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AGRARFORSCHUNG SCHWEIZ
S e p t e m b e r 2 0 1 4 | H e f t 9
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BLW
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A |
ETH
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iBL
Nutztiere Erfahrene Ferkel fördern das Wachstum frisch abgesetzter Ferkel nicht Seite 324
Gesellschaft Wer in der Schweiz Bio-Lebensmittel kauft Seite 338
Pflanzenbau Ergebnisse der Sortenversuche 2011–2013 mit Luzerne Seite 358
ImpressumAgrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse ist die Zeitschrift der landwirtschaftlichen Forschung von Agroscope und ihren Partnern. Die Zeitschrift erscheint auf Deutsch und Französisch. Sie richtet sich an Fachpersonen aus Forschung, Industrie, Lehre, Beratung und Politik, an kantonale und eidgenös sische Ämter und weitere Fachinteressierte.
HerausgeberinAgroscope
Partnerb Agroscope (Institut für Pflanzenbauwissenschaften IPB;
Institut für Nutztierwissen schaften INT; Institut für Lebensmittelwissenschaften ILM; Institut für Nachhaltigkeits wissenschaften INH), www.agroscope.ch
b Bundesamt für Landwirtschaft BLW, Bern, www.blw.chb Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL, Zollikofen, www.hafl.chb Beratungszentrale AGRIDEA, Lindau und Lausanne, www.agridea.ch b Eidgenössische Technische Hochschule ETH Zürich,
Departement für Umweltsystemwissenschaften, www.usys.ethz.chb Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL, www.fibl.org
Redaktion Leitung und deutsche RedaktionAndrea Leuenberger-Minger, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse,Agroscope, Postfach 64, 1725 Posieux, Tel. +41 58 466 72 21, Fax +41 58 466 73 00
Französische RedaktionSibylle Willi, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse,Agroscope, Postfach 1012, 1260 Nyon 1, Tel. +41 58 460 41 57
StellvertretungJudith Auer, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse,Agroscope, Postfach 1012, 1260 Nyon 1, Tel. +41 58 460 41 82
E-Mail: [email protected]
Redaktionsteam Vorsitz: Jean-Philippe Mayor (Leiter Corporate Communication Agroscope), Evelyne Fasnacht, Erika Meili und Sibylle Willi (Agroscope), Karin Bovigny-Ackermann (BLW), Beat Huber-Eicher (HAFL), Esther Weiss (AGRIDEA), Brigitte Dorn (ETH Zürich), Thomas Alföldi (FiBL).
AbonnementPreiseZeitschrift: CHF 61.–* (Ausland + CHF 20.– Portokosten), inkl. MWSt. und Versandkosten, Online: CHF 61.–* * reduzierter Tarif siehe: www.agrarforschungschweiz.ch
AdresseNicole Boschung, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse, Agroscope, Postfach 64, 1725 Posieux E-Mail: [email protected], Fax +41 58 466 73 00
AdressänderungenE-Mail: [email protected], Fax +41 31 325 50 58
Internet www.agrarforschungschweiz.chwww.rechercheagronomiquesuisse.ch
ISSN infosISSN 1663-7852 (Print)ISSN 1663-7909 (Internet)Schlüsseltitel: Agrarforschung SchweizAbgekürzter Schlüsseltitel: Agrarforsch. Schweiz
© Copyright Agroscope. Nachdruck von Artikeln gestattet, bei Quellenangabe und Zustellung eines Belegexemplars an die Redaktion.
Erfasst in: Web of Science, CAB Abstracts, AGRIS
323 Editorial
Nutztiere
324 Erfahrene Ferkel fördern das Wachstum frisch abgesetzter Ferkel nicht
Andreas Gutzwiller, Marion Reichenbach und
Edna Hillmann
Nutztiere
330 Zusammensetzung von Fettsäuren in der Tierfütterung – Analysemethoden Silvia Ampuero Kragten, Marius Collomb,
Sébastien Dubois und Peter Stoll
Gesellschaft
338 Wer in der Schweiz Bio-Lebensmittel kauft
Franziska Götze und Ali Ferjani
Agrarwirtschaft
344 Potenziale der Landwirtschaft in der Gotthardregion Andreas Hochuli, Esther Hidber und Mario
Huber
Agrarwirtschaft
352 Vollkostenkalkulationen für Lohnarbeiten
Daniel Hoop, Anja Schwarz und Markus Lips
Pflanzenbau
358 Ergebnisse der Sortenversuche 2011–2013 mit Luzerne
Rainer Frick, Eric Mosimann, Philippe Aebi,
Daniel Suter und Hans -Ueli Hirschi
Pflanzenbau
366 Die Schweizer Pflanzenzüchtung – eine räumliche, zeitliche und thematische Analyse des Umfeldes
Achim Walter, Christoph Grieder, Luisa Last,
Beat Keller, Andreas Hund und Bruno Studer
Kurzbericht
374 Gerstenflugbrand: Sortenanfälligkeit und Bekämpfungsalternativen
Heinz Krebs et al.
Kurzbericht
378 World Café «Wachstum in der Landwirtschaft»
Linda Reissig
382 Porträt
383 Aktuell
387 Veranstaltungen
InhaltSeptember 2014 | Heft 9
Ferkel werden aus wirtschaftlichen Gründen von der Muttersau getrennt, bevor sie von ihr gelernt haben, Trockenfutter zu fres-sen. In einem Fütterungsversuch haben Forschende von Agro-scope und der ETH untersucht, ob diese jungen Ferkel fähig sind, von früher abgesetzten, erfahrenen Jungtieren die Aufnahme von Festfutter zu lernen. (Foto: Gabriela Brändle, Agroscope)
Editorial
323Agrarforschung Schweiz 5 (9): 323, 2014
Liebe Leserin, lieber Leser
Gesellschaftlich hat die Agrarforschung wieder an Gewicht gewonnen. Die
Menschen essen gerne und Kochen wird zelebriert. Nicht wenige definieren
sich sogar darüber, wie sie essen und einkaufen: «Ich bin ein Veganer», «ich
bin ein regelmässiger Biokunde», «ich kaufe nur bei der Bäuerin auf dem
Wochenmarkt ein», «ich bin gegen Gentechnik» oder «bei mir kommt nur
ein Steak aus Freilandhaltung in die Pfanne». Dem widersprechen allerdings
die zwei Milliarden Franken, welche Schweizer im grenznahen Ausland vor
allem bei Billigdiscountern ausgeben. Ob wir es wollen oder nicht, Konsu-
mentinnen und Konsumenten reden mit, wenn Forschungsprioritäten
gesetzt werden.
Die Gesellschaft erwartet von der Forschung Rezepte, wie die steigende
Weltbevölkerung ernährt werden kann. Leider macht das die Situation auch
nicht einfacher. Denn die Produktionssteigerung ist eigentlich keine Lösung,
da sie die Stabilität des Planeten gefährdet.
Für die Schweizer Agrarforschung ergeben sich daraus aber Chancen.
Sie ist in verschiedenen Disziplinen der Nachhaltigkeit international gut
aufgestellt. Beispiele sind die Bodenökologie, nachhaltige Graslandsys-
teme, biologische Landwirtschaft, artgerechte Wiederkäuerfütterung und
Tierhaltung, ebenso wie Biodiversität, biologischer Pflanzenschutz, Milch-
technologie oder ökonomisch-ökologische Systemmodellierung. Noch im
Aufbau ist die Kompetenz in der wissenschaftlichen Zusammenarbeit mit
Entwicklungsländern.
Die Diskussion in der Forschung ist von den Begriffen «Effizienz» und «Suffi-
zienz» geprägt. Durch Effizienz kann zwar aus weniger mehr gemacht wer-
den. Ohne grundsätzliche Verzichte führen aber Effizienzgewinne zu mehr
Verschwendung an Lebensmitteln. Der Verbrauch endlicher Ressourcen (z.B.
Phosphor oder Erdöl) und die Belastung der Ökosysteme werden damit wei-
ter zunehmen. Suffizienz bedeutet, die zukünftige Knappheit schon heute
zu berücksichtigen. Das tun zum Beispiel die Richtlinien des Biolandbaus mit
den Düngungsvorschriften. Abfälle jeglicher Art müssen vom Feld bis zum
Konsum drastisch reduziert und, wenn sie trotzdem entstehen, mit Hilfe
neuer Aufbereitungsverfahren als hochwertige Rohstoffe in die Landwirt-
schaft zurückgeführt werden. Denn die meisten von der Landwirtschaft
beeinflussten Nachhaltigkeitsparameter wie Biodiversität, Bodenqualität,
agro-genetische Vielfalt, Landschaftsqualität, Wasser- und Luftqualität
sowie bäuerliches Einkommen haben sich trotz UNO-Zielen und Effizienzstei-
gerungen weiter ungebremst verschlechtert.
Die auf einer Million Hektar betriebene Schweizer Landwirtschaft hat
grössere Freiheitsgrade und wird deshalb von EU-Politikern oft als eine Art
Experimentierküche für neue Ideen gesehen. Nutzen wir also die Chance,
den von mehreren internationalen Institutionen geforderten Paradigmen-
wechsel anzugehen, ihn mit den Praktikern schrittweise auszuprobieren und
seine Auswirkungen auf die globale Nachhaltigkeit näher zu analysieren.
Die Agrarforschung muss radikaler denken!
Urs Niggli, Direktor des FiBL
Die grosse Chance der Schweizer Agrarforschung
324 Agrarforschung Schweiz 5 (9): 324–329, 2014
vorgang am Fressverhalten ihrer Mutter oder anderer
erfahrener Tiere orientieren können. Während dieser
mehrtägigen Lernphase decken sie ihren Nährstoffbe-
darf über das aufgenommene Futter nicht vollständig
und müssen Körperreserven mobilisieren, was sich
negativ auf die Krankheitsresistenz und das Wachs-
tum auswirkt (William 2003). In einem Tierversuch
prüften Agroscope und die ETH Zürich die Frage, ob
die Anwesenheit von Ferkeln, welche früher abgesetzt
worden sind und an die Aufnahme von Festfutter
gewohnt sind, die Futteraufnahme frisch abgesetzter
Ferkel stimuliert.
E i n l e i t u n g
Aus wirtschaftlichen Gründen sollen Sauen pro Jahr
möglichst viele Ferkel aufziehen. Solange Mutter-
sauen regelmässig säugen, zeigen sie jedoch keine
Rausche (Brunst). Damit die Sauen nach dem Abfer-
keln bald wieder trächtig werden, trennt man sie
wenige Wochen nach der Geburt von den Ferkeln ab,
bevor diese gewohnt sind, Festfutter zu fressen. Die
abgesetzten Ferkel müssen lernen, ihren Hunger und
Durst durch die Aufnahme von Festfutter und von
Wasser zu stillen, ohne dass sie sich bei diesem Lern-
Erfahrene Ferkel fördern das Wachstum frisch abgesetzter Ferkel nichtAndreas Gutzwiller1, Marion Reichenbach2 und Edna Hillmann2
1Agroscope, Institut für Nutztierwissenschaften INT, 1725 Posieux, Schweiz2ETH, Institut für Agrarwissenschaften, 8092 Zürich, Schweiz
Auskünfte: Andreas Gutzwiller, E-Mail: [email protected]
Bis zum Alter von vier Wochen decken Saugferkel ihren Energie- und Nährstoffbedarf zu über 80 % über die Sauenmilch. Das Absetzen der vierwöchigen Ferkel entspricht deshalb einem ab-rupten Futterwechsel.
N u t z t i e r e
Erfahrene Ferkel fördern das Wachstum frisch abgesetzter Ferkel nicht | Nutztiere
325
Zusa
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Agrarforschung Schweiz 5 (9): 324–329, 2014
In einem Fütterungsversuch wurde unter
sucht, ob Ferkel, die schon gelernt hatten,
Trockenfutter zu fressen, frisch abgesetzten
Ferkeln als Vorbild dienen und diese stimu
lieren, Festfutter aufzunehmen. Die 72 Ferkel
der Versuchsvariante wurden am Tag des
Absetzens im Alter von vier Wochen mit
zwölf eine Woche früher abgesetzten
Ferkeln gemischt, während ihre 72 Wurf
geschwister der Kontrollvariante nicht mit
früher abgesetzten Ferkeln gemischt wurden.
Die Tierbeobachtungen vom zweiten bis
vierten Versuchstag deuten darauf hin,
dass die Ferkel der Versuchsgruppe häufiger
frassen. Die Versuchstiere litten in der ersten
Versuchswoche häufiger an Durchfall
(35 gegenüber 25 Tieren; P = 0,09) und
wuchsen langsamer (Tageszuwachs 11 g
gegenüber 29 g; P = 0,10) als die Kontroll
tiere. Der Zuwachs während der gesamten
fünfwöchigen Aufzuchtperiode war in
beiden Verfahren praktisch identisch
(P = 0,90). Die häufigeren Durchfallerkran
kungen im Versuchsverfahren könnten
sowohl auf eine erhöhte Exposition der
Versuchsgruppe mit Durchfallerregern,
welche von den früher abgesetzten Ferkeln
ausgeschieden wurden, als auch auf die
erhöhte Futteraufnahme bei noch ungenü
gender Anpassung des Verdauungssystems
zurückzuführen sein.
T i e r e , M a t e r i a l u n d M e t h o d e n
Die Untersuchung wurde bei Agroscope in Posieux mit
144 Ferkeln der Rasse Edelschwein durchgeführt. Von der
zweiten Lebenswoche an erhielten die Saugferkel ein
Ferkelbeifutter und Wühlerde, damit sie sich an die Auf-
nahme von Festfutter gewöhnen konnten. Nach dem
Absetzen wurden die Ferkel in Buchten mit 9,2 m²
Bodenfläche (davon 3,1 m² Metallrost) gehalten, welche
mit einem 90 cm breiten Futtertrog, einer Nippel- und
einer Beckentränke, zwei geheizten Ferkelnestern und
einer Strohraufe ausgestattet waren. Pelletiertes Futter,
Trinkwasser und Stroh standen zur freien Verfügung.
Während der ersten zwei Wochen nach dem Absetzen
wurde ein Ferkel-Starterfutter mit 175 g Rohprotein und
14,6 MJ verdaulicher Energie pro kg und anschliessend
ein Ferkelfutter mit 170 g Rohprotein und 13,9 MJ ver-
daulicher Energie verabreicht.
Der Versuchsaufbau ist schematisch in Tabelle 1 dar-
gestellt. Die 144 im Alter von vier Wochen abgesetzten
Versuchstiere wurden in 72 Paare gleichgeschlechtlicher,
annähernd gleich schwerer Vollgeschwister eingeteilt.
Ein Tier jedes Paares wurde dem Verfahren U (unerfah
ren), das andere dem Verfahren UE (unerfahren und
erfahren) zugeteilt. Während die Ferkelgruppen U aus-
schliesslich aus frisch abgesetzten Ferkeln bestanden,
wurden im Verfahren UE in jede Bucht zusätzlich zu den
frisch abgesetzten Ferkeln zwei «erfahrene» (E) Ferkel
gebracht, welche eine Woche früher abgesetzt worden
waren und somit schon an den Verzehr von Festfutter
gewohnt waren. Bei den erfahrenen Ferkeln handelte es
sich um die grössten Ferkel verschiedener Würfe, die im
Alter von drei Wochen abgesetzt und mit Festfutter auf-
gezogen wurden, während die restlichen Ferkel vier
Wochen bei der Sau blieben (zweiphasiges Absetzen,
englisch «split weaning»).
Als wichtigstes Kriterium für den postulierten positi-
ven, durch erfahrene Ferkel verursachten Lerneffekt auf
den Futterverzehr diente das Wachstum. Da der Futter-
verzehr pro Gruppe durch die Futteraufnahme der bei-
144 im Alter von 4 Wochen abgesetzte Ferkel aus drei Serien
Einteilung paarweise in die Verfahren U (ausschliesslich unerfahrene Ferkel) und UE (unerfahrene Ferkel gemischt mit erfahrenen Ferkeln)
U (72 Versuchstiere): UE (72 Versuchstiere):
Pro Bucht 8–14 Ver-suchstiere
Pro Bucht 8–14 Versuchstiere plus zusätzlich 2 «erfahrene» Ferkel (E), die eine Woche früher ab-gesetzt worden waren
Tab. 1 | Versuchsaufbau
Nutztiere | Erfahrene Ferkel fördern das Wachstum frisch abgesetzter Ferkel nicht
326 Agrarforschung Schweiz 5 (9): 324–329, 2014
den zusätzlichen erfahrenen Ferkel in jeder Bucht des
Verfahrens UE beeinflusst wurde, konnte diese Grösse
nicht als Indikator verwendet werden.
Bei den 74 frisch abgesetzten Ferkeln der zweiten
Versuchsserie wurde zusätzlich das Verhalten in der
Umgebung des Futtertrogs beobachtet (Abb. 1). Die
beobachteten Ferkel, welche mit Hilfe von auf den
Rücken geschriebenen Nummern auf Distanz identifi-
ziert werden konnten, wurden am Vormittag des zwei-
ten bis vierten Tages sowie am Nachmittag des zweiten
und dritten Tages beobachtet. Die Beobachtungszeit pro
Bucht betrug zu jedem Beobachtungstermin 40 Minuten.
Dabei wurden drei Beobachtungskategorien notiert:
Fressen = Kopf im Trog während ≥ 10 Sekunden
Futterkontakt = Kopf im Trog während < 10 Sekunden
Trognähe = Kontakt mit Nase oder Maul zum Trog,
Wühlen in unmittelbarer Trognähe oder Versuch, neben
anderen Ferkeln an den Trog zu gelangen.
Die Gewichts- und Zuwachsdaten der beiden Verfah-
ren wurden mit dem gepaarten t-Test verglichen.
R e s u l t a t e u n d D i s k u s s i o n
Die Gewichtsdaten der Ferkel sind in Tabelle 2 aufge-
führt. Obwohl die 72 Ferkel des Verfahrens UE beim
Absetzen 40 g schwerer waren als ihre 72 Geschwister im
Verfahren U, nahmen sie in der ersten Woche nach dem
Absetzen tendenzmässig weniger zu (UE: 11 g pro Tag;
U (72 Tiere) UE (72 Tiere) P
LG Beginn, kg 6,58 ± 1,16 6,62 ± 1,15 0,3
LG Ende 1. Woche, kg 6,78 ± 1,28 6,70 ± 1,40 0,29
LG Ende 5. Woche, kg 14,28 ± 3,94 14,27 ± 4,47 0,98
TZW 1. Woche, g 29 ± 71 11 ± 72 0,10
TZW Absetzen bis Ende 5. Woche, g 220 ± 95 219 ± 104 0,90
Mittelwerte ± Standardabweichungen; P = Irrtumswahrscheinlichkeit
Tab. 2 | Lebendgewicht (LG) und Tageszuwachs (TZW) der Versuchstiere
Abb. 1 | In der zweiten Versuchsserie wurde während den ersten Tagen nach dem Absetzen das Verhalten der mit Nummern auf dem Rücken markierten Ferkel beobachtet. In den Gruppen mit erfahrenen Ferkeln hielten sich die frisch abgesetzten Ferkel häufiger am Futtertrog auf.
Erfahrene Ferkel fördern das Wachstum frisch abgesetzter Ferkel nicht | Nutztiere
327Agrarforschung Schweiz 5 (9): 324–329, 2014
Die Tatsache, dass die Ferkel des Verfahrens UE in der ers-
ten Woche tendenziell weniger an Gewicht zunahmen,
obwohl sie gemäss Beobachtungen in der zweiten Serie
nach dem Absetzen häufiger beim Fressen beobachtet
wurden, dürfte auf die vermehrt auftretenden Durchfälle
im Verfahren UE während der ersten Woche zurückzu-
führen sein. Wie die Abbildung 3 zeigt, begannen Durch-
fallerkrankungen im Verfahren UE einen Tag früher als
im Verfahren U, und insgesamt erkrankten in der ersten
Woche tendenziell mehr Ferkel UE an Durchfall (35 gegen-
über 25 Ferkel; P = 0,09). Die tendenziell tieferen
Gewichtszunahmen im Verfahren UE während der ersten
Woche dürften auf die reduzierte Futteraufnahme und
auf die geringere Füllung des Magendarmtraktes der an
Durchfall erkrankten Ferkel zurückzuführen sein.
Zwei Gründe kommen für die höhere Durchfallhäu-
figkeit der Ferkel UE in der ersten Woche nach dem
Absetzen in Frage:
1. Der durch die Anwesenheit erfahrener Ferkel
stimulierte Futterverzehr könnte dazu führen, dass die
Ferkel ihren an die Verdauung von Festfutter noch
ungewohnten Verdauungstrakt überladen, was die
Durchfallanfälligkeit erhöht. Aus diesem Grunde
empfehlen Rantzer et al. (1996) und Dirkzwager et al.
(2005), zur Durchfallvermeidung nach dem Absetzen
U: 29 g pro Tag; P = 0,10). Während der gesamten fünf-
wöchigen Versuchsperiode wuchsen die Ferkel beider
Verfahren praktisch gleich rasch (P = 0,90). Die Gewichts-
daten als wichtigstes Kriterium zeigen, dass die Anwe-
senheit erfahrener Ferkel sich nicht positiv, sondern
während der ersten Woche sogar tendenzmässig negativ
auf die Gewichtsentwicklung der frisch abgesetzten Fer-
kel auswirkte.
Die in der zweiten Serie durchgeführten Beobach-
tungen (Abb. 2) deuten darauf hin, dass die Anwesen-
heit erfahrener Ferkel im Verfahren UE die Fressaktivität
der frisch abgesetzten Ferkel steigerte: Am zweiten und
dritten Tag wurde pro 40-minütige Beobachtungszeit
pro Ferkel UE 1,2 mal, pro Ferkel U 0,8 mal Fressaktivität
notiert. Am vierten Tag fiel die Anzahl beobachteter
Fressaktivitäten in beiden Gruppen wider Erwarten ab.
Erhebungen des täglichen Futterverzehrs in der ersten
Woche nach dem Absetzen haben gezeigt, dass die Fut-
teraufnahme im Verlaufe der ersten Tage nach dem
Absetzen kontinuierlich ansteigt (Gutzwiller 2000). Da
bei den Beobachtungen im vorliegenden Versuch weder
die Zeit der Futteraufnahme noch die tatsächlich gefres-
sene Futtermenge erfasst wurde, ist es möglich, dass die
Ferkel am vierten Tag pro Besuch des Futtertrogs mehr
Futter aufnahmen und somit trotz der tieferen Besuchs-
frequenz mehr frassen als an den Vortagen.
0
0,2
0,4
0,6
0,8
1
1,2
1,4
UE Tag 2 UE Tag 3 UE Tag 4 U Tag 2 U Tag 3 U Tag 4
Aktiv
itäte
n pr
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riode
von
40
Min
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Fressen
Futterkontakt
Trognähe
Abb. 2 | Verhalten der 74 Ferkel der zweiten Versuchsserie in der Nähe des Futtertroges. Aktivitäten pro unerfahrenes Ferkel pro Beobach-tungszeit von 40 Minuten.
328
Nutztiere | Erfahrene Ferkel fördern das Wachstum frisch abgesetzter Ferkel nicht
Agrarforschung Schweiz 5 (9): 324–329, 2014
die Futteraufnahme der Ferkel in den ersten zwei bis
vier Tagen zu fördern, anschliessend jedoch die
Nährstoffaufnahme zu begrenzen.
2. Da die meisten Durchfälle, die mit massivem Aus-
scheiden von Durchfallerregern einhergehen, gegen
Ende der ersten Woche und in der zweiten Woche
nach dem Absetzen auftreten, ist anzunehmen, dass
die erfahrenen Ferkel bei Versuchsbeginn die Buchten
der Verfahren UE mit Durchfallerregern kontaminier-
ten und damit das Durchfallrisiko der Ferkel des
Verfahrens UE erhöhten.
Die in der vorliegenden Untersuchung beobachtete
erhöhte Fressaktivität unerfahrener Jungtiere infolge
der Anwesenheit erfahrener Gefährten ist sowohl beim
Ferkel als auch beim Kalb beschrieben worden (Morgan
et al. 2001; De Paula Vieira et al., 2012). Im Gegensatz zu
diesen Untersuchungen, wo dieses Verfahren positive
Auswirkungen auf die unerfahrenen Jungtiere hatte,
überwogen im vorliegenden Versuch in der ersten
Woche die negativen Effekte, ohne dass über die
gesamte Ferkelaufzuchtperiode das Wachstum beein-
flusst wurde.
S c h l u s s f o l g e r u n g e n
Der an Agroscope durchgeführte Versuch zeigt, dass
beim Mischen erfahrener mit unerfahrenen Tieren
neben dem potenztiell positiven Lerneffekt auch nega-
tive Auswirkungen wie häufigere Erkrankungen auftre-
ten können. Aus diesem Grunde wird davon abgeraten,
frisch abgesetzte Ferkel mit früher abgesetzten Ferkeln
zu mischen.� n
0
2
4
6
8
10
12
14
16
1 2 3 4 5 6 7
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Durc
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Versuchstag
U
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Abb. 3 | Durchfallhäufigkeit während der ersten Woche nach dem Absetzen.
329
Erfahrene Ferkel fördern das Wachstum frisch abgesetzter Ferkel nicht | Nutztiere
Ria
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Sum
mar
y
Agrarforschung Schweiz 5 (9): 324–329, 2014
Literatur ▪ De Paula Vieira A., von Keyserlingk M. A. G. & Weary D.M., 2012. Pre-sence of older weaned companion influences feeding behavior and im-proves performance of dairy calves before and after weaning from milk. J. Dairy Sci. 95, 3218–3224.
▪ Dirkzwager A., Veldman B. & Bikker P., 2005. A nutritional approach for the prevention of Post Weaning Syndrome in piglets. Anim. Res. 54, 231–236.
▪ Gutzwiller A., 2000. Milch, Schotte und Diätfutter in der Ferkelaufzucht. Agrarforschung 7 (10), 460–465.
▪ Morgan C.A., Lawrence A.B., Chirnside J. & Deans L.A., 2001. Can infor-mation about solid food be transmitted from one piglet to another? Animal Science 73, 471–478.
▪ Rantzer D., Svendsen J. & Weström B., 1996. Effects of a strategic feed restriction on pig performance and health during the post-weaning period. Acta Agric. Scand. Sect. A Animal Sci. 46, 219–226.
▪ William I. H., 2003. Growth of the weaned pig. In: Weaning the pig (Ed. J. R. Pluske, J. Le Dividich, M. W. A. Verstegen). Wageningen Academic Publishers, Wageningen, NL, 17–35.
The presence of experienced piglets
does not promote the growth of newly
weaned piglets
In a feeding trial the hypothesis was
tested that the presence of experi
enced piglets facilitates the adapta
tion of newly weaned piglets to solid
food. The 72 fourweekold piglets in
the experimental group were mixed
at weaning with 12 piglets which had
been weaned one week earlier,
whereas their 72 siblings in the
control group were reared in the
absence of experienced piglets.
Observations between the second and
fourth day showed that the experi
mental piglets displayed eating
behaviour more frequently than the
control piglets. During the first week,
diarrhea prevalence was higher (35 vs.
25 animals; P = 0.09) and daily weight
gain was lower (11 g vs. 29 g; P = 0.10)
in the experimental group than in the
control group. Weight gain during the
whole fiveweek experimental period
was practically identical (P = 0.90). The
negative effect of the experienced
piglets can possibly be attributed to
their shedding of enteropathogens
and the increased food intake of the
newly weaned piglets before their
gastrointestinal tract was adapted to
solid feed, thus increasing the diar
rhea risk in the experimental group.
Key words: weaning, pig, learning,
food intake, diarrhea.
I suinetti già svezzati non stimolano la
crescita dei suinetti appena svezzati
È stato condotto un esperimento di
nutrizione allo scopo di stabilire se
suinetti appena svezzati potevano
essere stimolati a ingerire cibo solido,
seguendo l’esempio di suinetti che
avevano già imparato ad alimentarsi
con foraggio secco. Nel test con il
gruppo sperimentale 72 suinetti di
4 settimane sono stati collocati, dal
primo giorno di svezzamento, con
12 che erano stati svezzati una
settimana prima. Il gruppo di controllo
era costituito da altri 72 suinetti della
stessa figliata che non sono invece
stati uniti a suinetti già svezzati. Dopo
24 giorni di osservazione, risultava
che i suinetti del gruppo sperimentale
si alimentavano più frequentemente.
Nella prima settimana essi hanno
sofferto più spesso di dissenteria
(35 contro 25; P = 0.09) e sono cresciuti
meno (crescita giornaliera 11 g contro
29 g; P = 0.10) rispetto agli animali del
gruppo di controllo. La crescita durante
l’intero periodo di allevamento di
cinque settimane è però risultata
praticamente identica (P = 0.90). Gli
episodi più frequenti di dissenteria nei
suinetti del gruppo sperimentale
potrebbero essere riconducibili a una
loro maggiore esposizione ad agenti
patogeni di tale disturbo, causati dalla
presenza dei suinetti svezzati prima, o
a un’eccessiva assunzione di cibo,
mentre il loro sistema digestivo non
era ancora sufficientemente adattato.
330 Agrarforschung Schweiz 5 (9): 330–337, 2014
Molekularstruktur der Lipide
In chemischer Hinsicht bestehen die Lipide aus einer rei-
chen Vielfalt an Einzelkomponenten. Was ihre Löslich-
keit betrifft, so lassen sich gemäss ihrer Struktur neut-
rale und polare Lipide unterscheiden. A) Die neutralen
Lipide (oder einfachen Lipide) sind die freien Fettsäu-
ren sowie die zur Bildung von Mono-, Di- oder Triglyce-
riden an ein Glycerolmolekül gebundenen Fettsäuren.
Dieser Lipidtyp ist in unpolaren Lösungsmitteln löslich,
wohingegen die polaren (oder komplexen) Lipide in
mehr oder weniger polaren Lösungsmitteln löslich sind.
B) Die polaren Lipide können in Form zweier unter-
schiedlicher Typen vorliegen (Abb 1): Die Phospho
glyceride sind Lipide, bei welchen eine der Fettsäuren
des Triglycerids durch einen Phosphatester ersetzt
ist (O-Acyl-Bindung). Diese Bestandteile können je nach
Phosphatester (Stickstoffverbindungen mit einge-
schlossen) einen unterschiedlich hohen Komplexitäts-
grad aufweisen. Die Sphingolipide sind Lipide, bei
welchen die Fettsäure an den Stickstoff eines Sphin-
gosinmoleküls (N-Acyl-Bindung) gebunden ist. Das
Sphingosin kann an Zucker (Cerebroside, Ganglioside
usw.) sowie Phosphate usw. gebunden sein. Diese pola-
ren Lipide können auch danach klassiert werden, ob sie
ein Phosphat- oder Zuckermolekül in Form von Phos-
pholipiden oder Glycolipiden enthalten, unabhängig
von vorhandenen O-Acyl- oder N-Acyl-Bindungen mit
der Fettsäure. Die Lipide umfassen zudem noch Deter-
genzien (Salze von Fettsäuren), Isoprenoide (Choleste-
rol, Steroide usw..), Terpene sowie Wachse und andere
Lipide mit zyklischen Fettsäuren. Mit Ausnahme der
Salze von Fettsäuren können die letztgenannten Mole-
küle in der Tierernährung als Energiequelle vernachläs-
sigt werden. Ein Teil davon wird jedoch im RL extrahiert
(Wachse und andere).
Die Bestimmung der Fettsäuren durch GC-FID
(Gaschromatographie mit Flammenionisationsdetektor)
erfolgt über deren Veresterung (im Allgemeinen Methy-
lierung). Dieser Reaktionstyp der Derivatisierung erfolgt
mit einem Katalysator, welcher je nach Lipidtyp entweder
sauer oder basisch ist (Christie 1993, Carrapiso et al. 2000):
E i n l e i t u n g
Historisch gesehen dienen Fette in der Tierernährung
vor allem als Energielieferanten. Das Interesse an der
Zusammensetzung der Fettsubstanzen ist aktuell und
steht insbesondere mit dem potenziellen positiven Ein-
fluss auf die Gesundheit des Menschen in Zusammen-
hang. Ausserdem unterliegt in der Schweiz die techno-
logische Fettqualität des Schlachtkörpers beim Schwein
einer ad-hoc-Klassifikation, welche das Vorkommen
ungesättigter Bindungen in den Fettsäuren berücksich-
tigt (Christen 2014). Diese Klassifikation, welche in den
Schlachthöfen erfolgt, beeinflusst den Schlachtkörper-
preis, so dass bei der Herstellung von Schweinefutter-
mitteln in der Schweiz nicht nur der Fettgehalt (RL) der
Rohstoffe als Energiequelle zu berücksichtigen ist, son-
dern die Futtermittel auch den Empfehlungen betref-
fend PUFA, MUFA und SFA entsprechen müssen. Des-
halb ist eine genaue Analysemethode erforderlich.
Zusammensetzung von Fettsäuren in der Tierfütterung – AnalysemethodenSilvia Ampuero Kragten1, Marius Collomb2, Sébastien Dubois1 und Peter Stoll1
1Agroscope, Institut für Nutztierwissenschaften INT, 1725 Posieux, Schweiz2Ehemaliger wissenschaftlicher Mitarbeiter von Agroscope, 1723 Marly, Schweiz
Auskünfte: Silvia Ampuero Kragten, E-Mail: [email protected]
Schweine lieben fettreiche Futtermittel.
N u t z t i e r e
Zusammensetzung von Fettsäuren in der Tierfütterung – Analysemethoden | Nutztiere
331
Zusa
mm
enfa
ssu
ng
Agrarforschung Schweiz 5 (9): 330–337, 2014
Die Bedeutung der Analysemethode bei der
Fettsäurenbestimmung in Tierfuttermitteln
ist nicht zu unterschätzen. Wichtig ist sie
insbesondere für die Schweinefütterung, da
in der Schweiz nicht nur der Lipidgehalt,
sondern auch das Fettsäurenprofil benötigt
wird, um eine Ration zu erstellen, mit
welcher eine optimale Fettqualität im
Schlachtkörper des Schweins erzielt wird.
Die Studie zeigt, dass die GCMethode
(Gaschromatographie) durch in-situ Umeste
rung genauer und vollständiger ist als die
GCMethode in zwei Schritten (Fettextrak
tion und anschliessende Veresterung). Sie ist
auch der empirischen Methode durch
Gravimetrie überlegen, welche in der
Extraktion der löslichen Bestandteile mit
einem vorgegebenen Lösungsmittel besteht.
a) Freie Fettsäure:
R’-COOH + CH3-OH H+
R’-CO-OCH3 + H-OH
b) Lipide, bei welchen die Fettsäure durch eine OAcyl-
Bindung gebunden ist (z. B.: Triglyceride, Phospholi-
pide):
R’COOR’’ + CH3-OH H+ oder OCH3 R’-CO-OCH3 + R’’-OH
c) Lipide, bei welchen die Fettsäure durch eine NAcyl
Bindung gebunden ist (z. B.: Sphingolipide, Ceramide
usw.)
R’CONHR’’ + CH3-OH H+
R’-CO-OCH3 + R’’-NH2
Analysemethoden
Der Fettgehalt wird heute häufig noch mit gravimet-
risch-empirischen Methoden wie Soxhlet (AOAC 1980)
und Weibull-Berntrop bestimmt (Rohfett, RL), welche
auf Grundlagen basieren, die im 19. Jahrhundert entwi-
ckelt wurden (Hammond 2001). Das Prinzip dieser
Methoden ist die Lösung der fettlöslichen Substanzen in
einem unpolaren Lösungsmittel, häufig Petrolether,
Hexan usw. Es ist leicht verständlich, dass ein einzelnes
Lösungsmittel mit einer bestimmten Polarität nicht in
der Lage ist, die Lipide unterschiedlicher Polarität voll-
ständig zu lösen. Zudem sind generell die Membranli-
pide (Phospholipide, Glycolipide, Sphingolipide usw.)
Abb. 1 | Klassifikationsschema für häufig vorkommende Lipide.
Fettsäure
Fettsäure
Fettsäure
Fettsäure
Fettsäure FettsäureFettsäure
G
lyce
rol
G
lyce
rol
Zucker Zucker
Sphi
ngos
in
Sp
hing
osin
PO4 ROH PO4
Lipide,
Energiespeicher
Triglyceride
Phospholipide Glycolipide
SphingolipidePhosphoglyceride
Membranlipide
(polar)
PUFA Polyensäuren
(mehrfach ungesättigte Fettsäuren)
MUFA Monoensäuren
(einfach ungesättigte Fettsäuren)
SFA gesättigte Fettsäuren
FT Gesamtfett
RL Rohfett
Nutztiere | Zusammensetzung von Fettsäuren in der Tierfütterung – Analysemethoden
332 Agrarforschung Schweiz 5 (9): 330–337, 2014
weniger gut in unpolaren Lösungsmitteln wie Hexan
oder Petrolether löslich, und gleichzeitig werden eine
Vielzahl nicht lipider Komponenten (Pigmente, Vita-
mine, Chlorophyll usw.) wie auch Wachse extrahiert.
Werden noch polarere Lösungsmittel, wie z. B. Diethy-
lether verwendet, so werden zusätzlich hydrophyle
Bestandteile (Harnstoff, Hexosen) mitextrahiert (Palm-
quist et al. 2003). Obwohl diese empirischen Metho-
den nur annähernd genau sind, sind sie immer noch
aktuell aufgrund ihrer einfachen Anwendung, aber
auch weil in der Futteroptimierung der RL verwendet
wird.
Der Weg über die Identifizierung/Quantifizierung
verschiedener Fettsäuren, z. B. über GC-FID, erlaubt
eine rationellere und deskriptivere Analyse des Lipid-
gehaltes. Die vorhergehende vollständige Extraktion
polarer und unpolarer Lipide ist hingegen nicht ein-
fach. Folglich steigt das Interesse an Methoden der in-
situ Umesterung, da sie in einem einzigen Schritt eine
Hydrolyse der Lipide einschliesslich sehr komplexer
Moleküle durchführen und die auf diese Weise freige-
setzten Fettsäuren durch Methylierung verestern (Jen-
kins 2010). Dies geht im Vergleich mit Methoden, die in
zwei Etappen durchgeführt werden, mit weniger stren-
gen Reaktionsbedingungen einher. Zusätzlich werden
die Fettsäuren besser geschützt und die Lösungsmittel-
menge, die Reagenzien und der benötigte Zeitauf-
wand wesentlich reduziert (Carrapiso et al. 2000). Die
hier vorgestellte Methode GC in-situ (GC-IS) entspricht
einer Weiterentwicklung der Methode von Alves et al.
(2008, 2009) und von Palmquist et al. (2003).
Ziel dieses Artikels ist es, die Ergebnisse der Lipidanalysen
von Rohstoffen und Futtermitteln darzustellen und dabei
drei verschiedene Methoden miteinander zu vergleichen:
eine gravimetrische Methode (Weibull-Berntrop), eine GC-
FID-Methode in zwei Schritten (Extraktion und anschlies-
sende Veresterung) und eine GC-FID-Methode mit Umeste-
rung in-situ. Die beiden letzteren ermöglichen zusätzlich zur
Bestimmung der Lipidzusammensetzung die Bestimmung
des Gesamtfettes (FT), wohingegen die erstgenannte
Methode ausschliesslich den RL bestimmt. Gemäss der FDA
(U.S. Food and Drug Administration) wird das FT in Lebens-
mitteln durch die Summe aller extrahierten Fettsäuren in
Form von Triglyceriden bestimmt (Eller 1999). Das FT ist folg-
lich verwendbar wie RL. Im vorliegenden Artikel wird aus-
serdem die Validierung der Methode GC in-situ vorgestellt.
M a t e r i a l u n d M e t h o d e n
Die Proben
Die Vergleichsstudie der Analysemethoden wurde mit
einer Serie von 29 Proben durchgeführt (Abb. 2). Dazu
gehörten die Rohstoffe Weizen, Gerste, Hafer, Mais,
Weizenkeime, Biertreber, Rapskuchen, Sojabohnen und
Sonnenblumenkerne, Alleinfutter für Mastschweine, für
Ferkel, für Sauen sowie Futtersuppen, Pasta-Abfälle und
Alikon (kristallines pflanzliches Fett). Die Genauigkeit
der GC-IS-Methode wurde mit einer zertifizierten Refe-
renzprobe bestimmt: BCR® – 163: Beef-Pork Fat Blend
(IRMM). Die Unsicherheit wurde mit vier Proben
bestimmt, bestehend aus Gerste, zwei Alleinfutter für
Schweine und einer Probe aus Fettgewebe vom Schwein.
Abb. 2 | Einige analysierte Proben. A = Hafer, B = Alikon, C = Gerste, D = Mais, E = Rapskuchen, F = Sojabohnen
A B C
D E F
Zusammensetzung von Fettsäuren in der Tierfütterung – Analysemethoden | Nutztiere
333Agrarforschung Schweiz 5 (9): 330–337, 2014
N2-Strom (1,15 ml/Min.) injiziert. Die Temperatur des FID-
Detektors liegt bei 250 °C. Das thermische Programm
des Ofens lautet folgendermassen: 1 Min. bei 170 °C,
Erhöhung auf 210 °C bei 2,5°C/Min., anschliessend auf
220 °C mit einer Erhöhung von 0,5 °C/Min., gefolgt von 5
Min. bei 220 °C, erneute Erhöhung auf 250 °C mit 15 °C/
Min. und schlussendlich 6 Min. bei 250 °C.
Die in-situ Umesterungsmethode (GCIS)
Umesterung: 250 mg Probenmaterial werden mit 0,25
bis 2 ml internem Standard (C19 FAME), 3 bis 6 ml HCl
(5 % in Methanol) und zwischen 0 und 1,75 ml Toluen
(Proportionen wurden angepasst und können je nach
Probentyp variieren) in ein hermetisch schliessendes Tef-
lonrohr gegeben. Das verschlossene Rohr wird während
3 Std. bei 70 °C belassen. Nachdem Umgebungstempera-
tur erreicht ist, wird die Mischung mit 5 bis 8 ml K2CO3
(6 % in H2O) neutralisiert. Nach Beigabe von 2 ml Pentan
wird die Mischung zentrifugiert (5 Min. bei 2500 rpm)
und anschliessend die organische Phase (obere Schicht)
in ein Röhrchen umgefüllt, welches 1 g wasserfreies
Na2SO4 und 0,2 g Aktivkohle enthält. Nach einer Stunde
Ruhen und anschliessendem Zentrifugieren (5 Min. bei
2500 rpm) wird die organische Phase gewonnen und bei
40 °C evaporiert. Aufreinigung mittels SPE: Zum festen
Rückstand wird 1 ml Dichlormethan hinzugefügt. 250 bis
500 ml dieser Lösung werden bei 40 °C evaporiert. Der
Rückstand wird in 100 ml Dichloromethan gegeben und
anschliessend in einer vorkonditionierten SPE-Kartusche
platziert (LiChrolut Si (40–63 mm), Merck 1.02024.0001).
Die FAME-Mischung wird mit 2,5 ml Dichloromethan
eluiert. Die ersten 0,5 ml werden verworfen, da sie Ver-
unreinigungen wie Phytadiene aufweisen könnten
(Alves et al. 2009). Die zwei folgenden Milliliter werden
aufgefangen und bei 40 °C bis zur Trocknung evaporiert.
Der feste Rückstand wird in 1 ml Pentan aufgelöst und in
den GC injiziert. Das GC-System (Agilent 6810) ist mit
einer polaren Säule des Typs SupelcowaxTM 10 (15 m x
0,1 mm, 0,1 mm) ausgestattet. Die Probe wird mit einem
Splitverhältnis von 150 : 1 und einem H2-Strom von 1 ml/
Min. eingespritzt. Die Temperatur des FID-Detektors
liegt bei 250 °C. Das thermische Programm des Ofens
lautet folgendermassen: 0,2 Min. bei 170 °C, anschlies-
send Erhöhung auf 210 °C mit 11 °C/Min., danach auf
220 °C mit 2 °C/Min., 2 Min. bei 220 °C, anschliessend
Erhöhung auf 230 °C mit 50 °C/Min. und Aufrechterhal-
tung von 230 °C während 5 Min.
Für beide GC-Methoden erfolgt die Quantifizierung
jeder FAME mit Hilfe des internen Standards. Die Summe
aller identifizierten FAME, erfasst als Triglyceride (durch
Division durch 0,956), bildet das Gesamtfett (FT), aus-
gedrückt in g/kg TS.
Mit Ausnahme des Fettgewebes wurden alle Proben mit
einer Brabender Messermühle gemahlen (1 mm). Die
Proben mit FT > 15 % wurden mit flüssigem N2 gemah-
len. Die Fettgewebeprobe und die Futtersuppen wurden
lyophilisiert und anschliessend vermahlen. Der Trocken-
substanzgehalt (TS) wurde in allen Proben durch Ofen-
trocknung bei 105 °C während 2 Std. 40 Min. bestimmt
(basierend auf ISO 6496:1999).
Die drei angewendeten Methoden
Die gravimetrische Methode
Gemäss der Weibull-Berntrop-Methode wird die Probe
während 1 Std. mit kochender 10 %iger HCl hydrolysiert.
Nach einer Spülung mit Wasser bis zu einem neutralen
pH-Wert wird die Probe im Mikrowellenofen getrocknet
(30 Min., 300 W). Anschliessend wird die Probe in ein em
Soxtec-System mit Petrolether bei 135 °C während
85 Minuten extrahiert. Der Rückstand (RL) wird nach
der Evaporation des Lösungsmittels gewogen und in g/
kg TS ausgedrückt.
Die GC Methode in 2 Schritten (GC2E)
Extraktionsschritt: 0,5 bis 50 g Probenmaterial werden
in einen Messbecher gegeben und 1 ml interner Stan-
dard (C13 FAME (Fettsäurenmethylester)) und 60 ml
Dichloromethan : Methanol 2 : 1 (v : v) hinzugefügt.
Das Ganze wird vermischt und anschliessend während
15 Minuten ruhen gelassen. Die nichtlipiden Bestand-
teile werden durch die Beigabe von 1 ml MgCl2 (2 % in
Wasser) und 20 ml H2O separiert. Sie konzentrieren sich
in der wässrigen Phase, welche sich nach Filtration und
einer Stunde Ruhen bildet. Die organische Phase, wel-
che die Lipide enthält (untere Schicht), wird aufgefan-
gen und anschliessend bei 40 °C und 600–550 mbar eva-
poriert. Der feste Rückstand wird quantitativ in Hexan
gesammelt und das Lösungsmittel erneut evaporiert.
Veresterungsschritt: Bei dieser Etappe werden 2 ml
NaOH (0,5 M in Methanol) zum festen Rückstand hinzu-
gefügt. Das Ganze lässt man 30 Minuten ruhen, bevor
man es 2 Minuten lang kocht (für eine vollständige Ver-
seifung). Anschliessend werden 3 ml BF3 (10 % in Metha-
nol) hinzugefügt und das Ganze nochmals 4 Minuten
lang gekocht. Nach Abkühlung bis auf Umgebungstem-
peratur werden 7 ml NaCl (1,5 % in H2O) und 3 ml Hep-
tan beigegeben. Nach Vermischung und Zentrifugie-
rung (5 Min. bei 3000 rpm) wird 1 ml (filtriertes Aliquot)
der oberen Schicht, welche den Fettsäurenmethylester
(FAME) enthält, direkt in den GC injiziert. Das GC-System
(HP 5890) ist mit einer Kolonne vom Typ SupelcowaxTM
10 (30 m x 0,32 mm, 0,25 mm) ausgestattet. Die Probe
wird mit einem Splitverhältnis von 100 : 1 in einen
Nutztiere | Zusammensetzung von Fettsäuren in der Tierfütterung – Analysemethoden
334 Agrarforschung Schweiz 5 (9): 330–337, 2014
Die analytische Charakterisierung der GCISMethode
Die Genauigkeit dieser Methode wurde über einen Ver-
gleich mit einer zertifizierten Probe bestimmt unter Ver-
wendung der kombinierten Unsicherheit des zertifizier-
ten Werts und des Messwerts (für 95 % Konfidenzintervall
des zweiseitigen Student-t-Tests).
𝑢𝐺𝐶−𝐼𝑆 ist die Unsicherheit der GC-IS-Methode, 𝑢𝐵𝐶𝑅163 ist
die der zertifizierten Probe und 𝑢∆ die kombinierte
Un sicherheit sd ist die Standardabweichung
und n die Anzahl Messungen).
U∆ = k u∆
k ist der Erweiterungsfaktor (Faktor t des zweiseitigen
Student-Tests für 95 % Konfidenzintervall) und U∆ die
kombinierte erweiterte Unsicherheit.
Für die Bestimmung der Unsicherheit wurden zehn
Replikate von vier verschiedenen Proben während zwei
Monaten von verschiedenen Laboranten, jedoch im
gleichen Labor, analysiert. Die erweiterte Unsicherheit
U wurde in % des Mittelwerts berechnet für 95 % Kon-
fidenzintervall des zweiseitigen Student-t-Tests, mit
𝑢= da die Routineanalyse mit zwei Wiederholun-
gen durchgeführt wurde.
Probe *FT [g/kg TS] SFA [g/kg TS] MUFA [g/kg TS] PUFA [g/kg TS]
GC-IS GC-2E Extraktion GC-IS GC-2E GC-IS GC-2E GC-IS GC-2E
Weizen a 24,0 ± 0,0 15,9 ± 1,1 15,9 ± 1,9 5,9 ± 0,0 3,2 ± 0,2 2,9, ± 0,1 1,8 ± 0,1 14,1 ± 0,0 10,2 ± 0,6
Weizen b 26,1 ± 0,2 14,2 ± 0,7 21,9 ± 1,7 5,6 ± 0,0 2,6 ± 0,1 3,4 ± 0,1 1,8 ± 0,1 15,9 ± 0,1 9,2 ± 0,4
Gerste a 30,9 ± 1,2 21,4 ± 0,5 24,5 ± 0,7 8,3 ± 0,3 4,6 ± 0,1 4,7 ± 0,1 3,2 ± 0,1 15,2 ± 0,7 12,6 ± 0,3
Gerste b 37,5 ± 1,2 18,4 ± 0,5 23,6 ± 2,0 8,7 ± 0,1 4,0 ± 0,1 6,0 ± 0,2 2,9 ± 0,1 21,2 ± 0,9 10,8 ± 0,3
Hafer a 43,1 ± 1,1 35,6 ± 0,4 43,1 ± 0,2 11,3 ± 0,1 7,1 ± 0,0 15,4 ± 0,5 12,4 ± 0,2 14,3 ± 0,5 14,6 ± 0,2
Hafer b 47,3 ± 2,1 42,0 ± 0,5 45,5 ± 2,5 11,8 ± 0,4 8,2 ± 0,1 17,9 ± 0,7 15,7 ± 0,2 15,1 ± 0,9 16,2 ± 0,3
Mais a 59,4 ± 2,2 43,8 ± 0,3 50,1 ± 1,9 8,6 ± 0,2 5,8 ± 0,0 14,0 ± 0,5 10,6 ± 0,1 34,1 ± 1,3 25,5 ± 0,2
Mais b 70,1 ± 3,0 55,2 ± 0,1 51,0 ± 0,9 9,5 ± 0,2 6,9 ± 0,0 19,8 ± 0,9 16,0 ± 0,0 37,7 ± 1,8 29,9 ± 0,1
Pasta a 36,0 ± 1,5 17,2 ± 1,0 29,6 ± 0,0 9,7 ± 0,3 4,6 ± 0,3 9,6 ± 0,4 5,2 ± 0,3 15,0 ± 0,7 6,6 ± 0,4
Pasta b 38,3 ± 0,4 16,5 ± 0,6 30,8 ± 0,4 10,0 ± 0,1 4,2 ± 0,2 9,8 ± 0,1 4,9 ± 0,2 16,0 ± 0,2 6,6 ± 0,2
Futtersuppe a 42,2 ± 0,3 26,8 ± 0,2 34,4 ± 0,6 16,2 ± 0,1 10,9 ± 0,2 12,8 ± 0,2 8,2 ± 0,1 10,8 ± 0,1 6,6 ± 0,0
Futtersuppe b 268,0 ± 4,1 172,8 ± 0,0 273,0 ± 13,3 110,7 ± 1,7 74,2 ± 0,1 89,3 ± 1,2 57,3 ± 0,0 51,1 ± 0,7 33,6 ± 0,1
Schweinemastfutter 24,6 ± 1,1 24,9 ± 0,1 29,0 ± 0,1 6,3 ± 0,2 5,3 ± 0,1 4,4 ± 0,2 4,7 ± 0,1 12,8 ± 0,7 13,8 ± 0,3
Ferkelfutter a 62,6 ± 2,5 46,4 ± 0,5 57,9 ± 0,2 18,1 ± 0,7 12,5 ± 0,1 19,4 ± 0,9 14,5 ± 0,2 21,7 ± 0,8 17,3 ± 0,2
Ferkelfutter b 65,5 ± 0,4 46,5 ± 0,3 59,1 ± 2,9 23,9 ± 0,5 17,3 ± 0,1 20,6 ± 0,1 15,2 ± 0,1 17,1 ± 0,1 12,0 ± 0,0
Sauenfutter a 75,9 ± 1,1 55,5 ± 0,9 61,2 ± 2,2 23,3 ± 0,5 17,8 ± 0,3 26,0 ± 0,4 19,1 ± 0,3 22,2 ± 0,3 16,1 ± 0,2
Sauenfutter b 77,5 ± 0,8 64,8 ± 0,4 66,1 ± 2,2 24,6 ± 0,1 21,2 ± 0,2 23,2 ± 0,2 19,6 ± 0,1 25,2 ± 0,3 21,2 ± 0,1
Weizenkeime a 76,0 ± 4,6 64,0 ± 0,0 67,4 ± 4,2 15,4 ± 0,7 13,3 ± 0,0 11,4 ± 0,8 9,8 ± 0,0 44,9 ± 3,3 38,1 ± 0,0
Weizenkeime b 78,6 ± 0,7 64,6 ± 0,0 n.b. 15,8 ± 0,1 13,2 ± 0,0 12,4 ± 0,1 10,4 ± 0,0 46,6 ± 0,5, 38,1 ± 0,0
Treber a 108,9 ± 0,7 86,1 ± 0,3 101,6 ± 0,7 31,3 ± 0,1 23,1 ± 0,1 14,4 ± 0,1 9,8 ± 0,2 57,9 ± 0,5 49,3 ± 0,3
Treber b 109,1 ± 0,1 86,5 ± 1,3 90,7 ± 2,2 30,1 ± 0,1 23,1 ± 0,3 14,0 ± 0,0 10,1 ± 0,3 58,8 ± 0,2 49,5 ± 0,7
Rapskuchen a 112,6 ± 3,5 109,0 ± 0,1 105,9 ± 1,8 15,7 ± 0,7 15,8 ± 0,1 61,2 ± 1,7 58,5 ± 0,1 30,2 ± 1,0 29,8 ± 0,0
Rapskuchen b 106,8 ± 3,5 102,0 ± 0,5 92,9 ± 1,5 10,8 ± 0,7 9,9 ± 0,0 59,7 ± 1,7 57,3 ± 0,3 30,9 ± 1,0 30,3 ± 0,1
Sojabohnen a 248,7 ± 5,4 250,8 ± 2,0 216,4 ± 1,6 38,1 ± 0,4 39,4 ± 0,0 56,1 ± 1,2 56,3 ± 0,0 142,9 ± 3,7 144,0 ± 1,9
Sojabohnen b 272,9 ± 0,4 258,7 ± 1,2 213,8 ± 1,6 43,0 ± 0,0 41,2 ± 0,3 63,2 ± 0,6 59,0 ± 0,2 154,4 ± 0,3 147,0 ± 0,7
Sonnenblume a 374,8 ± 10,0 357,5 ± 4,7 351,7 ± 24,1 40,2 ± 1,2 38,0 ± 0,5 90,6 ± 1,8 84,5 ± 0,8 225,7 ± 6,2 219,1 ± 3,1
Sonnenblume b 517,7 ± 0,1 511,3 ± 1,1 486,3 ± 27,0 55,6 ± 0,4 54,1 ± 0,2 103,7 ± 0,2 103,3 ± 0,5 333,5 ± 0,3 331,2 ± 0,8
Alikon a 998,1 ± 1,5 1031 ± 4,6 935,9 ± 7,4 947,7 ± 1,1 979,7 ± 4,0 4,7 ± 0,2 4,4 ± 0,3 1,1 ± 0,0 1,4 ± 0,1
Alikon b 1010,1 ± 10,9 1011,6 ± 3,7 n.b. 959,5 ± 10,1 961,0 ± 3,2 4,5 ± 0,3 4,0 ± 0,1 1,1 ± 0,1 1,6 ± 0,2
*FT: Für Extraktion entspricht dies RL.
n.b.: nicht bestimmt.
Tab. 1 | Gehalte (Durchschnitt von 2 Wiederholungen ± sd) in FT (Gesamtfett), SFA (gesättigte Fettsäuren), MUFA (einfach ungesättigte Fett-säuren) und PUFA (mehrfach ungesättigte Fettsäuren) gemäss 3 Methoden: GC-IS (GC-FID In-Situ), GC-2E (GC-FID 2 Schritte) und Extraktion
Zusammensetzung von Fettsäuren in der Tierfütterung – Analysemethoden | Nutztiere
335Agrarforschung Schweiz 5 (9): 330–337, 2014
Hafer durch die beiden Methoden korrekt bestimmt
(Tab. 2). Die Fraktion der neutralen/polaren Lipide liegt
bei Hafer in der Grössenordnung von 80 bis 90 % mit
> 94 % in Form von Triglyceriden (Banas et al. 2007),
wohingegen diese Fraktion bei den übrigen Getreide
schwächer ausfällt (75 % bei Gerste gemäss Newman et al.
2008). Diese Besonderheit lässt sich auch bei Anwendung
der Extraktionsmethode beobachten. Bei den Futtermit-
teln kann diese Differenz vernachlässigbar sein (1,2 %)
oder im Bereich von 16 bis 29 % liegen. Bei Mischfutter-
mitteln ist dies von deren Zusammensetzung abhängig.
Zudem erleichtert das Vorhandensein von Neutrallipiden
deren Extraktion. Schlussendlich weisen die untersuchten
Proben mit einem FT > 110 g/kg TS wie Rapskuchen, Soja-
bohnen, Sonnenblumenkerne und Alikon nur sehr ge-
ringe Differenzen von 0 bis 5 % auf, da Alikon wie auch
Fettgewebe hauptsächlich aus Triglyceriden besteht
(Doreau et al. 1991, Murphy et al. 1998).
R e s u l t a t e u n d D i s k u s s i o n
Lipidgehalt gemäss drei Analysenmethoden
Tabelle 1 zeigt die Lipidgehalte in 29 unterschiedlichen
Proben, welche jeweils mit drei verschiedenen Analysen-
methoden bestimmt wurden. Jedes Ergebnis ist der Mit-
telwert aus zwei unabhängigen Bestimmungen. Bei den
in dieser Studie verwendeten Proben sind im Allgemei-
nen die mit der GC-IS-Methode bestimmten Gesamtfett-
gehalte höher als bei den beiden anderen Methoden,
wohingegen die GC-2E-Methode häufig zu den tiefsten
Werten führt. Die deutlichsten Unterschiede im Gesamt-
fettgehalt zwischen GC-2E und GC-IS lassen sich bei
Getreide (FT von 24 bis 47 g/kg TS in der Abbildung 3)
und Getreideprodukten beobachten mit Unterschieden
in Höhe von 30 bis 50 % bei Weizen und Gerste, 10 bis
26 % bei Hafer, Mais, Weizenkeimen und Biertreber. Im
Gegensatz zu anderen Getreiden wurden die PUFA im
-60%
-50%
-40%
-30%
-20%
-10%
0%
10%
20%
0 50 100 150 200 250
Unt
ersc
hied
e im
FT
-60%
-50%
-40%
-30%
-20%
-10%
0%
10%
0 50 100 150 200 250
SFA
(GC-
2E -
GC-
IS)
-60%
-50%
-40%
-30%
-20%
-10%
0%
10%
0 50 100 150 200 250 300
MU
FA (
GC-
2E -
GC-
IS)
FT [g/kg MS]
-60%
-50%
-40%
-30%
-20%
-10%
0%
10%
0 50 100 150 200 250
PUFA
(G
C-2
E - G
C-IS
)
FT [g/kg MS]
FT [g/kg MS]
GC-2E - GC-IS Ext. - GC-IS
FT [g/kg MS]
300 300
300
Abb. 3 | Unterschiede zwischen GC-2E und GC-IS sowie zwischen Extraktion und GC-IS für FT (in % bezogen auf FT gemäss GC-IS) versus FT gemäss GC-IS.
Weizen a Weizen b Gerste a Gerste b Hafer a Hafer b
[g/kg TS] GC-SI GC-2E GC-SI GC-2E GC-SI GC-2E GC-SI GC-2E GC-SI GC-2E GC-SI GC-2E
C16 : 1 t3 5,3 2,4 5,6 2,9 7,6 4,1 8,1 3,6 10,2 6,2 10,7 7,2
C18 : 1 c9 2,9 1,7 2,5 1,7 4,1 3,0 5,4 2,7 14,2 11,4 16,7 14,8
C18 : 2 c9c12 14,8 8,5 13,2 9,4 15,2 11,4 19,8 9,9 13,9 13,9 14,6 15,5
C18 : 3 c9c12c15 1,0 0,7 0,9 0,7 1,2 1,1 1,4 0,8 0,4 0,6 0,4 0,6
Tab. 2 | Mit den Methoden GC-IS und GC-2E in Getreide bestimmte Fettsäuren
336
Nutztiere | Zusammensetzung von Fettsäuren in der Tierfütterung – Analysemethoden
Agrarforschung Schweiz 5 (9): 330–337, 2014
Der mittels Extraktionsmethode bestimmte Gesamtfett-
gehalt wird in Ölsaatenproben wahrscheinlich aufgrund
einer unvollständigen Extraktion generell unterschätzt
(6 bis 22 %). Auch in Getreide wird das FT unterschätzt
mit Ausnahme von Hafer (0 bis 4 %) unterschätzt
(16 bis 37 %). In Alleinfuttermitteln kann die Extraktions-
methode hingegen zu unter- oder überschätzten Wer-
ten führen.
Genauigkeit und Unsicherheit der GCISMethode
Die GC-IS Bestimmungen korrelieren gut mit den zertifi-
zierten Werten des BCR-163 (Tab. 3). Einzig bei Ölsäure
und bei Linolsäure, C18 : 1 und C18 : 2, überschreitet die
Differenz der Mittelwerte die kombinierte erweiterte
Unsicherheit (∆m > U∆). In diesen Fällen ist jedoch der GC-
IS-Wert grösser als der zertifizierte Wert, was darauf hin-
deutet, dass die GC-IS-Methode vollständiger ist.
Wie in Tabelle 4 ersichtlich, weisen die in den vier
Proben für FT, SFA, MUFA und PUFA berechneten Unsi-
cherheiten Werte von unter 12 % auf.
S c h l u s s f o l g e r u n g e n
Bestimmt man das Gesamtfett sowie die Zusammenset-
zung der Lipide in verschiedenen Rohstoffen und Futter-
mitteln mit der GC-IS-Methode, so erweist sich diese als
genauer als die GC-2E-Methode oder die Extraktion (nur
RL), was bei der Optimierung von Schweinefuttermitteln
einen offensichtlichen Vorteil darstellt. Aber auch die
beiden letztgenannten Methoden können in gewissen
Fällen zu korrekten Ergebnissen führen (Proben, die
hauptsächlich aus Triglyceriden bestehen). Es ist von Vor-
teil, die RL-Analyse mit der GC-IS durch die FT-Analyse zu
ersetzen. n
BCR® - 163: Beef – Pork Fat Blend
% C14 C16 C16 : 1 C18 C18 : 1 C18 : 2 C18 : 3
BCR163
MRC 2,29 25,96 2,58 18,29 38,3 7,05 0,86
U 0,04 0,3 0,16 0,17 0,4 0,17 0,14
n 11 11 11 11 12 11 10
GC-IS
Durchschnitt 2,22 26,23 2,55 18,18 39,51 8 0,76
U 0,08 0,54 0,06 0,16 0,48 0,11 0,02
n 28 28 28 28 28 28 28
∆m0,07 0,27 0,03 0,11 1,21 0,95 0,1
U∆ 0,08 0,59 0,16 0,22 0,59 0,19 0,12
BCR163: Zertifizierte Referenzprobe: BCR® – 163: Beef-Pork Fat Blend (IRMM). MRC: Zertifizierter Wert. U: erweiterte Unsicherheit für 95 % Vertrauensintervall des zweiseitigen
Student-t-Tests. n: Anzahl der Replikate.
Tab. 3 | Genauigkeitsbestimmung der GC-IS Methode durch Vergleich zwischen den Unterschieden der Mittelwerte, Δm, und der kombinier-ten erweiterten Unsicherheit, UΔ (in Absolutwerten)
[g/kg TS] n SFA MUFA PUFA FT
GersteMittelwert 20 6,9 4,5 18,9 31,7
U 7,30 % 11,70 % 11,20 % 10,10 %
Futter aMittelwert 20 10,3 6,6 16 34,5
U 6,30 % 8,50 % 9,40 % 7,70 %
Futter bMittelwert 20 12,4 26,3 31,9 74,3
U 3,50 % 6,90 % 7,70 % 6,40 %
FettgewebeMittelwert 16 348,5 440,8 139,5 973,1
U 1,70 % 3,80 % 3,80 % 2,70 %
Tab. 4 | Unsicherheit (in % des Durchschnitts) der GC-IS-Methode, berechnet für 95 % Vertrauensintervall des zweiseitigen Student-t-Tests
337
Zusammensetzung von Fettsäuren in der Tierfütterung – Analysemethoden | Nutztiere
Ria
ssu
nto
Sum
mar
y
Agrarforschung Schweiz 5 (9): 330–337, 2014
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Determination of fatty acid compo
sition in feed – analytical methods
This paper illustrates the importance of
the analytical method for the determi
nation of fatty acid composition in
feed. In Switzerland, not only the lipid
content but also the fatty acids profile
are necessary to formulate a ration
that will produce an optimum quality
of fat in the pig carcass. Results of this
study showed that the fatty acid
profile obtained by gas chromatogra
phy (GC) with in situ transesterification
was more accurate and complete than
that obtained by a GC method in two
steps (fat extraction followed by
esterification) or by a gravimetric
empirical method which employed the
extraction of soluble compounds in a
given solvent.
Key words: FAME, fatty acid composi
tion, GCFID transesterification, total
fat content.
Composizione di acidi grassi negli
alimenti per animali – metodi di analisi
Il presente articolo illustra l’importanza
del metodo analitico nella determina
zione della composizione di acidi grassi
negli alimenti per animali. In partico
lare nell’alimentazione dei suini in cui,
in Svizzera, sono necessari per formu
lare una razione adatta a fornire una
qualità ottimale di grasso nella
carcassa del suino non solo il tenore in
grasso ma anche il profilo di acidi
grassi. Lo studio mostra che il metodo
GC (cromatografia in fase gassosa)
mediante transesterificazione in situ è
più preciso e completo rispetto al
metodo GC in due fasi (mediante
estrazione dei corpi grassi, poi esterifi
cazione) e al metodo empirico,
mediante gravimetria, che consiste
nell’estrazione dei composti solubili in
un solvente dato.
338 Agrarforschung Schweiz 5 (9): 338–343, 2014
Ziel dieser Analyse ist es, die Faktoren, die beim Kauf von
Bio-Lebensmitteln eine Rolle spielen, zu identifizieren
und ihren Einfluss zu messen. Um die Frage zu beant-
worten, welche Faktoren beim Kauf von Bio-Lebensmit-
teln von Bedeutung sind, wurde erstmals seit 2001 ein
Datensatz der Schweizer Haushaltsbudgeterhebung
(HABE) hinsichtlich des Konsums von Bio-Lebensmitteln
analysiert.
M a t e r i a l u n d M e t h o d e n
Datengrundlage
Das Bundesamt für Statistik (BFS) erhebt seit Beginn
der 1990er Jahre Daten zum Einkommen und Konsum
sowie zu den soziodemographischen Charakteristika
von Schweizer Privathaushalten. Seit 2000 wird diese
E i n l e i t u n g
Der Markt für Bio-Lebensmittel ist dynamisch und verän-
dert sich ständig. Aufgrund der steigenden Nachfrage
nach Bio-Lebensmitteln ist die Sortimentbreite und -tiefe
im Bio-Markt in den letzten Jahren stetig gewachsen
(Abb. 1). Die Umsatzentwicklung bestätigt diesen Wachs-
tumstrend (Bio Suisse 2014).
Aktuelle Erkenntnisse zum Verbraucherverhalten
sind einerseits nützlich, da sie Aufschluss über die Kauf-
entscheidungen der Konsumentinnen und Konsumen-
ten geben können. Das Verständnis der Käuferinnen
und Käufer und ihrer Bestimmungsgründe, Bio-Lebens-
mittel zu kaufen, ist andererseits auch die Grundvoraus-
setzung dafür, die (Schweizer) Agrarpolitik passend und
zielführend zu gestalten.
Wer in der Schweiz Bio-Lebensmittel kauft
Franziska Götze und Ali Ferjani
Agroscope, Institut für Nachhaltigkeitswissenschaften INH, 8356 Ettenhausen, Schweiz
Auskünfte: Franziska Götze, E-Mail: [email protected]
G e s e l l s c h a f t
Abb. 1 | Eine grosse Vielfalt an Bio-Produkten findet sich heute nicht nur im Gemüsemarkt, sondern erstreckt sich über die meisten Lebensmittelgruppen. (Foto: Bio Suisse)
Wer in der Schweiz Bio-Lebensmittel kauft | Gesellschaft
339
Zusa
mm
enfa
ssu
ng
Agrarforschung Schweiz 5 (9): 338–343, 2014
Der Markt für BioLebensmittel hat sich in
den letzten Jahren sehr positiv entwickelt.
Bisher ist jedoch wenig darüber bekannt,
welche Faktoren beim Kauf von BioLebens
mitteln eine Rolle spielen. Im Rahmen dieser
Analyse wurden Daten von Schweizer
Haushalten hinsichtlich des BioKonsums
deskriptiv und ökonometrisch analysiert.
Die Auswertung der Haushaltsdaten bestä
tigt den Wachstumstrend für BioLebensmit
tel insgesamt, aber auch für die betrachteten
neun Produktgruppen (Brot und Getreide
produkte; Fleisch; Fisch; Milchprodukte und
Eier; Speisefette und öle; Früchte; Gemüse;
Zucker und Süsswaren; Gewürze und Saucen).
Die beliebtesten BioProdukte sind Gemüse,
Milchprodukte und Eier sowie Früchte. Dabei
wächst der Konsum von BioGemüse am
stärksten.
Die ökonometrische Analyse zeigt, dass die
soziodemographische Struktur der Haushalte
die Entscheidung, BioLebensmittel zu
kaufen, beeinflusst. Mit steigendem Einkom
men steigt auch die Kaufwahrscheinlichkeit
der Haushalte. Auch das Alter der Referenz
person des Haushalts und das Vorhandensein
von Kindern spielen eine Rolle. Haushalte
ohne Kinder kaufen eher BioLebensmittel
als Haushalte mit Kindern.
Erhebung monatlich durchgeführt. Für die Befragung
werden die Haushalte per Zufallsverfahren ausgewählt.
Etwa 3000 Haushalte pro Jahr nehmen teil. Dabei wird
darauf geachtet, dass die Struktur der Haushalte im
Datensatz die ständige Schweizer Wohnbevölkerung
repräsentativ widerspiegelt. Die teilnehmenden Haus-
halte dokumentieren während des Befragungszeitraums
ihre Ausgaben und ihr Einkommen. Die Teilnahme der
Haushalte an der Befragung beschränkt sich jedoch auf
einen Monat, sodass es sich hierbei nicht um eine Panel-
erhebung, sondern um eine wiederholte Querschnitts-
befragung (repeated cross-section) handelt.
Beschreibung der Stichprobe
Die Haushaltsbudgeterhebung wurde im Jahr 2006
inhaltlich revidiert, daher wurde für diese Analyse eine
Stichprobe für den Sechsjahreszeitraum von 2006 bis
2011 verwendet. Die Stichprobe umfasst insgesamt
19 653 in der Schweiz wohnhafte Privathaushalte, die
sich zu etwa gleichen Teilen auf die sechs Jahre verteilen.
Die Stichprobe beinhaltet zum einen soziodemographi-
sche Variablen, die die Haushalte charakterisieren. Dazu
gehören die Sprach- und Grossregionen sowie die Kan-
tone, in denen sich die Haushalte befinden. Des Weite-
ren sind das Einkommen, die Haushaltsstruktur (Anzahl
der Personen, Anzahl und Alter der Kinder, Angaben zur
Person, die am meisten zum Haushaltseinkommen bei-
trägt [= Referenzperson] usw.) und die Ausstattung mit
Konsumgütern (z. B. Autos und Fernseher) dokumen-
tiert. In dieser Analyse wird jedoch nur ein Teil der Vari-
ablen der HABE verwendet, der für die Fragestellung
relevant ist. Zum anderen sind die Konsummengen und
Konsumausgaben der Haushalte ausgewiesen. Dazu
gehören neben den Nahrungsmitteln und Getränken
auch alle sonstigen Ausgaben der Haushalte (z. B. für
Wohnen, Energie und Kleidung). Nahrungsmittel und
Getränke werden nach «bio» und «konventionell»
unterschieden. Die Nahrungsmittel werden dabei in
neun Gruppen eingeteilt, die wiederum in einzelne Pro-
dukte differenziert sind (Abb. 2).
BioLebensmittel gewinnen Marktanteile
Die Auswertung des HABE-Datensatzes zeigt eine posi-
tive Entwicklung der Marktanteile von Bio-Lebensmit-
teln für die meisten Produktkategorien (Abb. 2).
Hatten die Bio-Lebensmittel 2006 noch einen Ausga-
benanteil von unter 7 %, so stieg dieser Anteil bis 2011
um mehr als einen Prozentpunkt. Gemessen an den Aus-
gabenanteilen war sowohl 2006 als auch 2011 Gemüse
das beliebteste Bio-Produkt, gefolgt von Milchproduk-
ten und Eiern sowie Früchten. All diese Produktgruppen
konnten im Zeitverlauf Marktanteile gewinnen. Aller-
dings lässt diese Rangfolge keine Rückschlüsse auf die
durchschnittlichen Ausgaben pro Haushalt und Monat
für das entsprechende Bio-Produkt zu. Am meisten
gaben die Haushalte für Bio-Milchprodukte und Bio-Eier
aus (24,33 Fr. pro Haushalt und Monat), danach folgten
Bio-Gemüse (23,39 Fr.) und Bio-Früchte (17,31 Fr.).Bemerkenswert ist, dass diejenigen Haushalte, die
Bio-Milchprodukte und Bio-Eier kauften, im Durchschnitt
auch mehr für die konventionelle Produktvariante aus-
gaben (91,11 Fr. pro Monat) als Haushalte, die keine Bio-
Milchprodukte kauften (87,96 Fr. pro Monat). Für Bio-
Gemüse und Bio-Früchte trifft ebenfalls zu, dass die
Haushalte, die das Bio-Produkt konsumierten, im Durch-
schnitt mehr für das konventionelle Produkt ausgaben.
Die kleinste Veränderung des Marktanteils erzielte
Bio-Fleisch. Hier stieg der Anteil nur geringfügig an (um
weniger als einen Prozentpunkt), allerdings sind in die-
ser Produktgruppe die durchschnittlichen monatlichen
Ausgaben für das konventionelle Produkt höher als in
allen anderen Produktgruppen.
Gesellschaft | Wer in der Schweiz Bio-Lebensmittel kauft
340 Agrarforschung Schweiz 5 (9): 338–343, 2014
Methodisches Vorgehen
Zur Bestimmung der Faktoren, die relevant für die Kauf-
entscheidung bei Bio-Lebensmitteln sind, wurde ein
binomiales gemischtes Logit-Modell verwendet. Dieses
Modell berücksichtigt neben fixen Effekten (Fixed
Effects), die den Regressionskoeffizienten entsprechen,
auch zufällige Effekte (Random Effects).
Für die Schätzung der Erfolgswahrscheinlichkeit der
abhängigen Variablen wurden die Haushalte zunächst in
Käufer und Nichtkäufer von Bio-Lebensmitteln unter-
schieden. Die abhängige Variable 𝑦𝑖 nimmt den Wert 1
an, wenn der Haushalt mindestens ein Bio-Lebensmittel
im Beobachtungsmonat gekauft hat, andernfalls ist sie
gleich 0.
Die Kaufwahrscheinlichkeit wurde daraufhin mit folgen-
dem Modell geschätzt:
Der Index 𝑖 bezieht sich auf die Anzahl der betrachteten
Haushalte (19 653). Dies bedeutet, dass für jeden Haushalt
die Wahrscheinlichkeit geschätzt wird, dass dieser in
Abhängigkeit von den fixen Effekten 𝑥𝑘𝑖 und zufälligen
Effekten 𝑢𝑖 Bio-Lebensmittel kauft (𝑦𝑖 = 1). Der Index
𝑘 = 1, …, 𝐾 bezeichnet die in der Analyse berücksichtigten
unabhängigen Variablen. 𝜖𝑖 ist der Fehlerterm des Modells.
Die Ergebnisse können als Koeffizienten (𝛽𝑖) oder
Odds Ratios ausgegeben werden. Die Ausgabe der Resul-
tate als Koeffizienten oder Odds Ratios hat dabei jedoch
keinen Einfluss auf die Methodik. Odds Ratios sind Wahr-
scheinlichkeitsverhältnisse und zeigen, inwiefern eine
erklärende Variable die Erfolgswahrscheinlichkeit (𝑦𝑖 = 1)
der zu erklärenden (abhängigen) Variablen beeinflusst
(positiv wie negativ). Sie sind wie folgt definiert:
In dieser Analyse ergibt sich die Odds Ratio (Erfolgswahr-
scheinlichkeit) für die abhängige Variable als Quotient
der Wahrscheinlichkeit (Pr), dass ein Haushalt Bio-Lebens-
mittel kauft (𝑦𝑖 = 1), und der Gegenwahrscheinlichkeit
(Ausgaben für Bio-Lebensmittel = 0). Odds Ratios bieten
im Vergleich zur Ausgabe von Regressionskoeffizienten
den Vorteil, dass sie leichter zu interpretieren sind. Sie
können einen Wert ≥ 0 annehmen. Ist die Odds Ratio
gleich 1, so beeinflusst die unabhängige Variable die
abhängige nicht – weder positiv noch negativ. In diesem
Fall würde die betrachtete unabhängige Variable die
Wahrscheinlichkeit, dass ein Haushalt Bio-Lebensmittel
kauft, weder erhöhen noch senken. Ist sie kleiner als 1,
so sinkt die Kaufwahrscheinlichkeit von Bio-Lebensmit-
teln, wenn die erklärende Variable auf den Haushalt
zutrifft. Beispielsweise würde die Wahrscheinlichkeit,
Bio-Lebensmittel zu kaufen, bei einer Odds Ratio von 0,5
um 50 % sinken, wenn die betrachtete unabhängige
Variable auf den Haushalt zutrifft. Nimmt die Odds Ratio
einen Wert grösser als 1 an, so steigt die Kaufwahr-
Abb. 2 | Entwicklung der Marktanteile verschiedener Kategorien von Bio-Lebensmitteln im Datensatz der Haushaltsbudgeterhebung (HABE 2006–2011), gemessen an den Gesamtausgaben (bio und konventionell). (Quelle: Haushaltsbudgeterhebung (HABE), Bundesamt für Statistik, Neuenburg)
Nahrungsmittelgesamt
Brot, Getreideprodukte
Fleisch Fisch Milch, Käse, Eier Speisefette,-öle
Früchte GemüseZucker, Konfitüren,Honig, Süsswaren
etc.
Saucen, Salz,Gewürze,
Suppen etc.2006 6,54% 6,45% 4,57% 4,29% 9,02% 8,30% 8,52% 9,26% 2,68% 4,67%2007 6,75% 7,19% 4,60% 4,37% 10,55% 9,33% 9,52% 11,13% 3,03% 4,85%2008 7,01% 6,75% 4,82% 5,09% 9,26% 8,38% 8,96% 11,12% 2,61% 4,78%2009 7,39% 6,79% 4,99% 6,43% 9,96% 9,39% 9,68% 11,74% 2,81% 5,13%2010 7,50% 7,15% 4,60% 7,33% 10,11% 9,77% 9,91% 11,63% 2,68% 5,76%2011 8,02% 7,61% 4,91% 6,33% 11,22% 9,56% 10,61% 13,57% 3,07% 5,17%
0%
2%
4%
6%
8%
10%
12%
14%
2008
2006
2007
2009
2010
2011
Quelle: Haushaltsbudgeterhebung (HABE), Bundesamt für Statistik, Neuenburg
Wer in der Schweiz Bio-Lebensmittel kauft | Gesellschaft
341Agrarforschung Schweiz 5 (9): 338–343, 2014
das Geschlecht der Referenzperson des Haushalts und
eine Dummyvariable für das Vorhandensein von Kindern
im Haushalt in die Analyse einbezogen. Eine genaue
Auflistung der erklärenden Variablen ist in der Ergebnis-
tabelle (Tab. 1) zu finden.
R e s u l t a t e u n d D i s k u s s i o n
Einflussfaktoren des BioKonsums
Als Referenzszenario wurde ein Haushalt ohne Kinder in
der italienischsprachigen Schweiz (Sprachregion III) mit
einer männlichen Referenzperson unter 35 Jahren
(Altersklasse I) im Jahr 2006 gewählt, der ein Bruttoein-
kommen von weniger als 4827 Fr. pro Monat zur Verfü-
gung hat (Einkommensklasse I).
Die Modellgüte, gemessen anhand des Bestimmt-
heitsmasses (R2), liegt bei 8,96 % (Tab. 1). Das Bestimmt-
heitsmass zeigt an, wie gut die Regressionsgleichung
die Daten abbildet. Bei der Auswertung von Haushalts-
daten bezüglich des Lebensmittelkonsums ist auch des-
halb ein eher niedriges R2 zu erwarten, weil eine Viel-
zahl von Einflussgrössen eine Rolle bei der
Kaufentscheidung spielen kann. Die Haushaltsbudget-
erhebung dokumentiert mögliche Variablen nur in
einem begrenzten Umfang. Dementsprechend kann
davon ausgegangen werden, dass weitere relevante
Einflussfaktoren nicht als Variablen im Datensatz erfasst
sind. Abgesehen von quantifizierbaren Einflussgrössen,
die gegebenenfalls aufgrund des Aufwands nicht im
Rahmen dieser Haushaltbefragung dokumentiert wur-
den, ist ausserdem in Betracht zu ziehen, dass Faktoren
qualitativer Natur beim Kauf bestimmter Nahrungsmit-
tel bzw. Nahrungsmittelqualitäten wie «bio» von
Bedeutung sind. In Frage kommen z. B. Gesundheits-
und Umweltbewusstsein sowie Tierwohl, wie bereits in
Studien aus anderen Ländern festgestellt wurde
(Zepeda und Nie 2012; Hjelmar 2011; Roitner-Schobes-
berger et al. 2008; Harper und Makatouni 2002). Dazu
sind in der HABE ebenfalls keine Angaben vorhanden,
diese Faktoren können jedoch bei der Konsumentschei-
dung von Bedeutung sein.
In Tabelle 1 sind die Ergebnisse der Schätzung der
Odds Ratios dargestellt. Die Odds Ratios zeigen an,
inwiefern die Kaufwahrscheinlichkeit (bio) im Vergleich
zum oben beschriebenen Referenzhaushalt beeinflusst
wird, wenn die erklärende Variable auf den Haushalt
zutrifft. Die Wahrscheinlichkeit, Bio-Lebensmittel zu
kaufen, steigt demnach mit der Einkommensklasse der
Haushalte. Die Wahrscheinlichkeit ist für Haushalte in
der Einkommensklasse II bereits grösser als in Einkom-
mensklasse I, in der höchsten Einkommensklasse ist sie am
grössten (Tab. 1). Haushalte der Einkommensklasse V
scheinlichkeit (eine Odds Ratio von 2,5 bedeutet z. B.
eine Steigerung der Kaufwahrscheinlichkeit um 150 %).
Als erklärende Einflussgrösse wurde zum einen das Jahr
berücksichtigt, in dem der betreffende Haushalt an der
Haushaltsbudgeterhebung teilgenommen hat. Zum
anderen wurden soziodemographische Merkmale des
Haushalts wie die Sprachregion, die Einkommensklasse,
Unabhängige Variablen:Odds Ratio
(Wahrscheinlich- keitsverhältnis)
P>|z|
Jahr 2007 (ja = 1, andernfalls = 0) 1,060
Jahr 2008 (ja = 1, andernfalls = 0) 1,008
Jahr 2009 (ja = 1, andernfalls = 0) 1,036
Jahr 2010 (ja = 1, andernfalls = 0) 1,174 **
Jahr 2011 (ja = 1, andernfalls = 0) 1,238 ***
Einkommensklasse1 II (4827 – 7024 Fr.) (ja = 1, andernfalls = 0)
1,168 **
Einkommensklasse III (7025 – 9494 Fr.) (ja = 1, andernfalls = 0)
1,278 ***
Einkommensklasse IV (9495 – 12 923 Fr.) (ja = 1, andernfalls = 0)
1,452 ***
Einkommensklasse V (≥ 12 924 Fr.) (ja = 1, andernfalls = 0)
1,673 ***
Sprachregion I (deutsch/rätoromanisch) (ja = 1, anderfalls = 0)
1,495 ***
Sprachregion II (französisch) (ja = 1, anderfalls = 0)
0,730 ***
Frau als Referenzperson2 (ja = 1, anderfalls = 0)
1,585 ***
Kind/er im Haushalt (ja = 1, andernfalls = 0)
0,843 ***
Altersklasse II (35 – 44 Jahre) (ja = 1, andernfalls = 0)
0,926
Altersklasse III (45 – 54 Jahre) (ja = 1, andernfalls = 0)
0,852 **
Altersklasse IV (55 – 64 Jahre) (ja = 1, andernfalls = 0)
0,934
Altersklasse V (65 – 74 Jahre) (ja = 1, andernfalls = 0)
1,138 *
Altersklasse VI (75 Jahre und älter) (ja = 1, andernfalls = 0)
1,246 **
Gesamtausgaben Nahrungsmittel (bio & konv.) in Fr.
1,001 ***
Konsumausgaben gesamt in Fr. 1,000 ***
Signifikanz (P>|z|):
* < 0,05 (signifikant); ** < 0,01 (hoch signifikant); *** < 0,001 (höchst signifikant)1 Das Bruttoeinkommen der Haushalte wurde in 5 Fünftel aufgeteilt (Durchschnitts-
werte über alle Jahre).2 Die Referenzperson ist diejenige Person im Haushalt, die am meisten zum Haus-
haltseinkommen beiträgt.
Bestimmtheitsmass R2 = 0,0896
Referenzvariablen: Jahr 2006, Einkommensklasse I (1. Fünftel < 4827 Fr.), Haushalt
in italienischsprachiger Region in der Schweiz, Mann als Referenzperson, kein Kind
im Haushalt, Altersklasse I (bis 34 Jahre)
Tab. 1 | Schätzwerte der Odds Ratios der binomialen gemischten Logit-Regression für den Einfluss der unabhängigen Variablen auf die Entscheidung der Haushalte, Bio-Lebensmittel zu kaufen
Gesellschaft | Wer in der Schweiz Bio-Lebensmittel kauft
342 Agrarforschung Schweiz 5 (9): 338–343, 2014
(Bruttoeinkommen ≥ 12 924 Fr. pro Monat) kaufen mit
67,3 % höherer Wahrscheinlichkeit Bio-Lebensmittel als
Haushalte in der niedrigsten Einkommensklasse I
(< 4827 Fr. Bruttoeinkommen pro Monat). Dies erscheint
in Anbetracht der höheren Konsumentenpreise für Bio-
Lebensmittel und des Preisabstands zu konventionellen
Produkten auch plausibel.
Des Weiteren kaufen Haushalte, die sich in der
deutsch- und rätoromanischsprachigen Schweiz befinden,
mit einer um etwa die Hälfte höheren Wahrscheinlichkeit
Bio-Lebensmittel als Haushalte in der italienischsprachi-
gen Region. Die Odds Ratios der Einkommensvariablen
und das im Vergleich zu den anderen Sprachregionen
höhere durchschnittlich verfügbare Einkommen1 (6915 Fr.)
bestätigen dieses Ergebnis. Die Wahrscheinlichkeit, Bio-
Lebensmittel zu kaufen, ist in der französischsprachigen
Schweiz hingegen deutlich geringer als in der italienisch-
und der deutschsprachigen Schweiz.
Tabelle 1 zeigt darüber hinaus unterschiedliche Kauf-
wahrscheinlichkeiten bei verschiedenen Altersklassen der
Referenzperson der Haushalte. Tendenziell gehören
Haushalte mit einer älteren Referenzperson (über 64
Jahre) eher zu den Bio-Käufern als junge Haushalte (mit
einer Referenzperson bis 34 Jahre). Haushalte mit Refe-
renzpersonen mittleren Alters (45 bis 54 Jahre) zeigen die
geringste Wahrscheinlichkeit, Bio-Produkte zu kaufen.
Ihre Wahrscheinlichkeit ist geringer als bei jungen Haus-
halten, wohingegen die Wahrscheinlichkeit von Haushal-
ten mit älteren Referenzpersonen (älter als 64 Jahre) am
grössten ist.
Die höhere Kaufwahrscheinlichkeit älterer Referenz-
personen wird auch durch die niedrige Kaufwahrschein-
lichkeit von Haushalten mit Kindern gestützt. Demnach
ist die Wahrscheinlichkeit Bio-Lebensmittel zu kaufen, bei
Haushalten mit einem oder mehreren Kindern geringer
als bei Haushalten ohne Kinder. Der Einfluss von Kindern
im Haushalt wurde in bisherigen Studien unterschiedlich
geschätzt. Wier et al. (2008) stellten beispielsweise fest,
dass das Vorhandensein von Kindern im Haushalt die
Kaufwahrscheinlichkeit erhöht, wohingegen Zepeda und
Li (2007) eine niedrigere Wahrscheinlichkeit schätzten.
Um den Einfluss von Kindern im Haushalt genauer abzu-
schätzen, müsste diese Variable weiter differenziert wer-
den, da die Höhe der Odds Ratio in Abhängigkeit von der
Anzahl und dem Alter der im Haushalt lebenden Kinder
variieren kann (Wier et al. 2008).
Ist eine Frau die Hauptverdienerin (Referenzperson)
im Haushalt, erhöht dies die Kaufwahrscheinlichkeit um
mehr als die Hälfte im Vergleich zu einer männlichen
Referenzperson. Die Höhe der Gesamtausgaben für
Nahrungsmittel sowie der gesamten Konsumausgaben
beeinflussen die Haushalte in ihrer Entscheidung, Bio-
Lebensmittel zu kaufen jedoch nicht, beziehungsweise
kaum.
S c h l u s s f o l g e r u n g e n
Die Auswertung des Datensatzes aus der Haushaltsbudget-
erhebung (HABE) für die Jahre 2006 bis 2011 hat gezeigt,
dass die Bio-Produkte auf der einen Seite über alle Pro-
duktgruppen betrachtet Marktanteile gewinnen konnten.
Auf der anderen Seite zeigt die Entwicklung der einzelnen
Produktkategorien im Vergleich, dass insbesondere jene
Bio-Produkte Marktanteile gewinnen konnten, die ohne-
hin schon einen hohen Marktanteil hatten (Gemüse,
Milchprodukte und Eier sowie Früchte). Produkte mit klei-
neren Marktanteilen im Beobachtungsjahr 2006 verzeich-
neten niedrigere Wachstumsraten (z. B. Bio-Fleisch).
Des Weiteren konnte festgestellt werden, dass die
soziodemographische Struktur der Haushalte die Ent-
scheidung, Bio-Lebensmittel zu kaufen, signifikant beein-
flusst. So kann davon ausgegangen werden, dass Haus-
halte mit einem höheren Einkommen eher
Bio-Lebensmittel kaufen als Haushalte mit einem niedri-
gen Einkommen. Zudem kaufen insbesondere Haushalte
mit einer Frau als Referenzperson Bio-Lebensmittel. Haus-
halte in der deutschsprachigen Schweiz haben ebenfalls
eine höhere Kaufwahrscheinlichkeit als Haushalte in den
anderen Sprachregionen. Jüngere Haushalte zeigen eine
geringere Tendenz, Bio-Produkte zu kaufen, was einher-
geht mit der geringeren Kaufwahrscheinlichkeit von
Haushalten mit Kindern. Die geringere Kaufwahrschein-
lichkeit trifft in noch stärkerem Ausmass auf Haushalte im
mittleren Alter zu. Ältere Haushalte hingegen kaufen
eher «bio». In Anbetracht des steigenden Anteils älterer
Menschen in der Gesellschaft kann dies eine Chance für
den Bio-Lebensmittelmarkt sein.
Die soziodemographischen Haushaltsmerkmale geben
Aufschluss über die Bestimmungsgründe der Kaufent-
scheidung der Haushalte. Die Aussagekraft des ange-
wandten Modells ist angesichts des eher kleinen R2 jedoch
noch begrenzt. Es muss daher davon ausgegangen wer-
den, dass weitere Einflussfaktoren existieren. Diese gilt es
im nächsten Schritt zu identifizieren und zu testen. Die
Analyse einer so heterogenen Produktkategorie wie der
Bio-Lebensmittel gibt einen ersten Überblick über die
Bestimmungsgründe des Kaufs. Die Betrachtung einzel-
ner Produkte und Produktgruppen kann jedoch noch
genauer Aufschluss über die Konsummuster geben. n1Das durchschnittlich verfügbare Einkommen pro Monat und Haushalt liegt in der französischsprachigen Schweiz bei 6503 Fr., in der italienischsprachigen Schweiz bei 6154 Fr.
Wer in der Schweiz Bio-Lebensmittel kauft | Gesellschaft
343Agrarforschung Schweiz 5 (9): 338–343, 2014
Ria
ssu
nto
Sum
mar
y
Literatur ▪ Bio Suisse, 2014. Biofläche in der Schweiz wächst um 5000 Hektaren – Biomarkt erstmals über 2 Milliarden Franken. Jahresmedienkonferenz Bio Suisse, Basel, 9. April 2014.
▪ Harper G.C. & Makatouni A., 2010. Consumer perception of organic food production and farm animal welfare. British Food Journal 104 (3), 287–299.
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▪ Wier M., O’Doherty Jensen K., Andersen L.M. & Millock K., 2008. The character of demand in mature organic food markets: Great Britain and Denmark compared. Food Policy 33 (5), 406–421.
▪ Zepeda L. & Li J., 2007. Characteristics of Organic Food Shoppers. Journal of Agricultural and Applied Economics 39 (1), 17–28.
▪ Zepeda L. & Nie C., 2012. What are the odds of being an organic or local food shopper? Multivariate analysis of US food shopper lifestyle seg-ments. Agriculture and Human Values 29 (4), 467–480.
Who buys organic foods in Switzerland?
Over the past years, the Swiss market
for organic foods has grown consider
ably. However, little is known about
the factors that motivate consumers to
purchase organic food products.
Within the framework of this analysis,
data from Swiss households on the
consumption of organic foods were
analysed descriptively and econometri
cally. The evaluation of these house
hold data confirmed the growing trend
for organic foods in general and for
the nine product groups under consid
eration, namely Bread and Grain
Products; Meat; Fish; Dairy Products
and Eggs; Edible Fats and Oils; Fruit;
Vegetables; Sugar and Confectionery;
and Condiments and Sauces. The most
popular organic products were
vegetables, dairy products and eggs,
and fruit, with the consumption of
organic vegetables showing the
strongest growth.
The econometric analysis showed that
the sociodemographic structure of the
households influenced the decision to
buy organic foods. As income
increased, so did the likelihood that
these households would purchase
organic products. The age of the
reference person of the household and
the presence of children also played a
role, with childless households being
more likely to buy organic foods than
those with children.
Key words: demand for organic food,
demand analysis, household data,
mixed logit model.
Chi compra alimenti biologici in
Svizzera
Negli ultimi anni il mercato degli
alimenti biologici ha mostrato sviluppi
molto positivi. Ad oggi, tuttavia, si sa
poco su quali siano i fattori che
influenzano l’acquisto di prodotti
biologici. Questa analisi ha preso in
esame i dati sul consumo di prodotti
bio da parte delle famiglie svizzere per
trarne conclusioni descrittive ed
econometriche. L'esame di tali dati ha
confermato non solo la tendenza alla
crescita degli alimenti biologici in
generale, ma anche quella delle nove
categorie di prodotti prese in conside
razione (pane e prodotti a base di
cereali, carne, pesce, latticini e uova,
oli e grassi alimentari, frutta, verdura,
zucchero e dolciumi, spezie e condi
menti). I cibi biologici preferiti risul
tano essere le verdure, i latticini e le
uova, ma anche la frutta. Il consumo
di verdure biologiche è quello che
presenta la crescita più marcata.
L’analisi econometrica indica che la
struttura sociodemografica delle
famiglie influenza la decisione di acqui
stare alimenti biologici. La probabilità
di acquisto è direttamente proporzio
nale al reddito della famiglia. Influi
scono anche l’età dei soggetti di
riferimento all’interno delle famiglie e
la presenza di figli. Le famiglie senza
figli sono più propense ad acquistare
cibo biologico rispetto a quelle con
figli.
344 Agrarforschung Schweiz 5 (9): 344–351, 2014
Im vorliegenden Artikel werden die Resultate der Studie
präsentiert und in Bezug zur vorhandenen Fachliteratur
gesetzt.
In der Literatur sind sich verschiedene Autoren darin
einig, dass die Innovationsfähigkeit und die unterneh-
merischen Kapazitäten der Landwirtschaft einen erheb-
lichen Beitrag zur Entwicklung ländlicher Räume leisten
können. So sind Produktion und Absatz von regionalen
Lebensmittelprodukten gemäss verschiedener Autoren
Teil der regionalen Wertschöpfung ländlicher Regionen.
Die «Regionalisierung der Nahrungssysteme» (Knox und
E i n l e i t u n g
Im Rahmen des Programms San Gottardo 2020 wurde
von der Fachgruppe Agrarwirtschaft der Hochschule für
Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL)
eine Studie über das Potenzial von regionalen Lebens-
mittel-Spezialitäten und agrotouristischen Dienstleis-
tungen in der Gotthardregion durchgeführt. Der Unter-
suchungsperimeter umfasst den Kanton Uri, die Bezirke
Surselva im Kanton Graubünden und Goms im Kanton
Wallis sowie die Region Bellinzona e Tre Valli im Tessin.
Potenziale der Landwirtschaft in der GotthardregionAndreas Hochuli, Esther Hidber und Mario Huber
Hochschule für Agrar, Forst und Lebensmittelwissenschaften HAFL, 3052 Zollikofen
Auskünfte: Andreas Hochuli, E-Mail: [email protected]
A g r a r w i r t s c h a f t
Abb. 1 | Das Potenzial für regionale Lebensmittel-Spezialitäten aus der Gotthardregion wird als relativ gross eingestuft. (Foto: Caseificio del Gottardo)
Potenziale der Landwirtschaft in der Gotthardregion | Agrarwirtschaft
345
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ssu
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Agrarforschung Schweiz 5 (9): 344–351, 2014
Im Kontext mit der Entwicklung ländlicher
Regionen weist die Produktion und Vermark
tung von regionalen LebensmittelSpezialitä
ten ein erhebliches Potenzial auf. Dies
konnte eine Studie der Hochschule für Agrar,
Forst und Lebensmittelwissenschaften HAFL
für die Gotthardregion aufzeigen. Diese
Erkenntnis kann zudem mittels Fachliteratur
gestützt werden. Bei der Produktion und
dem erfolgreichen Vertrieb regionaler
LebensmittelSpezialitäten kommt der
Qualität der Produkte sowie einem glaub
würdigen Regionallabel eine hohe Bedeu
tung zu. Ebenso konnte die Studie ein
erhebliches Potenzial für die Optimierung
bestehender und das Auffinden neuer
Absatzkanäle innerhalb und ausserhalb der
Gotthardregion identifizieren. In diesem
Zusammenhang kommt auch agrotouristi
schen Dienstleistungen eine grosse Bedeu
tung zu. Ein gut entwickeltes Angebot im
Agrotourismus fördert nicht nur den Absatz
regionaler LebensmittelSpezialitäten. Auch
die gesamte touristische Attraktivität, die
regionale Wertschöpfung der Gotthardregion
und das Einkommen von Landwirtschaftsbe
trieben kann damit gesteigert werden.
Mayer 2009) beinhaltet unter anderem das Element der
Valorisierung von regionalen Lebensmittel-Rohstoffen
zu Lebensmittel-Spezialitäten, was als Massnahme zur
regionalen Entwicklung angesehen werden kann. Pacci-
ani et al. (2001) sehen diese Valorisierung sogar als
Grundlage für die Entwicklung ländlicher Räume (Abb.1).
Darüber hinaus zählt auch die Förderung des ländlichen
Tourismus zu den bedeutendsten Entwicklungsstrate-
gien für ländliche Gebiete (Wilson et al. 2001). Auch in
diesem Fall spielt die Landwirtschaft eine wichtige Rolle,
einerseits zur Erhaltung der Landschaft (als Vorausset-
zung für den ländlichen Tourismus) und anderseits durch
das Angebot von agrotouristischen Dienstleistungen.
Ausgehend von diesen einführenden Überlegungen
soll im Folgenden der Einfluss der Landwirtschaft auf die
Entwicklung ruraler Räume am Beispiel der Gotthardre-
gion aufgezeigt werden.
M e t h o d e
Die empirische Untersuchung erfolgte grösstenteils
mittels Experteninterviews mit Stakeholdern aus der
regionalen Lebensmittelproduktion der Gotthardre-
gion (darunter waren Vertreter der Landwirtschaft,
Nahrungsmittelverarbeitung und von Vertriebskanälen
in der Gotthardregion) und ausgewiesenen Experten für
ländliche Entwicklung. Die Befragung erfolgte teilweise
im persönlichen Gespräch, per Telefon oder schriftlich.
Der Befragungszeitraum umfasste die Monate August
und September 2013. Für diese Studie wurde eine
gemischte Methode mit standardisierten und offenen
Leitfadeninterviews eingesetzt. Hierzu wurden Frage-
bögen zu den Fragekomplexen «Potenziale», «Kosten-
Nutzen», «Probleme und Herausforderungen» sowie
«Bedürfnisse» ausgearbeitet. Entsprechend der Stake-
holder-Gruppen (Produktion, Verarbeitung und Ver-
marktung/Vertrieb und öffentliche Verwaltung) wur-
den unterschiedliche Fragebögen ausgearbeitet. Dies
führte dazu, dass die Anzahl Antworten pro Frage
unterschiedlich ausfiel. Die Auswertung der Erhebung
erfolgte zum einen über Auszählungen der Antworten
zu Fragen mit kategorialen Antwortmöglichkeiten.
Diese Daten wurden grafisch dargestellt und kommen-
tiert beziehungsweise bewertet. Zum anderen wurden
die Antworten aus den offen gestellten Fragen tabella-
risch verdichtet und so in die qualitativen Auswertun-
gen miteinbezogen.
Entsprechend der Methode haben die Aussagen der
Studie einen rein qualitativen respektive indikativen
Charakter. Damit kann keine Repräsentativität der Erhe-
bung und deren Ergebnisse erwartet werden. Dennoch
können die Resultate der Studie einen Beitrag zur Dis-
Agrarwirtschaft | Potenziale der Landwirtschaft in der Gotthardregion
346 Agrarforschung Schweiz 5 (9): 344–351, 2014
kussion über die Bedeutung regionaler Produktionssys-
teme im Bereich der Nahrungsmittel für die Regional-
entwicklung leisten.
R e s u l t a t e u n d D i s k u s s i o n
Regionale Lebensmittelspezialitäten
Aufgrund der konsultierten Literatur scheint das Markt-
potenzial regionaler Lebensmittel-Spezialitäten vorhan-
den zu sein (Warschung et al. 2013; Henseleit et al. 2007).
Grund für die relativ hohe Nachfrage sind vor allem
sogenannte kognitive (Regional steht für Qualität,
Gesundheit, Frische oder Umweltfreundlichkeit) und
normative (verstanden als moralische Verpflichtung zur
Unterstützung der lokalen Produzenten) Faktoren. Die
Ergebnisse der im Rahmen der vorliegenden Studie
geführten Interviews bestätigen diese Aussagen weitge-
hend. Die Stakeholder sind generell der Meinung, dass
ein grosses Potenzial für regionale Lebensmittel-Spezia-
litäten besteht. Die Gründe für diese Einschätzung aus
Sicht der Befragten liegen bei der zunehmenden Bereit-
schaft der Konsumenten, höhere Preise für qualitativ
hochwertige und regionale Produkte zu bezahlen. Wenn
vor allem dem Tourismus ein hohes Potenzial für den
Absatz von regionalen Produkten zugeschrieben wird,
gilt dies laut der Befragten, nicht immer für die Einwoh-
ner der betroffenen Region. Verschiedene Stakeholder
haben angegeben, dass die lokale Bevölkerung zu wenig
sensibel für den Kauf von regionalen Produkten ist. Pet-
rini (2005; Zitiert in Knox und Mayer 2009) sieht den
Schlüssel der Akzeptanz in der Identität des Konsumen-
ten in den regionalen Produktionsketten: der «Konsum
[ist] die letzte Stufe des Produktionsprozesses […]». Als
Teil des Produktionsprozesses müsse der Kunde wissen,
wo, wie und durch wen das Produkt produziert und ver-
arbeitet wird. Obwohl das Marktvolumen für regionale
Lebensmitteln schwer ermittelbar ist (vor allem auf-
grund der fehlenden genauen Definitionen und Stan-
dards für regionale Produkte), steht fest, dass die «Regi-
onalität» der Produkte ein relevanter Faktor der
Kaufentscheidung geworden ist und dass ein Fehlen von
regionalen Produkten im Verkauf gar als ein Wettbe-
werbsnachteil angesehen wird (Warschung et al. 2013).
Neben dem Tourismus wird auch das Exportpotenzial
von regionalen Lebensmittel-Produkten aus der Gott-
hardregion als hoch eingeschätzt. Generell wird die Mei-
nung vertreten, dass in der restlichen Schweiz (vor allem
in den urbanen Zentren) ein relativ grosses Marktpoten-
zial für regionale Produkte aus der Gotthardregion vor-
handen ist. Weniger positiv eingestellt sind die Stakehol-
der bezüglich der Möglichkeit des Exports von regionalen
Lebensmittel-Spezialitäten in Europäische Grosszentren.
Die Valorisierung von heimischen Erzeugnissen wird in
der Literatur oft als wichtiger Faktor für die regionale
Entwicklung ländlicher Räume angesehen (Knox und
Mayer 2009; Pacciani et al. 2001). Die Wirtschaftsakteure
des regionalen Lebensmittelsektors nehmen durch das
aktive und engagierte Verfolgen des wirtschaftlichen
Eigeninteressens (oft unbewusst) am regionalen Wirt-
schaftskreislauf teil (Ganzert et al. 2004). Ein ideales regi-
onales Lebensmittel-System wird von Clancy und Ruhf
(2010) als ein System beschrieben, in dem so viele Lebens-
mittel wie möglich auf verschiedenen Levels und Skalen
in der Region produziert, verarbeitet, vertrieben und ver-
kauft werden, um den Lebensmittel-Bedürfnissen der
Konsumentinnen und Konsumenten gerecht zu werden.
Damit könne eine grosse Elastizität erlangt, lediglich ein
Minimum an Lebensmitteln importiert und ein wirt-
schaftlicher und sozialer Mehrwert unter den Stakehol-
dern der regionalen Lebensmittel-Wertschöpfungskette
generiert werden. Zudem kann ein regional-organisier-
tes Lebensmittel-System die Nettowertschöpfung der
gesamten regionalen Wirtschaft steigern, Arbeitsplätze
schaffen, die Landschaft erhalten, durch geringeren CO2-
Ausstoss einen Beitrag an den Umweltschutz leisten und
das Sozialkapital einer Region erhöhen (Wiskerke 2009).
In der Gotthardregion wird generell eine grosse
Menge an landwirtschaftlichen Rohstoffen produziert,
aber nur ein geringer Teil davon wird auch in der Region
verarbeitet. Bei der Kuhmilch werden in der Gotthard
region beispielsweise etwa 50 Prozent der Produktion
verarbeitet (Abb. 2). Ähnliches gilt es für die Verarbei-
tung von Rohfleisch zu Fleischprodukten, auch hier wird
in der Gotthardregion etwa 45 Prozent des potenziellen
Rohfleisches verarbeitet. Innerhalb des gesamten
Fleischsortiments gibt es aber grosse Mengenunter-
schiede. Zum Beispiel muss Ziegenfleisch zur Deckung
der Verarbeitungsmengen in die Gotthardregion impor-
tiert werden (123 % des potenziell produzierten Roh-
fleischs wird verarbeitet) während beim Schaf- oder
Kalbfleisch nur ein kleiner Teil davon in der Region ver-
arbeitet wird (je 17,4 %). Da die Verarbeitung der Roh-
stoffe teilweise nicht weit ausserhalb des Untersu-
chungsperimeters erfolgt (was ein Zeichen dafür sein
kann, dass das Verständnis von «Regional» trotzdem
vorhanden ist, aber nicht unbedingt dem Perimeter der
Gotthardregion entspricht), sind diese Informationen
mit Vorsicht zu bewerten. Trotzdem führt diese Tatsache
zur Aussage, dass in der Gotthardregion zurzeit noch
kein optimiertes regionales Lebensmittel-System (laut
der Definition von Clancy und Ruhf 2010) existiert.
Ein wesentlicher Grund für den Export eines grossen
Teils der landwirtschaftlichen Rohstoffe aus der Gott-
hardregion könnten die hohen Produktionskosten für
Potenziale der Landwirtschaft in der Gotthardregion | Agrarwirtschaft
347Agrarforschung Schweiz 5 (9): 344–351, 2014
ratur wird jedoch über die räumliche Ausstrahlung der
Labels diskutiert. Die Wirkung von regionalen Labels (im
Vergleich zu anderen Labels) ist stark umstritten. Hu et
al. (2012) haben beispielsweise herausgefunden, dass
Produkte, die mit einem nationalen Label versehen sind,
eher gekauft werden als Produkte mit einem regionalen
Label. Gracia et al. (2011) weisen hingegen darauf hin,
dass ein regionales Label Kunden dazu bewegen kann,
einen Mehrpreis für regionale Produkte zu bezahlen. In
der vorliegenden Studie wurde von den befragten Sta-
keholdern der Gotthardregion klar hervorgehoben, dass
ein vertrauenswürdiges Label für die Vermarktung regi-
onaler Lebensmittel-Spezialitäten sehr wichtig sei. Etwa
die Hälfte der Befragten in der Kategorie «Vertrieb» ist
der Meinung, dass sich die Gotthardregion als geeignete
Vermarktungseinheit für ein neues Label eignen würde
(Abb. 3). Als Grund dieser partiellen Unterstützung eines
regionalen Labels für die Gotthardregion könnte die
hypothetische Aussage formuliert werden, dass in der
Region ein zu geringes Bewusstsein für die Gotthardre-
gion existiert, um sich mit einem «Gotthard»-Label iden-
tifizieren zu können. Anders formuliert könnte das Regi-
onalbewusstsein (vgl. folgender Abschnitt) in anderen
Raumeinheiten (z.B. die Kantonale- oder die Bezirkse-
regionale Lebensmittel-Spezialitäten sein. Die meisten
interviewten Stakeholder waren der Meinung, dass
diese in der Gotthardregion «eher hoch» oder «hoch»
seien. Die Produktionskosten sind aber nicht die einzi-
gen Schwierigkeiten, welche von den Stakeholdern
bezüglich der Produktion von Lebensmittel-Spezialitä-
ten genannt wurden. Auch die Kosten für die Vermark-
tung wurden mehrheitlich als hoch bewertet. Ebenso
werden aus Sicht der befragten Stakeholder die Hygie-
nevorschriften und die Saisonalität der Rohstoffproduk-
tion als Hindernis für die regionale Verarbeitung und
Vermarktung genannt.
Die Vertriebskanäle in und ausserhalb der Gott-
hardregion sind den Befragten grossmehrheitlich
bekannt und werden auch genutzt. Einzig die Nutzung
von Internetplattformen für den Vertrieb von regiona-
len Lebensmittel-Spezialitäten scheint eingeschränkt zu
sein. Das Vertriebspotenzial über die Gastronomie wird
von den Stakeholdern als hoch eingestuft. Dies vor allem
wegen dem touristischen Aufkommen in der Gott-
hardregion.
Gemäss der Einschätzung der befragten Stakeholder
spielen Lebensmittel-Labels bei der Vermarktung von
Lebensmittel-Produkten eine wichtige Rolle. In der Lite-
0 10
±
GR
UR
TIVS
6821
4697
2842417
2221
23 526
5706
13 231
3874
2764
10 981
7268
1451265
Potenzielle MengeEffektive Menge
Kuhmilch in Tonnen/Jahr
20 km
Abb. 2 | Verarbeitungspotenzial von Kuhmilch in der Region San Gottardo.
Begriffsdefinition: Potenzielle Menge: Höchstmögliche landwirtschaftliche Primärrohstoffmenge die in der Region zu Qualitätsprodukten verarbeitet werden könnte. Effektive Menge: Statistisch erhobene Primärrohstoffmenge die in der Region verarbeitet wird.Datenquelle: Potenzielle Mengen: Eigene Berechnungen. Effektive Mengen: TSM Treuhand GmbH, Bern. Kartengrundlage: Swisstopo. Erstellt am 26.11.2013, HAFL ©
Agrarwirtschaft | Potenziale der Landwirtschaft in der Gotthardregion
348 Agrarforschung Schweiz 5 (9): 344–351, 2014
bene) wichtiger sein als in der Gotthardregion (Ganzert
et al. 2004). Hinsichtlich der Vermarktung wird von den
Interviewpartnern insgesamt mehr Unterstützung
erwartet, da die Kosten dafür relativ hoch sind.
In der Untersuchung wurden unter anderem auch
Daten zu den erwarteten Qualitätskriterien für regio-
nale Lebensmittel-Spezialitäten aus der Gotthardregion
(unabhängig von jeglichen Labels) erhoben. Die Stake-
holder der regionalen Lebensmittelproduktion sind klar
der Meinung, dass zur Produktion regionaler Lebensmit-
tel-Spezialitäten die landwirtschaftlichen Rohstoffe
zwingend aus der Region stammen müssen. Hier stellt
sich aber laut Aussagen der Interviewpartner das Prob-
lem der Saisonalität der Lebensmittelrohstoffe. Die kon-
tinuierliche Lieferung der Rohstoffe kann nicht gewähr-
leistet werden. Lediglich ein Verarbeitungsbetrieb gab
0 2 4 6 8 10 12 14 16 18
Neue regionale Lebensmittel-Spezialitäten müssen biszum landw. Produzenten zurückverfolgt werden können
Landw. Rohstoffe für die Produktion regionalerLebensmittel-Spezialitäten müssen zwingend
aus der Region San Gottardo stammen
Bereitschaft regionale Lebensmittel Spezialitäten unterder Dachmarke «San Gottardo» über eigene
Vertriebskanäle zu vermarkten
Bereitschaft regionale Lebensmittel-Spezialitäten unterneu zu definierendem Label über eigene
Vertriebskanäle zu vermarkten
Für die Vermarktung regionaler Lebensmittel-Spezialitäten ist ein vertrauenswürdiges Label
aus Konsumentensicht sehr wichtig
trifft zu
trifft teilweise zu
trifft nicht zu
weiss nicht
Abb. 3 | Vermarktungsmassnahmen und Qualitätskriterien für regionale Lebensmittel-Spezialitäten aus der Gotthardregion.
Abb. 4 | Aus der Kombination zwischen der regionalen Lebensmittelproduktion und des ruralen Tourismussektors ergibt sich eine Win-Win Situation: der Tourismus als zusätzlicher Absatzmarkt für regionale Produkte und regionale Produkte als Stärkung des touristischen Ange-bots. (Foto: ©Valais/Wallis Promotion – Pascal Gertschen)
Potenziale der Landwirtschaft in der Gotthardregion | Agrarwirtschaft
349Agrarforschung Schweiz 5 (9): 344–351, 2014
Gründe wie der Wunsch, den Betrieb in der Familie zu
behalten oder einem Hobby nachzugehen sind für den
Aufbau eines agrotouristischen Angebots wichtig (Tew
& Barbieri 2012).
Aus guten und richtig positionierten agrotouristi-
schen Dienstleistungen kann ein zusätzlicher Nutzen
für die Landwirtschaft gezogen werden (Abb. 4). Dies
wurde von den befragten Stakeholdern der Gott-
hardregion bestätigt. Die Qualität und die kundenori-
entierte Ausrichtung des Angebots reichen aber nicht
aus. Wichtig seien auch andere Faktoren, wie der per-
sönliche Kontakt zu den Gästen oder auch das touristi-
sche Umfeld (z.B. weitere Attraktionen in der Region).
Für den Aufbau von agrotouristischen Dienstleistungen
sind jedoch oft die gesetzlichen Hürden und der Auf-
wand zu gross. Vor allem die Restriktionen des Raum-
planungsgesetztes, wie auch die Investitionskosten und
der Arbeitsaufwand wurden von den Landwirtschafts-
betrieben (aber auch durch die Vertreter der öffentli-
chen Verwaltung bestätigt) als tendenziell negativ
wahrgenommen (Abb. 5). Wenn aber eine massgebli-
che Unterstützung von Seiten der öffentlichen Hand
oder Dritter gegeben wäre, wären die Betriebe gene-
rell am Aufbau einer agrotouristischen Dienstleistung
interessiert. Und dies nicht nur aus rein finanziellen
Gründen, sondern auch um einen aktiven und berei-
chernden Austausch mit den Touristen und dadurch
eine emotionale Nähe zu den regionalen Produkten zu
schaffen.
an, dass die Rohstoffe für die Produktion von regionalen
Lebensmittel-Spezialitäten kontinuierlich geliefert wer-
den können. Ausserdem wurde als wichtig empfunden,
dass die landwirtschaftlichen Rohstoffe für Produkte aus
der Gotthardregion bis zum Produzenten zurückverfolgt
werden können (Abb. 3). Ein Teil der befragten Akteure
ist der Meinung, dass die Herstellungsprozesse regiona-
ler Lebensmittel-Spezialitäten tendenziell definiert und
standardisiert werden sollten.
Agrotouristische Dienstleistungen
Die Förderung des Tourismussektors gehört zu den
wichtigsten Regionalentwicklungsmassnahmen für
ländliche Gebiete (Wilson et al. 2001). Besonders dem
Agrotourismus wird ein grosses Potenzial für die lokale
Wertschöpfung zugeschrieben. Dies durch eine Erhö-
hung der Beschäftigung, höhere Steuereinnahmen
oder durch die indirekte Förderung lokaler Unterneh-
men, beispielsweise im Detailhandel oder in der Gastro-
nomie. Der Erhalt der ländlichen Kultur und des ländli-
chen Bewusstseins sind zusätzliche positive Effekte, die
der Agrotourismus mit sich bringt. Für das landwirt-
schaftliche Unternehmen bedeutet Agrotourismus eine
Diversifikation im Angebot, was dem Landwirtschafts-
betrieb eine zusätzliche Sicherheit und Flexibilität bie-
tet und oft ein höheres und sichereres Einkommen
ermöglicht. Zudem kann ein agrotouristisches Angebot
im Unternehmen allfällige freie Arbeitskräfte intern
und flexibel aufnehmen. Aber auch nicht-ökonomische
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9
Der Erlös aus agrotouristischen Angeboten übersteigtdie Betriebskosten
Arbeitsaufwand für Aufbau agrotouristischer
Interesse am Aufbau agrotouristischer Angebote ist hoch
Wir betreiben Agroutourismus oder ähnlicheDienstleistungen
Investitionskosten für Aufbau agrotouristischerAnbebote sind hoch
Hürden Raumplanung für Aufbau agrotouristischerAnbebote sind hoch
trifft zu
trifft teilweise zu
trifft nicht zu
weiss nicht
Abb. 5 | Einschätzung von Kosten und Nutzen (Sicht Landwirtschaftsbetriebe) agrotouristischer Angebote (Anzahl Nennungen).
350
Agrarwirtschaft | Potenziale der Landwirtschaft in der Gotthardregion
Agrarforschung Schweiz 5 (9): 344–351, 2014
Es besteht indes ein enger Zusammenhang zwischen der
regionalen Lebensmittelproduktion und dem ruralen
Tourismussektor (Boyne et al. 2003). Aus dieser Kombina-
tion ergibt sich eine Win-Win-Situation: der Tourismus
als zusätzlicher Absatzmarkt für regionale Produkte und
regionale Produkte als Stärkung des touristischen Ange-
bots (Sims 2009). Das agrotouristische Angebot soll laut
Tew und Barbieri (2012) auch als Marketingelement zur
Förderung von regionalen Lebensmittel-Spezialitäten
dienen, indem das Bewusstsein der Touristen für das
Positive der regionalen Produkte gefördert wird.
Diese Aussage aus der Literatur wird auch von der
Studie bestätigt. Verschiedene Interviewpartner haben
explizit den Tourismus als grosses Potenzial für den
Absatz von regionalen Produkten erwähnt. Touristen
seien generell auch bereit, einen höheren Preis für regi-
onale Lebensmittel-Spezialitäten zu bezahlen als die
lokale Bevölkerung. Diesbezüglich wurden aber auch
Problemfelder identifiziert. Einerseits wurde die Saiso-
nalität des Tourismus erwähnt, anderseits die schlechten
Abnahmekonditionen der Gastronomie.
S c h l u s s f o l g e r u n g e n
Für die Gotthardregion hat die Studie der Fachgruppe
Agrarwirtschaft der HAFL aufzeigen können, dass ein
relativ grosses Marktpotenzial für regionale Lebensmit-
tel-Spezialitäten vorhanden ist. Aufgrund der Resultate
wurden verschiedene Potenziale identifiziert, insbeson-
dere wurden daraus für folgende Teilbereiche Hand-
lungsempfehlungen abgeleitet: Erstens wird vorgeschla-
gen, dass die Zusammenarbeit entlang der verschiedenen
Wertschöpfungsstufen in der Region optimiert werden
soll. Zweitens sollen mit dem Ziel der Entlastung der
Landwirtschaftsbetriebe die Vertriebs- und Vermark-
tungsstrukturen in der Gotthardregion, aber vor allem
auch über die Region hinaus, besser genutzt und neue
Vertriebskanäle erschlossen werden. Drittens sollen
agrotouristische Dienstleistungen entwickelt werden,
um einerseits die Direktvermarktung von regionalen
Lebensmittel-Spezialitäten zu fördern und andererseits
die touristische Attraktivität der Region und damit auch
das Einkommen der Landwirtschaftsbetriebe verbessern
zu können.� n
351
Potenziale der Landwirtschaft in der Gotthardregion | Agrarwirtschaft
Ria
ssu
nto
Sum
mar
y
Agrarforschung Schweiz 5 (9): 344–351, 2014
The potential of agriculture in the
Gotthard Region
The production and marketing of
regional speciality foods offers
considerable potential for the develop
ment of rural areas. This potential was
demonstrated by a study which the
School of Agricultural, Forest and Food
Sciences carried out in the Gotthard
Region and was supported by a review
of the pertinent literature. Results of
the study showed that the quality of
the product and a credible regional
label were important components for
the production and distribution of
regional speciality foods. The study
identified considerable potential for
optimising existing distribution
channels and finding new ones in the
Gotthard Region and elsewhere. In this
context, agritourism services were
found to be of great importance. We
predict that a welldeveloped range of
agritourism services will promote not
only regional speciality foods but also
the overall attractiveness of the
Gotthard Region to tourists, will add
value to the region, and will increase
the income of agricultural businesses.
Key words: regional food supply chain,
rural development, agricultural
potential.
Potenziale dell’agricoltura nella
regione del Gottardo
Lo sviluppo regionale è legato diretta
mente alla produzione di prodotti
alimentari regionali. Questa afferma
zione, che viene confermata da diversi
studi e dalla letteratura specializzata,
rappresenta un importante risultato
scaturito da uno studio sul potenziale
dell’agricoltura nella regione del San
Gottardo. Il potenziale valore aggiunto
generato dal settore alimentare
sembrerebbe essere promettente. Di
particolare importanza è stata definita
la collaborazione tra i vari stakeholder
nelle diverse fasi della catena di
produzione, ad esempio per la defini
zione di criteri di qualità per prodotti
alimentari regionali. Anche la defini
zione di nuovi canali per lo smercio dei
prodotti regionali sia all’interno sia
all'esterno della regione del Gottardo è
stata definita importante. Inoltre, il
turismo è identificato come un settore
importante per lo sviluppo della
regione del Gottardo, ad esempio per
lo smercio di prodotti alimentari
regionali, oppure come attività
collaterale per le aziende agricole o
anche per il valore aggiunto generato
in altri settori economici.
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352 Agrarforschung Schweiz 5 (9): 352–357, 2014
tive Bedeutung für die Betriebe – stieg im gleichen Zeit-
raum von knapp fünf Prozent auf über sechs Prozent an.
Innerhalb der paralandwirtschaftlichen Aktivitäten tra-
gen Direktverkauf und Verarbeitung (inkl. Kelterei) mit
60 % mehr als die Hälfte der Rohleistung bei. Mit 30 %
liegen die Arbeiten für Dritte und die Maschinenvermie-
tung an zweiter Stelle. Bezüglich der Verbreitung auf
den Betrieben ist die Bedeutung gerade umgekehrt.
Während 13 % der Betriebe Direktverkauf oder Verar-
beitung aufweisen, sind drei Viertel in Arbeiten für
Dritte und Maschinenvermietung involviert (Lips und
Schmid 2013). Arbeiten für Dritte werden auch als Lohn-
arbeiten bezeichnet und stellen Dienstleistungen dar,
die von einer qualifizierten Arbeitskraft erbracht wer-
den. Typischerweise werden dazu auch Maschinen oder
Geräte eingesetzt. Angesichts der Verbreitung der Lohn-
arbeit ist deren Rentabilität von besonderem Interesse.
Insbesondere die resultierende Arbeitsverwertung, d.h.
den effektiv realisierten Stundenlohn, gilt es zu ermit-
teln. Da dazu eine Betrachtung auf Betriebszweigebene
notwendig ist, werden für eine Reihe von Fallstudien-
Betrieben Vollkostenkalkulationen für verschiedene
Lohnarbeiten im Bereich Aussenwirtschaft erstellt.
Anschliessend werden die einzelnen Betriebszweigresul-
tate zu Gruppen von typischen Lohnarbeiten aggregiert.
M e t h o d e
Auswahl der untersuchten Betriebe
Ausgehend von den Betrieben der Zentralen Auswer-
tung von Buchhaltungsdaten von Agroscope wurden
Betriebe mit Rohleistungen über Fr. 10 000.– im Bereich
der Arbeiten für Dritte identifiziert. Im Hinblick auf das
Durchführen von Befragungen der Betriebsleitenden
wurde eine Region mit vielen entsprechenden Betrieben
gesucht, wobei der Kanton Aargau resultierte. Über die
beiden Treuhandstellen «Agro-Treuhand Aargau» sowie
«Treuhand und Schätzungen» des Schweizer Bauernver-
bands wurden insgesamt zwölf Betriebe kontaktiert.
Neun von ihnen waren zu einer einzelbetrieblichen
Befragung bereit, wobei acht davon Lohnarbeiten im
Bereich Aussenwirtschaft ausführten.
E i n l e i t u n g
Die Paralandwirtschaft umfasst landwirtschaftliche
Tätigkeiten, die nicht unmittelbar mit der landwirt-
schaftlichen Produktion oder den ökologischen Leistun-
gen zusammenhängen (Hausheer Schnider 2010). Sie hat
in den vergangenen zehn Jahren kontinuierlich an
Bedeutung gewonnen. Betrug im Jahr 2003 die Rohleis-
tung durch Arbeiten für Dritte, Maschinenvermietung,
Direktverkauf und Agrotourismus noch rund Fr. 11 800.–
pro Betrieb, so verdoppelte sie sich bis zum Jahr 2012
beinahe auf rund Fr. 20 600.– (Tab. 1). Der Anteil an der
gesamten Rohleistung des Betriebs – und somit die rela-
Vollkostenkalkulationen für Lohnarbeiten
Daniel Hoop, Anja Schwarz und Markus Lips
Agroscope, Institut für Nachhaltigkeitswissenschaften INH, 8356 Ettenhausen, Schweiz
Auskünfte: Daniel Hoop, E-Mail: [email protected]
A g r a r w i r t s c h a f t
Lohnarbeiten sind verbreitet: Drei Viertel der Betriebe sind in Ar-beiten für Dritte und die Maschinenvermietung involviert. Ein typi-sches Beispiel ist das Ballenpressen. (Foto: Gabriela Brändle, Agro-scope)
Vollkostenkalkulationen für Lohnarbeiten | Agrarwirtschaft
353
Zusa
mm
enfa
ssu
ng
Agrarforschung Schweiz 5 (9): 352–357, 2014
Auf Basis von acht Betrieben und 30 Betriebs
zweigbeobachtungen werden für sieben
Gruppen von Lohnarbeiten im Bereich
Aussenwirtschaft wie Pflanzenbau, Trans
port/Logistik oder Winterdienst die Einnah
men den Vollkosten gegenübergestellt, um
die Wirtschaftlichkeit zu ermitteln. Mit
Ausnahme des Ballenpressens können für
alle Betriebszweige Arbeitsverwertungen pro
Stunde realisiert werden, die deutlich über
den Opportunitätskosten von Fr. 28.– pro
Stunde liegen, was generell auf eine gute
Rentabilität hinweist. Wichtigste Einflussfak
toren stellen dabei die Maschinenauslastung
sowie der Anteil von Rüst und Wegzeiten an
der gesamten Arbeitszeit dar. Mit Ausnahme
des Mähdrusches kann eine vergleichbare
Kostenstruktur festgestellt werden, wobei
auf die Fixkosten der Maschinen 40 Prozent
und auf die Arbeit sowie übrige variable
Kosten je 30 Prozent entfallen. Obwohl die
untersuchten Maschinen knapp zur Hälfte für
Lohnarbeiten oder Vermietung eingesetzt
werden, werden sie – verglichen mit den
Richtwerten des Maschinenkostenberichts –
nur zu 83 Prozent ausgelastet.
Die Stichprobe weist eine durchschnittliche Rohleistung
von rund Fr. 28 100.– im Bereich der Arbeiten für Dritte
auf (Min. Fr. 10 900.–, Max. Fr. 41 000.–), während der
gesamtschweizerische Mittelwert für das Jahr 2012 bei
rund Fr. 5800.– liegt. Der Anteil der Arbeiten für Dritte
an ihrer gesamten Rohleistung beträgt 8,9 % im Ver-
gleich zu 2,2 % im gesamtschweizerischen Mittel (eigene
Berechnungen auf der Grundlage der Referenzbetriebe).
Durchschnittlich setzen diese Betriebe 0,07 Jahresar-
beitseinheiten dafür ein.
Kosten/ Leistungsrechnung
Die Befragung der Betriebsleitenden erfolgte mündlich.
Für alle Lohnarbeits-Betriebszweige gaben sie den
Umfang der erbrachten Dienstleistungen mit der Anzahl
Arbeitseinheiten (z.B. Rundballen oder Hektaren) an.
Anhand des durchschnittlich erzielten Ertrags pro
Arbeitseinheit konnte die Rohleistung beziehungsweise
der Umsatz ermittelt werden.
Im Hinblick auf die Vollkostenkalkulation sind die
Arbeitszeit und die Maschinenkosten von Interesse.
Neben der reinen Feldarbeitszeit wurde auch die einge-
setzte Zeit für das Rüsten der Maschine sowie die Anfahrt
(Wegzeit) erfragt, was zusammen mit der Feldarbeitszeit
die gesamte Arbeitszeit ergab. Diese wird mit Opportu-
nitätskosten von Fr. 28.– pro Stunde (Gazzarin und Lips
2013) bewertet. Bei der Kalkulation der Maschinenkos-
ten gilt es, zwischen fixen und variablen Kosten zu
unterscheiden. Die variablen Kosten setzen sich aus den
Kosten für Reparatur und Unterhalt sowie für Treib- und
Schmierstoffe zusammen und beziehen sich auf die
Arbeitseinheit. Die entsprechenden Werte wurden,
sofern sie vom Betriebsleiter nicht genau beziffert wer-
den konnten, aus dem Maschinenkostenbericht (Gazza-
rin und Lips 2013) übernommen. Bei den Fixkosten, die
pro Jahr anfallen, stammen zwei der vier Kostenpositio-
nen ebenfalls aus dem Maschinenkostenbericht: die Ver-
zinsung des gebundenen Kapitals (Zinssatz: 3 %) sowie
die Kosten für Versicherungen und Gebühren. Die
Gebäudekosten wurden entsprechend der Investitions-
summen für Garagen und Remisen bei einer angenom-
menen Abschreibungszeit von 30 Jahren errechnet.
2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012
Rohleistung Paralandwirts. 11 800 13 500 15 200 16 700 16 800 19 100 20 000 20 200 21 900 20 600
% d. gesamten Rohleistung 4,8 4,8 5,7 6,4 6 6,4 6,5 6,8 6,6 6,4
Die Paralandwirtschaft setzt sich aus Arbeiten für Dritte, Maschinenvermietung, Direktvermarktung und Agrotourismus zusammen.
Quelle: Eigene Berechnungen auf der Grundlage der gewichteten Mittelwerte der Referenzbetriebe der Zentralen Auswertung.
Tab. 1 | Entwicklung der mittleren Rohleistung Paralandwirtschaft
Agrarwirtschaft | Vollkostenkalkulationen für Lohnarbeiten
354 Agrarforschung Schweiz 5 (9): 352–357, 2014
Die Abschreibungsdauer und die daraus resultierenden
jährlichen Abschreibungen jeder Maschine wurden der
effektiven jährlichen Auslastung angepasst. Die Betriebs-
leiter wurden nach der Auslastung der Maschinen
befragt, die sich aus der Nutzung für Arbeiten auf dem
Betrieb, der überbetrieblichen Nutzung bei mehreren
Maschineninhabern sowie der Nutzung für Lohnarbei-
ten und Maschinenvermietungen zusammensetzte.
Unter Beibehaltung der (technischen) Nutzungsdauer
nach Arbeitseinheiten des Maschinenkostenberichts
erfolgte eine Anpassung der Nutzungsdauer in Jahren.
Im Falle einer geringeren Auslastung pro Jahr resultier-
ten eine Verlängerung der Abschreibungsdauer und
somit tiefere Abschreibungen pro Jahr. Bei motorisier-
ten Maschinen (Traktoren und Mähdrescher) und Mäh-
werken wurde die Nutzungsdauer um maximal 50 %
angehoben, bei den übrigen Maschinen um maximal
100 %. Gleichzeitig erfolgte mit der Verlängerung der
Nutzungsdauer nach Jahren eine proportionale Reduk-
tion des Restwerts, womit dem Wertverlust der Maschine
aufgrund des zunehmenden Alters Rechnung getragen
wurde. Bei einer Verlängerung der Nutzungsdauer von
50 % und mehr wurde dementsprechend der Restwert
unabhängig von der Auslastung gleich Null gesetzt.
Falls die jährliche Auslastung der Maschine über dem
Wert des Maschinenkostenberichts lag, wurde die
Abschreibungsdauer entsprechend verkürzt.
Gruppierung der Betriebszweige
Da die Betriebszweige unterschiedliche Arbeitseinheiten
(Stunden, Hektaren, Kleinballen, Rundballen und Fuh-
ren) aufweisen, gilt es eine vergleichbare Bezugsgrösse
zu definieren. Im Hinblick auf den Quervergleich der
Betriebszweige wird dazu die Rohleistung verwendet
(z.B. Maschinenkosten pro Fr. 10 000.– Rohleistung).
Die Betriebszweige werden aufgrund ihrer Ähnlichkeit
in Gruppen gegliedert. Dazu erfolgt eine einfache Addi-
tion der Rohleistungen als auch der Kosten. Implizit
erfolgt damit eine Gewichtung der einzelnen Betriebs-
zweigbeobachtungen nach der Rohleistung, was gewollt
ist und eine Gleichbehandlung von Betriebszweigen mit
unterschiedlichen Rohleistungen verhindert.
R e s u l t a t e
Die insgesamt 30 Vollkostenkalkulationen sind in sieben
Gruppen gegliedert: Ballenpressen (4 Betriebszweige),
Mähdrusch (2), Pflanzenschutz (Ackerbau, Obst- und
Rebbau; 3), Saat (6), Transport/Logistik (5), Winterdienst
(6) und Diverses (4). Transport/Logistik umfasst den
Transport von Kleinballen und Holzschnitzeln sowie
Arbeiten mit dem Teleskoplader. Der Winterdienst bein-
haltet das Schneeräumen und Streuen. Die Restgruppe
Diverses umfasst das Mähen, Maissilieren, Mulcharbei-
ten sowie das Holzhäckseln, wobei jeweils nur eine
Beobachtung vorliegt.
Die befragten Betriebe wiesen zwischen zwei und
sechs Lohnarbeits-Betriebszweige auf. Im Durchschnitt
lagen 3,25 Betriebszweige vor.
In Tabelle 2 sind die Vollkosten jeweils pro Fr. 10 000.–
Rohleistung, der resultierende Gewinn sowie die reali-
sierte Arbeitsverwertung (Stundenlohn) dargestellt.
Letztere ergibt sich, wenn für die Arbeit keine Opportu-
nitätskosten angenommen werden und man stattdessen
Abb. 1 | Beim Mähdrusch sind die Fixkosten höher als bei anderen Lohnarbeiten. Sie machen etwa 55 % der Gesamtkosten aus. (Foto: Christian Gazzarin, Agroscope)
Vollkostenkalkulationen für Lohnarbeiten | Agrarwirtschaft
355Agrarforschung Schweiz 5 (9): 352–357, 2014
ausmachen. Letztere sind auch die Folge der kleinen
Parzellengrössen.
Beim Mähdrusch ist Vorsicht bei der Ergebnisinter-
pretation angezeigt, da nur zwei Betriebszweige zur
Verfügung standen, die sich zudem stark unterschieden.
Der eine Betrieb mit hoher Auslastung erzielte mit
Fr. 65.– pro Stunde eine ungleich höhere Arbeitsver-
wertung als der zweite Betrieb mit vergleichsweise tie-
fer Auslastung – dieser verdiente lediglich Fr. 15.– pro
Stunde. Im nach Rohleistung gewichteten Schnitt
machen die Fixkosten – zum grössten Teil verursacht
durch hohe Abschreibungen – über die Hälfte der
Gesamtkosten aus (Tab. 2). Wie auch beim Ballenpres-
sen verursachen Rüst- und Wegzeiten rund ein Viertel
der gesamten Arbeitszeit.
Im Bereich des Pflanzenschutzes übernimmt ein
Betriebsleiter zusätzlich zur reinen Feldarbeit auch
unliebsame Arbeiten im Umgang mit den Chemikalien.
Somit wird eine komplette Dienstleistung aus einer
Hand angeboten: Einkauf, Lagerung, Ausbringung und
die aufwändige Entsorgung allfälliger Reste (diese
Arbeiten erscheinen in Tabelle 2 unter der Rubrik
«Anfahrt»). Dies erhöht zwar den Arbeitsaufwand,
den Gewinn (ohne Arbeitskosten) durch die Anzahl
Arbeitsstunden dividiert.
Mit Ausnahme des Ballenpressens weisen alle Grup-
pen eine Arbeitsverwertung von Fr. 37.– pro Stunde oder
mehr aus, was deutlich über den Opportunitätskosten
liegt. Entsprechend ist der Gewinn dieser Gruppen grös-
ser als Null.
Der Kostenanteil der Fixkosten bewegt sich in einem
Bereich zwischen 35 % und 42 %. Die Ausnahme dabei
stellt der Mähdrusch mit 55 % dar. Auf die Arbeit entfällt
ein Kostenanteil zwischen 25 % und 34 %. Wiederum
stellt der Mähdrusch mit rund 13 % die Ausnahme dar.
Das Ballenpressen weist auf Fr. 10 000.– Rohleistung
einen kalkulatorischen Verlust von Fr. 3416.– aus, unter
Annahme der Opportunitätskosten für die Arbeit. Die
effektive Arbeitsverwertung beträgt Fr. 3.– pro Stunde,
wobei es sich dabei um den gewichteten Durchschnitt
aus negativer Arbeitsverwertung beim Kleinballenpres-
sen und aus positiver Arbeitsverwertung beim Rundbal-
lenpressen handelt. Wichtige Gründe für dieses Ergeb-
nis sind die tiefen Auslastungen der Kleinballenpressen
und die Zeit für Rüsten und Anfahrt (Wegzeit), die
zusammen rund ein Viertel der gesamten Arbeitszeit
Ballenpressen MähdruschPflanzen-
schutzSaat Transport Winterdienst Diverse Alle
Anzahl Betriebszweige 4 2 3 6 5 6 4 30
Prozentuale Auslastung** 75 108 90 75 95 65 115 83
Fr. %* Fr. %* Fr. %* Fr. %* Fr. %* Fr. %* Fr. %* Fr. %*
Rohleistung (Erlös) 10 000 10 000 10 000 10 000 10 000 10 000 10 000 10 000
Abschreibungen 3436 25,6 3506 39 2127 27,7 2154 27,8 2125 23,3 1427 24,1 2035 25,7 2351 29,1
Zinskosten 775 5,8 806 9 555 7,2 532 6,9 598 6,6 374 6,3 474 6 574 7,1
Gebäudekosten 604 4,5 323 3,6 101 1,3 191 2,5 574 6,3 84 1,4 157 2 252 3,1
Versicherung & Gebühren 429 3,2 294 3,3 285 3,7 172 2,2 212 2,3 194 3,3 247 3,1 242 3
Fixkosten 5244 39,1 4929 54,8 3069 40 3049 39,4 3510 38,5 2079 35,1 2913 36,8 3420 42,4
Reparaturen und Unterhalt 1892 14,1 1096 12,2 1007 13,1 1243 16 1460 16 570 9,6 1137 14,4 1072 13,3
Treib- & Schmierstoffe 2472 18,4 1841 20,5 973 12,7 1504 19,4 1344 14,7 1286 21,7 1188 15 1490 18,5
Arbeit in AKh 136 40 93 70 100 71 96 75
davon Rüst- und Wegzeiten 35 10 22 9 17 3 9 11
Arbeit in Fr. 3807 28,4 1120 12,5 2618 34,1 1949 25,2 2804 30,8 1990 33,6 2677 33,8 2091 25,9
davon Rüst- und Wegzeiten 986 7,4 292 3,3 620 8,1 251 3,2 473 5,2 95 1,6 260 3,3 314 3,9
Variable Kosten 8172 60,9 4058 45,2 4598 60 4695 60,6 5608 61,5 3846 64,9 5002 63,2 4654 57,6
Totale Kosten 13 416 8986 7667 7745 9118 5925 7914 8073
Gewinn -3416 1014 2333 2255 882 4075 2086 1927
Arbeitsver wertung in Fr./AKh*** 3 53 53 60 37 85 50 54
*Anteil an den Gesamtkosten** Auslastung der involvierten Maschinen im Vergleich zu der im Maschinenkostenbericht angegebenen Auslastung (in Prozent). In verschiedenen Betriebszweigen vorkommende Maschinen werden mehr-
fach berücksichtigt. Der Mittelwert (letzte Spalte) beruht auf ungewichteten Werten, wobei jede Maschine nur einmal berücksichtigt wird.***AKh = Arbeitskraftstunde
Tab. 2 | Vollkostenkalkulationen pro Fr. 10 000.– Rohleistung
Agrarwirtschaft | Vollkostenkalkulationen für Lohnarbeiten
356 Agrarforschung Schweiz 5 (9): 352–357, 2014
rechtfertigt jedoch auch höhere Preise und ist ein wich-
tiges Verkaufsargument. Die Arbeitsverwertung ist mit
Fr. 53.– pro Stunde attraktiv. Die Kostenstruktur weist
mit 34 % den höchsten Anteil der Arbeit unter allen
untersuchten Gruppen auf.
Die Saat umfasst sowohl Einzelkornsämaschinen als
auch Säkombinationen. Die Kosten struktur und die
Rentabilität sind ähnlich wie bei den Arbeiten im Pflan-
zenschutz. Der Arbeitseinsatz wird mit Fr. 60.– pro
Stunde abgegolten.
Lohnarbeiten im Bereich von Transport und Logistik
erweisen sich als unterschiedlich rentabel, was die
Unterschiede zwischen den fünf betroffenen Betriebe
aufzeigen. Während mit dem Kleinballentransport nur
geringe oder sogar negative Arbeitsverwertungen
resultieren, wird mit dem Einsatz von (Mulden-)Kippern
für den Holzschnitzeltransport deutlich besser verdient.
Dies liegt vor allem an der nicht-landwirtschaftlichen
Kundschaft (Gemeinde und Private), die eine gute Ent-
schädigung bezahlt. Auch der Einsatz des Teleskopla-
ders erfolgt grösstenteils für einen nichtlandwirtschaft-
lichen Kunden (Schreinerei). Die gewichtete
Arbeitsverwertung liegt bei Fr. 37.– pro Stunde.
Mit Fr. 85.– pro Stunde resultiert die höchste Arbeits-
verwertung im Winterdienst (Tab. 2), die damit deutlich
über dem in den Verrechnungsansätzen für Schneeräu-
mungsarbeiten genannten mittleren Ansatz von Fr. 65.–
pro Stunde liegt (Gazzarin 2013). Durch hohe jährliche
Traktorenauslastungen, auch dank des Winterdiensts,
und relativ tiefer Anschaffungskosten für Schneepflug
und Salzstreuer liegen die tatsächlichen Maschinen-
kosten aber gleichzeitig unter den von Gazzarin (2013)
empfohlenen Verrechnungsansätzen für Schneeräum-
arbeiten.
Die Gruppe «Diverses» weist eine ähnliche Kosten-
struktur wie Pflanzenschutz oder Saat auf. Die Arbeits-
verwertung beträgt Fr. 50.– pro Stunde.
Das nach Rohleistung gewichtete Mittel aller 30 Betriebs-
zweigbeobachtungen ergibt eine Arbeitsverwertung
von Fr. 54.– pro Stunde. Es gilt zu beachten, dass bei die-
sem gewichteten Durchschnitt diejenigen Betriebs-
zweigbeobachtungen einen stärkeren Einfluss haben,
die ihre Maschinen besser auslasten, damit auch mehr
Rohleistung erzielen, tiefere Fixkosten pro Arbeitsein-
heit aufweisen und schliesslich höhere Arbeitsverwer-
tungen aufweisen. Das nicht gewichtete Mittel beträgt
rund Fr. 50.– pro Stunde.
Ergänzend zu den Kosten-/Leistungsrechnungen
wurden die verwendeten Maschinen näher betrachtet.
Dabei zeigte sich, dass die mittlere Auslastung der
Maschinen im Vergleich zum Maschinenkostenbericht
bei 83 % liegt. Das bedeutet, dass die Maschinen trotz
überbetrieblichem Maschineneinsatz nicht vollständig
ausgelastet werden, obwohl sie knapp zur Hälfte (49 %)
für Lohnarbeit oder Vermietung eingesetzt werden.
Weiter lässt sich festhalten, dass bezüglich Einsatz-
zweck zwei unterschiedliche Zielsetzungen beobachtet
werden können. Einerseits wurden Maschinen mit dem
Ziel beschafft, Lohnarbeiten auszuführen (z.B. Mähdre-
scher). Entsprechend gering ist der Anteil des Eigenge-
brauchs an der Gesamtauslastung. Andererseits gibt es
Maschinen, die in erster Linie für den Einsatz auf dem
eigenen Betrieb gekauft wurden und bei denen der
überbetriebliche Maschineneinsatz dazu dient, die Aus-
lastung zu erhöhen und somit die Fixkosten pro Arbeits-
einheit zu reduzieren (z.B. Traktor oder Pflug). Der
Anteil des ausserbetrieblichen Einsatzes am gesamten
Einsatz ist folglich bei diesen Maschinen eher tief.
S c h l u s s f o l g e r u n g e n
Die Kosten-/Leistungsrechnungen für die sieben Grup-
pen von Lohnarbeiten weisen auf eine gute Rentabilität
der untersuchten Betriebszweige hin. Mit Ausnahme des
Ballenpressens können für alle anderen Betriebszweige
Arbeitsverwertungen pro Stunde realisiert werden, die
über den verwendeten Opportunitätskosten von Fr. 28.–
pro Stunde liegen. Die beiden wichtigsten Einflussfakto-
ren auf den Verdienst sind dabei die Maschinenauslas-
tung sowie der Anteil der Rüst- und Wegzeiten an der
gesamten Arbeitszeit. Mit Ausnahme des Mähdrusches
zeigt sich eine ähnliche Kostenstruktur, wobei rund 40 %
auf die Fixkosten der Maschinen und je 30 % auf die
Arbeit sowie auf übrige Kosten entfallen. Bei der Inter-
pretation der Ergebnisse sollte jedoch beachtet werden,
dass die errechnete Abschreibungsdauer in vielen Fällen
länger ist als in der Buchhaltung üblich, und die Abschrei-
bungen wahrscheinlich in den wenigsten Fällen mit den-
jenigen in der Buchhaltung übereinstimmen.
Eine weitere Einschränkung ergibt sich aus der eher
geringen Anzahl von acht Fallstudien mit total
30 Betriebszweigen im Bereich Lohnarbeit. Die Untersu-
chung stellt einen ersten Beitrag bezüglich Rentabilität
der Lohnarbeit in der Landwirtschaft dar, erlaubt es hin-
gegen nicht, Schlussfolgerungen für die gesamte Lohn-
arbeit zu ziehen. Dazu wären zahlreichere Fallstudien
sowie der Einbezug von weiteren Lohnarbeitstypen im
Bereich Innenwirtschaft wie Beratungstätigkeit, Klau-
enschneiden sowie Saftpresse und -pasteurisierung not-
wendig. n
Vollkostenkalkulationen für Lohnarbeiten | Agrarwirtschaft
357Agrarforschung Schweiz 5 (9): 352–357, 2014
Ria
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FullCost calculations for contract work
Based on eight farms and 30 observa
tions of farm enterprises, the revenues
for seven categories of contract
employment in the outdoorwork
sector such as Plant Production,
Transport/Logistics and Winter Road
Clearance are compared to the full
costs in order to determine their
costefficiency. Except for balepress
ing, labour utilisation (i.e. the resultant
hourly wage) significantly exceeding
the opportunity costs of CHF 28 per
hour can be achieved for all farm
enterprises, which in general indicates
good costefficiency. The most impor
tant influencing factors here are full
utilisation of machinery and the
proportion of total working time
accounted for by setup and travel
times. With the exception of combine
harvesting a comparable cost structure
can be identified, with 40 per cent
corresponding to the fixed costs of the
machines and 30 per cent each corre
sponding to labour and to other
variable costs. Although just under half
of the machines studied are used for
contract work or hired out, they are
only used to 83 per cent capacity
compared to the reference values of
the Machine Costs report.
Key words: agricultural related
activities, machinery, contractor.
Contabilità a costi integrali per i lavori
salariati
Sulla base di otto imprese e di
30 osservazioni di rami aziendali, per
sette gruppi di lavori salariati nell'am
bito dell'economia esterna (quali
produzione vegetale, trasporti/
logistica o servizio invernale) vengono
contrapposti entrate e costi integrali al
fine di determinare la redditività. A
eccezione della pressatura di balle, per
tutti i rami aziendali è possibile
realizzare retribuzioni orarie netta
mente superiori al costo opportunità di
fr. 28.–/ora, risultato che indica
generalmente una buona redditività. I
principali fattori che influenzano tale
calcolo sono dati dallo sfruttamento
massimo dei macchinari nonché dalla
percentuale di ore destinate alla
preparazione delle macchine e agli
spostamenti rispetto all'orario di
lavoro complessivo. A eccezione della
mietitrebbiatura, è possibile osservare
una struttura dei costi simile in cui i
costi fissi dei macchinari incidono per il
40 per cento, mentre il lavoro e gli altri
costi variabili per il 30 per cento.
Sebbene poco meno della metà sia
utilizzata per i lavori salariati o per il
noleggio, i macchinari esaminati sono
sfruttati solo all'83 per cento se
paragonati ai valori indicativi del
rapporto sui costi dei macchinari.
Literatur ▪ Hausheer Schnider J., 2010. Wegleitung zum Merkmalskatalog der Zent-ralen Auswertung von Buchhaltungsdaten. Agroscope, Ettenhausen.
▪ Lips M. & Schmid D., 2013. Agrarische Diversifikation aus ökonomischer Sicht: Entwicklung auf den schweizerischen Landwirtschaftsbetrieben. In: Agrarische Diversifikation – rechtliche Aspekte von Agrotourismus bis Energieerzeugung (Hrsg. R. Norer), Tagungsband der 3. Luzerner Agrar-rechtstagung 2012, Schriften zum Recht des ländlichen Raums, Band 7, Dike Verlag, Zürich, 19–29.
▪ Gazzarin Ch. & Lips M., 2013. Maschinenkostenbericht 2013. ART-Bericht Nr. 767, Agroscope, Ettenhausen.
▪ Gazzarin Ch., 2013. Verrechnungsansätze für Schneeräumarbeiten. Agroscope, Ettenhausen. Zugang: http://www.agrartechnik.ch/file/downloads/Schneer%C3%A4umungen13_d.pdf [25.04.2014].
358 Agrarforschung Schweiz 5 (9): 358–365, 2014
P f l a n z e n b a u
falcata überschneiden. Diese in der Regel violett blühen-
den Luzernesorten haben mehrheitlich die morphologi-
schen Eigenschaften der Sativa-Art behalten, das heisst
einen hohen Wuchs, kräftige Stängel und ausgeprägte
Pfahlwurzeln. Letztere verleiht ihr eine hohe Trocken-
heitstoleranz. Die verhältnismässig gute Frosthärte
wurde ihnen von Medicago falcata vererbt. Neben dem
flämischen Typ gibt es auch den Typ Provence und die
Italienische Luzerne. Die Sorten dieser beiden Typen
haben einen niedrigeren Wuchs, feinere Stängel und lie-
fern geringere Erträge (Nösberger und Opitz von Bober-
feld 1987; Mauries, 1994; Mosimann et al. 1995).
E i n l e i t u n g
Die Luzerne ist weltweit eine der wichtigsten Futter-
pflanzen. Sie umfasst zwei botanische Arten und ihre
Hybride, welche sich ursprünglich von Persien einerseits
über den Mittelmeerraum nach Spanien und Frankreich
(Medicago sativa L.) und anderseits über Südsibirien und
Skandinavien nach Nordeuropa (Medicago falcata L.)
ausgebreitet haben. Die meisten in unseren Breitengra-
den kultivierten Sorten sind vom flämischen Typ, einem
Hybrid, der spontan dort entstanden ist, wo sich die Ver-
breitungsgebiete von Medicago sativa und Medicago
Ergebnisse der Sortenversuche 2011–2013 mit LuzerneRainer Frick1, Eric Mosimann1, Philippe Aebi1, Daniel Suter2 und HansUeli Hirschi2 1Institut für Nutztierwissenschaften INT, Agroscope, 1725 Posieux, Schweiz 2Institut für Nachhaltigkeitswissenschaften INH, Agroscope, 8046 Zürich, Schweiz
Auskünfte: Rainer Frick, E-Mail: [email protected]
Abb. 1 | Die Luzerne erreicht in Tallagen das Stadium der Vollblüte zwischen dem 1. und dem 15. Juni.
Ergebnisse der Sortenversuche 2011–2013 mit Luzerne | Pflanzenbau
359
Zusa
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ssu
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Agrarforschung Schweiz 5 (9): 358–365, 2014
In den Jahren 2011 bis 2013 prüfte Agroscope
36 Sorten Luzerne (Medicago sativa L.) in
Sortenversuchen an fünf verschiedenen
Standorten auf ihre Anbaueignung. Die
Saaten erfolgten sowohl in Reinsaat als auch
in Mischung mit Gräsern. Dabei untersuchte
Agroscope folgende Eigenschaften: TSErtrag,
Jugendentwicklung, Bestandesgüte, Entwick
lung im Frühjahr, Standfestigkeit, Konkur
renzkraft, Ausdauer, Verdaulichkeit, Krank
heitsresistenz (Blattkrankheiten und
Luzernewelke), Stängelbeschaffenheit und
Anbaueignung für höhere Lagen. Um die
Sorten bewerten und miteinander verglei
chen zu können, berechneten wir für jede
Sorte einen Indexwert, der dem Durchschnitt
aller erhobenen Parameter entspricht. Vier
Neuzüchtungen (Catera, Eride, Artemis und
Gea) erzielten im Vergleich zum Standard
überdurchschnittliche Ergebnisse und werden
neu in die Liste der empfohlenen Sorten für
Futterpflanzen aufgenommen. Die bisher
empfohlene Sorte Vanda verliert aufgrund
ihrer schlechten Stängelbeschaffenheit ihre
Empfehlung und wird nur noch bis Ende 2016
für die Verwendung in Standardmischungen
verfügbar sein.
Die Luzerne ist in der Schweiz die ertragreichste Futter-
pflanze. Wenn die meisten anderen Futterpflanzenarten
ihr Wachstum wegen Wassermangels bereits eingestellt
haben, liefern leistungsfähige Luzernesorten unter
guten Anbaubedingungen jährliche TS-Erträge von bis
zu 20 Tonnen pro Hektare (Mosimann et al. 2001). In tro-
ckenen und warmen Gebieten, wie beispielsweise ent-
lang des Juras, im Wallis oder in südexponierten Lagen,
kann sie deshalb ihr hohes Ertragspotenzial am besten
ausschöpfen. Bei Nutzung im optimalen Stadium, das
heisst bei Blühbeginn, resultieren sehr hohe Eiweisser-
träge pro Flächeneinheit. Aufgrund der hohen Zellulose-
gehalte bietet die Luzerne in der Fütterung viele Vor-
teile, beispielsweise als Ergänzung zu eher strukturarmen
und energiereichen Futtermitteln (Anwelk silage, Emd,
Mais). Dank der symbiontischen N-Fixierung hinterlässt
sie beträchtliche Mengen an Stickstoff im Boden; zudem
sorgen ihre Pfahlwurzeln für eine gute Bodenstruktur.
Die Luzerne bevorzugt einen durchlässigen, tief-
gründigen, kalkhaltigen und nährstoffreichen Boden.
Staunässe und saure Böden erträgt sie nicht. Eine Saat-
gutimpfung mit Knöllchenbakterien wird empfohlen,
wenn der pH-Wert unter 6,5 liegt oder wenn während
der letzten fünf Jahre keine Luzerne auf dem Grund-
stück angebaut wurde. Zur Sicherung einer genügenden
Ausdauer ist es wichtig, die Luzerne beim dritten Auf-
wuchs abblühen zu lassen und das Mähwerk nicht zu tief
einzustellen (Stoppelhöhe über 8 cm).
Abb. 2 | Sortenversuch mit Luzerne in Reinsaat in Changins im dritten Versuchsjahr.
Pflanzenbau | Ergebnisse der Sortenversuche 2011–2013 mit Luzerne
360 Agrarforschung Schweiz 5 (9): 358–365, 2014
Da Luzerne-Gras-Mischungen in der botanischen Zusam-
mensetzung stabiler sind als Reinbestände von Luzerne,
werden in der Schweiz Ansaaten von geeigneten
Mischungen mit Luzerne, Weissklee und Gräsern emp-
fohlen (Standardmischungen SM 320, 323 und 325). In
sehr günstigen Lagen für Luzerne können auch einfache
Mischungen wie zum Beispiel Luzerne-Knaulgras oder
Luzerne-Rohrschwingel mit Erfolg gesät werden. Die
Beibehaltung eines ausgewogenen Verhältnisses zwi-
schen der Luzerne und den Gräsern über eine Dauer von
drei Jahren ist in der Praxis nicht immer einfach. Die
Bewirtschaftung des Bestandes (Schnitthäufigkeit und
Düngung) hat dabei einen bedeutenden Einfluss (Suter
et al. 2012b).
M a t e r i a l u n d M e t h o d e n
In den Jahren 2011 bis 2013 prüfte Agroscope an insge-
samt fünf Standorten in vergleichenden Sortenversu-
chen 36 Sorten Luzerne auf ihre Anbaueigenschaften.
Die Saaten erfolgten mit Ausnahme des Standortes in
Bassins im Frühjahr. Die Tabelle 1 macht nähere Anga-
ben über Standorte, Saattermine und Ernteerhebungen.
Die zu prüfenden Sorten säte man in Parzellen von 9 m2
Grösse in Reinkultur und in einfacher Mischung mit
Knaulgras und Bastard-Raigras. Die Reinsaaten erhielten
keinen Stickstoff, die Gemenge wurden nach jedem
Schnitt mit 30 kg N/ha gedüngt. An den Reinbeständen
führten wir Beobachtungen der Jugendentwicklung, der
Bestandesgüte (allgemeiner Eindruck, Bestandesdichte,
Nachwuchsvermögen), der Resistenz gegen Krankheiten
(Blattkrankheiten und Luzernewelke), dem Wiederaus-
trieb im Frühjahr, der Standfestigkeit, der Stängelbe-
schaffenheit, der Anbaueignung für höhere Lagen und
der Ausdauer durch. Die Stängelbeschaffenheit wird im
zweiten und dritten Versuchsjahr jeweils im zweiten
Aufwuchs ermittelt. Dazu wird an jedem Standort und in
jeder Wiederholung pro Parzelle eine Stichprobe von
20 Stängeln gezogen (Schnitthöhe 5 cm). Mit einer Mess-
lehre wird 4 cm oberhalb der Schnittfläche die Stängel-
dicke gemessen. Ein weiteres Kriterium bildet die Ver-
daulichkeit der organischen Substanz (VOS), deren
Werte mit der Nahinfrarot-Reflexionsspektroskopie NIRS
(Norris et al. 1976) ermittelt und mit der Pansensaftme-
thode nach Tilley und Terry (1963) validiert wurden. Das
Pflanzenmaterial dazu stammte aus Stichproben, die am
Standort Ellighausen im ersten, zweiten und dritten Auf-
wuchs des zweiten Versuchsjahres (2012) gezogen wor-
den waren. Die Ermittlung der Konkurrenzkraft erfolgte
Ort Höhe (m ü.M.) SädatumAnzahl Wiederholungen Ertragserhebungen
Reinsaat1) Mischung2) 2012 2013
Changins, VD 430 12/04/2011 3+1* 2 5 5
Oensingen, SO 460 11/04/2011 4 3 4 –
Ellighausen, TG 520 15/04/2011 4 3 4 4
Goumoëns, VD 630 13/04/2011 3 0 5 4
Bassins, VD 840 12/08/2011 3 3 – –*Frühreifeerhebung1)Reinsaaten: 250 g/are Luzerne (Sorte «Robot» als Standard für die Saatmenge)2)Mischungen: 150 g/are Luzerne (Sorte «Robot» als Standard für die Saatmenge)
+ 60 g/are Knaulgras «Prato»
+ 60 g/are Bastard-Raigras «Dorcas»
Tab. 1 | Orte und Daten der im Jahre 2013 abgeschlossenen Sortenversuche mit Luzerne
Abb. 3 | Die durch den Pilz Verticillium alboatrum hervorgerufene Luzernewelke kann im Sommer und Herbst das Wachstum stark beeinträchtigen.
Ergebnisse der Sortenversuche 2011–2013 mit Luzerne | Pflanzenbau
361Agrarforschung Schweiz 5 (9): 358–365, 2014
Ort Höhe (m ü.M.) SädatumAnzahl Wiederholungen Ertragserhebungen
Reinsaat1) Mischung2) 2012 2013
Changins, VD 430 12/04/2011 3+1* 2 5 5
Oensingen, SO 460 11/04/2011 4 3 4 –
Ellighausen, TG 520 15/04/2011 4 3 4 4
Goumoëns, VD 630 13/04/2011 3 0 5 4
Bassins, VD 840 12/08/2011 3 3 – –*Frühreifeerhebung1)Reinsaaten: 250 g/are Luzerne (Sorte «Robot» als Standard für die Saatmenge)2)Mischungen: 150 g/are Luzerne (Sorte «Robot» als Standard für die Saatmenge)
+ 60 g/are Knaulgras «Prato»
+ 60 g/are Bastard-Raigras «Dorcas»
Nr. Sortenname Antragsteller Frühreife-Index1) Kategorie2)
1 Timbale GIE Grass, FR 61b 1
2 Cannelle R2n, FR 61b 1
3 Fraver Schmidt-Gambazza, FR 62a 1
4 Sanditi Barenbrug, NL 61b 1
5 Robot CRA-FLC, IT 61b 1
6 Vanda SCPV VÚRV, SK 61b 2/3
7 Catera SZ-Steinach, DE 61b 1
8 Eride Continental, IT 61a 1
9 Artemis Barenbrug, NL 61a 1
10 Gea Continental, IT 61a 1
11 Azzurra SIS, IT 61b 3
12 Fleetwood SZ-Steinach, DE 61b 3
13 Voie Lacteé Jouffray-Drillaud, FR 61b 3
14 Frigos Padana, IT 62a 3
15 Galaxie Jouffray-Drillaud, FR 62a 3
16 Sandra Euro Grass, DE 62a 3
17 Rachel Caussade, FR 61a 3
18 Costanza Semfor, IT 61a 3
19 Alexis Barenbrug, NL 61a 3
20 Felicia Jouffray-Drillaud, FR 61b 3
21 Salsa Semences Vertes, FR 61b 3
22 Sovrana Sivam, IT 62a 3
23 Prosementi Bologna fenaco, CH 62a 3
24 Giulia Mediterranea, IT 61b 3
25 Carélite Carneau, FR 61b 3
26 Fusion Schmidt-Gambazza, FR 61b 3
27 Roxana Euro Grass, DE 62a 3
28 Plato Freudenberger, DE 61b 3
29 Minerva fenaco, CH 61b 3
30 Premariacco Mediterranea, IT 62a 3
31 Medoc Jouffray-Drillaud, FR 62a 3
32 Neptune Carneau, FR 61b 3
33 Exquise Caussade, FR 61a 3
34 Madalina Euro Grass, DE 62a 3
35 Fiesta Schmidt-Gambazza, FR 62a 4
36 Kamila NPZ-Lembke, DE 62a 4
Fettschrift bei Sortenname = bisher empfohlene Sorten1) Frühreife-Index:
Die erste Ziffer bezeichnet den Monat, die zweite Ziffer die Dekade; a bezeichnet die erste, b die zweite Hälfte der Dekade. Beispiel: 61a = 01. – 05. Juni2)Kategorieeinteilung der Sorten aufgrund der Ergebnisse aus den Versuchen:
Kategorie 1: In der Schweiz in der «Liste der empfohlenen Sorten von Futterpflanzen» geführt
Kategorie 2/3: Sorte vom 1. Januar 2017 an nicht mehr empfohlen
Kategorie 3: Nicht empfohlen. Zeichnet sich weder durch gute noch durch schlechte Eigenschaften aus
Kategorie 4: Nicht empfohlen. Eignet sich nicht für den Anbau in der Schweiz
Tab. 2 | Herkunft, Frühreife-Index und Kategorieeinteilung der geprüften Sorten von Luzerne
Pflanzenbau | Ergebnisse der Sortenversuche 2011–2013 mit Luzerne
362 Agrarforschung Schweiz 5 (9): 358–365, 2014
in den Gemengen mit Gräsern. Dazu schätzte man den
prozentualen Anteil der zu prüfenden Luzernesorte am
Gesamtertrag des Gemenges, woraus sich die Note für
die Konkurrenzkraft nach folgender Formel berechnen
lässt:
Konkurrenzkraft = 9 – 0,08 × Ertragsanteil in %.
Phänologische Beobachtungen in separat angelegten
Reinsaaten dienten ausserdem der Bestimmung der
Frühreife der einzelnen Sorten. Diese führte man am
Standort Changins im zweiten und dritten Versuchsjahr
durch.
Für die Bonituren verwendete man eine neunstufige
Notenskala, wobei die Eins die beste und die neun die
schlechteste Note darstellt. Um die Jahreserträge, die
Stängeldicke und die Verdaulichkeit in die gleiche
Bewertung einbeziehen zu können, wurden die erhobe-
nen Werte dieser drei Kriterien einer Varianzanalyse
unterzogen und mit Hilfe statistischer Methoden in
Noten von 1 bis 9 umgerechnet.
R e s u l t a t e
Vergleich der geprüften Sorten
Die Klassierung der 36 geprüften Luzernesorten (Tab. 2)
erfolgt aufgrund der sogenannten Indexwerte, welche
den Durchschnitt aller geprüften Merkmale (Tab. 3)
zusammenfassen und aufgrund derer sich die verschie-
denen Sorten untereinander vergleichen lassen. Je tiefer
der Indexwert ist, desto besser ist die Sorte unter Berück-
sichtigung aller geprüften Eigenschaften. Die je nach
Pflanzenart wichtigsten Kriterien werden zur Berech-
nung des Index doppelt gewichtet. Bei der Luzerne sind
dies der TS-Ertrag, die Güte, die Resistenz gegen die
Luzernewelke und die Stängelbeschaffenheit. Alle übri-
gen Kriterien sind nur einfach gewichtet. Eine neue
Sorte kann empfohlen werden, wenn ihr Index den Mit-
telwert der mit geprüften Standardsorten um mindes-
tens 0,20 Punkte unterschreitet (tieferer Wert = besser).
Eine bis anhin empfohlene Sorte wird aus der Liste der
empfohlenen Sorten von Futterpflanzen gestrichen,
wenn ihr Index denjenigen des Standards um mehr als
0,20 Punkte übertrifft. Ausserdem kann eine Sorte nicht
empfohlen werden, wenn sie in einem einzelnen, wich-
tigen Merkmal den Standard um 1,50 Punkte oder mehr
überschreitet.
Vier Neuzüchtungen schafften den SprungUnter den 30 neu geprüften Sorten weisen deren vier
(Catera, Eride, Artemis und Gea) einen Index auf, der den
Mittelwert der Standardsorten um mehr als 0,2 Punkte
unterschreitet (Tab. 3). Den besten Index aller geprüften
Sorten erzielte die Neuzüchtung Catera, dies vor allem
dank hervorragender Werte für die Standfestigkeit und
die Beschaffenheit der Stängel. Auch bei der VOS ist sie
unter den besten Sorten. Eher mittelmässig sind dagegen
die Ertragsleistung sowie die Wachstumsentwicklung
Abb. 4 | Die dreijährigen Luzerne-Gras-Mischungen liefern auch in Trockenperioden Futter mit hohen Eiweiss- und Rohfasergehalten.
Ergebnisse der Sortenversuche 2011–2013 mit Luzerne | Pflanzenbau
363Agrarforschung Schweiz 5 (9): 358–365, 2014
Tab. 3 | Sortenprüfung mit Luzerne: Ergebnisse der Ertragserhebungen und Bonitierungen in den Jahren 2011 bis 2013
Nr.
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Blat
tkra
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Luze
rnew
elke
*
1 Timbale 5,3 3,8 3,4 5,0 5,0 4,9 2,8 2,0 4,7 4,0 3,5 3,7 3,91
2 Cannelle 5,0 3,6 3,3 5,1 4,2 4,7 3,1 1,9 4,3 5,3 4,3 3,9 3,96
3 Fraver 5,0 3,8 4,4 5,6 4,8 5,0 2,8 1,6 4,7 1,3 5,0 4,1 3,97
4 Sanditi 4,9 3,4 3,2 4,7 4,4 4,4 3,0 2,3 4,7 4,4 5,3 3,7 4,00
5 Robot 4,8 2,8 2,7 4,6 3,3 3,8 2,9 1,7 5,3 8,0 6,8 2,9 4,10
6 Vanda 4,8 3,1 3,3 4,8 4,4 4,5 3,2 2,2 4,7 4,5 7,0 3,7 4,19
Mittel (Standard) 5,0 3,4 3,4 5,0 4,4 4,6 2,9 1,9 4,7 4,6 5,3 3,6 4,02
7 Catera 5,4 3,2 3,8 4,9 4,2 5,3 3,1 2,0 4,3 1,9 1,5 3,2 3,44
8 Eride 5,2 3,1 3,5 4,8 3,8 4,5 2,8 1,9 5,3 1,3 5,5 3,2 3,77
9 Artemis 4,7 3,0 3,5 4,6 3,1 4,4 2,6 1,5 5,0 3,5 5,8 3,8 3,78
10 Gea 4,0 2,5 2,8 4,3 3,0 3,6 3,1 2,9 5,7 6,0 5,3 3,0 3,79
11 Azzurra 4,5 2,4 2,8 4,1 3,7 3,7 2,9 2,7 5,3 7,4 5,5 2,4 3,91
12 Fleetwood 6,3 3,5 3,8 5,3 4,4 5,8 3,1 2,5 4,3 3,9 1,8 3,9 3,92
13 Voie Lacteé 4,6 3,3 3,7 4,7 3,8 4,8 2,8 1,6 5,3 4,8 5,0 4,1 3,94
14 Frigos 4,7 2,8 2,5 3,8 3,7 4,1 3,6 2,4 6,0 8,5 4,5 2,6 3,96
15 Galaxie 4,9 3,5 3,8 4,9 4,3 4,6 3,1 1,7 5,0 4,0 5,0 3,7 3,98
16 Sandra 5,7 4,1 4,0 5,0 4,4 5,2 2,6 1,7 5,3 5,8 2,0 4,7 3,99
17 Rachel 5,1 3,6 3,5 4,5 4,2 4,9 2,9 1,8 5,0 4,5 4,8 4,0 4,00
18 Costanza 4,7 2,4 2,3 4,1 3,6 3,2 2,8 2,4 6,7 8,0 6,3 1,9 4,00
19 Alexis 4,6 3,4 3,0 4,4 3,7 4,5 2,8 1,6 5,0 5,3 6,0 4,3 4,01
20 Felicia 4,4 3,9 3,9 4,9 4,8 4,7 2,5 1,7 4,0 4,8 5,0 4,9 4,03
21 Salsa 5,8 3,7 3,6 5,3 4,6 5,1 3,4 2,1 5,0 1,3 5,0 3,7 4,05
22 Sovrana 4,5 2,8 2,7 4,2 3,8 3,7 3,0 2,4 5,7 8,4 5,5 3,3 4,08
23 Prosementi Bologna 4,5 2,9 2,7 4,2 3,8 4,2 3,6 2,4 5,3 7,5 5,8 2,7 4,08
24 Giulia 4,5 3,2 2,8 4,5 3,9 4,2 3,4 2,6 6,3 8,0 4,3 3,3 4,09
25 Carélite 5,8 4,0 3,8 5,4 4,7 5,1 3,3 2,0 5,0 2,9 4,3 4,3 4,14
26 Fusion 5,5 4,2 4,0 5,1 4,6 5,3 2,9 1,6 3,7 4,5 4,5 5,0 4,18
27 Roxana 5,1 3,7 3,6 4,9 4,2 4,9 2,9 1,5 4,7 6,9 5,3 3,8 4,20
28 Plato 5,4 4,0 3,8 5,2 4,5 5,3 3,2 2,0 4,3 4,9 4,5 4,3 4,20
29 Minerva 4,4 3,0 3,2 4,2 3,6 4,1 2,8 2,1 6,3 7,8 6,5 3,3 4,20
30 Premariacco 5,0 3,0 3,2 4,0 3,5 4,2 3,1 2,5 5,7 8,0 6,0 2,8 4,21
31 Medoc 4,7 3,9 3,6 5,2 4,5 5,1 2,9 1,7 5,0 7,5 4,5 4,4 4,23
32 Neptune 5,7 3,7 3,9 5,3 4,6 5,2 3,3 2,0 5,0 3,1 5,5 3,9 4,26
33 Exquise 5,3 3,6 3,6 4,6 4,4 4,8 3,9 2,4 4,3 4,0 6,5 3,4 4,30
34 Madalina 5,6 3,9 3,9 4,8 4,8 5,1 3,1 2,1 4,7 5,5 4,8 4,3 4,31
35 Fiesta 5,2 4,8 6,0 6,0 5,9 5,9 2,6 1,8 3,0 2,0 4,5 6,1 4,37
36 Kamila 5,1 3,5 3,5 4,6 5,0 4,9 3,7 2,3 4,7 5,5 7,5 4,1 4,56
Fettschrift bei Sortenname = bisher empfohlene Sorten
Notenskala: 1 = sehr hoch bzw. gut; 9 = sehr niedrig bzw. schlecht1) Ertragsnoten: Jahresertrag von 4 bis 5 Erhebungen, 2012: 4 Versuchsstandorte, 2013: 3 Versuchsstandorte 2) VOS = Verdauliche organische Substanz: Mittel von 3 Terminen im Jahre 2012, Standort Ellighausen*Hauptmerkmal mit doppelter Gewichtung
364
Pflanzenbau | Ergebnisse der Sortenversuche 2011–2013 mit Luzerne
Agrarforschung Schweiz 5 (9): 358–365, 2014
nach der Saat und im Frühling. Eride verfügt über eine
gute Ausdauer und eine hervorragende Standfestigkeit,
welche nur von der Standardsorte Fraver in gleicher Qua-
lität erreicht wurde. Eher mittelmässig schneidet Eride im
TS-Ertrag und bei der Verdaulichkeit ab. Die Sorte Arte
mis, eine weitere interessante Neuzüchtung, überzeugt
einerseits durch eine sehr gute Ausdauer und hohe
Erträge, andererseits durch eine gute Resistenz gegen
Luzernewelke und Blattkrankheiten. Zudem verfügt sie
über eine gute Standfestigkeit. Eride und Artemis haben
sehr ähnliche Eigenschaften. Gea, die vierte Neuzüch-
tung mit Empfehlung, erzielte in vielen Eigenschaften
sehr gute Ergebnisse: TS-Ertrag, Güte, Konkurrenzkraft,
Ausdauer, Jugendentwicklung und Höhentauglichkeit.
Da die Sorte im Frühling sehr schnell wieder austreibt, ist
sie, besonders in Muldenlagen, anfällig auf Frostschäden.
Dagegen schnitt sie hinsichtlich Standfestigkeit, Verdau-
lichkeit und Resistenz gegen Luzernewelke unterdurch-
schnittlich ab. Auch andere Neuzüchtungen zeigten,
obwohl sie die Anforderungen für eine Empfehlung
nicht ganz erfüllen konnten, interessante Ergebnisse. Zu
erwähnen sind beispielsweise die Sorten Azzurra und Fri
gos, die ähnliche Eigenschaften wie Gea aufweisen, auf-
grund einer schlechten Standfestigkeit die Empfehlung
aber nicht schafften. Voie Lactée überzeugte durch hohe
Erträge und eine hohe Resistenz gegen Luzernewelke,
schnitt aber in den übrigen Kriterien zu wenig gut ab.
Die Sorte Fleetwood schliesslich überzeugte durch eine
sehr gute Stängelbeschaffenheit, wies aber zu geringe
Erträge auf.
Standardsorten: Vanda ab 2017 nicht mehr empfohlen
Betrachtet man die Ergebnisse bezüglich dem Gesamtin-
dex, stellt man fest, dass die geprüften Sorten relativ
wenig voneinander abweichen, liegen doch die erziel-
ten Indexwerte, mit Ausnahme der beiden Neuzüchtun-
gen Fiesta und Kamila, innerhalb einer Spannbreite von
lediglich 0,4 Punkten. Dennoch verliert eine Standard-
sorte, nämlich Vanda, ihre Empfehlung. Zwar erfüllt sie
die Anforderungen hinsichtlich Gesamtindex, weist
jedoch in der Stängelbeschaffenheit mit 7,0 einen Wert
auf, der den Mittelwert der Standardsorten um mehr als
1,5 Punkte übertrifft (Tab. 3). Auch die Sorte Robot ver-
fügt über schlechte Stängeleigenschaften, kann sich
aber diesbezüglich noch knapp behaupten. Robot zeich-
net sich ausserdem durch eine schlechte Standfestigkeit
aus und gehört in dieser Hinsicht zu den schlechtesten
aller geprüften Sorten. In vielen wichtigen Eigenschaf-
ten wie Ertrag, Güte, Konkurrenzkraft, Jugendentwick-
lung und Resistenz gegen Luzernewelke schneidet sie
aber nach wie vor sehr gut ab, weshalb sie trotz nicht
erfüllter Anforderung bei der Standfestigkeit auf der
Liste der empfohlenen Sorten beibehalten wird. Die
Sorte Timbale hat im Vergleich mit Robot eher umge-
kehrte Eigenschaften: mittelmässige Erträge und Aus-
dauer, dafür eine gute Standfestigkeit und feine Stängel.
Mit Ausnahme von Robot verfügen alle sechs Standard-
sorten über sehr gute Verdaulichkeitswerte.
S c h l u s s f o l g e r u n g e n
•• Aus den Ergebnissen der Sortenprüfung mit Luzerne
der Jahre 2011 bis 2013 lassen sich folgende Schlüsse
und Konsequenzen ziehen:
•• Die 36 geprüften Sorten Luzerne lieferten insgesamt
sehr ausgeglichene Ergebnisse. Damit bestätigt sich
der hohe Züchtungsfortschritt dieser für den Kunstfut-
terbau wichtigen Leguminosen-Art.
•• Die grössten Sortenunterschiede bestehen vor allem in
den beiden Eigenschaften Standfestigkeit und
Stängelbeschaffenheit.
•• Die seit 2001 empfohlene Sorte Vanda wird aufgrund
ihrer schlechten Stängelbeschaffenheit von der Liste
der empfohlenen Sorten für Futterpflanzen gestrichen
und verbleibt für den Gebrauch in Standardmischun-
gen nur noch bis Ende 2016 im Handel.
•• Vier Neuzüchtungen, nämlich Catera, Eride, Artemis
und Gea, erfüllen aufgrund ihrer Ergebnisse die
Anforderungen der Sortenprüfung und werden neu in
die Liste der empfohlenen Sorten aufgenommen.
Damit umfasst die Sortenliste aktuell neun empfoh-
lene Sorten von Luzerne (Suter et al., 2012a). Für die
Verwendung in Standardmischungen mit Luzerne
besteht somit ein umfangreiches und vielseitiges
Angebot an hochstehenden Sorten von Luzerne. n
365
Ergebnisse der Sortenversuche 2011–2013 mit Luzerne | Pflanzenbau
Ria
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Sum
mar
y
Agrarforschung Schweiz 5 (9): 358–365, 2014
Literatur ▪ Mosimann E., Chalet C., Lehmann J., Schubiger F.X. & Briner H.U., 1995. Es-
sais de variétés de luzerne 1992-1994. Revue Suisse Agric. 27 (2), 107–110. ▪ Mauries M., 1994. La luzerne aujourd’hui. Edition France Agricole, 254 p. ▪ Mosimann E., Bertossa M., Lehmann J. & Briner H.U., 2001. Essais de variétés de luzerne (1998-2000). Revue Suisse Agric. 33 (4), 153–155.
▪ Norris K.H., Barnes R.F., Moore J.E. & Shenk J.S., 1976. Predicting forage quality by infrared reflectance spectroscopy. Journal of Animal Science 43, 889–897.
▪ Nösberger J. & Opitz von Boberfeld W., 1987. Grundfutterproduktion, Verlag Paul Parey, Berlin/Hamburg.
▪ Suter D., Hirschi H.U., Frick R. & Bertossa M., 2012a. Liste der empfohle-nen Sorten von Futterpflanzen 2013–2014. Agrarforschung Schweiz 3 (10), 1–8.
▪ Suter D., Rosenberg E., Mosimann E. & Frick R., 2012b. Standardmischun-gen für den Futterbau: Revision 2013–2016. Agrarforschung Schweiz 3 (10), 1–12.
▪ Tilley J. & Terry R., 1963. A two stage technique for the in vitro digestion of forage crops. Journal of the British Grassland Society 18, 104–111.
Alfalfa variety trials (20112013)
From 2011 through 2013, 36 varieties
of alfalfa (Medicago sativa L.) were
examined in comparative variety trials
at five experimental sites. All varieties
were grown in pure stands and in
mixture with gramineous plants. The
parameters assessed were dry matter
yield, juvenile development, regrowth
speed, general impression, stem
thickness, competitive ability, persis
tence, digestibility of organic matter,
and resistance to leaf diseases and
winter conditions. For each variety, an
indexvalue based on measurements
and observations of yield was calcu
lated, allowing an accurate comparison
of the varieties. According to the
results, four new varieties of alfalfa
(Catera, Eride, Artemis and Gea) will be
added to the «List of Recommended
Varieties of Forage Plants». The
previously recommended variety
Vanda was removed from the list,
owing to the bad quality of stem
thickness, but may be used in com
merce until the end of 2016.
Key words: Medicago sativa L., alfalfa,
variety test, list of recommended
varieties.
Risultati delle prove varietali dell’erba
medica (20112013)
Il valore agronomico e culturale delle
36 varietà di erba medica (Medicago
sativa L.) è stato valutato nelle prove
varietali dal 2011 al 2013. Le semine
sono state realizzate in colture pure e
in associazione semplice con due
graminacee. Le seguenti caratteristiche
sono state considerate: rendimento in
materia secca, velocità di attecchi
mento, impressione generale, sviluppo
primaverile, resistenza alle piogge
intense, capacità di concorrenza,
persistenza, resistenza alle malattie,
grandezza degli steli e attitudine per la
coltura in quota. La classificazione
delle varietà testate è stata effettuata
sulla base del calcolo di un indice
globale ponderante l’insieme dei criteri
sopra elencati. Quattro nuove varietà
(Catera, Eride, Artemis e Gea) hanno
mostrato risultati superiori alla media
e saranno, perciò, iscritte nella «Lista
delle varietà raccomandate». La
precedente varietà raccomandata
Vanda sarà, invece, ritirata dall’assorti
mento essenzialmente a causa del non
adeguato spessore degli steli; tuttavia
potrà ancora essere commercializzata
fino alla fine del 2016.
366 Agrarforschung Schweiz 5 (9): 366–373, 2014
P f l a n z e n b a u
relativ stabil (Abb. 1a). Dies ist nicht in allen vergleichba-
ren Ländern der Fall, wie der Blick nach Italien mit stark
abnehmender Bedeutung des dortigen Getreideanbaus
zeigt. Die Schweiz konnte ihren Selbstversorgungsgrad
gerade auch aufgrund des Zuchtfortschrittes in den eige-
nen Weizensorten in den vergangenen Jahrzehnten trotz
des enormen Bevölkerungswachstums bei ca. 60 % brutto
(inklusive der Produktion basierend auf importierten Fut-
termitteln) halten. Der kontinuierliche Rückgang der An-
bauflächen von Wurzel- und Knollenfrüchten (Abb. 1b)
ist vor allem auf eine geringere Nachfrage nach Kartof-
feln, der wichtigsten Art innerhalb dieser Kulturgruppe,
zurückzuführen. Diese geringere Nachfrage basiert zum
einen auf dem rückläufigen Direktverzehr von Kartoffeln,
zum anderen auf der weitgehenden Verdrängung von
Kartoffeln, aber auch Futterrüben, als Futtermittel. Der
Zunahme im Anbau von Ölsaaten und Hülsenfrüchten
(Abb. 1c,d) hingegen liegt kein genereller Anstieg der
Nachfrage zu Grunde, sondern er resultiert entscheidend
aus einer Vielzahl an züchterischen Verbesserungen
wichtiger Arten innerhalb dieser Kulturgruppen. An ers-
E i n l e i t u n g
Dieser Artikel betrachtet das thematische Umfeld der
Pflanzenzüchtung in der Schweiz und er ordnet die
schweizerischen Verhältnisse in den gegenwärtigen und
zukünftig zu erwartenden internationalen Kontext ein.
Er basiert auf einer umfangreicheren Studie, die im Auf-
trag des Bundesamtes für Landwirtschaft (BLW) durch-
geführt wurde und die mit dazu beitragen soll, die
Grundlagen für die Erarbeitung einer Strategie zur
Pflanzenzüchtung in der Schweiz für die kommenden
Jahrzehnte zu schaffen.
Entwicklung der ackerbaulichen Hauptkulturen
Weizen stellt die Grundlage unserer Ernährungskultur
dar. Innerhalb der in der Schweiz angebauten Getreide
nimmt er daher, mit einer Anbaufläche die seit den 1980er
Jahren zwischen 80 000 und 100 000 ha schwankt, eine
überragende Stellung ein. Insgesamt blieb über die ver-
gangenen 50 Jahre hinweg die Anbaufläche von Getreide
in der Schweiz ebenso wie in Frankreich und Deutschland
Die Schweizer Pflanzenzüchtung – eine räumliche, zeitliche und thematische Analyse des UmfeldesAchim Walter, Christoph Grieder, Luisa Last, Beat Keller, Andreas Hund und Bruno Studer
Institut für Agrarwissenschaften, ETH Zürich, CH8092 Zürich
Auskünfte: Bruno Studer, E-Mail: [email protected]
Feldversuche mit Weizen und Buchweizen an der ETH-Forschungsstation in Lindau-Eschikon.
Die Schweizer Pflanzenzüchtung – eine räumliche, zeitliche und thematische Analyse des Umfeldes | Pflanzenbau
367
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Agrarforschung Schweiz 5 (9): 366–373, 2014
Das Spektrum nachgefragter Kulturpflanzen
sowie deren Leistungsfähigkeit verändern
sich mit der Zeit. In der Schweiz spielt der
Anbau von Getreide, Spezialkulturen und
Futterpflanzen traditionell eine grosse Rolle.
Die Leistungsfähigkeit dieser Pflanzen unter
den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen,
aber auch unter den Gegebenheiten der
zukünftigen Produktionsbedingungen zu
erhalten, wird von grosser Bedeutung sein.
Eine Fokussierung auf diese Pflanzen alleine
wäre jedoch kurzsichtig und würde der
Schweiz pflanzenbauliche Möglichkeiten
verschliessen, die im Bereich anderer, noch
wenig erforschter Kulturarten einen grossen
Gewinn verschaffen könnten. Die Weiterent
wicklung von Kulturpflanzen erfolgt durch
den Prozess der Pflanzenzüchtung. Pflanzen
züchtung nimmt Einfluss auf den Ertrag, die
Qualität sowie auf die Resistenz gegenüber
Krankheiten und Umweltstress. Technische
Entwicklungen in Anbau, Lebensmittel
verarbeitung und Züchtung beeinflussen
diese Zusammenhänge ebenso wie die
mittlerweile weitgehend globale Vernetzung
des AgroFoodSektors. Es ist schwierig
vorherzusagen, wie sich der Bedarf und die
Ausrichtung der Pflanzenzüchtung in der
Schweiz in den kommenden Jahrzehnten
genau entwickeln werden. Der Bund kann
durch gesetzliche Vorgaben und finanzielle
Anreize jedoch markant auf diese Entwick
lungen einwirken und Prozesse in Gang
bringen, welche die Stellung der Schweiz im
‚Welternährungssystem‘ für die absehbare
Zukunft stärken und die dem Selbstverständ
nis der Schweiz als einer vorbildlichen und
auf Nachhaltigkeit, Zufriedenheit der
Bevölkerung und wirtschaftlichen Erfolg
orientierten Volkswirtschaft entsprechen.
ter Stelle ist hier die züchterische Entwicklung beim Raps
zu nennen. Durch die Bereitstellung von erucasäure-
freien Sorten (‚0-Raps‘, 1970er Jahre) und die Reduktion
des Glucosinolatgehaltes (‚00-Raps‘, 1980er Jahre) konnte
das bis dato vergleichsweise schlecht geniessbare Öl für
die Humanernährung eingesetzt werden und der Press-
kuchen gewann für die Tierfütterung an Bedeutung. Die
Kühletoleranz von Raps zeichnet ihn für den Anbau in
unseren Breiten beziehungsweise Fruchtfolgen beson-
ders aus – Raps ist die einzige bedeutende Ölsaat, die als
Winterkultur angebaut wird. In Bezug auf die Hülsen-
früchte ist die Entwicklung bei Soja besonders erwäh-
nenswert. Hier kam es in der Schweiz durch grosse
Erfolge der staatlichen Züchtung zur Entwicklung von
sehr früh reifenden Sorten, die in der Schweiz und Nach-
barländern mit vergleichbaren klimatischen Bedingun-
gen erfolgreich angebaut werden können und sowohl
als Öllieferant (Hauptzweck des Sojaanbaus in der
Schweiz) als auch zur Proteinproduktion einen wichtigen
Beitrag leisten können.
Momentane Gewichtung der Kulturen in der Schweiz
Im Konzert der oben genannten vier grossen Kultur-
gruppen spielen die Getreide mit 72 % der mit einjähri-
gen Ackerkulturen bestellten Fläche die wichtigste Rolle
a) c)
d)b)
120
100
8060
100
8060
4020
200
400
600
800
200
400
600
800
1000
1200
1960 1970 1980 1990 2000 2010 1960 1970 1980 1990 2000 2010
1960 1970 1980 1990 2000 20101960 1970 1980 1990 2000 2010
Anba
ufläc
he re
lativ
zu
1961
(%)
Anba
ufläc
he re
lativ
zu
1961
(%)
Jahr Jahr
Getreide Ölsaaten
Wurzeln und Knollen Hülsenfrüchte
Frankreich Deutschland Italien Schweiz
Abb. 1 | Relative Entwicklung der Anbaufläche der Hauptkulturen in der Schweiz, Frankreich, Deutschland und Italien seit 1961 (Hül-senfrüchte Schweiz relativ zu 1973). (Quelle: FAOSTAT 2013)
Pflanzenbau | Die Schweizer Pflanzenzüchtung – eine räumliche, zeitliche und thematische Analyse des Umfeldes
368 Agrarforschung Schweiz 5 (9): 366–373, 2014
(Abb. 2), gefolgt von den Ölsaaten (13 %), Wurzel- und
Knollenfrüchten (5,5 %) und Hülsenfrüchten (2 %).
Etwas weniger als 8 % werden mit diversen Gemüsen
bebaut. Der Anteil der Getreide bezogen auf die übri-
gen Ackerkulturen ist im globalen Vergleich in der
Schweiz und in Europa deutlich höher. In der Schweiz
stehen den 200 000 Hektaren Ackerland landwirtschaft-
lich genutzte Grünlandflächen von etwas über einer
Million Hektaren gegenüber. Diese Relation von Grün-
land zu Ackerland unterscheidet die Schweiz von den
meisten anderen Nationen. Ebenso ist der Anbau von
sogenannten Spezialkulturen wie Obst (ca. 6500 ha; vor-
wiegend Äpfel) und Wein (15 000 ha) von relativ grosser
Bedeutung. «Exotischere» Kulturen wie Pseudogetreide
(z.B. Buchweizen, <100 ha), Energiepflanzen (z.B. Mis-
canthus, <100 ha) und Medizinal- und Aromapflanzen
(250 ha) spielen momentan keine grosse Rolle, verfügen
aber über ein interessantes Zukunftspotenzial.
Die Wertschöpfung, die durch die oben genannten
unterschiedlichen Kulturgruppen erzielt wird, hängt im
Wesentlichen von den Anbauflächen und vom Wert des
Hauptproduktes ab, das durch die jeweilige Kultur-
gruppe generiert wird (Abb. 3). Im Jahr 2012 lag der
Wert aller in der Schweizer Landwirtschaft produzierten
Getreide (58% / 71% / 72%)
Ölsaaten (23% / 21% / 13%)
Gemüse (4,5% / 3% / 7,5%)
Wurzeln und Knollen (4,5% / 2,5% / 5,5%)
Hülsenfrüchte (6,5% / 2,0% / 2,0%)
Faserkulturen (3,5% / 0,5% / 0%)
Global
1216 Mio.ha
EU-27
80 Mio.ha
Schweiz
0,205 Mio.ha
Abb. 2 | Flächenanteile in Prozent der Hauptkulturen auf globaler Ebene, in der Europäischen Union (EU-27) und in der Schweiz. (Quelle: FAOSTAT 2013)
Wertschöpfung Agrarsektor
998 Mio. CHF
Wertschöpfung Pflanzenproduktion
427 Mio. CHF
Futterpflanzen (10,4% / 24,4%)
Obst und Wein (9,7% / 22,7%)
Sonstige (0,9% / 1,9%)
Tierische Produkte (46,7%)
Dienstleistungen (6,8%)
Nebentätigkeiten (3,7%)
Getreide (3,7% / 8,7%)
Ölsaaten (0,9% / 2,1%)
Gemüse u. Gartenb. (13,9% / 32,6%)
Wurzeln und Knollen (3,2% / 7,4%)
Hülsenfrüchte (0,1% / 0,2%)
Abb. 3 | Die prozentualen Anteile der Hauptkulturen an der Gesamtwertschöpfung im Agrarsektor sowie an der Wertschöpfung, welche durch den Pflanzenbau generiert wird. (Quelle: Bundesamt für Statistik 2014)
Die Schweizer Pflanzenzüchtung – eine räumliche, zeitliche und thematische Analyse des Umfeldes | Pflanzenbau
369Agrarforschung Schweiz 5 (9): 366–373, 2014
neuem Material, welches in den Kreislauf eingeführt
wird) von neuen Kreuzungen und somit als Basis für die
nächste Runde des Kreislaufes.
Fortschritte in sehr unterschiedlichen technologi-
schen Bereichen – von der Anbautechnik bis hin zur Ver-
arbeitung von Lebensmitteln – bewirken eine dynami-
sche Veränderung von Züchtungszielen. Es gilt in den
kommenden Jahrzehnten vor allem effizientere pflanzli-
che Produktionssysteme für eine nachhaltige Intensivie-
rung der Landwirtschaft zu generieren. Dies erfordert
die Realisierung von Kulturpflanzen, die mit geringeren
Mengen an Düngemitteln, Herbiziden und Bewässerung
einen hohen und relativ sicheren Ertrag erzielen können.
Die absolute Höhe des Ertrages wird in Zukunft in Züch-
tungsprogrammen weniger relevant sein als die Sicher-
heit, in klimatischen Extremsituationen – insbesondere
Hitze, Dürre und Nässe – einen vergleichsweise hohen
Ertrag zu erzielen. Selbstverständlich wird die Resistenz
gegenüber Krankheiten und Schadorganismen nach wie
vor ebenfalls eine herausragende Rolle spielen, zumal
sich das Spektrum von Schädlingen und Krankheitserre-
gern mit dem sich verändernden Klima ebenfalls wan-
deln wird.
Fallbeispiel WeizenIn der Schweiz wird seit langem ein erfolgreiches Pro-
gramm zur Weizenzüchtung betrieben, bei dem Agro-
scope und Delley Samen und Pflanzen AG (DSP) miteinan-
der kooperieren. Dabei wurden mit Hilfe konventioneller
Züchtungsmethoden vor allem hochwertige Sorten ent-
wickelt, aus denen Mehl von hoher Protein- respektive
Backqualität gewonnen wird. Der Weizenanbau im Inland
Waren und Dienstleistungen zu laufenden Preisen
(‚Wertschöpfung‘) bei ~10 Mrd CHF. Auf die Getreide
entfielen davon lediglich ca. 3,7 %, auf Obst und Wein
sowie Futterpflanzen je ca. 10 % und auf die Produkte
des Gemüse und Gartenbaus ca. 14 %. In allen Kultur-
gruppen findet sowohl Anbau nach den Richtlinien der
biologischen Landwirtschaft (ca. 12 %, je nach Kulturart
und Region zwischen 5 % und 18 %) als auch nach den
Richtlinien der guten landwirtschaftlichen Praxis auf der
Basis des gültigen Regelwerks zum Erhalt von Direktzah-
lungen statt.
Weiterentwicklung der Kulturen durch die Pflanzen
züchtung
Die konsequente Weiterentwicklung und Verbesserung
der oben genannten Kulturpflanzen erfolgt durch die
Pflanzenzüchtung, welche die genetische Verbesserung
im Hinblick auf eine Vielzahl von Merkmalen zum Ziel
hat. Unabhängig von den Merkmalen, der Kulturpflan-
zenart und der angewandten Züchtungsmethodik bleibt
das Grundschema jeweils dasselbe. Ausgehend von der
durch neue Kreuzungen generierten genetischen Varia-
bilität muss der Züchter das Material für seine Gesamt-
heit an Erscheinungsmerkmalen (Phänotyp) und evtl.
auch für seine Erbeigenschaften (Genotyp) charakteri-
sieren (Abb. 4, schwarz). Die erfassten Daten werden
dann mittels statistischer und bioinformatischer Verfah-
ren verarbeitet, um die Pflanzen mit den besten Eigen-
schaften für die nächste Züchtungsphase selektieren zu
können. Die selektierten Pflanzen bilden nach einge-
hender Prüfung entweder direkt in eine neue, verbes-
serte Sorte oder dienen als Eltern (evtl. zusammen mit
Selektion
Variation im Zuchtgarten
Phänotypisierung Genotypisierung
Statistik / Bioinformatik
Neue Sorte
NeuesMaterial
- Doppel Haploide
- Natürliche genetische Variabilität - Mutationszüchtung/TILLING - Somatische Hybridisierung - Gentechnisch Veränderte Organismen
- Marker Assisted Selection - Genomische Selektion
Erweiterung der genetischen Variabilität Beschleunigung der Züchtungsphase Erhöhung des Selektionserfolges
Prüfung
Kreuzung
Abb. 4 | Schematische Darstellung des Züchtungskreislaufes. Die farbigen Felder beschreiben Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung im Züchtungsprozess.
Pflanzenbau | Die Schweizer Pflanzenzüchtung – eine räumliche, zeitliche und thematische Analyse des Umfeldes
370 Agrarforschung Schweiz 5 (9): 366–373, 2014
basiert zum Grossteil auf diesen Sorten, Saatgut dieser
Sorten wird in nennenswertem Umfang exportiert. Ohne
fortlaufende züchterische Anpassung dieser Sorten wäre
es nicht möglich die Positionierung der Schweiz im
Bereich des Weizens aufrecht zu erhalten. Auch interna-
tional spielt die Züchtung von Weizen eine grosse Rolle.
Hier findet unter Einsatz modernster Züchtungstechno-
logien eine eng vernetzte Zusammenarbeit bei der Wei-
terentwicklung dieser Kulturpflanze statt. Dies kann am
Fallbeispiel der Weizenzüchtung in Deutschland illust-
riert werden: In Deutschland sind 39 Unternehmen in
der Getreidezüchtung tätig (BDP 2013) und 20,2 % der
Zuchtgartenflächen (ohne Futterpflanzen) sind der Wei-
zenzüchtung vorbehalten (Noleppa und von Witzke
2013). Aktuell laufendende Forschungsprojekte beinhal-
ten z.B. die Entwicklung von molekularen Markern für
agronomisch wichtige Eigenschaften in Weizen (2 Pro-
jekte, 3,5 Mio. Euro), Stickstoff-Nachhaltigkeit in Getrei-
den (2 Projekte, 2,0 Mio. Euro), Frosttoleranz (1,1 Mio.
Euro), Hybridweizen (2 Projekte 3,6 Mio. Euro) sowie
Toleranz gegenüber biotischem (3 Projekte, 5,8 Mio.
Euro) und abiotischem Stress (4 Projekte, 3,1 Mio. Euro).1
In diesen Forschungsprogrammen werden insgesamt 6,7
Mio. Euro pro Jahr investiert (über die Gesamtdauer aller
Projekte fast 20 Mio. Euro), wobei es überwiegend um
die Anwendung und Entwicklung moderner Züchtungs-
methoden geht. Neben Firmen beteiligen sich auch
Hochschulen, Landesforschungsanstalten und andere
Forschungspartner an diesen Aktivitäten. Die Gemein-
schaft zur Förderung der privaten deutschen Pflanzen-
züchtung (GFP) hat zudem das Programm «ProWeizen»
gestartet, das im Rahmen der globalen «Wheat Initia-
tive» positioniert ist und die Themen Hybridzüchtung,
molekulare Ertragsphysiologie und Phänotypisierung in
weltweiten Forschungsnetzwerken abdeckt.2 Besonders
ein Durchbruch bei der Hybridzüchtung könnte der Wei-
zenzüchtung international eine neue Dynamik verleihen
(Hund et al. 2014).
Neben den grossen Investitionen der privaten Züch-
tungsunternehmen in Züchtungsforschung und Techno-
logieentwicklung, erfolgt die staatliche Stützung der
1 http://www.pflanzenforschung.de/de/plant-2030/fachinformationen/projektdatenbank (Zugriff am 6.9.2013)
2 http://www.proweizen.de/ (Zugriff am 6. 9.2013)
Züchtungskategorie Nutzung von Züchtungstechniken
Kulturart Klon
züch
tung
Popu
latio
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Lini
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Dopp
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ixis
Weizen 0,0 2,0 5,0 2,5 0,0 1,8 4,8 0,0 1,5 0,0 5,3 0,0Gerste 0,0 2,0 3,0 2,0 0,0 2,0 6,0 0,0 2,0 0,0 0,0 6,0Roggen 0,0 2,0 2,3 0,3 0,3 1,7 5,0 0,0 0,3 0,0 0,0 6,0Mais 0,0 1,0 2,0 2,7 5,0 2,3 3,3 0,0 2,0 0,0 4,0 6,0
Soja 0,0 2,0 5,5 5,5 5,0 2,0 4,0 0,0 4,0 0,0 3,5 6,0Kichererbsen 0,0 2,0 0,0 1,0 0,0 5,0 5,0 0,0 5,0 0,0 0,0 0,0
Raps 0,0 2,0 2,5 2,5 0,0 2,0 3,5 0,0 3,0 3,0 3,0 6,0Sonnenblume 0,0 0,0 2,0 6,0 0,0 2,0 4,0 0,0 1,0 1,0 5,0 0,0
Kartoffel 2,0 0,0 0,0 0,0 0,0 2,5 6,0 3,0 3,0 2,0 2,5 0,0Zuckerrübe 0,0 0,5 2,0 5,0 5,0 2,0 4,5 3,0 6,0 0,0 5,0 6,0
Apfel 2,0 0,0 0,0 0,0 2,0 3,0 6,0 0,0 3,0 0,0 4,0 0,0
Rotklee 0,0 2,0 1,0 0,0 0,0 3,0 5,0 2,0 5,0 0,0 0,0 0,0Weissklee 0,0 2,0 1,0 0,0 0,0 3,0 5,0 2,0 5,0 0,0 0,0 0,0Raigräser 0,0 2,0 5,0 0,0 0,0 3,0 4,0 2,0 4,0 0,0 6,0 6,0
0 Spielt keine Rolle 1 Nicht mehr/selten in Gebrauch 2 Standardmässig bei kleinen und grossen Firmen 3 Standard bei grossen, wird von kleinen langsam implementiert 4 Nur bei grossen 5 Kurz- bis mittelfristig bei grossen Firmen zu erwarten 6 Erst langfristig zu erwarten
Abb. 5 | Einsatz moderner Züchtungstechnologien in der Pflanzenzüchtung. Die relative Be-deutung einzelner Methoden und Technologien wurde von jeweils acht Experten für die einzel-nen Kulturarten auf einer Skala von 0 bis 6 abgeschätzt (eigene Umfrage).
Die Schweizer Pflanzenzüchtung – eine räumliche, zeitliche und thematische Analyse des Umfeldes | Pflanzenbau
371Agrarforschung Schweiz 5 (9): 366–373, 2014
logien – von denen nur ein kleiner Teil in den Bereich der
Gentechnik fällt (Abb. 5) – sowie eine enge Zusammen-
arbeit mit internationalen Konsortien unabdingbar sein.
Fallbeispiel Rotklee
In der Schweizer Landwirtschaft spielt die Tierproduk-
tion eine herausragende Rolle, weswegen Futterpflan-
zensysteme von enormer Bedeutung sind. Im Bereich des
Rotklees ist die schweizerische Züchtung von Agroscope
in Kooperation mit DSP im heimischen als auch im Euro-
päischen Futterpflanzenbau sehr gut aufgestellt (Abb. 6).
Die empfohlene Sortenliste 2013/2014 für die Schweiz
wird vor allem von den Sorten der Agroscope/DSP domi-
niert (Agroscope 2013).
Ein wichtiges Zuchtziel ist die Steigerung des Ertra-
ges und der Qualität. Eine hohe Schmackhaftigkeit und
ein hoher Eiweissgehalt stehen hier im Vordergrund,
wobei auch der Ausdauer und der Krankheitsresistenz,
z.B. gegen Fusarium oder Sclerotinia, eine wichtige Rolle
zukommt. Eine bessere Wasser- und Nährstoffeffizienz
helfen Ressourcen effizienter zu nutzen sowie den
Anbau in trockeneren Gebieten zu ermöglichen. Insge-
samt wird die Züchtung solcher Sorten angestrebt, wel-
che an vielen Standorten und unter unterschiedlichen
Stressbedingungen angebaut werden können (DLF-Tri-
folium3).
Züchtung im benachbarten Ausland v.a. über Förder-
und Forschungsprogramme (PLANT 2030, Wheat Initia-
tive, BREEDWHEAT, etc.). Obwohl die Langfristigkeit sol-
cher Förderprogramme naturgemäss nicht gewährleistet
ist, da ihre Existenz stark von politischen Rahmenbedin-
gungen abhängt, sind diese von grosser Bedeutung: Oft
ermöglichen diese grossen Programme die Entwicklung
und Nutzung innovativer und kostenintensiver Techno-
logien für die Pflanzenzüchtung. Diese Technologien
können so auch den mittleren und kleineren Züchtungs-
unternehmen zugänglich gemacht werden und zu deren
Erfolg beitragen. Der Einsatz modernster Technologien
und molekularer Methoden in der Pflanzenzüchtung
hat sehr stark zugenommen, und es ist zu erwarten, dass
der Technologieentwicklung eine Schlüsselrolle in der
zukünftigen Entwicklung der Pflanzenzüchtung
zukommt (Abb. 5).
Auch für die Schweiz wird es in den kommenden
Jahrzehnten von Bedeutung sein, innovative Pflanzen-
züchtung zu fördern, das Bedürfnis der Landwirte nach
einem verlässlichen Einkommen zu decken und gleicher-
massen dem Bedürfnis der Kunden nach qualitativ hoch-
wertigen Nahrungsmitteln entgegenzukommen. Eine
Wertschöpfung kann dann nicht nur durch Anbau der
Kulturen im eigenen Land entstehen, sondern in einem
erheblichen Mass auch durch den Absatz des Saatgutes
und durch den Transfer von Wissen über die Erzeugung
dieses Saatguts ins Ausland. Wenn diese Stellung für
Weizen gehalten werden soll, wird auch in der Schweiz
ein verstärkter Einsatz von modernen Züchtungstechno-3 http://www.dlf.com/R_D/Grass_seeds_Forage_Breeding.aspx (Zugriff am 13.11.2013)
Abb. 6 | Namen der Züchtungs- bzw. Erhaltungseinrichtungen und Anzahl der Rotklee-Sorten, wel-che auf der Liste der CPVO (Community Plant Variety Office) seit 2000 registriert sind. Hinzu kom-men 31 weitere Einrichtungen mit weniger als 3 registrierten Sorten seit dem Jahre 2000.
Agroscope / DSP(CH)
DLF-Trifolium (DK)
Centrum výskumu rastlinnej výroby Pieštany (SK)
Malopolska Hodowla Roslin HBP (PL)
Lantmännen SW Seed AB (SE)
Selgen A.S.(CZ)
Norddeutsche Pflanzenzucht (DE)
Statiunea de Cercetare-Dezvoltare Agricola (RO)
Oseva UNI, a.s. (CZ)
Graminor AS (NO)
LUA Agency Research Institute of Agriculture (LV)
Agrogen (CZ)
Agri-Obtentions (FR)
Institute of Agriculture (LT)
Jõgeva Plant Breeding Institute (EE)
Aberystwyth University (UK)
Anzahl der registrieten Sorten (CPVO, seit 2000)
0 2 4 6 8 10 12 14 16
372
Pflanzenbau | Die Schweizer Pflanzenzüchtung – eine räumliche, zeitliche und thematische Analyse des Umfeldes
Agrarforschung Schweiz 5 (9): 366–373, 2014
Auch im Bereich der Futterpflanzenzüchtung nutzen
grosse Unternehmen wie z.B. DLF-Trifolium (Dänemark,
weltweiter Marktanteil von bis zu 20 %) heutzutage
sowohl konventionelle als auch DNA-Marker basierte
Züchtungsmethoden. Konventionelle Züchtungsmetho-
den beinhalten Paarkreuzungen und Massenkreuzun-
gen (polycrosses) sowie die phänotypische Selektion
unter Berücksichtigung verschiedener Standorte. Für
den Einsatz von DNA-basierten Analysen werden Single
Nucleotide Polymorphism (SNP) Marker für die Marker-
gestützte Selektion (oder «Marker Assisted Selection»)
angewendet. Besondere Bedeutung hat hier die «Geno-
mische Selektion», welche nicht nur auf einzelnen Mar-
kern basiert, sondern die Gesamtheit der genetischen
Information (in der Regel mehrere 100 000 SNPs) nutzt,
um mittels multivariater Verfahren die (quantitativen)
Merkmale vorherzusagen. Züchtungsmethoden, welche
eine gentechnische Veränderung des Organismus erfor-
dern, werden – obwohl die Technologie etabliert ist –
aus politischen und wirtschaftlichen Gründen von DLF
nicht angewendet.
Nischenkulturen und Vielfalt in der Landwirtschaft
Eine Weiterentwicklung des Züchtungsfortschritts kann
nur mit Einsatz moderner Technologien sowie mit effek-
tiven nationalen und internationalen Kooperationen
gelingen. Dies zeigen die Fallbeispiele Weizen und Rot-
klee; man hätte dies aber ebenso gut am Fallbeispiel
Apfel demonstrieren können, bei dem derzeit unter
Schweizer Beteiligung in internationalen Konsortien z.B. grosse Fortschritte im Hinblick auf Feuerbrandresistenz
erzielt werden. Es wäre jedoch zu kurz gegriffen, für eine
Analyse des staatlichen Engagements in die Züchtungs-
forschung nur Hauptkulturen einzubeziehen. Weltweit
ist ein sich immer ähnlicher werdendes Ernährungsver-
halten der Bevölkerungen verschiedener Länder und
Regionen zu beobachten, das zu einem Verlust der land-
wirtschaftlichen Diversität führt (Khoury et al. 2014). Um
die Resilienz unserer landwirtschaftlichen Systeme zu
gewährleisten oder sogar zu verbessern, wird es daher
notwendig sein, sowohl die züchterische Arbeit an unse-
ren Hauptkulturen zu fördern, als auch eine verstärkte
Nutzung von heutigen Nischenkulturen langfristig zu
fördern, deren züchterische Anpassung an moderne Pro-
duktionsbedingungen Jahrzehnte dauern kann (Stamp
et al. 2012). Vielfältigere Fruchtfolgen, pflanzenbasierte
Proteinproduktion und lokale Produktion ernährungs-
physiologisch besonders wertvoller Pflanzen können nur
dann nachhaltig realisiert werden, wenn Züchtungsan-
strengungen auch in heutige Nischenkulturen, wie etwa
Pseudogetreide, Leguminosen, verschiedene Früchte und
Gemüse oder Medizinal- und Aromapflanzen, einfliessen.
Eine staatliche Investition ist bei diesen Kulturen von
grosser Bedeutung, da für die private Züchtung die Zeit-
räume eines «return on investment» oft zu lang sind.
Staatliche Investitionen in die Züchtung von Nischenkul-
turen können sich jedoch mittelfristig wirtschaftlich loh-
nen (Maredia et al. 2010) und sind im Hinblick auf die
Resilienz unserer landwirtschaftlichen Systeme sowie auf
die Diversität des Handelsportfolios und des Speiseplans
des Konsumenten eine grosse Bereicherung. Die Weiter-
entwicklung von Raps und Soja zeigt, welche ökonomi-
sche Tragweite züchterische Verbesserungen von einst-
mals weniger nachgefragten Kulturen entfalten können.
In der Schweiz entwickelte Sojasorten erfahren derzeit
im Rahmen der Donau-Soja Initiative zur Bereitstellung
von Futtermitteln aus Europa eine gesteigerte Nachfrage.
Kooperationsmodelle in der Pflanzenzüchtung
Durch geeignete Kooperationsmodelle lassen sich natio-
nale und internationale, sowie öffentliche und private
Kräfte bündeln, um die Pflanzenzüchtung wirtschaftlich
noch effizienter und konkurrenzfähiger zu machen.
Offen bleibt jedoch, ob die Zukunft der Pflanzenzüch-
tung, welche verstärkt durch technologischen Fortschritt
geprägt sein wird, nicht flexiblere und ganzheitlichere
Ansätze verlangt. Ansätze, welche Forschung, Technolo-
gieentwicklung und Anwendung, praktische Pflanzen-
züchtung und die Ausbildung in Kompetenzzentren
integrieren. Solche Zentren bieten eine ideale Plattform,
um inter- und transdisziplinäre Programme in der Pflan-
zenzüchtung erfolgreich zu initiieren und die Entwick-
lung neuer Sorten umzusetzen. Erfolgreiche Beispiele
für solche «Zentren» kommen bisher meist aus den
USA4,5. Sie erlauben es, schneller und effizienter auf die
dynamischen Veränderungen des Umfelds (Nachfrage
nach Kulturarten, Zuchtziele, Technologien) zu reagie-
ren. Die kritische Masse an multidisziplinären Experten
in solchen Zentren ist Voraussetzung für Wissensaus-
tauch und Ausbildung, so dass gut ausgebildete künf-
tige Generationen sich den Herausforderungen in der
Pflanzenzüchtung stellen können. n
Dank
Die Autoren danken dem Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) für die finanzielle Unterstützung zur Durchführung der Umfeldanalyse.
4 http://www.plantbreedingcenter.ncsu.edu/index.html5 http://plantbreeding.illinois.edu/
373
Die Schweizer Pflanzenzüchtung – eine räumliche, zeitliche und thematische Analyse des Umfeldes | Pflanzenbau
Ria
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Sum
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Il miglioramento genetico vegetale in Svizzera –
un’ analisi spaziale, temporale e tematica
La varietà di piante coltivate in Svizzera e
l’efficienza che queste hanno in termini agricoli
sta cambiando nel tempo. Tradizionalmente, le
produzioni cerealicole, orticole e foraggiere
hanno giocato un ruolo privilegiato nell’agricol
tura Svizzera ed è quindi fondamentale mante
nere la loro produttività viste le future condi
zioni socioeconomiche e ambientali. Tuttavia,
continuare a focalizzare l’attenzione solo sulle
specie economicamente rilevanti potrebbe
impedire di sfruttare appieno le possibilità che
la riscoperta di colture dimenticate e poco
utilizzate offre alla Svizzera. Il miglioramento
genetico delle piante coltivate è ottenuto
tramite il cosiddetto breeding vegetale. Un
processo di miglioramento genetico innovativo
ed efficiente è determinante al fine di produrre
nuove varietà che si rivelino superiori per
caratteristiche come resa, qualità, resistenza a
malattie e stress ambientali. Miglioramenti
tecnici nel settore agricolo, in quello della
trasformazione dei prodotti alimentari e nel
settore del breeding influenzano in maniera
netta le relazioni tra le possibilità del breeding
vegetale e le caratteristiche ricercate, rendendo
difficili le previsioni sul futuro di tali ricerche in
Svizzera nei prossimi decenni. Tuttavia, il
Governo Svizzero può influenzare notevolmente
le attività di miglioramento genetico vegetale
attraverso adeguamenti strutturali, programmi
di sviluppo e finanziamenti statali al fine di
supportare programmi di breeding per specie
agricole accuratamente selezionate. Tali misure
possono aiutare a migliorare la sostenibilità
ambientale, la soddisfazione dei consumatori e
il successo economico svizzero e porteranno di
conseguenza al rafforzamento del ruolo della
Confederazione all’interno del sistema alimen
tare mondiale.
Agrarforschung Schweiz 5 (9): 366–373, 2014
Literatur ▪ Agroscope, 2013. Liste der empfohlenen Sorten von Futterpflanzen 2013 – 2014. Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil (ACW) und Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon (ART).
▪ BDP (2013) Geschäftsbericht. Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e.V. (BDP), Bonn, Deutschland.
▪ Hund A., Fossati D., Mascher F. & Stamp P., 2014. Hybridgetreide hat Zu-kunft. Agrarforschung Schweiz, 5 (6),224–241.
▪ Khoury C.K., Bjorkman A.D., Dempewolf H., Ramirez-Villegas J., Guarino L., Jarvis A., Rieseberg L.H., Struik P.C., 2014. Increasing homogeneity in global food supplies and the implications for food security. Proc Natl Acad Sci USA 111 (11), 4001-4006. doi:10.1073/pnas.1313490111.
▪ Maredia M.K., Bernsten R. & Ragasa C., 2010. Returns to public sector plant breeding in the presence of spill-ins and private goods: The case of bean research in Michigan. Agricultural Economics 41 (5), 425–442.
▪ Noleppa S. & von Witzke H., 2013. Die gesellschaftliche Bedeutung der Pflanzenzüchtung in Deutschland. Einfluss auf soziale Wohlfahrt, Ernäh-rungssicherung, Klima- und Ressourcenschutz. HFFA Working Paper 02/2013. Humblodt Forum for Food and Agriculture e.V. (HFFA), Berlin, Deutschland.
▪ Stamp P., Messmer R. & Walter A., 2012. Competitive underutilized crops will depend on the state funding of breeding programmes: An opinion on the example of Europe. Plant Breeding 131 (4): 461–464.
The Swiss plant breeding sector – a spatial,
temporal and thematic analysis
The spectrum of crop species grown within
Switzerland as well as their agricultural
performance is changing over time. Tradition
ally, cereal, horticultural and forage production
play a major role in Swiss agriculture, and it is
crucial to maintain the productivity of these
crops under future socioeconomic and
environmental conditions. However, to focus
on only these economically important crops
might prevent the realisation of beneficial
options that neglected and underutilised crop
species offer for Switzerland. Continuous
improvement of crops is achieved through
plant breeding. Plant breeding is crucial to
producing novel varieties that are superior in
traits such as yield, quality and resistance to
diseases and environmental stresses. Technical
developments in farming, food processing and
breeding affect the relation between plant
breeding possibilities and desired traits — and
so does the global nature of the agrofood
sector. It is difficult to predict how the require
ments and the focus of Swiss plant breeding
efforts will develop in the coming decades.
Yet, the Swiss Government can influence plant
breeding activities by structural adjustments,
development programmes and state funding
to launch and maintain breeding programmes
for wellchosen crops. Such activities could
help improve sustainability, consumer satisfac
tion and economic success in Switzerland and
would further strengthen the position of the
country within the world food system.
Key words: crops, plant breeding, plant
production, word food system.
374 Agrarforschung Schweiz 5 (9): 374–377, 2014
Abgesehen von der Getreidezüchtungsforschung Dar-
zau und Dottenfelderhof wird die Flugbrandanfällig-
keit züchterisch nicht bearbeitet, weil der Flugbrand
mit den systemisch wirkenden Beizmitteln kostengüns-
tig und wirksam reguliert werden kann. Doch das Saat-
gut für den Bio-Anbau muss entsprechend den Bio-
Richtlinien (Bio-Suisse 2014) ohne Einsatz von
chemisch-synthetischen Beizmitteln erzeugt werden.
Dies hatte in den letzten Jahren zur Folge, dass – ins-
besondere bei Gerste – Vermehrungsbestände wegen
zu hohem Flugbrandbesatz (> 5 Brandähren pro 100 m²)
nicht anerkannt wurden.
Sporen des Flugbranderregers Ustilago nuda infizie-
ren die Gerste im Blütenstadium und das daraus gebil-
dete Myzel überlebt im Embryo bis zur Saat. Bis heute
gibt es keine einfach anwendbaren Nachweismethoden
für Flugbrand im Saatgut, so dass ein Saatgutbefall erst
beim Ährenschieben festgestellt werden kann.
Bei befallenem Saatgut bilden die Pflanzen anstelle
gesunder Ähren Brandähren (Abb. 1). Die über den
Wind verbreiteten Brandsporen gelangen auf die blü-
henden Ähren gesunder Pflanzen und infizieren den
Embryo der neuen Kornanlage. Infizierten Körnern ist
die Infektion äusserlich nicht anzusehen, weshalb sie
sich nicht über die Saatgutreinigung entfernen lassen.
Bis jetzt gibt es im Bio-Anbau keine wirksame und
praxisgerechte Saatgutbeizmethode gegen den Flug-
brand. Mit dem biologischen Pseudomonas-Produkt
Cedomon® (Heinonen 2011) oder der physikalischen
Heissluftbehandlung ThermoSeed® (Forsberg 2004) wird
der Flugbrand nicht wirksam reguliert. Die derzeitig ein-
zige wirksame und verträgliche Behandlungsmethode,
um das Myzel im Embryo des Keimlings zu erfassen, ist
die Warmwasserbehandlung – wobei sich diese bis jetzt
in der Praxis nicht etabliert hat. Für die Bio-Saatgutver-
mehrung der Gerste besteht daher dringender Bedarf
nach Sorten mit einer geringen Flugbrandanfälligkeit
und nach einer praxistauglichen Saatgutbehandlung,
die den samenbürtigen Flugbrandbefall effizient kont-
rolliert.
Bis jetzt gibt es im BioAnbau keine wirksame und pra
xisgerechte Saatgutbeizmethode gegen den Flugbrand.
Deshalb hat Agroscope die FlugbrandAnfälligkeit ver
schiedener Wintergerstesorten und alternative Saatgut
behandlungsmethoden geprüft. Neben der Warmwas
serbehandlung erwiesen sich Anwendungen mit Ethanol
als vielversprechend, obwohl sie die Keimfähigkeit der
behandelten Samen reduzierten.
Gerstenflugbrand: Sortenanfälligkeit und BekämpfungsalternativenHeinz Krebs1, Andreas Kägi1, Irene Bänziger1, Christine Herzog2, Thomas Hebeisen2, Susanne Vogelgsang1 und
Laure Weisskopf1
1Agroscope, Institut für Nachhaltigkeitswissenschaften INH, 8046 Zürich, Schweiz2Agroscope, Institut für Pflanzenbauwissenschaften IPB, 1260 Nyon, Schweiz
Auskünfte: Laure Weisskopf, E-Mail: [email protected]
K u r z b e r i c h t
Abb. 1 | Flugbrandähren im Wintergerstenversuch 2014 in Rüm-lang: Statt einer gesunden Kornanlage werden Brandsporen gebil-det, die mit dem Wind verfrachtet oder vom Regen abgewaschen werden, so dass schliesslich nur noch die aufrecht stehenden Äh-renspindeln zurückbleiben. (Foto: Gabriela Brändle, Agroscope)
Gerstenflugbrand: Sortenanfälligkeit und Bekämpfungsalternativen | Kurzbericht
375Agrarforschung Schweiz 5 (9): 374–377, 2014
Nachstehend werden Ergebnisse eines Sortenanfällig-
keitsversuchs und Ansätze, den Flugbrand über eine
Saatgutbehandlung zu regulieren, vorgestellt.
Sortenprüfung
Im Jahr 2011 wurden 20 Sorten, die parallel in der Sor-
tenprüfung standen, in Kleinparzellen (7 m²) zwischen
zwei Infektionsbahnen der Sorten Ulla und Express,
beide mit Flugbrand befallen, gesät. Dadurch waren alle
Sorten während der Blüte denselben Infektionsbedin-
gungen ausgesetzt. Das aufbereitete Erntegut dieser
20 Prüfsorten wurde anschliessend im Herbst 2012 unbe-
handelt bzw. mit 40 ml/kg Lebermooser® behandelt in
einem Kleinparzellenversuch mit je drei Wiederholun-
gen ausgesät. Nach dem Ährenschieben im Sommer
2013 wurde der Flugbrandbefall pro Parzelle ermittelt.
Der Sortenanfälligkeitsversuch wurde im Herbst 2013
nochmals angelegt und im Mai 2014 der Flugbrandbefall
überprüft.
Versuche mit verschiedenen Behandlungsmethoden
Beim Produkt Lebermooser® handelt es sich um ein etha-
nolisches Moos-Extrakt (70 % EtOH) mit Wirkung gegen
Gerstenflugbrand (Jahn 2010). In einem weiteren Klein-
parzellenversuch mit der von Flugbrand befallenen Sorte
Ulla wurde die Wirksamkeit der Lebermooser®-Behandlung
(40 ml/kg) mit einer 70-prozentigen Ethanol-Behandlung
(40 ml/kg) und der Warmwasserbehandlung (2 Std. bei
45 °C) verglichen. Die Lebermooser®- und die Ethanol-
Behandlungen wurden in zwei Varianten geprüft: Zum
Einen wurde das behandelte Saatgut unmittelbar nach
der Applikation abgepackt und verschlossen; in einer
anderen Variante blieb das behandelte Saatgut vor dem
Absacken eine Stunde offen stehen.
Im darauf folgenden Jahr (Herbst 2013) wurde in
einem Kleinparzellenversuch mit der Sorte Ulla die Wirk-
samkeit und Verträglichkeit tiefer dosierter Ethanol-
Behandlungen (20 bzw. 30 ml/kg) sowie zweier Ethanol-
Heissluftvarianten 65 °C; 1 bzw. 2 Tage, geprüft – dies im
Vergleich zu einer Wasser- und Ethanol-Dampfbehand-
lung (2 Min. bei 65 °C) sowie zur Warmwasserbehand-
lung (2 Std. bei 45 °C). Bei den beiden Ethanol-Heissluft-
varianten war das Saatgut dem in der Luft angereicherten
Ethanol ausgesetzt.
Bei allen Verfahren der Feldversuche wurde die
Keimfähigkeit des Saatguts untersucht. Dazu wurden
200 Körner zwischen feuchtem Filterpapier ausgelegt
und zuerst fünf Tage bei 10 °C im Dunkeln vorgekühlt,
anschliessend drei Tage bei 20 °C und 8 Stunden Licht
und 16 Stunden Dunkelheit inkubiert. Danach wurde die
Anzahl der gekeimten Körner ermittelt.
Sorte Cassiopee mit geringstem Befall
Bei den Wintergerste-Sortenversuchen resultierten im
Mittel der beiden Versuchsjahre deutliche Unterschiede
in der sortenspezifischen Flugbrandanfälligkeit (Abb. 2).
Die Sorte Cassiopee war mit 0,8 Prozent am wenigsten
befallen, während die Sorte Sandra mit 21,0 Prozent
mit Abstand den höchsten Befall aufwies. Mit der
Lebermooser®-Behandlung wurde der Flugbrandbefall
0
5
10
15
20
25
Sand
ra
Carava
n
KWS Meri
dian
Cantar
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Henrie
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0
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116A
-2C
Cassiop
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Flug
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all i
n %
Jahr 2013
Jahr 2014
Abb. 2 | Flugbrand bei der Wintergerste: Sortenanfälligkeitsversuch der Jahre 2013 und 2014. Flugbrandbefall: Mittelwerte aus drei Wiederholungen mit Standardabweichung.
Kurzbericht | Gerstenflugbrand: Sortenanfälligkeit und Bekämpfungsalternativen
376 Agrarforschung Schweiz 5 (9): 374–377, 2014
über alle Sorten um über 90 Prozent reduziert. Aller-
dings wurde mit der Lebermooser®-Dosierung von 40 ml/kg
die Keimfähigkeit im Mittel aller Sorten von 97 auf
72 Prozent herabgesetzt.
Ethanol hemmt Flugbrand – und Keimfähigkeit
Weitere Flugbrandversuche, die 2013 mit der Sorte Ulla
durchgeführt wurden, und die eine Ethanol-Kontrolle
beinhalteten, zeigten eindeutig, dass sich die sehr gute
Lebermooser®-Wirkung gegen den Flugbrand – nicht
ausschliesslich, aber weitgehend – auf die Ethanol-Kom-
ponente zurückführen lässt (Abb. 3).
Ebenso deutlich war die limitierte Ethanol-Verträg-
lichkeit zu erkennen. Wurde zum Beispiel das Saatgut
unmittelbar nach der Lebermooser®– oder Ethanol-
Behandlung verschlossen abgepackt, so wurde die Keim-
fähigkeit massiv beeinträchtigt. Bemerkenswert bei den
beiden «offenen» Behandlungsvarianten ist die signifi-
Ethanol 70%40 ml/kg geschlossen
Ethanol 70%40 ml/kg offen
Lebermooser®
40 ml/kg geschlossen
Lebermooser®
40 ml/kg offen
Warmwasser45 °C 2h
Unbehandelt
0 3 6 9 12 100 75 50 25
Keimfähigkeit in % Flugbrandbefall in %
A
D
C
E
B
E
Abb. 3 | Behandlungen gegen Gerstenflugbrand im Jahr 2013 bei Wintergerste Ulla. Flugbrandbefall: Mittelwerte aus vier Wiederholungen mit Standardabweichung (unterschiedliche Buchstaben kenn-zeichnen signifikante Verfahrensunterschiede, Duncan-Test, P < 0,05), Keimfähigkeit: Durchschnitt von je 200 untersuchten Körnern.
Ethanol 70%Heissluft 65°C 2 Tage
Ethanol 70%Heissluft 65°C 1 Tag
Ethanol 70% Dampf65°C 2 Minuten
Wasserdampf65°C 2 Minuten
Ethanol 70%30 ml/kg
Ethanol 70%20 ml/kg
Warmwasser45 °C 2h
Unbehandelt
Keimfähigkeit in %
Flugbrandbefall in %
A
A
C
A
C
B
C
A
100 80 60 40 20 0 5 10 15 20
Abb. 4 | Behandlungen gegen Gerstenflugbrand im Jahr 2014 bei Wintergerste Ulla. Flugbrandbefall: Mittelwerte aus vier Wiederholungen mit Standardabweichung (unterschiedliche Buchstaben kenn-zeichnen signifikante Verfahrensunterschiede, Duncan-Test, P < 0,05), Keimfähigkeit: Durchschnitt von je 200 untersuchten Körnern.
Gerstenflugbrand: Sortenanfälligkeit und Bekämpfungsalternativen | Kurzbericht
377Agrarforschung Schweiz 5 (9): 374–377, 2014
S c h l u s s f o l g e r u n g e n
Mit Ausnahme der Heissluftverfahren zeigten die Etha-
nol-Applikationen eine Wirkung von bis zu 86 Prozent
gegen den Gerstenflugbrand. Damit werden Untersu-
chungsergebnisse eines deutschen Forschungsprojekts
bestätigt, in dem für Ethanol-Behandlungen oder deren
Kombinationen mit Pflanzenauszügen eine reduzie-
rende Wirkung auf Flugbrand nachgewiesen wurden
(Koch 2012).
Die gute Ethanol-Wirkung wird jedoch durch die Saat-
gutverträglichkeit limitiert. Im Gegensatz dazu ist die
Warmwasserbehandlung sehr wirksam und Saatgut-ver-
träglich. Solange diese effiziente Methode ihren Weg
zur Praxis nicht gefunden hat, bieten Ethanol-basie-
rende Verfahren eine mögliche Lösung, den Flugbrand-
befall auf dem Saatgut zu kontrollieren. Die tiefere
Keimfähigkeit bei der Saatgutvermehrung kann durch
eine erhöhte Saatmenge aufgefangen werden.
Wegen der tieferen Wirkungsgrade der Alternativ-
behandlungen im Vergleich zur chemischen Beizung
(70 % statt 95 %) ist die Frage der Flugbrandanfälligkeit
der Sorten umso bedeutender. Bei den Sortenempfeh-
lungen ist daher – insbesondere für den Bio-Gerstenan-
bau – die geringere Flugbrandanfälligkeit als ein wichti-
ges Element mitzuberücksichtigen. n
kant höhere Lebermooser-Wirkung im Vergleich zur
Ethanol-Behandlung, was wahrscheinlich auf die fungi-
zide Wirkung der Moos-Komponenten zurückzuführen
ist, die im Unterschied zu Ethanol, nicht verdampfen.
Ethanol nur in hohen Konzentrationen wirksam
Aufgrund der begrenzten Verträglichkeit wurde im Ver-
suchsjahr 2014 die Ethanol-Dosierung auf 30 bzw. 20 ml/
kg reduziert. Die tieferen Ethanol-Dosierungen waren
dann auch verträglicher (Abb. 4). Die Ethanol-Behand-
lung mit 20 ml/kg war jedoch weniger wirksam gegen
den Flugbrand als die 30 ml/kg Dosierung. Mit 30 ml/kg
Ethanol wurde eine mit der Warmwasserbehandlung
vergleichbare Wirkung erzielt.
Die gut wirksame Ethanol-Dampfbehandlung bei
65 °C während 2 Minuten beeinträchtigte jedoch die
Keimfähigkeit. Demgegenüber waren die Heissluftver-
fahren verträglich, aber gegen den Flugbrand nicht
wirksam, möglicherweise weil die mit Ethanol angerei-
cherte Heissluft nicht bis zum infizierten Embryo vor-
dringt.
Literatur ▪ Bio Suisse, 2014. Richtlinien für die Erzeugung, Verarbeitung und den Handel von Knospe-Produkten, S. 48.
▪ Forsberg G., 2004. Control of Cereal Seed-borne Diseases by Hot Humid Air Seed Treatment. PhD thesis, Swedish University of Agricultural Scien-ces, Uppsala, 49 S.
▪ Heinonen U., 2011. Cereals / Control of leaf diseases. Comparison of seed treatment fungicides on the market in finland in spring barley. Herbici-des, fungicides and insecticides. MTT Agrifood Research Finland, Jokioi-nen, S. 4.
▪ Jahn M., 2010. Saatgutbehandlung im ökologischen Landbau. Julius-Kühn-Institut, Kleinmachnow.
▪ Koch E., 2012, Optimierung von Saatgutbehandlungsmitteln mit Wirkung gegen Flugbrand an Gerste und Weizen (Ustilago nuda, U. tritici) unter Nutzung verbesserter Verfahren zum Nachweis der Erreger. Julius Kühn Institut 2012, S. 38
378 Agrarforschung Schweiz 5 (9): 378–381, 2014
K u r z b e r i c h t
Zum Internationalen Jahr der bäuerlichen Familienbe-
triebe fand am 24. und 25. April 2014 in Zollikofen (BE)
eine Tagung zum Thema «Wachstum in der Land- und
Ernährungswirtschaft» statt. Organisiert wurde sie von
fünf agrarwissenschaftlichen Fachgesellschaften und
vom Schweizer Verband für Ingenieur-Agronomen und
Lebensmittelingenieure (SVIAL). Zum Abschluss der
Tagung diskutierten Teilnehmerinnen und Teilnehmer
An der Tagung «Wachstum in der Land und Ernährungs
wirtschaft», die im April in Zollikofen stattfand, disku
tierten Fachleute aus Forschung, Beratung und Praxis im
Rahmen eines World Cafés über Wachstumsstrategien
von Familienbetrieben. Thematisiert wurden insbeson
dere die Zusammenarbeit von Betrieben, der Einsatz
von Technik und Wissen sowie soziale und emotionale
Aspekte von Betriebsgemeinschaften.
World Café «Wachstum in der Landwirtschaft»
Linda Reissig, Agroscope, Institut für Nachhaltigkeitswissenschaften INH, 8046 Zürich, Schweiz
Auskünfte: Linda Reissig, E-Mail: [email protected]
Die Methode des World Cafés ermöglicht intensive Diskussionen in kleinen Gruppen. (Foto: Michel Roux, SVIAL)
World Café «Wachstum in der Landwirtschaft» | Kurzbericht
379Agrarforschung Schweiz 5 (9): 378–381, 2014
aus Forschung, Beratung und Praxis im Rahmen eines
World Cafés (siehe Kasten) über die Herausforderun-
gen von Bauernfamilien, die sich zum Ziel gesetzt
haben, ihr Einkommen zu einem bedeutenden Teil über
die Produktion und Vermarktung von Lebensmitteln zu
erwirtschaften. An drei konkreten Betriebsbeispielen
wurden drei mögliche Wachstumsstrategien präsen-
tiert (Tab.1). Zu jedem Betrieb wurden die Themen
«ausserbetrieb liche Rahmenbedingungen», «Technik
und Wissen» sowie «soziale und emotionale Aspekte»
diskutiert. Die wichtigsten Ergebnisse des Austauschs
an den insgesamt neun Tischen sind im Folgenden
zusammengefasst.
Ausserbetriebliche Rahmenbedingungen
Zusammenarbeitsformen stellen eine Möglichkeit des
Betriebswachstums dar, aber nicht sehr viele Betriebe
gehen diesen Weg. Nebst den Rahmenbedingungen auf
staatlicher und gesellschaftlicher Ebene sind nämlich
auch Voraussetzungen wie die Persönlichkeit des Land-
wirts beziehungsweise der Landwirtin wichtig (siehe sozi-
ale und emotionale Aspekte). Denn um solche Projekte
zu verwirklichen, braucht es unternehmerisches Denken,
Innovationsfreude, Risikobereitschaft und Durchhaltewil-
len. Zudem beginnt die Zusammenarbeit in den Köpfen.
Als Haupthindernis wurde denn auch der Individualismus
im bäuerlichen Familienbetrieb identifiziert. Oft wird
daher zu Einkommenserhöhung mit dem Nebenerwerb
ein ausserbetrieblicher Weg gewählt.
Doch eine Zusammenarbeit hat verschiedene Vor-
teile: Mehrere Partner einer Gemeinschaft bringen ein
grösseres Wissen in den Betrieb, so dass Spezialisierun-
gen und Ergänzungen möglich sind. Auch ist eine
gemeinsame Maschine billiger als eine Maschine auf
jedem Betrieb. Zwar muss die Finanzierung gesichert
sein, doch in der Regel sind für Zusammenarbeitspro-
jekte Finanzhilfen nach der Strukturverbesserungsver-
ordnung möglich. Manchmal sind auch Zwischenschritte
erforderlich.
Die Praxispartner haben im World Café die Erwar-
tung geäussert, dass die Agrarpolitik Zusammenarbeits-
formen weder speziell fördern soll, noch behindern darf.
Einschränkungen beim Wachstum sind allenfalls durch
die Belastungsgrenze beziehungsweise Anforderungen
der Raumplanung und Luftreinhalteverordnung zu
erwarten. Das neue Punktesystem zur Beurteilung und
Überwachung der Erosion auf Ackerparzellen stellt
ebenfalls ein Hindernis dar.
Die Flächenmobilität ist mit gesetzlichen Bestimmun-
gen sehr schwierig zu fördern. Das Bundesgesetz über
das bäuerliche Bodenrecht müsste kritisch überprüft
werden, wobei zusätzliche Lockerungen auch negative
Folgen für die produzierende Landwirtschaft haben
können. Sehr hilfreich ist es in jedem Fall, wenn Land-
wirte und Landwirtinnen in den jeweiligen Entschei-
dungsbehörden engagiert sind.
Marktchancen liegen auch bei der Strategie einer
Bündelung der Kräfte. Zwei oder mehrere Partner sind
stärkere Marktpartner, sowohl im Beschaffungs- als auch
im Absatzmarkt. Eine Veränderung, die es in den nach-
gelagerten Sektoren braucht, ist die Verlängerung der
Wertschöpfungskette. Zudem sollten Kreisläufe ge-
schlossen werden. Die Haltung der Konsumentinnen
Mögliche Wachstumsstrategie Beispielbetrieb
A Ressourceneffizienz steigern, z. B. durch Einsatz moderner Technik Betriebsgemeinschaft mit 220 Kühen, kostengünstige Technik
BProduzierte Menge steigern, z. B. durch mehr Fläche
oder höhere Tierbestände3 Betriebe mit insgesamt 260 ha LN, die in einer AG 50 ha Kartoffeln
produzieren, hoch entwickelte Technik
CWertschöpfung steigern, z. B. durch verbesserte Qualität oder
VerarbeitungSchweinezuchtbetrieb mit 220 Muttersauen, Vermarktung mit Label
Tab. 1 | Wachstumsstrategien und Beispielbetriebe
Das World Café
Die Methode des World Cafés wird häufig ein
gesetzt, um verschiedene Akteure miteinan
der ins Gespräch zu bringen und zu vernetzen.
Sie ermöglicht intensive Diskussionen in klei
nen Gruppen. An mehreren Tischen werden
Fragen zum Thema diskutiert. Ein besonderes
Merkmal des World Cafés ist der mehrmalige
Wechsel der Teilnehmenden von Tisch zu Tisch
und die damit verbundene Durchmischung der
Gruppen. Die wichtigsten Beiträge werden
auf Pinnwänden festgehalten (Abb. 1). Am
Ende präsentieren die Gastgeber der Tische
ihre Ergebnisse im Plenum.
Weitere Informationen:
http://www.theworldcafe.com/translations/
Germancafetogo.pdf
Kurzbericht | World Café «Wachstum in der Landwirtschaft»
380 Agrarforschung Schweiz 5 (9): 378–381, 2014
und Konsumenten bezüglich Grösse wurde kontrovers
diskutiert. Ganz wichtig ist ein fairer Umgang mit allen
Partnern.
Technik und Wissen
Zur Umsetzung des Wachstums sind auch neue Fähig-
keiten und Kenntnisse nötig. Wird die Wertschöpfung
gesteigert, muss der Landwirt im Regelfall erweiterte
Fachkenntnisse erwerben. Wanderjahre vor der Be-
triebsübernahme oder Arbeitskreise können Impulse
und Fachwissen vermitteln. Neue Informationskanäle
(v.a. im Internet) gewinnen stark an Bedeutung. Das
Wachstum bedingt zudem meist zusätzliches Personal.
Dies verlangt vom Betriebsleiter oder der Betriebsleite-
rin Führungskompetenz, Sozialkompetenz, Kommuni-
kationsfähigkeit und Vertrauen in Partner und Mitar-
beiter. Die permanente Bereitschaft, Neues zu lernen,
ist unabdingbar.
Zudem müssen technische Herausforderungen
gemeistert werden. Die verschiedenen Prozesse im
Betrieb werden zunehmend durch Technik und Informa-
tionstechnologie unterstützt. Die Datenvernetzung ist
noch stark verbesserungsfähig. Es fehlt beispielsweise an
einfacher, flexibler Software. Die dazu nötige Technik ist
meist nicht ab Stange verfügbar. Die Bedienung der
modernen Technik erfordert zunehmend sehr gut aus-
gebildete Mitarbeiter, und diese sind rar und teuer. Stell-
vertretungen können unter diesen Voraussetzungen
kaum gewährleistet werden. Der Betrieb wird stärker
von Techniklieferanten abhängig.
Auch an die Beratung und die angewandte Forschung
stellt das Wachstum spezifische Anforderungen. Trotz-
dem sollten die Beratungskräfte eine gute Gesamtüber-
sicht haben und unabhängig sein. Gute und unabhän-
gige Fachberatung ist, so stellte sich in der Diskussion
heraus, Mangelware. Überkantonale oder kulturspezifi-
sche Angebote könnten hier eine Verbesserung bringen
(z.B. Profigruppen). Viel wertvolle Information bringt der
horizontale Wissens- und Erfahrungstransfer zwischen
Betriebsleitern. Die Forschung sollte der Praxis um Jahre
voraus sein und neue Ergebnisse und Erkenntnisse so prä-
sentieren, dass sie wahrgenommen wird. Sie sollte ange-
wandt sein und auf die Bedürfnisse der Schweizer Land-
wirtschaft fokussiert sein.
Abb. 1 | Beispiel einer Ergebnisübersicht des World Cafés. (Foto: Sandra Contzen)
World Café «Wachstum in der Landwirtschaft» | Kurzbericht
381Agrarforschung Schweiz 5 (9): 378–381, 2014
Das Wachstum mit einer Betriebsgemeinschaft stellt
auch Anforderungen an die Kommunikation und die
Rücksichtnahme unter den Beteiligten, innerhalb der
Betriebe und mit den Partnerbetrieben. Eine offene
Kommunikation ist aber nicht nur wichtig bei Betriebs-
gemeinschaften und auch nicht nur im Hinblick auf
Wachstum, sondern ganz generell, auch familienintern.
Formen der Kommunikation müssen geklärt sein: Wie
und wann kommuniziert man? Gut ist es, einen Plan für
den Krisenfall zu haben: Wo holen wir Hilfe? Das
Bewusstsein für die Bedeutung der Kommunikation
sollte gefördert werden.
Wachstum – keine Frage?
Was bedeutet Wachstum? Wachstum in welcher Dimen-
sion und bis zu welchem Niveau? Diese Fragen liess das
World Café weitgehend aus. Eigenständigkeit und ver-
mehrte Freizeit klangen als weitere Zieldimension neben
ökonomischem Wachstum an. Im Kontext der Tagung –
dem UNO-Jahr der bäuerlichen Familienbetriebe – wäre
sicher die Frage nach möglichen unerwünschten Neben-
wirkungen des Wachstums im sozialen oder ökologi-
schen Bereich interessant gewesen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die auf der
Tagung diskutierten Wachstumsstrategien Betriebe und
deren Familien vor vielschichtige Herausforderungen
stellen. n
Soziale und emotionale Aspekte
Die Gründung einer Betriebsgemeinschaft oder andere
Zusammenarbeitsformen sind aus Sicht der Teilnehmen-
den die einzige Möglichkeit, um zu wachsen und trotz-
dem Lebensqualität zu haben. Aber: Betriebsgemein-
schaften stellen grosse Anforderungen, insbesondere im
sozialen und emotionalen Bereich. Denn die Koopera-
tion von Betrieben ist menschlich sehr anspruchsvoll und
erfordert neben klaren Regelungen auch eine gute
Kommunikationsfähigkeit aller Partner. Zwischen-
menschliche Aspekte sind bei Betriebsgemeinschaften
entscheidend dafür, ob sie funktionieren oder nicht.
Wichtig ist, dass beide Parteien gleichwertige Partner
sind. Es braucht gegenseitiges Vertrauen, Toleranz und
Akzeptanz. Eine Betriebsgemeinschaft ist eine Gemein-
schaft auf Zeit. Vor allem der Generationenwechsel ist
für Betriebsgemeinschaften eine kritische Phase.Die Motivation zu wachsen speist sich aus zahlreichen
Quellen. Einerseits spielt die Freude an der Arbeit eine
grosse Rolle. Anderseits ist eine sehr wichtige Motivation,
Freiräume für sich und die Familie zu schaffen. Aber auch
das Beschreiten neuer Wege wurde genannt. Weiter
wurde diskutiert, dass für einige Landwirte und Landwir-
tinnen Wachstum auch aus Prestigegründen geschieht.
Neid von Nachbarbetrieben, die einem Betrieb nicht gön-
nen, wenn er wächst und Erfolg hat, kann die Motivation
hemmen. Neid scheint allerdings ein regional unter-
schiedlich anzutreffendes Problem zu sein.
Im Rahmen von Wachstum ist die steigende Arbeits-
belastung ein wichtiges Thema. Wenn Landwirte, Land-
wirtinnen und ihre Familien an die Grenzen der Arbeits-
belastung stossen, merkt man das gemäss den
Teilnehmenden an den gleichen Anzeichen wie bei der
nicht-landwirtschaftlichen Bevölkerung: Gereiztheit,
höhere Krankheitsausfälle bei den Angestellten und die
Rückmeldung der Familie, dass es genug sei, sind Indika-
toren. Liegen Freizeit und Ferien nicht mehr drin, sollten
Alarmglocken läuten. Sich den eigenen Grenzen bewusst
zu sein, ist somit sehr wichtig.
382
P o r t r ä t
Agrarforschung Schweiz 5 (9): 382, 2014
Die Faszination für die Landwirtschaft wurde Beat Reidy
in die Wiege gelegt. Als einziger Sohn einer sechsköpfi-
gen Familie auf einem Bauernhof aufgewachsen, schien
sein Weg vorgezeichnet: Eine Tätigkeit in der Landwirt-
schaftsbranche. Diesen Weg hat er auch eingeschlagen
und arbeitet heute als Dozent für Wiederkäuersysteme
und Futterbau an der Hochschule für Agrar-, Forst- und
Lebensmittelwissenschaften HAFL. Er habe sich aber
nicht von Erwartungen anderer leiten lassen, erklärt er:
«Ich bin stets meinen Interessen gefolgt. Zudem hatte
auch der Zufall immer wieder seine Finger im Spiel.»
Versuchsfeld oder Atelier
Denn es hätte auch anders kommen können. Beat Reidy
zog nach dem Gymnasium verschiedene Optionen für
seine berufliche Laufbahn in Betracht – vom Studium in
Ingenieurwesen bis zur Kunstgewerbeschule. Er entschied
sich für sein grösstes Interesse und das war die Landwirt-
schaft. Dass bei seinem Studium an der ETH Zürich Pflan-
zen und nicht Tiere im Zentrum stehen sollten, war für ihn
von Beginn weg klar: «Ich bin auf einem gemischten
Betrieb mit Saatgutproduktion aufgewachsen. Zwar stand
da die Tierproduktion im Mittelpunkt, trotzdem faszinier-
ten mich Pflanzen vor dem Studium. Sie sind die Primär-
produzenten. Ohne sie läuft gar nichts.»
Von der Forschung in die Privatwirtschaft…
Nach seinem Abschluss bot sich ihm die Möglichkeit, an
der ETH zu dissertieren – eine Chance, die er begeistert
anpackte. Er tauchte in die Grundlagenforschung ein
und vertiefte sich in den Bereichen Graslandwissenschaf-
ten und Ökophysiologie. Mit dem Doktortitel im Gepäck
und nach einem Post Doc am Institut national de la
recherche agronomique (INRA) in Montpellier führte ihn
sein Weg ein erstes Mal an die HAFL. «Die Stelle als wis-
senschaftlicher Mitarbeiter an der HAFL war genau die
richtige zur richtigen Zeit. Sie brachte mich zurück zur
landwirtschaftlichen Produktion und auch wieder näher
an die Praxis.»
Nach fünf Jahren wollte er aber anderswo Erfahrungen
sammeln und sich weiterentwickeln. Bei der Eric Schweizer
AG wie später bei der Calcium Agro AG standen für ihn
Führungsaufgaben und Verkaufszahlen im Mittelpunkt.
… und zurück
Von dieser Zeit in der Privatwirtschaft habe er sehr profi-
tiert, meint er rückblickend. Und doch kehrte er ein paar
Jahre später wieder an die HAFL zurück. «Die Kombina-
tion von Lehre und angewandter Forschung lässt eine
Menge Spielraum für Kreativität und vielseitige Interes-
sen.» Und auch die Praxisnähe der HAFL schätzt Beat
Reidy: «Die Nähe zur Basis war mir immer wichtig. Am
Ende sind es schliesslich die Landwirtinnen und Land-
wirte, die im Zentrum unserer Arbeit stehen sollten.»
Das zeigt sich auch bei der Ausrichtung seiner For-
schungsprojekte. Er und sein Team streben Lösungen für
die Branche an, für eine ressourceneffiziente und wirt-
schaftliche Milchproduktion von Systembetrachtungen
bis zu angewandten futterbaulichen Fragestellungen.
Aktuell untersuchen sie unter anderem die Fütterungs-
praxis von Schweizer Milchproduktionsbetrieben und
analysieren die Ursachen für unterschiedliche Leistun-
gen aus dem Wiesenfutter. Und immer ist Beat Reidy mit
vollem Herzblut dabei.
Matthias Zobrist, Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittel-
wissenschaften HAFL
Beat Reidy: Forschen auf der grünen Wiese
383
A k t u e l l
Agrarforschung Schweiz 5 (9): 383–387, 2014
Pflanzenzüchtungsstrategie Schweiz
Hochwertige Pflanzensorten sind für eine nachhaltige
und erfolgreiche Land- und Ernährungswirtschaft uner-
lässlich. Damit solche Sorten in der Schweiz langfristig
zur Verfügung stehen, erarbeitet das Bundesamt für
Landwirtschaft (BLW) zusammen mit Fachleuten aus
Forschung, Wirtschaft und interessierten Kreisen eine
Strategie für eine durch den Bund betriebene oder
durch ihn unterstützte Pflanzenzüchtung. Sie soll den
Entscheidungsträgern als Grundlage für die Ausrichtung
der Pflanzenzüchtung dienen. Sie soll Transparenz
schaffen, wofür und nach welchen Kriterien der Bund
öffentliche Mittel für die Pflanzenzüchtung einsetzt.
Dies betrifft nicht nur die eigene Züchtung durch Agro-
scope, sondern auch eventuelle Kooperationen mit
öffentlichen und privaten Partnern im In- und Ausland.
Eine vom BLW im 2013 durchgeführte Erhebung der
aktuellen Pflanzenzüchtung in der Schweiz zeigte, dass
eine öffentliche (Agroscope) und sechs private Organi-
sationen 44 überwiegend kleine Zuchtprogramme bei
40 Pflanzenarten betreiben. Die jährlichen Investitionen
liegen bei etwa zehn Millionen Franken, vier davon
öffentlich und sechs privat finanziert.
Pflanzenzüchtung ist ein langwieriger Prozess, es
wird mit grösseren Zeithorizonten gearbeitet. Damit
verbunden sind zahlreiche Unsicherheiten. Die Züch-
tung muss die zu erwartenden Entwicklungen frühzei-
tig antizipieren. Deshalb ist es wichtig, das zukünftige
Umfeld möglichst gut einschätzen zu können. Das Insti-
tut für Agrarwissenschaften der ETH Zürich hat dazu im
Rahmen der Strategieentwicklung und im Auftrag des
BLW eine Umfeldanalyse erstellt. Die Ergebnisse wer-
den in diesem Heft publiziert (Seite 366). Neben den
wissenschaftlichen Grundlagen sind auch das Wissen,
die Einschätzungen und Bedürfnisse der interessierten
beziehungsweise betroffenen Kreise für die Strategie
sehr wichtig. Deshalb will das BLW sie möglichst gut
einbeziehen. An einem Workshop im November 2013
konnten die interessierten Kreise bereits ihre Sichtwei-
sen einbringen. Das BLW wird am 25. November 2014
(Bern, 14 – 17 Uhr) über den bis dahin vorliegenden
Strategieentwurf informieren. Anschliessend wird die
Möglichkeit bestehen, im Rahmen einer informellen
Anhörung zum Entwurf noch Stellung zu nehmen.
Weitere Informationen über eine Tagung zum Thema
«Zukunft der Pflanzenzüchtung», die 2012 stattfand,
sowie über den oben erwähnten Workshop im Novem-
ber 2013 befinden sich auf der BLW-Website unter «The-
men» > Pflanzensorten, Züchtung, Genressourcen >
Pflanzenzüchtung.
Peter Latus, Bundesamt für Landwirtschaft BLW
Aktuelles
Parzellentechnik kombiniert mit GPS ermöglicht die vermischungsfreie Saat von Klee- und Gras-Einzelreihen bei gleichzeitig reduziertem Personalaufwand in der Futter-pflanzenzüchtung bei Agroscope in Reckenholz (ZH). Die automatische Auslösung des Säens am Parzellenanfang erfolgt dank GPS auf 2,5 cm genau. Exakt gesäte Einzel-reihen ermöglichen die verlässliche Selektion der besten Komponenten von neuen Gras- und Kleesorten. (Foto: Gabriela Brändle, Agroscope)
384
Aktuell
Agrarforschung Schweiz 5 (9): 383–387, 2014
N e u e P u b l i k a t i o n e n
Agroscope Transfer | Nr. 3
Ein Modellvergleich von Milchproduktionssystemen mit
und ohne automatische Melk- bzw. Fütterungssysteme
erlaubte die Berechnung von Investitionsbedarf, Arbeits-
zeitbedarf, Produktionskosten sowie Einkommen bezo-
gen auf die Arbeit und die Fläche. Automatische Melk-
systeme (AMS) haben insgesamt einen um 6–20 %
höheren Investitionsbedarf und benötigen einen um
10–19 % tieferen Arbeitszeitaufwand. Bei automati-
schen Fütterungssystemen (AFS) liegt der Investitionsbe-
darf insgesamt um 11–20 % höher bei einer Einsparung
der Arbeitszeit um 5 %. Die Kosten unterschiede der
unterschiedlichen Systeme sind bei gleicher Bestands-
grösse relativ gering. Aus Sicht der Arbeitsverwertung
sind AMS-Produktionssysteme bei voller Auslastung
(60–70 Kühe) mit vergleichbaren Referenzsystemen
(Fischgrät- Melkstand, Futtermischwagen) wirtschaftlich
im Vorteil. Allerdings verliert das AMS im Vergleich zum
Referenzsystem mindestens 8 % an Einkommen bei
gut ausgelasteten bzw. 25 % bei schlechter ausgelaste-
ten Anlagen (40 Kühe). Eine Kombination mit Weide-
haltung kann das Ergebnis verbessern. Bei automati-
schen Fütterungs systemen (AFS) liegt die wirtschaftlich
sinnvolle Mindestauslastung deutlich höher. Ob ein Ein-
satz der Systeme sinnvoll ist, hängt von der Auslastung,
vom Milchpreis und auch von den alternativen Einsatz-
möglichkeiten der eigenen Arbeitskraft ab. Je höher der
Milchpreis und je höher die eigene Arbeit bewertet
wird, desto wirtschaftlicher sind Automatisierungsver-
fahren. Umgekehrt führen die damit verbundenen gros-
sen Investitionen zu höheren Risiken, denen insbeson-
dere bei tiefen Milchpreisen mit genügend Liquidität
begegnet werden muss.
Christian Gazzarin, Franz Nydegger und Michael Zähner, Agroscope
ÖkonomieAgroscope Transfer | Nr. 3
Wie wirtschaftlich ist der Roboter?
Kosten und Nutzen von Automatisierungsverfahren in der Milchviehhaltung
März 2014
Autoren
Christian Gazzarin,Franz Nydegger undMichael Zähner
Ein Modellvergleich von Milchproduktions-systemen mit und ohne automatischeMelk- bzw. Fütterungssysteme erlaubtedie Berechnung von Investitionsbedarf,Arbeitszeitbedarf, Produktionskosten so-wie Einkommen bezogen auf die Arbeitund die Fläche. Automatische Melksysteme(AMS) haben insgesamt einen um 6–20%höheren Investitionsbedarf und benötigeneinen um 10–19% tieferen Arbeitszeitauf-wand. Bei automatischen Fütterungssyste-men (AFS) liegt der Investitionsbedarf ins-gesamt um 11–20% höher bei einerEinsparung der Arbeitszeit um 5%.Die Kostenunterschiede der unterschiedli-chen Systeme sind bei gleicher Bestands-grösse relativ gering. Aus Sicht der Arbeits-verwertung sind AMS-Produktionssystemebei voller Auslastung (60–70 Kühe) mit ver-gleichbaren Referenzsystemen (Fischgrät-Melkstand, Futtermischwagen) wirtschaft-lich im Vorteil.
Allerdings verliert das AMS im Vergleichzum Referenzsystem mindestens 8% anEinkommen bei gut ausgelasteten bzw.25% bei schlechter ausgelasteten Anlagen(40 Kühe). Eine Kombination mit Weidehal-tung kann das Ergebnis verbessern. Beiautomatischen Fütterungssystemen (AFS)liegt die wirtschaftlich sinnvolle Mindest-auslastung deutlich höher. Ob ein Einsatzder Systeme sinnvoll ist, hängt von der Aus-lastung, vom Milchpreis und auch von denalternativen Einsatzmöglichkeiten der eige-nen Arbeitskraft ab.Je höher der Milchpreis und je höher dieeigene Arbeit bewertet wird, desto wirt-schaftlicher sind Automatisierungsverfah-ren. Umgekehrt führen die damit verbun-denen grossen Investitionen zu höherenRisiken, denen insbesondere bei tiefenMilchpreisen mit genügend Liquiditätbegegnet werden muss.
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Wie wirtschaftlich ist der Roboter?
385
Aktuell
Agrarforschung Schweiz 5 (9): 383–387, 2014
Agroscope Transfer | Nr. 25
Euterentzündungen sind die häufigste Erkrankung der
Milchkuh und verursachen der Schweizer Milchwirt-
schaft jährliche Verluste von 130 Mio. CHF. Unter den
krankmachenden Keimen ist Staphylococcus aureus
(Abk. Staph. aureus) einer der häufigsten. Derselbe
Keim verursacht beim Menschen Lebensmittelvergiftun-
gen. Agroscope entwickelte eine neue molekularbiolo-
gische Nachweismethode, die der Landwirtschaft und
der milchverarbeitenden Industrie Vorteile verschaffen
soll. Woher kommt Staphylococcus aureus in der Milch?
Die Milch im Euter einer gesunden Kuh ist keimfrei. Sta-
phylokokken kommen entweder während des Melkens
aus der Umgebung in die Milch (Kontamination) oder
werden von Kühen mit Euterentzündungen ausgeschie-
den (Infektion). Ersteres lässt sich durch sorgfältige Ein-
haltung von Hygienemassnahmen auf dem Betrieb wei-
testgehend vermeiden, während die Kontrolle von
Euterentzündungen bei Kühen eine weitaus grössere
Herausforderung darstellt. Damit es zu einer Euterent-
zündung (Mastitis) kommt, sind stets mehrere Einflüsse
nötig (Faktorenkrankheit). Begünstigend wirken vor
allem ungenügende Melkhygiene und -technik, man-
gelhafte Melkanlage und falsches Melkmanagement.
Diese Faktoren führen letztlich dazu, dass Bakterien sich
ansiedeln und die Mastitis verursachen können, allen
voran der bekannte Keim Staph. aureus.
Renate Boss und Hans Graber, Agroscope
Ersteres lässt sich durch sorgfältige Einhal-tung von Hygienemassnahmen auf demBetrieb weitestgehend vermeiden, wäh-rend die Kontrolle von Euterentzündun-gen bei Kühen eine weitaus grössere Her-ausforderung darstellt. Damit es zu einerEuterentzündung (Mastitis) kommt, sindstets mehrere Einflüsse nötig (Faktoren-krankheit). Begünstigend wirken vor allemungenügende Melkhygiene und -technik,mangelhafte Melkanlage und falschesMelkmanagement. Diese Faktoren führenletztlich dazu, dass Bakterien sich ansie-deln und die Mastitis verursachen können,allen voran der bekannte Keim Staph.aureus.
TiereAgroscope Transfer | Nr. 25
Neuigkeiten zur Diagnostik von Staphylococcusaureus-Euterentzündungen
Mai 2014
Autoren
Renate BossHans Graber
Euterentzündungen sind die häufigsteErkrankung der Milchkuh und verursachender Schweizer Milchwirtschaft jährlicheVerluste von 130 Mio. CHF. Unter denkrankmachenden Keimen ist Staphylococ-cus aureus (Abk. Staph. aureus) einer derhäufigsten. Derselbe Keim verursachtbeim Menschen Lebensmittelvergiftun-gen. Agroscope entwickelte eine neuemolekularbiologische Nachweismethode,die der Landwirtschaft und der milchver-arbeitenden Industrie Vorteile verschaf-fen soll.
Woher kommt Staphylococcusaureus in der Milch?
Die Milch im Euter einer gesunden Kuh istkeimfrei. Staphylokokken kommen entwe-der während des Melkens aus der Umge-bung in die Milch (Kontamination) oderwerden von Kühen mit Euterentzündun-gen ausgeschieden (Infektion).
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Neuigkeiten zur Diagnostik von StaphylococcusaureusEuterentzündungen
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www.agroscope.admin.ch/medienmitteilungen
Aktuell
M e d i e n m i t t e i l u n g e n
www.agroscope.admin.ch/medienmitteilungen
12.08.2014 Première für Schweizer Wiesenrispensorten Mit Sepia und Selista können 2014 zum ersten Mal
Schweizer Zuchtsorten von Wiesenrispengras in den
nationalen Sortenkatalog und gleichzeitig in die Liste
der empfohlenen Sorten von Futterpflanzen eingetra-
gen werden. Dieser Erfolg ist das Resultat einer über
30-jährigen Entwicklungsarbeit von Agroscope an den
Standorten Changins und Reckenholz. Noch braucht es
etwa 5 Jahre Ver-mehrungsaufbau, bis die neuen Sor-
ten den Bedarf des Schweizer Saatgut-marktes decken
können.
29.07.2014 Blattdüngung mit Harnstoff – Einfluss auf verwertbaren Stickstoff optimieren Eine Optimierung der Stickstoffversorgung der Rebe ist
sehr wichtig für die Produktion von qualitativ hochste-
hendem Wein. Bei der Sorte Chasselas führt ein Gehalt
von mindestens 200 mg hefeverwertbarem Stickstoff
pro Liter Traubenmost (=Formol-Index 14) zu einem
guten Gärverlauf und fördert die sortentypischen Aro-
men im Wein. Die Blattharnstoffgabe nach beginnen-
der Beerenreife ist eine kurzfristige und effiziente
Massnahme, um die negativen Auswirkungen eines
Stickstoffmangels im Most zu verhindern. Agroscope
erforscht die Verteilmechanismen des Stickstoffs in der
Traube, um die notwendigen Blattharnstoffgaben zu
optimieren.
Agrarforschung Schweiz 5 (9): 383–387, 2014
Aktuelle Forschungsergebnisse
für Beratung und Praxis:
Agrarforschung Schweiz publiziert 10-mal
im Jahr Forschungsergebnisse über
Pflanzenbau, Nutztiere, Agrarwirtschaft,
Landtechnik, Lebensmittel, Umwelt und
Gesellschaft.
Agrarforschung ist auch online verfügbar
unter: www.agrarforschungschweiz.ch
Bestellen Sie jetzt Ihre Gratisausgabe!
AGRARFORSCHUNGSCHWEIZ
RECHERCHEAGRONOMIQUESUISSE
Talon einsenden an:Redaktion Agrarforschung Schweiz, Forschungsanstalt AgroscopeLiebefeld-Posieux ALP-Haras, Postfach 64, 1725 PosieuxTel. +41 26 407 72 21, Fax +41 26 407 73 00E-Mail: [email protected] | www.agrarforschungschweiz.ch
Name/Firma
Vorname
Strasse/Nr
PLZ/Ort
Beruf
Datum
Unterschrift
Die Zeitschrift erscheint in Deutsch und Fran-
zösisch. Sie richtet sich an Fachpersonen aus
Forschung, Industrie, Lehre, Beratung
und Politik, an kantonale und eidgenössische
Ämter und an weitere Fachinteressierte.
Agrarforschung Schweiz /RechercheAgronomique Suisse ist die Zeitschrift
der landwirtschaftlichen Forschung von
Agroscope und ihren Partnern. Partner der
Zeitschrift sind das Bundesamt für Landwirt-
schaft,die Hochschule für Agrar-, Forst- und
Lebensmittelwissenschaft HAFL, die Bera-
tungszentralen AGRIDEA, die Eidgenössische
Technische Hochschule ETH Zürich, Departe-
ment für Umweltsystemwissenschaften, das
Forschungsinstitut für biologischen Landbau
FiBL und Agroscope, die gleichzeitig Heraus-
geberin der Zeitschrift ist.
387
Informationen: www.agroscope.admin.ch/veranstaltungen
Aktuell
V e r a n s t a l t u n g e n
Informationen: www.agroscope.admin.ch/veranstaltungen
I n t e r n e t l i n k s
Agroscope Transfer
www.agroscope.ch/transfer
Agroscope Transfer vermittelt Erkenntnisse und Erfah-
rungen von Forschungsarbeiten bei Agroscope in anwen-
dungsorientierter Kurzform an Praxis, Beratung und
Öffentlichkeit. Die einzelnen Ausgaben können im PDF-
Format heruntergeladen werden.
September 2014
11.09.201437. Informationstagung Agrarökonomie AgroscopeAgroscope INH, 8365 Ettenhausen
17.09.2014Journée Semis directAgroscopeAgroscope IPB, Changins
19. – 21.09.2014Equus helveticusGemeinsame Veranstaltung des Schweizerischen Nati-onalgestüts (SNG), des Instituts équestre national Avenches (IENA), des Zuchtverbands CH-Sportpferde (ZVCH) und des Schweizerischen Freibergerverbands (SFV)Avenches
Oktober 2014
1.10.2014Nutztiertagung Agroscope (ehemals ALPTagung)Agroscope, Institut für Nutztierwissenschaften (INT)Agroscope INT, 1725 Posieux
November 2014
13.11.2014BioForschungstagung Agroscope – FiBL: Grandes culturesAgroscope, FiBL Changins
18.11.2014ProfiLaitForschungstag 2014Profi-Lait, Agroscope, Agridea, HAFLHochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittel- wissenschaften HAFL, Zollikofen BE
V o r s c h a u
Oktober 2014 / Heft 10
Die Kraut- und Knollenfäule ist eine der weltweit bedeutendsten Kartoffelkrankheiten. Forschende von Agroscope untersuchten Bakterien aus der Kartoffelpflanze auf ihr mögliches Hemmpotenzial gegen den Erreger der Kraut- und Knollenfäule für den schweizeri-schen Biokartoffelanbau. (Foto: Carole Parodi, Agroscope)
V o r s c h a u
•• Bakterien aus dem Wurzelbereich hemmen die
Kraut- und Knollenfäule der Kartoffel,
Denise Bönisch et al., Agroscope
•• Support Obst Arbo: Ein Netzwerk für den Betriebs-
vergleich im Obstbau, Esther Bravin et al.,
Agroscope und Agridea
•• Behangsprognose bei Äpfeln, Simon Schweizer et al.,
Agroscope und Hochschule Geisenheim, Deutschland
•• Züchtung feuerbrandrobuster Apfelsorten,
Markus Kellerhals et al., Agroscope und ETH Zürich
•• Diversität arbuskulärer Mykorrhizapilze in Acker-
kulturen bei Direktsaat und Pflug, Claudia Maurer
et al., Fachstelle Bodenschutz des Kantons Bern und
Agroscope
•• Tagfalter- und Widderchenvielfalt im Grünland der
unteren Bergregion, Renate Heinzelmann et al.,
Agroscope
•• Bewässerungsanlagen als Ursache für die Nutzungs-
intensivierung von Grünland im Engadin,
Roman Graf, Vogelwarte Sempach
•• Liste der empfohlenen Sorten von Futterpflanzen
2015–2016, Daniel Suter et al. Agroscope
Agrarforschung Schweiz 5 (9): 383–387, 2014
Vom 19. bis 21. September steht Avenches
wieder im Zeichen des Pferdes dank dem
bereits unverzichtbaren Pferdefestival
Equus Helveticus.
Mit dem National FM, dem Schweizer
Sport- und Zuchtfinal der Freiberger, der
Schweizer Meisterschaft der CH-Sport-
pferde, sowie mit Trab- und Galopprennen
werden rund tausend Pferde und 20-mal
mehr Besucher und Besucherinnen in
Avenches erwartet.
www.equus-helveticus.ch
Mittwoch, 1. Oktober 2014
Nutztiertagung Agroscope 2014 (vormals ALP-Tagung)
Für die diesjährige Tagung konnten wir Prof. Dr. Oene Oenemavon der „Wageningen University and Research Center“, gewinnen,der zum Thema „Stickstoffeffizienz der Landwirtschaft in Europa“referieren wird.
Weitere Themen:• N-Effizienz auf Schweizer Landwirtschaftsbetrieben• N-Effizienz bei Milchkühen• LegumePlus: Einfluss bioaktiver Substanzen in Leguminosen aufN-Bilanz bei Milchkühen
• N-Effizienz der Futterproduktion auf der Weide• Gesamtkörperzusammensetzung und N-Bilanz beim Schwein inAbhängigkeit der Protein- und Aminosäuren-Versorgung
Ort:Agroscope, Konferenzsaal, Tioleyre 4, 1725 Posieux
Anmeldung:bis 19.09.14 an AGRIDEA, Kurse, 8315 [email protected]
www.agroscope.ch
ENTWICKLUNGDER LANDWIRTSCHAFT UNDDES LÄNDLICHEN RAUMS