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SEITE 2 FREITAG, 30. SEPTEMBER 2011 DELMENHORST DELMENHORSTER KREISBLATT Delmenhorster Tageblatt Harpstedter Tageblatt Huder Zeitung Stuhrer Zeitung Amtliches Verkündigungsblatt der Stadt Delmenhorst und der Gemeinden Ganderkesee und Stuhr Herausgeber: Dirk Schulte Strathaus · Frank Dallmann Verlag RIECK GmbH & Co. KG: Lange Str. 122, 27749 Delmenhorst, Tel. (0 42 21) 156- 666, Fax (0 42 21) 156-999 Verlagsleiter: Stefan Hinderlich Chefredakteur (V. i. S. d. P.): Ralf Freitag (RFG), Tel. 156-200 Redaktion Delmenhorst: Tel. (04 2 21) 156- 220, Fax (0 42 21) 156-290, E-Mail: redaktion @dk-online.de Leiter: Thomas Breuer (TBR) -231, Heike Bentrup (BEN) -236, Jens Thorsten Schmidt (JTS) -237, Bettina Pflaum (BPF) -238, Jan Eric Fiedler (JEF) -242 Redaktion Ganderkesee: Im Knick 2, 27777 Ganderkesee, Tel.: (0 42 22) 80 70-0, Fax (0 42 22) 80 70-60, E-Mail: redaktion-gan@ dk-online.de Leiter: Lars Laue (LAU) -20, Sonia Voigt (SOV) -30, Thorsten Konkel (KONK) -40, Marco Julius (JUL) -45, Katja Butschbach (KB) -70 Lokaler Newsdesk: Leiter: Michael Korn (MIK) -250, Thomas Deeken (KEN) -251, Frank Het- hey (FH) -252, Bettina Dogs (BD) -253 Überregionaler Newsdesk: Leiter: Martin Teschke (TE) -255, Julia Brünner (JUB) -258, Christian Goldmann (CG) -259, Tina Spiecker (TI) -254, Magdalena Hilgefort (MHI) -256, Thomas Tiede (TIE) -257 Sport: Leiter: Dieter Freese (FR) -260, Torsten Heidemann (THM) -261, Ole Schlabers (OLE) -264 Sonderveröffentlichungen: Leiterin: Jacqueline Schultz (JAC) -850, Daniela Krause (DAN) -860, Berit Schminke (INK) -880 Verantwortlich für den Anzeigenteil: Achim Matzat, Leitung Geschäftskunden Kundencenter Ganderkesee: Im Knick 2, 27777 Ganderkesee, Tel.: (0 42 22) 80 70-0, Fax (0 42 22) 80 70-60 Druck: DruckHaus RIECK Delmenhorst GmbH & Co. KG, Sulinger Str. 66, 27751 Delmen- horst Zustellung: Media Net Verlags- und Vertriebs- GmbH, Sulinger Str. 66, 27751 Delmenhorst. Bankkonten: bei allen Delmenhorster Banken Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos wird keine Gewähr übernommen. Im Fall höherer Gewalt und bei Arbeitskampf (Streik oder Aussperrung) besteht kein Belieferungs- oder Entschädigungsanspruch. Bezugspreis durch Zusteller einschließlich Ver- sandkosten und Zustellgebühren: 23,80 Euro inklusive 7% Mehrwertsteuer. Abbestellungen sind bis zum 15. eines Monats schriftlich an den Verlag zu richten. Die Beliefe- rung endet dann zum Monatsende. Es gilt die Anzeigenpreisliste vom 1. 1. 2011. INTERVIEW VON KATJA BUTSCHBACH Annegret von Essen ist Lei- terin der Fachstelle Sucht im Landkreis Oldenburg der Diakonie. Die Stelle ist auch Anlaufpunkt für Glücksspielsüchtige. dk: Frau von Essen, welche Personengruppe ist über- haupt von Glücksspiel- sucht betroffen? Annegret von Essen: Zu 90 Prozent sind es Männer, meist im Alter von 30 bis Ende 40. Wie entwickelt sich die Zahl der Betroffenen im Landkreis Oldenburg? Pro Jahr haben wir zehn bis 15 Personen, die mit der Hauptdiagnose Glücks- spielsucht zu uns kommen. Das macht drei bis vier Pro- zent aller Suchtkranken aus, die wir betreuen. Wir liegen damit im Bundes- trend. Bundesweit steigt die Zahl der Betroffenen: Im Jahr 2007 gab es 5700 Personen mit der Haupt- diagnose Glücksspielsucht, ein Jahr später 7300 und im Jahr 2009 dann 9500, die ein ambulantes Betreuungsan- gebot angenommen haben. Das ist aber ein starker An- stieg. Ja, das hängt damit zusam- men, dass Behandlungs- möglichkeiten bekannter werden und Kliniken und Fachstellen differenzierter auf das Problem eingehen. Das pathologische Glücks- spiel ist erst seit 2001 von den Kostenträgern als ei- genes Krankheitsbild an- erkannt. Im Landkreis gibt es 16 Spielhallen. Wann kommen Glücks- spielsüchtige zu Ihnen? In der Regel dann, wenn sie keinen Ausweg mehr sehen und der Leidens- druck und die negativen Konsequenzen wie Kon- flikte mit Angehörigen oder dem Arbeitgeber zu groß werden. Glücksspielsucht ist eine Krankheit, die sich über Jahre entwickelt. Im Laufe der Zeit werden die Schulden immer massiver. Dann beginnt der Betrof- fene eine Aufholjagd, ver- sucht verzweifelt, durch Glücksspiel die Schulden auszugleichen. Er gerät in einen Teufelskreislauf. Spielt eher Scham eine Rol- le dabei, dass Betroffene recht spät zu Ihnen kom- men, oder eine fehlende Krankheitseinsicht? Beides. Die Einsicht kommt erst sehr spät. Wenn das ei- gene Erkennen da ist, wird die Sucht als Versagen, als Niederlage betrachtet. Dann ist die Hemmschwel- le sehr groß, zu uns zu kom- men. Wie hilft Ihre Fachstelle Glücksspielsüchtigen? In einem Gespräch ver- suchen wir, die Situation des Einzelnen und seine spezielle Problematik zu erfassen. Dann stellen wir die Weichen für eine am- bulante Therapie, wenn der Scherbenhaufen noch nicht so groß ist und noch ein stützendes soziales Umfeld besteht oder vermitteln in stationäre Therapie. Was passiert in der Thera- pie? Die Betroffenen sollen ver- stehen, welche Funktion das Spielen für sie hatte. Am Anfang gibt es viele po- sitive Erfahrungen. Häufig werden Spannung, Ner- venkitzel oder Abschalten genannt. Es geht um den Reiz des Gewinnens. In der Therapie werden Hand- lungsalternativen zum Bei- spiel zur Konfliktlösung oder Entspannung erarbei- tet. Wir arbeiten auch mit einer Schuldnerberatungs- stelle zusammen, so dass die Betroffenen ihr Leben neu ordnen können. Wo liegen die Ursachen dieser Sucht? Ein gemeinsamer Nenner ist, dass die Betroffenen ih- ren Gefühlszustand verbes- sern wollen. Die Geschichte kippt dann, wenn die Kon- trolle über das Spielen ver- loren geht. Annegret von Essen über Glücksspielsucht im Landkreis „Betroffener gerät in einen Teufelskreislauf“ ZUR PERSON Annegret von Essen (53 Jahre) ist seit dem Jahr 2007 Leiterin der Fachstelle Sucht der Diakonie im Landkreis Oldenburg. Bereits seit 1987 ist sie Mitarbeiterin der Fachstelle. Annegret von Essen ist Diplom-Sozialpädagogin und Sozial- therapeutin. In Delmenhorst hilft die Dro- genberatungsstelle „drob“ der AWO, Scheunebergstraße 41, Telefon (0 42 21) 1 40 55 oder per E-Mail info@drob-del. awo-ol.de. Öffnungszeiten: Montag, Dienstag, Donners- tag und Freitag 10 bis 18 Uhr, Mittwoch 10 bis 14 Uhr. Die Fachstelle Sucht im Land- kreis Oldenburg, Heemstraße 28 in Wildeshausen, ist unter Telefon (0 44 31) 29 64 oder E-Mail fs-sucht-lkol@diakonie- ol.de zu erreichen. Öffnungs- zeiten: montags bis donners- tags von 9 bis 12 und von 13 bis 16 Uhr sowie freitags von 9 bis 14 Uhr und nach Verein- barung. Eine Außenstelle gibt es in Ganderkesee, Ring 14. Hier ist montags von 15 bis 17 Uhr und dienstags von 9 bis 11 Uhr geöffnet. Eine wei- tere Gruppe, bei der Süchtige Hilfe finden können, ist die Spielerselbsthilfegruppe Ol- denburg, die sich jeden ersten und dritten Mittwoch im Monat um 19.30 Uhr in der Fachstel- le Sucht an der Bloherfelder Straße 7 trifft. KB ADRESSEN UND KONTAKTE Der Weg in die Spiel- sucht hat für die Kinder- pflegerin früh begonnen. Sie unterdrückte mit dem Spielen ihre Probleme und die Einsamkeit. VON BETTINA PFLAUM DELMENHORST. Spielsüch- tig? Ich? Das kann nicht sein. Ich vertreibe mir hier doch nur ein bisschen die Zeit. So hat Sarah Müller (Name von der Redaktion geändert) ihre Bedenken unterdrückt und heruntergespielt, wenn sie jeden Abend aufs Neue an den Spielautomaten saß. Heute ist sie geschieden, hat 6000 Euro Schulden und ist in der Privat-Insolvenz. „Ich bin eine trockene Spiel- süchtige“, weiß sie nun. Am Anfang ihrer Spiel- sucht stand die Einsamkeit und das Glück. „Ich habe anfangs ‚Black Jack‘ gespielt und gleich einen Jackpot gewonnen. Also habe ich weitergespielt. Es machte mir Spaß, und au- ßerdem wollte ich nicht alleine zu Hause sein. Denn mein Mann war Bauarbeiter und kam immer sehr spät von seiner Arbeit nach Hau- se“, erinnert sie sich. Die Spiel- halle war Sarahs Ersatz für ein harmonisches Familienleben. „Dort habe ich mich gut gefühlt, beim Spielen waren meine Pro- bleme weg, und der Adre- nalinspiegel war hoch“, begründet die heute 39-jäh- rige Delmenhorsterin ihr Abrutschen in die Sucht. Dabei wurde der Weg dorthin früh geebnet: „Ge- daddelt habe ich eigentlich schon immer, mit 14, 15 Jahren habe ich an Auto- maten in Gaststätten ge- spielt. Als ich volljährig geworden bin, ging ich ab und zu in Spielotheken.“ Intensiveren Spielphasen folgten aber immer auch lange Spielpausen. 1999 zog die gelernte Kinderpflegerin von Bremen nach Delmenhorst. „Seitdem habe ich dann regelmäßig gespielt“, erzählt sie. Ihren Beruf hat sie nie aus- geübt, sie jobbte stattdessen in ei- ner Spielothek. Mit den Spie- len „Funnyland“, „Fun City“ oder „Black Jack“ vertrieb sie sich ihre Zeit nach Feierabend. „Ich habe nur Unterhaltungsspiele genutzt, keine Geldspiel- automaten. Man konnte mit denen auch einen Ge- winn machen, in dem man die ‚Token‘, also die gewonnenen Wertmarken, illegal verkauft hat“, sagt sie. Wie viel Geld sie pro Monat auf diese Weise verspielt hat, kann sie gar nicht genau sa- gen. „Es waren ungefähr 400 bis 600 Euro pro Monat. Ich habe am ersten Tag des Mo- nats das ganze Geld auf den Kopf gehauen und dann auf Pump gelebt. Mein Mann wusste das nicht, ich habe ihn und alle anderen belo- gen.“ Das ist ihr heute noch peinlich. „Man möchte die Fassade aufrecht erhalten und lügt sehr bewusst. Irgendwann hasst man sich selbst“, gibt die Frau zu. Lange Zeit glaubte sie, dass ihr Verhalten normal ist: „Ich habe von mir ge- schoben, dass ich süchtig bin.“ Hilfe hat sie in der Zeit daher nicht in Anspruch ge- nommen. „Die meisten Menschen, die zocken gehen, haben irgendwelche Probleme, die sie mit der Spielerei übertünchen“, hat Sarah in den Jahren der Sucht erfahren. Sie selbst hat Schlim- mes in ihrer Kindheit erlebt. Doch darüber re- det sie nicht. „Ich habe aus der Zeit eine post- traumatische Belastungs- störung“, sagt sie nur. „Ich habe den Stress, den ich im Inneren habe, mit dem Spielen unterdrückt.“ Ihr Glück war, dass im Jahr 2006 die „Token“-Gerä- te verboten wurden. „Sonst würde ich heute noch davor sitzen“, ist sie sich sicher. „Ich habe in der Zeit viel ge- lesen, viel telefoniert, habe mich mit Leuten getroffen“, schildert sie ihren Ausweg. „Jetzt spiele ich nur noch bei Facebook, aber ohne Geld einzusetzen.“ Ein bis zwei Stunden würden so pro Tag draufgehen. Psychologische Hilfe bekommt sie in einer Tagesstätte, wo sie in ers- ter Linie wegen ihrer post- traumatischen Belastungs- störung ambulant betreut wird. „Wer viel spielt, sollte sich Hilfe holen und eine Beratungsstelle aufsuchen“, rät sie. „Irgendwann hasst man sich selbst“ Ihre Meinung zum Beitrag: bettina.pfl[email protected] Mein Glück war, dass die ‚Token‘-Spielauto- maten verboten worden sind. Ich habe bei ‚Black Jack‘ an- fangs gewonnen. Also habe ich weitergespielt. Simone Beilken von der Drogenberatungsstelle „drob“ hat mit dem Schauspieler des Oldenburgischen Staatstheaters Rene Schack gestern mehrmals eine lebensnahe Szene in der Innenstadt aufgeführt, die auf die Folgen von Spielsucht aufmerksam machen sollte. FOTO: ANDREAS NISTLER DELMENHORST (BPF). Zwi- schen den Spielhallen „Lö- wen Play“, „Merkur Spielo- thek“ und „City Casino“ hat die Drogenberatungsstelle „drob“ gestern mitten in der Innenstadt ein großes Bodenplakat hingelegt, auf dem Passanten ihr Wissen zu Risiken der Glücks- spielsucht testen konnten. Manchmal wurde es im vorderen Teil der Langen Straße auch sehr laut: Dann brüllte ein Paar sich wütend an, weil der Mann das Geld „verzockt“. Die beiden wa- ren Simone Beilken von der „drob“ und der Schauspie- ler Rene Schack: Mit diesen Aktionen wurde auf den bundesweiten Aktionstag Glücksspielsucht hingewie- sen. „425.000 Euro werden pro Monat in Delmenhorst an Geldspielgeräten ver- spielt“, meint Beilken. Sie weiß: Wer spielsüchtig ist, gefährdet seine Gesundheit. In Delmenhorst sind nach ihrer Einschätzung rund 1000 Personen betroffen. Laute Szene stellt Situation Spielsüchtiger nach STUTTGART (DPA). Mehr als 300 Millionen Euro kosten laut Universität Hohenheim in Stuttgart jedes Jahr The- rapien für Spielsüchtige und der Ausgleich von Fehlzeiten. ZumVergleich:Tabakkonsum kostet die Gesellschaft jähr- lich 20 bis 50 Milliarden Euro. Folgekosten der Spielsucht

„Irgendwann hasst man sich selbst“nls-online.de/home/images/stories/Delmenhorster... · ler Rene Schack: Mit diesen Aktionen wurde auf den bundesweiten Aktionstag Glücksspielsucht

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  • Seite 2 Freitag, 30. September 2011Delmenhorst

    DelmenhorSter KreiSblatt

    Delmenhorster TageblattHarpstedter Tageblatt

    Huder ZeitungStuhrer Zeitung

    Amtliches Verkündigungsblatt der Stadt Delmenhorst und der

    Gemeinden Ganderkesee und Stuhr

    Herausgeber:Dirk Schulte Strathaus · Frank Dallmann

    Verlag RIECK GmbH & Co. KG: Lange Str. 122, 27749 Delmenhorst, Tel. (0 42 21) 156-666, Fax (0 42 21) 156-999

    Verlagsleiter: Stefan Hinderlich

    Chefredakteur (V. i. S. d. P.): Ralf Freitag (RFG), Tel. 156-200Redaktion Delmenhorst: Tel. (04 2 21) 156-220, Fax (0 42 21) 156-290, E-Mail: redaktion @dk-online.deLeiter: Thomas Breuer (TBR) -231, Heike Bentrup (BEN) -236, Jens Thorsten Schmidt (JTS) -237, Bettina Pflaum (BPF) -238, Jan Eric Fiedler (JEF) -242Redaktion Ganderkesee: Im Knick 2, 27777 Ganderkesee, Tel.: (0 42 22) 80 70-0, Fax (0 42 22) 80 70-60, E-Mail: redaktion-gan@ dk-online.deLeiter: Lars Laue (LAU) -20, Sonia Voigt (SOV) -30, Thorsten Konkel (KONK) -40, Marco Julius (JUL) -45, Katja Butschbach (KB) -70Lokaler Newsdesk: Leiter: Michael Korn (MIK) -250, Thomas Deeken (KEN) -251, Frank Het-hey (FH) -252, Bettina Dogs (BD) -253Überregionaler Newsdesk: Leiter: Martin Teschke (TE) -255, Julia Brünner (JUB) -258, Christian Goldmann (CG) -259, Tina Spiecker (TI) -254, Magdalena Hilgefort (MHI) -256, Thomas Tiede (TIE) -257Sport: Leiter: Dieter Freese (FR) -260, Torsten Heidemann (THM) -261, Ole Schlabers (OLE) -264

    Sonderveröffentlichungen:Leiterin: Jacqueline Schultz (JAC) -850, Daniela Krause (DAN) -860, Berit Schminke (INK) -880

    Verantwortlich für den Anzeigenteil:Achim Matzat, Leitung Geschäftskunden

    Kundencenter Ganderkesee: Im Knick 2, 27777 Ganderkesee, Tel.: (0 42 22) 80 70-0, Fax (0 42 22) 80 70-60Druck: DruckHaus RIECK Delmenhorst GmbH & Co. KG, Sulinger Str. 66, 27751 Delmen-horstZustellung: Media Net Verlags- und Vertriebs-GmbH, Sulinger Str. 66, 27751 Delmenhorst.Bankkonten: bei allen Delmenhorster Banken

    Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos wird keine Gewähr übernommen. Im Fall höherer Gewalt und bei Arbeitskampf (Streik oder Aussperrung) besteht kein Belieferungs- oder Entschädigungsanspruch.Bezugspreis durch Zusteller einschließlich Ver-sandkosten und Zustellgebühren: 23,80 Euro inklusive 7% Mehrwertsteuer.Abbestellungen sind bis zum 15. eines Monats schriftlich an den Verlag zu richten. Die Beliefe-rung endet dann zum Monatsende.Es gilt die Anzeigenpreisliste vom 1. 1. 2011.

    IntervIew

    Von Katja ButschBach

    Annegret von Essen ist Lei-terin der Fachstelle Sucht im Landkreis Oldenburg der Diakonie. Die Stelle ist auch Anlaufpunkt für Glücksspielsüchtige.

    dk: Frau von Essen, welche Personengruppe ist über-haupt von Glücksspiel-sucht betroffen? Annegret von Essen: Zu 90 Prozent sind es Männer, meist im Alter von 30 bis Ende 40.

    Wie entwickelt sich die Zahl der Betroffenen im Landkreis Oldenburg?Pro Jahr haben wir zehn bis 15 Personen, die mit der Hauptdiagnose Glücks-spielsucht zu uns kommen. Das macht drei bis vier Pro-zent aller Suchtkranken aus, die wir betreuen. Wir liegen damit im Bundes-trend. Bundesweit steigt die Zahl der Betroffenen: Im Jahr 2007 gab es 5700 Personen mit der Haupt-diagnose Glücksspielsucht, ein Jahr später 7300 und im Jahr 2009 dann 9500, die ein ambulantes Betreuungsan-gebot angenommen haben.

    Das ist aber ein starker An-stieg.Ja, das hängt damit zusam-men, dass Behandlungs-möglichkeiten bekannter werden und Kliniken und Fachstellen differenzierter auf das Problem eingehen. Das pathologische Glücks-spiel ist erst seit 2001 von den Kostenträgern als ei-genes Krankheitsbild an-erkannt. Im Landkreis gibt es 16 Spielhallen.

    Wann kommen Glücks-spielsüchtige zu Ihnen? In der Regel dann, wenn sie keinen Ausweg mehr sehen und der Leidens-druck und die negativen Konsequenzen wie Kon-flikte mit Angehörigen oder dem Arbeitgeber zu groß werden. Glücksspielsucht ist eine Krankheit, die sich über Jahre entwickelt. Im Laufe der Zeit werden die

    Schulden immer massiver. Dann beginnt der Betrof-fene eine Aufholjagd, ver-sucht verzweifelt, durch Glücksspiel die Schulden auszugleichen. Er gerät in einen Teufelskreislauf.

    Spielt eher Scham eine Rol-le dabei, dass Betroffene recht spät zu Ihnen kom-men, oder eine fehlende Krankheitseinsicht? Beides. Die Einsicht kommt erst sehr spät. Wenn das ei-gene Erkennen da ist, wird die Sucht als Versagen, als Niederlage betrachtet. Dann ist die Hemmschwel-le sehr groß, zu uns zu kom-men.

    Wie hilft Ihre Fachstelle Glücksspielsüchtigen? In einem Gespräch ver-suchen wir, die Situation des Einzelnen und seine spezielle Problematik zu erfassen. Dann stellen wir die Weichen für eine am-bulante Therapie, wenn der Scherbenhaufen noch nicht so groß ist und noch ein stützendes soziales Umfeld besteht oder vermitteln in stationäre Therapie.

    Was passiert in der Thera-pie?Die Betroffenen sollen ver-stehen, welche Funktion das Spielen für sie hatte. Am Anfang gibt es viele po-sitive Erfahrungen. Häufig werden Spannung, Ner-venkitzel oder Abschalten genannt. Es geht um den Reiz des Gewinnens. In der Therapie werden Hand-lungsalternativen zum Bei-spiel zur Konfliktlösung oder Entspannung erarbei-tet. Wir arbeiten auch mit einer Schuldnerberatungs-stelle zusammen, so dass die Betroffenen ihr Leben neu ordnen können.

    Wo liegen die Ursachen dieser Sucht?Ein gemeinsamer Nenner ist, dass die Betroffenen ih-ren Gefühlszustand verbes-sern wollen. Die Geschichte kippt dann, wenn die Kon-trolle über das Spielen ver-loren geht.

    Annegret von Essen über Glücksspielsucht im Landkreis

    „Betroffener gerät in einen Teufelskreislauf“

    Zur Person

    Annegret von essen (53 jahre) ist seit dem jahr 2007 Leiterin der Fachstelle sucht der Diakonie im Landkreis oldenburg. Bereits seit 1987 ist sie Mitarbeiterin der Fachstelle. annegret von Essen ist Diplom-sozialpädagogin und sozial-therapeutin.

    In Delmenhorst hilft die Dro-genberatungsstelle „drob“ der aWo, scheunebergstraße 41, telefon (0 42 21) 1 40 55 oder per E-Mail [email protected]. Öffnungszeiten: Montag, Dienstag, Donners-tag und Freitag 10 bis 18 uhr, Mittwoch 10 bis 14 uhr. Die Fachstelle sucht im Land-kreis oldenburg, heemstraße 28 in Wildeshausen, ist unter telefon (0 44 31) 29 64 oder E-Mail [email protected] zu erreichen. Öffnungs-zeiten: montags bis donners-

    tags von 9 bis 12 und von 13 bis 16 uhr sowie freitags von 9 bis 14 uhr und nach Verein-barung. Eine außenstelle gibt es in Ganderkesee, Ring 14. hier ist montags von 15 bis 17 uhr und dienstags von 9 bis 11 uhr geöffnet. Eine wei-tere Gruppe, bei der süchtige hilfe finden können, ist die spielerselbsthilfegruppe ol-denburg, die sich jeden ersten und dritten Mittwoch im Monat um 19.30 uhr in der Fachstel-le sucht an der Bloherfelder straße 7 trifft. KB

    Adressen und kontAkte

    Der Weg in die Spiel-sucht hat für die Kinder-pflegerin früh begonnen. Sie unterdrückte mit dem Spielen ihre Probleme und die Einsamkeit.Von BEttIna PFLauM

    delmenhorst. Spielsüch-tig? Ich? Das kann nicht sein. Ich vertreibe mir hier doch nur ein bisschen die Zeit. So hat Sarah Müller (Name von der Redaktion geändert) ihre Bedenken unterdrückt und heruntergespielt, wenn sie jeden Abend aufs Neue an den Spielautomaten saß. Heute ist sie geschieden, hat 6000 Euro Schulden und ist in der Privat-Insolvenz. „Ich bin eine trockene Spiel-süchtige“, weiß sie nun.

    Am Anfang ihrer Spiel-sucht stand die Einsamkeit und das Glück. „Ich habe anfangs ‚Black Jack‘ gespielt und gleich einen Jackpot gewonnen. Also habe ich weitergespielt. Es machte mir Spaß, und au-ßerdem wollte ich nicht alleine zu Hause sein. Denn mein Mann war Bauarbeiter und kam immer sehr spät von seiner Arbeit nach Hau-se“, erinnert sie sich. Die Spiel-halle war Sarahs Ersatz für ein harmonisches Familienleben. „Dort habe ich mich gut gefühlt, beim Spielen waren meine Pro-bleme weg, und der Adre-nalinspiegel war hoch“, begründet die heute 39-jäh-rige Delmenhorsterin ihr Abrutschen in die Sucht.

    Dabei wurde der Weg dorthin früh geebnet: „Ge-

    daddelt habe ich eigentlich schon immer, mit 14, 15 Jahren habe ich an Auto-maten in Gaststätten ge-spielt. Als ich volljährig geworden bin, ging ich ab und zu in Spielotheken.“ Intensiveren Spielphasen folgten aber immer auch lange Spielpausen. 1999 zog die gelernte Kinderpflegerin von Bremen nach Delmenhorst. „Seitdem habe ich dann regelmäßig gespielt“, erzählt sie. Ihren Beruf hat sie nie aus-geübt, sie jobbte stattdessen in ei-ner Spielothek.

    Mit den Spie-len „Funnyland“, „Fun City“ oder „Black Jack“ vertrieb sie sich ihre Zeit nach Feierabend. „Ich habe nur Unterhaltungsspiele genutzt, keine Geldspiel-automaten. Man konnte mit denen auch einen Ge-winn machen, in dem man

    die ‚Token‘, also die gewonnenen Wertmarken, illegal verkauft hat“, sagt sie. Wie viel Geld sie pro Monat auf diese Weise verspielt hat, kann sie gar nicht genau sa-gen. „Es waren ungefähr 400 bis

    600 Euro pro Monat. Ich habe am ersten Tag des Mo-nats das ganze Geld auf den Kopf gehauen und dann auf Pump gelebt. Mein Mann wusste das nicht, ich habe ihn und alle anderen belo-gen.“ Das ist ihr heute noch peinlich. „Man möchte die Fassade aufrecht erhalten und lügt sehr bewusst.

    Irgendwann hasst man sich selbst“, gibt die Frau zu. Lange Zeit glaubte sie, dass ihr Verhalten normal ist: „Ich habe von mir ge-schoben, dass ich süchtig bin.“ Hilfe hat sie in der Zeit daher nicht in Anspruch ge-nommen.

    „Die meisten Menschen, die zocken gehen, haben

    irgendwelche Probleme, die sie mit der Spielerei übertünchen“, hat Sarah in den Jahren der Sucht erfahren. Sie selbst hat Schlim-mes in ihrer Kindheit erlebt. Doch darüber re-det sie nicht. „Ich

    habe aus der Zeit eine post-traumatische Belastungs-störung“, sagt sie nur. „Ich habe den Stress, den ich im Inneren habe, mit dem Spielen unterdrückt.“

    Ihr Glück war, dass im Jahr 2006 die „Token“-Gerä-te verboten wurden. „Sonst würde ich heute noch davor sitzen“, ist sie sich sicher. „Ich habe in der Zeit viel ge-lesen, viel telefoniert, habe mich mit Leuten getroffen“, schildert sie ihren Ausweg. „Jetzt spiele ich nur noch bei Facebook, aber ohne Geld einzusetzen.“ Ein bis zwei Stunden würden so pro Tag draufgehen. Psychologische Hilfe bekommt sie in einer Tagesstätte, wo sie in ers-ter Linie wegen ihrer post-traumatischen Belastungs-störung ambulant betreut wird. „Wer viel spielt, sollte sich Hilfe holen und eine Beratungsstelle aufsuchen“, rät sie.

    „Irgendwann hasst man sich selbst“

    Ihre meinung zum Beitrag:[email protected]

    Mein Glück war, dass die

    ‚Token‘-Spielauto-maten verboten

    worden sind.

    Ich habe bei ‚Black Jack‘ an-fangs gewonnen.

    Also habe ich weitergespielt.

    simone Beilken von der Drogenberatungsstelle „drob“ hat mit dem schauspieler des oldenburgischen staatstheaters Rene schack gestern mehrmals eine lebensnahe szene in der Innenstadt aufgeführt, die auf die Folgen von spielsucht aufmerksam machen sollte. Foto: anDREas nIstLER

    delmenhorst (BPF). Zwi-schen den Spielhallen „Lö-wen Play“, „Merkur Spielo-thek“ und „City Casino“ hat die Drogenberatungsstelle „drob“ gestern mitten in der Innenstadt ein großes Bodenplakat hingelegt, auf

    dem Passanten ihr Wissen zu Risiken der Glücks-spielsucht testen konnten. Manchmal wurde es im vorderen Teil der Langen Straße auch sehr laut: Dann brüllte ein Paar sich wütend an, weil der Mann das Geld

    „verzockt“. Die beiden wa-ren Simone Beilken von der „drob“ und der Schauspie-ler Rene Schack: Mit diesen Aktionen wurde auf den bundesweiten Aktionstag Glücksspielsucht hingewie-sen. „425.000 Euro werden

    pro Monat in Delmenhorst an Geldspielgeräten ver-spielt“, meint Beilken. Sie weiß: Wer spielsüchtig ist, gefährdet seine Gesundheit. In Delmenhorst sind nach ihrer Einschätzung rund 1000 Personen betroffen.

    Laute Szene stellt Situation Spielsüchtiger nach

    stuttgArt (dPA). Mehr als 300 Millionen Euro kosten laut Universität Hohenheim in Stuttgart jedes Jahr The-rapien für Spielsüchtige und der Ausgleich von Fehlzeiten. Zum Vergleich: Tabakkonsum kostet die Gesellschaft jähr-lich 20 bis 50 Milliarden Euro.

    Folgekosten der Spielsucht