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Prof. Dr. Malte Mienert, Bremen 1 „Kleine Kinder, große Schritte Die Entwicklung von Kindern unter drei Jahren“

„Kleine Kinder, große Schritte Die Entwicklung von Kindern ...elternbildung.net/img/events/KinderUnterDrei15022012.pdf · Eigene Ziele und Wünsche Biologische Prozesse, Gene Weitere

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Prof. Dr. Malte Mienert, Bremen 1

„Kleine Kinder, große SchritteDie Entwicklung von Kindern unter drei Jahren“

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Gliederung

• Keine weißen Blätter – kleine Leute ganz groß• Was bis 3 so alles geschafft wird – die Entwicklungsaufgaben von Kleinkindern• Bindung und Bildung bei Kleinkindern• Ein Alltag mit vielen Rollen – die neue Flexibilität von Erzieherinnen

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Entwicklungspsychologie?!• Was ist Entwicklung?

• Was ist Psychologie?

• Welche Fragen sollen heute über die Entwicklungspsychologie besprochen werden?

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Was ist Entwicklungspsychologie?

• Die in einem inneren Zusammenhang stehenden psychischen Veränderungen im Lauf der individuellen Entwicklung bilden den Gegenstand der Entwicklungspsychologie.“

Man unterscheidet folgende globalen Aspekte:– den deskriptiven Aspekt - Was passiert?– den prognostischen Aspekt - Wohin geht es?– den erklärenden Aspekt - Woher kommt es?– den Interventionsaspekt - Was kann man tun?

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Kleinkinder

• Kleinkinder sind…

• Kleinkinder wollen immer…

• In meiner Arbeit mit Kleinkindern ist mir wichtig…

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Kleinkinder…• Neugierig, sind, pflegebedürftig, ängstlich, schüchtern, liebesbedürftig, vorsichtig, hilflos,

kontaktsuchend, suchen Nähe, hemmungsfrei, hemmungslos, eigene Persönlichkeiten, kritisch, der Mittelpunkt ihrer Welt, ausprobierend, fordernd, dankbar, in Bewegung, kreativ, fröhlich, leicht zu begeistern, unbefangen, wie ein Schwamm, hilfsbereit, beobachtend, willensstark, keine großen Kinder, mit ihren Möglichkeiten sorgen sie für sich, verletzbar, mit den Ohren überall, sensibel, einnehmend, einkackend, naselaufend, quengelig, spuckend, stinkend, nervend, unaufmerksam, dickköpfig, stur, unkonzentriert, zornig

• Ausprobieren, ungeteilte Aufmerksamkeit, Liebe, Freiheit, Bewegung, Autonomie, Kuscheln, feste Bezugspersonen, alles auf einmal, schlafen, essen, trinken, drücken, experimentieren, Zeit, erkunden, Ruhe, Antworten, Reaktionen auf etwas, Freiheit

• Sicherheit geben, immer da sein, Bedürfnisse erkennen, deuten, befriedigen, genügend Zeit für die Kinder haben, beständig sein, Selbständigkeit zulassen, gute Erziehung ist die, die sich längerfristig selbst überflüssig macht, schlechte Erziehung ist die, die die Kinder von sich abhängig macht, Zeit, Ruhe, „Füttern“ mit dem, was das Kind von mir fordert, Erziehungspartnerschaft, gute Arbeitsbedingungen, genügend Vertretungen, Personal, Räumlichkeiten, Materialien, selbstbewusste Kinder zu erziehen, achtsam und wachsam sein, gut beobachten und damit am Kind weiterzuarbeiten, Werte vorzuleben…

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Eine Beobachtung aus dem Kita-Alltag

Luca (2;10 Jahre)Luca aus der altersgemischten Gruppe holte sich aus dem Regalzwei Becher und eine Pinzette. Einer der Becher war mit großenweißen und roten Bohnen gefüllt. Er nahm den vollen Becher mit derrechten Hand und kippte die Bohnen auf den Tisch. Anschließendbegann er, die weißen und roten Bohnen mit der rechten Hand nachFarben zu sortieren. Das machte er etwa mit einigen Bohnen, bis erdie Pinzette zu Hilfe nahm (rechte Hand) und anfing, die Bohnen mitder linken Hand in die Pinzette zu klemmen. Er sortierte noch einigeBohnen in die Becher ein, bis er plötzlich die Pinzette zu fest zudrückteund die Bohne in hohem Bogen durch das Zimmer schnipste.Darauf folgte ein erstaunter Blick zu mir. Luca hatte entdeckt,dass die Bohnen „fliegen“ können. Er sortierte jetzt nicht mehr dieBohnen, sondern ließ sie mit Begeisterung durch den Raum fliegen.• C. Klett (2007)

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Keine "weißen Blätter"

• Kleinkinder sind Eigengestalter ihrer Entwicklung

• bringen intuitives Wissen und Vorwissen in das Lernen mit ein

• können auf Schutzinstinkte und –reflexe aufbauen

• können den Alltag mitentscheiden• Lernen durch Spielen• werden in der Kita für die

Meisterung des Alltags fit• leben in permanenter

Grenzüberschreitung

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Die Entwicklungsaufgaben der Unter-3-Jährigen

• Anhänglichkeit und Bindung• Objektpermanenz und Ich-

Konzept• Sensumotorische Intelligenz und

schlichte Kausalität • Motorische Funktionen, Sitzen,

Stehen, Laufen• Selbstkontrolle (vor allem

motorisch) • Sprachentwicklung • Phantasie und Spiel

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Der kompetente Säugling

• best. Verhaltensweisen, die in den ersten Lebenswochen beobachtbar sind, verschwinden bzw. tauchen später in neuer Form auf– frühes Greifen, Kriechen, Schreitreflex, Schwimmbewegungen, Rooting,

Saugen, frühkindliche Imitation• keine strukturelle Kontinuität zu späteren Verhaltensweisen?• Neuorganisation von Teilkomponenten?• vorübergehendes „Verstummen“ dieser Verhaltensweisen, da andere

zeitweilig wichtiger werden?• Rudimente evolutionärer Schutzmechanismen (Verhaltensatavismen)?• Ersatz angeborener durch erlernte Mechanismen?

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Der pädagogische Alltag mit Kindern

• Zeit für Neugierde und Erkundungen• Alltagsleben, Frühstück, Mittagessen…• Mittagsschlaf und Erholungspausen• Bringen und Abholen der Kinder• An- und Ausziehen, Körperpflege• Sauberkeitsentwicklung• Allein- und Parallelspiel• gemeinsame Themenplanung,

Dokumentation und Verantwortlichkeiten

• …

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Die Rollen der Erzieherin

• Die Erzieherin als Bindungs- und Vertrauensperson• Die Erzieherin als Fachpädagogin für frühkindliches Lernen• Die Erzieherin als Netzwerkerin• Die Erzieherin als Beobachterin und Dokumentatorin• Die Erzieherin als Erwachsenenbildnerin

• nicht mehr nur:• "Basteltante"• "Pflegerin"• "Wisserin-Was-Das-Kind-Braucht"

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Definition des Begriffs „Bildung“

• Bildung ist die Anregung aller Kräfte des Menschen, damit diese sich über die Aneignung der Welt entfalten und zu einer sich selbst bestimmenden Individualität und Persönlichkeit führen (nach Humboldt)

Bildung als:• ein aktiver, komplexer und nie

abgeschlossener Prozess, in dessen glücklichem Verlauf eine selbstständigeund selbsttätige, problemlösungsfähigeund lebenstüchtige Persönlichkeit entstehen kann

Gebildete Kinderals Erziehungsziel

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Was treibt die menschliche Entwicklung an?

Motoren der Entwicklung

Umwelteinflüsse, Sozialisation

Eigene Ziele und Wünsche

Biologische Prozesse, Gene

Weitere Einflüsse des Zufalls?

Reifung Erziehung

Selbststeuerung

Entwicklung beinhaltet die Veränderungen des Individuums, die auf die Dimension Lebensalter bezogen werden können.

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Grundzüge der Sprachentwicklung

• ab Geburt: Schreien• 6 Wochen: Gurren• 2 bis 6 Monate: Lallen (mit ersten Strukturbildungen)• 7 bis 8 Monate: Intonationsmuster (Bitten, Unwillen)• 13 bis 18 Monate: 30 bis 40 Einwortsätze• 19 bis 21 Monate: ca. 90 Zweiwortsätze• 22. bis 24. Monat: Drei- bis Vierwortsätze (ca. 200 bis 300)• 31. bis 36. Monat: erweiterte Sätze, Satzverbgefüge (ca. 1000)

• Kritische Anzeichen:• mit einem Jahr noch kein Lallen• 1;6 Jahre: Ausbleiben sprachlicher Äußerungen• 2 Jahre: nur 5 bis 10 Wörter• 3 Jahre: nur 10 bis 50 Wörter, flexionslose Wortketten, keine Zweiwortsätze

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Zum Weiterlesen:Mienert, M. & Vorholz, H. (2007). Gespräche mit Eltern –

Entwicklungs-, Konflikt- und Informationsgespräche. Troisdorf: Bildungsverlag eins.

ISBN-13: 978-3427500865

Mienert, M. & Pitcher, S. (2011). Pädagogische Psychologie. Theorie und Praxis des Lebenslangen Lernens. Wiesbaden: VS Verlag.

ISBN-13: 978-3531169453

Mienert, M. & Vorholz, H. (2009). Kleine Kinder – große Schritte. Grundlagen der pädagogischen Arbeit mit Krippenkindern.

Troisdorf: Bildungsverlag eins.ISBN-13: 978-3427503927

Mienert, M. & Vorholz, H. (2011). Den Alltag öffnen – Perspektiven erweitern. Offene Arbeit in den Kitas nach den Bildungsplänen

gestalten. Troisdorf: Bildungsverlag eins.ISBN-13: 978-3-427-50481-8

Mienert, M. (2008). Total diffus – Erwachsenwerden in der jugendlichen Gesellschaft. Wiesbaden: VS-Verlag für

SozialwissenschaftenISBN-13: 978-3531160931

Mienert, M. & Vorholz, H. (2011). Schüler und Lehrer im Konflikt. Neue Strategien für ein respektvolles Miteinander. Paderborn:

Schöningh.ISBN-13: 978-3506771810