widerspruch und führte zum Konzept einer IgE-vermittelten Spättypreaktion als pathophysiologische Grundlage des AE. Derzeit sind drei unterschiedliche Typen IgE-tagender DC beschrieben. Langerhans Zellen LC sind die einzige dendritische Zellpopulation der normalen, nicht entzündlich veränderten Oberhaut. Sie wurden durch den Berliner Medizinstudenten Paul Langerhans im Jahre 1868 erstmals beschrieben [16]. Heute sind LC als epidermal lokalisierte, dendritisch geformte Zellen definiert, die Birbeck-Granula enthalten, CD1a und “Human leucozyte antigen” (HLA)-DR exprimieren und zur Einleitung primärer und sekundärer Immunantworten befähigt sind [40]. Im Jahre 1986 zeigten Bruijnzeel-Koomen et al. immunhistochemisch, daß epidermale CD1a-positive DC in Ekzemherden IgE-Moleküle auf ihrer Zelloberfläche tragen [6]. Sie gingen davon aus, daß alle von Ihnen angefärbten DC LC seien. Auf der Suche nach dem relevanten IgE-Rezeptor auf der Zelloberfläche wurden nacheinander alle drei im Humansystem bekannten IgE-bindenden Strukturen auf epidermalen LC nachgewiesen: (i) der niedrigaffine IgE-Rezeptor CD23/FcεRII [3],

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(ii) der hochaffine IgE-Rezeptor FcεRI [2, 32] und (iii) das IgE-bindende Protein Galectin3/εBP [37]. Der hochaffine IgE-Rezeptor FcεRI stellt dabei die quantitativ und funktionell relevante IgE-bindende Struktur dar [15]. Protein-Allergene werden in Gegenwart des für sie spezifischen IgEs von epidermalen dendritischen Zellen weitaus effektiver aufgenommen und präsentiert, als dies ohne IgE der Fall wäre. Dieser als IgE-vermittelte Antigen-Präsentation oder antigen-focussing bezeichnete Effekt kann in vitro die antigenpräsentierende Kapazität der DC etwa um den Faktor 100-1000 steigern [19, 21]. Die Phänotypisierung epidermaler dendritischer Zellen, eine kürzlich standardisierte diagnostische Untersuchungsmethode zur Identifizierung des AE auf Ebene einzelner Ekzemherde [43] basiert zum Teil auf der signifikanten Aufregulation des FcεRI [38] auf den epidermalen dendritischen Zellen in läsionaler Haut beim atopischen Ekzem. Inflammatorische dendritische epidermale Zellen In der entzündlich veränderten Epidermis findet sich neben den LC eine zweite, immunphänotypisch und ultrastrukturell abgrenzbare Population myeloider dendritischer Zellen, die IDEC [38]. Sie sind als epidermal lokalisierte, dendritisch geformte Zellen definiert, die CD1a, HLA-DR und CD11b exprimieren, aber keine Birbeck-Granula enthalten. Heute ist bekannt, dass IDEC bei vielen chronisch-entzündlichen Hauterkrankungen nachweisbar sind, wobei die höchste Anzahl in chronischen Ekzemherden eines Neurodermitikers zu finden ist [43]. Dabei tragen die IDEC sehr viel mehr IgE und auch sehr viel mehr hochaffinen IgE-Rezeptor FcεRI auf ihrer Zelloberfläche als die LC [43]. Obwohl LC als die unreife DC-Population der Haut gelten, ist der als Oberflächenmarker für unreife DC gut etablierte Mannoserezeptor CD206 nur auf IDEC und nicht auf LC nachweisbar [39]. Die costimulatorischen Mokeküle CD80 und CD86 werden bereits in situ auf IDEC exprimiert [29]. Das für die Hautkrankheit spezifische entzündliche Mikromilieu beeinflußt den Immunphänotyp der IDEC stark, so daß die standardisierte durchflußzytometrische Immunphänotypisierung epidermaler DC als diagnostisches Hilfsmittel einsetzbar ist [42]. Die sehr hohe Expression des hochaffinen IgE-Rezeptor FcεRI im

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atopischen Ekzem ermöglicht sensitiv und spezifisch die Abgrenzung des AE von anderen ekzematoiden Hauterkrankungen [43]. Am Modell des Atopie-Patchtests konnte gezeigt werden, daß IDEC bereits sehr früh in die Ekzemläsion einwandern, den spezifischen Phänotyp aber erst in situ entwickeln [14]. Im Labor lassen sich aus Monozyten durch unterschiedliche Kulturbedingungen sowohl LC-ähnliche DC als auch IDEC-ähnliche DC generieren [22, 27, 30]. So ist anzunehmen, dass Monozyten aus dem peripheren Blut in die entzündliche Haut einwandern, wo sie zu IDEC reifen [36]. Plasmazytoide dendritische Zellen Als PDC wird eine ebenfalls erst kürzlich herausgearbeitete, sehr seltene, für die antivirale Immunabwehr jedoch wesentliche Untergruppe dendritischer Zellen bezeichnet [28]. Unter normalen Umständen zirkulieren diese Zellen im Blut und machen mit zirka 0,1% nur einen kleinen Teil der peripheren mononukleären Blutzellen aus [41]. Bei viralen Infektionen produzieren diese Zellen große Mengen der antiviralen Typ 1 Interferone IFN-α and IFN-β [8]. Während in den Läsionen der Psoriasis, des Kontaktekzems und insbesondere beim Lupus erythematodes regelmäßig PDC nachweisbar sind, finden sich in atopischen Ekzemläsionen signifikant weniger dieser als 'antivirale Relaisstation' wirkenden Zellen [41]. Hierfür dürften die in Neurodermitisläsionen bekanntermaßen hohen Spiegel an IL-4 und IL-13 sein, die ein bekannter Apoptose-Induktor für PDC sind [26]. Der Mangel an PDC in einer durch Barrierefunktionsstörungen vorgeschädigten Haut scheint ein weiterer relevanter Kofaktor für die klinisch bekannte Neigung der Neurodermitiker zu viralen Infektionen zu sein [41]. Klinisch-infektiologische Aspekte Störungen der Barrierefunktion, der angeborenen und der erworbenen Immunabwehr begünstigen die Ausbildung bakterieller und viraler Infektionen bei Neurodermitikern. Die Aufklärung relevanter infektionsimmunologischer Pathomechanismen hat kürzlich zu einem besseren Verständnis dieser seit langem

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bekannten, klinisch charakteristischen Immunschwäche des Atopikers geführt. Virale Infektionen beim atopischen Ekzem Virale Hauterkrankungen treten bei Atopikern häufiger und in stärkerer Ausprägung auf, auch sind sie schwerer zu behandeln als bei Nichtatopikern [44]. Disseminierte virale Infektionen eines floriden AE sind eine klinisch charakteristische Sonderform viraler Erkrankungen und werden je nach Erreger als Eczema herpeticatum, Eczema vaccinatum, Eczema molluscatum oder Eczema verrucatum bezeichnet [44]. Das Th-2-dominierte kutane Entzündungsmilieu bedingt eine Bevorzugung von IgE-Antworten vor zellulären Abwehrreaktionen, was mit ursächlich für die klinische Beobachtung sein dürfte, daß gerade Patienten mit einem schlecht behandelten, akut exazerbierten atopischen Ekzem zu viralen Sekundärinfektionen neigen [45]. Das Eczema herpeticatum (EH) ist als disseminierte Infektion eines vorbestehenden, zumeist AE mit dem Herpes simplex Virus (HSV) definiert und stellt eine auch Jahre nach Einführung der antiviralen Chemotherapie noch gefürchtete Komplikation des AE dar [33]. Drei verschiedene, für die Ausprägung der Erkrankung pathogenetisch relevante Aspekte wurden in den letzten Monaten herausgearbeitet: Erstens sind mit Nectin-1 die Oberflächenrezeptoren für HSV auf Keratinozyten identifiziert worden. Diese sind in normaler Haut in den Desmosomen verborgen, werden aber durch die Spongiose des Ekzems demaskiert, gleichmäßig über die Zelloberfläche verteilt und so dem HSV zugänglich [47]. Zweitens sind mit Defensinen und Cathelicidinen mehrere antimikrobiell wirksame Peptidklassen identifiziert worden. Im Humansystem sind mehrere Defensine aber nur ein Cathelicidin, das LL-37, bekannt [10]. Während die antibakteriellen Eigenschaften dieser Peptide gut etabliert sind, wurden kürzlich auch die antiviralen Eigenschaften insbesondere des LL-37 bekannt. So können Defensine rekombinantes Adeno-assoziiertes Virus oder HSV direkt binden und auf diese Weise deren Infektiosität herabsetzen [11], während LL-37 direkte Effekte auf das Vaccinia Virus und HSV aufweist [44]. Die im Vergleich zur Psoriasis beim atopischen Ekzem deutlich verminderte Produktion mehrerer

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relevanter antiviraler Peptide dürfte somit nicht nur einen wesentlichen Kofaktor für die vermehrte Besiedelung der Haut mit Staph. aureus darzustellen, sondern auch eine pathogenetische Rolle bei disseminierten kutanen viralen Infektionen des AE spielen [10, 23]. Drittens ist der Mangel an PDC zu nennen, der das AE von anderen entzündlichen Hauterkrankungen wie der Psoriasis, dem allergischen Kontaktekzem oder dem kutanen Lupus erythematodes unterscheidet [41]. Eine selektive Apoptose-Induktion von PDC durch IL-4 ist beschrieben und kann das weitgehende Fehlen dieses Zelltyps in den Neurodermitisläsionen gut erklären [26]. Ein Fehlen dieser als ‚antivirale Relaisstation’ wirkenden PDC in den Läsionen des AE verhindert ursächlich die Produktion antiviraler Typ-I Interferone [41]. Das Eczema molluscatum betrifft vor allem Kinder mit atopischem Ekzem, wobei der kratzende Finger infektiöse Viruspartikel über befallene und unbefallene Hautareale verteilt. In wieweit eine Behandlung mit topischen Immunmodulatoren eine Ausbildung des Eczema molluscatum begünstigt, muß durch weitere epidemiologische und experimentelle Arbeiten geklärt werden [34]. Bakterielle Infektionen beim atopischen Ekzem Klinisch ist seit langem bekannt, daß die Haut der Patienten mit atopischem Ekzem stark von Staphylococcus aureus kolonisiert wird, und daß Exazerbationen eines AE fast immer mit Staph. aureus-Infektionen einhergehen. Staph. aureus produziert eine Anzahl verschiedener Bakterientoxine wie SEA, SEB oder TSST, die als Allergene und als Superantigene wirken können, stimulieren also zahlreiche T-Zellen einer gemeinsamen Untergruppe unabhängig von deren Spezifität [1, 18]. Diese Untergruppen sind durch einen gemeinsamen V-beta Abschnitt im T-Zell-Rezeptor definiert. Grob geschätzt kann so statt jeder millionsten antigenspezifischen T-Zelle etwa jede zwanzigste T-Zelle aktiviert und zur Teilung angeregt werden. Dieser Effekt scheint insbesondere für das sekundär infizierte AE pathogenetisch relevant zu sein. Weiterhin wurde einerseits Superantigen-spezifisches IgE bei Patienten mit atopischem Ekzem nachgewiesen, was eine pathogenetische Relevanz der Besiedlung mit Staph. aureus im Sinne eines lokalen Triggerfaktors unterstreicht [7]. Die systemische antibiotische oder

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topische antiseptische Therapie bedingt nicht nur eine klinische Besserung akuter Hautläsionen, sondern hat auch einen positiven Einfluß auf die Regulation der IgE-Synthese [18]. Im Rahmen kutaner Entzündungsreaktionen wird in Abhängigkeit vom lokalen Zytokinmilieu die Produktion antibakterieller Peptide wie das Defensin HBD-2 oder das Cathelicidin LL-37 in Keratinozyten heraufreguliert [23]. Dies führt in verschiedenen Hauterkrankungen wie der Psoriasis zu einer hohen Peptidproduktion und klinisch ausgezeichneten Schutzwirkung. Im Gegensatz dazu verhindert das entzündliche Mikromilieu in den Läsionen des AE, wahrscheinlich über IL-4, eine Aufregulation der antimikrobiellen Peptide [23]. Ausblick Die von zahlreichen Forschungsgruppen auf der ganzen Welt betriebene dermatologisch-immunologische Forschungsarbeit hat unser Wissen hinsichtlich vieler pathogenetischer Aspekte des AE beträchtlich erweitert. Dies führte zur pathogenetischen Einordnung des AE als IgE-vermittelte Spättypreaktion der Haut [17]. Leider stellt unser derzeitiges Wissen noch immer ein aus vielen Einzelteilen bestehendes großes Puzzle dar. Dieses Puzzle ist zwar zum Teil bereits zusammengesetzt, weist aber immer noch in weiten Teilen Lücken auf, die durch bislang noch unbekannte Stücke in der Zukunft geschlossen werden müssen. Literatur 1. Abeck D, Mempel M (1998) Staphylococcus aureus colonization in atopic

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Triggerfaktoren und Prävention A. Gauger Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie am Biederstein, Technische Universität München Einführung 23 Aeroallergene 24 Hausstaubmilbe 26 Tierepithelien und Pflanzenpollen 27 Nahrungsmittel 28 Mikrobielle Besiedlung 29 Textilien 31 Zusammenfassung 34 Literatur 34 Einführung Das atopische Ekzem (AE; Synonym: atopische Dermatitis, endogenes Ekzem, Neurodermitis) stellt bei einer Prävalenz von über 10% die häufigste chronisch-entzündliche Hauterkrankung bei Kindern in industrialisierten Ländern dar [1]. In über 80% verläuft die Erkrankung leicht, nur ca. 2 % der Patienten erfahren einen schweren Verlauf, die Krankheitsaktivität nimmt meist im Laufe des Lebens ab, so daß nur eine geringe Prävalenz der Erkrankung im Erwachsenenalter besteht [2]. Das Erkennen und die Meidung von Trigger- (bzw. Provokations-) faktoren spielt eine wesentliche Rolle im Therapiemanagement des atopischen Ekzems. Hierdurch kann sowohl präventiv als auch therapeutisch positiver Einfluß auf den Krankheitsverlauf genommen und Beschwerden gemildert oder vermieden werden [3,4]. Triggerfaktoren können generell in unspezifische, d.h. jeden Patienten mit atopischem Ekzem betreffend, oder spezifische, d.h. individuelle Faktoren unterteilt werden [Abb. 1].

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Abb. 1 Übersicht der individuellen (spezifischen) und generellen

(unspezifischen) Triggerfaktoren des atopischen Ekzems Aeroallergene Die häufigsten Sensibilisierungen bei atopischer Diathese finden sich gegen Gräserpollen, Dermatophagoides pteronyssinus (Hausstaubmilbe I) sowie Katzenepithelien. Seltener sind Typ I –Sensibilisierungen gegenüber Dermatophagoides farinae (Hausstaubmilbe II), Birken- und Beifußpollen, Alternaria sowie Hundeepithelien. Sie können den Krankheitszustand negativ beeinflussen bzw. ihre Meidung kann zu einer deutlichen Befundbesserung führen. Sensibilisierungen auf Aeroallergene müssen für den Patienten individuell mit Hilfe der üblichen allergologischen Diagnostik (siehe dort) ermittelt werden. Ob es sich hierbei um klinisch relevante Sensibilisierungen handelt, muß sowohl anamnestisch als auch mit Hilfe spezifischer allergologischer Testungen (z.B. Atopie-Patch-Test (APT)) geklärt werden. Hier wird mit Allergenen, die bekanntermaßen IgE-

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vermittelte Reaktionen auslösen, eine Epikutantestung durchgeführt. Sie besitzt eine hohe Spezifität und ist geeignet, die Relevanz einer IgE-vermittelten Sensibilisierung für die Hauterkrankung „Ekzem“ zu beurteilen [5,6]. Die Sensibilisierung auf Aeroallergene ist beim AE durch die bekannte Barrierestörung der Haut erleichtert [Abb. 2].

Abb. 2 Sensibilisierung auf Aeroallergene bei bekanntem

Barrieredefekt bei atopischem Ekzem

Erfolgt durch eine konsequente Basispflege eine Barrierestabilisierung, so kann die Ekzemreaktion auf Aeroallergene abgeschwächt oder sogar verhindert werden. Dies zeigte eine Studie von Billmann-Eberlein et al., die zeigte, daß nach einer Woche Vorbehandlung mit 12% Omega Fettsäuren Creme signifikant schwächere Reaktionen im Vergleich zur unbehandelten Seite im APT auf Lieschgras (p<0,001) und Hausstaubmilbe (p<0,005) auftraten [7]. Umgekehrt konnte von Loffler et al. in einem Versuchsaufbau eine gesteigerte APT-Reaktion nach Barriereschädigung mit dem Irritans Natriumlaurylsulfat nachgewiesen werden [8]. Stabilisierung der epidermalen Barriere

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trägt zum Schutz vor Sensibilisierung und Ekzemverschlechterung durch Aeroallergene erheblich bei.

Hausstaubmilben

Die Allergene der Hausstaubmilbe, deren wichtigste Vertreter in Mitteleuropa Dermatophagoides pteronyssinus und Dermatophagoides farinae sind, entstammen in erster Linie deren Faeces (Der p 1 und Der f 1; wasserlösliche und hitzelabile Glykoproteine), aber auch dem Milbenkörper (Der p 2 und Der f 2; wasserlösliche und hitzestabile Glykoproteine). Problematisch gestaltet sich bei der Durchführung und Auswertung klinischer Studien, die sich mit Hausstaubmilben- Reduktion und Prävention beschäftigen, die Standardisierung repräsentativer Allergenmessungen. So wiesen Loan und Mitarbeiter eine extrem variable Allergenverteilung im Haushalt nach [9]. Eine positive Korrelation konnte zwischen Allergenkonzentration und Feuchtigkeit sowie Familiengröße gezeigt werden [10]. Zahlreiche Studien wurden bis heute durchgeführt, die vor allem die Effektivität des Encasings zur Reduktion der Hausstaubmilben-Konzentration zeigen konnten, nicht jedoch eine signifikante Verbesserung des atopischen Ekzems durch diese Maßnahme [4,11,12,13]. Auch eine Metaanalyse kommt zur gleichen Schlußfolgerung [14]. Allerdings wurde eine Hausstaubmilben-Sensibilisierung als möglicher positiver prädiktiver Marker für AE- Persistenz und Entwicklung respiratorischer allergischer Erkrankungen postuliert [15]. 1996 berichteten Tan und Mitarbeiter zudem über eine Placebo-kontrollierte Studie, in der eine Besserung des atopischen Ekzems in der Verum-Gruppe durch Encasing und Verwendung von Acariziden und eines Spezial-Staubsaugers (Mikrofilter) erreicht werden konnte [16]. Dies ist um so erstaunlicher, da in den Einschlußkriterien lediglich das Vorhandensein eines atopischen Ekzems, aber nicht einer sogenannten extrinsischen Form, d.h. die Notwendigkeit des Vorhandenseins von spezifischen und unspezifischen Sensibilisierungen, gefordert wurde [16]. Präventiv sollte bei nachgewiesener Hausstaubmilbensensibilisierung mit Krankheitsrelevanz eine Reduktion der Hausstaubmilben-Allergene angestrebt werden. Hierbei stellt das Encasing der Matratze die

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wichtigste Maßnahme dar. Encasing von Kopfkissen und Bettdecke sollte zusätzlich erfolgen, alternativ können Kissen und Bettdecke regelmäßig (alle 4-6 Wochen) bei 900C gewaschen werden [4]. Die Luftfeuchtigkeit sollte nach Möglichkeit < 50% abgesenkt werden. Wenn Klimaanlage und Luftentfeuchter nicht zur Verfügung stehen, sollte zumindest für ausreichende Lüftung von Matratze und Bett gesorgt werden. Falls Teppichboden vorhanden ist, empfiehlt sich entweder regelmäßiges (alle 2-3 Tage) Staubsaugen, nach Möglichkeit mit Mikrofilter. Wichtig ist das häufige Auswechseln der Filter. Während des Saugens und bis zu zwei Stunden danach sollte sich der Allergiker den entsprechenden Räumen fernhalten. Prinzipiell ist, falls möglich, der Ersatz durch wischbare Bodenmaterialien anzuraten. Bei Kindern sollten Kuscheltiere mindestens 1 x monatlich für 12 Stunden ins Eisfach gelegt (tötet die Milben ab), und anschließend gewaschen werden (entfernt die Allergene) [4]. Die Absenkung der Temperatur von Schlafräumen unter 200C scheint ebenfalls sinnvoll zu sein, der Einsatz von Acariziden ist eher fraglich [17].

Tierepithelien und Pflanzenpollen

Die Sensibilisierung von Patienten mit AE gegenüber Katzenepithelien ist häufig und birgt aus verschiedenen Gründen eine besondere Problematik: das verantwortliche Allergen Fel d1 persistiert – auch nach Abschaffung des Haustieres – noch lange in der Wohnung und ist in der Öffentlichkeit (Schule, Arbeitsplatz) nicht leicht zu meiden. Bei nachgewiesener klinischer Symptomatik ist die Allergenkarenz die erste therapeutische Maßnahme. Dies bedeutet die Abschaffung des oft ans Herz gewachsenen Haustieres. Andererseits ist die Diskussion um die Notwendigkeit der präventiven Haustierabschaffung in den letzten Jahren erneut entbrannt. Holscher et al. konnten eindeutig eine höhere Sensibilisierungsrate bei Katzenhaltern [18], Jovanovic et al. sogar eine höhere Sensibilisierung bei atopischen Kindern (Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg: case control study) nachweisen [19]. In einer großen prospektiven Kohortenstudie bezüglich Asthma bei über 900 Kindern wurde eine signifikante Korrelation zwischen Allergen-Exposition (HSM/Katze) und Sensibilisierung zwischen dem 3. und 7. Lebensjahr sowie

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zwischen Sensibilisierung und Erkrankung ab dem 3. Lebensjahr beobachtet. Allerdings wurde keine Korrelation zwischen Allergen-Exposition und Erkrankung gefunden [20]. Der Hundehaltung konnte aus epidemiologischer Sicht sogar ein protektiver Effekt zugeschrieben werden [18]. Inwieweit die präventive Allergenmeidung bei Haustieren, speziell der Katze, eine sinnvolle Maßnahme ist, muß in weiteren prospektiven Studien geklärt werden. Gräserpollen zeigen die höchste Sensibilisierungsrate bei Patienten mit atopischer Diathese. Die Pollenbelastung ist zwar individuell – abhängig vom Wohngebiet – unterschiedlich, eine Allergenkarenz gestaltet sich jedoch generell schwierig. Sinnvolle Maßnahmen beinhalten, zu Spitzenbelastungszeiten des Pollenflugs Aktivität im Freien zu meiden (Polleninformationsdienst Radio/ Zeitung). Eine geringere Belastung findet sich nach längerem Regen, niedriger Temperatur, sowie tageszeitlich zwischen 0-4 Uhr morgens (idealer Zeitpunkt zum Lüften). Abends sollte nach dem Aufenthalt im Freien geduscht und die Haare gewaschen werden mit anschließend konsequenter Hautpflege. Kleidung sollte nicht im Schlafzimmer abgelegt oder im Freien getrocknet werden. Regelmäßiges Saugen mit Staubsaugern, die mit Mikrofilter ausgestatteten sind, sowie feuchtes Wischen von Böden und Oberflächen ist sinnvoll, jedoch sollte dies nicht durch die betroffene Person erfolgen. Bei Urlaubsplanung sollten pollenarme Ort- und Zeitpunkte vorgezogen werden (Hochgebirge, Küste, Inseln, Seereisen). Pollenschutzfolien vor dem Fenster ermöglichen Lüften ohne Pollenbelastung (z.B. icleen® Pollengaze, Incen AG, Schweiz). Allergen-Luftfiltergeräte und der Einbau eines Pollenfilters in den PKW (insbesondere bei Parken unter Bäumen) tragen zur Allergenreduktion bei.[4] Nahrungsmittel Nahrungsmittel spielen beim kindlichen atopischen Ekzem eine weitaus größere Rolle als im Erwachsenenalter. Nicht nur die Häufigkeit von Nahrungsmittelunverträglichkeiten, auch die Art der Allergene sind abhängig vom Alter der Patienten und dem Schweregrad des atopischen Ekzems. Im Säuglingsalter leiden

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Kinder mit schwerem AE zu 100%, bei mittlerem Schweregrad zu 33% und bei leichtem AE im Durchschnitt überhaupt nicht an einer Nahrungsmittelallergie [21]. Im Erwachsenenalter sind echte Nahrungsmittelallergien extrem selten, die Prävalenz wird auf höchstens 0,8-2,4% der Erwachsenen- und etwa 0,3-7,5% der kindlichen Bevölkerung geschätzt [22,23]. Während im Kindesalter hauptsächlich Allergien auf Grundnahrungsmittel (Ei, Milch, Weizen) gesehen werden, überwiegen im Erwachsenenalter pollenassoziierte Nahrungsmittelallergien. Zusätzlich können individuell unterschiedliche Verträglichkeiten auf irritative Nahrungsmittel mit hohem Säuregehalt (z.B.Zitrusfrüchte) bestehen. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um echte Allergien, die diagnostischen Möglichkeiten sind begrenzt und objektive Parameter fehlen. Auch der Stellenwert von sogenannten Pseudoallergien beim AE ist noch nicht vollständig geklärt. Zusammenfassend werden im Säuglingsalter oftmals wichtige allergologische diagnostische Maßnahmen bezüglich einer Nahrungsmittelallergie vernachlässigt, der Stellenwert der Nahrungsmittelallergien beim Erwachsenen wird jedoch in einigen Fällen überschätzt und ist verantwortlich für häufig überflüssige Diätempfehlungen. Mikrobielle Besiedelung Staphylococcus aureus Staphylococcus (S.) aureus ist bekannt als ein wichtiger Triggerfaktor im Hinblick auf die Unterhaltung der Hautentzündung und die Auslösung von akuten Exazerbationen [24,25]. Während die Kolonisation mit S. aureus bei Hautgesunden lediglich 2-25% beträgt, läßt sich S. aureus bei Patienten mit AE auf läsionaler Haut bis zu 100 % und auf nicht-läsionaler Haut in 50-72 % der Fälle nachweisen. Der Grad der Besiedlung wird in Zusammenhang mit der Schwere der Erkrankung gesehen [26,27]. Das Wissen über die pathophysiologische Bedeutung von S. aureus beim AE hat in den letzten Jahren zugenommen. Das Bakterium produziert eine Vielzahl verschiedener Adhärenzfaktoren, sog. Adhesine (Protein A, Clumping factor, Koagulase, Matrix-bindende Proteine: fibronectin-binding protein) [28]. Zudem verfügt S. aureus über unterschiedliche immunmodulatorische Toxine mit

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superantigenen Eigenschaften wie das ausführlich beschriebene staphylogene Enterotoxin A-E und das Toxic Shock Syndrom Toxin 1 [28,29]. Es werden eine Reihe von direkt zellschädigenden Enzymen und mehrere gefährliche Toxine (einschließlich Hämolysine und Exfoliatine) produziert und einige sehr effiziente Abwehrmechanismen gegenüber einer Mehrzahl der gängigen Antibiotika dem Bakterium zugeschrieben [30,31]. Neben dieser direkten Wirkung von S. aureus wird auch die Problematik der Immunantwort des Patienten mit AE auf die mikrobielle Besiedelung immer deutlicher. Sie richtet sich v.a. gegen Staphylokokken-Peptidoglykan (PGN) und Lipoteichonsäure (LTA) des Bakteriums. Die Pathogene werden über sogenannte “Toll-like-receptors” (TLRs) erkannt [32]. Die notwendige Produktion von Zytokinen (iNOS, IL8) und antimikrobiellen Peptiden (Defensine) (HBD2, HBD3, LL37) ist bei Patienten mit AE herunterreguliert [33], ebenso wie die Regulation über TH1 Zytokine (IL1b, IFNg, TNFa) [34]. Zusätzlich tragen allergische Reaktionen gegen S. aureus- Toxine und Superantigene zur übersteigerten und ineffizienten Immunantwort des Patienten mit AE bei [35]. Damit herrscht eine Inbalance zwischen (übermäßiger) Stimulation des (atopischen) Immunsystems v.a. durch Staphylokokken-Superantigene, verstärkt durch ein vermehrtes T-cell homing und allergische IgE-Synthese, bei gleichzeitiger Abwehrschwäche des (atopischen) Immunsystems durch die mangelnde Produktion von Defensinen (LL37, HBD2, HBD3) und spezifischen Zytokinen. Dies führt zu verstärkter Entzündungsreaktion und Exazerbation des Ekzems [35]. Malassezia furfur Vor allem bei Ekzemen im Kopf-Hals-Bereich (sogenannte head and neck dermatitis) werden verstärkt Reaktionen gegen die Hefepilze Malassezia (Pityrosporum) und Candida nachgewiesen [36,37]. Es werden – analog zu S. aureus – allergische Ursachen vermutet, da häufig spezifische IgE-Antikörper bei Patienten mit AE nachgewiesen werden [38,39]. Auch positive APT-Reaktionen auf Malassezia Allergene sind bekannt [37]. Klinisch wurden positive Ergebnisse antimykotischer Therapien berichtet, allerdings handelte es sich bisher um systemische Therapien mit zusätzlich

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antiinflammatorischem Effekt, so daß kontrollierte Studien zu topischer antimykotischer Therapie folgen sollten [40,41]. Textilien Im Gegensatz zu den individuellen spezifischen allergischen Reaktionen stellen Textilien einen entscheidenden generellen Provokationsfaktor des AE dar [42]. Während das irritative Potenzial bestimmter Textilien eine große Zahl von Patienten mit AE betrifft (Wolle-Unverträglichkeit), und besonders im Kindesalter über einen vestärkten Juckreiz zu einer Ekzemverschlechterung führt, sind allergische Reaktionen auf Textilien sehr selten [43,44]. Hautirritation durch Textilien Wolle kann bei direktem Kontakt mit der Haut von Patienten mit atopischem Ekzem Juckreiz auslösen beziehungsweise verstärken [43]. Dabei besteht ein klarer Zusammenhang zwischen Faser-Durchmesser und dem Ausmaß der Irritation. Die mechanisch bedingte Hautreizung ist umso größer, je gröber die Wolle ist, wobei die Ursache in dem verstärkten Eindringen der Faser in die Haut liegt [45]. Aufgrund dieser Erkenntnisse läßt sich gut verstehen, warum fein verarbeitete Wollmaterialien, wie z.B. Cashmere, im Allgemeinen eine bessere Hautverträglichkeit aufweisen. Erhöhte Temperatur und Feuchtigkeit können die irritative Wirkung von Textilien, insbesondere Wolle, steigern [4]. Für synthetische Textilien gilt Ähnliches wie für Wolle. Auch sie besitzen ein Irritationspotenzial, welches ebenfalls von der Faserdicke abhängt. Insbesondere Mikrofaser-Textilien zeichnen sich jedoch aufgrund ihres geringen Faserdurchmessers durch gute Hautverträglichkeit aus und werden von den meisten Patienten mit AE vertragen. Bis heute sind Baumwolltextilien für Patienten am geeignetsten. Sie besitzen eine sehr gute Hautverträglichkeit und damit hohe Akzeptanz unter den Patienten. Baumwolle besitzt zudem eine gute Aufnahmekapazität von Feuchtigkeit und läßt sich auch bei hohen Temperaturen (95O C) waschen. Grundsätzlich sollten beim Tragen Kleidung, die direkten Körperkontakt hat, mechanische Reizungen, wie z.B. das Scheuern von Nähten oder Etiketten, vermieden werden. Hierbei sind einfache Handgriffe, wie

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das Wenden der Wäsche vor dem Anziehen hilfreich. Des Weiteren sollte das Trocknen von Baumwollwäsche möglichst an der Luft und nicht im Trockner erfolgen, da die hohen Temperaturen durch Strukturveränderungen der Fasern die Feuchtigkeitskapazität der Kleidung verringern. Der daraus resultierende Flüssigkeitsfilm zwischen Kleidung und Haut kann wiederum eine Irritation auf der Haut hervorrufen [4]. Eine weitere Möglichkeit, die Verträglichkeit von Baumwolle zu erhöhen, ist die Verwendung von Weichspülern, wie Hermanns und Mitarbeiter nachweisen konnten [46]. Mit einer Kontaktsensibilisierung durch Weichspüler ist nicht zu rechnen, wie eine große Studie mit über 4000 Probanden gezeigt hat [47]. Bei Synthetikfasern scheint die Anwendung von Weichmachern keinen positiven Effekt zu haben, da die Textilien nach dem Waschvorgang feuchtigkeitsanziehend sind und somit ein irritierender Flüssigkeitsfilm auf der Haut entstehen kann [4]. Allergische Reaktionen auf Textilien Allergische Reaktionen auf Kleidungsmaterialien sind selten und spielen im Vergleich zu den irritativen Einflüssen von Textilien eine untergeordnete Rolle [45]. Typ-I-Sensibilisierung gegenüber Kleidungsmaterialien sind extrem selten, Typ-IV-Sensibilisierungen gegenüber Stärke und Färbemittel, mit denen die Textilien behandelt werden, finden sich häufiger. Hervorzuheben sind hierbei die sogenannten AZO-Farbstoffe, die in dunkel gefärbten Textilien vorkommen. Dispersions- Blau 106 und 124 besitzen ein besonders hohes allergisches Potenzial und können zu schweren Kontaktdermatitiden führen [48]. Dunkel gefärbte Textilien, die direkt der Haut aufliegen (z.B. Strumpfhosen), sollten daher von Patienten mit AE gemieden oder zumindest vor dem ersten Tragen gewaschen werden. Textilien als Therapieprinzip Inzwischen werden Textilien regelmäßig als Therapeutika im Management des AE eingesetzt. Dabei sind einerseits die mechanischen Eigenschaften und andererseits die Eigenschaft als Trägermaterial für Wirkstoffe von Bedeutung. Vor allem bei Säuglingen und Kleinkindern haben sich sogenannte „Neurodermitis-Overalls“ bewährt. Sie bieten auf der einen Seite mechanischen Schutz vor Kratzattacken und erhöhen auf der

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anderen Seite die Wirksamkeit von aufgetragenen Externa. Besonders für die akute Therapie läßt sich dieser Effekt durch die anti-entzündliche Wirkung einer fett/feuchten Anwendung verstärken (sogenannte fett/feuchte Schlauchverbände) [42]. Ein neues Konzept ist die Verwendung von Textilien mit antimikrobiellen Eigenschaften, die in ihrer Funktion nicht nur protektiv, sondern zugleich gegen den Provokationsfaktor S. aureus wirken und damit zwei Eigenschaften therapeutischer Strategien vereinbaren sollen. Gute Erfahrungen liegen mit silberbeschichteten Textilien vor (Padycare®, Fa. TexAMed, Gefrees). Es handelt sich hierbei um Textilien aus Mikrofaser mit einem 20%igen Silberanteil. Die positiv geladenen Silberionen bewirken Denaturierung der positiv geladenen bakteriellen Zellwand. In vitro konnte ein guter antimikrobieller Effekt (gegen Staphylococcus aureus, Pseudomonas aeruginosa, Candida albicans) ohne relevante Zytotoxizität nachgewiesen werden. Auch in vivo konnte die gute antibakterielle Wirkung an Patienten mit AE in einem intraindividuellen Halbseitenvergleich gezeigt werden [49]. Die klinische Effektivität konnte in einer doppelblinden, plazebokontrollierten, multizentrischen Studie mit 68 auswertbaren Patienten verifiziert werden. Nach zweiwöchiger Tragezeit kam es zu einer statistisch signifikanten Besserung des SCORAD („Scoring of atopic dermatitis“) bei einem, mit Baumwolle vergleichbaren Tragecomfort. Zudem wurden Juckreiz, Schlafqualität und Hautbefund im Vergleich zu Baumwolle subjektiv signifikant besser eingeschätzt, Nebenwirkungen wurden nicht berichtet. [Gauger et al., unpublished data] Kontrollierte Studien zur möglichen Absorption von Silberionen in die Haut fehlen jedoch bisher. Zusammenfassung Eine Vielzahl von individuellen und generellen Trigger- (Provokations-) faktoren spielen eine entscheidende Rolle im Gesamtbild des atopischen Ekzems. Einen der wichtigsten allergischen Provokationsfaktoren stellt sicherlich die Reaktion auf Aeroallergene dar, welche durch eine defekte Hautbarriere bei Patienten mit AE gefördert wird. Nahrungsmittelallergien sind zwar im Säuglingsalter von erheblichem Belang, nehmen jedoch im

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Laufe des Lebens an Bedeutung ab und finden sich im Erwachsenenalter v.a. als sogenannte pollenassoziierte Unverträglichkeiten. Die mikrobielle Besiedelung, insbesondere mit S. aureus, hat einen besonderen Stellenwert bei Patienten mit AE, da spezifische immunologische Fehlmechanismen bei dieser Erkrankung zwar nicht zu einer Beseitigung des Keims, jedoch zu massiver Entzündungsreaktion führen, die antiseptische Maßnahmen in der Therapie sinnvoll erscheinen lassen. Spezielle Textilien mit antimikrobiellen Eigenschaften vereinen dieses Therapieprinzip mit dem protektiven Effekt gut verträglicher Kleidung vergleichbar mit Baumwolle als dem bekannten „Golden Standard“ bei Patienten mit AE. Zusammenfassend können Triggerfaktoren die Ausprägung, den Entzündungsgrad und Exazerbationshäufigkeit des atopischen Ekzems maßgeblich beeinträchtigen. Umgekehrt kann ihre Meidung als Prävention und therapeutische Maßnahme in dem komplexen Krankheitsbild angesehen werden und zum Wohlbefinden der Patienten beitragen. Literatur [1] Schäfer T, Ring J (1995) Epidemiologie atopischer Erkrankungen. Dt

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Adjuvante Therapie der atopischen Dermatitis Konsenspapier der Arbeitsgruppe LATOPIA J. Wohlrab1,2, F. Steierhoffer2 1Universitätsklinik und Poliklinik für Dermatologie und Venerologie; 2Institut für angewandte Dermatopharmazie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Präambel 39 LATOPIA 40 Ziel des Konsenspapiers 40 Notwendigkeit der adjuvanten Therapie 41 Basistherapie 41 Grundlagen der epikutanen Applikation 42 Spezifische Wirkstoffe 44 Aspekte des Patientenmanagements 50 Aspekte des Krankheitsmanagements 51 Anhang mit Wirkstoffdossiers 53 Präambel Das vorliegende Konsenspapier stellt eine Empfehlung dar, die nach dem aktuellen Stand des ärztlichen Wissens, auf der Basis naturwissenschaftlicher Erkenntnisse und der wissenschaftlichen Informationen sowie der praktischen Erfahrung erstellt wurde. Die Inhalte sollen Ärztinnen und Ärzten sowie Mitarbeitern anderer Berufsgruppen, die an der Versorgung von Patienten beteiligt sind, eine Anleitung für eine optimierte Handlungsweise geben. Die Autoren dieses Konsenspapiers haben bei der Erstellung besonderen Wert auf die Validierung der Empfehlungen durch GCP-konforme klinische Studien gelegt. Häufig stützen sich aber die Inhalte auf breite Erfahrungswerte, da validierte klinische Daten nicht verfügbar sind bzw. den Autoren nicht bekannt waren. Die Anwendung der Empfehlungen fällt in den persönlichen Entscheidungsbereich eines jeden Nutzers. Auch wenn die Autoren größtmögliche Sorgfalt bei der Erstellung und Recherche der Inhalte haben walten lassen, sind Irrtümer, Fehler und

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Qualitätsmängel nicht auszuschließen. Umfang und Qualität der Versorgung von Patienten und die Auswahl diagnostischer und therapeutischer Strategien sind in die Verantwortlichkeit eines jeden Arztes gestellt. LATOPIA

LATOPIA ist eine Gruppe von interessierten und engagierten Ärzten und Apothekern, die optimierte Konzepte für die adjuvante Basistherapie von Patienten mit chronischen Hauterkrankungen erarbeiten und weiterentwickeln. Zur Erreichung dieses Ziels suchen die Mitglieder von LATOPIA den fachlichen Konsens zwischen erfahrenen niedergelassenen Dermatologen, engagierten Klinikärzten und Apothekern. Dabei wird besonders auf die Praxis-relevante und Patienten-orientierte Anwendung der erarbeiteten Inhalte Wert gelegt. LATOPIA sucht den Kontakt zu Patienten, Selbsthilfegruppen, versorgenden Dermatologen, klinisch sowie experimentell orientierten Wissenschaftlern und der Kosmetik- und Pharmaindustrie. Innerhalb des Arbeitskreises sind Arbeitsgruppen aktiv, die sich mit gemeinsam benannten Schwerpunkten befassen. Ziel ist es, Konsenspapiere als Standards für die praktische Anwendung zu erarbeiten und durch Publikationen und Informationsveranstaltungen anderen Kollegen verfügbar zu machen. LATOPIA befürwortet die konstruktive fachliche und wissenschaftliche Diskussion der Arbeitsinhalte ausdrücklich und ist an der Mitarbeit engagierter Fachkollegen in den Fachgruppen interessiert. Durch die regelmäßige Information und Abstimmung mit der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft sowie deren Arbeitsgruppen sollen die Arbeitsergebnisse als Ergänzung zu den bereits verfügbaren Leitlinien dienen. Ziele des Konsenspapiers Die Inhalte des vorliegenden Konsenspapiers sollen Ärzten als Anleitung und Hilfe bei der individuellen, Patienten-bezogenen, Krankheitsphasen-adaptierten Konzeption einer adjuvanten Basistherapie von Patienten mit atopischer Dermatitis dienen sowie Apothekern helfen, eine fundierte und praxisrelevante Beratung

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Betroffener zu leisten, um ein einheitliches Versorgungs- und Beratungskonzept zu ermöglichen. Notwendigkeit der adjuvanten Therapie Nach heutigem pathogenetischen Verständnis handelt es sich bei der atopischen Dermatitis um einen Symptomenkomplex, den Patienten mit einer genetisch fixierten Disposition zu einem Atopie-Syndrom entwickeln können. Die Ausprägung der Symptome, deren Schweregrad und der Verlauf kann durch exogene und endogene Triggerfaktoren individuell sehr unterschiedlich beeinflusst werden. Obwohl die pathogenetischen Zusammenhänge weitgehend unbekannt sind, können eine Vielzahl pathophysiologischer Veränderungen am Hautorgan selber, aber auch an anderen Organen beobachtet werden. Für das Hautorgan hat die veränderte Funktionsstruktur des Stratum corneum eine große Bedeutung. Insbesondere die gestörte Barrierefunktion wird für sekundäre pathologische Szenarien mit verantwortlich gemacht. Deren therapeutische funktionelle Restitution ist das Hauptziel der adjuvanten epikutanen Applikation von Externa. Basistherapie Die Barrierefunktion der Epidermis wird überwiegend durch deren äußerste Schicht, das Stratum corneum (Hornschicht), realisiert. Die Hornschicht besteht aus drei wesentlichen funktionsstrukturellen Elementen: 1. im Rahmen der Differenzierung gebildete Korneozyten (Apoptose-ähnlicher Prozess), 2. aus der interzellulären Lipidsubstanz, 3. aus wasserbindenden Substanzen (natürlicher Feuchthaltefaktor). Nach heutigem Kenntnisstand sind für eine physiologische Funktion nicht nur die Quantität und die Qualität der einzelnen Elemente, sondern auch deren molekulare Ordnung von Bedeutung. Insgesamt lassen sich komplexe physikochemische und biologische Konditionen benennen, die unter physiologischen Bedingungen die regulierte Barriere bilden. Da bei Patienten, die an einer atopischen Dermatitis leiden, die Barrierefunktion mehr oder weniger stark eingeschränkt ist, ist eine therapeutische Substitution sinnvoll und notwendig, um die

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entzündliche Reaktion zu supprimieren und physiologische Bedingungen zu rekonstruieren. Auch im klinisch symptomfreien oder –armen Intervall lassen sich derartige Funktionseinschränkungen der Barriere nachweisen. Vor diesem Hintergrund ist die Anwendung von epikutan applizierten Externa zur funktionellen Rekonstituierung der Barriere sowohl im symptomfreien wie im symptomatischen Krankheitsintervall rational begründet. Die verwendeten galenischen Zubereitungen werden als Basistherapeutika1 bezeichnet. Neben der Verwendung derartiger Basistherapeutika kann die additive Applikation von Wirksubstanzen zur Desinfektion oder Antibiose, zur Juckreizhemmung, zur Erhöhung der Wasserbindungskapazität bzw. zur Beeinflussung weiterer Faktoren Teil des therapeutischen Konzepts sein. Weitere adjuvante Maßnahmen, die den therapeutischen Erfolg unterstützen, werden im vorliegenden Konsenspapier ausgespart. Grundlagen für die epikutane Applikation Die Grundlage einer topischen Präparation dient als Träger für unterschiedliche Arzneistoffe und besitzt darüber hinaus eine Eigenwirkung. Die Eignung einer Grundlage für ein konkretes therapeutisches Ziel ist somit abhängig von den physikochemischen Eigenschaften des oder der integrierten Arzneistoffe sowie vom individuellen Hautzustand. Letzterer wird insbesondere hinsichtlich der Barriere- und Reservoirfunktion der Hornschicht, der Wasserabgabe (z.B. Okklusion) sowie der metabolischen Aktivität einzelner Kompartimente beeinflusst. Dies ist für eine Vielzahl von galenischen Rohstoffen belegt. Weiterhin sind toxisch-irritative oder sensibilisierende Eigenschaften der Inhaltsstoffe zu beachten, denen eine große praktische Relevanz zukommt. Neben den Rohstoffen der Salbengrundlage sind Konservierungs-, Farb- und Duftstoffe, Emulgatoren, Stabilisatoren und weitere Hilfsstoffe in diesem Zusammenhang von Bedeutung. Da die atopische Dermatitis eine in Schüben verlaufende, chronische Dermatose darstellt, ein inhomogenes klinisches Bild

1 Einige Autoren bezeichnen diese auch als Pflegetherapeutika

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bietet und unterschiedliche Triggerfaktoren dem Krankheitsverlauf eine sehr individuelle Note geben, kann kein einheitliches therapeutisches Konzept postuliert werden. Dies gilt auch und gerade für die adjuvante Basistherapie. Die praktische Erfahrung bei der Betreuung von atopischen Patienten lehrt, dass der für das klinisch symptomfreie oder –arme Intervall typische trockene Hautzustand auch die Wahl der Grundlage wesentlich bestimmt. Meist werden hierbei geeignete Lipidkombinationen als Vehikel eingesetzt, um einen Barriereeffekt zu erzielen. Die damit bewirkte Okklusion kann aber auch sehr ungünstige Effekte vermitteln. Es sei hier eindringlich darauf hingewiesen, dass die Anwendung von derartigen lipidreichen Zubereitungen (z.B. lipophile Salbe) bei akuten, nässenden, meist staphylogen superinfizierten Arealen zu einer Verschlechterung des Hautzustandes beiträgt. Eine dynamische, Krankheitsphasen-adaptierte, stark individualisierte Konzeption einer adjuvanten Basistherapie ist einem starren, uniformen Vorgehen nach unseren Erfahrungen deutlich überlegen. Die traditionelle Sichtweise der Anwendung von O/W-Emulsionen oder Schüttelmixturen bei akuten Schüben bzw. von W/O-Emulsionen, wasserfreien (Fett-)Salben oder weichen Pasten bei chronischen Stadien ist aus moderner Sicht nur noch bedingt zeitgemäß. Galenisches Ziel der Anwendung lipidreicher Basistherapeutika ist eine möglichst rasche, gleichmäßige Verteilung innerhalb der Hornschicht, ohne diese zu permeieren. In diesem Zusammenhang hat sich die Anwendung liposomaler, oleosomaler, lamellärer und anderer kolloidaler Systeme (Nanopartikel, Mikroemulsionen) bewährt, die aufgrund ihrer hohe Effektivität und kosmetische Akzeptanz zunehmend Anwendung finden. Wegen des deutlich komplexeren Aufbaus derartiger Systeme gestaltet sich aber die Einarbeitung von Arzneistoffen meist aufwändiger. Grundsätzlich sollten nur Magistralrezepturen Verwendung finden, die hinsichtlich ihrer galenischen und dermatopharmazeutischen Sinnhaftigkeit und Stabilität nach anerkannten Kriterien überprüft sind.

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Spezifische Wirkstoffe2 Zur sinnvollen Anwendung spezifischer Wirkstoffe oder Wirkstoffkombinationen als Additiva in Basistherapeutika ist die Definition eines klaren therapeutischen Ziels Grundvoraussetzung. Dazu müssen die pharmakokinetischen und -dynamischen Grundeigenschaften der jeweiligen Wirkstoffe bekannt und nach anerkannten Kriterien charakterisiert sein. Kosmetische Wirkstoffgemische oder pflanzliche Extrakte sind nur dann akzeptable Additiva, wenn deren chemische Zusammensetzung bekannt und deren Charakterisierung wie genannt erfolgt ist. Gleichwohl lässt sich einem Wirkstoff nicht immer nur ein klarer therapeutischer Effekt zuordnen, da die pathogenetischen und pharmakodynamischen Faktoren einander bedingen bzw. beeinflussen. Grundsätzlich sollte die Konzeption der galenischen Optimierung eines Präparates nach Möglichkeit auf einen Wirkstoff ausgerichtet werden (Monopräparate). Kombinationspräparate sind häufig pharmazeutisch unsinnig bzw. stellen galenische Kompromisslösungen dar, die keine optimierte Wirkung erwarten lassen. Hydratisierende und hygroskopische Substanzen Zur relevanten Erhöhung des Wassergehalts des Stratum corneum ist nicht allein die Applikation einer hydrophilen Phase von Bedeutung. Wasserbindende Faktoren realisieren die Stabilität eines wässrigen Kompartiments innerhalb der ansonsten lipophil geprägten Barriereschicht. Neben Harnstoff haben sich Glycerol (auch in Kombination mit Harnstoff) oder Sorbitol als sehr wirksam erwiesen. Aber auch Dexpanthenol/Panthenol, Allantoin oder Milchsäure können als etabliert angesehen werden. Propylenglycol hingegen wird wegen des „stinging effect“ zunehmend gemieden. Der Einsatz von Aminosäuren oder deren Derivaten, die z.T. auch Bestandteil des „Natural Moisturizing Factors“ sind, stellt zwar einen sehr innovativen Ansatz dar, kann aber derzeit noch nicht abschließend beurteilt werden.

2 siehe Anhang mit Wirkstoffdosiers

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Harnstoff Harnstoff ist galenisch als problematisch anzusehen. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Stabilität (Zersetzung in Ammoniumcyanat, Ammoniak und Kohlendioxid), als auch der Handhabbarkeit bei der Einarbeitung in verschiedene Vehikelsysteme. Zudem besitzt Harnstoff eine konzentrationsabhängige irritativ-toxische Wirkung, insbesondere auf stark entzündlich veränderten Arealen. Dieser, durch die Patienten als Brennen empfundene Effekt, kann als lokaler Triggerfaktor der Hautsymptome wirken. Glycerin Glycerin ist ein schwerflüchtiger dreiwertiger Alkohol, der mit Wasser mischbar ist. Insbesondere in Kombination mit Harnstoff hat sich die Anwendung als Barriere-protektiv bewährt. Glycerin ist Bestandteil einer Vielzahl von etablierten Basistherapeutika und gilt als unbedenklich. Pantothensäure/Panthenol Die zu den B-Vitaminen gehörige Pantothensäure ist Bestandteil des Coenzyms A, wird aber wie ihr Alkohol (Panthenol) synthetisch hergestellt. Pantothensäure ist sehr instabil und gut wasserlöslich. Panthenol wird in der Haut zu Pantothensäure umgebaut, ist aber galenisch stabiler. Neben dem Barriere-protektiven Effekt, wird der Pantothensäure eine granulations- und epithelisierungsfördernde Wirkung zugeschrieben. Letzteres bedingt die häufige Anwendung als Wundsalbe. Lipidzusätze Ceramide Ceramide sind komplexe polare Lipide, die als das morphologische Äquivalent der Barriere angesehen werden. Es gibt eine Vielzahl von Subtypen, deren analytische Erfassung erst seit kurzem möglich ist und deren individuelle funktionelle Bedeutung für das Stratum corneum bisher nur unzureichend bekannt ist. Nach heutigem Kenntnisstand ist ein besonderes Ceramid-Muster in qualitativer und quantitativer Hinsicht für die Funktion der Hornschicht verantwortlich. Die topische Applikation von bisher verfügbaren synthetischen Ceramiden und Ceramidmischungen

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führt, wenn überhaupt nur zu einer kurzfristigen Substitution der Barriere. Die erhoffte morphologische Integration der applizierten Ceramide in die Bilayer-Strukturen der Hornschicht zum Zwecke einer funktionellen Substitution konnte bisher nicht nachgewiesen werden. Fettsäuren Die Synthese der Ceramide erfolgt aus unterschiedlichen Bausteinen. Fettsäuren spielen dabei eine ganz entscheidende Rolle. Zudem sind sie selber wichtiger Bestandteil des Stratum corneum und besitzen Barriere-fördernde Effekte. Aus diesem Grund wird die topische Applikation von freien Fettsäuren (FFS) praktiziert. Eine funktionelle Substitution ist aber nur bedingt nachweisbar. Insbesondere kann eine relevante Substitution im Hinblick auf die Induktion der endogenen Ceramidsynthese nahezu ausgeschlossen werden, da die FFS nicht oder nur in sehr geringem Ausmaß in die Keratinozyten eindringen. N-Acetylethanolamine N-Acylphosphatidylethanolamine (N-acyl PE) sind physiologische Lipide, die im Stratum granulosum vorkommen und stressabhängig, insbesondere UV-abhängig exprimiert werden. Sie können an cannabinoide Rezeptoren binden und über second messenger einen antientzündlichen Effekt vermitteln. Zudem besitzen sie physikochemische Eigenschaften um reaktive Sauerstoffspezies (ROS) zu neutralisieren. Desinfizierende Substanzen Triclosan Die Anwendung von Triclosan in topischen Zubereitungen (ausschließlich mit lipophilem Grundcharakter) hat sich sehr bewährt. Insbesondere die Reduktion der Keimdichte von Staphylokokken (Staph. aureus) als häufiger Triggerfaktor, aber auch von gramnegativen Keimen (Klebsiella, Proteus) ist therapeutisch sehr effektiv.

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Farbstoffe Insbesondere das Triphenylmethanderivat Brillantgrün besitzt eine zuverlässige und klinisch bewährte antimikrobielle Wirksamkeit. Es wirkt durch Entzug von H+-Ionen von Nukleotid-Donatoren auf grampositive Bakterien bakterizid und auf Dermatophyten und Hefepilze fungistatisch. Pyoktanin, Fuchsin und Eosin sind wegen des geringeren antimikrobiellen Effektes für eine topische Therapie weniger geeignet. Gentianaviolett, eine Mischung verschieden methylierter p-Rosaniline und Kristallviolett findet hingegen häufig Anwendung. Chlorhexidin Chlorhexidin ist ein synthetisches kationisches Antiseptikum mit guter Wirksamkeit gegenüber grampositiven und gramnegativen Keimen sowie in geringerem Ausmaß auch Candida albicans. Zur Anwendung an der Haut sind Chlorhexidingluconat (Puder, Salben) sowie Chlorhexidindiacetat (Gaze) in Gebrauch. Chlorhexidin lagert sich als kationisches Biguanid an die negativ geladene Oberfläche von Bakterien an. Durch die hierbei ausgelöste Ladungsumkehr werden u.a. membrangebundene Enzyme wie die bakterielle ATPase gehemmt. Der Einsatz insbesondere in superinfizierten Arealen hat sich bewährt. Chinolin-Derivate Die Chinolin-Derivate 8-Chinolinol (Cloxiquin, Clioquinol) und Methylchinolinol (Chlorquinaldon) bilden intrazellulär lipophile Metall-Chelatkomplexe, die toxisch sind. Die Wirksamkeit gegen grampositive Keime ist schwächer als gegen Dermatophyten. Darüber hinaus wird über erhöhte Sensibilisierungspotenz sowie ein Irritationspotenzial bei den halogenierten Substanzen berichtet. Kaliumpermanganat Durch Abspaltung von Sauerstoff wirkt Kaliumpermanganat als Oxidationsmittel und damit desinfizierend. Bei der Anwendung entsteht Braunstein, der zu Verfärbungen der Haut führen kann. Kaliumpermanganat (als standardisierte Lösung) hat sich als Zusatz in Bädern und Waschwasser bewährt.

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Wasserstoffperoxid Wasserstoffperoxid vermag durch Abspaltung von Sauerstoff eine oxidative Wirkung zu entfalten. Diese führt zu einem kurzfristigen, gleichwohl starken desinfizierenden Effekt. Da Wasserstoffperoxid nur im sauren Milieu stabil ist, werden häufig geringe Mengen diverser Säuren zugesetzt, die einen irritativen Effekt vermitteln können. In einer modernen, optimierten Galenik wird Wasserstoffperoxid erst nach topischer Applikation temperaturabhängig liberiert. Povidon-Jod Polyvinylpyrrolidon (PVP) bildet mit Jod einen Komplex, wobei das freie Jod nach Verbrauch durch gebundenes ersetzt wird. Durch Oxidation bzw. Halogenierung von Histidin und Tyrosin wird eine Denaturierung von Eiweißen bewirkt. Die Substanz ist gut haut- und schleimhautverträglich und besitzt ein geringes Sensibilisierungspotential. Juckreizhemmende Substanzen Lokalanästhetika Die eutektische Mischung aus Lidocain und Prilocain bewirkt einen lokalanästhetischen Effekt, der von Patienten meist als unangenehm empfunden wird, da es neben der Juckreizhemmung zu sensorischen Beeinträchtigungen kommt. Weiterhin ist das sensibilisierende Potential insbesondere der parasubstituierten Benzolderivate des Estertyps zu beachten. Von der Wirkstärke als gering einzustufen ist Polidocanol, welches amphotere Strukturen besitzt, die mit Tensiden vergleichbar und deshalb mit W/O-Cremegrundlagen inkompatibel sind. Gerbstoffe Bei den heute üblicherweise verwendeten synthetischen Gerbstoffen handelt es sich um Kondensate von Phenolsulfonsäure, Harnstoff, Formaldehyd oder Kresolsulfonsäure. Neben einem geringen lokalanästhetischen und somit antipruriginösen Effekt wirken sie adstringierend. Natürliche Gerbstoffe, wie Tannin, werden heute nur noch selten eingesetzt.

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Antihistaminika Die sinnvolle Anwendung von topischen Antihistaminika setzt zunächst voraus, dass der bestehende Juckreiz auch histaminerg vermittelt wird. Dies trifft bei Atopikern nur bedingt zu. Selbst die Anwendung systemischer Antihistaminika, die nichtsedierend wirken und zudem einen Eosinophilenmigrations-hemmenden Effekt vermitteln, bewirkt häufig nur einen geringen bis keinen antipruriginösen Effekt. Dies kann aber individuell sehr unterschiedlich sein. Die Applikation topischer Antihistaminika ist in der Regel ohne Effekt und wird auch nur selten praktiziert. Weitere juckreizhemmende Substanzen Berichte über die topische Anwendung von Capsaicin oder Doxepin sind als unzureichend validiert einzustufen. Die Anwendung von Phenol ist obsolet. Menthol wirkt irritierend. Weitere Anmerkungen Hautreinigung Die Verwendung von Syndets mit leicht saurem pH-Wert (pH 5,5) wird als optimal angesehen. Hingegen gilt die Anwendung von Seifen (Hydroxylionenbildung) oder gar Natriumlaurylsulfat-haltiger Zusätze (Irritation) als unzweckmäßig. Rückfettende Zusätze wie Lecithin, Fettsäuren, Pflanzenöle oder Ceramide erhöhen die subjektiven Anwendungseigenschaften, haben aber ansonsten nur geringe Effekte. Milde Tenside wie Zuckertenside (Alkylpolyglucoside) oder Aminosäuretenside (Acylglutamate) sind empfehlenswert. Allgemein gilt, dass häufiges, langes und heißes Waschen, Duschen oder Baden vermieden werden soll. Fett-feucht Behandlung Die fett-feuchte Behandlung hat sich als einfache, gleichwohl etwas aufwendigere Methode der antipruriginösen Therapie sehr bewährt. Das betroffene Areal bzw. das gesamte äußere Integument (Kopf wird ausgespart) wird mit einer sehr fettreichen Grundlage eingesalbt und anschließend mit feuchten Tüchern, Schlauchverbänden oder Laken bedeckt. Grundsätzlich können auch desinfizierende Zusätze der fettreiche Grundlage (z.B. Triclosan) oder dem Tränkwasser (z.B. Chlorhexidin) beigefügt

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werden. Das beschriebene Vorgehen kann bedarfsgerecht mehrfach täglich wiederholt werden und bewirkt auch einen antientzündlichen Effekt. Konservierungsstoffe, Duftstoffe Grundsätzlich ist die Konservierung von topischen Präparationen, insbesondere wasserhaltiger Zubereitungen, sinnvoll und notwendig. Substanzen, die als konservierende Zusätze Verwendung finden, können sensibilisierende Eigenschaften besitzen. Erfahrungsgemäß sind derartige Allergien bei atopischen Patienten nicht von besonders großer praktischer Relevanz. Dies gilt in gleicherweise für die gängigen Duftstoffe. Gleichwohl bleibt hier die grundsätzlich hohe Prävalenz der Duftstoffallergie in der Allgemeinbevölkerung (1-2%) zu berücksichtigen. Deshalb ist die Verwendung von duftstofffreien Zubereitungen empfehlenswert. Grundsätzlich sollte vor diesem Hintergrund auf alle galenisch oder pharmazeutisch überflüssigen Zusätze oder Hilfsstoffe verzichtet werden. Phytosubstanzen Die topische Anwendung von Phytosubstanzen ist zwar häufig, aber aus pharmazeutischer Sicht als wenig standardisiert zu bewerten. Auch wenn für einige Substanzen pharmakologische Grunddaten zum Wirksamkeitsnachweis vorliegen, fehlen meist validierte klinische Studien für die verfügbaren Präparate. Aspekte des Patientenmanagements Um ein optimiertes Betreuungskonzept für Patienten mit einer atopischen Disposition bzw. einer manifesten atopischen Dermatitis zu gewährleisten, müssen alle an der Versorgung der Betroffenen Beteiligten konzertiert agieren. Neben der Abstimmung zwischen Arzt und Apotheker ist die Information, Schulung und Motivation des Patienten Grundvoraussetzung für einen mittel- bis langfristigen Behandlungserfolg. Grundzüge der Betreuung sollten in Leitlinien bzw. Konsenspapieren dokumentiert sein, um eine abgestimmte und wissenschaftlich fundierte Handlungsweise zu ermöglichen. Derartige Anleitungen sollten aber einem flexiblen individualisierten Betreuungskonzept nicht im Wege stehen. Die

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Definition und Kommunikation individueller Behandlungsziele ist die Basis einer gefestigten Arzt-Patienten-Beziehung und letztlich Grundlage einer aus Sicht des Patienten befriedigenden Betreuung. Als Hilfestellung für die Erfassung derartiger individueller Behandlungsziele kann eine vorbereitete Checkliste dienen. Die Honorierung von erweiterten Beratungsleistungen durch die Krankenkassen ist zu fordern, da sie zwingender Bestandteil des therapeutischen Gesamtkonzeptes ist. Die ärztliche Gesprächsführung verlangt eine empathische Haltung und einen, für den Patienten überzeugenden und glaubwürdigen Grundcharakter. Die zunehmenden wirtschaftlichen Zwänge, die die therapeutischen Entscheidungen des Arztes zwangsläufig beeinflussen, sollten ebenfalls Inhalt der Arzt-Patienten-Kommunikation sein. Die Empfehlung von nicht erstattungsfähigen Therapeutika ist kein unmoralisches Anliegen, sondern momentan politisch gewollt und im Versorgungssystem vorgesehen. Gleichwohl sind Basistherapeutika ein essentieller Bestandteil der ärztlichen Therapie, deren Erstattungsfähigkeit deshalb dringend zu fordern ist. Ziel der ärztlich bestimmten Patientenführung sollte die eigenverantwortliche und individualisierte Behandlung durch den Patienten selbst unter ärztlicher Kontrolle sein. Klare ärztliche Handlungsanweisungen, psychologische Festigung der Patienten und Förderung der Selbsthilfe sind bewährte Betreuungsprinzipien. Aspekte des Krankheitsmanagements Vor dem Hintergrund der Sinnhaftigkeit einer Basistherapie mit und ohne additive Wirksubstanzen ist deren Anwendung Teil des therapeutischen Gesamtkonzepts. Deshalb ist die Erstattungsfähigkeit der Basistherapie zwingend zu fordern, da durch die Fortsetzung der derzeitigen politisch motivierten Verfahrensweise eine Minderversorgung der Betroffenen entsteht und zu erheblichen Folgekosten führen wird. Um die qualifizierte Versorgung chronisch erkrankter atopischer Patienten sicherzustellen, ein professionelles Management umzusetzen und der individuellen Prägung im Hinblick auf genetische Disposition, Triggerfaktoren und therapeutischem Konzept gerecht zu werden, ist zu fordern, dass vorzugsweise

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speziell ausgebildeten Ärzten die Betreuung übertragen wird. Dies sollte durch den Erwerb einer entsprechenden Zusatzqualifikation sichergestellt werden und könnte mit dem bereits etablierten System der Trainerausbildung zur Patientenschulung im Rahmen des Qualitätsmanagements kombiniert werden. Literatur - Übersichten zur weiterführenden Orientierung - [1] Abeck D, Ring J (2002) Atopisches Ekzem im Kindesalter

(Neurodermitis). Zeitgemäßes Management. Steinkopff-Verlag. [2] Ring J, von Zumbusch A (2000) Neurodermitis. C.H.Beck Verlag. [3] Abeck D, Fölster-Holst R (2003) Was hilft meinem Kind bei

Neurodermitis. Thieme Verlag. [4] Garbe C, Reimann H, Sander-Bähr C (1996) Rationelle dermatologische

Rezeptur. Thieme verlag mit Govi-Verlag. [5] NRF / SR (2004) Standardisierte Rezepturen. Govi-Verlag.

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Anhang 53

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Anhang Wirkstoffdossiers A. Herrmann1, J. Wohlrab1,2 1Universitätsklinik und Poliklinik für Dermatologie und Venerologie; 2Institut für angewandte Dermatopharmazie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Jeweils mit Hinweisen zu: - zugelassene Indikation - Kontraindikation - Dosierung + Applikationshinweise - Pharmakokinetik - Pharmakodynamik - Therapeutische Wirkungen - Unerwünschte Wirkungen - Wechselwirkungen - Kombinationsmöglichkeiten - Besonderheiten bei Kindern, Schwangeschaft und Stillen - Literatur (ausgewählte Hinweise)

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54 Brillantgrün _____________________________________________________________________________________

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Brillantgrün Kontraindikationen - Schlecht heilende Wunden - Großflächige Anwendung Dosierung und Applikationshinweise - 0,05%-0,5% (bis 1%) in Lösungen, Cremes, Puder Sterile Lösung 0,05 bzw. 0,1%: - Eine mit der Lösung getränkte Kompresse kurzfristig auf die betroffene

Körperstelle legen - auch kleinflächig an und in der Mundhöhle möglich Lösung 0,5%: - 1-3mal tgl. auf betroffene Körperstellen auftragen - Lösung ist zum baldigen Verbrauch bestimmt - Lösung vor Lichteinwirkung schützen, da Bildung toxischer

Zersetzungsprodukte Creme, Puder: - 1-2mal tgl. anwenden Achtung! Verfärbung von Haut, Kleidung und Verbänden. Pharmakokinetik - Tetraethyldiaminotriphenylmethansulfat - Triphenylmethan-Farbstoff - Löslich in Wasser und Ethanol Achtung! In Zubereitungen von Brillantgrün sind Verunreinigungen mit Schwermetallen möglich Topische Applikation: - Systemische Resorption sehr gering, Systemwirkungen wurden nicht

beschrieben (Gloor, 2000) Pharmakodynamik Antiseptikum - Organischer Triphenylmethan-Farbstoff, wie auch Gentianaviolett und

Fuchsin

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Brillantgrün 55

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Wirkung: - Penetration der Zellmembran der Mikroorganismen F Bindung an

Nukleinsäuren - Hemmung der Zellwand- und Proteinbiosynthese Zusätzlich: § Proteinkoagulation § Herabsetzung der Oberflächenspannung des Substrates, auf dem der Keim wächst § Penetrierbarkeit der Plasmamembran des Keimes wird erhöht F Wasseraufnahme verstärkt F Quellung § Lösung: austrocknende Wirkung Nicht karzinogen. Therapeutische Wirkungen Erregerspektrum: - Sproßpilze - Dermatophyten (auch T. mentagrophytes) - grampositive und gramnegative Bakterien - Die Wirkung gegen Hefe- und Fadenpilze in vitro ist besser als die Wirkung

von Nystatin und Griseofulvin, (Lit. bei Gloor, 2000) Antimyzetische Wirkung von Brillantgrün und Malachitgrün ist stärker als die von Gentianaviolett. Die bakteriostatische Wirkung ist i.A. nach 24-48 h reversibel. Anwendungsgebiete: § Kutane Candidosen § Tinea corporis (Dyshidrosiforme Hand- und Fußmykosen, Interdigital-

und Fußmykosen) § Gramnegativer Fußinfekt § Follikuläre Dermatophytosen § Erythrasma § Ulzera mit pathogener Hefepilzbesiedlung § Nässende Dermatosen § Intertriginöse Dermatosen § Blasenbildende Dermatosen Unerwünschte Wirkungen - Bei intertriginöser Anwendung Gefahr von Irritationen bis Nekrosen

(insbes. bei Säuglingen) - Starke Granulationshemmung dosisabhängig; Hemmung der Wundheilung;

Anwendung in o.g. niedriger Dosierung

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56 Brillantgrün _____________________________________________________________________________________

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- Grüne Verfärbung von Haut, Kleidung und Verbänden - Selten Typ IV-Sensibilisierungen, ggf. Gruppensensibilisierungen gegen

Parastoffe - Bislang bei dermatologischer Anwendung kein Hinweis auf Kanzerogenität Wechselwirkungen - In Kombination mit Zinkoxid; Wirkverlust von Brillantgrün Kombinationsmöglichkeiten - Kortikosteroide Besonderheiten bei Kindern, in Schwangerschaft und Stillzeit - Bei Kindern und geriatrischen Patienten anwendbar (Orfanos, 2002) Literatur - Orfanos CE, Garbe C: Therapie der Hautkrankheiten. Springer-Verlag

Berlin 2002, S. 33 - Gloor M, Thoma K, Fluhr J: Dermatologische Externatherapie. Springer-

Verlag Berlin, 2000

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Chinolin und dessen Derivate 57

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Chinolin und dessen Derivate

Zugelassene Indikationen Lösung: § Antiseptikum für die Haut § Spülen von Wunden § Waschen des Körpers § Befeuchten von Verbänden § Bereiten von Umschlägen Salben / Cremes: § Bakteriell superinfizierte bzw. ekzematisierte Dermatomykosen § Dermoepidermitis variköser Unterschenkel § Bakterielle bzw. impetiginisie rte Ekzeme, auch endogene Ekzeme und

Gehörgangsekzeme § Nummuläres mikrobielles Ekzem § Ekzematisierte Impetigo contagiosa. Kontraindikationen § Schwangerschaft § Stillzeit § Bekannte Kontaktallergien gegen den Wirkstoff Dosierung und Applikationshinweise Lösung 0,1% unverdünnt anwenden: § 0,1% SR für Spülungen, Umschläge, Bäder. § 0,4% für partielle Körperwaschungen, Spülungen, betupfen betroffener

Hautareale, befeuchten von Verbänden, bereiten von Umschlägen. Tabletten: - Wässrige Lösungen 1 : 2000- 1 : 1000 Salben, Puder 1% - 1mal - mehrmals tgl. anzuwenden - Gelbe Farbe des Externums kann Kleidung u.a. Gegenstände färben Warnhinweis: - Der Wirkstoff kann mit Schwermetallen farbige Verbindungen eingehen F

kein Kontakt zu metallischen Gegenständen. - Keine Kombination mit Zinkoxid und sulfonierten Schieferölen. - Die Lösung kann in Stoffen oder Kunststoffböden Flecken verursachen,

insbesondere wenn Spuren von Schwermetallen enthalten sind.

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58 Chinolin und dessen Derivate _____________________________________________________________________________________

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Pharmakokinetik - Bis(8-hydroxychinolinium)sulfat - Chinolinol Synonyme: 8-Hydroxychinolin, Oxin, Chinosol - Gelbe Kristalle - Gut löslich in Alkohol, praktisch unlöslich in Wasser - Chinolinol = äquimolare Verbindung aus 8-Hydroxy-Chinolinolsulfat und

Kaliumsulfat F leicht löslich in Wasser Topische Applikation: - Für Chinolinol konnten keine Daten zur perkutanen Resorption gefunden

werden. - Für Clioquinol (chemisch nah verwandt): § Bei topischer Anwendung bis 30mg F kein messbarer Blutspiegel § Okklusive Anwendung F Nachweis im Urin von 1,2-3,6% der applizierten

Dosis (Degen et al. 1979 in: Gloor, 2000) § Bei Kindern Resorption bis 40% der applizierten Dosis möglich (Stohs et al.

1984 in: Gloor, 2000) Für Chinosol und Clioquinol gilt: § HWZ nach oraler Gabe: 24-35h § Metabolisierung: zu Glucuronid und in geringem Umfang zu Sulfat § Elimination über die Niere Pharmakodynamik - Antiseptikum - Bildung von Metall-Chelat-Komplexen F toxische Wirkung in Mikroorganismen oder / und F Inaktivierung von Enzymen der Mikroorganismen durch Chelatbildung der Metallkomponenten der Enzyme - Bakteriostatisch, fungizid Therapeutische Wirkungen Erregerspektrum: - Gram-positive Bakterien (v.a. Staph. aureus) - Pilze: Trichophyton-Arten, Microsporum spp. Erregerlücken: - Gram-negative Bakterien (Proteus mirabilis, E. coli) - Candida spp.

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Unerwünschte Wirkungen - Hautirritationen (gelegentlich) - Selten Kontaktekzeme Wechselwirkungen - Unverträglichkeit mit Zinkoxid und sulfonierten Schieferölen - Galenische Unverträglichkeit mit Anionenaktiven Emulgatoren Kombinationsmöglichkeiten - Topische Kortikosteroide Besonderheiten bei Kindern, in Schwangerschaft und Stillzeit Schwangerschaft: Kontraindiziert. - Potentiell mutagen. Teratogene Wirkungen können nicht ausgeschlossen

werden. In-vivo-Untersuchungen an Knochenmarkzellen von Mäusen ergaben positive Resultate nach Behandlung mit Chinolinol, deren Relevanz jedoch fraglich ist, da Effekte erst in toxischen Konzentrationen auftreten bzw. methodische Mängel vorliegen.

Stillzeit: - Kontraindiziert. Aus Vorsichtsgründen. Es ist nicht bekannt, ob Chinolinol

in die Muttermilch übergeht. Literatur - Fachinformation Chinosol Stand 1/2000 - Fischer T: On 8-hydroxyquinoline-zinc oxide incompatibility.

Dermatologica. 1974;149(3):129-35 - Gloor M, Thoma K, Fluhr J: Dermatologische Externatherapie. Springer-

Verlag Berlin, 2000 - Hutzler D, Pevny I: Allergien auf 8-Hydroxyquinolin-Derivate. Derm Beruf

Umwelt. 1988 May-Jun;36(3):86-90 - Oelschlager H, Rothley D, Muller M: The antihistaminic effect of a gel for

burns and wounds containing tyrothricin, fomocaine, diphenhydramine and 8-hydroxyquinoline. Arzneimittelforschung. 1982;32(1):72-5

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60 Chlorhexidin _____________________________________________________________________________________

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Chlorhexidin Zugelassene Indikationen Pulver: § Nabelpflege des Neugeborenen § Infizierte Gewebsdefekte § Intertriginöse Entzündungen Lösung zum Sprühen auf die Haut: - Antiseptische Behandlung oberflächlicher Hautverletzungen. Gazeverband: § Geringfügige Verbrennungen und Verbrühungen § Wunden mit Hautverlust, Rißwunden, Abschürfwunden

Hauttransplantationen § Unterschenkelgeschwüre Lösung /Gel /Lutschpastillen (Mund- und Rachentherapeutikum): § Akute Zahnfleischentzündungen, Verletzungen in der Mundhöhle:

Gingivitis, Stomatitis, Glossitis, Aphthen, Mykosen, Soor, infizierte Alveolen, Prothesenstomatitis.

§ Temporäre intraorale Keimzahl-Reduktion § Temporäre adjuvante Therapie zur mechanischen Reinigung bei bakteriell

bedingten Entzündungen der Gingiva u. Mundschleimhaut § Nach parodontalchirurgischen Eingriffen § Bei eingeschränkter Mundhygienefähigkeit. Mundgeruch Gel (auch in Kombination mit einem Lokalanästhetikum): - Zur Instillation in die Harnröhre vor Einführung eines Katheters oder

anderer Instrumente. - In Komb. mit Dexamethason und Lidocain: Strahlenulcus der Harnblase u.

Strahlencystitis, Ulcus simplex vesicae. Unterstützende Therapie bei chronischen, unspezifischen Urethritiden und Cystitiden

Kontraindikationen § Schlecht durchblutetes Gewebe § Anw. am Trommelfell (über Einzelfälle von Taubheit nach externer

Anwendung bei Trommelfellperforation wurde berichtet) § Anw. am Auge und in der Augenumgebung § stark nässende Gewebsdefekte (Puder) § Schleimhäute, großflächige und/oder tiefe Wunden, Säuglinge (Hautspray) § Schwere Leberfunktionsstörungen, Wunden/ Ulzera im Mund/Rachen,

Kinder unter 4 Jahren

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Anwendungsbeschränkung: - erosiv-desquamative Veränderungen der Mundschleimhaut - Wunden, Ulzerationen Dosierung und Applikationshinweise Puder / Cremes (1%): - Mehrmals tgl. betroffene Hautareale einpudern / eincremen - Übermäßiges Stäuben und Einatmen des Pulvers vermeiden Hautspray / Wundspülung (0,05-0,1%): - Mehrmals tgl. nach Bedarf auf die Wunde sprühen (ca. 10 cm Abstand)

bzw. Wunde spülen Mundspülung: - 0,05%-0,1%: unverdünnte Lösung, bis 2%: Verdünnung lt. Beipackzettel - 2mal tgl., am besten morgens u. abends (nach den Mahlzeiten und

Zähneputzen) anwenden - Bei jeder Anwendung im Beipackzettel angegebene Dosis (ca. 10 ml) 1 min

im Mund spülen oder gurgeln. Ausspucken, nicht schlucken oder nachspülen.

- Nur kurzfristig anwenden! - Keine zuckerhaltigen Speisen und Getränke unmittelbar nach Anwendung

von Chlorhexidin einnehmen, sonst ist ein Wirkverlust von Chlorhexidin mgl.

Mundgel: - 1-2mal tgl. morgens bzw. abends nach den Mahlzeiten direkt auf die

entzündete Stelle bzw. verletzte Stelle im Mundraum auftragen. Prothesenträger: Gel dünn auf die gereinigte Prothese auftragen

Lutschpastillen: - Mehrmals tgl. 1 Lutschpastille (bis alle 1-2 h 1LP) - Kinder: bis zu 4 LP /d Gel zur Instillation von Kathetern: - 6-10g Gel mittels Spritze in die Harnröhre einbringen - Desinfizierende (und ggf. lokalanästhetische) Wirkung tritt nach 5-10 min

ein. Pharmakokinetik - 1,1'- Hexamethylenbis[5- (4- chlorphenyl)biguanid] - synthetisches Derivat des Guanidins - Kristalline Substanz, farblos, geruchlos

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- Längere Lagerung F Bildung von toxischem p-Chloranilin möglich - Chlorhexidin (= freie Base), Chlorhexidin-Diacetat, Chlorhexidin-

Dihydrochlorid F geringe Löslichkeit in Wasser (0,06-1,0 g / 100ml) - Chlorhexidin-Digluconat F gute Löslichkeit in Wasser (> 50g / 100ml) - Unverträglichkeit mit anionischen Verbindungen (Bicarbonate, Chloride,

Citrate, Phosphate, Sulfate), da es schwerlösliche Salze bildet Topische Applikation: § Erwachsene: wiederholte Anwendung auf gesunder Haut: keine Resorption

nachweisbar § Früh- und Neugeborene (28.-39. SSW): nach Baden in 4% Chlorhexidin-

Digluconat-Detergens-Lösung F bis 1,0µg/ml Chlorhexidin im Blut nachweisbar

§ Orale Applikation (Tierversuch an Ratten und Mäusen) F Hohe Aktivitäten im Verdauungstrakt, sehr langsame Resorption

§ Adsorption an Zahnschmelz, Dentin, Zement und Schleimhäuten F langsame Desorption F bis 8 h im Speichel nachweisbar (Depoteffekt)

§ Absorption bei Blasenspülungen etc. ist gering, toxisches p-Chloranilin ist nicht nachweisbar

§ Metabolisierung über Leber und Niere § Elimination in 90% über Faeces § Eliminationshalbwertszeit: ca. 4 Tage Pharmakodynamik - Antiseptikum Chlorhexidin - Hohe Zellwandaffinität, lipophile Gruppen F Desorientierung der Lipoproteinmembranen F Veränderung der Oberflächenbeschaffenheit von Bakterienmembranen - Adsorption von Chlorhexidin F Störung des osmotischen Gleichgewichts F Austritt von Zytoplasma, Zerstörung der Zytoplasmamembran der

Erreger - In hohen Konzentrationen F Koagulation von Zellproteinen und Enzymhemmung Therapeutische Wirkungen Erregerspektrum: - grampositive Bakterien: u.a. Streptococcus mutans, Neisseria gonorrhoe - gramnegative Bakterien: Pseudomonas stutzeri, E. coli, Salmonellen - Candida albicans - Mikrosporum canis (Gloor, 2000)

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Erregerlücken - Geringe Wirkung: - Pseudomonas spp., Proteus spp., Acinetobacter, Klebsiellen - Mykobakterien - Hefen, Dermatophyten Unwirksam auf: - Bakterien-, Pilzsporen - Viren - Schimmelpilze - Trichomonas vaginalis - Wirkungsmaximum im neutralen- leicht alkalischen Bereich pH6, saurer pH F Wirkung vermindert

- Anwesenheit organischer Substanzen (Blut, Eiweiße, Eiter) F Chlorhexidin-Wirkung wird verringert (nicht so lt. Hornstein 1985)

- Eine Resistenzinduktion ist gegenüber Pseudomonas und Serratia spp. möglich (Gloor, 2000)

Studien: § Reduktion der Standortflora der Haut (Expanded-Flora-Test nach Leyden) F Chlorhexidin 1% in 70% Ethanollösung besser als 70% Ethanol und besser als Triclosan Creme 2% (Gloor, 2002)

§ Wundheilungsstörungen sind durch Chlorhexidin denkbar, denn nach Anwendung von Chlorhexidin z.B. beim Ulcus cruris sind histologisch Veränderungen in der Mikrovaskularisation und bei Dendrozyten nachweisbar (Fumal, 2002)

§ Granulationshemmung ist jedoch geringer als bei Triphenylmethan-Farbstoffen (Gloor, 2000)

§ Schwere atopische Dermatitis: 6 Patienten, Behandlung mit fett- feuchten Verbänden (pflegende Externa und 0,5% Chlorhexidin-Lösung) F nach 3 Tagen drastische Verbesserung des klinischen Scores (SCORAD) (Abeck, 1999)

§ Mund- / Rachenraum: Chlorhexidin hat gute Wirkung gegenüber allen Erregern, die mit Plaque, Gingivitis oder Karies assoziiert sind F Gold-Standard für antiseptische Behandlung der Mundhöhle; in Studien: signifikante Reduktion von Streptococcus mutans (Frentzen, 2002)

§ Intensivmedizin / Pflege von Venenkathetern: Metaanalyse von 8 Studien von 1991-2000 F Chlorhexidin 2% zur Hautdesinfektion F 50% reduziertes Risiko für Katheterinfektionen oder Katheter-assoziierte Sepsis gegenüber Polyvidon-Jod (O'Grady, 2002)

§ Epiduralkatheter: Kein Unterschied in bakterieller Besiedlung nach Hautdesinfektion mit Chlorhexidin 0,5% in Ethanol oder 10% Polyvidon-Jod (Kasuda, 2002)

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§ Neonatologie: Chlorhexidin-Puder F Reduktion von Nabelschnurinfektionen von 42% (=Kontrollen) auf 16% (Chlorhexidin-Gruppen) F Chlorhexidin = Therapeutikum der Wahl bei Nabelpflege des Neugeborenen (Puder), obwohl dadurch die Nabelschnur durchschnittlich länger verbleibt (10 d vs. 6 d bei trockener Pflege) (Verber, 1993)

Weitere Anwendung: - Bei Flussäureverätzung: in Kombination mit Calciumgluconat (siehe

Rezeptur) Unerwünschte Wirkungen Haut: - Bei Hautabschürfungen: Schmerzen beim Auftragen von 1%iger Lösung - Wundheilungsstörungen sind möglich. - Bei sehr häufiger Anwendung: Kontaktdermatitis (allergische KD bei bis zu

13% der Patienten mit Ulcera cruris, Knudsen, 1991, nach John und Geier 1998 ist Chlorhexidin in Dt. nicht unter den 20 häufigsten Kontaktallergenen bei Patienten mit CVI (Gloor, 2000)), Photosensibilisierung (selten)

- Reizerscheinungen am Auge ab 0,1% Chlorhexidin-Lösung Geschmack: - Orale Anwendung: Beeinträchtigung des Geschmacksempfindens

(reversibel) Gastrointestinaltrakt: Orale Anwendung: - Taubheitsgefühl der Zunge - Verfärbungen der Zähne - Restaurationen und Zungenpapillen (Haarzunge) (reversibel) - Desquamative Veränderungen der Mukosa - Bei Spray-Applikation: Parotisschwellung (reversibel, Einzelfälle) Wechselwirkungen - Seifen, andere anionische Substanzen, Kaliumiodid=> Inkompatibilität - Borate, Dicarbonate, Carbonate, Chloride, Citrate, Phosphate, Sulfate F

Salzbildung bei Chlorhexidinkonzentration >0,05% - Saccharose F Inaktivierung von Chlorhexidin - Polysorbat-80, unlösliche Magnesium-, Zink- und Calciumsalze =>

Desaktivierung möglich

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Kombinationsmöglichkeiten - Propanol - Kortikosteroide - Lokalanästhetika Besonderheiten bei Kindern, in Schwangerschaft und Stillzeit - Schwangerschaft: Strenge Indikationsstellung. Chlorhexidin soll während

der Schwangerschaft nicht großflächig angewandt werden. - In tierexperimentellen Studien finden sich keine Hinweise auf teratogene,

jedoch auf embryotoxische Eigenschaften - Keine Einschränkung bei: - Anwendung in der Zahnheilkunde - Instillation in Harnröhre vor Einführung eines Katheters oder anderer

Instrumente Stillzeit: - Strenge Indikationsstellung. Chlorhexidin soll während der Stillzeit nicht

großflächig angewandt werden. - Es ist nicht bekannt, ob Chlorhexidin mit der Muttermilch ausgeschieden

wird. - Keine Einschränkung bei: - Anwendung in der Zahnheilkunde - Instillation in Harnröhre vor Einführung eines Katheters oder anderer Instrumente Kinder: Anwendung ist zugelassen, außer: - Hautspray: Kontraindiziert bei Säuglingen - Lutschpastillen: Kontraindiziert bei Kindern < 4 Jahre Literatur - Fachinformation Chlorhexamed 1% Gel, Stand 1/2002, Uro-Trainere-

Chlorhexidin, Stand 1/1997 - Abeck D, Brockow K, Mempel M, Fesq H, Ring J: Behandlung des akut

exazerbierten atopischen Ekzems mit fett- feuchten Verbänden und topischem Chlorhexidin. Hautarzt 1999; 50: 418-21

- Fumal I, Braham C, Paquet P, Pierard-Franchimont C, Pierard GE: The beneficial toxicity paradox of antimicrobials in leg ulcer healing impaired by a polymicrobial flora: a proof-of-concept study. Dermatology. 2002;204 Suppl 1:70-4

- Frentzen M, Ploenes K, Braun A: Clinical and microbiological effects of local chlorhexidine applications. Int Dent J. 2002 Oct;52(5):325-9

- Gloor M, Thoma K, Fluhr J: Dermatologische Externatherapie. Springer-Verlag Berlin, 2000

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66 Chlorhexidin _____________________________________________________________________________________

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- Gloor M, Becker A, Wasik B, Kniehl E: Triclosan, ein dermatologisches Lokaltherapeutikum. Hautarzt 2002; 53: 724-729

- Hornstein OP, Nürnberg E: Externe Therapie von Hautkrankheiten. Thieme Verlag Stuttgart, New York 1985

- Kasuda H, Fukuda H, Togashi H, Hotta K, Hirai Y, Hayashi M: Skin disinfection before epidural catheterization: comparative study of povidone-iodine versus chlorhexidine ethanol. Dermatology. 2002;204 Suppl 1:42-6

- Knudsen BB, Avnstorp C: Chlorhexidine gluconate and acetate in patch testing. Contact Dermatitis. 1991 Jan;24(1):45-9

- O'Grady NP, Alexander M, Dellinger EP, Gerberding JL, Heard SO, Maki DG, Masur H, McCormick RD, Mermel LA, Pearson ML, Razu II, Randolph A, Weinstein RA: Guidelines for the prevention of intravascular catheter-related infections. MMWR Recomm Rep. 2002 Aug 9;51(RR-10):1-29

- O'Grady NP: Applying the science to the prevention of catheter-related infections. J Crit Care. 2002 Jun;17(2):114-21

- Verber IG, Pagan FS. What cord care--if any? Arch Dis Child. 1993 May;68(5 Spec No):594-6

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Gentianaviolett

Zugelassene Indikationen - keine Kontraindikationen § Schlecht heilende Wunden § Großflächige Anwendung § Schwangerschaft/Stillzeit Dosierung und Applikationshinweise Erwachsene / Kinder: - 1-3mal tgl. - auf betroffene Körperstellen auftragen § Großflächig oder auf stark geschädigter Haut F max. 0,1% in Lösungen § Kleinflächig, Pinselungen F 0,5% in Lösungen - Anwendung kleinflächig auch in der Mundhöhle möglich (durch den Arzt) - Vernachlässigbarer Alkoholanteil in der 0,1%igen Lösung, ca. 4% bei

0,5%iger Lösung - Hautreizung durch sauren pH der Lösung. - UV-Licht kann die Wirkung steigern - in Konzentrationen <0,1% nicht Gewebe schädigend Pharmakokinetik - Organischer Triphenylmethan-Farbstoff, wie auch Fuchsin und Brillantgrün Gemisch verschieden methylierter p-Rosaniline und Kristallviolett, vor allem § Hexamethyl-p-Rosaniliniumchlorid (Kristallviolett) § Pentamethyl-p-Rosaniliniumchlorid (Gentianaviolett B) - Synonyme: Pyoktanin® (Methylviolett, Firma Merck),

Methylrosaniliniumchlorid, Methylrosanilin - Dunkelgrünes metallisch glänzendes Pulver - Löslich in Wasser, Alkohol und Chloroform, nicht in Ether Topische Applikation: § Systemische Resorption sehr gering § Systemwirkungen wurden nicht beschrieben (Gloor, 2000)

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Pharmakodynamik - Antiseptikum Wirkmechanismus: - Penetration der Zellmembran der Mikroorganismen F Bindung an

Nukleinsäuren F Hemmung der Zellwand- und Proteinbiosynthese (Glutaminvorstufen)

Zusätzlich: § Proteinkoagulation § Herabsetzung der Oberflächenspannung des Substrates, auf dem der Keim wächst § Penetrierbarkeit der Plasmamembran des Keimes wird erhöht F

Wasseraufnahme verstärkt F Quellung § Lösung: austrocknende Wirkung Bakteriostatische Wirkung - Nicht karzinogen. Therapeutische Wirkungen Erregerspektrum: - Sproßpilze - Dermatophyten - grampositive und gramnegative Bakterien, einschließlich Pseudomonas Die Wirkung gegen Hefe- und Fadenpilze in vitro ist besser als die Wirkung von Nystatin und Griseofulvin, (Lit. bei Gloor, 2000) Die bakteriostatische Wirkung ist nach 24-48 h reversibel. Erregerlücke: - Streptokokken Anwendungsgebiete - Antiseptikum, Antimykotikum zur lokalen Anwendung an der Haut Hautinfektionen: § Kutane Candidosen § Tinea corporis (Dyshidrosiforme Hand- und Fußmykosen, Interdigital- und Fußmykosen) § Gramnegativer Fußinfekt § Follikuläre Dermatophytosen § Erythrasma § Ulzera mit pathogener Hefepilzbesiedlung

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Weitere Dermatosen zur Prophylaxe / Therapie von Superinfektionen: § Superinfizierte Atopische Dermatitis (Brockow, 1999) § Nässende Dermatosen § Intertriginöse Dermatosen § Blasenbildende Dermatosen Früher: Systemische Anwendung als Anthelmintikum, heute obsolet - Bislang bei dermatologischer Anwendung kein Hinweis auf Kanzerogenität Unerwünschte Wirkungen § Violette Verfärbung von Haut, Kleidung und Verbänden § Granulationshemmung F Hemmung der Wundheilung F Dosisabhängig F

Anwendung in o.g. niedriger Dosierung § Irritationen bis Gewebsnekrosen sind möglich Besonders bei:

• Konzentrationen > 1% • Intertriginöser Anwendung • Säuglingen

§ Typ IV-Sensibilisierungen sind selten Kombinationsmöglichkeiten - Kortikosteroide

Besonderheiten bei Kindern, in Schwangerschaft und Stillzeit Schwangerschaft und Stillzeit: - Kontraindikation Kinder: - Keine großflächige Anwendung Literatur - Brockow K, Grabenhorst P, Abeck D, Traupe B, Ring J, Hoppe U, Wolf F:

Effect of gentian violet, corticosteroid and tar preparations in Staphylococcus-aureus-colonized atopic eczema. Dermatology. 1999;199(3):231-6

- Gloor M, Thoma K, Fluhr J: Dermatologische Externatherapie. Springer-Verlag Berlin, 2000

- Garbe C, Reimann H, Sander-Bähr C: Rationelle dermatologische Rezeptur. Thieme Verlag 1996

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70 Gerbstoffe, synthetische _____________________________________________________________________________________

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Gerbstoffe, synthetische Zugelassene Indikationen § Entzündliche, nässende und juckende Hauterkrankungen § Ekzeme und Hautentzündungen aufgrund von bakteriellen oder Pilzinfektionen § Windeldermatitis § Intertrigo Schüttelmixtur, Gel und Puder zusätzlich: § Verbrennungen ersten Grades (z.B. Dermatitis solaris, akute polymorphe Lichtdermatose) § Juckreiz; speziell im Genito-Anal-Bereich § Hyperhidrosis § Infektiöse Exantheme wie z. B. Windpocken Schüttelmixtur zusätzlich: § Grad bei der Mykosetherapie Gel zusätzlich: § Hyperergische Insektenstichreaktion Badezusatz zusätzlich: § Hyperhidrosis Kontraindikationen - Anwendung am Auge Puder zusätzlich: - Offene Wunden Gel zusätzlich: - Personen unter 18 J. (keine Erfahrungen) lt. Roter Liste 2003, nicht nach

aktueller Fachinformation! Anwendungsbeschränkung: Bei Bädern allgemein: § Größere Hautverletzungen § Akute unklare Hauterkrankungen § Schwere fieberhafte und infektiöse Erkrankungen § Herzinsuffizienz § Hypertonie

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Dosierung und Applikationshinweise Creme / Fettcreme: - 1-2mal tgl. (bis 3mal tgl.) - Dünn auf die erkrankten Hautstellen auftragen - Bis zur Abheilung Lotio: - 1-2mal tgl. - Nach kräftigem Schütteln der Flasche auftragen Gel: - 3mal tgl. dünn - Auf die betroffenen Hautstellen auftragen und leicht einmassieren - Bei Bedarf öfters anwenden Puder: - Trocken- u. Nachbehandlung: - Morgens und abends anwenden Badezusatz: - Substanz im warmen Wasser (32-35°C) auflösen - Zur Anwendung als Teil-, Voll-, Sitz- u. Kinderbad sowie für feuchte Umschläge, Waschungen und kalte Kompressen - Dosierung entsprechend aktueller Gebrauchsinformation, ca.: - Vollbad: 30g Pulver auf 150 l Wasser - Sitzbad: 10g Pulver auf 25 l Wasser - Teilbad: 5g Pulver auf 10 l Wasser etc. - Bei akut entzündeter berührungsempfindlicher Haut F niedrigere

Konzentrationen wählen! - Badedauer: 10-20 min; Anwendungsdauer: 3-14d, ggf. auch langfristig Keine Beschränkung der Anwendungsdauer. In der Regel sind 4 Wochen ausreichend. Bei Augenkontakt: - Sofort reichlich mit klarem Wasser spülen (10 min) - Konsultation eines Augenarztes Anleitung zur Herstellung einer "Abkochung" aus Eichenrinde (nach Schröter, 2001): § 1-2 Eßlöffel zerkleinerte Eichenrinde auf 250 ml Wasser § 15 min kochen § Abgießen, Durchsieben, Abkühlen Verwendet wird die abgekühlte Flüssigkeit für Umschläge

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72 Gerbstoffe, synthetische _____________________________________________________________________________________

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Pharmakokinetik Gerbstoffe = große heterogene Gruppe von Stoffen, die gerbend ("gar machend", Eiweiß fällend, adstringierend) wirken (modifiziert nach Schröter, 2001): § Mineralgerbstoffe (meist basische, kationische Substanzen), z.B.

• Aluminium-Verbindungen wie Aluminiumchloridhexahydrat • Bismut-Verbindungen wie Bismutum subgallicum oder Bismutum

subnitricum • Chromsalze • Eisenverbindungen • Magnesium-Silizium-Verbindungen wie Wasserhaltiges Mg-Silikat

(= Talkum) • Silber-Verbindungen wie Silbereiweiß-Acetlytannat (= Argentum

diacetylotannicum) oder Silbernitrat (= Argentum nitricum) • Zink-Verbindungen wie Zinkoxid

§ Organische Gerbstoffe (meist saure, anionische Verbindungen), z.B.

• Synthetische Gerbstoffe (siehe unten) • Pflanzliche Gerbstoffe • Teere: Steinkohlenteer, Schieferteer, Pflanzenteer • Milchsäure • Trichloressigsäure, Phenole • Farbstoffe wie Brillantgrün, Gentianaviolett und Fuchsin • 8-Chinolinolsulfat, Clioquinol, Ethacridinlaktat, Merbromin,

Pyoktanin Synthetische Gerbstoffe: - Wasserlösliche organische Mischkondensationsprodukte - Wichtigster Vertreter: Tamol® = Natriumsalz eines relativ niedrig-

molekularen Phenolsulfonsäure-Phenol-Harnstoff-Formaldehyd- Kondensationsproduktes

Vorteil gegenüber pflanzlichen Gerbstoffen: § Stabilität gegenüber fermentativen Einflüssen § Bessere Standardisierung und Dosierung möglich § Höhere kosmetische Akzeptanz, denn: Synthetische Gerbstoffe sind farblos Topische Applikation: § Perkutane Resorption ist bei intakter Haut praktisch ausgeschlossen, denn: § Eiweiß-Gerbstoff-Komplex-Bildung => Bindung des Gerbstoffes in den obersten Hautschichten, NW im Str. corneum, aber nicht mehr im Str. basale)

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§ Bei geschädigter Hornschicht können jedoch in der Epidermis wirksame Konzentrationen erreicht werden

§ Wirkstofffreigabe erfolgt begünstigt aus hydrophilen Grundlagen (besser aus Gel als aus Creme oder Fettcreme; Schröter, 2001)

Pharmakodynamik - Adstringens Eiweißfällende Wirkung - adstringierende = Eiweiß denaturierende = versiegelnde = schorfbildende gerbende Wirkung - Saure Phenolgruppen der Gerbstoffe reagieren mit Aminogruppen basischer

Aminosäuren der Proteine F Querverbindungen zwischen Gerbstoffen und Eiweißen F die bei Entzündungen, Wunden entstehenden Exsudateiweiße und in geringerem Maß auch Eiweiße aus den obersten Lagen der Hornschicht werden denaturiert

§ Entquellung (durch Fällung quellfähiger Eiweiße) § Austrocknung § Verdichtung des kolloidalen Gefüges, oberflächliche Abdichtung - Bildung eines schützenden Films F Hornhautstabilisierung / Verminderung des TEWL (Schmersal, 1995) - Verminderung des Eiweiß- und Elektrolytverlustes durch die Haut Hämostyptischer Effekt: Bei Kontakt zu Schleimhäuten / Wunden kommt es durch oberflächliche Eiweißfällung zu einer Abdichtung und Schrumpfung des Gewebes (Wienert, 2001) Schweißhemmende Wirkung Theorie: Durch adstringierende Wirkung F Reversibler Verschluss der Schweißdrüsenausführungsgänge Antimikrobielle / antimykotische Wirkung Indirekt - Durch Entzug von mikrobiell verwertbarem Substrat, Austrocknung und

"Membranbildung" Direkt - Extrakte der Hamamelis v.-Rinde (Poylmere Proanthoyanidine) sind

wirksam gegenüber Herpesviren (HSV-1), jedoch geringer als Aciclovir (Erdelmeier, 1996; Gloor, 2000)

- Hemmung der reversen Transkriptase des HIV (Yoshida, 1996) (Der Wirkmechanismus ist unklar)

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- Experiment zur Plasmakoagulation von St. aureus: Durch die gleichzeitige

Anwendung von Tanninen und Oxacillin ist bei besserer Wirkung eine geringere Oxacillindosis (als bei Oxacillin allein) erforderlich (Akiyama 2001)

Antientzündliche Wirkung Der genaue Wirkmechanismus der Gerbstoffe ist unbekannt. Mögliche Theorien: § Fällung reaktiver Eiweiße und / oder zusätzlich § Direkte Wirkung auf entzündungsvermittelnde Enzyme auch in therapeutischer Dosierung: 1. Hemmung der 5-Lipoxygenase durch Bestandteile von Hamamelis

virginiana (Hartisch, 1997) 2. Hemmung der Humanen Leukozyten-Elastase (Mrowietz, 1991; Erdelmeier,

1996) => nach 24stündiger Inkubation Verminderung der 12-HETE-Rezeptoren (12-Hydroxyeikosatetraensäure) ohne die Affinität der Rezeptoren für 12-HETE zu beeinflussen (Der genaue Wirkmechanismus ist unbekannt)

3. Downregulation von 12-HETE-Rezeptoren auf Keratinozyten nach Applikation von Tamol als synthetischem Wirkstoff (Arenberger, 1992; Gloor, 2000)

4. Hemmung der Aktivität der Chymase und des Plasmins humaner Mastzellen (= proinflammatorische Enzyme), dosisabhängig und nicht kompetitiv (Wiedow, 1997)

5. Hemmung der IgE-vermittelten Histaminfreisetzung (Zuberbier, 1999) Synthetisches Tannin hat kein Einfluss auf (Schröter, 2001): § f-met-leu-phe- induzierte Neutrophilenchemotaxis § Degranulation neutrophiler Granulozyten § Aktivität verschiedener Enzyme neutrophiler Granulozyten wie CathepsinG,

Beta-Glucuronidase, Myeloperoxdiase Klinische Effekte: - Nachweis einer entzündungshemmenden Wirkung: - Im UV-Erythem-Hemmtest (Taube und Schröter, 1999) - Am Crotonöl-Mausohr-Ödem-Modell (Erdelmeier, 1996) - Gefäßverengender Effekt wurde im Vasokonstriktionstest

nachgewiesen (Diemunsch, 1987 in Gloor, 2000) - CAVE! Der entzündungshemmende Effekt von Tannin und Hamamelis ist

geringer als von Hydrokortison! (Gloor, 2000) Lt. Taube und Schröter, 1999: entspricht die Wirkung synthetischen Tannins bei gleicher Dosis (1%) etwa 2/3 der Wirkung von Hydrokortison

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Juckreizvermindernde Wirkung - Nachweis durch Histamin-Quaddeltest (Puschmann, 1985) - Wirkung erscheint z.T. vergleichbar mit topisch applizierten

Antihistaminika (Puschmann, 1985) Durch: § Hemmung der IgE-vermittelten Histaminfreisetzung (Zuberbier, 1999) § Antiinflammatorische Wirkung s.o. Schmerzvermindernde Wirkung - Lippenreizmethode F Unempfindlichkeit durch topische Gerbstoffe

vergleichbar mit einem Lokalanästhetikum (Puschmann, 1985) - Keine Untersuchungen zu tumorerzeugendem / mutagenen Potential oder

zur Reproduktionstoxizität von Gerbstoffen (Keine klinischen Hinweise bislang!)

Fragliche tumorprotektive Wirkung Khan, 1988 und weitere Arbeiten aus der Arbeitsgruppe um Mukhtar: Nach Applikation von Tanninsäure und Polyphenole des grünen Tees (GTP) wurde die Tumor- initiierende Wirkung eines Benzo[a]pyrens (BPDE-2) gemindert, d.h. die Latenzphase bis zum Auftreten eines Hauttumors war kürzer. WM?: Inaktivierung des BPDE-2? Wang, 1991: Tierexperimente: Haarlose Mäuse erhielten Polyphenole des Grünen Tees (GTP) im Trinkwasser oder topisch auf die Haut + UVB-Bestrahlung vs. Plazebo + UVB-Bestrahlung F Anteil der Mäuse mit Hauttumoren und Anzahl Hauttumore/Maus waren bei Applikation von GTP geringer Perchellet, 1992: 12-O-Tetradecanoyl-Phorbol-13-Acetat (TPA) F Potenter Tumorpromoter in der Maus-Epidermis. Tanninsäure und andere Gallussäure-Derivate hemmen die TPA-induzierte Ornithin-Decarboxylase, die Wasserstoffperoxid-Produktion und die DNA-Synthese (Tumor-Promotion) Srivastava, 2000: 12-O-Tetradecanoyl-Phorbol-13-Acetat (TPA)- induzierte NO-Freisetzung in Rattenhepatozyten durch Tanninsäure und Polyphenole des grünen Tees vermindert F Entzündungshemmung Therapeutische Wirkungen - Synthetische Gerbstoffe lassen einen klinischen Effekt vermuten, der jedoch

nur fraglich über einen Grundlagen-Effekt hinausgeht (Gloor, 2000) - Die Effizienz ist deutlich geringer als die von Kortikosteroiden.

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Korting, 1995: § Plazebo-kontrolliert, doppel-blind, randomisiert § n=72 Patienten mit moderater Atopischer Dermatitis § Vgl. Hamamelis-Extrakt-Salbe mit Grundlage und 0,5% Hydrokortison- Creme über 14 Tage § Kein Unterschied Hamamelis-Extrakt zu Plazebo, beide Zubereitungen

waren deutlich weniger wirksam als Hydrokortison Buhles, 1992; Swoboda, 1991 - Wirksamkeit vergleichbar mit Bufexamac - Wirksamkeitsnachweis ohne signifikante Unterschiede - Die Untersuchungen waren jedoch nicht Vehikel-kontrolliert Dennoch: Gerbstoffe gehören zu den ältesten bei nässenden Hautkrankheiten eingesetzten Lokaltherapeutika (Schröter, 2001) Nässende Ekzeme Hauptindikation für Gerbstoffe: Eccema madidans, bes. intertriginös (Schröter, 2001) Weitere Einsatzgebiete: § Alle weiteren Ekzemformen (Kortikoid-sparender Effekt durch

alternierende Behandlung: Gerbstoffe - Steroide und Intervalltherapie) § Windeldermatitis § Intertrigo § Verbrennungen ersten Grades (z.B. Dermatitis solaris, akute polymorphe Lichtdermatose) § Juckreiz – speziell im Genito-Anal-Bereich – § Hyperhidrosis (Achtung! Wirkung ist geringer als die von

Aluminiumverbindungen - der "Hornzellpfropf" wird durch Desquamation sehr schnell wieder abgerieben)

§ Infektiöse Exantheme wie z. B. Windpocken § Balanitis / Vulvitis § Genitaler / analer Pruritus Unerwünschte Wirkungen - In Einzelfällen: - Leichte Hautreizungen, Austrocknungsgefühl - Kontaktallergien (Müller, 1994)

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Wechselwirkungen Gerbstoffe zeigen eine Inkompatibilität mit: § Schwermetallsalzen § Alkaloiden § Gelatine § Albumin § Stärke § Oxidierenden Substanzen F Keine Mischung mit diesen Substanzen! Gerbstoffe im Badezusatz: In Gegenwart von alkalischen Seifen wird die Wirksamkeit beeinträchtigt. Kombinationsmöglichkeiten - Sämtliche systemische und topische Dermatika unter Beachtung der

Wechselwirkungen Besonderheiten bei Kindern, in Schwangerschaft und Stillzeit - Keine Einschränkungen Literatur - Akiyama H, Fujii K, Yamasaki O, Oono T, Iwatsuki K: Antibacterial action

of several tannins against Staphylococcus aureus. J Antimicrob Chemother. 2001 Oct;48(4):487-91

- Arenberger P, Kemeny L, Ruzicka T: Einfluss von Tamol auf Eikosanoid-Rezeptoren an epidermalen Zellen. TW Dermatologie 1992; 22: 363-366

- Buhles N: Nichtsteroidale Lokaltherapie des endogenen Ekzemes. Akt Dermatol. 1992; 18: 112-115

- Erdelmeier CA, Cinatl J Jr, Rabenau H, Doerr HW, Biber A, Koch E: Antiviral and antiphlogistic activities of Hamamelis virginiana bark. Planta Med. 1996 Jun;62(3):241-5

- Fachinformation Delagil Creme Stand 6/2001, Tannolact Stand 2/2002, Tannosynt flüssig Stand 7/2003, Tannolact Gel Stand 1/2002

- Hartisch C, Kolodziej H, von Bruchhausen F: Dual inhibitory activities of tannins from Hamamelis virginiana and related polyphenols on 5-lipoxygenase and lyso-PAF: acetyl-CoA acetyltransferase. Planta Med. 1997 Apr;63(2):106-10

- Khan WA, Wang ZY, Athar M, Bickers DR, Mukhtar H: Inhibition of the skin tumorigenicity of (+/-)-7 beta,8 alpha-dihydroxy-9 alpha,10 alpha-epoxy-7,8,9,10-tetrahydrobenzo[a]pyrene by tannic acid, green tea polyphenols and quercetin in Sencar mice. Cancer Lett. 1988 Sep-Oct;42(1-2):7-12

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- Korting HC, Schafer-Korting M, Klovekorn W, Klovekorn G, Martin C, Laux P: Comparative efficacy of hamamelis distillate and hydrocortisone cream in atopic eczema. Eur J Clin Pharmacol. 1995;48(6):461-5

- Mrowietz U, Ternowitz T, Wiedow O: Selective inactivation of human neutrophil elastase by synthetic tannin. J Invest Dermatol. 1991 Sep;97(3):529-33

- Muller C, Hausen BM: Contact allergy to a synthetic tannin in Tannosynt liquid. Contact Dermatitis. 1994 Sep;31(3):185

- Perchellet JP, Gali HU, Perchellet EM, Klish DS, Armbrust AD: Antitumor-promoting activities of tannic acid, ellagic acid, and several gallic acid derivatives in mouse skin. Basic Life Sci. 1992;59:783-801

- Schröter St: Gerbstoffe. In Therapeutische Verfahren in der Dermatiologie. Dermatika und Kosmetika. HC Korting, W Sterry (Hrsg.), Blackwell Wissenschaft Berlin 2001, S. 225ff

- Srivastava RC, Husain MM, Hasan SK, Athar M: Green tea polyphenols and tannic acid act as potent inhibitors of phorbol ester-induced nitric oxide generation in rat hepatocytes independent of their antioxidant properties. Cancer Lett. 2000 May 29;153(1-2):1-5

- Swoboda M, Meurer J: Therapie von Neurodermitis mit Hamamelis-virginiana Extrakt in Salbenform - eine Doppelblindstudie. Z Phytother 1991; 12: 114-117

- Taube KM, Schröter St: Gerbstoffe in der Dermatologie - Bekanntes und Neues. Hautarzt 1999; 50: S 88

- Wang ZY, Agarwal R, Bickers DR, Mukhtar H: Protection against ultraviolet B radiation- induced photocarcinogenesis in hairless mice by green tea polyphenols. Carcinogenesis. 1991 Aug;12(8):1527-30

- Wiedow O, Weindler F, Mrowietz U: The effect of tamol on human mast cell chymase and plasmin. Skin Pharmacol. 1997;10(2):90-6

- Zuberbier T, Khreis I, Guhl S, Mrowietz U: Tannin inhibits histamine release. Allergy. 1999 Aug;54(8):898-900

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Glycerin 79

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Glycerin

Zugelassene Indikationen - Hautpflege, Hautschutz Kontraindikationen - Keine Dosierung und Applikationshinweise - Mehrmals täglich auftragen - Glycerin kann bis zu einer Konzentration von 10% in nahezu alle O/W- und

amphiphilen Systeme eingearbeitet werden. Pharmakokinetik - 1,2,3-Propantriol, Glycerin, Glycerol = dreiwertiger Alkohol - Physiologisch im Stoffwechsel vorkommend (v.a. als Ester der

Triglyzeride) - Kommt nach Triglycerid-Hydrolyse in den Talgdrüsen auf/in die Haut

(Wichtigster Mechanismus zur Hauthydratation überhaupt) (Fluhr, 2003) - Sirupöse Flüssigkeit mit süßem Geschmack - Gut wasserlöslich, hygroskopisch (schwer wasserfrei zu halten) - Synthese: vom Propylen der Crackgase - Verwendung: Pharmazeutische Industrie, bei Herstellung von Sprengstoffen

etc. Topische Applikation: § Eindringen in die Tiefe der Hornschicht § Applikation einer O/W-Emulsion => in der Tiefe der Hornschicht mehr

Glycerin als oberflächlich (Batt, 1986) § Glycerin verbleibt > 6 Stunden in der Hornschicht (Gloor, 2000) § Metabolisierung § Elimination über Galle und Niere Da es sich um eine körpereigene Substanz handelt, die im Körper in erheblichem Maß vorkommt, sind toxische Reaktionen nicht zu erwarten (Gloor, 2000)

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Pharmakodynamik - Moisturizer Hygroskopische Wirkung § Abhängig von relativer Luftfeuchtigkeit (Froebe, 1990 in Gloor, 2000) § Im Vergleich zu anderen Polyhydroxyalkoholen, Polyethylenglykolen, Propylenglykolen: sehr ausgeprägt (Cohen, 1993) § Stärker als die Wirkung von Harnstoff (Gloor, 2000) § Wasserabgabe aus wässriger Lösung von Glycerin deutlich geringer als aus reinem Wasser (Batt, 1986) F Hydratisierende Wirkung auf Str. corneum

Hydratisierende Wirkung § wurde nachgewiesen von 10% Glycerin in W/O- als auch in O/W-

Grundlage; jedoch besser in O/W-Emulsionen (Bettinger, 1994) § setzt schneller ein als durch Wasser allein erreichbar ist (Pedersen, 1999) § ist konzentrationsabhängig: 10% Glycerin ist stärker wirksam als 5%ige

O/W-Emulsion, NW mit Korneometrie (Gloor, 1997) § ist steigerbar durch Kombination mit Harnstoff § ist stärker als die Wirkung von Harnstoff (Fluhr, 2003, Gloor, 1998) § ist schon mit 1% Glycerin zu erreichen, wenn die Applikation mit polaren,

lamellären Lipiden erfolgt - Lipide allein haben keinen vergleichbaren Effekt (Summers, 1996; Gloor, 2000)

Regenerative Hautschutzwirkung § Barriere-Regeneration nach okklusiver Anwendung von Glycerin stärker als

nach Applikation von Wasser (Bettinger, 1998) § Auch nach lang dauernder (über 3 Tage) NLS-Schädigung ist durch 4 Tage

Therapie mit Glycerin-haltiger Zubereitung (21,25 bzw. 42,5%) eine 7 Tage über die Therapie hinausgehende, sehr effektive Verbesserung der Hornschichtregeneration nachweisbar (Fluhr, 1999)

§ Repetitiver Waschtest: Hautschädigung kann durch Auftragen einer 10% Glycerin-haltigen Emulsion verhindert und zusätzlich kann eine Hydratation erreicht werden (Grunewald, 1995 in Gloor, 2000)

Entschuppende Wirkung Rawlings, 1995 Glycerin beschleunigt den Desmosomenabbau in oberflächlicher Hornschicht (ELMI-Nachweis und Verminderung des immunhistologischen Nachweises von Desmoglein 1 F Marker der Desmosomenintegrität) F Mechanische Hautfestigkeit ist verringert durch dramatische Reduktion der interkorneozytären Kräfte (gemessen mit Extensiometer)

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§ Hautglättung § Beschleunigung der Desquamation (Gloor, 1998) § Hautelastizität steigt (Gloor, 1998) Penetrationsverbesserung für andere Wirkstoffe § Nachweis für Hexylnicotinat (Bettinger, 1998) § Keine Penetrationsförderung bei Dermatokortikosteroiden (Fluhr, 1998) Experimentelle Ergebnisse: Burke, 1997: Glycerin scheint den Effekt der Phosphorylierung auf die Effektivität der zytosolischen Phospholipase A2 (Schlüsselenzym für die Bildung von Arachidonsäure) zu maskieren F 300-390%ige Aktivität des Enzyms in Anwesenheit von Glycerin (im Vgl. ohne Glycerin) Therapeutische Wirkungen Atopische Dermatitis Loden, 2001: Randomisierte, parallele, doppelblinde Studie, n=109 Patienten mit Atopischer Dermatitis; Vergleich 20% Glycerin-Creme mit 4% Harnstoff-NaCl-Creme über 30 Tage; TEWL- und Hautkapazitätsmessung; F Keine signifikanten Unterschiede, etwas niedrigere TEWL-Werte nach Harnstoff-Applikation; Klinische Bewertung der Hauttrockenheit besser für Harnstoff-haltige Zubereitungen Loden, 2002: Randomisierte, doppel-blinde Studie, n=197 Patienten; Vgl. Harnstoff 4%-NaCl 4%-Creme mit Glycerin 20% Creme und Placebo; F Signifikant stärkere lokale oberflächliche Reaktion bei Harnstoff als bei Glycerin-Creme (24% vs. 10% der Patienten) bei gleichem klinischen Effekt Weitere Einsatzgebiete: § Trockene Haut (Xerosis cutis) § Prophylaxe/Nachbehandlung des kumulativ-subtoxischen Handekzems § Psoriasis vulgaris § Ichthyosen Besenreiser-Varizen (Teleangiektasien an den Beinen) 72%ige Glycerin-Lösung ist: § sehr gut und schnell wirksam § vergleichbar mit Natriumtetradecylsulfat (STS) § führt seltener zu Hämatomen, Schwellungen und Hyperpigmentierungen

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82 Glycerin _____________________________________________________________________________________

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Unerwünschte Wirkungen - Eventuell klebriges Gefühl auf der Haut - Ein Fallbericht über eine allergische Kontaktdermatitis auf Glycerin

(Preston, 2003) - Keine systemischen Nebenwirkungen Wechselwirkungen - Keine Kombinationsmöglichkeiten - Harnstoff, Milchsäure, NaCl - Dithranol, Kortikosteroide Besonderheiten bei Kindern, in Schwangerschaft und Stillzeit - Keine besonderen Hinweise / Einschränkungen Literatur - Batt MD, Fairhurst E: Hydration of stratum corneum. Int J Cosm Sci 1986;

8: 253-264 - Bettinger J, Gloor M, Peter C, Kleesz P, Fluhr J, Gehring W: Opposing

effects of glycerol on the protective function of the horny layer against irritants and on the penetration of hexyl nicotinate. Dermatology. 1998;197(1):18-24

- Burke JR, Guenther MG, Witmer MR, Tredup JA, Hail ME, Micanovic R, Villafranca JJ: Presence of glycerol masks the effects of phosphorylation on the catalytic efficiency of cytosolic phospholipase A2. Arch Biochem Biophys. 1997 May 1;341(1):177-85

- Fluhr JW, Mao-Qiang M, Brown BE, Wertz PW, Crumrine D, Sundberg JP, Feingold KR, Elias PM: Glycerol regulates stratum corneum hydration in sebaceous gland deficient (asebia) mice. J Invest Dermatol. 2003 May;120(5):728-37

- Fluhr JW, Gloor M, Lehmann L, Lazzerini S, Distante F, Berardesca E: Glycerol accelerates recovery of barrier function in vivo. Acta Derm Venereol. 1999 Nov;79(6):418-21

- Gloor M, Thoma K, Fluhr J: Dermatologische Externatherapie. Springer-Verlag Berlin, 2000

- Gloor M, Bettinger J, Gehring W: Modification der Stratum corneum-Qualität durch Glycerin-haltige Externa. Hautarzt. 1998 Jan;49(1):6-9

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- Leach BC, Goldman MP: Comparative trial between sodium tetradecyl sulfate and glycerin in the treatment of telangiectatic leg veins. Dermatol Surg. 2003 Jun;29(6):612-4; discussion 615

- Loden M, Andersson AC, Andersson C, Frodin T, Oman H, Lindberg M: Instrumental and dermatologist evaluation of the effect of glycerine and urea on dry skin in atopic dermatitis. Skin Res Technol. 2001 Nov;7(4):209-13

- Loden M, Andersson AC, Anderson C, Bergbrant IM, Frodin T, Ohman H, Sandstrom MH, Sarnhult T, Voog E, Stenberg B, Pawlik E, Preisler-Haggqvist A, Svensson A, Lindberg M: A double-blind study comparing the effect of glycerin and urea on dry, eczematous skin in atopic patients. Acta Derm Venereol. 2002;82(1):45-7

- Pedersen LK, Jemec GB: Plasticising effect of water and glycerin on human skin in vivo. J Dermatol Sci. 1999 Jan;19(1):48-52

- Preston PW, Finch TM: Allergic contact dermatitis from glycerin in a moisturizing cream. Contact Dermatitis. 2003 Oct;49(4):221-2

- Rawlings A, Harding C, Watkinson A, Banks J, Ackerman C, Sabin R: The effect of glycerol and humidity on desmosome degradation in stratum corneum. Arch Dermatol Res. 1995;287(5):457-64

- Overgaard Olsen L, Jemec GB: The influence of water, glycerin, paraffin oil and ethanol on skin mechanics. Acta Derm Venereol. 1993 Dec;73(6):404-6

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84 Harnstoff _____________________________________________________________________________________

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Harnstoff Zugelassene Indikationen § Hyperkeratosen (übermäßige Verhornung) § Leichtere Formen der Ichthyosis (Rückfallprophylaxe und

Dauerbehandlung) § Follikuläre Verhornungsstörungen § Intervall- und Nachbehandlung bei topischer Glucocorticoid- und

Phototherapie (Psoriasis vulgaris, atopische Ekzeme) § Exsikkationsdermatosen § Trockene Hautzustände verschiedener Genese (z.B. Altershaut –

Berufsdermatosen – Rhagaden) 20%-40%: Ablösen bzw. Auflösen erkrankter, insbesondere pilzbefallener Nägel Kontraindikationen Bei Konzentrationen > 5%: - Akute entzündliche Hautzustände - Großflächige Anwendung bei Niereninsuffizienz Anwendungsbeschränkung: - Nicht mit Augen oder Schleimhäuten in Berührung bringen - Nicht bei Kindern anwenden (keine ausreichenden Erfahrungen) 20% Creme: - Behandlung entzündlicher und exkoriierter, akuter Hautzustände - Augen- u. Schleimhautkontakt Dosierung und Applikationshinweise Allgemein: - Medizinisch sinnvoll erscheinen Konzentrationen von mindestens 5%

(10%) Harnstoff - Eine Einarbeitung von bis zu 10% Harnstoff ist in die meisten O/W- und

amphiphilen Systeme möglich. - Höhere Konzentrationen (20-40%) dienen der Onycholyse (oder der lokalen

Keratolyse - ohne Zulassung, siehe Therapeutische Wirkungen) - Niedrigere Konzentrationen sind bei Kindern, im Gesicht, in den

Intertrigines und für kosmetische Effekte anzuwenden - Mehrmals tgl., mindestens 2mal tgl. (morgens und abends) - Auf die gut gereinigte erkrankte Haut (am günstigsten nach Baden oder

Duschen) auftragen

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Behandlungsdauer: - Bis zum Abklingen der Symptome - Zur Verhinderung von Rückfällen 2mal wöchentlich oder je nach Bedarf

öfter anwenden - Okklusivverbände sind möglich Zur atraumatischen Onycholyse (oder 40% Pasten): - Bei Onychmykose stets in Kombination mit einem Antimykotikum 20% Creme: - Messerrückendick auf den erkrankten Nagel auftragen - Umgebende Haut evtl. schützen - Durch Okklusivverband abdecken - Nach 5-10 Tagen Kontrolle und Entfernung der erweichten Nagelteile - Evtl. Wiederholung der Behandlung - Behandlungsdauer: Durchschnittlich 16 Tage 40% Pasten: Nagelaufweichpaste 1. Fuß / Füße in warmem Wasser baden, abtrocknen 2. Paste auf Nagel auftragen, nicht einmassieren, nicht auf die den Nagel

umgebende Haut bringen (Umgebung mit Zinkpaste abdecken) 3. Wasserfestes Pflaster auf Nagel / Nägel kleben 4. Nach 24 h aufgeweichte Nagelsubstanz und Salbenreste so weit wie

möglich mit Nagelschaber / Feile entfernen 5. Erneut baden, Paste auftragen, neuen Verband anlegen

Bis: alle hyperkeratotischen Nagelpartien vollständig entfernt sind (1-2 (bis 6) Wochen)

Bäder: - ca. 5%ig - 1-2 Tassen Harnstoff (Urea pura) - Auf ein Vollbad - gut auflösen! (Schröter, 2001) Pharmakokinetik - Harnstoff war der erste synthetisch hergestellte organische Stoff

(Friedrich Wöhler, 1828) § Urea, Carbamidum, Diamid der Kohlensäure § Hygroskopische, kristalline, geruch- und farblose Substanz § Gut löslich in Wasser und Ethanol, schlecht löslich in Ether und Chloroform § In wässrigen Lösungen ist Harnstoff instabil F Zerfall in Ammoniak und

Kohlensäure F unangenehmer Geruch § In wasserfreien Grundlagen können sich (bes. bei Konz. > 10%) Kristalle bilden F keine

kontinuierliche Harnstofffreisetzung, mögliche Reibung

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- Harnstoff ist ein natürliches Abbauprodukt des menschlichen Eiweißstoffwechsels § Harnstoff entsteht in Mengen von 20-35g/24h im Körper § Relativ ungiftige Substanz: Für den Menschen gelten Tagesdosen bis zu

80 g i.v. und 100 g p.o. als ungefährlich (Bei Tierversuchen traten bei sehr hohen Dosen Konvulsionen auf)

- Harnstoffgehalt des Str. corneums stammt aus dem Schweiß und wird i.R. der Verhornung v. a. aus L-Arginin (durch extrahepatische Arginase, abhängig von Manganionen-Konzentration und L-Arginin-Konzentration in Keratinozyten (Wohlrab J, 2002)) gebildet

- Wirkung als "Natural Moisturizing Factor" F entscheidende Wirkung für Funktion und Struktur der Haut

- in pathologisch veränderter Epidermis F Harnstoffgehalt vermindert (siehe Therapeutische Wirkungen)

Topische Applikation: § Untersuchungen von Wohlrab, 1993: • Schnellere Freisetzung aus Öl/Wasser als aus Wasser/Öl-Emulsionen • Applikation als O/W-Emulsion => lange verbleibt ein hoher Anteil an

Harnstoff in oberer Epidermis, nur geringe Penetration von Harnstoff in tiefere Hornschichtanteile

• Applikation als W/O-Emulsion => langsamere Wirkstofffreigabe; Okklusionseffekt => jedoch stärkere Penetration in Epidermis und in Dermis

§ Die resorbierte Harnstoffmenge spielt toxikologisch keine Rolle § Keine Metabolisierung (Stoffwechselendprodukt) § Elimination unverändert über Niere, in geringem Maße auch über den

Schweiß Systemische Applikation - Obsolet (früher Anwendung als Diuretikum und zur Senkung des

Augeninnendrucks) Pharmakodynamik Hydratationsfördernde Wirkung - Durch hygroskopische Wirkung des Harnstoffs (Zunahme freien Wassers)

(nach Schröter, 2001): 1. Nach Penetration in den Keratinozyten F intrazelluläre Wassereinlagerung (in bedeutendem Maß) 2. Harnstoff im Interzellularraum F interzelluläre Wassereinlagerung (in geringerem Maß)

- Wassergehalt in der Hornschicht steigt und wird gehalten - Aufquellung des Str. corneums

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- Wasseraufnahmefähigkeit / Hydratation der Hornschicht: § wird durch Harnstoff gesteigert (Swanbeck, 1968) § ist durch W/O-Emulsionen länger erhöht als durch O/W-Emulsionen

(Wohlrab, 1988) § hält bei fortdauernder Applikation > 20 Tage an (Loden, 1999)

- Zum Verhältnis der Wasseraufnahmefähigkeit zum Harnstoffgehalt der

Haut gibt es widersprüchliche Ergebnisse: § Wasserbindungsvermögen und Harnstoffgehalt der Epidermis verhalten

sich gleichsinnig zueinander (Schröter, 2001) § Dosiserhöhung von 3-5% auf 10% Harnstoff bedingt keine Verbesserung

der Hydratationskapazität der Hornschicht (Corneometrische Untersuchungen Gloor, 2000)

- Barriere-Regeneration-fördernde Wirkung durch § Reduktion des TEWL § verminderte irritative Hyperämie nach Applikation von Na-Lauryl-Sulfat

(Loden, 2003) Keratoplastische Wirkung Niedrige Harnstoff-Konzentration § Spaltung von Wasserstoffbrückenbindungen des Keratin (Neubert, 2001) § Schwächung der van-der-Waalsschen Wechselwirkungen zwischen den

Keratin-Molekülen § Keratin wird dispergiert § Jedoch keine Vermehrung des an Tesafilm haftenden Materials nach

Vorbehandlung mit 10%iger Harnstoff-Zubereitung im Gegensatz zu 2% Salicylsäure (Loden, 1995)

§ in niedrigen Konzentrationen (<20%) zeigt Harnstoff eine geringe bis keine keratolytische Wirkung

Keratolytische, proteolytische, mukolytische Wirkung Konzentrationen > 30% Harnstoff Durch: § Zusätzliche Spaltung von Disulfid-Brücken der Proteine § Aufquellung des Interzellularraumes durch Wassereinlagerung mit

verminderter Adhäsion zwischen den Zellen F verstärkte Desquamation § Wirkung ist konzentrations- und zeitabhängig Proliferationshemmende Wirkung auf die Epidermis (Wohlrab, 1976) Wirkmechanismus weitgehend unklar: - Beeinflussung der Regulation des Zellzyklus - Arretierung der Keratinozyten im Str. basale in der Metaphase der Mitose

(Glinos, 1993)

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Tierversuch (Meerschweinchen): 10%ige Harnstoff-Lösung: § Verminderung der DNS-synthetisierenden Zellen im Str. basale

(verminderter Mitose-Index) § Verlängerung der Lebensdauer postmitotischer Keratinozyten § Verdünnung der Epidermis § Bei Langzeitanwendung führt diese Wirkung jedoch nicht zur Atrophie Hagemann, 1996: § n=10 Patienten mit Psoriasis: Therapie 2 Wochen mit 10% Harnstoff-Salbe,

Vehikel oder ohne Therapie => Besserung des klinischen Scores, 2fache Haut-Hydratation, geringer Abfall des TEWL an Harnstoff-behandelten Stellen; Histo: 29% Reduktion der epidermalen Dicke und 51% Reduktion der epidermalen Proliferation; z.T. Veränderungen in Zytokeratin-Expression und Involucrin-Expression

Juckreizstillende Wirkung - Wirkmechanismus ist ungeklärt - Modell: Trypsin- induzierter Pruritus Liberations- und penetrationsfördernde Wirkung - Liberationsförderung anderer Wirkstoffe aus ihren Vehikeln (z.B.

Hydrokortison, Prednisolon, Dithranol) Wasserbindungskapazität der Hornschicht erhöht - Penetration anderer Wirkstoffe erleichtert (z.B. Hydrokortison, Prednisolon,

Trimacinolonacetonid, Dithranol, Tretinoin u.v.a.) (Wahlberg, 1973; Feldmann, 1974; Wohlrab, 1980)

- Effekt scheint Grundlagen-abhängig zu sein (Fluhr, 1998) Antiseptische Wirkung - Hinweise auf antimikrobielle und fungistatische Wirkungen (Wohlrab,

1989) - Die Wirkung ist nachweisbar gegenüber Staph. aureus und C. albicans; im

Vgl. zu Chlorhexidin und Fuchsin jedoch schwach (Gloor, 2002: in vivo-Untersuchungen mit Okklusions- und Agar-Diffusions-Test von Präparation aus Hamamelis 90% und Harnstoff 5%)

Wundheilungsfördernde Wirkung - Harnstoff ist hygroskopisch F Sekret kann aufgenommen werden - Proteo-, muko- und nekrolytische Wirkung - Unspezifischer Fremdkörperreiz - Pathologisch veränderte Haut F Harnstoffgehalt vermindert, z.B. (Schröter,

2001)

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§ Atopische Dermatitis: um bis zu 85% in aktiven Herden, um bis zu 70% bei normal erscheinender Haut

§ Xerosis cutis: um bis zu 50% § Psoriasis vulgaris: um bis zu 40% § "Substitution" erscheint sinnvoll Therapeutische Wirkungen Atopische Dermatitis, andere subakute bis chronische Ekzeme § Anwendung von Harnstoff im subakuten bis chronischen Stadium § 10%ige W/O Emulsion oder Harnstoff-Salbe und/ oder Harnstoff-Bäder § Kombinationstherapie mit Kortikosteroiden, Polidocanol (verstärkt

juckreizmildernden Effekt), NaCl, Milchsäure § Loden, 2002: Vgl. Harnstoff 4%-NaCl 4%-Creme mit Glycerin 20% Creme

und Placebo: Randomisierte, doppel-blinde Studie, n=197 Patienten mit zu F Signifikant stärkere lokale oberflächliche Reaktion als bei Glycerin-Creme (24% vs. 10% der Patienten) bei gleichem klinischen Effekt

§ Hagstromer 2001: Vgl. Harnstoff 4%-NaCl 4%-Creme mit Harnstoff 4% Creme: Randomisierte, doppel-blinde Studie, n=22 Patienten mit zu F Harnstoff und NaCl scheint etwas effektiver zu sein als Harnstoff allein Milchschorf

§ 2mal tgl. 5% Harnstoff in W/O-Emulsion (Schröter, 2001) Pruritus allgemein (zu, Psoriasis, Kontaktekzem, Xerosis cutis, Pruritus sine materia) § 5-10% Harnstoff mehrmals tgl. Kühlschrank-kalt auftragen, ggf. kombiniert

mit Polidocanol 3% § Freitag, 1997: n=1611, ca. 6 Wochen Therapie mit Kombination Harnstoff

5% und Polidocanol 3% => 48,9% der Patienten waren frei von Juckreiz; Beurteilung durch Arzt und Patient bei fast 90% der Fälle gut bis sehr gut

Ichthyosen, Hyperkeratosen (follikulär, palmar, plantar), Xerosis cutis § 5-12%ige W/O Emulsion oder Harnstoff-Salbe und/ oder Harnstoff-Bäder

(Kuster, 1998: Harnstoff 10% ist sehr effektiv bei Kindern mit Ichthyosis) § Einsatz von 40% Harnstoff-Creme ist möglich, um einen schnellen

klinischen Effekt zu erzielen (Ademola, 2002) § Kombinationstherapie mit Tretinoin, Polidocanol (verstärkt

juckreizmildernden Effekt), Milchsäure § Kuzmina, 2002: Vergleichende, randomisierte, doppel-blinde Studie, n=23

ältere gesunden Probanden: Kombination von Harnstoff mit NaCl vs. Harnstoff allein; Applikation an den Unterschenkeln: guter Effekt der Hauthydratation; kein zusätzlicher Effekt gegenüber Harnstoff allein hinsichtlich TEWL, elektrischer Impedanz u.a. Parameter

§ Gloor, 2002 (b): Kein zusätzlicher klinischer Effekt im Vgl. zu und durch Kombination mit Ammoniumlactat

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Psoriasis vulgaris § Anwendung von Harnstoff vor allem bei chronisch stationären Formen § 10%ige W/O Emulsion oder Harnstoff-Salbe und/ oder Harnstoff-Bäder § Kombinationstherapie mit Kortikosteroiden, Steinkohlenteerlösung, NaCl,

Dithranol, Milchsäure, Salicylsäure Seborrhoische Dermatitis, Seborrhoide Psoriasis § Anwendung von Harnstoff im subakuten bis chronischen Stadium § Kombination von 10% Harnstoff mit Bifonazol 1%; 1-2mal tgl. über ca. 4

Wochen (Schröter, 2001) § Kombination von 40% Harnstoff mit Bifonazol 1% für Psoriasis capitis und

seborrhoische Dermatitis der Kopfhaut (Shemer, 2000) Hyperkeratotische Tinea corporis, Tinea pedis/manus, Pityriasis versicolor § Kombination von 10% Harnstoff mit Bifonazol 1%, Clotrimazol 1%; 2mal

tgl. § Tanuma, 2001: Bei hyperkeratotischer Tinea pedis ist die Kombination

eines Azols (Lanoconazol 1%) mit 10% Harnstoff der alleinigen Azoltherapie überlegen.

§ Bei Onychomykose / Hyperkeratotischen Nägeln: Anwendung von 40% Harnstoff, möglich auch in Kombination mit Bifonazol 1% (Bonifaz, 2001: Studie n=25 Kinder => Kombination ist auch bei Kindern wirksam), Clotrimazol 1% oder Naftifin 1%

Lingua villosa nigra § 10%ige wässrige Harnstoff-Lösung (Cave: Haltbarkeit begrenzt!) mehrmals

tgl. pinseln und mit weicher Zahnbürste bürsten (Schröter, 2001) Ulcera / schlecht heilende Wunden § Anwendung pur (Urea pura), ggf. Kombination mit Glukose (1:1), oder als

15% Harnstoff in Polyethylenglykolsalbe (Schröter, 2001) Bislang sind keine toxischen Wirkungen bei topischer Applikation bekannt Unerwünschte Wirkungen - Eine Irritation der Haut (Rötung, Brennen, Jucken oder Schuppung) ist

möglich, wenn akut entzündliche Hautzustände behandelt werden. Selten: - Überempfindlichkeitsreaktion

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Wechselwirkungen - Liberation (Freisetzung) anderer Wirkstoffe aus lokal angewendeten

Arzneimitteln und deren Eindringen in die Haut kann verstärkt werden. - Dies ist besonders bekannt von Kortikosteroiden, Dithranol und

Fluorouracil. Kombinationsmöglichkeiten § Tretinoin, Retinolpalmitat (CAVE Nebenwirkungen der Retinoide können

verstärkt sein) § Antimykotika (Bifonazol, Clotrimazol) § Steroide (Hydrokortison u.a.) § Steinkohlenteerlösung § Salicylsäure § Dithranol (Geringere Nebenwirkungen des Dithranol in Kombination mit

Harnstoff) § Dexpanthenol § Polidocanol Besonderheiten bei Kindern, in Schwangerschaft und Stillzeit Schwangerschaft: - Bei umfangreicher Anwendung am Menschen hat sich kein Verdacht auf

eine embryotoxische/teratogene Wirkung ergeben. Stillzeit: - Keine Risiken bekannt Kinder: - Bei Kindern in Konzentrationen von 10% Urea bei einigen Präparaten

aufgrund mangelnder Erfahrungen kontraindiziert (Eucerin® Salbe 10% Urea; bei Elacutan Salbe: Kinder = Anwendungsbeschränkung), bei den meisten anderen Präparaten keine Kontraindikation.

Literatur - Ademola J, Frazier C, Kim SJ, Theaux C, Saudez X: Clinical evaluation of

40% urea and 12% ammonium lactate in the treatment of xerosis. Am J Clin Dermatol. 2002;3(3):217-22

- Bonifaz A, Ibarra G: Onychomycosis in children: treatment with bifonazole-urea. Pediatr Dermatol. 2000 Jul-Aug;17(4):310-4

- Fachinformation Nubral Creme 1/1999, Ureotop Creme/Salbe 6/2001, Eucerrin 10% Urea 10/1998

- Feldmann RJ, Maibach HI: Percutaneous penetration of hydrocortisone with urea. Arch Dermatol. 1974 Jan;109(1):58-9

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92 Harnstoff _____________________________________________________________________________________

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Harnstoff 93

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94 Polidocanol _____________________________________________________________________________________

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Polidocanol Zugelassene Indikationen Cremes, Salben, Supp.: § Juckende Dermatosen (z.B. Neurodermitis, Exsikkationsekzem, Psoriasis, Windpocken) § Schmerzhafte entzündliche Erkrankungen an Zahnfleisch,

Mundschleimhaut und Lippen, Prothesendruckstellen (Dekubitus); als Wundverband nach zahnärztlicher Behandlung

§ Hämorrhoiden (Hämorrhoiden, Perianalthrombosen, Analekzem, Proktitis, Periproktitis, zur Nachbehandlung bei Verödung und Hämorrhoidektomie)

§ Varizen (oberflächliche Venenentzündungen, Stauungsschmerzen u. Schweregefühl in den Beinen, traumatische Folgezustände wie Prellungen, Quetschungen)

Badezusatz: - Zur unterstützenden Behandlung von Hauterkrankungen mit trockener u.

stark juckender Haut wie z. B. Ekzeme, Pruritus senilis, Psoriasis Injektionslösung: - Verödung von Varizen, Besenreisern, Hämorrhoiden - Verödung oder Wandsklerosierung von endoskopisch diagnostizierten -

gastrooesophagealen Varizen Als Kombinationspräparat mit Lokalanästhetika: - Lokalanästhesie der Schleimhaut für Rhino-Laryngoskopie, Broncho- u.

Gastroskopie sowie in der Urologie Kontraindikationen Cremes, Salben: § Akute Erythrodermie § Akut entzündliche, nässende und infizierte Hautprozesse § Augen- u. Schleimhautkontakt Hämorrhoidensalben, Suppositorien: § Säuglinge. Kleinkinder Anwendungsbeschränkung: § Ältere Patienten Badezusatz: § Frische Psoriasis pustulosa-Formen

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Injektionslösung: Zur Verödung von Varizen, Hämorrhoiden: § Bettlägerigkeit § Arterielle Verschlußkrankheit Grad III u. IV Anwendungsbeschränkung: § Oberflächliche u. tiefe Venenthrombosen § Beinödeme § Diabetische Mikroangiopathie § Akute schwere Herzerkrankungen, die noch nicht stabilisiert sind § Fieberhafte Zustände § Arterielle Verschlusskrankheit Grad II § Hohes Lebensalter oder schlechter Allgemeinzustand § Bronchialasthma § Bei Hämorrhoiden: akute Entzündungen im Analbereich § Schwangerschaft: Strenge Indikationsstellung im 1. Trimenon und nach der

36. Schwangerschaftswoche Zur Verödung von Ösophagusvarizen: § Schockzustand Anwendungsbeschränkung: § Akute schwere Herzerkrankungen § Fieberhafte Zustände § Bronchialasthma § Akute Erkrankungen der Lunge. § Schwangerschaft: Strenge Indikationsstellung im 1. Trimenon und nach der

36. Schwangerschaftswoche Dosierung und Applikationshinweise Cremes, Salben, Suppositorien: Juckende Dermatosen: - Ein- bis mehrmals tgl. dünn auftragen - Antrocknen lassen Hämorrhoiden: - Initial 2mal tgl.; Dann 1mal tgl. Badezusatz: - Als Voll-, Teil- od. Duschbad - 2-3mal wöchentlich - Nicht unverdünnt mit den Augen in Berührung bringen Injektionslösung: - Verödung

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96 Polidocanol _____________________________________________________________________________________

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Retikuläre Varizen: - Je nach Größe der Varizen: - 0,1-0,3 ml / Injektion einer 0,5%igen Lösung intravasal Besenreiser-Varizen: - Je nach Größe der Varizen: - 0,1-0,2 ml / Injektion einer 0,5%igen Lösung intravasal Zentralvenen von Besenreiser-Varizen, kleine Varizen: - Je nach Größe der Varizen: - 0,1-0,2 ml / Injektion einer 1%igen Lösung intravasal Mittelgroße Varizen: Je nach Durchmesser der Varizen: - 0,5-1 ml (maximal 2ml) / Injektion einer 2-3%igen Lösung intravasal - 1. Sitzung: Nur 1 Injektion, bei guter Verträglichkeit in weiteren Sitzungen

mehrere Injektionen Große Varizen: Je nach Durchmesser der Varizen: - 0,5-1 ml (maximal 2ml) / Injektion einer 2-3%igen Lösung intravasal - 1. Sitzung: Nur 1 Injektion 1ml einer 4%igen Lösung intravasal - Bei guter Verträglichkeit entsprechend der Länge der zu verödenden Varize

in weiteren Sitzungen mehrere Injektionen (2-3 Injektionen mit maximal 2 ml/ Injektion)

Retikuläre, kleine und Besenreiservarizen: - Nur am horizontal oder 30-40° über horizontal gelagerten Bein injizieren - Generell i.v.! Luftfrei! - Niemals i.a.!!!! (Schwere Nekrosen sind möglich!) - Nach Behandlung: Kompressionsverband und mindestens 30 min laufen Hämorrhoiden: - Je nach Größe des Knotens: 0,5-1,5ml einer 3-4%igen Lösung streng

submukös - 1. Sitzung: Nur Gesamtdosis: maximal 2ml einer 3-4%igen Lösung - Bei guter Verträglichkeit in weiteren Sitzungen mehrere Injektionen - Maximal-Dosis: 3ml einer 3%igen Lösung oder 2,5ml einer 4%igen Lösung Allgemein gültige Vorsichtsmaßnahmen bei Verödungen: In seltenen Fällen ist mit Schock oder Kollaps zu rechnen; entsprechende Vorkehrungen sind zu treffen; enthält Ethanol! (5 Vol.-%). Nie i.a. injizieren!

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Maximaldosis pro Tag: 2 mg Polidocanol/kg KG u. Tag für Varizen und Hämorrhoiden 4 mg Polidocanol/kg KG u. Tag für Ösophagusvarizen Pharmakokinetik - Polyethylenglycolmonododecylether - Polymerisationsprodukt aus Dodecylalkohol und Ethylenoxid

(unterschiedlicher Polymerisationsgrad) - Salbenartige, weiße, fette Substanz Topische Applikation: § Plasmaproteinbindung 64% § Terminale HWZ (parenterale Gabe): 4 h, § Hepatische Metabolisierung § Elimination über Galle (nach 72 h: 36%) und Niere (nach 72 h: 61%) § Auch nach wiederholter Gabe keine Kumulation in einzelnen Organsystemen Pharmakodynamik Antipruriginosum - Herabsetzung der Membranpermeabilität für Kationen (bes. NatriumIonen,

höhere Dosis auch KaliumIonen) - Konzentrationsabhängige Minderung der Erregbarkeit der Nervenfasern; denn für die Erregungsleitung ist zur Ausbildung des Aktionspotentials ein plötzlicher Anstieg der Na-Permabilität nötig - Hemmung (Aufhebung) des Leitungsvermögens sensibler (sensorischer,

motorischer und autonomer) Nervenfasern Nebeneffekt: - Hemmung der Erregungsleitung am Herzen Folgen: - Reduziertes Empfinden für Schmerz und Juckreiz - Bei höherer Dosis auch für Kälte-, Wärme-, Berührungs- und

Druckempfinden Sklerosierung - Proteindenaturierung durch Polidocanol F Endothelschädigung - Gleichzeitig: Zunächst Hemmung der direkten Thrombenbildung, dann langsames Wachstum eines Thrombus (über 7 d) - durch gleichzeitige Kompression F Verhinderung der Rekanalisation - Umbau des Thrombus zum narbenförmigen Venenstrang - Irreversible Abdichtung der Vene

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98 Polidocanol _____________________________________________________________________________________

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Keine Hinweise auf mutagenes, kanzerogenes oder teratogenes Potential Therapeutische Wirkungen Antipruriginöse Wirkung: - Histamin-Quaddeltest => antipruriginöse Wirkung (Puschmann, 1992) - Allerdings Test mit Harnstoff-Polidocanol-Gemisch F fragliche Wirkung

rein durch Polidocanol! In klinischen Prüfungen nicht sehr überzeugend (Gloor, 2000) Sklerosierung: - Sehr gute, häufig praktizierte klinische Wirkung! Unerwünschte Wirkungen Salben, Cremes, Suppositorien: § Gelegentlich Rötung, Juckreiz und Brennen am Applikationsort § Selten Allergie, Kontaktekzem Injektionslösung: Bei Varzien: § Hyperpigmentierung § Periphlebitis und Nekrosen, insbesondere bei paravasaler Injektion § Manchmal psychogen bedingte Reaktionen wie Kollaps, Atembeschwerden, Druckgefühl, lokale Sensibilitätsstörungen. § In Einzelfällen vorübergehend Schwindelgefühl, Übelkeit, Sehstörungen u. metallischer Geschmack § Selten allergische Hautreaktionen, äußerst selten allergischer Schock oder asthmaähnliche Reaktionen Bei Hämorrhoiden: § Bei und nach Injektion vorübergehende Schmerzen § Bei Männern im Bereich des 11 Uhr Knotens Prostataschmerzen § Geringfügige Nachblutungen aus der Injektionsstelle § Ganz selten sind vorübergehende Erektionsstörungen § Sehr selten anaphylaktischer Schock - Herzleistung kann kurzfristig verringert werden. § In Einzelfällen vorübergehend Kollaps, Schwindelgefühl,

Atembeschwerden, Druckgefühl in der Brust, Übelkeit, Sehstörungen, lokale Sensibilitätsstörungen und metallischer Geschmack

§ Wegen Ateminsuffizienz ggf. kurzfristige Intubation und künstliche Beatmung erforderlich

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Wechselwirkungen - Bei gleichzeitiger Gabe von Anaesthetika besteht die Gefahr der

Wirkungsverstärkung auf das Herz (antiarrhythmischer Effekt) Kombinationsmöglichkeiten Sklerosierungstherapie: - ggf. Kombination mit Kontrastmittel unter Bildwandler-Kontrolle (zur

Überprüfung der intravasalen Injektion) Pruritusbehandlung: § Zink § Harnstoff § Lokalanästhetika § Antibiotika, Antiseptika Besonderheiten bei Kindern, in Schwangerschaft und Stillzeit Schwangerschaft: - Strenge Indikationsstellung im 1. Trimenon und nach der 36.

Schwangerschaftswoche Stillzeit: - Sollte eine Sklerosierungsbehandlung in der Stillzeit erforderlich sein, sollte

das Stillen für 2-3 Tage unterbrochen werden. Kinder: - Keine Einschränkung Literatur - Fachinfo Aethoxysklerol - Gloor M, Thoma K, Fluhr J: Dermatologische Externatherapie. Springer-

Verlag Berlin, 2000

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100 Povidonjod _____________________________________________________________________________________

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Povidonjod Zugelassene Indikationen Lösung: - Hygienische u. chirurgische Händedesinfektion 1malige Anwendung: - Desinfektion der intakten äußeren Haut oder Antiseptik der Schleimhaut

wie z. B. vor Operationen, Biopsien, Injektionen, Punktionen, Blutentnahmen u. Blasenkatheterisierungen

Wiederholte, zeitlich begrenzte Anwendung: - Wunden - Verbrennungen - Infizierte und superinfizierte Dermatosen (Pyodermien, Dermatomykosen,

z.B. Tinea corporis, kutane Candidose) Salbe, Wundgel, sterile Wundauflage, Puderspray: - Zur wiederholten, zeitlich begrenzten Behandlung und Desinfektion

geschädigter Haut, z. B. § Dekubitus § Ulcus cruris § Oberflächliche Wunden § Verbrennungen, Verbrühungen § Infizierte und superinfizierte Dermatosen (Pyodermien, Dermatomykosen,

z.B. Tinea corporis, kutane Candidose) Vaginalzäpfchen: - Spezifische und unspezifische Infektionen der Scheide, z.B. durch

Trichomonas vaginalis und Candida albicans Kontraindikationen § Jodüberempfindlichkeit § Schilddrüsenüberfunktion § Dermatitis herpetiformis Duhring § Vor oder nach einer Radioiodanwendung (bis zur dauerhaften Ausheilung) Anwendungsbeschränkung: § Insbesondere bei großflächiger Anwendung (>10% KOF) oder wiederholter

Anwendung (>14d) auf geschädigter Haut und Schleimhaut: § Bei Neugeborenen (insbes. Frühgeborenen) und Säuglingen bis zum Alter

von 6 Monaten

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§ Bei Schilddrüsenerkrankungen – insbes. funktionelle Autonomien (latente Hyperthyreosen) – und ältere Patienten mit Strumen

Dosierung und Applikationshinweise Allgemein gilt: - Braunfärbung = Zeichen für Wirksamkeit, d.h. Entfärbung = Erschöpfung

der Wirksamkeit von Povidon-Jod Salbe: - 10% Povidon-Jod (entspricht ca. 1% verfügbares Jod bezogen auf die

Salbenmenge) - Mehrmals tgl. auftragen Lösung: - (1%-) 7,5-10% Povidon-Jod - Unverdünnt auf die zu behandelnde Stelle auftragen, trocknen lassen - Zur Desinfektion 2-3mal unverdünnt auftragen - Richtwerte für Verdünnungen (mit normalem Leitungswasser, stets frisch

herstellen): § Antiseptische Spülungen (Wundbehandlung): 1:2 bis 1:20 § Antiseptische Waschungen: 1:2 bis 1:25 § Antiseptische Teilbäder: ca. 1:25, Vollbäder: 1:100 Salbengaze sterile Wundauflage: - 10% Povidon-Jod (entspricht ca. 1% verfügbares Jod bezogen auf die

Salbenmenge) - 1 oder mehrere Gazestücke - Bei Bedarf mehrmals tgl. - Auf die zu behandelnde Hautfläche auflegen Puderspray: - Ein bis mehrmals tgl. - Gleichmäßig auf die erkrankte Stelle aus 20 cm Entfernung aufsprühen Behandlungsdauer: - 1-2 Wochen, 6 Wochen sollten nicht überschritten werden. Vaginalzäpfchen: - 1 Supp. enth.: Povidon-Iod 200 mg - 1mal tgl. - Ein Vaginalzäpfchen - Vor dem Schlafengehen - Tief in die Scheide einführen

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102 Povidonjod _____________________________________________________________________________________

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Bei Candida-albicans-Infektion: - Ggf. 2mal tgl. Behandlungsdauer: - 5-10 Tage Behandlung nicht vor Eintritt der ersten Regelblutung (Menarche)! Pharmakokinetik - Poly(1- vinyl- 2- pyrrolidon)- Jod- Komplex - Synonyme: Povidon-Jod, PVP-Jod, PVJ Resorptionsverzögerer: § Poly(1-vinyl-2-pyrrolidinon) F Jod-Depot, aus dem eine langsame

Freisetzung erfolgt (Gleichgewichtsreaktion) § Mittleres Molekulargewicht 44.000 - PVP-Jod-Trockensubstanz enthält ca. 10% (9-12%) verfügbares Jod und bis

maximal 6,6% antimikrobiell unwirksames Jodid PVP-Jod-Komplex ist: § Wirksam bei pH 2-7 § Löslich in Wasser § Praktisch unlöslich in Ether, Ethanol, Aceton § Hygroskopisch Topische Applikation: Jod § Möglichkeit der Jod-Resorption ist abhängig von: Art, Dauer der

Anwendung, applizierter Menge § Anwendung auf intakter Haut F nur sehr geringe Mengen resorbiert § Ausgedehnte Wund- und Verbrennungsflächen, längerfristige Anwendung F Erhöhung des Jod Spiegels (im Allgemeinen passager)

§ Bei gesunder Schilddrüse F keine klinisch relevanten Veränderungen im Schilddrüsen-Hormonstatus

§ HWZ: ca. 48 h nach vaginaler Appl. § Elimination fast ausschließlich renal, bei eingeschränkter Nierenfunktion =>

verzögert Povidon § Resorption ist abhängig vom mittleren Molekulargewicht des Gemisches:

> 35 000 - 50 000 F Retention im RHS (Retikulohistiozytäres System) möglich

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§ Thesaurismosen nur nach intravenöser und subkutaner Applikation, nicht bei lokaler Anwendung

Pharmakodynamik - Antiseptikum, Iodophor - Mikrobizide Wirkung beruht auf dem Anteil an freiem Jod - Jod = starkes Oxidationsmittel F Reaktion mit ungesättigten Fettsäuren,

SH- und OH-Gruppen von Aminosäuren in Enzymen und Strukturbausteinen von Mikroorganismen

- schnelle Aufteilung des Zytoplasmas - Koagulation des Zellkernmaterials - Zellwandschäden durch Poren oder Veränderung (fest- flüssig in

Zellmembranen) - Keine mutagene Wirkung - Keine kanzerogene Wirkung bekannt, Langzeitstudien stehen aus (Fachinfo

Traumasept) Therapeutische Wirkungen Erregerspektrum: § Grampostitive und gramnegative Bakterien, auch MRSA, multiresistente

Enterokokken, Pseudomonas spp., Mykobakterien § Pilze, z.B. Candida spp. § Einige Protozoen z.B. Chlamydien § Zahlreiche Viren: Herpes simplex-, Adeno-, Enteroviren, HIV, Rotaviren Achtung! - Einige Viren und Bakteriensporen werden erst nach längerer

Einwirkungszeit ausreichend inaktiviert. - Anwesenheit organischer Substanzen (Blut, Eiweiße, Eiter) - Jod-Wirkung wird verringert (denn diese Eiweiße werden ebenfalls

denaturiert, freies Jod verbraucht) - Spezifische primäre oder sekundäre Resistenzen: keine (Reimer, 2002) - Granulationshemmung fraglich (Gloor, 2000) - Desinfizierender Effekt von PVP-J entspricht dem von Chlorhexidin-

Ethanol (Kasuda, 2002), - Vergleichbare Ergebnisse brachte auch eine Studie zur Effektivität von

Mundspülungen - Einsatz von PVP-J-Lösungen / Mundspülungen bei nosokomialen Infekten

sinnvoll. - Polyvidon-Jod hat ein sehr weites Wirkungsspektrum gegen Viren und ist

damit anderen Antiseptika überlegen (Kawana, 1997) - Kombination Jod und Povidon F dosierte, langsame Freisetzung F

Verminderung der lokalen Reizung gegenüber ethanolischer Jod-Lösung

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Unerwünschte Wirkungen Haut: - Passager: Schmerzen, Brennen, Wärmegefühl beim Auftragen auf

Wundflächen - Langer Kontakt (mehrere Stunden) mit 10% PVP-J-Lösung F irritative Kontaktdermatitis möglich (Iijima, 2002)

- Kontaktallergische Reaktionen (Einzelfälle) vom Spättyp oder Soforttyp auf Jod oder Polyvinylpyrrilidon (Adachi, 2003)

- Hemmung der Wundheilung (längere lokale Behandlung) Elektrolyte, Stoffwechsel: - Elektrolyt-, Serumosmolaritätsstörungen und metabolische Acidosen

(Einzelfälle nach Resorption größerer Mengen z. B. bei Verbrennungsbehandlung)

Urogenitaltrakt: - Niereninsuffizienz (Einzelfälle nach Resorption größerer Mengen z. B. bei

Verbrennungsbehandlung) - Systemische Jod-Aufnahme bei langfristiger Anwendung auf ausgedehnten

Haut-, Wund- od. Verbrennungsflächen möglich - In Einzelfällen Jod- induzierte Hyperthyreose bei prädisponierten Patienten. Intoxikation (bei Aufnahme von > 10g PVP-Jod) - Akute Jod-Intoxikation Symptome: u.a. Bauchschmerzen, Krämpfe, Übelkeit, Erbrechen, Diarrhoe,

Dehydratation, RR-Abfall mit Kollapsneigung, Glottisödem, Blutungsneigung, Zynanose, Nierenschädigung bis Anurie

- Lange, exzessive Zufuhr F Hyperthyreose: mit Tachykardie, Unruhe, Tremor etc.

Wechselwirkungen § Quecksilberverbindungen F

Chemische Reaktion zu stark lokal-toxischem (ätzendem) Quecksilberjodid § Enzymatische Wundbehandlungsmittel F

Enzymkomponente wird unwirksam § Wirkungsminderung von Polyvidon-Jod möglich durch:

• Reaktion mit Eiweiß u.a. organischen Substanzen, z. B. Blut- und Eiterbestandteilen

• Silberhaltige Desinfektionsmittel (durch Ausfällung von Silberjodid) • Taurolidin (Antibiotikum) F durch Jod Umwandlung zu Ameisensäure F Brennen!

• Wasserstoffperoxid

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• Salicylsäure • Gerbsäure

§ Lithium-Therapie

- Erhöhung der Jodresorption und passagere Hypothyreose möglich - Falsch-positive Ergebnisse verschiedener Diagnostika (Toluidin u.

Guajakharz) - Störungen bei Schilddrüsenszintigraphie (F Karenzzeit von min. 1-2

Wochen vor erneuter Szintigraphie), PBI-Bestimmung, Radio-Iod-Diagnostik

Vaginalovula: - Verminderung der Reißfestigkeit und damit Beeinträchtigung der Sicherheit

von Latex-Kondomen möglich. Während der Behandlung keine Scheidendiaphragmen anwenden (Sicherheit u. Reißfestigkeit kann beeinträchtigt werden)

Kombinationsmöglichkeiten - Dermatologische Lokal- und Systemtherapie unter besonderer Beachtung

der Wechselwirkungen s.o. Besonderheiten bei Kindern, in Schwangerschaft und Stillzeit Schwangerschaft: - Strenge Indikationsstellung (insbes. für wiederholte und großflächige

Anwendung) ab 3. Schwangerschaftsmonat. - Bei umfangreicher Anwendung am Menschen hat sich kein Verdacht auf

eine embryotoxische/teratogene Wirkung ergeben. - Auch der Tierversuch erbrachte keine Hinweise auf

embryotoxische/teratogene Wirkungen. - Risiko einer Hyperthyreose des Feten durch resorbiertes Jod. Stillzeit: - Strenge Indikationsstellung (insbes. für wiederholte und großflächige

Anwendung). Über die Muttermilch kann dem Säugling zuviel Jod zugeführt werden (Gefahr der Hypothyreose). Akzedentielle orale Aufnahmen durch den Säugling sollten vermieden werden.

Kinder: - Anwendungsbeschränkung bei Neugeborenen (insbes. Frühgeborenen) und

Säuglingen bis zum Alter von 6 Monaten) wegen Risiko einer Hypothyreose (durch zuviel externe Jodzufuhr)

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106 Povidonjod _____________________________________________________________________________________

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Kontrollen unter der Therapie - Schilddrüsenfunktion unter der Therapie und ggf. bis 3 Monate danach

kontrollieren bei: § Schilddrüsenerkrankungen – insbes. funktionelle Autonomien (latente

Hyperthyreosen) – und ältere Patienten mit Strumen § Bei Neugeborenen und Säuglingen § Bei Anwendung in der Schwangerschaft => Kontrolle beim Kind § Bei langfristiger Anwendung (6-12 Wochen) Literatur - Adachi A, Fukunaga A, Hayashi K, Kunisada M, Horikawa T: Anaphylaxis

to polyvinylpyrrolidone after vaginal application of povidone- iodine. Contact Dermatitis. 2003 Mar; 48(3): 133-6

- Fachinformation Betaisodona Salbe, Stand 1/2002, Traumasept-Lösung Stand 4/2003

- Gloor M, Thoma K, Fluhr J: Dermatologische Externatherapie. Springer-Verlag Berlin, 2000

- Iijima S, Kuramochi M: Investigation of irritant skin reaction by 10% povidone-iodine solution after surgery. Dermatology. 2002; 204 Suppl 1: 103-8

- Kasuda H, Fukuda H, Togashi H, Hotta K, Hirai Y, Hayashi M: Skin disinfection before epidural catheterization: comparative study of povidone-iodine versus chlorhexidine ethanol. Dermatology. 2002; 204 Suppl 1: 42-6

- Kawana R, Kitamura T, Nakagomi O, Matsumoto I, Arita M, Yoshihara N, Yanagi K, Yamada A, Morita O, Yoshida Y, Furuya Y, Chiba S: Inactivation of human viruses by povidone- iodine in comparison with other antiseptics. Dermatology. 1997;195 Suppl 2:29-35

- Niedner R: Cytotoxicity and sensitization of povidone- iodine and other frequently used anti- infective agents. Dermatology. 1997; 195 Suppl 2: 89-92

- Pohl-Markl H, Neumann R: Polyvinylpyrrolidonejod-seine Bedeutung in der Dermatologie. Z Hautkr. 1988 Dec 15; 63(12): 1009-15

- Reimer K, Fleischer W, Brogmann B, Schreier H, Burkhard P, Lanzendorfer A, Gumbel H, Hoekstra H, Behrens-Baumann W: Povidone-iodine liposomes--an overview. Dermatology. 1997; 195 Suppl 2: 93-9

- Reimer K, Wichelhaus TA, Schafer V, Rudolph P, Kramer A, Wutzler P, Ganzer D, Fleischer W: Antimicrobial effectiveness of povidone- iodine and consequences for new application areas. Dermatology. 2002; 204 Suppl 1: 114-20

- Schreier H, Erdos G, Reimer K, Konig B, Konig W, Fleischer W: Molecular effects of povidone-iodine on relevant microorganisms: an electron-microscopic and biochemical study. Dermatology. 1997; 195 Suppl 2: 111-6

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Triclosan 107

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Triclosan

Zugelassene Indikationen - Antiseptikum Kontraindikationen - Bei Nachweis von Pseudomonas spp. keine Anwendung von Triclosan,

denn möglicherweise Induktion einer Multiresistenz gegen eine Vielzahl von Antibiotika und Antiseptika! (siehe unter Pharmakodynamik)

Dosierung und Applikationshinweise - Creme 2-3% Triclosan: 1mal - mehrmals tgl. auf die betroffenen Hautstellen

auftragen. - Antiseptikum zur Hautdesinfektion: unverdünnte Anwendung Pharmakokinetik - 2,4,4`-trichloro-2`-hydroxydiphenylether 5-Chlor-2-(2,4-

dichlorphenoxy)phenol - Lipophil Als Phenol bei Einarbeitung: - in Gele von Methyl-, Hydroxyethyl- oder Hydroxypropylcellulose - Bindung an Ethersauerstoff der Celluloseether - Verminderung der Wirksamkeit - in Stärke, Dextran, Polye thylenglykole, Emulgatoren mit Propylenglykolgruppen - Nebenvalenzreaktionen - Verminderung der Wirksamkeit - Neue Antibiotika wie z.B. NB 2001 und NB 2030 sind Komplexe von

besonderen Cephalosporinen (ß-Laktam-Antibiotika) und Triclosan. Via Beta-Laktamase wird Triclosan von den Cephalosporinen abgespalten und wirkt in dem Bakterium - Prodrug für Triclosan!

Topische Applikation: - Metabolisierung vor allem zu Triclosan-Glucuronid - vorwiegend renale Elimination - Versuch: 2g Sicorten Plus Creme okklusiv auf 400cm² Rückenhaut;

Resorption von 20% Triclosan (bestimmt über die renale Elimination von unverändertem Triclosan und Triclosan-Glucuronid) (Fachinfo Sicorten Plus Creme)

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108 Triclosan _____________________________________________________________________________________

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Pharmakodynamik - Antiseptikum / Antibiotikum - Blockade der fabI-kodierten Enoyl(Acyl-Transport-Protein)-Reduktase

(EACPR, EC 1.3.1.9) - Hemmung der bakteriellen Fettsäuresynthese - Einbau in Phospholipidmembranen - Störung von deren Integrität (Guillen, 2004) Niedrige Konzentration - bakteriostatische Wirkung Höhere Konzentration - bakterizide Wirkung Resistenzentwicklung möglich durch: - Überexpression des fabI-Gens (z.B. induzierte Resistenz mancher E.coli-

Stämme) - Mutationen (Austausch einzelner Aminosäuren im Enzym reicht, damit

einzelne Bakterien die 100fache Konzentration von Triclosan überleben) - zusätzliche Enoyl-Reduktasen in Bakterien ohne Angriffspunkt für

Triclosan (z.B. fabK bei Streptococcus pneumoniae, Enterococcus faecalis, Pseudomonas aeruginosa)

- aktiver Efflux von Triclosan durch Induktion einer "multidrug"-Effluxpumpe (z.B. bei Pseudomonas aeruginosa, wodurch auch Resistenzen gegenüber anderen Antibiotika wie Fluoroquinolonen erklärt werden)

- Keine irritative, fotoallergene, fototoxische, mutagene, teratogene oder -

kanzerogene Wirkung Therapeutische Wirkungen Erregerspektrum: - Staph. aureus - Klebsiella spp. - Proteus spp. (außer P. rettgeri und M. morganii) - Acinetobacter spp. Erregerlücken: - ß-hämolysierende Streptokokken - Enterokokken - Pseudomonas spp. - Serratia, Stenotrophomonas maltophilia - Candida spp.

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Achtung!!! - Bei Nachweis von Pseudomonas spp. keine Anwendung von Triclosan,

denn möglicherweise Induktion einer Multiresistenz gegen eine Vielzahl von Antibiotika und Antiseptika! (siehe unter Pharmakodynamik)

- Anwendung aus galenischen Gründen nur in lipophilen Grundlagen, Indikationsbreite deutlich eingeschränkt.

Atopische Dermatitis Staph. aureus spielt pathogenetisch bedeutende Rolle - Anwendung von 2% TC in handelsüblicher Cremegrundlage - vollständige Beseitigung von Staph. aureus - deutliche Reduktion des klinischen Scores Prophylaxe der AD: - 3% Triclosan Creme; Staph. aureus - Besiedlung beseitigt; klinische

Besserung auch ohne Zusatz von Kortikosteroiden (Gehring, 1996) - 1% Chlorhexidingluconat-Lösung ist signifikant effektiver als 2%Triclosan-

Creme, - 5% Fuchsin-Lösung NRF ist in der Effektivität mit 2% Triclosan-Creme

vergleichbar. Experimentell: - Malaria-Therapie (systemischer Einsatz zur Verhinderung von

Resistenzen?! Rao, 2003) - Acne-Therapie (lokal in Hydrogelen, Lee, 2003) Unerwünschte Wirkungen - Selten - Hautreizungen (leichtes Brennen, Juckreiz, Rötung) - Kontaktallergien auf Triclosan Wechselwirkungen - Nicht bekannt Kombinationsmöglichkeiten - Harnstoff, topische Kortikosteroide Literatur - Gloor M, Becker A, Wasik B, Kniehl E: Triclosan, ein dermatologisches

Lokaltherapeutikum. Hautarzt 2002; 53: 724-729

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110 Triclosan _____________________________________________________________________________________

____________________________________________________________________________ Wohlrab J (ed.): Adjuvante Therapie der Atopischen Dermatitis In: Trends Clin Exp Dermatol, Aachen, Shaker, 2005, vol 4

- Stone GW, Zhang Q, Castillo R, Doppalapudi VR, Bueno AR, Lee JY, Li Q, Sergeeva M, Khambatta G, Georgopapadakou NH: Mechanism of Action of NB2001 and NB2030, Novel Antibacterial Agents Activated by beta-Lactamases. Antimicrob Agents Chemother. 2004 Feb;48(2):477-83

- Sivaraman S, Sullivan TJ, Johnson F, Novichenok P, Cui G, Simmerling C, Tonge PJ: Inhibition of the Bacterial Enoyl Reductase FabI by Triclosan: A Structure-Reactivity Analysis of FabI Inhibition by Triclosan Analogues. J Med Chem. 2004 Jan 29;47(3):509-18

- Guillen J, Bernabeu A, Shapiro S, Villalain J: Location and orientation of Triclosan in phospholipid model membranes. Eur Biophys J. 2004 Jan 9

- Rao SP, Surolia A, Surolia N.: Triclosan: a shot in the arm for antimalarial chemotherapy. Mol Cell Biochem. 2003 Nov;253(1-2):55-63

- Lee TW, Kim JC, Hwang SJ: Hydrogel patches containing Triclosan for acne treatment. Eur J Pharm Biopharm. 2003 Nov;56(3):407-12

- Regos J, Zak O, Solf R, Vischer WA, Weirich EG: Antimicrobial spectrum of triclosan, a broad-spectrum antimicrobial agent for topical application. II. Comparison with some other antimicrobial agents. Dermatologica. 1979;158(1):72-9

- Gloor M, Thoma K, Fluhr J: Dermatologische Externatherapie. Springer-Verlag Berlin, 2000

- Fachinfo Sicorten Plus Creme, Stand 10/2000

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Mitglieder von LATOPIA 111

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Mitglieder von LATOPIA Mitglieder von LATOPIA, die bei der Erarbeitung der Inhalte des Konsenspapiers beteiligt waren: Herr Dr. Bezold, Guntram, Neu-Ulm; Herr Dr. Brilon, Clemens, Jülich; Frau Dr. Ehrich, Kathrin, Hannover; Herr Eichler, Guido, Solingen; Herr Eisfelder, Michael, Rottweil; Frau Dr. Frank, Undine, Jena; Herr Dr. Garbe, Florian, Berlin; Frau Dr. Gauger, Anke, München; Frau Dr. Gruner, Monika, Dresden; Herr Dr. Gudat, Werner, Bodenmais; Herr Dr. Hagemann, Tobias, Bonn; Frau Dr. Heger-Holz, Judith, Saarbrücken; Frau Dr. Heinze-Werlitz, Claudia, Münster; Frau Dr. Hetschko, I., Halle; Herr Dr. Hoffmann, Mattias, Witten; Herr Dr. Itschert, Götz, Pinneberg; Frau Dr. Jäger, Martina, Berlin; Frau Dr. Krähn-Senftleben, Ehingen; Frau Dr. Kubo, Elke, Berlin; Frau Dr. Kunz, Barbara, Hamburg; Frau Langhans, B., Halle; Herr Dr. Lucka, Dieter, Bremen; Frau Dr. Maerker, Hamburg; Frau Dr. Ogilvie, Alexandra, Erlangen; Frau Dr. Özen, Yasemin, Nürnberg; Herr Dr. Philipp, Armin, Stuttgart; Frau Dr. Piche, Eva, Tübingen; Frau Dr. Schnopp, Christina, München; Frau Dr. Schulz, Martina, Wiederitzsch; Frau Dr. Simon, Margit, Berlin; Herr Steierhoffer, Ferdinand, Halle; Frau Dr. Tenorio, Susanne, Berlin; Herr PD Dr. Wohlrab, Johannes, Halle; Herr PD Dr. Wollenberg, Andreas, München; Herr Dr. Zimmermann, Gerhard, Mainz

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