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Tierärztliche Klinik Dr. Staudacher – Trierer Str. 652-658 – D-52078 Aachen Tel. 0241/092866-0 Fax 0241-92866-47 eMail [email protected] 1 Akuter Blutverlust – Verlorene Blutmenge V V E E T T A A A A A A C C C H H H E E E N N N Transfusionsmedizin auf den Punkt gebracht: Bei notfallmäßigem Blutverlust ist ein Konzept gefragt. Blut ein komplexes Organ Erythrozyten Sauerstofftransport labile stabile Gerinnungsfaktoren Blutgerinnung Plättchen Gerinnung Nach Unfällen werden Hunde und Katzen sehr häufig mit umfangreichen Blutungen vorgestellt. Diese sind offensichtlich, wenn aus großen Wunden oder Gefäßen Blut nach außen austritt. Bei einem Blutvolumen von ca. 7% des Körpergewichts verfügt ein 10 kg schweres Tier über ca. 700 ml Blut. Ein Blutverlust von ca. 20 % entspricht einer Tasse von ca. 125 ml, einem Fleck von ca. 10 cm Radius oder einem blutigen Stück Stoff von 15x15 cm. Ähnlich viel Blut geht in einem großen Othämatom oder einer Blutung in den M. quadriceps verloren. Eine Beckenverletzung führt nicht nur zu verschiedenen Frakturen sondern auch zu erheblichen Blutungen in die umliegenden Weichteile. Liegt eine Blutung in die großen Körperhöhlen vor (Becken, Bauch, Thorax), geht bisweilen mehr als die Hälfte des Blutvolumens verloren. Nach einem Blutverlust tritt zunächst eine Kreislaufzentralisation ein. Während der nächsten Stunden strömt ein Teil des Intrazellulär- und Interstitialvolumens in das Gefäßsystem ein. Nach 4-6 Stunden sind die Flüssigkeitskompartimente wieder ausgeglichen. Deshalb fällt der Hämatokrit mit großer Verzögerung und ist insbesondere nach schweren akuten Blutungen zur Beurteilung von Blutungen ungeeignet. Zur Abschätzung des verlorengegangenen Blutvolumens gibt es deshalb keine ernst zu nehmende Alternative. Die Schätzung in Verbindung mit der klinischen Untersuchung und der Planung der weiteren Behandlungsrisiken lassen die Abwägung zu, ob eine Bluttransfusion angezeigt ist. Dafür wurde eine Punkteskala entwickelt (Bleeding risk score - BRS) . Ab 5 Punkte ist die Transfusion empfeh- lenswert, über 7 Punkte lebensrettend. Über 15 Punkte besteht auch mit Transfusion erhebliche Lebensgefahr. Chronische Blutungen sind nicht so gefährlich, weil bei langsamem schwerem Blutverlust Kompensationsmechanismen das Überleben unterstützen. Kriterium Blutung älter als 6 Std. Blutung jünger als 6 Std. Punkte BRS Blutverlust > 70% 11 65 – 70% 10 Hämatokrit < 13% 55 – 60 % 9 13 – 15 % 50 – 55 % 7 16 – 19 % 40 – 50 % 4 20 – 24 % 20 - 40 % 2 25 – 34 % > 20 % 1 > 34 % - 0 Bevorstehende Anästhesie 2 Schwäche 1 Tachypnoe 1 Tachykardie oder schwacher Puls 1 Kreislauffüllungszeit > 2 sec 1 bukkale Blutungszeit > 2,5 min 1 Summe Frakturierte Struktur, Organtrauma Blutverlust [% des Blutvolumens] Oberarm Unterarm Becken Oberschenkel Unterschenkel Milzruptur Gekröseverletzung Hämothorax Schock 6 – 13 1 - 6 6 - 80 20 - 40 4 - 20 4 - 95 4 - 50 4 – 80 25 – 50

Akuter Blutverlust – Verlorene Blutmenge VETtierklinik-aachen.de/Data/pdf/akuter_blutverlust_blutmenge.pdf · kristalline Lösung, v.a. Ringer-Laktat, gegeben werden. 0 2 4 6 8

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Tierärztliche Klinik Dr. STel. 0241/092866-0

Akuter Blutverlust – Verlorene Blutmenge VVEETT AAAAAA CCC HHH EEE NNN

KriteriumBlutung älter als 6 Std.

Bluals

Blut 65 –Hämatokrit < 13% 55 –13 – 15 % 50 –16 – 19 % 40 –20 – 24 % 20 -25 – 34 % > 20> 34 % -

Bevorstehende AnästhesSchwäche Tachypnoe Tachykardie oder schwacKreislauffüllungszeit > 2 bukkale Blutungszeit > 2

Blut ein komplexes Organ

Erythrozyten Sauerstofftransport

labile stabile Gerinnungsfaktoren

Blutgerinnung

Plättchen Gerinnung

sind die Flüssigkeitskompartimente wieder ausgeglichen. Deshalb fällt der Hämatokrit mit großer Verzögerung und ist insbesondere nach schweren akuten Blutungen zur Beurteilung von Blutungen ungeeignet. Zur Abschätzung des verlorengegangenen Blutvolumens gibt es deshalb keine ernst zu nehmende Alternative. Die Schätzung in Verbindung mit der klinischen Untersuchung und der Planung der weiteren Behandlungsrisiken lassen die

Unterarm Becken Oberschenkel Unterschenkel Milzruptur Gekröseverletzung Hämothorax Schock

1 - 6 6 - 80

20 - 40 4 - 20

4 - 95 4 - 50 4 – 80 25 – 50

Nach Unfällen werden Hunde und Katzen sehr häufig mit umfangreichen Blutungen vorgestellt. Diese sind offensichtlich, wenn aus großen Wunden oder Gefäßen Blut nach außen austritt. Bei einem Blutvolumen von ca. 7% des Körpergewichts verfügt ein 10 kg schweres Tier über ca. 700 ml Blut. Ein Blutverlust von ca. 20 % entspricht einer Tasse von ca. 125 ml, einem Fleck von ca. 10 cm Radius oder einem blutigen Stück Stoff von 15x15 cm. Ähnlich viel Blut geht in einem großen Othämatom oder einer Blutung in den M. quadriceps verloren.

Eine Beckenverletzung führt nicht nur zu verschiedenen Frakturen sondern auch zu erheblichen Blutungen in die umliegenden Weichteile. Liegt eine Blutung in die großen Körperhöhlen vor (Becken, Bauch, Thorax), geht bisweilen mehr als die Hälfte des Blutvolumens verloren.

Nach einem Blutverlust tritt zunächst eine Kreislaufzentralisation ein. Während der nächsten Stunden strömt ein Teil des Intrazellulär- und Interstitialvolumens in das Gefäßsystem ein. Nach 4-6 Stunden

Transfusionsmedizin auf den Punkt gebracht: Bei notfallmäßigem Blutverlust ist ein Konzept gefragt.

Frakturierte Struktur, Organtrauma

Blutverlust[% des

Blutvolumens] Oberarm 6 – 13

taudacher – Trierer Str. 652-658 – D-52078 Aachen Fax 0241-92866-47 eMail [email protected]

1

Abwägung zu, ob eine Bluttransfusion angezeigt ist. Dafür wurde eine Punkteskala entwickelt (Bleeding risk score - BRS) . Ab 5 Punkte ist die Transfusion empfeh-lenswert, über 7 Punkte lebensrettend. Über 15 Punkte besteht auch mit Transfusion erhebliche Lebensgefahr. Chronische Blutungen sind nicht so gefährlich, weil bei langsamem schwerem Blutverlust Kompensationsmechanismen das Überleben unterstützen.

tung jünger 6 Std.

Punkte BRS

verlust > 70% 11 70% 10 60 % 9 55 % 7 50 % 4 40 % 2 % 1

0

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her Puls 1 sec 1 ,5 min 1

Summe

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Akuter Blutverlust – Verlorene Blutmenge VVEETT AAAAAA CCC HHH EEE NNN

Bei Blutungen in große Körperhöhlen gehen erhebliche Volumina ohne augenfällige Blutungsanzeichen verloren. Viele dieser Tiere werden deshalb erst infolge fortschreitender Kreislaufinsuffizienz vorgestellt. Die radiologischen Anzeichen sind vage, häufig liegt lediglich eine reduzierte Detailerkennbarkeit vor. Wenn die Leber kaudal nicht mehr abgrenzbar ist, sollte eine genaue Kreislaufuntersuchung erfolgen. Ggfs. verschafft erst der Ultraschall Gewissheit, wenn in Nischen wie neben Nieren oder Blase oder in der Nähe des Magens freie Flüssigkeit nachweisbar ist. Besonders gefährlich sind Blutungen in Körperhöhlen ohne äußere Veranlassung, z.B. infolge der Ruptureines brüchigen Tumors. Hierbei handelt es sich sehr häufig um Hämangiosarkome der Milz oder Leber. Nicht immer tritt das Blut in die freie Bauchhöhle aus: Bei jedem größeren Tumor sollte die Gefahr der Einblutung berücksichtigt werden. Gegebenenfalls verschafft die Ultraschalluntersuchung des Tumors Klarheit. Dies ist vor allem von Bedeutung, wenn die chirurgische Entfernung ansteht. Nach Festlegung des BRS und des

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10121416

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Prozentualer Anteil der Transfusionspatienten nach ihrem BRS

Bei Traumapatienten steht neben den organischen Verletzungen zumindest anfangs der Erythrozyten-verlust im Vordergrund. Es ist daher Erythrozytenkonzentrat der Vorzug zu geben. Bei Hypovolämie dient die Hydroxyethylstärke in Cryo-Ery-Kon-zentrat nicht nur als Plasmaexpan-der. Da es eine 12%ige HES-Lösung ist, dringt infolge des hohen onkoti-schen Druckes deutlich schneller in-terstitielle Flüssigkeit in das Gefäß-lum n ein. Nicht immer ist die Blutung so offensichtlich wie bei diesem polytraumatisierten Becken mit Femurfraktur bei einem Berner Sennenhund.

Tierärztliche Klinik Dr. Staudacher – Trierer Str. 652-658 – Tel. 0241/092866-0 Fax 0241-92866-47 eMail info@tgz

verlorengegangenen Volumens wird die zu transfundierende Blutmenge ermittelt. Wird etwa ein Drittel bis die Hälfte des verlorengegangenen Blut-volumens transfundiert, ist eine ausrei-chende Kreislaufleistung sichergestellt. Ist die bukkale Blutungszeit deutlich verlängert, empfiehlt sich außerdem der Einsatz von Frischgefrierplasma, zunächst 5 ml/kg, bei Weiterbestehen der Störung für mehr als eine halbe Stunde weitere 10 ml/kg KGW. Darü-ber hinaus kann dasselbe Volumen als kristalline Lösung, v.a. Ringer-Laktat, gegeben werden.

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