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Aktuelles aus dem Landtag - März 2009
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AKTUELLES AUS DEM LANDTAG 1
INHALTSVERZEICHNIS
1. Soziales, Familie, Frauen und Gesundheit
1.1 Sozialgesetzbuch II – Neuorganisation 2-3
1.2 Landesblindengeld 3-4
1.3 Pflegestützpunkte 4-5
2. Bildung, Wissenschaft und Kultur
2.1 Maßnahmenbündel zur Schulpolitik 6-11
2.2 Große Anfrage „Hochschulzugang und Bildungschancen in Niedersachsen“ 11-14
3. Haushalt und Finanzen; Wirtschaft, Arbeit und Verkehr
3.1 JadeWeserPort, Hafenhinterlandanbindung und Lärmschutz 15-16
3.2 Continental 16-17
4. Innen-, Rechts- und Sportpolitik
4.1 Neues Niedersächsisches Beamtenrecht 18-19
4.2 Antrag gegen den geplanten Naziaufmarsch am 1. Mai in Hannover 19
5. Agrar und Umwelt
5.1 Novellierung des Waldgesetzes 20
5.2 Große Anfrage zum Kernkraftwerk Unterweser (KKU) 20-21
6. Europa und Medien
6.1 Die zukünftige soziale Dimension der Europäischen Union 22
___________________________________________________________________________________
Ausgabe März 2009
AKTUELLES AUS DEM LANDTAG 2
1. SOZIALES, FAMILIE; FRAUEN UND GESUNDHEIT
Wissenschaftlicher Fachreferent: Thomas Franzkewitsch; Telefon 0511-3030 4306
1.1 Sozialgesetzbuch II – Neuorganisation
Das Bundesverfassungsgericht hat am 20. Dezember 2007 festgestellt, dass die ARGEn
(Arbeitsgemeinschaften aus Arbeitsagentur und Kommune) eine nicht mit dem Grundgesetz
vereinbare Mischverwaltung darstellen. Bis Ende 2010 ist daher die Organisation der
Arbeitsförderung im SGB II neu zu regeln und auf eine gesicherte Rechtsgrundlage zu
stellen. Die Vorschläge des Bundesarbeitsministeriums zuerst für so genannte „kooperative
Jobcenter“ und in der Folge für die „Zentren für Arbeit und Grundsicherung“ (ZAG) als neue
Ausgestaltung der gemeinsamen Aufgabenwahrnehmung sahen aber eine hervorgehobene
Position der Arbeitsagenturen in dieser Struktur vor. Hinsichtlich der Optionsregelung mit der
alleinigen Verantwortung der Kommunen war der Bund zwar zu einer Entfristung der bis
Ende 2010 begrenzten Zulassung bereit, aber nicht zu einer Ausweitung über die bisherigen
Kommunen hinaus (Entkontingentierung). Die Option wird vom Bundesarbeitsministerium
nicht als Zukunftsmodell angesehen.
Aus Sicht der FDP stehen die Entscheidungskompetenzen der kommunalen Träger hingegen
gerade im Hinblick auf Langzeitarbeitslose mit zahlreichen Vermittlungshemmnissen und die
Verknüpfung mit anderen sozialen Angeboten im Vordergrund. Dies zeigt auch die
erfolgreiche Arbeit der 13 Optionslandkreise in Niedersachsen. Wo das Optionsmodell von
der kommunalen Seite aus nicht wünschenswert erscheint, sollte eine gleichberechtigte Form
der Kooperation mit den Arbeitsagenturen ausgestaltet werden. Diese Position hat in
Niedersachsen weitgehende Unterstützung gefunden.
So hat der Landtag am 02. Juli und 14. November 2008 mit den Stimmen aller Fraktionen
außer der Linksfraktion Entschließungen gefasst, die auch von allen drei kommunalen
Spitzenverbänden in Niedersachsen begrüßt wurden. Kernpunkt ist die Wahlfreiheit
hinsichtlich der Trägerschaft durch eine Grundgesetzänderung, die sowohl eine gemeinsame
Aufgabenwahrnehmung ermöglicht, als auch die eigenverantwortliche Wahrnehmung durch
die kommunalen Träger mit einer Entfristung und Entkontingentierung der Optionsregelung
sichert. Die Landesregierung hat u. a. in der Arbeits- und Sozialministerkonferenz diese
Vorstellungen deutlich gemacht.
Nach der Ministerpräsidentenkonferenz im Dezember letzten Jahres gab es auf Bundesebene
den Versuch einer Einigung im Rahmen einer Arbeitsgruppe aus Bundesarbeitsministerium
AKTUELLES AUS DEM LANDTAG 3
und den Landesregierungen von NRW und Rheinland-Pfalz. Hier konnte das Übergewicht des
Bundes bei der gemeinsamen Aufgabenwahrnehmung zumindest abgeschwächt werden.
Dazu sollten eine paritätisch besetzte Trägerversammlung für die ZAG und die Einführung
von Kooperationsausschüssen auf Landesebene beitragen. Zentralistische Vorgaben wie die
Verwendung der Software der Arbeitsagentur und die Anwendung des Tarifvertrages für
Arbeitnehmer des Bundes blieben jedoch bestehen. Zudem sollte bei einer bisher getrennten
Aufgabenwahrnehmung unter einem Dach wie z. B. in Celle die Einrichtung eines ZAG
verpflichtend werden. In der Frage der Option wurden als Alternativen eine Entfristung in
einfachgesetzlicher Form oder eine verfassungsrechtliche Absicherung nur für den Bestand
erörtert. Eine Wahlfreiheit wäre damit nicht möglich, da ein rechtlicher Rahmen für die
Neuzulassung kommunaler Träger vom Bund abgelehnt wurde.
Aus Sicht der Bundesländer mit FDP-Regierungsbeteiligung ist eine Möglichkeit zur
Ausweitung der Option unverzichtbar. Auf Bundesebene hat letztlich Mitte März jedoch die
CDU-/CSU-Bundestagsfraktion den Kompromissvorschlag abgelehnt. Dort stand im
Vordergrund, dass nicht mit einer spezifischen Grundgesetzänderung der verfassungswidrige
Zustand einer Mischverwaltung behoben werden sollte. Insbesondere Abgeordnete aus den
süddeutschen Ländern lehnen grundsätzlich eine gemeinsame Aufgabenwahrnehmung von
Arbeitsagentur und Kommunen ab. Damit scheint eine Einigung vor der Bundestagwahl
kaum mehr möglich.
In der letzten Landtagssitzung hat die FDP-Fraktion eine Aktuelle Stunde zur Thematik
eingebracht. Eine Verständigung auf eine gemeinsame Entschließung war mit SPD und
Grünen im Gegensatz zum Vorjahr aber nicht mehr möglich, da diese für eine schnelle
Annahme der Vorschläge zu den ZAG und nicht mehr für eine Wahlfreiheit zur Ausweitung
der Option eintreten.
1.2 Landesblindengeld
Der Landtag hat eine Erhöhung der Sätze des Landesblindengeldes beschlossen und zwar
von 220 auf 265 Euro bzw. von 300 auf 320 Euro für blinde Menschen unter 25. Für blinde
Menschen in stationären Einrichtungen wird das Blindengeld von 50 auf 100 Euro erhöht, da
für diese die Anrechnung des Blindengeldes auf die Sozialhilfeleistungen zu einem Wegfall
des Barbetrages nach § 35 Abs. 2 SGB XII und damit zu einer Benachteiligung gegenüber
sehenden Menschen führt. Bei blinden Menschen in häuslicher Pflege, die gleichzeitig
AKTUELLES AUS DEM LANDTAG 4
Pflegegeld über die Pflegeversicherung erhalten, wird die bisherige prozentuale Anrechnung
durch die Anrechnung fester Beträge ersetzt. Damit soll verhindert werden, dass künftige
Dynamisierungen des Pflegegeldes zur Kürzung des Blindengeldes führen.
Hintergrund der Erhöhung ist, dass bei der Wiedereinführung des Landesblindengeldes
Anfang 2007 vereinbart wurde, dass insgesamt 30 Mio. Euro jährlich für blinde Menschen im
Landeshaushalt zur Verfügung stehen sollen. Die tatsächliche Ausgabenentwicklung beim
Blindengeld, bei den Ausgleichszahlungen an die Kommunen für Sozialhilfeleistungen im
Rahmen der Blindenhilfe sowie bei dem Fonds für besondere Hilfeleistungen blieb jedoch
deutlich unter den anvisierten 30 Mio. Euro. Dies betrifft vor allem die Ansprüche auf
Blindengeld. Daher wurde mit dem Blindenverband eine entsprechende Anpassung der Sätze
ausgehandelt. Aufgrund der zügigen und einvernehmlichen parlamentarischen Beratung der
Gesetzesänderung kann die Erhöhung bereits rückwirkend zum 01. Januar in Kraft treten.
1.3 Pflegestützpunkte
Der Landtag hat einen Entschließungsantrag beschlossen, der den Rahmen für das weitere
Vorgehen zur Einrichtung von Pflegestützpunkten aus Sicht der Fraktionen von FDP und CDU
vorgibt. Entscheidender Punkt ist dabei, dass eine landesgesetzliche Regelung oder eine
Verfügung der Landesregierung zur flächendeckenden Einführung abgelehnt wird. Dies war
die Kernforderung der Oppositionsfraktionen. Zudem soll zwar sichergestellt werden, dass
die Anschubfinanzierung des Bundes aufgrund der letzten Pflegeversicherungsreform genutzt
werden kann, eine zukünftige finanzielle Verpflichtung des Landes soll aber ausgeschlossen
werden.
Derzeit moderiert das Sozialministerium die Verhandlungen zwischen Pflegekassen und
kommunalen Spitzenverbänden zu einer entsprechenden Rahmenvereinbarung, bei denen
sich auch eine Einigung abzeichnet. Nur der Städte- und Gemeindebund (dessen Beteiligung
nicht erforderlich ist) lehnt bisher die Vereinbarung ab. Diese Rahmenvereinbarung kann die
Intention des Landtagsbeschlusses umsetzen. Auf ihrer Grundlage sollen vor Ort zwischen
Kassen, kommunalen Trägern und ggf. weiteren beteiligten Akteuren regionale
Vereinbarungen zu Errichtung, Organisation, Betrieb und Finanzierung der Pflegestützpunkte
abgeschlossen werden. Dabei ist der Aufbau von Doppelstrukturen durch eine Anbindung an
vorhandene Beratungsstrukturen zu vermeiden. Neben einer individuellen Pflegeberatung
sollen die Stützpunkte bei Absprachen zur Koordination von Diensten und Anbietern im
AKTUELLES AUS DEM LANDTAG 5
pflegerischen und vorpflegerischen Bereich mitwirken. Sie sollen mit Selbsthilfegruppen und
anderen ehrenamtlichen Organisationen zusammenarbeiten. Leistungsentscheidungen
können in den Pflegestützpunkten nicht erfolgen, sie obliegen weiterhin den jeweils
zuständigen Pflegekassen. Damit sichern wir freiwillige Lösungen zur Pflegeberatung ab,
ohne dass wir vom Land eine Verpflichtung vorgeben.
AKTUELLES AUS DEM LANDTAG 6
2. BILDUNG, WISSENSCHAFT UND KULTUR
Wissenschaftliche Fachreferentin: Claudia Fritzsche; Telefon 0511-3030 4303
2.1 Maßnahmenbündel zur Schulpolitik
Am 17. Februar haben die Fraktionen von FDP und CDU den Beschluss „Bildungsland
Niedersachsen – Schulen in Niedersachsen qualitativ weiterentwickeln“ verabschiedet. Dieses
Papier greift viele der Vorschläge auf, die das Kabinett am 24. Februar in seinem Beschluss
„Bildungsland Niedersachsen – Erfolge und Herausforderungen“ gefasst hat. Dabei geht es
einerseits um Maßnahmen, die der Sicherung der Unterrichtsversorgung dienen sollen,
andererseits um die Weiterentwicklung des Niedersächsischen Schulsystems. Im Folgenden
sollen einige Punkte vorgestellt werden. Das Kultusministerium bietet auf der Seite
www.bildung.niedersachsen.de zu den einzelnen Punkten ebenfalls Informationsblätter mit
Erläuterungen an.
Maßnahmen zur Sicherung der Unterrichtsversorgung
Gerade die Maßnahmen, die zur Sicherung der Unterrichtsversorgung beschlossen wurden,
stellen zum Teil schmerzhafte Einschnitte dar. Sämtliche Entscheidungen haben wir uns nicht
leicht gemacht, sondern alle Punkte sehr ausführlich diskutiert – untereinander und auch mit
dem Koalitionspartner.
Wir stehen in der Verantwortung, für alle Schülerinnen und Schüler in Niedersachsen die
Unterrichtsversorgung zu gewährleisten. Die jetzt zu ergreifenden Maßnahmen sind
notwendig, um insbesondere an den weiterführenden Schulen den vollen Unterricht
sicherstellen zu können. Vor einem Jahr gab es mit Blick auf die Unterrichtsversorgung die
Überlegung, die Rückzahlung der Mehrarbeitszeit im Rahmen der Arbeitszeitkonten für alle
Lehrkräfte an das Ende der Lebensarbeitszeit zu verlegen. Die FDP-Fraktion hat sich damals
gegen eine solche Zwangsmaßnahme ausgesprochen, darin sind wir von vielen Lehrerinnen
und Lehrern aber auch von Eltern bestärkt und unterstützt worden. Wir bitten nun alle
Betroffenen um Verständnis, dass wir die Unterrichtsversorgung durch diese vielen
verschiedenen Maßnahmen sicherstellen müssen.
Zu diesen Maßnahmen zählen unter anderem:
die Einstellung von zusätzlich 500 Lehrkräften und 240 Referendaren in 2009
die Einstellung von Feuerwehrlehrern bis zur vollen Stundenzahl
die Erleichterung des Einstiegs in den Schuldienst für qualifizierte Quereinsteiger
AKTUELLES AUS DEM LANDTAG 7
die Übernahme von Referendaren schon zum Schuljahresbeginn bei voller Vergütung
in den Schuldienst
die Übernahme und Neueinstellung von Grundschullehrern in das Beamtenverhältnis
mit voller Stelle
die individuelle Überprüfung der Anträge auf Teilzeit im dienstlichen Interesse in
Hinblick auf die Unterrichtsversorgung einer jeden Schule
die 10%ige Reduzierung der Anrechnungs- und Entlastungsstunden der Lehrkräfte
zur freien und flexiblen Vergabe durch die Schulleitung, vorübergehend für zwei
Jahre, ausgenommen sind die Beratungslehrer
eine Umwandlung der noch bestehenden Vollen Halbtagsschulen in Verlässliche
Grundschulen schrittweise zum 1.8.2010
Vor allem der letzte Punkt – die Umwandlung der Vollen Halbtagsschulen in Verlässliche
Grundschulen – ist dort, wo es noch volle Halbtagsschulen gibt (ca. 7% aller Grundschulen),
sehr umstritten. Wir können diesen Schritt vertreten, weil 93% aller Grundschulen als
Verlässliche Grundschulen arbeiten und die Berichte der Schulinspektion und die Ergebnisse
der Vergleichsarbeiten nach der dritten Klasse zeigen, dass die pädagogische Arbeit an den
Verlässlichen Grundschulen der pädagogischen Arbeit an den Vollen Halbtagsschulen in
keiner Weise nachsteht. Wir verwehren uns dagegen, dass in der aktuellen Diskussion die
beiden Grundschulformen gegeneinander ausgespielt werden, durch die Umstellung findet
kein Abbau von Qualität statt.
Da die verlässliche Schulzeit in den Vollen Halbtagsschulen ausschließlich durch den Einsatz
von Lehrkräften gewährleistet wird, werden bei der Umwandlung in Verlässliche Grund-
schulen weniger Lehrerstunden benötigt. Dafür erhalten die Schulen aber ein Budget zur
Beschäftigung von pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Der in der Stundentafel
für alle Grundschulen vorgeschriebene Unterricht und auch der genehmigte Förderunterricht
wird auch in den Verlässlichen Grundschulen ausschließlich durch Lehrkräfte erteilt.
Wir sehen, dass die Vollen Halbtagsschulen für den Umstellungsprozess ihre pädagogischen
Konzepte umschreiben müssen. Wir haben uns daher entgegen der ursprünglichen Planung
dafür entschieden, die Umwandlung nicht zum kommenden Schuljahr sondern erst zum
Schuljahr 2010/2011 umzusetzen. So geben wir den Grundschulen, die sich bereits mitten in
den Planungen für das nächste Schuljahr befinden, genügend Zeit, um die Umstellung ohne
Reibungsverluste durchführen zu können.
AKTUELLES AUS DEM LANDTAG 8
Weiterentwicklung der Schulstruktur
Die Fraktionen von FDP und CDU wollen das bewährte und bestehende Schulsystem
inhaltlich und strukturell weiter entwickeln. Jede Schülerin und jeder Schüler in
Niedersachsen soll gemäß ihrer/ seiner Begabungen einen Schulabschluss erreichen. Im
Mittelpunkt unserer Bildungspolitik steht eine qualitative, begabungsgerechte und individuelle
Förderung unserer Schülerinnen und Schüler. Aufgrund zurückgehender Schülerzahlen wird
immer wieder über die Abschaffung der Hauptschule bzw. über eine Zwangszusammen-
legung von Haupt- und Realschule diskutiert. Beide Möglichkeiten kommen für uns nicht in
Frage. Uns ist aber klar, dass es aufgrund des demografischen Wandels zu Änderungen
kommen muss. Wir werden daher in Zukunft die bereits heute bestehende Möglichkeit der
Zusammenarbeit von Haupt- und Realschule mit einer Schulleitung und einem Schulvorstand
weiter ausbauen, damit diese auch in Zukunft wohnortnah vorgehalten werden können.
Dabei soll die bestehende Möglichkeit des gemeinsamen Unterrichts auf zusätzliche Fächer
ausgeweitet werden können, mit Ausnahme der Kernfächer Deutsch, Mathematik und 1.
Fremdsprache.
Zukünftig soll aber auch das Profil der Hauptschulen und der Realschulen weiter geschärft
werden. Die Berufsorientierung und -vorbereitung wird insbesondere in den Haupt- und
Realschulen eine besondere Stellung einnehmen. Ein Problem der Hauptschulen war bisher
die hohe Abbrecherquote. Durch das Hauptschulprofilierungsprogramm (bevorzugter Ausbau
zu Ganztagsschulen, Betriebs- und Praxistage, Berufsorientierung, Sozialpädagogen, kleinere
Klassen) konnten wir erreichen, dass die Abbrecherquote wieder deutlich zurückgeht. Diesen
Weg wollen wir in Zukunft stärker ausbauen und eine enge Zusammenarbeit der
Hauptschulen mit Berufsbildenden Schulen einführen. Dieses Modell wurde bereits an der
KGS Neustadt unter dem Namen „Neustädter Modell“ erprobt und hat dort zu sehr positiven
Ergebnissen geführt. An den neuen Hauptschulen können natürlich nach wie vor alle
Abschlüsse des Sekundar-I-Bereiches erreicht werden. So ist auch die Durchlässigkeit zu
anderen Abschlüssen gewährleistet.
Die Realschulen sollen in ihrer Funktion als Schnittstelle von Berufsorientierung und
Vorbereitung auf die gymnasiale Oberstufe stärker als bisher gefördert werden. Dies soll
durch die vorgeschlagene Profilierung in der 9. und 10. Klasse erreicht werden. Die
Schülerinnen und Schüler, die eher eine berufliche Ausbildung anstreben, entscheiden sich
für ein berufliches Profil mit den Schwerpunkten Technik, Wirtschaft oder Soziales.
Diejenigen, die den Besuch des Gymnasiums und ein Studium anstreben, entscheiden sich
AKTUELLES AUS DEM LANDTAG 9
bereits ab der 9. Klasse gezielt für eine intensive Vorbereitung auf die gymnasiale Oberstufe.
Das heißt aber nicht, dass dadurch Bildungsgänge abgeschnitten werden. Natürlich können
auch die Schülerinnen und Schüler mit dem beruflichen Profil einen erweiterten
Sekundarabschluss I machen und im Anschluss noch das Fachgymnasium oder die
gymnasiale Oberstufe besuchen. Wir stärken damit die Realschule in ihrer Doppelfunktion
der beruflichen Vorbereitung, aber auch als Weg zum Abitur nach 13 Jahren.
Abitur nach zwölf Jahren auch an der Integrierten Gesamtschule (IGS)
Trotz der Änderung des Schulgesetzes vor einem Jahr, die die Neuerrichtung von
Gesamtschulen ermöglicht, wird der Landesregierung und beiden Koalitionsfraktionen von
verschiedenen Seiten vorgehalten, Gesamtschulen zu benachteiligen, zu verhindern oder gar
systematisch zu zerschlagen, weil die Fünfzügigkeit eine Bedingung für die Neuerrichtung ist,
weil die Gesamtschulen nicht automatisch Ganztagsschulen sind und weil nun auch an den
IGSen die Vergabe des Abiturs an zwölf Jahre geknüpft werden soll.
Zunächst ein Blick auf die Ist-Situation:
In Niedersachsen gibt es 32 Integrierte Gesamtschulen, die von ca. 31.000
Schülerinnen und Schülern besucht werden (rund 3,3 Prozent aller niedersächsischen
Schülerinnen und Schüler). Diese Schulen sind aufgrund von Erlassen der SPD-
Vorgängerregierung in der Regel um zehn bis 14 Prozent besser mit Personal und
Sachmitteln ausgestattet als andere Schulformen. 22 der IGSen bieten die
Sekundarstufe II an, von den 13 neuen Integrierten Gesamtschulen, die im Schuljahr
2009/2010 ihren Betrieb beginnen werden, hat bisher nicht eine die gymnasiale
Oberstufe beantragt.
Gleichzeitig gibt es 34 Kooperative Gesamtschulen (KGS), die von ca. 40 500
Schülerinnen und Schülern besucht werden (rund 4,2 Prozent) aller
niedersächsischen Schülerinnen und Schüler und von denen 18 mit der Sekundarstufe
II ausgestattet sind. An den KGSen gab es bereits in der Vergangenheit – wie auch
an den Gymnasien – so genannte Schnellläuferklassen bis zum Abitur.
AKTUELLES AUS DEM LANDTAG 10
Nun zu den einzelnen oben angeführten Punkten:
Die IGSen müssen fünfzügig sein, um aus dem eigenen Schülerbestand eine
mindestens dreizügige gymnasiale Oberstufe mit der notwendigen Schwerpunktbreite
bilden zu können.
Mit dem Regelangebot zwölf Jahre bis zum Abitur ändert sich an der IGSen nur
wenig: Sie müssen künftig in den Fachleistungskursen Deutsch, Mathematik, Englisch
und Naturwissenschaften neben „A“ und „B“ zusätzlich die äußere Differenzierung „Z“
einführen, wie sie im Gesamtschulerlass des Kultusministeriums seit Jahren als
Möglichkeit vorgesehen ist. Schülerinnen und Schüler, die die gymnasiale Ein-
führungsstufe in der Klasse 10 anstreben, sollten bereits ab Klasse 6 eine zweite
Fremdsprache erlernen, können aber auch später damit beginnen. Wie bisher kann
der Pflichtunterricht in den Jahrgängen 5 bis 6 und 7 bis 10 als integrierter Unterricht
stattfinden. Ab Klasse 7 werden IGS-Schüler dann auf drei Kursniveaus in Mathe und
erster Fremdsprache unterrichtet. In Deutsch gilt diese Dreier-Differenzierung ab
Klasse 8, in den Naturwissenschaften ab Klasse 9. Wie bisher ist in den Jahrgängen 5
bis 9 ein Wechsel zwischen den Kursen je nach Leistungsvermögen und Entscheidung
der Klassenkonferenz möglich. Der Zugang zur Einführungsphase in die gymnasiale
Oberstufe im 10. Schuljahr setzt allerdings die zweite Fremdsprache sowie ent-
sprechende Leistungen voraus. Nach wie vor können bis zur Klasse 8 die Zeugnisse
und Noten durch Lernentwicklungsberichte ersetzt werden. Haupt- und Realschüler
haben wie bisher die Möglichkeit einen Schulabschluss zu erwerben, der sie am Ende
des 10. Schuljahres in die Eingangsphase der gymnasialen Oberstufe oder des Fach-
gymnasiums führt. Nach drei weiteren Jahren können sie das Abitur machen. Damit
vereinen die Integrierten Gesamtschulen einen gymnasialen und einen berufsorien-
tierten Zweig unter einem Dach, der nach 12 oder 13 Jahren zum Abitur führen kann.
Die IGSen, die nach der Schulgesetzänderung neu errichtet werden, müssen – wie
alle anderen Schulen auch – beantragen, dass sie als Ganztagschulen geführt werden
wollen. Laut Schulgesetz und laut Erlasslage ist an IGSen die Stundentafel so
ausgelegt, dass der Unterricht halbtägig gehalten werden kann und nicht
zwangsläufig auf einen ganzen Tag verteilt werden muss. Die Mittel für die
Ausstattung der Ganztagsschulen sind bekanntermaßen knapp – auch wenn es uns
gelungen ist, in den Haushaltsberatungen für 2009 die Mittel wieder aufzustocken.
Wir verteilen diese knappen Mittel fair an alle Schulen, die als Ganztagsbetrieb
AKTUELLES AUS DEM LANDTAG 11
arbeiten – ohne eine Schulform zu Lasten aller übrigen Schulformen zu bevorzugen
oder zu benachteiligen.
2.2 Große Anfrage „Hochschulzugang und Bildungschancen in Nieder-
sachsen“
Im März-Plenum wurde die Große Anfrage der SPD zum Thema „Hochschulzugang und
Bildungschancen in Niedersachsen“ besprochen. Die wichtigsten Punkte der umfangreichen
Antwort (Drs. 16/885) sollen hier vorgestellt werden:
• die Chancen auf einen Hochschulzugang für Kinder aus einkommensschwachen
Familien haben sich in den letzen 30 Jahren deutlich verbessert
• Bildungschancen und soziale Herkunft konnten dennoch nicht entkoppelt werden
• in Niedersachsen liegt die Zahl derjenigen Studierenden, deren Eltern eine
Facharbeiterausbildung oder Lehre absolviert haben, über dem Bundesdurchschnitt
(Niedersachsen 31,4%, Deutschland 27%)
• in Niedersachsen studieren schon jetzt 15% „aller nichttraditionellen Studien-
anfängerinnen und Studienanfänger“ in Deutschland
Soziale Herkunft
• höchster allgemeinbildender Abschluss: in Niedersachsen verfügen 17,7% (Bund:
14%) der Eltern der Studierenden über einen Hauptschulabschluss, 30,2% (Bund:
28%) über die mittlere Reife und 50,1% (Bund: 58%) über die Hochschulreife
• höchster berufsqualifizierender Abschluss: in Niedersachsen haben 43,5% (Bund:
51%) der Eltern der Studierenden eine Hochschulabschluss, 22,3% (Bund: 20%)
einen Meisterprüfung oder einen Technikerabschluss und 31,4% (Bund: 27%) einen
Facharbeiterabschluss oder eine abgeschlossene Lehre
• soziale Herkunft der Studierenden zusammenfassend für Niedersachsen und Bund:
soziale Herkunft Nds. Uni Nds. FH Bund ges.
niedrig 12,4% 18,9% 13%
mittel 26,7% 41,7% 25%
gehoben 24,3% 17,5% 24%
hoch 36,7% 22,0% 38%
AKTUELLES AUS DEM LANDTAG 12
• Die Zahl der Absolventinnen und Absolventen ist in den letzten Jahren sowohl
bundesweit als auch in Niedersachsen deutlich angestiegen. In Niedersachsen ergibt
sich für das Jahr 2007 mit 23.643 Hochschulabsolventen ein neuer Höchststand, die
Zahl der Absolventen ist gegenüber dem Vorjahr in Niedersachsen um 8,5%
gestiegen.
Hochschulzugang und Bildungsbeteiligung
• Das Chancenverhältnis der Kinder von Arbeitern im Verhältnis zu Angestellten, zu
Beamten und zu Selbstständigen hat sich verbessert.
• Die Übergangsquote auf eine Hochschule oder eine Berufsakademie beträgt im
gesamten Bundesgebiet 73,4%, in Niedersachsen ist die Quote fast identisch: 73,1%.
• Für die zweite Phase des Hochschulpaktes 2020 hat Niedersachsen bereits eine
Verpflichtungsermächtigung in den Haushalt eingestellt. In den Jahren 2011 und
2012 sollen in Niedersachsen bis zu 20.800 zusätzliche Studienanfängerplätze
geschaffen werden.
• Der Hochschulzugang ist in Niedersachsen bereits offen für Studierende ohne
Hochschulzugangsberechtigung: für Meister, Techniker, staatlich geprüfte Betriebs-
wirte. Im ANKOM-Projekt werden Verfahren zur Anrechnung von im Beruf
erworbenen Qualifikationen auf ein Hochschulstudiumentwickelt. Die Ergebnisse
sollen bei der Entwicklung von neuen Studiengängen Berücksichtigung finden.
• Grundsätzlich sind Teilzeitstudiengänge und berufsbegleitende Studiengänge in
Niedersachsen bereits möglich – die Rahmenbedingungen sind im NHG geregelt.
Studienbeiträge
• Im Studienjahr 2008 (Sommersemester (SS) 2008 und Wintersemester (WS)
2008/2009) wurden 1961 Studienbeitragsdarlehen gewährt.
• Im Wintersemester 2008/2009 erhielten im Verhältnis zur Zahl der Studierenden, die
Studienbeiträge gezahlt haben, 6,47% ein Studienbeitragsdarlehen.
• Mithilfe der Studienbeiträge konnten die Hochschulen im Jahr 2007 (SS 07 und WS
07/08) Mehreinahmen in Höhe von etwa 92 Mio. € erzielen; die Studierenden sind an
der Entscheidung über die Verwendung der Studienbeiträge aktiv beteiligt.
AKTUELLES AUS DEM LANDTAG 13
• Die Studienbeiträge wurden nach dem bisherigen Kenntnisstand zu keinem Zeitpunkt
falsch oder missbräuchlich verwendet.
Studium
• Die Fächerwahl hat sich in den letzten Jahren wie folgt verändert:
Fächer Status Prozentualer Prozentualer
Vergleich 2007 Vergleich 2008
Sprach- und leicht 20,9 % 18,3 %
Kulturwissenschaft verringert
Rechts-, Wirtschafts- leicht 32,0 % 30,6 %
und Sozialwissenschaft verringert
Mathematik/ leicht erhöht 15,6 % 18,4 %
Naturwissenschaft
Ingenieurwissenschaft nicht 18,0 % 18,1 %
verändert
• Die Studienabbruchquote liegt deutschlandweit bei insgesamt 21% (Männer 26%,
Frauen 15%).
• Hochschulen nennen als Gründe für einen Abbruch neben Studiengangs- oder
Studienortswechsel auch die falsche Einschätzung der eigenen Fähigkeiten und
Überforderung.
• Die Landesregierung geht von einer Verbesserung der Quote aus, sobald die neue
Studienstruktur, Finanzierungen von Unterstützungsleistungen und Leistungsanreize
in Folge von leistungsbezogener Mittelzuweisung eingesetzt werden.
• Die Zahl hat sich der Studierenden in den letzten zehn Jahren von 2.234 auf 4.639
erhöht. Die Zahl der Studierenden in einem Zweitstudium hat sich von 10.384 auf
4.089 verringert.
• Teilzeitstudiengänge können an niedersächsischen Hochschulen eingerichtet werden
o Grundständige Studiengänge können wahlweise in Vollzeit oder Teilzeit
angeboten werden. Dies bietet zurzeit die Leibniz Universität Hannover, die
Leuphana Universität Lüneburg und die FH Oldenburg/Ostfriesland/
Wilhelmshaven an
AKTUELLES AUS DEM LANDTAG 14
o Die meisten weiterbildenden, berufsbegleitenden, kostenpflichtigen
Masterangebote, die traditionellerweise vor allem an privaten Hochschulen
angeboten werden, können wahlweise in Teilzeit studiert werden.
Promotion und Berufseinstieg
• Von den in Niedersachsen eingeschriebenen Studierenden studieren in 2007/08 7.269
mit dem Ziel der Promotion (1998/99: 5.437).
• Zur Unterstützung der Promotion gibt es zahlreiche Stipendien, Graduate Schools
oder Promotionsprogramme die Landesregierung stellt Mittel zur Förderung des
wissenschaftlichen Nachwuchses in Höhe eines Fördervolumens von rund 2,3 Mio.
Euro bis 2010 zur Verfügung, wodurch bis zu 111 Promotionsstipendien vergeben
werden können.
• Auch für die Unterstützung von Nachwuchswissenschaftlerinnen gibt es besondere
Förderprogramme (zum Beispiel um die Qualifikation für eine Professur zu
unterstützen).
• Der Berufseinstieg gelingt Bachelorabsolventen genauso schnell wie Magister- und
Diplomabsolventen (HIS-Umfrage in 2004); dies hat sich in den letzten Jahren etwas
gewandelt, da der Übergang in die weitere akademische Qualifizierung
(Masterstudium) für die Bachelorabsolventen inzwischen an Bedeutung gewonnen
hat. Vor allem das Übergangsverhalten von BA Wirtschaftswissenschaften und BA
Fachhochschulen ist dem der Diplomierten vergleichbar.
• Die Landesregierung fördert die Neueinstellung von Innovationsassistenten in kleinen
und mittleren Betrieben mit rund 400.000 Euro pro Jahr.
AKTUELLES AUS DEM LANDTAG 15
3. HAUSHALT UND FINANZEN; WIRTSCHAFT, ARBEIT UND VERKEHR
Wissenschaftlicher Fachreferent: Fabian Fischer; Telefon 0511-3030 4305
3.1 JadeWeserPort, Hafenhinterlandanbindungen und Lärmschutz
Im Rahmen der Plenarwoche hat der Landtag am 25. März 2009 auf Antrag von CDU und
FDP beschlossen, sich noch stärker als bisher für den JadeWeserport und die
Hafenhinterlandanbindungen einzusetzen.
Die Häfen in Niedersachsen wachsen enorm. Ein Trend den die Wirtschaftskrise zwar im
Moment verzögert, aber nicht aufhebt. Besonders der JadeWeserPort in Wilhelmshaven
bietet deshalb als größtes Infrastrukturprojekt des Landes alle Voraussetzungen dafür, zu
einer Erfolgsgeschichte für die Küstenregion und darüber hinaus für das gesamte Land
Niedersachsen zu werden. Der JadeWeserPort ist der einzige Tiefwasserhafen in Deutschland
und hat durch seine günstige geografische Lage mit einer kurzen Revierfahrt als
Hafenstandort natürliche Vorteile gegenüber anderen europäischen Häfen.
Aus diesem Grund wollen die Fraktionen sicherstellen, dass die Voraussetzungen dafür
geschaffen werden, dass der JadeWeserPort im Jahr 2011 in Betrieb genommen und im Jahr
2012 endgültig fertiggestellt werden kann. Dies wäre eineinhalb Jahre früher als ursprünglich
geplant. Gleichzeitig sollte möglichst zeitnah mit den ersten Überlegungen bzw. Planungen
für die zweite Ausbaustufe begonnen werden.
Darüber hinaus wollen die Fraktionen erreichen, dass sich die Landesregierung auf
Bundesebene für eine zügige Realisierung der für den Hafenhinterlandverkehr wichtigen
Infrastrukturprojekte auf der Straße, der Schiene und der Wasserstraße einsetzt. Die
Hinterlandanbindungen weiterhin zu beschleunigen um für die Zeit nach der Krise gut
aufgestellt zu sein und vom Wachstum zu profitieren ist nach wie vor wichtig und richtig.
Beim heutigen Zeitfaktor der Umsetzung des Ausbaus in Schiene, Straße und Wasserstraße
steht fest, dass die Verkehrsinfrastruktur an ihre Grenzen stoßen wird. Die Mittel aus dem
Bund sind unzureichend. Die Auswirkungen, wenn sich Waren stauen – ob direkt an der
Abnahmestelle oder auf überfüllten Verkehrswegen – werden unterschätzt.
Um schneller mögliche Bahnstrecken für den Güterverkehr zu ertüchtigen haben die
Landesregierung und der Bund 20 Mio. € für die Nichtbundeseigenen Bahnen bereitgestellt.
Diese Strecken können so schneller befähigt werden Güterverkehre vorübergehend
aufzunehmen.
AKTUELLES AUS DEM LANDTAG 16
Der Antrag von CDU und FDP verdeutlichte aber auch, dass bei allen Ausbau- und
Erweiterungsmaßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur auch berechtigte Interessen
der betroffenen Anwohner hinsichtlich geringer Lärmemissionen zu berücksichtigen sind.
3.2 Continental
Am Mittwoch, den 25. März 2009 befasste sich der Landtag im Rahmen der Aktuellen Stunde
mit der angekündigten Teilschließung des Continental-Standorts Hannover.
Massive Nachfrageeinbrüche in der Erstausrüstung und erhebliche Marktschwächen im
Ersatzgeschäft haben bei der Continental AG, Hannover, zu Überkapazitäten in der
Produktion von Pkw- und Nutzfahrzeugreifen geführt. Der Produktionsplan für das Werk in
Stöcken für 2009 mussten 1,28 Millionen Reifen auf 380.000 Reifen geändert werden.
Die Continental AG geht davon aus, dass es selbst bei einer deutlichen zweistelligen
Markterholung im Jahr 2010 nach Auslaufen der Kurzarbeitsfrist zu einer Unterauslastung
von weit mehr als 50 Prozent und bis zu 70 Prozent in Stöcken kommen wird und plant
daher an diesen Standort die Produktion zum 31.12.2009 einzustellen. Betroffen sind davon
rund 780 Beschäftigte.
Aufgrund dieser Pläne hat die Landesregierung Continental zur schnellen Vorlage eines
Zukunftskonzepts für den Standort Hannover aufgerufen. Darüber hinaus forderte
Wirtschaftsminister Philipp Rösler in seiner Rede am Mittwoch dazu auf, die Mittel der
Kurzarbeit voll auszuschöpfen, anstatt Stellen zu streichen. Zudem versicherte er, dass die
niedersächsische Landesregierung im Einzelfall bereit ist, Gespräche zwischen Betriebsrat
und Unternehmensleitung zu vermitteln und dass er sich auch weiterhin aktiv dafür einsetzen
werde, dass sich die Vertreter von Konzernspitze und Arbeitnehmern an einen Tisch setzen,
um zu einem tragbaren Ergebnis für die Beschäftigten am Standort Stöcken zu kommen.
Die FDP Fraktion im Niedersächsischen Landtag stellte sich hinter das Vorgehen der
Landesregierung, den Standort Conti Hannover und die Mitarbeiter. Aus Sicht der FDP
Fraktion müssen sowohl die Arbeitgeber- als auch die Arbeitnehmerseite gemeinsam
versuchen, die industrielle Produktion am Standort Hannover möglich und auch
wettbewerbsfähig zu machen. Grundsatz der sozialen Marktwirtschaft ist schließlich, dass
sowohl der Arbeitgeber als auch die Arbeitnehmer für ihr Unternehmen kämpfen und
gemeinsam versuchen, die Arbeitsplätze zu erhalten und das Produkt wettbewerbsfähig zu
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machen. Dies muss von der Politik, soweit wie möglich, befördert werden. Protektionismus
ist nach Auffassung der FDP Fraktion im Niedersächsischen Landtag allerdings abzulehnen.
Unter Protektionismus würden letztlich Deutschland und Niedersachsen leiden.
Trotz dieser Erklärungen und breiter Proteste der Gewerkschaften wurde am Freitag, den 27.
März 2009 bekannt, dass der Continental-Vorstand an der Schließung des Reifenwerkes am
Stammsitz Hannover festhält. Vorstandschef Karl-Thomas Neumann erklärte nach einer
Sondersitzung des Aufsichtsrats, dass es wirtschaftlich keine Alternative gebe. Der
Aufsichtsrat wird sich in vier Wochen erneut mit dem Thema befassen.
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4. INNEN-, RECHTS- UND SPORTPOLITIK
Wissenschaftliche Fachreferentin: Nadine Seggebrock; Telefon 0511-3030 4314
4.1 Neues Niedersächsisches Beamtenrecht
In der vergangenen Plenarwoche hat der Niedersächsische Landtag ein neues
Niedersächsisches Beamtenrecht verabschiedet, welches zum 01.04.2009 in Kraft treten
wird.
Die Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern für den Bereich des
Beamtenrechts sind im Zuge der Föderalismusreform grundlegend neu geregelt worden. So
liegt im Bereich des öffentlichen Dienstrechts die Befugnis zur Regelung von
Statusangelegenheiten beim Bund. Der Bund hat mit dem Beamtenstatusgesetz, welches
zum 01.04.2009 in Kraft treten wird, von seiner Gesetzgebungskompetenz Gebrauch
gemacht. Für Besoldungs-, Versorgungs- und Laufbahnrecht haben die Länder die
Kompetenz eigenständige Regelungen zu schaffen. Mit der Verabschiedung des Gesetzes zur
Modernisierung des Niedersächsischen Beamtenrechts hat Niedersachsen als erstes
Bundesland von dieser Gesetzgebungskompetenz Gebrauch machen. So tritt das neue
niedersächsische Beamtenrecht gleichzeitig mit dem Beamtenstatusgesetz des Bundes in
Kraft, so dass wir hier eine umfassende Neuordnung haben.
Hervorzuheben sind einige Regelungsschwerpunkte. So ist ein wesentlicher Punkt die
Verschlankung und Flexibilisierung des Laufbahnrechts. Es wird künftig nur noch 10
Laufbahnen und 2 Laufbahngruppen geben. Durch diese Änderungen wird eine höhere
Durchlässigkeit geschaffen, welches zur Folge hat, dass der Personaleinsatz künftig
wesentlich flexibler gestaltet werden kann. Neuordnungen wird es auch im Bereich der
Probezeitregelung geben. Die Probezeit wird künftig einheitlich drei Jahre betragen.
Gleichzeitig wird auch die Mindestaltersgrenze von 27 Jahren zur Berufung als Beamter auf
Lebenszeit abgeschafft. Künftig kann die Verbeamtung auf Lebenszeit nach erfolgreichem
Abschluss der Probezeit erfolgen. Durch einen Änderungsantrag der FDP/CDU wurde zudem
die Möglichkeit der Beförderung innerhalb der Probezeit geschaffen. So wird es zukünftig
möglich sein hervorragende Leistungen durch eine Beförderung vor Ablauf der
Mindestprobezeit zu honorieren. Dieses ist ein Ausdruck des stärker verankerten
Leistungsprinzips im neuen Niedersächsischen Beamtenrecht.
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Durch die Neuordnung wurde ein zukunftsorientiertes, flexibles und modernes Beamtenrecht
geschaffen, welches den Anforderungen des Berufsbeamtentums an die Zukunft gerecht
wird.
4.2 Antrag gegen den geplanten Naziaufmarsch am 1. Mai in Hannover
FDP und CDU haben gemeinsam einen Antrag gegen den geplanten Naziaufmarsch am 1.
Mai 2009 in Hannover eingebracht, der mit den Stimmen von FDP und CDU verabschiedet
wurde.
Der Antrag spricht sich gegen den geplanten Aufmarsch aus und ruft zu friedlichen Protesten
und Aktivitäten gegen Rechtsextremismus auf. Alle Fraktionen des Niedersächsischen
Landtages waren sich in der Plenumsdebatte einig, dass Diskriminierungen und
Anfeindungen aufgrund von Herkunft, Nationalität, Kultur oder sozialer Stellung zutiefst
verachtenswert sind und dass dem konsequent entgegengetreten werden muss.
Besonders begrüßt wurde die durch die Polizeidirektion Hannover ausgesprochene
Verbotsverfügung für den geplanten Aufmarsch von NPD und der freien Kameradschaft,
allerdings muss weiterhin die Befürchtung bestehen, dass diese gerichtlich nicht standhält.
Die FDP-Fraktion bedauert es, dass es bei diesem wichtigen Thema, dem Kampf gegen
Rechtsextremismus, nicht zu einem gemeinsamen Antrag aller Fraktionen kommen konnte.
Dieses scheiterte letztlich daran, dass sich FDP und CDU in ihrem Antrag nochmals
ausdrücklich gegen jegliche Form von Extremismus, also auch gegen Linksextremismus und
islamischen Extremismus, ausgesprochen haben.
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5. AGRAR UND UMWELT
Wissenschaftlicher Fachreferent: Axel Rehwinkel; Telefon 0511-3030 4312
5.1 Novellierung des Waldgesetzes
Die Novellierung des „Niedersächsischen Gesetzes über den Wald und die
Landschaftsordnung“ ist zusammen mit der CDU Fraktion erarbeitet und beschlossen
worden. Als Kern der Gesetzesänderung sind die Flexibilisierung der Waldumwandlung und
die klaren rechtlichen Regelungen zu Kurzumtriebsplantagen, Schmuckreisig- und
Weihnachtsbaumkulturen zu betrachten. Die vorgenommenen Änderungen sind von
zahlreichen Verbänden und Organisationen während der Ausschussberatungen positiv
bewertet worden, so dass eine bürger- und anwenderfreundliche Neufassung des
Waldgesetztes entstanden ist. Weihnachtsbaum-, Schmuckreisigkulturen und
Kurzumtriebsplantagen sind aus der Definition des Waldbegriffes heraus genommen und der
Rechtscharakter der aktuellen Nutzung dadurch gesichert worden. Andererseits kann ein
bestehender Wald nicht ohne weiteres in eine andere Kulturform, z.B. wie die oben
aufgeführten, überführt werden. Die Neustrukturierung des § 8 ermöglicht es,
Vorhabenträgern und Waldbehörden, gerade im Sinne der Nachverdichtung im Innenbereich
von Ortslagen, Planungen und Genehmigungen zu vereinfachen. Das Gesetz sorgt in der
aktuellen Fassung für Klarheit, Rechtssicherheit und Anerkennung des Waldes als Erholungs-
, Wirtschafts- und Eigentumsfläche.
5.2 Große Anfrage zum Kernkraftwerk Unterweser (KKU)
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Ende Oktober 2008 eine Große Anfrage zur
Sicherheit des Kernkraftwerks Unterweser (KKU) gestellt. Die Antwort der Landesregierung
war im März-Plenum Gegenstand der Tagesordnung. Auf über 50 Seiten hat das
Niedersächsische Ministerium für Umwelt und Klimaschutz sowohl die Betriebssicherheit, die
Anlagensicherheit durch Gefährdungen externer Einflüsse als auch die umfangreiche
Aufsichts-, Kontroll- und Innovationskultur im KKU beschrieben. Hochwasser- und
Brandereignisse werden unter allen Umständen beherrscht. Ein Alterungsmanagement
gehört seit Betriebsbeginn zum KKU und umfasst sämtliche Alterungsphänomene, die
schädliche Auswirkungen auf den Betrieb haben könnten. Empfehlungen der
Reaktorsicherheitskommission (RSK) und neueste sicherheitsrelevante Erkenntnisse aus
Wissenschaft und Technik wurden oder werden unverzüglich im KKU umgesetzt.
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Abschließend ist festzustellen, dass sich das Sicherheitsniveau des KKU, im nationalen und
internationalen Vergleich, auf dem höchsten Niveau bewegt und den aktuellen
Anforderungen an ein neu zu genehmigendes Kernkraftwerk entsprechen. Insofern bestätigt
die Große Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen die Einhaltung und Umsetzung der
höchstmöglichen Sicherheitsanforderungen.
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6. EUROPA UND MEDIEN
Wissenschaftliche Fachreferenten: Patrick Schlupp; Telefon 0511-3030 4313
6.1 Die zukünftige soziale Dimension der Europäischen Union
Die Fraktionen von SPD und von DIE LINKE haben in der letzten Landtagssitzung vom 27.
März 2009 jeweils eigene Anträge zur zukünftigen sozialen Ausgestaltung Europas
eingebracht, die zum Ziel hatten, eine europäische Sozialunion zu schaffen sowie eine
„soziale Fortschrittsklausel“ im EU-Primärrecht zu verankern. Da beide dieser Anträge
verkennen, dass die Europäische Union bereits eine soziale Dimension hat, die mit
Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon noch signifikant ausgebaut wird, konnten sie von
CDU und FDP nicht mitgetragen werden und wurden im Plenum abgelehnt. Die beiden
Regierungsfraktionen reichten stattdessen einen eigenen Antrag zu dieser Thematik ein, der
vom Plenum angenommen wurde.
Aus Sicht der FDP-Fraktion im Niedersächsischen Landtag war hierbei entscheidend, dass –
ganz im Sinne der sozialen Marktwirtschaft – wirtschaftliche Grundfreiheiten einerseits und
soziale Grundrechte andererseits gleichberechtigt nebeneinander im Europarecht verankert
sein müssen. Gleichzeitig war es uns wichtig, ganz im Sinne des Subsidiaritätsprinzips, keine
weitreichenden Kompetenzen im Bereich der Sozialpolitik auf die EU zu übertragen. Eine
solche Übertragung könnte die Gefahr, erhöhten bürokratischen Aufwandes bergen und
zudem die sozialen Standards in Deutschland und Niedersachsen in Frage stellen.
Vielmehr sollte es nach Auffassung der FDP die Aufgabe aller demokratischen Parteien sein,
auch mit Blick auf die Europawahl am 7. Juni 2009 für die Vorzüge des Vertrags von Lissa-
bon zu werben. Hierzu zählt zunächst, dass das Europäische Parlament durch die Ausweitung
des Mitentscheidungsverfahrens zum gleichberechtigten Gesetzgeber neben dem Ministerrat
wird. Aber auch die soziale Dimension Europas wird durch das neue Vertragswerk gestärkt,
denn die Charta der Grundrechte ist künftig gleichrangig mit den Gründungsverträgen.