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Arch. exl3er. Path. u. Pharmakol., Bd. 224, S. 145--148 (1955). Aus der Chirurgischen Universit~ts-Klinik GSttingen (Direktor: Prof. Dr. H. HELLNER). Affinit~it yon Thiosemicarbazonderivaten und deren Spaltprodukten zur Nebenniere. Von H. POPPE~ H. WEIDEMANN~ I(. I-IINRICHS und H. STEYER, Mit 2 Textabbildungen. (Eingegangen am 18. August 1954.) W~hrend auf Grund der ersten experimentellen Untersuchungen yon DO~L~GK~ der Anwendung von Thiosemicarbazonen bei der Tuberkulose in zahlreichen experimentellen Untersuchungen Aufmerksamkeit ge- schenkt wurde, wendet sich das allgemeine Interesse in den letzten Jahren immer mehr den Wirkungen auf das endokrine System, insbeson- dere auf die Nebenniere, zu. HEILMEYER U. Mitarb. 3, a gebfihrt das VerJ dienst, bereits 1950 auf bemerkenswerte Analogien in Wirkungsweise und Mechanismus zwischen einem Vertreter der Thiosemicarbazone, dem Conteben (4-~thylamino-benzaldehydthiosemicarbazon) und ACTH so- wie Cortison hingewiesen zu haben. Eine Reihe klinischer Beobachtungen hat die damals ausgesprochene Ver- mutung nur bekr~ftigen kSnnen. So wird in den letzten Jahren einer Behandlung mit Conteben bei vSllig anderen Affektionen als der Tuberkulose, z. B. bei Psoriasis, chronischen Gelenkrheumatitiden, beim nephrotischen Syndrom des Kindes und beim kardialen ~)dem des Erwachsenen immer nachdrficklicher das Wort gere- det s, 10, ~, 1. In eigenen experimentellen Untersuchungen mit einem radioaktiv etikettierten Contebenmolekiil sowie mit einem mSglichen Abbauprodukt des Contebens im Organismus, dem Thiosemicarbazid, konnten die Vermutungen be- wiesen werden, die yon einer direkten ]~inwirkung dieser Pharmaka auf die Neben- niere selbst sprechen 5, e, 7. Besonders die Versuche mit Thiosemicarbazid~ konnten zeigen, daI~ die Speicherung yon Thiosemicarbazonen in der Nebenniere sowie die~ Wirkung auf dieselbe im wesentlichen dem Carbazidrest eigen ist. Es war nun die Frage, ob sieh aueh bei anderen ThiosemiearbazonL derivaten die gleichen qualitativen Verteilungen im Organismus ergebem Die Ausscheidungsverh~ltnisse, besonders durch die Schleimh~ute des KSrpers, waren z. B. bei Conteben und einem anderen Thiosemicarbazon~ dem 4-~thylsulfon-benzaldehyd-thiosemicarbazon (Polyteben) x C2 H 5 - S0~--(~-- CH ~ N--NH-- C-- NH~, II S × vSllig gleich n. Es ist inzwischen bekannt, dal~ der gute therapeutische Effekt des Conteben auf die Tuberkulose der Wirksamkeit des unver- sehrten Molekiils zuzuschreiben ist, w~hrend sich bei der Anwendung 10"

Affinität von Thiosemicarbazonderivaten und deren Spaltprodukten zur Nebenniere

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Page 1: Affinität von Thiosemicarbazonderivaten und deren Spaltprodukten zur Nebenniere

Arch. exl3er. Path. u. Pharmakol., Bd. 224, S. 145--148 (1955).

Aus der Chirurgischen Universit~ts-Klinik GSttingen (Direktor: Prof. Dr. H. HELLNER).

Affinit~it yon Thiosemicarbazonderivaten und deren Spaltprodukten zur Nebenniere.

Von H. POPPE~ H. WEIDEMANN~ I(. I-IINRICHS und H. STEYER,

Mit 2 Textabbildungen.

(Eingegangen am 18. August 1954.)

W~hrend au f Grund der ers ten exper imente l len Un te r suchungen yon DO~L~GK ~ der Anwendung von Thiosemicarbazonen bei der Tuberkulose in zahlre ichen exper imente l len Un te r suchungen A u f m e r k s a m k e i t ge- schenkt wurde, wende t sich das al lgemeine In teresse in den le tz ten J a h r e n immer mehr den Wi rkungen au f das endokr ine Sys tem, insbeson- dere au f die Nebenniere , zu. HEILMEYER U. Mi ta rb . 3, a gebf ihr t das VerJ dienst , bere i ts 1950 au f bemerkenswer te Analogien in Wirkungsweise und Mechanismus zwischen einem Ver t r e t e r der Thiosemicarbazone, dem Conteben (4 -~ thy lamino-benza ldehyd th iosemica rbazon) und ACTH so- wie Cor t ison hingewiesen zu haben.

Eine Reihe klinischer Beobachtungen hat die damals ausgesprochene Ver- mutung nur bekr~ftigen kSnnen. So wird in den letzten Jahren einer Behandlung mit Conteben bei vSllig anderen Affektionen als der Tuberkulose, z. B. bei Psoriasis, chronischen Gelenkrheumatitiden, beim nephrotischen Syndrom des Kindes und beim kardialen ~)dem des Erwachsenen immer nachdrficklicher das Wort gere- det s, 10, ~, 1. In eigenen experimentellen Untersuchungen mit einem radioaktiv etikettierten Contebenmolekiil sowie mit einem mSglichen Abbauprodukt des Contebens im Organismus, dem Thiosemicarbazid, konnten die Vermutungen be- wiesen werden, die yon einer direkten ]~inwirkung dieser Pharmaka auf die Neben- niere selbst sprechen 5, e, 7. Besonders die Versuche mit Thiosemicarbazid ~ konnten zeigen, daI~ die Speicherung yon Thiosemicarbazonen in der Nebenniere sowie die~ Wirkung auf dieselbe im wesentlichen dem Carbazidrest eigen ist.

Es war nun die Frage , ob sieh aueh bei anderen ThiosemiearbazonL de r iva t en die gleichen qua l i t a t iven Ver te i lungen im Organismus e rgebem Die Ausscheidungsverh~l tnisse , besonders durch die Schle imh~ute des KSrpers , waren z. B. bei Conteben und einem anderen Thiosemicarbazon~ dem 4-~ thy l su l fon-benza ldehyd- th iosemica rbazon (Polyteben)

x

C 2 H 5 - S 0 ~ - - ( ~ - - CH ~ N - - N H - - C - - NH~, II S ×

vSllig gleich n. Es is t inzwischen bekann t , dal~ der gute t he rapeu t i s che Effekt des Conteben au f die Tuberkulose der W i r k s a m k e i t des unver- sehr ten Molekiils zuzuschreiben ist, w~hrend sich bei der A n w e n d u n g

10"

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146 H. POPPE, H, WEIDEMAI~N, K. H~-~C~S und H. STEYER;

dieses Stoffes bei der Psoriasis oder beim Gelenkrheumatismus eine ganz andere Wirkungskomponente in den Vordergrund schiebt. Die Speiche- rung yon wesentlichen Teilen des Contebenmolekiils bzw. yon Thiose- micarbazid in der Nebenniere war zu auff~llig! Konnte schon bei den Versuchen mit Thiosemicarbazid gekl~rt werden, da6 eine Aufspaltung erfolgte, so war es wi~nschenswert zu kldren, wie die relative Verteilung der Spaltprodulcte im Organismus ist und welches hinsichtlich der Nebennieren- speicherung der wesentliche Molelci£lanteil ist. Diese MSglichkeit bot das 4-Athylsuffon-benzaldehyd.

Diese Substanz erlaubt auf Grund der Tatsache, dal~ sie 2 Schwefel- atome im Molekiilverband besitzt, entweder die Sulfon- oder die Carb- azongruppe durch radioaktive Schwefelatome (S aS) zu etikettieren. Bei getrennter Verabfolgung yon Polyteben I oder Polyteben I I

(Polyteben I ~ radioaktives Schwefelatom in der Sulfongruppe Polyteben I I ~ radioaktives Schwefelatom in der Carbazongruppe)*

beweisen verschiedene Aktivit~ten in einem Organ, da~ eine Aufspaltung des Molekfils erfolgt ist; gleichzeitig ist die GrS~e der Differenz der Aktivit~t bei Anwendung unseres empfindlichen radioaktiven Nachweis- Verfahrens s ein Mal~ fiir die relative Verteflung der Spaltprodukte in den

Organen. Wit haben an 12 Ratten und 60 Meerschweinchen Serienversuche nach intra-

peritonealer, intrapleuraler und oraler Applikation yon Polyteben I und Poly- teben II durchgeffihrt. Die Verabfolgung geschah in einer Aufschwemmung mit physiologiseher KoehsalzlSsung in ti~gliehen Mengen yon 50 mg Polyteben. Bei der oralen Applikation wurde eine Schlundsonde verwandt. Von allen Tieren wurden in verschiedener Zeit nach der Applikation folgende Organe veraseht und deren Aktivit~tsgrad bestimmt:

Him, Lunge, Herz, Milz, Leber, Nebennieren, Gallenblase, Magen, Dfinndarm, Blinddarm, Dickdarm, Nieren.

Bei den Ausscheidungsorganen gesehah die Verarbeitung nach sorgfaltiger Preparation und Reinigung. Die Ausseheidungen selbst wurden jeweils fiir ein Organ oder einen Organabsehnitt getrennt verarbeitet (z. B. Magen-, Diinndarm- 0der Dickdarminhalt pro Tag).

Es wurde sowohl die spezifisehe Aktivit~t je Gramm Organ als auch die Aktivi- t~t je Gesamt~rgan und das mg-Xquivalent-Polyteben ermittelt. Wir haben in frfiheren Mitteflungen fiber diese Arbeitsweise bereits ausffihrlieh berichtet ~, e, 7,11.

Insgesamt wurden auf diese Weise pro Tier 24 getrennte Organe oder Organinhalte untersucht. Wir glauben, da~ auf Grund dieser 1730 Organ- bestimmungen der individuelle Streufaktor relativ klein gehalten werden konnte. Die mittlere Streuung aller Untersuchungen bel~uft sich auf

~_4- 5,4%. Die Mittelwerte aus den Bestimmungen der Organe bzw. Organ-

inhalte sind in den] Diagramm (Abb. 1) dargesteUt:

* Die Pr~parate wurden uns in dankenswerter Weise yon den ,,Bayer-Werken" (Wuppertal-Elberfeld) zur Verffigung gestellt.

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Affinit~t yon Thiosemic~rbazonderivaten und deren Spaltprodukten. 147

Die in dem Diagramm zusammengefaBten Ergebnisse lassen folgende Schliisse zu:

1. In allen Organen mit Ausnahme von Milz und Niere sind Poly- teben I und Polyteben II in verschiedener Konzentration vorhanden.

Es mul3 also eine Aufspaltung im Organismus erfolgt sein.

-~/7dex (/er' //7~p./Fr~i~//g " Or~r]

Him

Lunge

Herz

Milz

Leber

Nebenniere

ffnochen

Schenkelmuskl~

Bauchmuskula/uf

RUckenmusk/~

RUckenha'ut - -

• Bauchhaut

Hoden / OvaP

N/ere

Gallenblase

h'la.,aen

h'la, qen/nhalf

Dt]nndarm

DGnnderm/nhak'

Dichdarm

Dm" kdarm/nhalt '

~Y2Y2Y227Z~ I

l

. . . . . . . j

j

7"W7Z~

I

~Y)'2272Y'~ I

I

J

~2YY'~4 I

7 ( ( (5 "~

Z"2Y?~ I

~/// / /7/I/~/J I

~'f[ff/fKfll[lll

Abb. 1. Mitte lwerte aus 1440 Organbes t immungen .

Poly teben I . ~ ]~olyteben II .

2. In allen Organen, ausgenommen den oben angeffihrten, fiberwiegt der I)olytebenII-Anteil.

Man darf daraus wohl schliel]en, daI~ der Carbazon-Rest der wirkungs- vollere Anteil ist.

Es ergibt sich also, wie beim Conteben und Thiosemicarbazid, eine fferadezu spezi/ische Speicherung des Carbazon-Anteils des Polyteben- moleki~ls (Polyteben II) in der Nebenniere.

3. Niere und Milz lassen als einzige Organe eine bevorzugte Speiche- rung des Sulfonanteils (Polyteben I) erkennen.

In einer frfiheren Mitteilung 11 wurden bereits Versuche mit dem Ziel einer Kl~rung der Ausscheidungsverh~ltnisse yon Polyteben erw~hnt.

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148 POPPE,WEIDEMAlqN, HINRICHS, STEYER : A f f i n i t ~ t v . T h i o s e m i c a r b a z o n d e r i v a t e n .

Die nachs tehenden K u r v e n (Abb. 2) zeigen die Mittelwerte der Urin- und Kotausscheidung in verschiedenen Tagen nach einmaliger in t rapleuraler bzw. in t raper i tonealer Appl ika t ion yon 50 mg Poly teben bei insgesamt 12 R a t t e n (Mittelge~4cht 110 g). Die maximalen und min imalen Streu-

werte aus den tiiglich er-

1200

7000

600

0 7. 2. 3. ¢.

200 . . . .

folgten 12 Einzelbest im- mungen sind mi t einge-

zeichnet.

Abb. 2. Ausscheidung der absol. Mengen yon Polyteben I I im Kot

I und Urin nach einmaliger Appl. von I ~ 50 mg Polyteben intraperitoneal

\ bzw. intrapleural. (i~ittelwerte yon 12 Versuchstieren.) (Bei der langen Halbwertzeit [87,6 Tage] spielt der

f Abfall der Aktivit~t wi~hrend desVer- suches [6 Tage] keine Rolle.)

c x Urinausscheidung. ' * ~ ' ~ " ~ . . . . . . o Kotausscheidung,

£ T a S

Zusammenfassung. Ffir das Thiosemicarbazonder ivat Po ly teben konnte nachgewiesen

werden, dab es in der Nebenniere gespalten vorliegt und dab in diesem Organ eine geradezu spezifische Speicherung des Carbazonantei ls erfolgt, wie das auch ffir Conteben u n d Thiosemicarbazid zutrifft.

Auf Grund der vorl iegenden Befunde mi t Conteben, Thiosemicarbazid, Thioharnstoff und Poly teben ist zu folgern, daB ffir die Nebennieren- wirkung der Carbazonrest die entscheidende Rolle spielt.

Literatur. 1 BRAEDEL, H.-U.: Medizin Heute 11 (1954). - - 2 DO•AGK, G.: Bcitr. Klin.

Tbk. 101 (1948). - - 3 HEILMEYER, I. U. L. : Arch. exper. Path. u. Phaxmakol. 210, 424 (1950). - - 4 ttE/LMEYER, I. U. L. : Arch. exper. Path. u. Pharmakol. 211, 313 (1950). - - 5 HIN~CHS, K., u. Mitarb.: Arch. expcr. Path. u. Pharmakol. 218, 193 (1953). - - 6 HI~-~aICHS, K., u. Mitarb.: Arch. exper. Path. u. Pharmakol. 221, 6 (1954) . - 7 HI•RICHS, K., u. Mitarb.: Arch. exper. Path. u. Pharmakol. 222, 513 (1954). - - s KAMINSKY, A . , P. BUMASCHY et J. FIS~EIN: Revue des Progres Thera- peutiques 22, 35 (1953). - - 9 LORENZ, E. : Wien. klin. Wschr. 1954, 62. - - lo MiiLLER, E., u. Tm H6LLER: Praxis (Bern) 1954, 48. - - n POPPE, H., u. Mitarb.: Arch. exper. Path. u. Pharmakol. 222, 598 (1954).

Dr. H. POPPE, G6ttingen, Chirurgische Universit~ts-Klinik.