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S46 Die Einordnung des Rechts der gesetz- lichen Unfallversicherung in das Sozi- algesetzbuch wird zwar als „begrenzte Sachreform“ [2] angesehen, und damit nicht als „grundlegende inhaltliche Re- form“ [1] bewertet, andererseits ist in der gemeinsamen Erklärung der Ver- tragspartner zum Abkommen Ärzte und Unfallversicherungsträger (vom 23.3.1984) in der Fassung vom 26. 3. 1992 mit Datum zum 28.11.1996 fest- gehalten: „Das SGB VII macht weitreichende strukturelle Änderungen und Ergän- zungen des Abkommens erforderlich. Das Abkommen bedarf deshalb einer vollständigen Überarbeitung, die bis zum Ende des Jahres 1996 nicht abge- schlossen werden kann und weitere Beratungen erforderlich macht.“ Aus ärztlicher Sicht kann nach etwas mehr als 1jähriger Gültigkeit des SGB VII konstatiert werden, daß beide Aus- sagen, wiewohl scheinbar konträren Inhalts, sich nur auf den ersten Blick widersprechen, vielmehr unterschied- liche Facetten der bereits jetzt schon veränderten oder noch zu verändern- den Gegebenheiten beleuchten. Wäh- rend die Umsetzung einer Reihe von Modifikationen oder Neuregelungen der Prozeßqualität im BG-lichen Heil- verfahren unproblematisch, ja ganz überwiegend qualitätsfördernd er- scheint, sind andere Verordnungen in der Praxis entweder noch nicht umge- setzt oder erweisen sich im täglichen Gebrauch als eher problematisch. Bei- spielhaft für die noch ausstehende Realisierung eines Teilaspekts des SGB VII sei der §34 erwähnt, der dem Unfallversicherungsträger die Aufga- be stellt, unter Würdigung der neu ein- getretenen Konstellationen im Gebiet „Chirurgie“ und des Anspruchs an eine Qualitätssteigerung unfallmedizini- scher Behandlung alle Maßnahmen zu treffen, welche eine möglichst optima- le, zeitnahe und komplette Rehabilita- tion unfallverletzter Patienten bzw. von Personen mit Berufskrankheiten gewährleisten. Diesbezügliche Rege- lungen sollen verträglich, mit Über- gangszeiten, eng an der bestehenden Krankenhauslandschaft orientiert, aber dennoch in so umfassender Art und Weise etabliert werden, daß der hohe Anspruch an die sachgerechte unfall- medizinische Behandlung „mit allen geeigneten Mitteln“ weiterhin auf- rechterhalten und günstigstenfalls ver- bessert werden kann. Diesbezügliche, eigentlich längst überfällige Aktivitä- ten der Unfallversicherungsträger, mit Hilfe einer Verbesserung der Struktur- und Prozeßqualität zu einer Optimie- rung der Ergebnisqualität zu gelangen, werden von einigen Kollegen argwöh- nisch beobachtet bzw. scheinen politi- schen Zündstoff zu enthalten. Was sind nun im einzelnen die Än- derungen im BG-lichen Heilvefahren aus ärztlicher Sicht, zu welchen nach den bisherigen, mit Sicherheit noch un- zureichenden und begrenzten Erfah- Trauma Berufskrankh (2000) 2 [Suppl 1] : S46–S50 © Springer-Verlag 2000 Änderungen im berufsgenossenschaftlichen Heilverfahren Aus medizinischer Sicht K. Weise Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen Prof. Dr. K. Weise, Ärztlicher Direktor der Be- rufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Tübingen, Schnarrenbergstraße 95, D-72076 Tübingen Tel.: 07071-6061001, Fax: 07071-6061002 VERFAHRENSÄNDERUNGEN

Änderungen im berufsgenossenschaftlichen Heilverfahren

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Page 1: Änderungen im berufsgenossenschaftlichen Heilverfahren

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Die Einordnung des Rechts der gesetz-lichen Unfallversicherung in das Sozi-algesetzbuch wird zwar als „begrenzteSachreform“ [2] angesehen, und damitnicht als „grundlegende inhaltliche Re-form“ [1] bewertet, andererseits ist inder gemeinsamen Erklärung der Ver-tragspartner zum Abkommen Ärzteund Unfallversicherungsträger (vom23.3.1984) in der Fassung vom 26. 3.1992 mit Datum zum 28.11.1996 fest-gehalten:

„Das SGB VII macht weitreichendestrukturelle Änderungen und Ergän-zungen des Abkommens erforderlich.Das Abkommen bedarf deshalb einervollständigen Überarbeitung, die biszum Ende des Jahres 1996 nicht abge-schlossen werden kann und weitereBeratungen erforderlich macht.“

Aus ärztlicher Sicht kann nach etwasmehr als 1jähriger Gültigkeit des SGBVII konstatiert werden, daß beide Aus-sagen, wiewohl scheinbar konträrenInhalts, sich nur auf den ersten Blickwidersprechen, vielmehr unterschied-liche Facetten der bereits jetzt schonveränderten oder noch zu verändern-den Gegebenheiten beleuchten. Wäh-rend die Umsetzung einer Reihe vonModifikationen oder Neuregelungender Prozeßqualität im BG-lichen Heil-verfahren unproblematisch, ja ganzüberwiegend qualitätsfördernd er-scheint, sind andere Verordnungen in

der Praxis entweder noch nicht umge-setzt oder erweisen sich im täglichenGebrauch als eher problematisch. Bei-spielhaft für die noch ausstehendeRealisierung eines Teilaspekts desSGB VII sei der §34 erwähnt, der demUnfallversicherungsträger die Aufga-be stellt, unter Würdigung der neu ein-getretenen Konstellationen im Gebiet„Chirurgie“ und des Anspruchs an eineQualitätssteigerung unfallmedizini-scher Behandlung alle Maßnahmen zutreffen, welche eine möglichst optima-le, zeitnahe und komplette Rehabilita-tion unfallverletzter Patienten bzw.von Personen mit Berufskrankheitengewährleisten. Diesbezügliche Rege-lungen sollen verträglich, mit Über-gangszeiten, eng an der bestehendenKrankenhauslandschaft orientiert, aberdennoch in so umfassender Art undWeise etabliert werden, daß der hoheAnspruch an die sachgerechte unfall-medizinische Behandlung „mit allengeeigneten Mitteln“ weiterhin auf-rechterhalten und günstigstenfalls ver-bessert werden kann. Diesbezügliche,eigentlich längst überfällige Aktivitä-ten der Unfallversicherungsträger, mitHilfe einer Verbesserung der Struktur-und Prozeßqualität zu einer Optimie-rung der Ergebnisqualität zu gelangen,werden von einigen Kollegen argwöh-nisch beobachtet bzw. scheinen politi-schen Zündstoff zu enthalten.

Was sind nun im einzelnen die Än-derungen im BG-lichen Heilvefahrenaus ärztlicher Sicht, zu welchen nachden bisherigen, mit Sicherheit noch un-zureichenden und begrenzten Erfah-

Trauma Berufskrankh (2000) 2 [Suppl 1] : S46–S50 © Springer-Verlag 2000

Änderungen im berufsgenossenschaftlichenHeilverfahrenAus medizinischer Sicht

K. WeiseBerufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen

Prof. Dr. K. Weise, Ärztlicher Direktor der Be-rufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Tübingen,Schnarrenbergstraße 95, D-72076 TübingenTel.: 07071-6061001, Fax: 07071-6061002

VERFAHRENSÄNDERUNGEN

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rungen bereits jetzt eine leidlich fun-dierte Aussage getroffen werden kann?In den nachfolgenden Ausführungenwerde ich einige prozessuale Verände-rungen des Heilverfahrens beleuchten,soweit sie den ärztlichen Bereich tan-gieren. Im 1. Teil meines Referatsmöchte ich mich auf Verordnungenkonzentrieren, welche die ärztliche Be-gutachtung zum Inhalt haben. Schließ-lich werde ich den Versuch unterneh-men, den von Herrn Förster [2] in sei-ner Eigenschaft als Vorsitzender desVerwaltungsausschusses „Heilverfah-ren“ des Hauptverbands der gewerbli-chen Berufsgenossenschaften als „Ma-gna Charta“ der BG-lichen Heilbe-handlung bezeichneten §34 des SGBVII und seine Konsequenzen für diepraktische Umsetzung der unfallmedi-zinischen Behandlung weniger imHinblick auf die angedachten struktu-rellen Veränderungen als vielmehr imHinblick auf deren Sinnhaftigkeit bzw.zukunftsweisende Bedeutung für dieQualität unfallmedizinischer Behand-lung zu diskutieren.

Begutachtung

Diverse Paragraphen des SGB VII, so-weit sie die ärztliche Begutachtungzum Inhalt haben, erscheinen aus ärzt-licher Sicht sinnvoll bzw. sind in ihrerIntention zumindest einigermaßennachvollziehbar. Während beispiels-weise den Variationen der Termini„vorläufige Rente“ zu „vorläufigerEntschädigung“ oder von der griffigenBezeichnung „Dauerrente“ in „Renteauf unbestimmte Zeit“ aus ärztlicherSicht eher der Charakter einer bedeu-tungsärmeren Nomenklaturänderunganhaftet, stellen die Ausweitungen derFristen für diese beiden Rentenartenund die dahinterstehenden Überlegun-gen des Gesetzgebers eine sinnvolleNeufassung dar.

Vorläufige Entschädigung

Eine Rente im Sinn der vorläufigenEntschädigung kann nunmehr erstnach der 26. Woche gewährt werden,wenn zu diesem Zeitpunkt eine MdE inrentenberechtigendem Ausmaß, d.h. inHöhe von mindestens 20% anzuneh-men ist. Der Rentenbeginn allerdingskann rückwirkend schon früher festge-

setzt werden. Das erweiterte Intervallvom Eintritt der Schadenslage am Un-falltag bis zur Festlegung einer MdE zuBeginn der Arbeitsfähigkeit trägt demUmstand Rechnung, daß aufgrund derFortschritte der medizinischen Er-kenntnisse über einen längeren Zeit-raum hinweg Erfolge in der Rehabili-tation erzielt werden. Dies gilt regel-mäßig für einer Reihe rekonstruktiverEingriffe, welche in der Mehrzahl derFälle erst nach einem mehr oder weni-ger langen Intervall indiziert sind undauch dann noch zu einem beträchtli-chen Funktionsgewinn führen können.

Als Beispiel sei die Ausheilung ei-ner Fraktur in Fehlstellung angeführt,die aufgrund einer besonderen Proble-matik lokaler oder allgemeiner Artnicht im Frühstadium des Heilverfah-rens zu beseitigen war. Der korrigie-rende Eingriff nach Ausheilung desBruchs einige Monate nach dem Trau-ma kann unter günstigeren Umständenvorgenommen werden und damit zu ei-nem akzeptablen funktionellen Ergeb-nis führen. Dies wiederum führt zu ei-ner Verringerung der Unfallfolgen miteiner dementsprechend niedrigerenMinderung der Erwerbsfähigkeit.

Rente auf unbestimmte Zeit

Ähnlich sinnvoll ist die Feststellung ei-ner „Rente auf unbestimmte Zeit“ erstvor Ablauf des 3. Unfallfolgejahrs, dabekanntermaßen nach 11/2 Jahren, zuwelchem Zeitpunkt nach der früherenBegutachtungspraxis die Dauerrentefestgestellt wurde, vielfach noch keinfunktioneller Endzustand bzw. eineausreichende Anpassung und Gewöh-nung an den Verletzungsfolgezustandeingetreten ist. Die Begutachtung kannnunmehr infolge des längeren Inter-valls unter geringerem Zeitdruck undunter Würdigung der mehr im Sinn ei-nes Verharrungszustands imponieren-den Langzeitschäden durchgeführtwerden. Selbstverständlich besteht dieMöglichkeit, den Eintritt der „Renteauf unbestimmte Zeit“ auch schon vordiesem Zeitpunkt festzusetzen, wennerkennbar keine durchgreifende Ände-rung des Unfallfolgezustands mehr zuerwarten ist.

Gutachterauswahl

Der Wille des Gesetzgebers, dem Un-fallverletzten vor Erteilung des Gut-achtenauftrags durch den zuständigenUnfallversicherungsträger wenigstens3 Gutachter zur Auswahl zu nennen,kann in seiner Tragweite noch nicht de-finitiv beurteilt werden. Vorteile dieserRegelung sind, daß z.B. Reisekosteneingespart werden können und daß derVorwurf einer „scharfen“ Begutach-tung durch einen dem Auftraggeber na-hestehenden Gutachter relativiert wird.Andererseits ist eine so straffe Steue-rung der Begutachtung durch denSachbearbeiter, wie dies früher z. B.durch den Gutachtenauftrag an eineBG-Klinik möglich war, deutlichschwieriger umzusetzen. Dies wird be-sonders evident im Hinblick auf dieTatsache, daß bisher das 1. Rentengut-achten routinemäßig am Ende einesBGSW-Verfahrens erstellt wurde, wo-hingegen die Untersuchung nach denneuen Bestimmungen erst nach einemzeitlichen Intervall erfolgen kann. Einesolche Verfahrensweise stellt aus ärzt-licher Sicht zweifelsfrei eine prozes-suale Erschwernis dar. MöglicheSteuerungsmechanismen können dieAuflistung des behandelnden Arztsoder des gewünschten Gurtachters anerster Stelle der Vorschlagsliste und beinotwendigen Zusatzgutachten dasNennen von Gutachtern verschiedenerDisziplinen im „Gespann“ sein.

Berufserkrankung

Beim Verdacht auf die tätigkeitsbe-dingte Verursachung einer gelistetenBerufserkrankung wurde vom Gesetz-geber vorgesehen, für die Kausalität ei-ne Beweiserleichterung in der Formeinzuführen, daß im Sinn eines sog.Anscheinsbeweises dann eine berufli-che Genese für ein Leiden vermutetwird, wenn eine andere Entstehungnicht festgestellt werden kann.

Rehabilitation oder Rente

Schließlich ist der Grundsatz „Reha-bilitation vor Rente“ dadurch einge-schränkt worden, daß eine solcheschon zum Beginn der beruflichen Rehabilitation eingeschätzt werdenkann.

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Page 3: Änderungen im berufsgenossenschaftlichen Heilverfahren

Änderungen im BG-lichenHeilverfahren

Weitere Neuerungen im Unfallversi-cherungsrecht nach Inkrafttreten desSGB VII sind Bestimmungen zurPrävention und Rehabilitation, zumVersicherungsschutz spezieller Perso-nengruppen, zur inhaltlichen Definiti-on und Bedeutung des sog. Versiche-rungsfalls, zum Leistungsrecht, zumDatenschutz und zu einigem anderenmehr. Diese verschiedenen Themen-komplexe sollen nicht im Detail, son-dern aus ärztlicher Sicht eher kurso-risch abgehandelt werden.

Prävention

Der Präventionsauftrag für die Unfall-versicherungsträger wurde ausgewei-tet und umfaßt nunmehr die zusätzli-che Verpflichtung, den Ursachen ar-beitsbedingter Gefahren für Leben undGesundheit nachzugehen. Ausdrück-lich wird in diesem Zusammenhangauch auf Aktivitäten in der Forschungund eine enge Zusammenarbeit mitden gesetzlichen Krankenkassen hin-gewiesen. Speziell der Forschungsauf-trag zur Prävention von Unfallverlet-zungen bei betrieblicher Tätigkeit bzw.zur Entstehung einer Berufserkran-kung könnte von einiger Relevanzsein. Stellvertretend für viele Themen-kreise seien hier die BK 2108–2110 imHinblick auf ihren Zusammenhang mitarbeitsbedingter Belastung bzw. derAbgrenzung anlagebedingter Ver-schleißerkrankungen erwähnt. Hier istfraglos aus ärztlicher Sicht noch eini-ger Klärungsbedarf gegeben, um eineeinheitliche Beurteilungspraxis zu ga-rantieren. Ähnliches gilt z.B. auch fürden Begriff der Rotatorenmanschetten-läsion.

Versicherungsschutz

Für den Durchgangsarzt ist es wichtig,daß Kinder beim Besuch von Einrich-tungen, die ihrer Betreuung, Bildungund Erziehung dienen, Versicherungs-schutz genießen. Solche Einrichtungenwie Kinderkrippen, Kindergärten und -horte müssen die Erlaubnis oder An-erkennung nach §45 des 8. Buchs be-sitzen. Schüler während schulischerBetreuungsmaßnahmen, welche von

der entsprechenden Lehranstalt mitge-tragen werden, sind gleichfalls in denVersicherungsschutz einbezogen. Die-se Neuregelungen müssen dem Durch-gangsarzt bekannt sein und im Einzel-fall berücksichtigt werden.

Versicherungsfall

Die bis dato gültigen Begriffe „Ar-beits- bzw. Wegeunfall“ und der Ter-minus „Berufskrankheit“ werden vonder Bezeichnung Versicherungsfallabgelöst. Einzelheiten zu versichertenWegeunfällen bzw. zur Beschädigungvon Hilfsmitteln sollen hier nicht wei-ter dargestellt werden, da diese Ein-zelregelungen in der täglichen Praxiseher von untergeordneter Bedeutungsind.

Leistungsrecht

Die zeitliche Regelung bei der Fort-zahlung des Verletztengelds wurdederjenigen beim Krankengeld der ge-setzlichen Krankenversicherung ange-paßt und beläuft sich jetzt auf maximal78 Wochen. Dies ist aus ärztlicherSicht insofern bedeutungsvoll als einsolcher Anspruch bei denjenigen Un-fallverletzten besteht, welche nichtmehr im früheren Beruf arbeitsfähigwerden. Der Durchgangsarzt ist in die-sem Zusammenhang verpflichtet,durch frühestmögliche Meldung anden Unfallversicherungsträger übereine derartige Konstellation zu infor-mieren, damit berufshelferische Maß-nahmen in die Wege geleitet, insbe-sondere innerbetriebliche Umset-zungsmöglichkeiten überprüft oderUmschulungsmaßnahmen geplantwerden können. Setzt die beruflicheRehabilitationsmaßnahme ein, wirddas Verletzten- durch Übergangsgeldersetzt. Dieser Betrag wird durch dieUnfallrente, welche schon jetzt greifenkann, zusätzlich erhöht.

Spezielle Neuregelungen gelten fürden Anspruch auf Kinderverletzten-geld, die Einführung von Festbeträgenfür Arznei-, Verband- und Hilfsmittel,die häusliche Krankenpflege und an-deres mehr. Auf die Betonung der so-zialen Rehabilitation als 3. Säule ne-ben der medizinischen und der berufli-chen Rehabilitation soll ergänzend hin-gewiesen werden.

Datenschutz und Auskunftspflicht

Neuregelungen zu diesen Begriffennehmen im Gesetzestext breiten Raumein. Für am BG-lichen Heilverfahrenbeteiligte Ärzte ist wesentlich, daß dieErhebung, Speicherung und Übermitt-lung patientenbezogener Daten zuge-standen werden, soweit dies für Zweckeder Heilbehandlung bzw. das Erbringensonstiger Leistungen erforderlich ist.Darunter werden solche Daten verstan-den, die für die Entscheidung einerHeilbehandlung nach §34 Grundlagesein können. Der Versicherte muß vomArzt über den Zweck der Erhebung, dieAuskunftspflicht des Versicherungsträ-gers, über die vom Arzt übermitteltenDaten und seine Rechte zur Unterrich-tung über dieselben informiert werden.Ein entsprechender Passus wurde in dieD13-Vordrucke aufgenommen und lau-tet wie folgt:

„Der Unfallverletzte wurde von mirmündlich über den Erhebungszweck,meine Auskunftspflicht sowie über dasRecht unterrichtet, vom Unfallversi-cherungsträger Auskunft über die über-mittelten Daten zu verlangen (§201SGB VII).“

In der Übergangszeit bis zur Ausferti-gung der neuen D13-Bögen wurde undwird in unserer Klinik bei jedem er-stellten Durchgangsarztbericht (DAB)ein solcher Vermerk über die stattge-habte Unterrichtung des Versichertenbezüglich der Datenübermittlung ein-gefügt.

Grundlagen der BG-lichen Heilbehandlung nach §34 SGB VII

Welche Auswirkungen hat der §34SGB VII auf die Beteiligung von Ärz-ten am D-Arzt-Verfahren bzw. welchessind die zukünftigen Kriterien und An-forderungen der Unfallversicherungs-träger für die Beteiligung an der sta-tionären Behandlung unfallverletzterPatienten? Der gesetzliche Auftrag andie Unfallversicherungsträger siehtvor, daß alle Maßnahmen zu treffenseien, durch welche eine möglichstfrühzeitig einsetzende, sachgemäßeHeilbehandlung und, soweit erforder-lich, besondere unfallmedizinische Be-handlung oder diejenige einer Berufs-

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VERFAHRENSÄNDERUNGEN

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erkrankung sichergestellt werden. Zudiesem Zweck können die UV-Trägervon den zu beteiligenden Ärzten undKrankenhäusern nachzuweisende Vor-aussetzungen im Hinblick auf die fach-liche Befähigung, die sächliche undpersonelle Ausstattung sowie die zuübernehmenden Pflichten festlegen.

Bedeutung der Änderungenfür die praktische Umsetzungaus medizinischer Sicht

Qualifikation der Ärzte

Der Durchgangsarzt, welcher die am-bulante Versorgung Arbeitsunfallver-letzter abdeckt, muß zukünftig nebender Facharztbezeichnung Chirurgieauch über die Schwerpunktbezeich-nung Unfallchirurgie verfügen. Damitvollzieht der Gesetzgeber lediglich ei-ne Bedingung, welche eigentlich alsSelbstverständlichkeit angesehen wer-den sollte: Verletzungen, die aufgrundihrer Schwere zu einer Behandlungs-bedürftigkeit bzw. Arbeitsunfähigkeitvon mehr als 1 Woche führen, sinddemnach einem Spezialisten zuzu-führen, welcher aufgrund seiner Aus-bildung und Erfahrung eine besondereunfallmedizinische Behandlung durch-zuführen vermag. Diese Voraussetzun-gen erfüllt fraglos der Chirurg, der sichmit der Schwerpunktbezeichnung (frü-her Teilgebietsbezeichnung) „Unfall-chirurgie“ für die Behandlung von Ver-letzungen und Verletzungsfolgen in be-sonderem Maß qualifiziert hat.

Insofern wird mit der Anforderungan eine besondere Qualifikation aufunfallchirurgischem Gebiet alleine derTatsache Rechnung getragen, daß sichdieser Schwerpunkt als eigenständigesFach etabliert und Gleichstellung mitden anderen chirurgischen Disziplinenunter dem Dach der Chirurgie erlangthat. In realiter verfügt ein weit über-wiegender Prozentsatz der niederge-lassenen Durchgangsärzte bereits überdiese Qualifikation. Daher ist die Ein-schätzung, von Förster [2], daß dasSGB VII nur eine begrenzte Sachre-form darstelle, auch in dieser Hinsichtvollinhaltlich zu unterstreichen. In dieambulante D-ärztliche Behandlung ar-beitsunfallverletzter Kinder kann imübrigen auch ein Arzt für Kinderchir-urgie eingebunden sein.

Anforderungen an die Krankenhäuser

Erhebliche Unsicherheit ist allerdingsim Hinblick auf geplante Änderungenfür die Beteiligung von Ärzten undKrankenhäusern an der stationären Be-handlung Arbeitsunfallverletzter zubeobachten. Hier geht es insbesondereum den Begriff der „Unfallchirurgi-schen Abteilung“ und die Anforderun-gen an eine weisungsungebundene Lei-tung dieser Abteilung.

Hintergrund für mögliche Neurege-lungen ist, daß die stationäre Behand-lung Arbeitsunfallverletzter, bei wel-chen es sich ja offenkundig um Ver-letzte mit gravierenderen Schäden han-deln muß, von fachlich und organisa-torisch weisungsfrei tätigen Ärztendurchgeführt werden sollte, welche ei-ne entsprechend hohe unfallmedizini-sche Qualifikation nachweisen kön-nen. Auf diese Weise würde das bis da-to gültige §6-Verfahren einschließlichder Zulassungsmodalitäten hierfür ent-behrlich werden, weil einerseits der zu-gelassene Arzt am beteiligten Haus oh-nehin umfassende Kenntnisse in derunfallmedizinischen Behandlung be-sitzen und das Haus selbst strukturellalle Bedingungen für eine solche Be-teiligung erfüllen würde.

Lediglich spezielle, besondersschwere, auf einer neu zu erarbeiten-den Liste aufgeführte Verletzungenmüßten darüber hinaus in Unfallklini-ken oder Spezialeinrichtungen verlegtwerden. Hier könnte es sich z.B. umPatienten mit Querschnittslähmungen,Schwerbrandverletzte, Polytraumen abeinem bestimmten Schweregrad, insta-bile Wirbelsäulenverletzungen, schwe-re Beckentraumen, ausgeprägte Weich-teilschäden in Verbindung mit Kno-chenbrüchen, schwere Handverletzun-gen zur Frage der Replantation, Verlet-zungen mit Nerven- oder Gefäßbeteili-gung und andere komplizierte Verlet-zungen bzw. Verletzungsfolgeschädenhandeln. Aus ärztlicher Sicht erscheintes nicht zuletzt angesichts ähnlicherstruktureller Überlegungen der Deut-schen Gesellschaft für Unfallchirurgiebzw. des Verbands Leitender Unfall-chirurgen (VLU) nur recht und billig,daß die besondere unfallmedizinischeBehandlung unter stationären Bedin-gungen von entsprechend qualifizier-

ten Ärzten durchzuführen ist. DiverseEmpfehlungen zur Struktur, Organisa-tion und Ausstattung bei der sta-tionären Behandlung Unfallverletzterin Krankenhäusern unterschiedlicherVersorgungsstufen, schriftlich nieder-gelegt von unserer medizinischenFachgesellschaft, haben ebenso wiedie erarbeiteten Vorschläge der Trägerder gesetzlichen Unfallversicherungeine Qualitätssteigerung unfallmedizi-nischer Behandlung zum erklärtenZiel. Der Hintergrund all dieser Über-legungen ist, daß der Unfallchirurgdenjenigen Spezialisten verkörpert,der Verletzungen unterschiedlichsterArt und Schwere am besten behandelnkann. Dies liegt nicht zuletzt daran,daß die Halbwertszeit unfallchirurgi-schen Wissens laut Probst [3] lediglich5–8 Jahre beträgt und daher einer stän-digen Auffrischung bedarf. Eine ver-trägliche Umsetzung der diskutiertenAnforderungen an die stationäre un-fallmedizinische Behandlung wird zurFolge haben, daß nach einer Über-gangszeit diejenigen Häuser, welcheungeteilt bleiben wollen, nur dann wei-ter beteiligt werden könnten, wenn derChef entweder Chirurg oder Unfall-chirurg ist und im ersteren Fall 2 qua-lifizierte Stellvertreter für die jeweiligeFachabteilung hat.

Andererseits soll nicht unerwähntbleiben, daß bereits jetzt die überwie-gende Mehrzahl der Krankenhäuser, inwelchen Unfallchirurgie betriebenwird, die oben genannten Vorgaben er-füllt. Die Umsetzung derzeitiger An-forderungen müßte selbstverständlichan den aktuell bestehenden Bedingun-gen der Krankenhauslandschaft orien-tiert werden, dürfte aber um der ange-strebten Qualitätssteigerung und damitder Stärkung der Position des Unfall-chirurgen willen nicht zu sehr verwäs-sert werden. Ebensowenig wie der Un-fallchirurg in der Regel Appendekto-mien durchführt, ist es Aufgabe desViszeralchirurgen, die distale Radius-fraktur zu behandeln. Nach der bishe-rigen Weiterbildungsordnung ist zwarder Erwerb von Kenntnissen aus demjeweils anderen Fachgebiet vorgege-ben, auf der anderen Seite ist hinrei-chend bekannt, daß bei längererNichtausübung solcher Tätigkeit infol-ge unzureichender Fortbildung derarti-ge Kenntnisse und praktische Erfah-

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VERFAHRENSÄNDERUNGEN

rungen stark zurückgehen, so daß danneine ausreichende Qualität der Be-handlung nicht mehr gewährleistet seinkann.

Es wäre aus medizinischer Sichthilfreich, wenn der berechtigte An-spruch an die Qualitätssteigerung un-fallmedizinischer Behandlung, welchenur über eine an den heutigen Verhält-nissen angepaßte Organisationsstruk-tur zu verwirklichen ist, weniger emo-tional, sondern vielmehr an den An-sprüchen des Schwerpunkts Unfall-chirurgie orientiert diskutiert werdenkönnte. Wenn bedacht wird, was für ei-ne geringe Anzahl an Häusern von derNeuregelung überhaupt betroffen ist,

dürfte eine vertragliche Umsetzung des§34 SGB VII eigentlich keine schwer-wiegenden Probleme bereiten. Diessollte möglichst bald geschehen, umunnötige Emotionalität und Brisanzaus den Sachdiskussionen herauszu-nehmen und damit den Anspruch aufdie Steigerung der Ergebnisqualität derunfallmedizinischen Behandlung zuerfüllen.

Wenn es gelingt, eine insbesonderefür die uns anvertrauten Patientendienliche Lösung im allerseitigen Ein-vernehmen und unter Berücksichti-gung lokaler und struktureller Bedin-gungen schon in naher Zukunft ver-wirklichen zu können, hätten wir einen

äußerst wichtigen Beitrag zur allseitsangestrebten Qualitätsverbesserungder unfallmedizinischen Behandlunggeleistet.

Literatur

1. Beck A, Rüter A (1997) SGB VII: DieNeuerungen im BG-lichen Heilverfahren seit1.1.97. Chirurg 36:303–307

2. Förster B (1997) Das berufsgenossen-schaftliche Heilverfahren – neue Qualitäts-kriterien nach Inkrafttreten des SGB VII.Chirurg 36:132–133

3. Probst J (1997) Zur Neuordnung der berufs-genossenschaftlichen Behandlungsverfahren.DGU Mitteil Nachr 36:36–42