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Starke Vielfalt 21 Delmenhorster Lebenswege

Starke Vielfalt - 21 Delmenhorster Lebenswege

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„Es ist besser, ein einziges kleines Licht anzuzünden, als die Dunkelheit zu verfluchen.”Konfuzius, chinesicher Philosoph (551 v. Chr. bis 479 v. Chr.)

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Wir leben in Deutschland in einer Gesellschaft, die nach dem Krieg große Flüchtlingsströme integriert hat. Diese Gesellschaft nimmt nun seit Jahrzehn-ten weiterhin Verfolgte, Arbeit suchende und ehemalige Gastarbeiterfamilien auf. Aktuell werden Migranten gezielt angeworben, um dem Fachkräftemangel und dem demographischen Wandel in unserem Lande zu begegnen.

Junge Menschen brauchen Vorbilder, an denen sie sich orientie-ren können. Ältere müssen ihren Blickwinkel ändern, um Neues zu entdecken. Das waren wichtige Gedanken bei der Entwicklung dieser Edition.

Wer in Delmenhorst lebt, kennt Menschen mit Migrationshinter-grund. Im öffentlichen Leben fallen diese z.B. als Unternehmerinnen und Unternehmer in Restaurants, Friseurbetrieben und Gemüse-märkten auf. Im Delmenhorster Alltag erleben wir aktive Migranten in der Lokalpolitik.

Neben diesen Menschen gibt es jedoch viele andere, ebenfalls erfolgreich „angekommene” Frauen und Männer in den unterschied-lichsten Berufen. Ihr Weg dorthin war nicht immer einfach, oft sogar anstrengend und außergewöhnlich. Das Ziel der Menschen mit Einwanderungsgeschichte ist ein neues Leben in der deutschen Gesellschaft zu beginnen. Es ist – so berichten viele – eine Gesell-schaft, die das Ankommen ermöglicht, wenn auch nicht immer leicht macht. Eine Gesellschaft jedoch, die auch die Erinnerung an die ursprüngliche Heimat zulässt, die Platz lässt für die Pflege des Brauchtums und der Religion.

Eines wird in allen Interviews, in allen dargestellten Lebensberich-ten deutlich: Wer sich integrieren möchte, kann das erreichen, und das ohne seine kulturell-religiöse Herkunft aufgeben zu müssen. Hinter den hier in der deutschen Gesellschaft „angekommenen” Migrantinnen und Migranten stehen häufig die Eltern, die Familie, die Unterstützenden aus dem Umfeld. Sie dürfen nicht vergessen werden. Oft ernten die Kinder, wozu die Eltern unter Mühen den Samen gelegt haben.

Es gibt kaum noch „Gastarbeiter”, sondern Menschen, die sich in zwei Sprachen, zwei Kulturen bewegen und auskennen. Das ist Deutschlands neue, starke Seite, die längst in Delmenhorst Realität geworden ist: Diversity management, die Besinnung auf die Vielfalt der Menschen und die Vielfalt ihrer Gaben, wird von der Wirtschaft als Chance gesehen. Die Charta der Vielfalt zeigt auf, dass gegensei-tige Akzeptanz in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist, um sie auf viele solide Pfeiler zu stellen.

Die Auswahl der hier vorgenommenen Porträts gründet auf den von der Bevölkerung und Akteuren der Integrationsarbeit einge-brachten Vorschlägen. Es war uns wichtig, die Lebensläufe von ganz unterschiedlichen Menschen darzustellen, damit deutlich wird, dass Integration in Deutschland keine Heldentat ist, wohl aber eine gewisse Leistungsbereitschaft und einen starken Willen braucht.

Menschen mit Migrationshintergrund müssen häufig mehr Ener-gie als die Einheimischen aufwenden, um ihre Ziele zu erreichen. Sie haben weniger Netzwerke, auf die sie zurückgreifen können. Dass die Benachteiligung weniger wird und Vorurteile abgebaut werden, dafür steht diese Edition ebenfalls.

Wir danken unseren Sponsoren, der Protempo GmbH und der Oldenburgischen Landesbank AG sowie dem Delmenhorster Integrationsbeirat, der Stadt Delmenhorst und dem Land Nieder-sachsen, die mit ihrem finanziellen Beitrag die Herausgabe der Edition ermöglicht haben. Unseren Autorinnen und Autoren, dem Fotografen und der Werbeagentur public emotions danken wir für ihre hervorragende Arbeit und ihre Bereitschaft, auf einen Großteil ihres Honorars zu verzichten. Unser abschließender Dank gilt den porträtierten Frauen und Männern. Ihre vielfältigen Lebenswege geben der Edition eine besondere Note.

Anne Frerichs Telim TolanMitglieder der Arbeitsgruppe „Wirtschaft” des ersten Delmenhorster Integra tionsbeirates von 2010 bis 2012

Vorwort der Herausgebenden

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Grußwort des Oberbürgermeisters der Stadt Delmenhorst

Als Oberbürgermeister dieser Stadt Delmenhorst freue ich mich sehr, die Edition „Starke Vielfalt – 21 Delmenhorster Lebenswege” durch ein Grußwort einleiten zu dürfen.

„Integration passiert überall – aber nicht überall auf die gleiche Weise”. Dieser Satz umschreibt in einfachen Worten die Situation vieler zugewanderter Menschen. Und gerade in Delmenhorst leben wir in einer Gemeinschaft, in der viele Bürgerinnen und Bürger aus ande-ren Ländern zu uns gekommen sind, heute wie vor 20 oder 100 Jahren, als Flüchtlinge oder Vertriebene, als Arbeitssuchende oder Familienangehörige. Vielfältig sind ihre Potentiale und Ressourcen, und es gilt, diese für die Weiterentwicklung unserer Stadtgesellschaft zu stärken und zu fördern. Vielfalt ist ein wirtschaftlicher Erfolgsfaktor. Das können wir von der histori-

schen Entwicklung Delmenhorsts lernen und das haben wir uns auch jetzt wieder auf die Fahnen geschrieben: Mit der Unterzeichnung der Charta der Vielfalt setzte die Stadt Delmenhorst als eine von vier Kommunen in Niedersachsen bereits in 2012 ein Zeichen zur aktiven Wertschätzung und Förderung der unterschiedlichen Talente.

Diese Edition trägt ihren Titel zu Recht: „Starke Vielfalt – 21 Delmenhorster Lebenswege” beschreibt den Weg, den Delmenhorst beschreiten muss. Mit der Edition werden gute Beispiele gezeigt, wie es Bürgerinnen und Bürger aus Einwandererfamilien geschafft haben, ihren Lebensweg hier erfolgreich zu gestalten. Und sie sind keine Einzelfälle! Vielmehr stehen sie für eine Gesellschaft, die sich neu entwickelt hat und weiter entwickeln wird. Neues Wissen und neue Kenntnisse, globalisierte Strukturen und neue Identitäten schaffen auf dem Fundament unserer demokratischen Ordnung ein neues „Wir”-Gefühl, dem wir uns offen und interessiert zuwenden sollten. Unterschiedliche Meinungen und auch Konflikte gehören zum Leben mit dazu. Entscheidend ist, dass sie mit einer konstruktiven Grundhaltung und mit Respekt ausgetragen werden. Von und mit den Menschen, die in dieser Edition über ihren persönlichen und beruflichen Werdegang berichten, erfahren wir, dass wir uns mit mächtigen Schritten auf eine vielfältige und bunte Gesellschaft in einem neuen, erfolgversprechenden Licht zu bewegen.

Mein Dank gilt den Initiatoren des Arbeitskreises Wirtschaft unseres ersten Integrationsbeirates hier in Delmenhorst, Frau Anne Frerichs und Herrn Telim Tolan, die mit viel persönlichem Engagement diese Edition entstehen ließen.

Patrick de La LanneOberbürgermeister der Stadt DelmenhorstPatrick de La Lanne

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Bereits 1971 kam Ertan Balkan als Zehnjähriger aus der Türkei nach Deutschland. Seit 2009 ist Ertan Balkan nun zusammen mit Mustafa Gökdemiz Inhaber der Caribia GmbH, die Sanitärartikel aus Acryl in Groß Ippener herstellt. Zwei Angestellte stehen ihm zur Seite. Ertan Balkan machte den klassischen Aufstieg über Haupt- und Realschule zum Abitur am Technischen Gymnasium. Ein Studium in Maschinenbau schloss sich an.

STECKBRIEF

Name Ertan Balkangeboren 1961 in Aydin,

TürkeiBeruf(Qualifikation) Zusammen mit

Mustafa Gökdemiz Inhaber der Caribia GmbH in Groß Ippener(Dipl.-Ing. Maschi-nenbau)

„Integration ist keine Einbahnstraße!”

Der diplomierte Ingenieur arbeitete bei Daimler-Benz und als Projektleiter in Berne. Die selbstständige Leitung von Tankstellen formte seine berufliche Entwicklung genauso wie ein dreijähriger Auslandsaufenthalt. Danach war Ertan Balkan gereift für die Selbstständigkeit mit Caribia.

Welche Unterstützung haben Sie während Ihres Werdegangs erfahren?Meine Eltern haben sich sehr intensiv bemüht, dass ich eine gute Schulausbildung bekomme und haben mich auch finanziell unterstützt. Mein Vater wollte unbedingt, dass ich studiere und eine vernünftige Ausbildung mache. Während der Schulzeit gab es viel Hilfestellungen und Anregungen durch meine Klassenlehrerin, Frau Gillo. Sie hat sich sehr um meinen schulischen Fortschritt bemüht. Außerdem durfte ich zwei Jahre lang eine Pastorenfamilie in Deichhorst besuchen, mit deren Familienan-gehörigen ich intensiv die deutsche Sprache üben konnte. Ebenso gab es Unter-stützung in Form von Hausaufgabenbetreuung in den Jugendhäusern. Während der Gymnasialen Oberstufe und des Studiums bekam ich finanzielle Unterstützung durch den Staat in Form von Bafög.

Was würden Sie jungen Menschen aus Einwandererfamilien heute raten?Ich habe kein Rezept. Junge Migrantinnen und Migranten müssen mehr tun und leisten als ihre deutschen Altersgenossen. Ich musste sehr viele Bewerbungen schreiben, bis ich eine halbwegs vernünftige Stelle gefunden hatte. Bis dahin habe ich die Zeit mit niederen Jobs überbrückt. Wenn man die Bewerbungsschwelle überwunden hat und sich im Arbeitsleben beweisen kann, wendet sich alles zum Positiven.

Autorin: Bettina Snyder

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Welche Auswirkungen hatte ihr Migrationshintergrund im Berufsleben?Bei der Arbeit habe ich bisher keine negativen Erfahrungen in Bezug auf meine Herkunft gemacht. Bei telefonischen Kundenkontakten fällt mein Migrationshin-tergrund – bis auf meinen Namen – nicht auf, da ich fließend Deutsch spreche. Was mich aber immer wieder entzückt und verwundert ist, dass manche Menschen mich nicht in der Position des Geschäftsinhabers vermuten. Ein paar Mal schon wurde ich nach dem Chef gefragt. Dann amüsiere ich mich und lass die Leute noch ein wenig zappeln.

Wie sehen Sie Integration im Allgemeinen?Integration ist keine Einbahnstraße! Es kommt nicht nur auf den Willen der Mig-ranten an. Genauso wichtig ist es, dass die deutsche Gesellschaft bereit ist, sich den Menschen mit Migrationshintergrund zu öffnen. Damit meine ich nicht nur die Politik, sondern die Menschen vor Ort. Gesetzlich haben Migranten durchaus einen akzeptablen Stand. Was mich in den letzten Jahren stört, ist die Blindheit der Staatsjustiz auf dem ‚rechten Auge’.Deutsche sollten andere Kulturen tole-rien, damit sich Migranten integrieren können. Ich verstehe darunter, dass wir einerseits hier leben, arbeiten und uns einfügen in die Gesellschaft, aber dass wir andererseits einen Ort brauchen, an dem wir unsere Bräuche und Traditionen pflegen können, wo wir ‚Heimat’ erleben. Wir können nicht genauso werden wie die Deutschen (assimilieren), das können umgekehrt Deutsche, die in der Türkei leben, auch nicht. Für uns gibt es neben dem Alltag in Deutschland auch immer noch ein Stück ‚Zuhause’ in unseren Moscheen und bei familiären Zusam-menkünften. Diese Art von ‚Parallelge-sellschaft’ sollte akzeptiert werden, da sie normal ist und der Integration dient.

Familie Balkan (von links nach rechts): Vater Yahya, Sohn Erdal, Mutter Saime, Ertan mit Ehefrau Senay (Bild vom Beschneidungsfest des Soh-nes Erdal 1996 in der Türkei, wo die Eltern seit 1984 wieder leben).Foto: privat

„Deutsche sollten andere Kulturen tolerien, damit sich Migranten integrieren können.”

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Eine offene und kommunikative Persönlichkeit – so wünscht sich eine große deutsche Optikerkette ihre Filialleiter. Mit ihrer freund lichen, bescheidenen Ausstrahlung passt Natalie Jahr, die Leiterin der Delmenhorster Filiale, genau in dieses Profil. Wenn sie ihre Kunden berät, hört man zwar einen leichten osteuropäischen Zungenschlag. Doch sonst deutet wenig darauf hin, dass die Augen-optikermeisterin kein Wort Deutsch sprach, als sie vor 19 Jahren nach Deutschland kam.

STECKBRIEF

Name Natalie Jahr geboren 1972 in Tscher-

nigow, UkraineBeruf(Qualifikation) Filialleiterin

Apollo Optik, Delmenhorst(Augenoptiker-meisterin)

„Sie haben mich immer unterstützt und motiviert…”

Damals, 1994, ging alles ganz schnell. Die Ukrainerin verliebte sich in ihren heutigen Mann, zog zu ihm in die Nähe von Helmstedt und heiratete wenige Wochen später. Nach einem guten Jahr wurde ihre Tochter geboren. Privat hatte die damals 22-jährige ihr Glück gefunden, doch beruflich musste sie völlig neu anfangen: Ihre Ausbildung zur Lebensmitteltechnikerin wurde in Deutschland nicht anerkannt.

Dass Natalie Jahr heute Meisterin und Filialleiterin ist, verdankt sie ihrer Beharr-lichkeit und der Unterstützung ihrer Familie. „Am Anfang, als meine Tochter noch klein war, bin ich nachts Taxi gefahren, um etwas Geld dazuzuverdienen – solche Jobs findet man ja immer”, erinnert sie sich. Doch auf Dauer wollte sie sich nicht mit Aushilfsjobs begnügen. „Auch mein Mann hat mich dabei sehr bestärkt – er meinte, ich würde sonst nur ausgenutzt”, sagt sie.

1999, als ihre Tochter in den Kindergarten kam, entschloss sie sich, einen neuen Beruf zu erlernen. Noch immer ärgert sie sich, dass ihr ukrainisches Diplom als Lebensmitteltechnikerin hier nichts wert war. Die deutsche Praxis, im Ausland erworbene Abschlüsse nicht anzuerkennen, findet sie sehr bedauerlich. „Daran hat sich bis heute nicht viel geändert, obwohl es ja einen großen Fachkräftemangel gibt”, sagt sie.

Autorin: Ute Kehse

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2Leiterin der Delmenhorster Filiale, genau in dieses Profil. Wenn sie ihre Kunden berät, hört man zwar einen leichten osteuropäischen Zungenschlag. Doch sonst deutet wenig darauf hin, dass die Augen-optikermeisterin kein Wort Deutsch sprach, als sie vor 19 Jahren nach

unterstützt und motiviert…”

optikermeisterin kein Wort Deutsch sprach, als sie vor 19 Jahren nach

unterstützt und motiviert…”

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Doch Natalie Jahr ist kein Mensch, der sich über Dinge den Kopf zerbricht, die sich nicht ändern lassen. Als sie sich um eine Ausbildung bewarb, war sie allerdings bereits 26 Jahre alt. Anfangs hagelte es zahlreiche Absagen. Die Schwierigkeiten führt sie nicht auf ihre ukrainische Herkunft zurück. „Das lag wohl vor allem an meinem Alter und daran, dass ich schon ein Kind hatte”, meint sie rückblickend. Wie viele voll berufstätige Mütter stand sie vor dem Problem, einen Ganztagsplatz im Kindergarten zu finden. Neben ihrem Mann waren auch ihre Schwiegereltern eine große Hilfe. „Sie haben mich immer unterstützt und motiviert, nicht aufzugeben.”

Irgendwann klappte es dann doch: Im Einstellungstest eines Optikers schnitt Natalie Jahr so gut ab, dass sie endlich einen Ausbildungsplatz bekam. Nach der Ausbildung wollte sie eigentlich gleich die Meisterschule besuchen. Doch wieder gab es ein Hindernis: Da sie nach wie vor ukrainische Staatsbürgerin war, konnte sie keinen staatlichen Ausbildungskredit, das so genannte „Meister-BAföG”, beantra-gen. 2006 bekam sie einen deutschen Pass – und fing sofort mit der Ausbildung zur Augenoptikermeisterin an. Diesmal gestaltete sich die Jobsuche einfach. „Noch während der Ausbildung bekam ich mehrere Ange-bote. Augenoptikermeister wurden damals gesucht”, berichtet sie. So erfüllte sich ihr Wunsch, Filialleitern zu werden, ziemlich schnell: Schon nach wenigen Monaten als angestellte Meisterin bekam sie die Filiallei-tungs-Stelle bei ihrem jetzigen Arbeitgeber in Delmenhorst – auch wenn das bedeutete, dass sie ihren Mann und ihre Tochter von Dienstag bis Samstag alleine lassen muss.

Vorurteile wegen ihrer Herkunft hat Natalie Jahr auf ihrem Berufsweg zwar durchaus erlebt, aber selten. „Man sollte sich davon nicht beeinflussen lassen”, sagt sie. Wer sein Ziel fest im Blick habe und selbstbewusst auf-trete, könne alles erreichen, so ihre Erfahrung. Mit dem bisher Erreichten ist sie zufrieden.

„Es gibt zwar weitere Aufstiegsmöglichkeiten, etwa zur Regionalleiterin, aber ich möchte lieber mehr Zeit mit der Familie verbringen”, sagt sie. Da es ihr in Delmenhorst gut gefällt, versucht ihr Mann derzeit, in der Umgebung eine neue Arbeitsstelle zu finden – damit die Zeit der Wochenendbezie-hung möglichst bald ein Ende hat.

Natalie und Daniel im Jahr 1994Foto: privat

„Wer sein Ziel fest im Blick hat und selbstbewusst auftritt, kann alles erreichen!”

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Dass er sich nicht mit einem 08/15-Job zufrieden geben wür-de, wusste Brahim Stitou schon als Azubi. „Ich hatte immer das Ziel vor Augen, etwas Großes zu erreichen, es zu etwas zu bringen”, sagt er. Das hat der gebürtige Delmenhorster auch

geschafft: Seit Dezember 2012 ist er Vizepräsident der Atlas Maschinen GmbH – die Nummer Zwei hinter dem Firmenchef

Fil Filipov.

STECKBRIEF

Name Brahim Stitougeboren 1979 in Delmen-

horst, Deutsch-land

Beruf(Qualifikation) Vizepräsident der

Atlas Maschinen GmbH( Industriemeister)

„Ich hatte immer das Ziel vor Augen, etwas Großes zu erreichen…”

Faktisch leitet der 33-jährige das Baumaschinen-Unternehmen mit den drei Werken in Delmenhorst, Ganderkesee und Vechta.

Eine derart rasante Karriere wurde Brahim Stitou nicht unbedingt in die Wiege gelegt. Seine Eltern kamen in den 60er Jahren aus Marokko nach Delmenhorst. Sein Vater, von Beruf Kranführer, starb, als Brahim zehn Jahre alt war. Fortan musste seine Mutter, die als Reinigungskraft bei der Stadt Delmenhorst arbeitete, ihn und seine vier Schwestern alleine durchbringen.

Schon früh begann er daher Geld zu verdienen – mit Zeitung austragen oder Floh-marktverkäufen. Nach dem Realschulabschluss fing er 1997 bei Atlas in Delmen-horst mit einer Ausbildung zum Industriemechaniker an. Danach arbeitete er sich innerhalb von acht Jahren von einfachen Tätigkeiten in der Lackiervorbereitung und im Wareneingang hoch bis ins Management des US-Konzerns Terex, zu dem Atlas bis 2010 gehörte.

Anfangs verdiente er sich außerdem Geld mit dem An- und Verkauf von Gebraucht-wagen dazu – und zwar genug, um bereits mit Anfang 20 ein Haus kaufen zu kön-nen. Drei Jahre lang betrieb er einen Mobilfunkladen in der Delmenhorster Innen-stadt. Die Ausbildung zum Industriemeister absolvierte er abends, parallel zum Job.

Das Erfolgsrezept des 33-jährigen: Harte Arbeit. „Man muss gewillt sein, mehr zu leisten, als verlangt wird und manchmal auch ein gewisses unternehmerisches Risiko eingehen”, sagt er. Im US-Unternehmen Terex wurde sein Leistungswille schnell honoriert. „Dort habe ich eine Chance bekommen, die ich vielleicht anderswo mit meiner Hautfarbe und meinem Migrationshintergrund nicht bekommen hätte”,

Autorin: Ute Kehse

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Dass er sich nicht mit einem 08/15-Job zufrieden geben wür-de, wusste das Ziel vor Augen, etwas Großes zu erreichen, es zu etwas zu bringen”, sagt er. Das hat der gebürtige Delmenhorster auch

geschafft: Seit Dezember 2012 ist er Vizepräsident der Atlas Maschinen GmbH – die Nummer Zwei hinter dem Firmenchef

Fil Filipov.

„Ich hatte immer das Ziel vor Augen, etwas Großes zu erreichen…”

bringen”, sagt er. Das hat der gebürtige Delmenhorster auch geschafft: Seit Dezember 2012 ist er Vizepräsident der Atlas Maschinen GmbH – die Nummer Zwei hinter dem Firmenchef

Fil Filipov.

„Ich hatte immer das Ziel vor Augen, etwas Großes zu erreichen…”

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glaubt er. Vorurteile sind für ihn dennoch nie ein Problem gewesen: „Ich habe mir schon in der Ausbildung Respekt erkämpft, so dass für Vorurteile kein Platz blieb.”

Als die sanierungsbedürftigen Atlas-Werke 2010 an den ehemaligen Terex-Manager Fil Filipov verkauft wurden, entschied sich Stitou, bei der neuen Atlas Maschinen GmbH zunächst auf einer Position mit weniger Verantwortung anzufangen. Die Arbeit in dem großen Konzern war ihm zu zäh. „Zu viele Meetings und PowerPoint-Präsentationen”, sagt er. „Fil Filipov kannte ich damals zwar noch nicht näher, aber ich wusste, dass er tough ist. Das gefiel mir.”

Seit 2011 ist Atlas wieder in der Gewinnzone – ein Erfolg, der mit umstrittenen Entscheidungen des Firmenleiters verbunden war. Brahim Stitou bewundert die Energie seines Chefs, der als bulgarischer Flüchtling in die USA kam und sich bei Terex von ganz unten hocharbeitete. Dass für die Atlas-Sanierung einige harte Schnitte erforderlich waren, dafür hat er Verständnis. „Manchmal muss man einge-fahrene Strukturen brechen, um Erfolg zu haben – sonst scheitert man”, sagt er. Seinen eigenen Führungsstil beschreibt er als „hart, aber fair”. Er setzt aber nicht nur auf Autorität, sondern auch auf Fin-gerspitzengefühl: „Ich versuche immer, mich in die Lage des anderen hineinzu-versetzen.”

Bei allen internationalen Kontakten im Beruf ist es Brahim Stitou wichtig, seine Herkunft nicht zu vergessen. Seine Frau, die in Marokko geboren ist, und er sprechen mit den drei Kindern zu Hause nur Arabisch. „Deutsch haben sie erst gelernt, als sie in den Kindergarten kamen. Das war aber nach wenigen Wochen kein Problem mehr”, betont er.

„Wir sind ein offenes Volk, wir haben die Kinder immer viel mit anderen zusam-mengebracht.” Der älteste Sohn besucht inzwischen die 5. Klasse des Willms-Gymnasiums.

Für seine eigene Zukunft hat Brahim Stitou derzeit, nach drei Monaten in seinem neuen Job, vor allem einen Plan: „Ich will dazu beitragen, Atlas weiter zu festigen und zu einem hervorragenden Unternehmen zu machen.” Man darf davon ausge-hen, dass es für den 33-jährigen nicht der letzte Karrieresprung war.

Familie Stitou, ca. 1983 (von links): Vater Khalifa, Brahim, die älteste Schwes-ter Soltana (stehend), Mutter Aicha, Schwester Hajat, unbekannte Person, ganz rechts Schwester Samira. Es fehlt die jüngste Schwester Nadia.Foto: privat

„Man muss gewillt sein, mehr zu leisten als verlangt wird.”

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Wer das Buch- und Schreibwarengeschäft „LeseZeichen Dauelsberg” in der Delmenhorster Innenstadt betritt, fühlt sich wie auf einem Besuch bei Freunden. Das liegt ganz sicher am guten Betriebsklima sowie an den freundlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die hier kompetent beraten und immer wieder gerne helfen. Ein ganz wichtiger Teil dieses kompetenten Teams ist Aylin Küpeli.

STECKBRIEF

Name Aylin Küpeligeboren 1977 in

Delmenhorst, Deutschland

Beruf(Qualifikation) Abteilungsleiterin,

LeseZeichen-Dauelsberg(Kauffrau im Einzelhandel)

„Meine Eltern haben uns immer zu 100% unterstützt.”

Die junge Dame, die seit Jahren die Abteilung mit den Büroartikeln und den Schreibwaren leitet, kümmert sich mit der ihr eigenen Wärme um die vielen Stammkunden, aber auch um spontane Besucher. Ihre berufliche Laufbahn führt sie seit 20 Jahren in ein und demselben Betrieb erfolgreich fort. So wie es der Zufall will, war es ihr damals vergönnt, mit einer einzigen Bewerbung den Start ins Berufsleben zu vollziehen.

An das Vorstellungsgespräch mit einem der damaligen Firmeninhaber kann sie sich noch ganz genau erinnern, obwohl es nun schon 20 Jahre her ist. „Ich glaube, spätestens, als ich ihm sagte, dass ich den Umgang mit Menschen liebe, hatte ich die Zusage in der Tasche”, sagt sie lächelnd. Auch heute noch erfreut sie sich an ihrer Arbeit, nimmt jede Möglichkeit zur Fortbildung wahr und reist auch gerne zu den diversen Fachmessen. Große Teile des Einkaufes des sie betreffendes Seg-mentes übernimmt sie nicht nur für das Delmenhorster Geschäft, sondern auch für die übrigen 11 Filialen des erfolgreichen Unternehmens. Auch die handwerkliche Tätigkeit des Gravierens hat sie sich erarbeitet.

Wem sie ihren Erfolg in allererster Linie zu verdanken hat, weiß Aylin Küpeli ganz genau. „Meine Eltern haben uns immer zu 100% unterstützt. Mein Vater wollte immer, dass alle seine Kinder studieren. Dieses Vorhaben wurde nicht planmäßig in die Tat umgesetzt, was im Nachhinein keineswegs eine falsche Entscheidung war, da wir Geschwister alle eine erfolgreiche Ausbildung abgeschlossen haben und in unseren Berufen glücklich sind und uns wohl fühlen”. Wir, das sind neben Aylin Küpeli noch sieben weitere Geschwister. Auch ihr Lehrer in der Berufschule, Herr Dargatz, hat sie maßgeblich gefördert, geprägt und unterstützt. Ihre Geschwister haben zudem vom Jugendtreff Wittekindstraße und dem damaligen Leiter, Dieter Damm, profitiert, der den jungen Menschen immer hilfreich zur Seite stand.

Autor: Holger Geisler

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Wer das Buch- und Schreibwarengeschäft „LeseZeichen Dauelsberg” in der Delmenhorster Innenstadt betritt, fühlt sich wie auf einem Besuch bei Freunden. Das liegt ganz sicher am guten Betriebsklima sowie an den freundlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die hier kompetent beraten und immer wieder gerne helfen. Ein ganz wichtiger Teil dieses

immer zu 100% unterstützt.”

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Einrichtungen wie der Jugendtreff sind für Frau Küpeli von großer Bedeutung, um junge Menschen in die richtigen Bahnen zu lenken und ihnen eine Perspektive zu bieten. „Geld für Betreuung und Bildung bei solch einem wichtigen Thema ist immer gut angelegt und für ein Land wie Deutschland sehr wichtig”, ist die sympathische Frau überzeugt.

Im Jahre 1972 haben ihre Eltern Hasan und Miyase Küpeli den Entschluss gefasst, nach Deutschland zu kommen. Der Aufenthalt war zu dem Zeitpunkt nur für eine kurze Dauer angedacht. Daraus wurden inzwischen 41 Jahre. Von dieser Zeit hat Herr Küpeli nach eigener Aussage nicht einen einzigen Tag bereut. Er ist sich immer noch sicher, den richtigen Entschluss gefasst zu haben.

Fremdenfeindlicheit hat sie im Beruf in ihrer Anfangszeit zweimal erlebt. „Einmal hat ein Kunde unser Geschäft verlassen, weil er nicht von mir bedient werden wollte. Ein Zweiter, der zum Kopieren gekommen war, sagte auf mein Hilfsange-bot: „Von so einer lass ich mir nicht helfen.” Noch heute ist sie ihrem Chef Heinz Dauelsberg für seine Reak tion dankbar. „Er bat nämlich den Kunden sofort sehr eindringlich das Geschäft zu verlassen, weil er auf diese Art von Kundschaft keinen Wert lege.”

Aylin Küpeli glaubt, dass Deutschland inzwischen auf einem sehr guten Weg ist, was die Integration und Toleranz in unserer Gesellschaft angeht. Ihr Ratschlag an Einwanderer und andere Bürgerinnen und Bürger: „Lernt die anderen Nationali-täten und Kulturen kennen. Lernt von den anderen. Dieses kann der Gesellschaft nicht schaden. Von anderen lernen und mit offenen Augen durchs Leben gehen kann nie falsch sein”, sagt sie – und hat damit sicher Recht.

Vor einigen Jahren wurde das Familienunternehmen Dauelsberg an den Filialisten LeseZeichen (Firmeninhaberin Swantje Gerhard) verkauft. Das familiäre Mitei-nander ist geblieben, was zur positiven Außenwirkung beiträgt. Jungen Leuten rät sie beharrlich für die eigenen Träume zu wirken. „Natürlich wird es kaum wie damals bei mir mit der ersten Bewerbung klappen. Aber nicht aufgeben, sondern einfach dranbleiben. Auch in meiner Familie mussten einige mehrere Bewerbungen schreiben, um erfolgreich eine Stelle besetzen zu können. Werdet euch klar, was der richtige Beruf für euch ist, und nehmt jede Möglichkeit zur Fort- und Weiterbildung wahr. Dies kann für die berufliche Zukunft nur von Vorteil sein.”

Aylin Küpeli hat sich durch Fleiß, Zuverlässigkeit und Freundlichkeit beruflich ihren Traum erfüllt, und die Zufriedenheit darüber sieht man ihr auch deutlich an!

Die Eltern Hasan und Miyase Küpeli in den 1970er JahrenFoto: privat

„Von anderen lernen und mit offenen Augen durchs Leben gehen kann nie falsch sein.”

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Man könnte neidisch werden auf das schmucke Wohn-haus, das sich Özkan Celik mit seiner Familie in Delmen-horst gebaut hat. So lächelt er auch stolz, als ihm dieses Kompliment zuteil wird, aber es ist ein bescheidenes

Lächeln. „Wir haben uns hier unseren Traum von einem echten Zuhause erfüllt”, sagt er.

STECKBRIEF

Name Özkan Celikgeboren 1979 in Bismil,

TürkeiBeruf(Qualifikation) Verwaltungsfach-

angestellter, Stadt Delmenhorst (Fortbildung zum Verwaltungsfach-wirt)

„An seine Ziele muss man glauben, und man muss

dafür arbeiten.”

Dieses Rückzugsgebiet ist ihm absolut wichtig, denn Celik hat – nicht zuletzt durch persönliche Schicksalsschläge – sein Credo von „Ich lebe, um zu arbeiten” auf „Ich arbeite, um zu leben” geändert. Vielleicht ist es gerade die neu gefundene Einstellung, die ihn im Beruf noch fleißiger und effektiver arbeiten lässt. Doch wenn er dann abends zu Hause ist, kann er von allen beruflichen Anforderun-gen abschalten. Diese Anforderungen erfüllt er im Fachdienst Finanzen bei der Stadt Delmenhorst. Dass seine Karriere im Öffentlichen Dienst stattfinden würde, stand zu Beginn nun wirklich nicht fest.

Özkan Celik war ein Jahr alt, als seine Eltern die Türkei verließen. Als Mitglieder der yezidischen Religionsgemeinschaft wurden sie damals in der Heimat unterdrückt und suchten in Deutschland nach einer besseren Zukunft. Und die haben die Celiks hier auch ganz sicher gefunden. „Deutschland hat das beste Grundgesetz und die beste Verfassung, die es weltweit gibt”, so Celik. Und man spürt die Ernsthaftigkeit in diesen Worten. Dennoch, von alten Rivalitäten damals in der Türkei will Celik heute nichts mehr hören. „Ich habe neben den Kurden auch viele türkische und natürlich deutsche Freunde. Ich akzeptiere jeden, der auch mich, meine Herkunft und meinen Glauben respektiert und akzeptiert. Die Nationalität oder der Glaube sind individuell vielleicht wichtig, aber doch nicht für die Gemeinschaft. Es gibt überall gute und weniger gute Menschen.” Dass Özkan Celik zu den Guten gehört, sagt er nicht. Manchmal sprechen die Taten allerdings auch für sich. So arbeitete er sehr lange ehrenamtlich im Jugendtreff und engagiert sich heute im Vorstand des türkischen Sportvereins „Baris Delmenhorst”. Wie könnte es anders sein, kümmert er sich auch dort um die Finanzen, aber auch um die Öffentlichkeitsarbeit. Bei vielen kleinen Dingen ist er für die Vereinsmitglieder da. Und er weiß, was in den Menschen vorgeht.

Autor: Holger Geisler

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„An seine Ziele muss man

Man könnte neidisch werden auf das schmucke Wohn-haus, das sich horst gebaut hat. So lächelt er auch stolz, als ihm dieses Kompliment zuteil wird, aber es ist ein bescheidenes

Lächeln. „Wir haben uns hier unseren Traum von einem echten Zuhause erfüllt”, sagt er.

glauben, und man muss dafür arbeiten.”

Lächeln. „Wir haben uns hier unseren Traum von einem echten Zuhause erfüllt”, sagt er.

„An seine Ziele muss man glauben, und man muss

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Als Familie Celik damals aus Diyabakir nach Deutschland kam, waren sie praktisch vollkommen mittellos in einer neuen Welt. Während der Vater sich täglich auf den Weg zur Arbeit machte, um die Familie durchzubringen, achtete die Mutter auf den regelmäßigen Schulbesuch der Kinder. Selbst etwaige Krankheiten ignorierte sie. „Wenn du krank bist, wird dich der Lehrer schon nach Hause schicken”, waren ihre Worte, erzählt Celik lachend. Diese fast schon preußische Disziplin einer Frau, der der Schulbesuch in der Heimat nicht möglich war, war gut für die Kinder.

So haben alle Kinder der Celiks ihren Schulabschluss gemacht, ihre diversen Aus-bildungen abgeschlossen und stehen heute erfolgreich ihren Mann oder ihre Frau in den unterschiedlichen Berufen. Seine Schwester trifft Özkan Celik ab und an im Flur des Rathauses. „Sie arbeitet schon etliche Jahre im Standesamt, ein toller Job”, schwärmt er vom Arbeitsplatz seiner Schwester.

Er selbst hat viele Bereiche in der Stadtverwaltung kennengelernt. Nach seiner Aus-bildung gab es immer wieder neue Zeitverträge. Teilzeit oder zwei geteilte Stellen in verschiedenen Ämtern und verschiedenen Stadtteilen waren darunter. Aber Özkan Celik ging und geht zielstrebig seinen Weg. Seine erste Vollzeitstelle gab es im Tiefbauamt. Nach Abschluss der Ausbildung zum Verwaltungsfachwirt war Celik in der ARGE, dem heutigen Jobcenter Delmenhorst. Hier war er als Sachbearbeiter mit den durchweg komplizierten Fällen beschäftigt. „Das geht schon an die Substanz. Natürlich gibt es für alles Verordnungen. Aber es geht auch immer um Menschen, und da muss man manchmal auch länger nach möglichen Lösungen suchen. Und wenn man nicht helfen kann, muss man die Situation halt auch entsprechend erklären. Dann verstehen die Menschen auch fast immer die Entscheidungen”, so Celik. Inzwischen kümmert er sich im Finanzressort der Stadt um das Anlagever-mögen. Der Umgang mit den Zahlen macht ihm Freude, und diesen Spaß an der Arbeit merkt man ihm auch an.

Özkan Celik hat in seinem Leben schon einiges durchgemacht, doch er geht gemein-sam mit seiner Frau Zarife und seinen Kindern unbeirrt seinen Weg. Eine glückliche Familie. Und ein Mann, der seine Erfüllung sowohl im Beruf als auch im privaten Umfeld gefunden hat.

Für die Jugendlichen hat er keine Pauschalrezepte auf Lager. „Deutschland bietet viele Möglichkeiten, doch man muss sich auch selber kümmern. An seine Ziele muss man glauben, und man muss dafür arbeiten.”

Rassismus in Delmenhorst hat er nicht erlebt. „Klar, auf dem Fußballplatz fallen entsprechende Sprüche, aber ansonsten war alles im erträglichen Rahmen.” Celik hofft, dass auch die Jugendhäuser und Sporttreffs in Delmenhorst weiter geför-dert werden, denn diese – das weiß er aus eigener Erfahrung und auch von seinen Geschwistern – „sind gut und wichtig für die Entwicklung der Jugendlichen.” „Die Entscheidung der Eltern, damals nach Deutschland zu gehen, kann man nicht hoch genug würdigen. Sie haben uns den Weg geebnet, um hier glücklich zu wer-den”, zollt Özkan Celik seinen Eltern höchsten Dank und Respekt.

Vater Emin (l.), Schwester Ayse (oben), Schwester Gülcan (Mitte), Özkan (unten), Mutter Behiye (r.)Foto: privat

„Ich akzeptiere jeden, der auch mich, meine Herkunft und meinen Glauben respektiert und akzeptiert.”

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Rachel Gerken ist Stationsleiterin im „Wohnpark Am Fuchs-berg”, einer Pflegeeinrichtung in Ganderkesee. Sie kam 1989

aus den Philippinen nach Deutschland, weil sie ein Jahr zuvor ihren aus Bremen stammenden Mann geheiratet hatte.

Die beiden frisch Vermählten wählten Delmenhorst als ihr ge-meinsames, neues Zuhause.

STECKBRIEF

Name Rachel Gerkengeboren 1965 in Iloilo,

PhilippinenBeruf(Qualifikation) Stationsleiterin,

„Wohnpark am Fuchsberg”, Ganderkesee(Kranken schwester)

„Man muss selbst bewusst sein, und seine Arbeit lieben.”

In ihrer Heimat hatte Frau Gerken eine Ausbildung als Kranken-schwester abgeschlossen und schon einige Berufserfahrung gesammelt. Doch es half nichts, erst einmal musste die Philippinin nun Deutschkurse bei der Angestell-tenkammer besuchen. Die beiden Kinder, die sie bald darauf zur Welt brachte und um die sie sich kümmerte, hielten sie von einer erneuten Berufstätigkeit ab. Nach zehn Jahren versuchte sie den Wiedereinstieg und absolvierte ein dreimonatiges Praktikum in einem Krankenhaus in Bremen. Sie freute sich über eine daraus resultierende Anstellung, doch merkte schnell, dass derartige berufliche Belastun-gen nicht mit ihren Mutter- und Hausfrauenaufgaben in Einklang gebracht werden konnten. Eine Tätigkeit als Altenpflegerin in Ganderkesee harmonierte damit deut-lich besser. Als nach ein paar Jahren die Stelle der Stationsleiterin der Abteilung frei wurde, bewarb sie sich beherzt und schaffte so den Aufstieg. Nun ist sie sowohl für die Pflege der Patienten als auch für Verwaltungsaufgaben verantwortlich.

Wie erlebten Sie Ihre erste Zeit in Deutschland?Als meine Kinder im Kindergarten waren, sagten sie auf einmal zu mir: „Mama, du kannst nicht gut Deutsch!” Das war mir sehr unangenehm – und ich habe sofort aufgehört, mit ihnen und meinem Mann Englisch zu sprechen. In der neuen Heimat die Sprache zu lernen, um sich wirklich gut verständigen zu können, das ist einfach das Wichtigste. Es hat bei mir gut zwei Jahre gedauert, bis ich mich danach sicher gefühlt habe und alles sagen konnte, was ich wollte. Anfangs jedoch war es nicht immer leicht.

Autorin: Bettina Snyder

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Rachel Gerkenberg”, einer Pflegeeinrichtung in Ganderkesee. Sie kam 1989

aus den Philippinen nach Deutschland, weil sie ein Jahr zuvor ihren aus Bremen stammenden Mann geheiratet hatte.

Die beiden frisch Vermählten wählten Delmenhorst als ihr ge-meinsames, neues Zuhause.

„Man muss selbst bewusst sein, und seine Arbeit lieben.”

aus den Philippinen nach Deutschland, weil sie ein Jahr zuvor ihren aus Bremen stammenden Mann geheiratet hatte.

Die beiden frisch Vermählten wählten Delmenhorst als ihr ge-meinsames, neues Zuhause.

„Man muss selbst bewusst sein, Weg

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Wer hat Sie auf Ihrem Lebensweg unterstützt?Selbstverständlich erst einmal meine Eltern. Ich war eins von zehn Kindern, aber meine Eltern haben die Ausbildung von allen Kindern finanziert. Erst wollte ich Architektin werden, aber das war zu kostspielig. Da ich auch einen Beruf erlernen wollte, mit dem ich später ins Ausland reisen konnte, entschloss ich mich, einen Abschluss als Krankenschwester zu erwerben. In Deutschland haben mein Ehe-mann und dessen ganze Familie mich sehr herzlich aufgenommen und unterstützt. Hinzu kommt, dass meine älteste Schwester auch in der Nähe von Bremen lebt und mir half, mich einzuleben. Und meine Ausbildung als Krankenschwester wurde von Beginn an anerkannt.

Gab es auch mal Probleme oder schwierige Situationen auf Grund Ihrer Herkunft?Nein. Sowohl meine Kollegen als auch die Patienten waren immer offen. Wenn mir anfangs noch die richtigen Wörter fehlten, haben sie mir auf die Sprünge geholfen. Wusste ich etwas nicht, habe ich gefragt. Ich bin ein positiver Mensch, der gute Laune verbreitet, und meinen Patienten war nur das wichtig. Warmherzigkeit ist doch ausschlaggebend, nicht die Herkunft. Ich fühle mich hier voll integriert. Delmenhorst ist jetzt meine Heimat. Hier ist meine Familie.

Was können Sie jungen Migranten heute mit auf den Weg geben?Sie sollen ihre Träume nicht aus den Augen verlieren und bereit sein, dafür hart zu arbeiten. Geduld und harte Arbeit, damit kommt man weit. Meine Eltern sind meine Vorbilder, an ihrer Lebenseinstellung habe ich mich orientiert. Man muss selbst-bewusst sein, und seine Arbeit lieben. Ich bin meinen Prinzi-pien treu geblieben und bin sehr zufrieden mit meinem Leben.

Foto vom Deutsch land-besuch der Eltern im Sommer 1992Foto: privat

„Ich war eins von zehn Kindern, aber meine Eltern haben die Ausbildung von allen Kindern finanziert.”

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Nein, als erfolgreicher Migrant fühlt sich Tarik Cirdi nicht. „Ich bin doch hier geboren, ich habe zwar türkische Wurzeln, aber ich bin in zwei Kulturen zu Hause. Mein Vater Nasreddin kam 1972 nach Deutschland. Er wurde in der Türkei als Facharbeiter di-rekt für die Nordwolle Delmenhorst abgeworben. Meine Mutter Neval kam dann mit meiner ältesten Schwester nach.” Zwei Jahre nach dem Start der Eltern in Deutschland wurde Tarik als ältester Sohn geboren. Zwei Geschwister sollten noch folgen.

STECKBRIEF

Name Tarik Cirdigeboren 1974 in

Delmenhorst, Deutschland

Beruf(Qualifikation) Selbstständiger

Gastronom „RIVA”(Industriekauf-mann, Betriebs-wirt)

„Wir sind alle mit dem Beruf liiert.”

Alle sind heute berufstätig. Ihr privates Glück haben sie indes noch nicht gefunden: Die zweite Generation der Familie Cirdi ist noch komplett unverheiratet. „Wir sind alle mit dem Beruf liiert”, sagt Tarik Cirdi lachend. Sein Vater steht inzwischen kurz vor dem Renteneintritt, aber die Pläne zur Rückkehr in die Türkei haben die Eltern inzwischen fallen gelassen. „Meine Eltern können doch nicht ohne ihre Kinder”, so Tarik Cirdi, „aber mehrere Monate im Jahr ver-bringen sie schon in den warmen Gefilden bei unseren Verwandten.”

Grundschule, Orientierungsstufe, Realschule, danach Höhere Handelsschule. Die Schullauf-bahn von Tarik Cirdi verlief in immer geraden Bahnen. Danach gab es die verkürzte Ausbildung zum Industriekaufmann beim damaligen Polsterriesen „Nordica”. „Ich habe alle Abteilun-gen durchlaufen, war auch im Lager und der Produktion. Dennoch habe ich gemerkt: Das Kaufmännische ist schon richtig für mich”, erinnert er sich durchaus gerne an diese Zeit. Anschließend stand das Fachabitur an, und es folgte darauf ein Betriebswirtschaftsstudium in Bremen. Die Gastronomie begleitete ihn jedoch in all diesen Jahren. „Seit meinem 17. Lebens-jahr habe ich in der Gastronomie gearbeitet, davor mein eigenes Geld mit Zeitungsaustragen verdient.” Und auch in vielen anderen Bereichen hat er gejobbt, um seine Kasse aufzubes-sern. Im Versicherungsgewerbe war er sehr erfolgreich, und in den 90er Jahren wusste man: Bei Cirdi gibt es die besten Mobilfunkverträge. Doch auch für harte körperliche Arbeit war er sich nie zu schade. „Ich habe als Industriereiniger gearbeitet, mir braucht keiner etwas über Malochen zu erzählen.”

Hart arbeiten ist für Cirdi Tagewerk. In der Gastronomie achtet man nicht auf Acht-Stunden- Tage oder 40-Stunden-Wochen, schon gar nicht als Selbstständiger. Und das ist er inzwischen seit zehn Jahren. „2001 habe ich mit einem Cafe in der Delmenhors-ter Innenstadt angefangen”, erinnert er sich. Kurze Zeit später kam noch ein Restaurant in Vechta dazu. 2003 dann besuchte er das Managementteam vom Jute Center. „Als ich ihnen meine Idee vom Riva vorstellte, haben sie nur den Kopf geschüttelt. Eine Gastrofläche an diesem Standort war für sie nicht diskutabel.” Doch er konnte sie überzeugen. Nur ein paar Wochen später freundeten sich die Centermanager mit Cirdis Idee an. Er jedoch bekam zu

Autor: Holger Geisler

Weg

7bin doch hier geboren, ich habe zwar türkische Wurzeln, aber ich bin in zwei Kulturen zu Hause. Mein Vater Nasreddin kam 1972

rekt für die Nordwolle Delmenhorst abgeworben. Meine Mutter

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spüren, dass in Deutschland manche Hürden für Unternehmensgründer aufgebaut sind. „Ich hatte einen Businessplan und eine Geschäftsidee - so dick wie ein Quelle Katalog”, so der Betriebswissenschaftler. Trotzdem versagte die Hausbank ihm die Finanzierung und rechnete ihm vor: Mehr als 35 Gäste würden an diesem Standort niemals tagtäglich einkehren. Die Finanzierung stemmte er dennoch, und die Besucherzahlen lagen jenseits der Befürchtungen der damaligen Kreditverweigerer. „Wir haben in der Zwischenzeit zweimal erweitert”, sagt der erfolgreiche Gastronom nicht ohne Stolz, der sein ganzes Augenmerk auf das Riva legt. Von den anderen gastronomischen Betrieben hatte er sich schon in den Anfangsjahren des Riva getrennt.

Rassismus hat er kaum erlebt. Sicher gab und gibt es diese Tendenzen, doch damit muss man umgehen können. In der Gastronomie gab und gibt es immer wieder mal entsprechende Sprüche zu hören. Hoch hängen will er dieses Thema aber nicht. „Darüber lohnt es nicht sich aufzuregen.” Jungen Leuten könnte er eine Menge Tipps geben, doch sein Enthusiasmus hält sich dabei in Grenzen.

„Ich würde mich über wirklich engagierte junge Leute freuen, die bei mir arbeiten wollen. Aber vernünftiges Personal, das auch eine gewisse Eigenverantwortung an den Tag legt, ist sehr schwer zu finden.” Das hat aber nichts mit Migranten oder Deutschen zu tun, sondern ist ein allgemeines Phänomen. „An seinen Schwächen muss man arbeiten. Unlängst hatte ich eine junge Dame hier, die abends immer Fehlbeträge in der Kasse hatte. Das lag an einer Rechenschwäche. Die hätte man sicherlich in den Griff bekommen, doch statt daran zu arbeiten, ist die junge Frau lieber zu Hause geblieben”, ist Tarik Cirdi noch heute verärgert.Über Aussagen wie „Wer nichts wird - wird Wirt” kann der Erfolgsgastronom nur lachen. „Heute ist ein Gastronom doch Vollkaufmann, Marketingmacher, Einkäufer, Logistiker, Buchhalter und Thekenkraft in einem”, so seine Erkenntnis.

Die Zukunft in und für Deutschland sieht Cirdi nicht so rosig. „Wir haben ein gutes Sozialsystem, doch das ist an seine Grenzen geraten. Wenn Deutschland erfolg-reich bleiben will, sollte mehr in Bildung denn in die Verwaltung von bestehenden Strukturen investiert werden. Nicht von ungefähr denken erfolgreiche Türken der jüngeren Generation inzwischen darüber nach, in die alte Heimat zurückzukehren.”Für Cirdi trifft dies wahrscheinlich nicht zu. Wie anders wäre es sonst zu erklären, dass er sich so engagiert für seine Stadt Delmenhorst einsetzt. Unlängst gab er der Lokalpresse ein umfangreiches Interview, indem er die Missstände in der Innen-stadt anprangerte. Er äußerte sein Unverständnis dafür, dass die Kommunalpolitik und die Verwaltung zwar die Innenstadt fördern wollten, eine Stärkung des Areals des Jute Centers aber vehement ablehnten. Kurz nach seinen Aussagen im Del-menhorster Kreisblatt schwenkten auch die Behörden auf den neuen Kurs ein, beide Stand-orte aufzuwerten. So vermessen, dass dies an seinen Worten gelegen haben könnte, ist Cirdi nicht. „Aber vielleicht habe ich ja einen kleinen Denkanstoß gegeben”, so Cirdi augenzwinkernd.

Pläne für die Zukunft hat er einige, sowohl beruflich als auch privat. Verraten will er sie aber nicht. Wir dürfen also gespannt sein auf den weiteren Lebensweg des Delmenhorster Unter-nehmers.

Oben: Fikret, Vater Nasreddin, Mutter NevalUnten: Tarik, Nazli, GülnazFoto: privat

„An seinen Schwächen muss man arbeiten”.

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Magdalena Bochniak war bereits eine studierte Frau, als sie sich mit 21 Jahren entschied, von Polen nach Deutsch-land zu gehen. Die polnische Verwaltungsrechtlerin wurde zum Aupair-Mädchen in Wildeshausen. Außer dem Deutsch-Training in ihrer Aupair-Familie absolvierte Magdalena Bochniak Deutschkurse, so dass sie nach dem Aupairjahr alsbald Soziologie an der Uni Bremen studieren konnte. Um das Studium zu finan-zieren, musste sie nebenbei jobben.

STECKBRIEF

Name Magdalena Bochniak

geboren 1981 in Stalowa Wola, Polen

Beruf(Qualifikation) Bewerbungstrai-

nerin am Job Cen-ter Delmenhorst (Verwaltungs-rechtlerin)

„Es wäre schön, wenn wir alle offener wären …”

Sie jammerte nicht, sie klagte nicht, sie biss sich durch.Die Heirat mit einem polnisch-stämmigen Mann brachte sie nach Ganderkesee. Aber Magdalena ruhte sich auch in der Schwangerschaft mit ihrem ersten Kind nicht aus und nahm am Integrationslotsenkurs in Delmenhorst teil. Parallel erwarb sie die Qualifikation zur Gästeführerin, was ihr eine Arbeit im Nordwolle-Museum einbrachte. Kurze Zeit später wurde sie Deutschdozentin an der VHS und unterrich-tete zahlreiche MigrantInnen in der deutschen Sprache. Das machte ihr Spaß und sie hatte Erfolg. Sie blieb den immigrierten Menschen treu und wurde sozialpäd-agogische Betreuerin von jungen MigrantInnen, während sie nebenbei ihr zweites Kind zur Welt brachte. Seit April 2012 ist Magdalena Bochniak Bewerbungstrainerin am Job Center Delmenhorst.

Wie haben Ihre Eltern reagiert, als sie erfuhren, dass Sie in Deutschland arbei ten wollten?Sie waren nicht gerade begeistert. Sie dachten, das Studium Verwaltungsrecht würde mir eine gute Zukunft in Polen sichern. Als Aupair nach Deutschland – was sollte das? Sie glaubten nicht, dass man in Deutschland als Ausländerin erfolgreich sein könnte.

Haben Sie denn als Polin Vorurteile der Deutschen zu spüren bekommen?Ich bin des Öfteren mit den Klischees, die es von polnischen Frauen gibt, konfron-tiert worden: Sie seien nur gute Hausfrauen, könnten gut kochen, haben aber keine eigene Meinung und so was. Und das, wobei alle meine osteuropäischen Freundin-nen und Bekannte studierte, erfolgreiche Leute sind, für die es selbstverständlich ist, Erfolg zu haben. Außer mit einem sehr unfreundlichen Paar in der Nachbar-schaft habe ich sonst nie wirklich schlechte Erfahrungen gemacht.

Autorin: Bettina Snyder

Weg

8land zu gehen. Die polnische Verwaltungsrechtlerin wurde zum Aupair-Mädchen in Wildeshausen. Außer dem Deutsch-Training in ihrer Aupair-Familie absolvierte Magdalena Bochniak Deutschkurse, so dass sie nach dem Aupairjahr alsbald Soziologie an der Uni Bremen studieren konnte. Um das Studium zu finan-

„Es wäre schön, wenn wir

Training in ihrer Aupair-Familie absolvierte Magdalena Bochniak Deutschkurse, so dass sie nach dem Aupairjahr alsbald Soziologie an der Uni Bremen studieren konnte. Um das Studium zu finan-

„Es wäre schön, wenn wir

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Im Gegenteil: Ich bin immer wieder auf offene, intelligente Leute gestoßen, die mich unterstützt haben, einen nicht so konventionellen Weg einzuschlagen. Ich habe viele Chancen bekommen, mich zu beweisen.

Was würden Sie heute zu jungen Migrantinnen und Migranten sagen, die hier einen Neuanfang starten?Lernt die deutsche Sprache! Nicht ein Mal in ein paar Kursen, nein, kontinuierlich! Und denkt nicht lange darüber nach, was ihr machen wollt, tut es einfach. Macht was! Seht euer Anderssein nicht als Schwäche, sondern als Stärke. Baut darauf auf, dass ihr einen anderen kulturellen Hintergrund habt und zweisprachig seid. Wichtig finde ich allerdings, mit den eigenen Kindern zuhause in der Muttersprache, anstatt in gebrochenem Deutsch zu sprechen. Das hat einen doppelten Nutzen: Die Kinder lernen frühzeitig mich zu respektieren, und ich kann das eigene Niveau in der Muttersprache aufrecht erhalten. Es ist in Ordnung, stolz auf seine Wurzeln zu sein, dennoch muss man die Kultur des Einwanderungslandes akzeptieren und achten. Wenn ich zehn Paar Hausschuhe im Flur meines Miets-hauses vor die Tür stelle, und das in dem Land nicht üblich ist, tue ich mir damit keinen Gefallen.

Was ist Ihre Meinung zum Thema Integration allgemein?Oh, ehrlich gesagt kann ich es nicht mehr hören, dieses Thema Integration... Vorurteile kann man dadurch abbauen, dass man den Zuwanderen zugesteht, ihr Leben einfach selbst zu gestalten. Sie brauchen nur die Möglichkeit zu arbeiten, dann klappt Integration von ganz alleine. Aber Ausländer müssen auch ihre Vorurteile den Deutschen gegenüber zuhause lassen. Und man kann ruhig mal an einer Kohlfahrt teilnehmen oder lernen, dass man sich hier eben schon ein paar Tage vorher verabreden muss und sich nicht spontan treffen kann. Es wäre schön, wenn wir alle offener wären und einfach mal zu dem Anderen sagten:

„Erzähl mir mal etwas von Dir!”

Magdalena Bochniak in ihrer ersten WohnungFoto: privat

„Lernt die deutsche Sprache…kontinuierlich!”

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Seit zwei Jahren gibt es im Inkoop-Markt an der Oldenburger Straße ein kleines Stückchen Holland. Gleich am Eingang, im Blumenladen von Piet Bakker, trifft man auf ein liebevoll zusammengestelltes Sammel surium aus Flohmarkt-Schätzen und zarten Blüten-Arrangements. Das Prunk stück ist ein altes Klavier, vor dessen schwarzem Lack die ersten Primeln und Oster-glocken besonders gut zur Geltung kommen. Alles ist ein bisschen schnörkelig, ohne kitschig zu sein – typisch holländisch eben.

STECKBRIEF

Name Petrus „Piet” Bakker

geboren 1955 in Berkhout, Niederlande

Beruf(Qualifikation) Selbständiger

Blumenhändler (Inkoop-Markt, Oldenburger Str.)

(Heizungs-installateur)

„Meine Heimat ist dort, wo ich geboren bin.”

„Man braucht kein Florist zu sein, um einem Raum eine persönliche Note zu verleihen”, sagt Piet Bakker. Der 57-jährige Niederländer ist gelernter Schlosser, arbeitet aber schon seit 35 Jahren in der Blumenbranche. Die Arbeit mit Blumen war es auch, die ihn 1977 aus seinem Heimatort Berkhout in der Provinz Nord-Holland nach Deutschland führte. Der Blumengroßhändler Piet Meinen suchte Personal. Bakker, damals Anfang 20, überlegte nicht lange. „Unser kleines Dorf wurde mir zu eng, die Bezahlung war gut, und die fremde Kultur und Sprache haben mich gereizt”, beschreibt er seine Beweggründe.

Sein erster Arbeitstag am famila-Markt in Oldenburg-Wechloy war ein Sprung ins kalte Wasser. Bakker sprach kein Deutsch und musste sich mit Händen und Füßen verständigen. Für Sprachkurse blieb keine Zeit: „Wir haben morgens um sieben angefangen zu arbeiten und waren nicht vor sieben Uhr abends zu Hause – und das sechs Tage die Woche”, berichtet er. Sein Sprachlehrer wurde die Bild-Zeitung, „weil sie so einfach schreibt.”

In den folgenden Jahren kam Piet Bakker in Deutschland viel herum: Ende der 1980er Jahre zog er, inzwischen mit einer Deutschen verheiratet, für ein Jahr nach Bayreuth. Als sein dortiger Arbeitgeber pleiteging, fing er kurz entschlossen als Franchise-Partner von Piet Meinen in Hamburg an. Häufig war er auf Wochen-märkten in den neuen Bundesländern unterwegs. Schließlich zog es ihn zurück nach Delmenhorst, wo er zusammen mit seiner Frau einen Blumenladen im Inkoop-Markt im Brendelweg betrieb.

Autorin: Ute Kehse

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Klavier, vor dessen schwarzem Lack die ersten Primeln und Oster-glocken besonders gut zur Geltung kommen. Alles ist ein bisschen Klavier, vor dessen schwarzem Lack die ersten Primeln und Oster-glocken besonders gut zur Geltung kommen. Alles ist ein bisschen

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Über die Jahre lernte Piet Bakker gut Deutsch – statt der Bild-Zeitung liest er heute die Magazine „Spiegel” und „Stern”. Gleichzeitig lernte seine Frau Ingrid Niederlän-disch. Auch die beiden erwachsenen Töchter können sich mit ihren zahlreichen Ver-wandten in Holland problemlos verständigen. „Es war mir wichtig, dass die Sprache bei ihnen nicht verlorengeht”, sagt Bakker.

Sein niederländischer Akzent, hat er beobachtet, kommt bei den Norddeutschen gut an. „Die Leute mögen das, vor allem die Frauen”, schmunzelt er. Fremdenfeind-lichkeit hat er hier nie erlebt, wohl aber in Bayern und in Mecklenburg-Vorpom-mern: „Dort gab es schon mal provokative Äußerungen, sogar bei Polizisten oder Behörden.” Hier in Delmenhorst seien die Menschen eher neugierig: „Viele Kunden interessieren sich für das Königshaus und sprechen mit mir über die Königin und die Prinzen.”

Vor sechs Jahren kam es für Bakker ziemlich dicke: Die Ehe ging kaputt, mit der Scheidung verlor er Haus und Arbeit, er hatte gesundheitliche Probleme. In dieser schweren Zeit dachte er darüber nach, wieder zurück nach Holland zu gehen. „Meine Heimat ist dort, wo ich geboren bin”, bekennt er. Dennoch blieb er hier, in der Nähe seiner Kinder und der Enkeltochter. „Dort hätte ich mich auch wieder neu integrieren müssen, einen Bekanntenkreis aufbauen und Arbeit finden”, sagt er.

Aufgeben ist ohnehin nicht seine Sache. „Alles niet kunnen, maar het toch doen”, so beschreibt er seinen Wahlspruch. Frei übersetzt lautet er etwa: Auch wenn man etwas nicht kann, sollte man es wenigstens versuchen. Mit neuer Energie eröff-nete er Ende 2010 sein Geschäft an der Oldenburger Straße. Die Umsätze sind noch nicht ganz so, wie er sie sich vorstellt, nehmen aber stetig zu. Im geplanten Inkoop-Neubau, da ist er sicher, wird das Geschäft so gut laufen, dass er wieder etwas mehr Zeit hat für sein liebstes Hobby – die Musik.

Piet Bakker (ganz rechts) mit Freunden.Foto: privat

„Alles niet kunnen, maar het toch doen.”

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Vorurteile wegen seiner Heimat kennt Petros Tossios gut. „Wenn man in Oldenburg oder Bremen erzählt, dass man aus Delmen-horst kommt, muss man sich einiges anhören”, sagt der junge Mann und lacht. Heimat – das ist für Petros Tossios zuerst einmal Delmenhorst. Er ist zwar in Griechenland geboren, doch das war eher Zufall. Seine Familie lebt schon in der dritten Generation in der Delmestadt.

STECKBRIEF

Name Petros Tossios geboren 1984 in Giannitsa,

Nord-Griechen-land

Beruf(Qualifikation) Trainee bei

der Bremer Landesbank (Diplom-Ökonom)

Seine Großeltern fanden in den 1960er Jahren in der Nord-wolle Arbeit, seine Eltern besitzen seit 1981 ein Restaurant in Weyhe. Auf die Frage, ob er sich eher als Deutscher oder Grieche fühle, weiß er keine rechte Antwort. Er besitzt beide Staatsbürgerschaften – und findet das auch gut so. „Eher fühle ich mich als Europäer”, sagt er.

Tatsächlich könnte man sich Petros Tossios gut in der Londoner City vorstellen, wo smarte junge EU-Bürger aller Nationalitäten die Straßen bevölkern. Mit seinem dunklen Anzug, der dezenten Krawatte und dem halblangen Mantel entspricht er perfekt dem klassischen Bild eines Bankers. Schließlich ist er auch einer: Derzeit absolviert der 28-jährige bei der Bremer Landesbank ein Trainee-Programm für Hochschulabsolventen.

Seine griechische Herkunft spielte bei seiner bisherigen Berufslaufbahn kaum eine Rolle, sagt Tossios. Insgesamt verlief sein Leben wohl nicht viel anders als das seiner deutschstämmigen Mitschüler. Bis auf eine Kleinigkeit: In den ersten sechs Jahren seiner Schulzeit hatte er zusammen mit elf weiteren griechischen Schülern muttersprachlichen Unterricht. Griechisch spricht er daher heute genauso perfekt wie Deutsch. Dafür ist er dankbar: „Die Bilingualität ist ein Geschenk, das man sich erhalten sollte”, sagt er. Nach Grundschulzeit und Orientierungsstufe besuchte er das Willms-Gymnasium, wo er 2004 sein Abitur machte.

Autorin: Ute Kehse

„Die Bilingualität ist ein Geschenk, das man sich erhalten sollte.”W

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Vorurteile wegen seiner Heimat kennt man in Oldenburg oder Bremen erzählt, dass man aus Delmen-horst kommt, muss man sich einiges anhören”, sagt der junge Mann und lacht. Heimat – das ist für Petros Tossios zuerst einmal Delmenhorst. Er ist zwar in Griechenland geboren, doch das war eher Zufall. Seine Familie lebt schon in der dritten Generation in der Delmestadt.

„Die Bilingualität ist ein Geschenk, das man sich erhalten sollte.”W

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Dass er die Schulzeit problemlos hinter sich brachte, verdankt er auch der Unter-stützung seiner Eltern. Die beiden legten auf Bildung großen Wert. „Am Gymnasium habe ich in einigen Fächern Nachhilfe bekommen”, berichtet er. Er sei zwar ehrgei-zig gewesen, aber wie viele Jugendliche nahm er die Schule nicht so furchtbar ernst.

„Die Nachhilfe hat glücklicherweise für bessere Noten gesorgt”, schmunzelt er.

Weil er ein breites Interesse für Politik und Wirtschaft entwickelt hatte, studierte er nach dem Abitur in Oldenburg Wirtschaftswissenschaften. Ein besonderes Highlight war ein Praktikum in der Deutsch-Griechischen Industrie- und Handels-kammer in Thessaloniki. Nach dem Abschluss 2009 fand er schnell den Einstieg bei der Bremer Landesbank – über einen Aushilfsjob. „Ich habe dort in einem IT-Projekt mitgearbeitet”, erzählt er. Dabei hinterließ er offenbar einen so guten Eindruck, dass ihm einer der begehrten Plätze des Trainee-Programms im Bereich „Financial Market” angeboten wurde. „Es war viel Glück dabei, dass ich die Stelle bekommen habe, es passte gerade alles zusammen”, meint er. Seine Aufgabe besteht nun darin, mittel ständische Kunden zu Themen wie Devisen, Zinsabsicherung oder Geldanlagemög-lichkeiten zu beraten.

Seine griechische Herkunft hat er nie als Belas-tung empfunden, sondern eher als Bereicherung.

„Es gab manchmal sogar eine Art positive Dis-kriminierung”, sagt Petros Tossios. Viele seiner Lehrer waren Griechenland-Fans, interessierten sich für die griechische Kultur und waren neugie-rig auf seine Geschichte. „Als Grieche kann man sich leicht in Deutschland integrieren”, ist seine Erfahrung. Ihm ist es wichtig, seine Wurzeln nicht zu vergessen, sich gleichzeitig aber auch nicht abzukapseln. Insgesamt sieht er Deutsch-land beim Thema Integration auf einem positiven Weg: „Von Einwanderungsländern wie Australien oder den USA könnte man sicher noch einiges lernen, aber hier hat sich in den letzten zehn Jahren unheimlich viel getan.”

Mutter Zoi Lapata und Vater Athanasios Tossios, Mitte der 1980er JahreFoto: privat

„Als Grieche kann man sich leicht in Deutschland integrieren.”

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„Geschafft” – zufrieden begutachtet Fehime Dogan das so-eben fertiggestellte Abendkleid. Und auch ihre Kundin, die zur abschließenden Anprobe der Maßanfertigung in den Laden der Delmenhorster Schneiderfee gekommen ist, strahlt über-glücklich. Wie eine Prinzessin wirkt die junge Frau in ihrer Abendrobe, die mit unzähligen Swarovski-Steinen besetzt ist.

STECKBRIEF

Name Fehime Dogangeboren 1967 in Midyat,

TürkeiBeruf(Qualifikation) Selbstständige

Schneiderin in der Änderungs-schneiderei

"Schneiderfee"( Schneiderin)

„…man muss offen für Andere und Neues sein.”

Gelernt hat Fehime Dogan, die 1980 mit ihren Eltern aus dem türkischen Turabdin nach Delmenhorst kam, ihr Handwerk von der Pike auf. Eine anerkannte Ausbildung hat sie allerdings nie absolviert. Ihre Lehrmeisterin war ihre Mutter und bei ihr hat sie nicht nur beruflich, sondern auch für das Leben gelernt.

Der Liebe wegen verließ Fehime das Elternhaus, um in Gießen zu heiraten. Hier eröffnete sie auch ihren ersten eigenen Laden. Der Laden ist längst Geschichte, die Liebe aber blieb bis zum heutigen Tag. Dass sie mit Ehemann Maragi glücklich wie am ersten Tag ist, merkt man schon nach wenigen Sätzen. Die beiden wirken wie eine Einheit, und die waren sie wohl auch in allen Höhen und Tiefen, die das Leben so zu bieten hat.

Zehn Jahre war Fehime Dogan in Hessen selbstständig, ehe es sie wieder in die Nähe der Eltern zurück nach Delmenhorst zog. Bei Kaufland fand sie eine neue berufliche Betätigung. Egal, ob an der Information oder der Kasse, die Arbeit machte ihr Spaß, den Umgang mit den Kunden liebte sie. Zwölf Jahre arbeitete sie gut gelaunt im Einzelhandel.

Eines Tages entdeckte ihr Mann einen frei werdenden Laden in der Nordstraße. Viele Jahre war hier eine Änderungsschneiderei beheimatet gewesen. Als er seiner Frau von seiner Entdeckung und der Idee, wieder eine Schneiderei zu eröffnen, erzählte, wollte diese nichts davon wissen. Doch tief im Innern meldete sich der Wunsch, wieder zur eigentlichen Berufung zurückzukehren. So fuhr sie spontan zum kleinen Laden und verliebte sich sofort in die Räumlichkeiten. Kaum stand der Entschluss fest, schon wurde er in die Tat umgesetzt. Keine zwei Wochen dauerte es, bis Familie Dogan die Eröffnung feiern konnte. In dieser Zeit wurde renoviert, umgebaut und alles nach den eigenen Vorstellungen eingerichtet. Ganz nebenbei

Autor: Holger Geisler

eben fertiggestellte Abendkleid. Und auch ihre Kundin, die zur

der Delmenhorster Schneiderfee gekommen ist, strahlt über-

Abendrobe, die mit unzähligen Swarovski-Steinen besetzt ist.

Andere und Neues sein.”Weg

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konnte Fehime auch ihren bisherigen Chef dazu bewegen, ihren Vertrag umgehend aufzulösen. Schweren Herzens ließ man die Schneiderin ziehen.

Das ist nun fast zwei Jahre her. Und Frau Dogan hat diesen Schritt nicht bereut. Die Hauptarbeit liegt in der Änderungsschneiderei. Aber wie schon eingangs erwähnt, auch die Maßanfertigung für Braut- und Abendmode liegt ihr ebenso am Herzen und geht perfekt von der Hand. Selbiges gilt selbstverständlich auch für Herrenmode. Darüber hinaus ist eine Altgoldankaufstelle und das Wechseln von Uhrenbatterien im Laden angesiedelt. Auch Tochter Alexandra, eigentlich gelernte Industriekauffrau, hat sich inzwischen selbstständig gemacht. Sie betreibt ein Fin-gernagelstudio als „Shop in Shop System” im elterlichen Laden. Die beiden jüngsten Kinder der Dogans befinden sich in der Berufsausbildung. „Unsere Tochter schließt im Mai die Ausbildung zur Friseurin ab, der Sohn beendet dann die Lehre zum Auto-lackierer” berichtet Fehime Dogan stolz. Stolz ist sie mit Sicherheit auch auf ihre dritte Tochter. Diese arbeitet als Bankfachwirtin bei der Bremer Sparkasse.

Jungen Leuten, die noch auf der Suche nach der richtigen Arbeit sind, gibt sie folgenden Rat: „Hört in euch hinein und werdet euch klar, was ihr wollt. Glaubt an euch und verwirklicht eure Vorstellungen. Denkt dabei nicht in zu engen Bahnen”. Sie selbst probiert auch immer wieder neue Dinge aus. So kümmert sie sich zumindest im weiteren Familien-kreis nicht nur um die Garderobe, sondern auch um die richtige Haar-pracht bei Hochzeiten. Aber selbst in anderen Bereichen lernt sie stetig dazu: Sie hat inzwischen sogar gelernt, Fliesen zu legen! Malen und Tapezieren kann sie schon lange, das geht ihr leicht von der Hand.

Lange Zeit hat sich die Aramäerin auch stark ehrenamtlich engagiert. So war sie Stellvertretende Vorsitzende im Integrationsbeirat oder orga-nisierte mit anderen den Frauenweltgebetstag. Auch im Frauenvor-stand der Aramäischen Gemeinde ist sie seit vielen Jahren aktiv. Zudem schlägt ihr Herz für das Tanzen. Seit sie den Laden eröffnet hat, steckt sie aber alle Energie in den Betrieb und natürlich – nach wie vor – in ihre Familie.

Ihr Tipp für gelungene Integration: „Man darf sich nicht nur im eigenen Kulturkreis bewegen, sondern muss offen für Andere und Neues sein.” So verwundert auch ihr großer Traum für Delmenhorst nicht. „Ein richtig großes Kulturfest wäre eine tolle Sache. Möglichst viele Kulturen und natürlich müssen sich auch die Deutschen entsprechend einbringen.” Fehime Dogan ist glücklich. Mit ihrer Berufung als Schneiderin, mit ihrer Familie und mit ihrer „neuen Heimat”.

Fehime Dogan (ganz rechts) mit Ihren Eltern Meryem und Sibo Kilic sowie den Geschwistern Samira, Yilmaz, Seyde und dem Neffen NumanFoto: privat

„Glaubt an euch und verwirklicht eure Vorstellungen. Denkt dabei nicht in zu engen Bahnen!”

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26 Starke Vielfalt – 21 Delmenhorster Lebenswege

Saint-Louis, die frühere Hauptstadt des Senegal, ist eine faszinierende Melange aus Afrika und Europa. Viele nennen

die Lagunenstadt am Senegalstrom das Venedig Afrikas. Hier vermischt sich der alte koloniale Glanz mit der Farbenpracht des schwarzen Kontinents.

STECKBRIEF

Name Bécaye Diopgeboren 1958 in Saint-

Louis, SenegalBeruf(Qualifikation) Zusteller CITIPOST

Delmenhorst(Krankenpfleger)

„Es gefällt mir gut in Deutschland.”

Doch auch Armut und Verwahrlosung sind in Saint-Louis allgegenwärtig. Im Viertel Leona gibt es allerdings eine Anlaufstelle für Kinder und Jugendliche. Im „Zentrum für Bildung und soziale Förderung Keur Mame Fatim Konté” werden Straßenkinder medizinisch versorgt und es gibt einen Kindergarten. Mädchen und junge Frauen erhalten Nachhilfe und Berufsbildungskurse zur Friseurin, Köchin oder Schneiderin.

Bis vor einem Jahr zählte auch Bécaye Diop zu den Lehrern des Bildungszentrums. Er unterrichtete die Mädchen in Französisch, Sexualkunde und Sport, um ihnen eine bessere Zukunft zu ermöglichen.

Er selbst verdiente dabei nur wenig. „Das Geld reichte vielleicht für einen Sack Reis und ein paar Liter Öl”, sagt Brigitte Wittenberg, Bécaye Diops Frau. Im Juni 2012 hat der 54-jährige ein neues Leben angefangen, 6000 Kilometer von seiner Heimat, sei-ner Familie und seinen Freunden entfernt - in Delmenhorst, bei seiner Frau. Er hat tropische Monsungüsse und heiße Sahara-Winde gegen norddeutsches Schmud-delwetter eingetauscht, seine Arbeit als Lehrer gegen einen Job als Zusteller bei der Regiopost. „Es gefällt mir gut in Deutschland”, sagt er.

Fünf Tage in der Woche zieht Bécaye Diop seine Runde von der Wildeshauser Straße bis zur Anton-Günther-Straße. Sechs bis zehn Kilometer ist er auf seinem blauen Fahrrad bei Wind und Wetter unterwegs. An die Kälte hat er sich gewöhnt. Während des langen Winters ist er nicht einmal krank geworden. Die Leute kennen und mögen ihren afrikanischen Postboten, und nicht selten bietet ihm unterwegs jemand Kaffee oder Gebäck an.

Natürlich hätte er gerne eine Arbeit, die besser bezahlt wäre. Auch seine Frau ver-dient als Seniorenbetreuerin nicht besonders gut. Doch nach einem knappen Jahr

Autorin: Ute Kehse

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Saint-Louis, die frühere Hauptstadt des Senegal, ist eine faszinierende Melange aus Afrika und Europa. Viele nennen

die Lagunenstadt am Senegalstrom das Venedig Afrikas. Hier vermischt sich der alte koloniale Glanz mit der Farbenpracht des schwarzen Kontinents.

„Es gefällt mir gut in Deutschland.”W

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im Land spricht Bécaye Diop erst ein paar Brocken Deutsch. Viele Arbeitsvermittler lehnen ihn daher von vorneherein ab.

„Ich will lernen”, sagt er selbst. Für einen Integrationskurs reicht das Geld derzeit allerdings nicht. Seine Frau Brigitte, die er 2010 über ein Internetforum für Musik kennengelernt hat, spricht mit ihm so viel Deutsch wie möglich. „Er versteht inzwi-schen schon eine ganze Menge”, sagt sie.

Die deutsche Bürokratie macht es den beiden nicht unbedingt leicht. So können sie nicht den gleichen Namen tragen, weil er von seiner ersten Ehe im Senegal keine amtlichen Scheidungspapiere vorweisen kann. Bis ihre Ehe offiziell anerkannt wurde, mussten Bécaye Diop und Brigitte Wittenberg zahlreiche Formulare aus-füllen, Papiere beglaubigen lassen und von Botschaft zu Botschaft rennen. Bei der Jobvermittlung riet man Diop, sich wieder abzumelden, da seine Sprachkenntnisse zu gering seien.

Eine Ausbildung, die hier anerkannt wer-den könnte, hat Bécaye Diop nicht. Dafür besitzt er reichlich Erfahrung in unter-schiedlichen Berufen: Bevor er Lehrer war, arbeitete er erst als Krankenpfleger und später als Radioreporter. In seiner Freizeit spielte er Fußball und trainierte Mannschaften. Viel Geld verdiente er nie. „Das Leben im Senegal ist hart”, sagt er. Er und seine drei Kinder lebten mit einer Halbschwester, deren Tochter und Enkelkindern zusammen. „Ich war der einzige in dieser achtköpfigen Familie, der gearbeitet hat”, sagt er. Die Schwes-ter kümmerte sich um seine inzwischen erwachsenen Kinder und um die Ziegen, Schafe, Enten, Hühner und Truthähne, die mit zum Haushalt gehörten.

Dank Skype ist Diop seiner Familie im Senegal auch jetzt immer nah. In Del-menhorst hat er sich gut eingelebt – vor allem dank seiner Frau, die ihn zu allen Behördenterminen begleitet und Alltags-tätigkeiten von Einkaufen bis Straßenbahnfahren mit ihm geübt hat. „Ich weiß auch nicht, warum man um die halbe Welt fahren muss, um jemanden zu treffen, der zu einem passt – aber so war es bei uns”, sagt sie. Beide kochen gerne, lieben Filme, Musik und Fahrradfahren. Brigitte Wittenberg hat sich in Saint-Louis, bei der Familie ihres Mannes, sofort wie zu Hause gefühlt. Damit sie den nächsten Besuch dort noch mehr genießen kann, lernt sie nun Französisch und Wolof, die Umgangs-sprache im Senegal.

Mit Ehefrau in der ehemali-gen Schule im SenegalFoto: privat

„Ich will lernen. Ich habe immer gearbeitet.”

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Er hat ihn gewagt, den Schritt in die Selbstständigkeit: Eniz Bertan hat 2002 seine Banklaufbahn eingetauscht gegen seine eigene Generalagentur eines großen Versi-cherungs- und Finanzunternehmens. Mit Erfolg! Im ver-gangenen Jahr konnte der 46-Jährige Delmenhorster das zehnjährige Jubiläum feiern. Auf über 1600 betreute Kunden ist sein Kundenstamm angewachsen, täglich werden es mehr.

STECKBRIEF

Name Eniz Bertangeboren 1967 in Aydin,

TürkeiBeruf(Qualifikation) Inhaber der

General agentur Württembergische, Delmenhorst (Bankkaufmann, Versicherungs-fachmann)

Als Azubi Vorreiter für Migranten

In seinen Büroräumlichkeiten an der Oldenburger Straße beschäftigt der Bankkaufmann und Versicherungsfachmann fünf Angestellte, darunter zwei Aus-zubildende. Mit Versicherungsfachfrau Yeliz Bertan gehört seine Schwester zu den Mitarbeiterinnen: „Wenn ich mich irgendwann mal zurückziehe, möchte ich, dass sie die Agentur übernimmt.”

Eniz Bertan wurde 1967 in Aydin an der türkischen Westküste geboren. Doch den größten Teil seiner Kindheit und Jugend verbrachte er in Nordhorn und in Delmen-horst. Bertan, ältestes von vier Kindern, kam 1969 mit seiner Mutter nach Nordhorn, wo der Vater Arbeit in einer Textilfabrik gefunden hatte. Später arbeitete Vater Ber-tan bei Klöckner in Bremen, und Delmenhorst wurde zur neuen Heimat der Familie.

Eniz Bertan blickt zurück auf eine unproblematische Kindheit: „Da ich in Nordhorn aufgewachsen bin, hatte ich sprachlich keine Probleme. Auch in der Schule lief es gut. Meine Eltern haben darauf geachtet, dass ich meinen schulischen Verpflichtun-gen nachkomme.” Die Bertans, die in der Türkei nicht die finanziellen Möglichkeiten für eine höhere Bildung hatten, setzten die richtigen Akzente für ihre Kinder: „Integ-ration wurde bei uns großgeschrieben. Mein Papa wollte, dass ich in der Schule gut bin und dass etwas aus mir wird.”

In der Schule also, in der er immer zu den Besseren gehörte, konnte Eniz Bertan die Grundlage für seinen beruflichen Erfolg legen. In Delmenhorst machte er seinen Realschulabschluss, dann ging er für ein Jahr auf die Höhere Handelsschule in Bremen. Mathe gehörte immer zu seinen starken Fächern. Doch den entscheiden-den Einfluss bei der Entscheidung, sich in Richtung Finanzwelt zu orientieren, hatte ein Verwandter: „Ich habe jedes Jahr meinen Onkel in der Türkei besucht, einen Bankkaufmann. Der hat mich dann mitgenommen zur Bank. Mich hat vor allem fasziniert, wie schnell er das Geld zählen konnte, damals machte man das noch

Autor: Dirk Hamm

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zehnjährige Jubiläum feiern. Auf über 1600 betreute Kunden ist sein Kundenstamm angewachsen, täglich werden es mehr.

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per Hand.” Es waren noch andere Zeiten, Zeiten, in denen der persönliche Kontakt zu den Bankmitarbeitern noch nicht durch den Geldautomaten abgelöst wurde, erinnert sich Eniz Bertan: „In die Bank zu gehen war etwas Besonderes, ältere Leute zogen sich dafür extra fein an.”

Und dennoch hegte der junge Mann Zweifel, ob es wirklich etwas werden könnte mit einer Banklaufbahn. Zweifel, die sich als unberechtigt erweisen sollten: „Ich habe in Bremen das Wirtschaftsabitur abgelegt und mich bei vier Banken beworben, ich habe dann zwei Zusagen erhalten.” Bertan entschied sich für die Oldenburgi-sche Landesbank als Ausbildungsunternehmen. Wie er dort erfuhr, sei er so etwas

„wie ein Versuchskaninchen” gewesen. Bis dahin gab es in der Region Weser-Ems keine Auszubildenden mit Migrationshintergrund bei einer Bank. „Ich stand also unter besonderer Beobachtung, aber das hat mich umso mehr motiviert. Ich hatte nicht den Eindruck, als zweitklassiger Mensch behandelt worden zu sein.”

Eniz Bertan erwies sich als ein sehr fordernder Auszubilden-der, stellte viele Fragen. Sein Talent blieb nicht verborgen, nach vier von sechs Monaten Probezeit bereits erhielt er die Zusage, übernommen zu werden. Bertan hat damit den Weg geebnet für andere Migranten: „Es hat mich stolz und glück-lich gemacht, als ich nach einem Jahr hörte, dass zwei oder drei neue Bewerber mit Migrationshintergrund einen Ausbil-dungsplatz bekommen hatten. Auch bei den anderen Banken hat man inzwischen entsprechend reagiert!” Man habe eine

„Marktlücke” entdeckt, meint Eniz Bertan, denn Menschen aus Einwandererfamilien brächten mit ihrer Mehrsprachigkeit einen wichtigen Vorteil mit.

Zum Verhältnis von Migranten und Nicht-Migranten in Del-menhorst hat Eniz Bertan eine klare Meinung: „Mich nervt, dass oft gesagt wird, die Innenstadtprobleme seien ein Mig-rantenproblem und wir sollen uns integrieren.” Dabei habe er selbst sich „enorm integriert”, findet Bertan, der vor Jahren die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen hat und mit einer Deutschen verheiratet ist. Menschen mit Einwanderungsge-schichte, die ihren Weg ebenso erfolgreich gehen wollen, wie er es vorgemacht hat, rät Eniz Bertan, zupackend und nicht mit Vorurteilen heranzugehen, sich überall zu bewerben und die Chancen, die sich bieten, zu ergreifen.

Schwester Filiz, Mutter Kerime, Eniz (v.l.)Rechts: Vater HüseyinFotos: privat

„In die Bank zu gehen war etwas Besonderes, ältere Leute zogen sich dafür extra fein an.”

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Seit einem halben Jahr ist die Jute-Einkaufspassage auch zu einem Ort für die Malerei geworden, wie ein Blick durch das große Schaufenster des Ateliers BerGer eindrucksvoll zeigt. Dort sind zahlreiche Bilder ausge-stellt, mehr als 260 Werke vom Porträt bis zum Land-schaftsbild hängen an den Wänden. Gemalt wurden sie von Malschülern, die ihre Technik unter der Anleitung von Madlen Fish erlernen oder verfeinern.

STECKBRIEF

Name Madlen Fishgeboren 1960 in Simfero-

pol, UkraineBeruf Kunstpädagogin

im Atelier BerGer(Qualifikation) Designerin

(Kunstpädagogin)

„Mit der Kunst Distanz überwunden”

Selbst malt die gebürtige Ukrainerin zu Hause, bevorzugt mit Wasser-, Gouache-, Pastell- und Ölfarben.

Madlen Fish, die 1997 als jüdische Emigrantin aus der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland kam, ist beim Atelier angestellt und dankbar dafür, von Inhaber Dirk Schulte Strathaus die Möglichkeit erhalten zu haben, täglich ihr künstlerisches Know-how an andere Menschen weitergeben zu können und damit ihr Geld zu ver-dienen. Geboren wurde sie 1960 in Simferopol, einer Stadt auf der Halbinsel Krim. Als sie dort aufwuchs, war die Herrschaft der Kommunistischen Partei noch unge-brochen. Toleranz und gleiche Rechte für alle Menschen, gleich welcher Herkunft, das waren Werte, die in der „Volksdemokratie” der Sowjetunion oft nur auf dem Papier standen. Madlen Fish sollte einen Eindruck davon bekommen: „Offiziell gab es keinen Antisemitismus, aber in der Realität war das anders. Bekannte erzähl-ten zum Beispiel, dass Juden an der Universität nicht als Historiker angenommen wurden. Als ich an der Hochschule für Kunst studierte, gab es eine Prozentregel, wie viele Juden da studieren durften.” Dabei sei in ihrer Familie das Judentum nicht als Religion, sondern als Tradition etwa beim Kochen und durch das Einhalten der Feiertage praktiziert worden, berichtet Madlen Fish. „Total enttäuscht” sei sie über diese Form der Diskriminierung gewesen. Sie habe gedacht, in der Sowjetunion werde die ‚Neue Welt’ gebaut, in der alle gleich sind.

In Simferopol stellte sich schon in frühen Jahren heraus, dass Madlens besondere Begabung im künstlerischen Bereich liegt. Sie besuchte die Kinderkunstschule, später dann studierte sie Gestaltung und Design. In einer Werbeagentur gelang ihr 1981 der Berufseinstieg. Bald brach die Zeit der Perestroika und der Auflösung der Sowjetunion heran. „Das war eine schreckliche Zeit”, sagt Madlen Fish zurück-blickend. Die Lebensumstände in der Ukraine verschlechterten sich rapide, es gab kaum noch Lebensmittel. Die Werbeagentur ging pleite, und die Firma, die sie nun

Autor: Dirk Hamm

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Distanz überwunden”Distanz überwunden”

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zusammen mit anderen gründete, litt unter dem Druck der aufblühenden Mafia. Als sie keine Aussicht auf ein anständiges Leben in der Ukraine mehr sah, stellte sie einen Antrag bei der deutschen Botschaft, und nach drei Jahren Warten konnte sie 1997 ausreisen.

Nach einem halben Jahr in Sachsen-Anhalt fand Madlen Fish 1998 in Delmenhorst ein neues Zuhause, wo bereits ihre Eltern und ihr Bruder, ein Schachgroßmeister, lebten. Doch für die Gruppe der oft akademisch ausgebildeten jüdischen Einwan-derer war es auch in Deutschland nicht so leicht, über die Runden zu kommen, da ihre Berufsabschlüsse und Diplome nicht anerkannt wurden: „Ich kenne viele Ingenieure, die als Hausmeister oder in Zeitarbeitsfirmen unter ihrem Ausbildungs-niveau arbeiten. Viele Juden, die nach Deutschland kamen und ihre Fähigkeiten in die Gesellschaft einbringen wollten, konnten es nicht. Das war für mich die nächste Enttäuschung.”

Madlen Fishs Integration in ihre neue Umgebung wurde durch die Kunst erleichtert. Sie hatte bereits in der Ukra-ine Erfahrungen im Unterrichten von Kindern gesammelt, und jetzt hatte sie die Idee, mit den Kleinen in der jüdischen Gemeinde Delmenhorsts zu arbeiten und Malkurse für russisch sprechende Kinder zu geben. Sie ist stolz darauf, dass einige dieser Kinder sich inzwischen entschie-den haben, Kunst zu studieren. Weitere Möglichkeiten, mit der Vermittlung ihrer künstlerischen Fertigkeiten Geld zu ver-dienen, ergaben sich – nicht zuletzt im Atelier BerGer. Und so zählt sich Madlen Fish, die seit fünf Jahren im Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit ist, „zu den geschätzten zehn Prozent” der Einwanderer aus der ehemaligen Sow-jetunion, die es doch geschafft haben, die Hürde der fehlenden beruflichen Anerkennung zu überwinden.

Am Anfang sei es schwierig gewesen für sie, die Distanz und auch Vorurteile, mit denen manche Mitmenschen ihr in Delmenhorst begegnet sind, zu überwinden. Das gemeinsame künstlerische Arbeiten in den Malgruppen hat ihr dabei geholfen, das Eis zu brechen. Und so fühlt sie sich inzwischen „gut integriert” – und schränkt zugleich ein: „Irgendwo ist die Fremdheit immer noch da.”

Ausstellung im Lichthof der VHS Delmenhorst, 2003 (v.l.n.r.): Madlen Fish, Mutter, Tochter und Vater. Es fehlt Bruder Gennadiy.Foto: privat

„…die Integration in ihre neue Umgebung wurde durch die Kunst erleichtert.”

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Er habe einen sehr abwechslungsreichen Beruf, findet Abdul-lah Erkan Sahbaz. Der Bremer, den die meisten schlicht Erkan

nennen, sorgt als Polizeikommissar in Delmenhorst für Recht und Ordnung. Mal lautet die Aufgabe, routinemäßig den Schuldienst zu überwachen, dann sind es Einsätze wie Streitigkeiten oder Ein-brüche, die den 33-Jährigen im Streifenwagen auf den Plan rufen. Aber auch die penible Dokumentation gehört zu seinen Pflichten: „50 Prozent der Arbeit als Polizist ist Schreibtischarbeit.”

STECKBRIEF

Name Abdullah Erkan Sahbaz

geboren 1980 in Bremen, Deutschland

Beruf(Qualifikation) Polizeikommissar,

Polizei Delmen-horst

„Dank Sport in die richtige Spur gefunden”

Erkan Sahbaz kam 2006 nach dreijähriger kombinierter praktischer und theoretischer Ausbildung an der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege in Oldenburg und einem Jahr bei der dortigen Bereitschaftspolizei an die Delmen-horster Polizeiwache. Inzwischen ist er einer von drei Kollegen mit Migrationshin-tergrund in der Polizeiinspektion Delmenhorst/Oldenburg-Land. Anfangs jedoch sei er wie „ein Exot” betrachtet worden, der kulturellen Unterschiede wegen – der tatsächlich vorhandenen und der klischeehaft vermuteten.

Aber der neue Kollege mit dem türkischen Namen konnte die Bedenken schnell zerstreuen, und vor allem bei der Begegnung mit Jugendlichen erwies es sich als Vorteil, nicht nur in der deutschen Kultur zu Hause zu sein: „Ausländische Jugendli-che fühlen sich oft benachteiligt, wenn sie es nur mit deutschstämmigen Polizisten zu tun haben. Treffen sie auf einen Beamten mit Migrationshintergrund, gilt das nicht mehr. Wenn es sein muss, spreche ich mit ihnen auf Türkisch, oftmals wirkt das deeskalierend.”

Erkan Sahbaz ist in Bremen-Nord aufgewachsen, im Stadtteil Vegesack lag das Revier seiner Kindheit und Jugend. Seine Eltern waren in den 70er Jahren aus der Türkei dorthin gezogen, der Vater malochte in der Vulkan-Werft. 1980 kam Erkan auf die Welt. Dass er in Deutschland aufwuchs – inzwischen besitzt er auch die deutsche Staatsangehörigkeit –, davon war in seiner Kindheit wenig zu spüren. Denn er ist in einem Viertel groß geworden, in dem fast nur Gastarbeiterfamilien wohnten, meist aus der Türkei. Zu Hause wurde Türkisch gesprochen, Kontakte zu Deutschen gab es kaum.

Autor: Dirk Hamm

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Er habe einen sehr abwechslungsreichen Beruf, findet lah Erkan Sahbaz

nennen, sorgt als Polizeikommissar in Delmenhorst für Recht und Ordnung. Mal lautet die Aufgabe, routinemäßig den Schuldienst zu überwachen, dann sind es Einsätze wie Streitigkeiten oder Ein-brüche, die den 33-Jährigen im Streifenwagen auf den Plan rufen. Aber auch die penible Dokumentation gehört zu seinen Pflichten: „50 Prozent der Arbeit als Polizist ist Schreibtischarbeit.”

„Dank Sport in die richtige Spur gefunden”

Er habe einen sehr abwechslungsreichen Beruf, findet lah Erkan Sahbaz

nennen, sorgt als Polizeikommissar in Delmenhorst für Recht und Ordnung. Mal lautet die Aufgabe, routinemäßig den Schuldienst zu überwachen, dann sind es Einsätze wie Streitigkeiten oder Ein-brüche, die den 33-Jährigen im Streifenwagen auf den Plan rufen. Aber auch die penible Dokumentation gehört zu seinen Pflichten: „50 Prozent der Arbeit als Polizist ist Schreibtischarbeit.”

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Keine idealen Bedingungen also für eine erfolgreiche Integration, aber, so erinnert sich Erkan Sahbaz, in seinem Elternhaus wurde ihm und seinen drei Brüdern eine

„vernünftige Einstellung” mitgegeben: Anstand, Korrektheit, eine gute Schulbildung, Fleiß. Der Vater wünschte sich, dass seine Jungs nicht so hart würden schuften müssen wie er selbst.

Doch da war noch ein anderer Einfluss, der auf den Heranwachsenden wirkte: „Wir waren 30 bis 40 Jugendliche, die sich am Stromkasten an der Straße getroffen und Blödsinn gemacht haben.” So umschreibt Erkan Sahbaz diese Phase, in der die Gefahr bestanden habe, an die falschen Freunde zu geraten. Tatsächlich sei ein Drittel dieser Gruppe zu Straftätern geworden, einige landeten im Gefängnis.

Erkan Sahbaz hat letztlich den falschen Verlockungen widerstehen können. Dabei hat der Sport eine zentrale Rolle gespielt: Basketball wurde zu seiner großen Lei-denschaft. Mit 13 hat er beim Vegesacker TV angefangen, und in dem ukrainischen Trainer Nathan Barg fand der sportliche Jugendliche, der auch Judo, Karate und Kickboxen betrieb, eine weitere wichtige Autoritätsperson. Der Trainer machte schlechte Schulnoten zum Aus-schlusskriterium für seine Mannschaft. Zudem half das tägliche Training dabei, die Sprachkenntnisse zu ver-bessern, und je perfekter der zielstrebige Erkan Deutsch beherrschte, desto besser wurden auch die Noten. 1999 machte er sein Abitur. Das Basketballspiel, da ist er sich heute sicher, hat ihm genau die richtigen Werte nahege-bracht: „Man lernt, für Ziele zu kämpfen, niemals aufzu-geben und dabei Teamplayer zu sein.” Heute ist Sahbaz selber Coach, trainiert die Mannschaft der BTS Neustadt, die an der Spitze der Oberliga steht.

Die entscheidende Eingebung hinsichtlich der Berufswahl kam übrigens als Zivildienstleistender bei einer zufälligen Begegnung mit Polizisten auf einem McDonald’s-Park-platz: „Ein Freund sagte zu mir: Warum fängst du nicht bei der Polizei an? Dabei hatte ich eher daran gedacht, Sport und Englisch auf Lehramt zu studieren.”

Als was fühlt sich Abdullah Erkan Sahbaz denn nun, eher als Deutscher oder als Türke? Die Antwort fällt nicht überraschend aus: „Beides, fifty-fifty. Ich versuche, das beste aus beiden Kulturen in mein Leben einfließen zu lassen.” Integration müsse von Deutschen und Migranten gleichermaßen gelebt werden. Vollständige Assimilation lehnt er ab. Seine Zugehörigkeit zum Islam verleugnet Erkan Sahbaz nicht, aber auch Feste wie Weihnachten und Ostern feiert er mit seiner Freundin Katja. Beide sind seit neun Jahren zusammen, wohnen im eigenen Haus in Bremen:

„So langsam wird man sesshaft.”

Erkan Sahbaz (erste Reihe links) mit seiner Basketballmannschaft.Foto: privat

„Ich versuche, das Beste aus beiden Kulturen in mein Leben einfließen zu lassen.”

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34 Starke Vielfalt – 21 Delmenhorster Lebenswege

Was bedeutet eigentlich „Integration”? Sirvan Tiryaki hat ihre eigene Antwort darauf gefunden: „Sich zu integrieren heißt, sich anzupassen, zum Beispiel in der Schule, aber nicht die eigene Herkunft aufzugeben.” Wie wichtig eine solide Schulbildung und im Besonderen die Beherrschung der deutschen Sprache für

eine gelungene Integration sind, weiß die 39-jährige Delmenhors-terin: Nach dem Realschulabschluss absolvierte sie erfolgreich eine

Banklehre und arbeitet heute in einer örtlichen Filiale der Raiffeisen-Volksbank, ihrem Ausbildungsunternehmen.

STECKBRIEF

Name Sirvan Tiryakigeboren 1974 in

Delmenhorst, Deutschland

Beruf(Qualifikation) Kundenberaterin,

Volksbank eG Delmenhorst Schierbrok(Bankkauffrau)

„Von zwei Kulturen geprägt”

Das war ihr nicht unbedingt vorherbestimmt, als Tiryakis Eltern Anfang der 70er Jahre im Abstand von zwei Jahren aus der Türkei nach Delmenhorst kamen. Vater Tiryaki arbeitete auf der Nordwolle. 1974 wurde Sirvan geboren, zwei Brüder folgten. „Meine Eltern haben zu Hause nur Türkisch gesprochen”, erzählt sie, die notwendigen Deutschkenntnisse eignete sich das junge Mädchen anderweitig an: „In der Vorschule habe ich Deutsch gelernt. Und ab der ersten Klasse hatte ich eine deutsche Freundin, wir haben oft zusammen gespielt.”

Ein zweiwöchiges Praktikum in der neunten Klasse wies Sirvan Tiryaki den Weg in ihre berufliche Zukunft: „Ich habe das Praktikum bei der Volksbank absolviert. Das hat mir gut gefallen, und ich entschied mich, eine Ausbildung bei der Bank zu machen.” Mit diesem Wunsch stieß sie in ihrem Bekanntenkreis auf viel Skepsis:

„Alle haben mir gesagt: Du hast keine Chance, dich nehmen sie sowieso nicht, weil du Türkin bist.” Starken Rückhalt fand die Schülerin hingegen bei ihrer Mutter: „Sie hat zu mir gesagt: Mach dich nicht verrückt, du schaffst das. Warum sollten sie dich nicht nehmen?” Dass diese Ermunterung mehr als nur Zweckoptimismus war, sollte sich bald zeigen: Sirvan Tiryaki bewarb sich bei drei Banken, und als die Volks-bank als erste zusagte, stand der Ausbildungsplatz fest.

Noch heute ist Sirvan Tiryaki dankbar für die Unterstützung, die sie von ihrem damaligen Chef erfahren hat. Als Migrantin sei sie nicht auf Schwierigkeiten gesto-ßen, im Gegenteil: „Der Vorstand hat früh erkannt, dass Mitarbeiter mit Migrati-onshintergrund viele Vorteile mit sich bringen. Ich kenne die Kultur und Sprache unserer türkischen Kunden, deren familiäre Zusammenhänge.” Dass sie mit den türkischstämmigen Bankkunden häufig türkisch spricht, werde in ihrem Kollegen-kreis akzeptiert.

Autor: Dirk Hamm

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Was bedeutet eigentlich „Integration”? eigene Antwort darauf gefunden: „Sich zu integrieren heißt, sich anzupassen, zum Beispiel in der Schule, aber nicht die eigene Herkunft aufzugeben.” Wie wichtig eine solide Schulbildung und im Besonderen die Beherrschung der deutschen Sprache für

eine gelungene Integration sind, weiß die 39-jährige Delmenhors-terin: Nach dem Realschulabschluss absolvierte sie erfolgreich eine

Banklehre und arbeitet heute in einer örtlichen Filiale der Raiffeisen-Volksbank, ihrem Ausbildungsunternehmen.

„Von zwei Kulturen geprägt”

Was bedeutet eigentlich „Integration”?

eine gelungene Integration sind, weiß die 39-jährige Delmenhors-terin: Nach dem Realschulabschluss absolvierte sie erfolgreich eine

Banklehre und arbeitet heute in einer örtlichen Filiale der Raiffeisen-Volksbank, ihrem Ausbildungsunternehmen.

„Von zwei Kulturen geprägt”

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Inzwischen ist die Mutter zweier Mädchen beruflich voll etabliert, ein Musterbei-spiel gewissermaßen für eine gelungene Integration. Dabei weist sie ihren Eltern die entscheidende Rolle zu: „Meine Mutter war die ausschlaggebende Person, und auch mein Vater stand immer hinter mir. Beide sind sehr stolz auf mich, dass ich das geschafft habe.”

Doch alles in rosaroten Farben zu zeichnen, entspräche nicht der ganzen Wahr-heit, macht Sirvan Tiryaki deutlich. Auch sie ist in Gesprächen mit Menschen, die sie nicht kennen, bisweilen auf Vorurteile und negative Klischees gestoßen. Zum Beispiel bezüglich ihres privaten Glücks: „Ich bin mit einem Türken verheiratet. Da kann es schon mal vorkommen, dass mich jemand fragt, ob ich mir meinen Mann selbst ausgesucht habe.”

Nicht nur ihren beiden Töchtern, sondern allen jungen Menschen mit Migrations-hintergrund gibt die Delmenhorsterin vor allem einen Ratschlag mit auf den Weg, von dem sie selbst sich hat leiten lassen: „Sie sollen sich etwas zutrauen, und von niemanden einschüchtern lassen.” Jeder sei für sich selbst verantwortlich, fügt sie hinzu, Integration könne nur funktionieren, wenn man dazu bereit ist. Probleme im Zusammenleben von Menschen verschiedener Herkunft nur auf die Politik zu schieben, davon hält Sirvan Tiryaki nichts.

Migrationshintergrund, das bedeutet oft auch, in zwei Kulturen zugleich zu Hause zu sein, weiß die Delmenhorsterin mit dem türkischen Pass: „Ich habe oft das Gefühl, in Deutschland bin ich die Türkin, und in der Türkei bin ich die Deutsche.” Auch im Hause Tiryaki macht sich das bemerkbar, wo sowohl die eine als auch die andere Sprache gesprochen wird. Die Grenzen der Integration sind dort klar gezogen: „Wir essen zum Beispiel kein Schweinefleisch, auch die Kinder sind so erzogen.”

Sirvan Tiryaki steht mit beiden Beinen voll im Leben, hat Beruf und Familie erfolgreich unter einen Hut bekommen. Trotzdem geht ein kleiner Gedanke schon weit in die Zukunft: „Wenn ich mal alt und grau bin, möchte ich zwischen Delmenhorst und einem schönen Plätzchen in der Türkei hin und her pendeln. Die Zelte hier abzubrechen kommt nicht infrage, dazu bin ich zu sehr eingedeutscht.”

Die Eltern Hürü und Rüstem TiryakiFoto: privat

„Integration kann nur funktionieren, wenn man dazu bereit ist.”

Page 38: Starke Vielfalt - 21 Delmenhorster Lebenswege

36 Starke Vielfalt – 21 Delmenhorster Lebenswege

Eine abgeschlossene Lehre als Tischler sowie das Abitur hatte Ioan Grönwoldt bereits in der Tasche, als er 1992

aus dem rumänischen Cluj (Klausenburg) nach Nie-dersachsen kam und politisches Asyl beantragte.

In Delmenhorst fand er dann sowohl sein Liebes-glück als auch eine Anstellung in einer Tischlerei,

für die er 13 Jahre lang tätig war.

STECKBRIEF

Name Ioan Grönwoldtgeboren 1967 in Cluj

(Klausenburg), Rumä nien

Beruf(Qualifikation) Selbstständiger

Tischler in der Bremer Straße(Tischler)

„Man muss mit Kopf und Seele dabei sein.”

2006 wagte er den Schritt in die Selbstständigkeit mit einer eigenen Werkstatt für Trocken- und Innenausbau sowie Türen-, Treppen- und Fenster-installationen in Delmenhorst-Mitte.

Mittlerweile hat er auch Häuser erworben, die er sanierte und nun vermietet. Seine deutsche Frau unterstützt ihn, und seine beiden Söhne sind stolz auf den fleißigen Vater.

Wie waren Ihre Anfangsjahre in Deutschland?Ich habe mir selber Deutsch beigebracht und konnte mich schon nach einigen Monaten recht gut verständigen. Dass ich so bald eine Arbeit fand, war ein Glücks-fall. Mein Chef hat gesehen, wie fleißig ich war, so habe ich mich schnell hochge-arbeitet. Natürlich musste ich viel Neues lernen, denn in Rumänien hatte ich mit anderen Maschinen und Techniken gearbeitet.

Hat Sie in Ihrem Werdegang jemand besonders unterstützt?Ein Lehrer hat mich immer wieder herausgefordert, das Abitur zu schaffen. In Deutschland haben mir Freunde Mut gemacht, mich selbstständig zu machen. Aber eigentlich habe ich alles aus eigenem Antrieb geschafft.

Autorin: Bettina Snyder

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Eine abgeschlossene Lehre als Tischler sowie das Abitur hatte Ioan Grönwold

aus dem rumänischen Cluj (Klausenburg) nach Nie-dersachsen kam und politisches Asyl beantragte.

In Delmenhorst fand er dann sowohl sein Liebes-glück als auch eine Anstellung in einer Tischlerei,

für die er 13 Jahre lang tätig war.

„Man muss mit Kopf und Seele dabei sein.”

Eine abgeschlossene Lehre als Tischler sowie das Abitur hatte

aus dem rumänischen Cluj (Klausenburg) nach Nie-dersachsen kam und politisches Asyl beantragte.

„Man muss mit Kopf und Seele dabei sein.”W

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War Ihr Migrationshintergrund für Ihren Werdegang manchmal ein Hindernis?Nein, ich habe keine negativen Erfahrungen gemacht. Weder mit meinen Kollegen noch mit Kunden. Wenn man sich anpasst, dass heißt, wenn man freundlich und ehrlich ist, klappt doch alles gut. Klar, es gab natürlich auch mal böse Worte, aber nichts, was wirklich ernst zu nehmen war. Manchmal habe ich Neid auf meinen Erfolg gespürt, naja, das ist doch überall so.

Was würden Sie jungen Migrantinnen und Migranten heute mit auf dem Weg geben?Sie müssen bereit sein zu lernen, und sie sollten immer optimistisch bleiben. Wenn sie ein Praktikum machen oder in der Lehre oder Probezeit sind, können sie die Zeit nutzen, um zu zeigen, was sie drauf haben. Man muss mit Kopf und Seele dabei sein. Kopf allein reicht nicht. Es hilft auch, die deutschen Werte und Gepflogenhei-ten anzunehmen. Ja, man sollte versuchen, sich anzupassen und bereit sein, die vielleicht veraltete Lebensweise aus der Heimat zu überdenken.

Darf ich fragen, warum Sie den Namen ihrer Frau angenommen haben?Das hat zwei Gründe, einen verrate ich Ihnen. Mein rumänischer Nachname ist Marina und man könnte es mit einem Vornamen verwechseln.

Herr Grönwoldt, wie sehen Sie Ihre Zukunft?Ich spüre die Finanzkrise nicht. Meine Auftragsbücher sind voll, und ich hoffe, dass ich noch weiter expandieren kann, so dass ich einmal eine größere Werk-halle haben werde. Ich bin sehr optimis-tisch.

Ioan Grönwoldt (erste Reihe, zweiter von links) mit seiner Familie in Rumänien.Foto: privat

„Junge Menschen müssen bereit sein zu lernen!”

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38 Starke Vielfalt – 21 Delmenhorster Lebenswege

Ein Berg voller Akten bedeckt den Schreibtisch von Rechts-anwalt Benyamin Kaya. Die schöne Aussicht auf den Marktplatz und die Delme nimmt der 38-jährige Anwalt vor lauter Arbeit kaum noch wahr. Doch Kaya liebt seinen Beruf, der für ihn der schönste auf der Welt ist.

STECKBRIEF

Name Benyamin Kayageboren 1973 in Istanbul,

TürkeiBeruf(Qualifikation) Rechtsanwalt,

Kanzlei von Häfen & Neunaber

„Man sollte für sich heraus-finden, was man will – und daran arbeiten.”

„Für mich kamen immer nur zwei Berufe infrage, entweder als Mediziner zu arbeiten oder eben als Jurist”, so Kaya. Dass seine beiden älteren Brüder genau jene Berufe ausüben, dürfte dennoch eher Zufall sein.

Er war sechs Jahre alt, als seine Familie nach Deutschland kam. Genau erinnert sich der Jurist an diese Zeit nicht mehr, doch er weiß ganz genau, dass die Sprache für ihn nie ein Problem darstellte. „Wir haben ständig mit deutschen Kindern gespielt, und da will man sich sofort verständigen.” Nun, sofort klappte es nicht, aber nach rund vier Monaten waren die Barrieren der Sprache überwunden. Auch in der Schule lief es ziemlich rund für Kaya.

Nach dem Abitur stand der Zivildienst an. Die Gemeinnützigen Werkstätten wählte Benyamin Kaya ganz pragmatisch aus. Zum einen interessierte ihn die Arbeit mit Menschen, die gehandicapt sind, zum anderen lagen die Werkstätten in unmittelba-rer Nähe zum elterlichen Zuhause. Die eineinhalb Jahre in den Werkstätten möchte Benyamin Kaya nicht missen. „Das war eine tolle Erfahrung. Dies alles sind ganz normale Menschen, trotz ihrer Behinderungen. Ein Spiegelbild der Gesellschaft. Es gibt nette und weniger nette. Offene aber auch verschlossene Menschen.” Diesbe-züglich hält Kaya auch einen Rat parat: „Ich kann nur jedem empfehlen, sich einmal in diesem oder einem anderen sozial-karitativen Bereich zu engagieren. Das prägt für das weitere Leben.”

In den letzten Jahren des Abiturs, wie auch während des Zivildienstes, arbeitete Kaya regelmäßig im elterlichen gastronomischen Betrieb mit. Das „Akropolis” in der Delmenhorster Innenstadt ist eine echte Institution. Inzwischen führt Benyamin Kayas Neffe das Restaurant sehr erfolgreich. Wie Herr Kaya später erfuhr, hätte sein Vater sich gewünscht, dass er in den Betrieb einsteigt. „Mir gegenüber hat er

Autor: Holger Geisler

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Ein Berg voller Akten bedeckt den Schreibtisch von Rechts-

„Man sollte für sich heraus-„Man sollte für sich heraus-

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das nie geäußert. Das wäre problematisch geworden. Dem Vater einen Wunsch abzuschlagen, wäre mir schwer gefallen. Doch das Jurastudium war ganz einfach das, was ich wollte.” So studierte Kaya zuerst in Gießen und ging später für das Zweite Staatsexamen nach Düsseldorf. Dass seine Brüder ebenfalls in der Rhein-metropole arbeiteten und wohnten und auch heute noch dort erfolgreich wirken, passte ihm zwar ganz gut, war aber kein entscheidender Faktor. „Die Wartezeiten in Oldenburg und Bremen waren einfach wesentlich länger, und ich wollte das Stu-dium so schnell wie möglich abschließen.” Staatliche Unterstützung hat er während des Studiums nie erhalten, so dass die Ersparnisse vom Jobben aus Schul- und Zivildienstzeit nun zum Tragen kamen.

Den „Fachanwalt für Verkehrsrecht” hat der ehrgeizige Jurist schon seit Längerem in der Tasche. Zudem steht er kurz davor, sich auch „Fachanwalt für Arbeitsrecht” nennen zu dürfen. Es läuft also gut für den Juristen. Auch die Zukunftsplanung ist in vollem Gange. „Mit meinen Arbeitgebern bin ich mir einig darüber, kurz- bis mit-telfristig als Partner in die Kanzlei einzusteigen.” Die Kanzlei hat neben ihrem Stammsitz in Delmenhorst weitere Standorte in Mühlhausen und Leinefelde (beides Thüringen). Insgesamt arbeiten neun Anwälte für die gerechte Sache.

Um beruflich erfolgreich sein zu können, muss das private Umfeld stimmen. Auf Familie Kaya trifft dies ganz sicher zu. Benyamins Bruder Zeki ist ebenso Jurist und arbeitet als Justiziar bei der National bank in Essen. Der älteste Bruder Ibrahim ist ein erfolgreicher Kardiologe in Krefeld. Auch die drei Schwestern haben ihre Ausbildungen erfolgreich hinter sich gebracht und stehen mit beiden Füßen gesund und selbstbe-wusst im Leben. Zwei hatten den Weg in die Selbstständigkeit gefunden. Diese Rolle füllt Cekiye weiterhin voller Begeisterung aus, während Hana liebend gerne den eigenen Betrieb mit der Mutterrolle getauscht hat. Lusi, die Dritte im Bunde, hält seit etlichen Jahren demselben Arbeitgeber die Treue.

Sein familiäres Glück hat Benyamin Kaya schon längst gefunden. Er ist seit Studienzeiten glücklich mit seiner Maria verheiratet und hat drei Kinder zu Hause. „Meine Familie sehe ich eigentlich durch die Arbeit viel zu wenig, aber die Zeit, die wir haben, verbringen wir auch ganz intensiv miteinander."

Benyamin Kaya hat seinen Traum verwirklicht und ist sich sicher: Das können alle. „Man sollte für sich herausfinden, was man will – und daran muss man arbeiten. Welcher Beruf das ist, das muss jede und jeder für sich selbst entscheiden.”

Benyamin Kaya hat viel erreicht – aber auch viel dafür getan. Benyamins Kayas Satz zur Integration: „Integration bedeutet für mich die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Unabdingbare Voraussetzung dafür ist das Erlernen der deutschen Sprache.”

Vater Halef und Mutter Zero.Foto: privat

„Ich kann nur jedem empfehlen, sich einmal in einem sozial-karita-tiven Bereich zu enga-gieren. Das prägt für das weitere Leben.”

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Frau Havva Bakni ist in Delmenhorst geboren. Sie hat türkische Eltern: Ihre Mutter kam mit zwölf, ihr Vater mit zwanzig Jahren nach Deutschland. Sie ist die Älteste von fünf Kindern. Nach der Orientie-rungsstufe kam Havva auf das Max-Planck-Gymnasium, wo sie den bilingualen Zweig besuchte, in dem einige Fächer wie Geschichte und Biologie in englischer Sprache unterrichtet werden. Zur Oberstufe wechselte sie in das Wirtschaftsgymnasium an der BBS I, das sie 2010 mit dem Abitur in der Tasche verließ.

STECKBRIEF

Name Havva Baknigeboren 1991 in

Delmenhorst, Deutschland

Beruf(Qualifikation) Studentin,

Englisch und Deutsch auf Lehramt (Abitur)

„Das Wichtigste ist sicher das Erlernen der deutschen Sprache.”

Jetzt studiert die junge Frau an der Uni Bremen Englisch und Deutsch für das Lehramt in der Sekundarstufe Eins. Als Erste in ihrer Familie besucht sie eine Universität.

Wie kamen Sie zu dem Entschluss, Englisch auf Lehramt zu studieren?Ich hatte in der 5. Klasse einen ganz tollen Englischlehrer: Herr Ahrens war ein Vorbild für mich, er hat mir sehr viel Mut gemacht. Seit der Zeit schon wollte ich Englischlehrerin werden. In der Oberstufe war ich auch sehr gut, bekam viel Bestä-tigung von den Lehrerinnen und Lehrern. Erst hatte ich noch mit dem Gedanken gespielt, Wirtschaft zu studieren, aber ich habe schnell gemerkt, dass Betriebswirt-schaftslehre doch nicht mein Ding ist.

Wie haben Ihre Eltern Sie unterstützt?Meine Eltern haben mir viel Freiraum gelassen, mich zu nichts gedrängt, waren sehr stolz, dass ich auf das Gymnasium konnte. Sie haben intensiv meine Schullaufbahn verfolgt, sind zu allen Elternabenden gegangen und waren immer an Schuldingen interessiert. Das habe ich bei anderen türkischen Familien oft anders erlebt.

Seit wann tragen Sie ein Kopftuch?Als ich 17 war, ja, ich war in der 12. Klasse, habe ich mich dazu entschlossen. Wo wir wohnten, wurde eine Moschee eröffnet, als ich 15 Jahre alt war, und ich fing an, die Moschee zu besuchen. Es war erst Neugierde, dann habe ich meine türkischen Wurzeln für mich wieder entdeckt. Meine Mutter trägt kein Kopftuch, und meine Familie war sehr überrascht, dass ich ein Kopftuch tragen wollte. In der Schule hat sich niemand dazu verwundert geäußert. Alle haben mich weiterhin völlig normal behandelt.

Autorin: Bettina Snyder

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FrauEltern: Ihre Mutter kam mit zwölf, ihr Vater mit zwanzig Jahren nach Deutschland. Sie ist die Älteste von fünf Kindern. Nach der Orientie-rungsstufe kam Havva auf das Max-Planck-Gymnasium, wo sie den bilingualen Zweig besuchte, in dem einige Fächer wie Geschichte und Biologie in englischer Sprache unterrichtet werden. Zur Oberstufe wechselte sie in das Wirtschaftsgymnasium an der BBS I, das sie 2010 mit dem Abitur in der Tasche verließ.

„Das Wichtigste ist sicher das Erlernen der deutschen Sprache.”W

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Gab es auch mal Probleme auf Grund des Kopftuchtragens?Während unseres Studiums müssen wir vier Mal an einem Schulpraktikum teilneh-men. Beim ersten Praktikum hat mir der Schulleiter gleich mitgeteilt, dass ich nicht ans Pult darf, weil Lehrerinnen mit Kopftuch im Bundesland Bremen nicht unter-richten dürfen. Im Praktikum und im Referendariat ist das aber nicht so. Naja, er hat mich die ganze Zeit ziemlich offensichtlich ignoriert.

Was werden Sie tun, wenn das Kopftuchverbot beibehalten wird?Ich werde bereit sein müssen, es abzunehmen. Aber ich bin sehr im Zwiespalt dar-über. Ich störe den Schulfrieden doch nicht, und ich möchte auch nicht, dass man mir unterstellt, ich sei gegen Mädchenschwimmen und all diese Dinge. Ich möchte auf Grund meines Könnens und Wissens beurteilt werden, nicht auf Grund meines Aussehens oder meiner Glaubensrichtung. Alle Schulkinder mochten mich während des Praktikums sehr gerne, sind immer zu mir gekommen.

Was würden Sie jungen Migrantinnen raten?Man muss kämpfen. Ja, mit einem Migrationshintergrund muss man sich doppelt anstrengen, um zu beweisen, dass man mitreden kann. Manche Leute fragen mich „Sprichst du Deutsch?” Wenn sie nett und mit Interesse fragen, ist das in Ordnung, aber es ist auch verrückt, dass man immer erklären muss, man gehöre dazu. Das Wichtigste ist sicher das Erlernen der deutschen Sprache. Und man sollte sich an die Gesetze hier halten... Ich sehe mich als Deutsche und möchte nicht auf Grund meiner Religion anders angesehen werden. Man muss seine eigene Identität bewahren dürfen.

Was fällt Ihnen zum Thema Integration ein?Ich wünsche mir, dass die Menschen nicht in Stereotypen denken, dass alle Menschen sich für einen interkulturellen Austausch öffnen, und niemand nach Äußerlichkeiten beurteilt wird. Alle Gruppen und Gesellschaften sollen so leben dürfen, wie sie es möchten, aber alle sollten miteinander kommunizie-ren. Hier in Delmenhorst wäre es toll, wenn es einmal ein inter-kulturelles Fest gäbe. Menschen aus so vielen unterschiedlichen Ländern würden zusammenkommen und könnten sich präsentieren. Kommunikation ist das beste Mittel, um Vorurteile abzubauen.

Mit Vater Yusuf und Mutter Selma.Foto: privat

„Ich sehe mich als Deutsche.”

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Neulich hat Waldemar Schubert seinen Stammbaum zusam-mengebastelt. Er kam bis ins 16. Jahrhundert. Migration, stellte er beim Suchen nach Daten und Personen fest, ist kein neues Phänomen: „Die Menschen waren schon immer viel unterwegs”, sagt er. So wie er, der 1978 als 16-jähriger aus Polen nach Deutschland kam, lebten auch viele seiner Vorfahren nicht ihr ganzes Leben am gleichen Fleck.

STECKBRIEF

Name Waldemar Schubert

geboren 1962 in Zabrze, Polen

Beruf(Qualifikation) Beamter bei der

Stadt Delmen-horst(Elektroinstalla-teur, Übersetzer)

„Die Menschen waren schon immer viel unterwegs.”

In seinem Beruf im Jobcenter der Stadt Delmenhorst hat Waldemar Schubert jeden Tag mit Menschen zu tun, die ebenfalls in Delmenhorst neu ange-fangen haben. Oder deren Eltern eingewandert sind. Und er sieht immer wieder, dass es vielen schwer fällt, in der neuen Heimat richtig anzukommen. Häufig fragt er sich: „Warum schaffen viele nicht, was ich geschafft habe?”

Als Waldemar Schubert und seine Eltern Polen verließen, standen sie vor einem typischen Problem: Sie sprachen kein Deutsch. Die Familie stammte zwar aus Oberschlesien, das früher zum Deutschen Reich gehörte. „Schon meine Eltern waren aber mit der polnischen Sprache aufgewachsen. Wir haben zu Hause nur polnisch gesprochen”, berichtet er.

Die ersten zwei Jahre in Delmenhorst waren für ihn daher hart. „Anfangs war ich vor allem mit Jugendlichen zusammen, die ebenfalls Polnisch sprachen”, sagt er. Doch zusammen mit einem Freund bemühte er sich, Kontakte nach außen zu knüpfen und möglichst viel Deutsch zu sprechen. „Ich weiß nicht, ob es daran lag, aber wir beiden waren die einzigen aus der Gruppe, die es beruflich zu etwas gebracht haben”, sagt er. Die Sprachkenntnisse waren für ihn der Schlüssel zum Erfolg: Einen Ausbildungsplatz zu bekommen, erwies sich nach zwei Jahren in Del-menhorst bereits als relativ einfach.

In seiner Berufslaufbahn ist der 50-jährige weit herumgekommen: Nach der Aus-bildung zum Elektroinstallateur arbeitete er acht Jahre lang bei der Bundeswehr als Übersetzer und Dolmetscher für Polnisch und Russisch. Er lebte in Köln, am Starn-berger See, in Hessen und in Gifhorn, begegnete sogar dem späteren georgischen Präsidenten Eduard Schewardnadse. Mit dem Mauerfall zog Schubert die Uniform

Autorin: Ute Kehse

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Phänomen: „Die Menschen waren schon immer viel unterwegs”, sagt er. So wie er, der 1978 als 16-jähriger aus Polen nach Deutschland kam, lebten auch viele seiner Vorfahren nicht ihr ganzes Leben am

„Die Menschen waren schon

Phänomen: „Die Menschen waren schon immer viel unterwegs”, sagt

„Die Menschen waren schon

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allerdings aus und ließ sich endgültig in Delmenhorst nieder. Mit Anfang 30 fing er als Beamter bei der Stadt an. Seit 2005 ist er im Jobcenter, wo er sieben Jahre lang Jugendliche betreute. Seit kurzem ist er nun für erwachsene Arbeitssuchende zuständig.

Weil viele seiner Kunden Einwanderer sind, hat sich Waldemar Schubert viele Gedanken zum Thema Migration gemacht. Zur erfolgreichen Integration gehört für ihn, dass sich Migrantinnen und Migranten für Sprache und Kultur des neuen Heimatlandes öffnen und gleichzeitig ihre eigene Kultur in die Gesellschaft hin-eintragen. Diese Bereitschaft vermisst er zuweilen. Er selbst begnügte sich nicht damit, passiv am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Viele Jahre engagierte er sich aktiv in der Delmenhorster Politik. Er baute den Stadtelternrat für Kitas und den Landes elternrat mit auf. Kurzzeitig zog er in den 1990er Jahren für die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen in den Stadtrat ein, kandidierte 2008 für den Landtag.

„Wenn man etwas verändern will, kann man nicht nur Forderungen stellen, sondern muss selbst etwas tun”, sagt er.

Heimweh nach Zabrze, der Stadt seiner Jugend, hat er kaum: „Dafür gibt es keinen Grund – ich habe dort nichts zurückgelassen.” Wenn er an seine Kind-heit denkt, fallen ihm vor allem stunden-langes Anstehen und die Diskriminierung seiner deutschstämmigen Familie ein.

Nur ein Thema erfüllt ihn mit Wehmut: der Sport. In der Jugend des polnischen Fußball-Rekordmeisters Górnik Zabrze war Schubert ganz vorne mit dabei, trai-nierte mit damaligen Nationalspielern.

„In Delmenhorst gab es keine Möglichkeit, so hochklassig zu spielen”, erzählt er. Seine vielversprechende Fußball-Karri-ere endete daher frühzeitig. Eher selten denkt er noch an die alten Zeiten. Dann ruft er die Webcam des Ernst-Pohl-Sta-dions in Zabrze auf. Dort kann er sehen, dass sich auch in Polen einiges verändert. Das bescheidene Stadion von früher wird gerade umgebaut. Es verwandelt sich in einen modernen Fußballtempel mit Platz für 32.000 Zuschauer.

Familie Schubert in der Del-menhorster Graft, kurz nach der Einreise nach Deutschland 1978: Vater Dieter (links), Großmutter Klara (Mitte), Mutter Theodora (2. v.r.), Waldemar (rechts)Foto: privat

„Wenn man etwas verändern will, kann man nicht nur Forderungen stellen, sondern muss selbst etwas tun.”

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STECKBRIEF

Name Roger Sahageboren 1978 in

Delmenhorst, Deutschland

Beruf(Qualifikation) Fernseh-Reporter,

Mediengruppe RTL(Bankkaufmann)

„Integration ist dann gelungen, wenn niemand mehr darüber sprechen muss.”

Wie verlief Ihr Einstieg in die Medienbranche?Schon als Kind habe ich Radiosender besucht und war von der medialen Kom-munikation fasziniert. In den Ferien habe ich diverse Praktika in der Medienwelt gemacht. Meine Eltern haben mich immer unterstützt und überall hin gefahren, dennoch war ihnen der Beruf des Journalisten suspekt, sie nannten es „brotlose Kunst”. Ihnen war es wichtig, dass ich nach dem Abitur 1997 am Max-Planck-Gym-nasium zunächst etwas „Solides” lernte. So kam es zu dem Deal: Erst Banklehre, dann Journalismus. Guter Deal!Nach meinem Zivildienst in Bremen absolvierte ich also eine Ausbildung zum Bank-kaufmann bei der OLB in Delmenhorst. Nebenbei arbeitete ich an den Wochen-enden als Freier Radiomoderator in Bremen und Hannover, ein Volontariat schloss sich an. Seit 2003 bin ich nunmehr Redakteur/Reporter bei RTL bzw. n-tv.

Was würden Sie heute jungen Menschen mit Einwanderungsgeschichte bei der Suche nach ihrem Traumberuf raten?Man sollte seine Ziele verfolgen und durch Leistung überzeugen. Ich bin nicht der Meinung, dass die sich Bewerbenden in der Regel wegen ihres Migrationshinter-grundes bevorzugt oder benachteiligt werden. Ich persönlich möchte einen Job nicht bekommen, weil ich einen Migrationshintergrund besitze – sondern, weil ich mit meinen Fähigkeiten überzeuge. Auch im Umgang mit Kolleginnen und Kunden spüre ich überhaupt keine Unterschiede oder gar Vorurteile. Die Medienbranche ist sehr bunt gemischt. Migrationshintergrund ist am Ende vielleicht sogar ein Vorteil

– weil ich andere Perspektiven wahrnehme als Männer und Frauen ohne diese Migrations erfahrungen. Andererseits bringt jeder von uns aufgrund seines Lebens-weges auch besondere Erfahrungen mit.

Autorin: Martina Meyer-Bothling

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21 „Integration ist dann gelungen,

wenn niemand mehr darüber „Integration ist dann gelungen, „Integration ist dann gelungen, wenn niemand mehr darüber

Welchen Vornamen sollen ein indischer Vater, der der Arbeit wegen nach Deutschland gekommen war, und die deutsche Mutter ihrem gemeinsa-men Kind mit Nachnamen „Saha” geben? Alles Roger? Roger Saha wurde 1978 in Delmenhorst geboren, wo er bis 2007 blieb. Dass er Delmenhorst verließ, liegt nur an dem „spannendsten Beruf der Welt”, wie Roger selber seinen Beruf nennt: Er ist Reporter der Mediengruppe RTL und lebt deswegen jetzt in Köln. Delmenhorst sieht er als seine Heimatstadt an und verbindet mit ihr viele gute Erinnerungen. Für die Zukunft wünscht er sich, dass Delmenhorst dringend noch attraktiver wird und weiterhin mit positiven Entwicklungen Schlagzeilen macht.

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Was bedeutet Ihr Migrationshintergrund für Sie?Ich habe keine nennenswerten Migrationserfahrungen. Ich hatte und habe nicht das Gefühl, „besonders” als Migrant wahrgenommen zu werden.Als Vorbild würde ich meinen Vater nennen, der aus Indien (Kalkutta) kam und sich hervorragend in Deutschland integriert hat. Das war mir immer ein Beispiel. Diverse Male habe ich das Heimatland meines Vaters besucht und kenne auch meine Familie. Ich sehe die Menschen und nicht ihre Geburtsorte. Wahrscheinlich ist genau diese Perspektive in meinem Beruf als Redakteur/Reporter auch ein Vorteil: Ich habe viele internationale Einsätze für die Mediengruppe RTL gemacht - zum Beispiel war ich anlässlich des Erdbebens und des Tsunami in Japan, nach dem Unglück der Costa Concordia in Italien oder beim Vulkanausbruch auf Island, um nur einige Bei-spiele zu nennen. In diesen Momenten kannst du nur bestehen, wenn du dich flexi-bel auf die Situationen einlässt und deine eigenen Gewohnheiten hinten anstellst. Was könnte in Delmenhorst und allgemein in Deutschland in Sachen „Integra-tion” noch geleistet werden?Integration ist dann gelungen, wenn niemand mehr darüber sprechen muss. Ist es nicht völlig egal, welchen Pass jemand besitzt?Ich kenne die aktuelle Situation in Delmenhorst nicht. Ich sehe aber am Beispiel einer internationalen Stadt wie Köln, wie spannend das Leben in einer Metropole ist, in der sich verschiedenste Kulturen mischen und friedlich nebeneinan-der leben. Wenn man etwa in der Bahn sitzt und das Gefühl hat, die ganze Welt fährt mit. Das ist manchmal eine Her-ausforderung – aber immer spannend. In Köln interessiert es niemanden, wer woher kommt, wenn – überspitzt gesagt – 20 Nationen in der Straßenbahn sitzen. Ist das im Linienbus in Delmenhorst nicht genauso?

Was bedeutet Migration für Deutschland und unsere Zukunft?Warum ist Deutschland in so vielen Dingen Weltmeister? Auch, weil wir ein Einwan-derungsland sind! Weil Menschen aus allen Teilen der Welt ihre Erfahrungen, ihre Ideen und ihre Begeisterung mitbringen. Davon profitieren wir – weil wir ein offenes und freies Land sind.Migration tut Deutschland gut – das sollte jeder wissen, der sich fragt, ob wir Zuwanderung brauchen. Das ist der eine Teil der Wahrheit. Der andere ist: Egal, ob Migrationshintergrund oder nicht, für Erfolg muss man in Deutschland etwas tun! Bildung, Leistungsbereitschaft und Herzblut müssen aufgebracht und investiert werden. Dann gibt es gute Chancen, dass Träume wahr werden – und dann fragt auch niemand mehr nach dem Pass.

Vater Anil KumarFoto: privat

„Egal, ob Migrations-hintergrund oder nicht: für Erfolg muss man in Deutschland etwas tun. Bildung, Leistungsbereitschaft und Herzblut.”

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Holger Michael Geisler erblickte 1964 das Licht der Welt. Nach berufli-chen Gehversuchen im steuerberaten-den Wesen und im Vertrieb ist Holger seit nunmehr fast 20 Jahren im Bereich der PR- & Öffent-lichkeitsarbeit zu Hause.Darüber hinaus veröffentlichte er zwei Gedichtbände und schreibt für diverse Zeitungen. Sein besonderes Augen-merk liegt hierbei auf gesellschaftspoli-tischen Themen.2013 wird Holger gemeinsam mit einem breit aufgestellten Redak-tionsteam die erste bundesweite yezidische Zeitung „Lalish-Dialog” herausbringen, die ab dann monatlich erscheinen soll.E-Mail: [email protected]

Dirk Hamm(43) arbeitet seit 2005 für das Delmenhorster Kreisblatt, seit 2011 als freier Journalist. Der studierte Politikwissen-schaftler wurde in Andernach in Rheinland-Pfalz geboren.E-Mail: [email protected]

Ute Kehse (44) studierte Geophysik in Münster und Journalistik in Hannover.Seit 1997 arbei-tet sie als freie Journalistin mit dem Schwerpunkt Wissenschaft und Technik in Delmenhorst. Sie schreibt unter anderem für die Frankfurter Rundschau, bild der wissenschaft und Geo kompakt sowie für For-schungsmagazine von Unterneh-men und Forschungsinstituten. Ihre Lieblingsthemen sind Polarforschung, Planetenforschung und Paläontologie.E-Mail: [email protected]

Bettina Snyder (50) Bremer Glo-betrotterin und Englischdozentin, lebt seit einem Jahr in Delmenhorst. Sie ist verheiratet mit einem Inder und hat zwei Söhne in Amerika. Zur Zeit ist sie als Nachhilfelehrerin tätig und engagiert sich ehrenamtlich beim Integrationslotsenteam Delmenhorst. Sie fotografiert gerne, liest viel und schreibt am liebsten Blogs, Gedichte und Leserbriefe.E-Mail: [email protected]

Martina Meyer-Bothling Die 1972 geborene Mar-tina Meyer-Bothling ist eine gebürtige Delmenhorsterin und engagiert sich ehrenamtlich stark für ihre Heimat-stadt. Ein Auslandsjahr und diverse Reisen weckten ihr Interesse für den Umgang mit Menschen anderer Kultu-ren. Als Geschäftsführerin der protempo GmbH praktiziert die studierte Kom-munikationswissenschaftlerin ganz bewusst Diversity management. Die Idee zur Edition „Starke Vielfalt” begeis-terte sie so sehr, dass sie sich sofort bereit erklärte, das Projekt ideell und finanziell zu unterstützen.E-Mail: [email protected]

Der Fotograf Markus Hibbelergeboren 1980 in Varel; Abitur 2000Stu dium der Poli-tikwissenschaftenbis 31.12.2008 Fotograf bei der Nordwest-Zeitungab 1.1.2009 freier Fotograf für Tageszeitungen (u.a. taz, Bild), Nachrichtenagenturen (dapd u.a.) und Unternehmen (Henkel, OLB, EWE u.a.).Website: www.hibbelerphoto.de

Die Autorinnen und Autoren

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Anne Frerichs, Jahrgang 1963, ist evangelische Pas-torin in Delmen-horst und Mutter dreier Kinder. Sie ist seit vielen Jah-ren im Religions-unterricht an einer Delmenhorster Berufsbildenden Schule aktiv. In der Begegnung mit den vielen verschiedenen jungen Menschen lernt und lehrt sie Toleranz und Akzeptanz.Von daher ist ihr der „Vielfalt”-Gedanke genauso wichtig wie die Vorbildfunk-tion Älterer für junge Menschen. Aus ihrem christlichen Umfeld kennt sie den „Vielfalt”-Gedanken genauso wie aus ihrem Schulalltag. Sie ist eine Befürworterin der „inklusiven Sprache”, in der Männer und Frauen gleicher-maßen berücksichtigt werden, ihrer Teilhabe an gesellschaftlichen Prozes-sen entsprechend. Bereits als Kind war sie durch ihre nach Kanada ausge-wanderte Großmutter mit dem Thema ‚Migration’ vertraut.Das Engagement für diese Edition rührt von ihrer tiefen christlichen Überzeu-gung her, dass es möglich ist, in einer offenen, freien Gesellschaft trotz aller ethno-religiösen Unterschiede friedlich miteinander zu leben.E-Mail: [email protected]

Telim Tolan Der 42-jährige Bankkaufmann ist im niedersächsi-schen Celle gebo-ren und selber Kind von kurdischen Gastarbeitern.Wie viele der hier porträtierten Personen bewundert er die Leistung seiner Eltern.Sie kamen ohne Geld, ohne berufliche sowie schulische Qualifikationen nach Deutschland und mussten als Fließ-bandarbeiter und Reinigungskraft den Lebensunterhalt für ihre neunköpfige Familie verdienen. Dass sie außerdem ihren Kindern ein eigenes Zuhause boten, eine liebevolle Erziehung und starkes Rüstzeug mit auf den Lebens-weg gaben, erfüllt ihn mit Stolz. Alle sieben Kinder nutzten die Chancen des deutschen Bildungssystems, verfügen teilweise über akademische Abschlüsse, sind leitende Angestellte sowie als Unternehmer tätig.Telim Tolan ist Deutschland dankbar, weil es ein Land der Freiheiten und Chancen ist.Tolan, jetzt selber vierfacher Familien-vater, engagiert sich in seiner Freizeit ehrenamtlich in einer Migranten-selbstorganisation zur Pflege und Integration der yezidischen Religion. Menschenrechtsarbeit gehört für ihn auch dazu. Durch seine Teilnahme an organisationsübergreifenden Projekten und Gremien setzt er sich für soziale Gerechtigkeit und für die Stärkung von bürgerschaftlichem Engagement ein.E-Mail: [email protected]

Lutz Gottwald, Leitstelle für Integration bei der Stadt Delmen-horst, koordiniert die Integrations-arbeit vor Ort seit 1.9.2006. Insbeson-dere die Netzwerk-arbeit und die Förderung des ehren-amtlichen Engagements gehören zu seinen wesentlichen Aufgaben. In seine Schaffenszeit fielen die Bildung eines kommunalen Integrationsbeirates, die Gründung eines erfolgreichen gemein-nützigen Vereins der Integrationslotsen (Integrationslotsenteam Delmenhorst und Umgebung e.V.) und die Initiierung vieler Projekte, u.a. die „Delme Kicking Girls”. Parallel zur Unterzeichnung der

„Charta der Vielfalt” durch die Stadt Del-menhorst wurden viele Fortbildungen im Bereich „Interkultureller Kompetenz” für Beschäftigte der Stadtverwaltung, Erzieher/innen, Lehrkräfte und Ehren-amtliche durch Lutz Gottwald koordi-niert. Des weiteren nutzten Mitglieder aus den Migrantenorganisationen das Angebot, sich in ihren Potentia-len durch eine Fortbildungsreihe zu stärken.

Die Herausgeber Weitere Mitwirkende

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Impressum

HERAUSGEBER: AG Wirtschaft des Integrationsbeirates der Stadt Delmen-horst 2010 - 2012, Anne Frerichs ([email protected]) und Telim Tolan ([email protected])

REDAKTION (V.i.S.d.P.): Anne Frerichs und Telim Tolan

AUTORINNEN UND AUTOREN: Holger Geisler, Dirk Hamm, Ute Kehse, Martina Meyer-Bothling, Bettina Snyder

LEKTORAT: Lutz Gottwald, Dr. Kerstin Timmermann

FOTOS: Markus Hibbeler und privat

GEFÖRDERT DURCH: · Pro Tempo GmbH· Stiftung der Oldenburgische Landesbank AG· Integrationsbeirat der Stadt Delmenhorst· Stadt Delmenhorst · Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Frauen,

Familie, Gesundheit und Integration im Rahmen des Landesprogramms "Elternarbeit, Frühe Hilfen und Mig-rationsfamilien" und der Stadt Delmenhorst - Familien- und Kinderservicebüro

LAYOUT/REALISATION: public emotions Marketing- und Medienagentur GmbH, www.public-emotions.de

© JUNI 2013

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