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Info Nr. 16/17 Albert-Lortzing-Gesellschaft e. V. April 2017 Albert-Lortzing-Gesellschaft e. V. gegründet 2001 Figurinen zu Zar und Zimmermann © UB Frankfurt

Albert-Lortzing-Gesellschaft e. V

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Info Nr. 16/17 Albert-Lortzing-Gesellschaft e. V. April 2017

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Albert-Lortzing-Gesellschaft e. V.gegründet 2001

Figurinen zu Zar und Zimmermann© UB Frankfurt

Info Nr. 16/17 Albert-Lortzing-Gesellschaft e. V. April 2017

Info Nr. 16/17 Albert-Lortzing-Gesellschaft e. V. April 2017

Impressum:Herausgeber: Albert-Lortzing-Gesellschaft e. V.

c/o Dr. Irmlind Capelle, Drischbreite 3, D – 32760 Detmold, Tel.: 05231 870447

e-Mail: [email protected]

Redaktion: Dr. Irmlind Capelle (V.i.S.d.P.)

(Namentlich gezeichnete Beiträge müssen nicht unbe-dingt der Meinung des Herausgebers entsprechen.)

© Lortzing-Gesellschaft e. V., 2017

Liebe Lortzing-Freunde,

endlich erhalten Sie wieder einmal einen Rundbrief, der jedoch auch besonders umfang-reich geworden ist, weshalb er – wie schon einmal 2008 – als Doppel-Nummer gezählt ist.

Aus Anlass des 15jährigen Bestehens eröffnen wir diesen Rundbrief mit einer Chronik der Aktivitäten der Gesellschaft, die anschließend auch auf unserer Website veröffentlicht und dort fortgeschrieben werden soll.

Das Ziel unserer Gesellschaft, die „ideelle und materielle Förderung der Auseinander-setzung mit Leben und Werk Albert Lortzings“ scheint dringender denn je, denn die Zahl der Aufführungen von Werken Lortzings geht in den letzten Jahren kontinuierlich zurück. Dies ist auch der Grund, weshalb wir Sie bisher noch nicht für 2017 zu einem Mitglieder-treffen eingeladen haben, denn wir möchten dieses Treffen ja immer gerne mit einem Aufführungsbesuch verbinden. Wir haben uns jetzt entschlossen, das Treffen und die Mit-gliederversammlung mit dem Besuch der Premiere des Zar und Zimmermann in Saalfeld am 14. Oktober 2017 zu verbinden. Details hierzu entnehmen Sie bitte den beiliegenden Unterlagen.

Bis dahin wünsche ich Ihnen einen schönen Sommer und verbleibe mit herzlichen Grüßen im Namen des ganzen Vorstands

Ihre Irmlind Capelle

Detmold, April 2017

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Info Nr. 16/17 Albert-Lortzing-Gesellschaft e. V. April 2017

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Albert-Lortzing-Gesellschaft e. V. — Chronik (2001—2016)2001

Gründung der Albert-Lortzing-Gesellschaft e. V. in Freiberg anlässlich des Doppeljubi-läums des Komponisten (200. Geburtstag, 150. Todestag) im Rahmen eines Lortzing-Wochenendes (Premiere von Der Weihnachtsabend und Der Pole und sein Kind und Fest-akt) veranstaltet von Dr. Ingolf Huhn im Mittelsächsischen Theater in Freiberg.

2003

1. Mitgliedertreffen in Berlin

Führung durch die Lortzing-Bestände der Staatsbibliothek zu Berlin, Stadtführung auf Lortzings Spuren, Besuch des Deutschen Theaters (früher Friedrich-Wilhelmstädtisches Theater)

2004

Erster Rundbrief in Heftform mit Neuigkeiten aus der Lortzing-Forschung, Rezensionen zu Lortzing-Aufführungen, Diskographie, Bibliographie, Verzeichnis der Lortzing-Premieren, Bericht aus der Gesellschaft etc.

Veröffentlichung des Berichts vom „Roundtable aus Anlaß des 200. Geburtstages von Albert Lortzing am 22. und 23. Oktober 2001 in der Lippischen Landesbibliothek Det-mold“ mit dem Thema „Albert Lortzing und die Konversationsoper in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts“ (München: Allitera Verlag 2004).

2005

2. Mitgliedertreffen in Freiberg

Gemeinsamer Besuch der Aufführung von Rolands Knappen am Mittelsächsischen Theater

2007

3. Mitgliedertreffen in Detmold/Bad Pyrmont

Führung durch die Lortzing-Bestände der Lippischen Landesbibliothek Detmold, Stadtfüh-rung auf Lortzings Spuren in Detmold und Pyrmont, Besuch der Aufführung des Waffen-schmied im Landestheaters Detmold (mit Führung) und Besuch der Aufführung von Regina auf dem Papiertheater durch Peter Schauerte-Lüke (Schloss Burg)

2008

Unterstützung der studentischen Inszenierung (Regie: Alexander Fahima) des Waffen-schmied im St. Pauli Theater Hamburg

2009

4. Mitgliedertreffen in Leipzig

Gemeinsam mit der Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ Leipzig (Prof. Dr. Thomas Schipperges) Veranstaltung der Internationalen Tagung „Lort-

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zing und Leipzig. Musikleben zwischen Öffentlichkeit, Bürgerlichkeit und Privatheit“. (Der Tagungsbericht erschien 2014 in der Reihe der Schriften der HfM Leipzig als Bd. 9)

Besuch der Aufführung der Opernprobe durch die Opernschule der HfM Leipzig, Stadtfüh-rung

2011

5. Mitgliedertreffen in Meiningen

Besuch des Theatermuseums und der Musikabteilung im Schloss Elisabethenburg Meinin-gen und der Freiluftaufführung des Wildschütz und von Richard Wagners Rienzi im Eng-lischen Garten durch das Staatstheater Meiningen.

2013

6. Mitgliedertreffen in Tübingen

In Zusammenarbeit mit dem Musikwissenschaftlichen Seminar der Universität (Prof. Dr. Schipperges) wurde ein Lortzing-Wochenende gestaltet: Ausstellung von CD- und LP-Covern zu Opern Lortzings (studentisches Projekt), Vortrag zu „Lortzing und die Stu-denten“ (Irmlind Capelle), Konzert mit einem Bläseroktett der Stuttgarter Musikhoch-schule mit dem Titel „Welt, du kannst mir nicht gefallen! Albert Lortzing – ein zerrissenes Künstlerleben“ (Rezitation: Jörg Schade). Darin Uraufführung des Arrangements von Lortzings Wildschütz und der Ouvertüre zu Zar und Zimmermann für Bläseroktett von Andreas N. Tarkmann (Verlag: Cecilia Music Concept, Köln)

Die ALG eröffnet in Zusammenarbeit mit dem Leipziger Universitätsverlag eine eigene Schriftenreihe. Als erster Band erscheint: Eva Maria Schnelle, ‚Dann bricht der Freiheit Morgen an.‘ Die Opern Albert Lortzings in ihrem verfassungsgeschichtlichen Kontext.

2014

Bd. 2 der Schriftenreihe: Andreas Hofer (Libretto), hrsg. v. Irmlind Capelle

Aufführung von Lortzings Freimaurer-Kantate in Osnabrück (September 2014)

Uraufführung von Lortzings Andreas Hofer in Annaberg (Dezember 2014)

2015

7. Mitgliedertreffen in Osnabrück

Wir waren Gast der Loge „Zum goldenen Rade“ (Meister vom Stuhl: Ludger Steinkamp) und konnten dort das Autograph der Logenlieder Lortzings bewundern. Vortrag zu Lortzing in Osnabrück (Irmlind Capelle), Privataufführung von Lortzings Duett zu „Der reisende Student“ (Petra Golbs, Herr Müller-Schweinitz, Erich Waglechner) und einiger Logenlieder. Stadtführung und Besuch des Wildschütz im Theater Osnabrück.

Bd. 3 der Schriftenreihe: Janine Wolf, Aspekte des Urheberrechts bei Carl Maria von Weber, Albert Lortzing und Otto Nicolai.

Bd. 4 der Schriftenreihe: Der Weihnachtsabend (Libretto), hrsg. v. Irmlind Capelle

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Entdeckung in der Lippischen Landesbibliothek

Lortzing schreibt die Modulation zur Transposition einer Arie aus Zampa

Seit langem ist bekannt, dass Albert Lortzing für die Übernahme von Kompositions-arbeiten im aktuellen Theaterbetrieb während seines Engagements bei der Detmolder Hoftheater-Gesellschaft in den Jahren 1826 bis 1833 eine jährliche Gratifikation erhielt. Bisher ging man davon aus, dass hiermit kleinere Kompositionen wie Lieder oder Chöre zu Schauspielen wie LoWV 12–14, 17–18, 21–22) bezahlt wurden, denn für die größeren Arbeiten wie die Aufführung seines bereits in Köln komponierten Ali Pascha, der Bear-beitung von Joh. Adam Hillers Oper Die Jagd, oder seine vier Vaudevilles erhielt er ein „normales“ Honorar.

Doch offensichtlich gehörten zu seinen Tätigkeiten auch eher technische Arbeiten wie z. B. das Schreiben einer Modulation, um die nachfolgende Arie in einer anderen Tonart singen zu können. (Warum diese Arbeit nicht der Kapellmeister des Theaters übernahm, ist nicht belegt.) Erstmals ist jetzt ein Beispiel für solch eine „technische“ Tätigkeit bei den Erschließungsarbeiten des Hoftheaterbestandes (www. hoftheater-detmold.de) auf-getaucht.

In vielen Instrumentalstimmen zu Zampa von Ferdinand Hérold (Sign.: Mus-n 109) fan-den sich sog. Einlagen, auf denen die Arie des Titelhelden im 2. Akt (Nr. 7) um einen Ton tiefer nach G-Dur transponiert worden war. Es sind z. T. sogar zwei Fassungen überlie-fert: Bei der einen beginen die ersten 20 Takte (Rezitativ) noch in A-Dur und steht erst die Arie in G-Dur, bei der anderen ist die Nummer von Beginn an nach G-Dur transponiert.

In dem Material fanden sich dann zwei Einzelblätter – Sign.: Mus-n 109 (49) – von der Hand Albert Lortzings, auf denen die ersten zwanzig Takte der Nummer in Partitur notiert sind: Beginnend in A-Dur wie bei Hérold transponiert Lortzing ab T. 11 nach G-Dur, wobei die letzten Takte gegenüber der Originalpartitur leicht geändert sind.

Beide Blätter sind z. T. stark beschädigt, weshalb sie von der Bibliothek am Rand mit Elefantenhaut verstärkt wurden. In den letzten zwei Takten sind mit Bleistift von nicht geübter Hand Noten ergänzt.

Wir danken dem Direktor der Lippischen Landesbibliothek, Herrn Dr. Joachim Eberhardt, dass wir Bl 1r und 2v dieser Modulation auf der nächsten Seite erstmals abbilden dürfen.

Irmlind Capelle

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Partitur von Albert Lortzing zu Zampa von Ferdinand HéroldSign.: Mus-n 109 (49), Bl 1r und 2v

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Albert Lortzings Gastspiel in Hamburg 1827Albert Lortzing hat sich in Detmold sehr wohl gefühlt, doch hat er von Anfang an versucht ein anderes Engagement zu finden und zu diesem Zweck Gastspielreisen unternommen. Seine früheste Reise als Mitglied der Detmolder Hoftheater-gesellschaft führte ihn 1827 nach Hamburg. Dank der Auf-breitung der Hamburger Theaterzettel (www.stadttheater.uni-hamburg.de) hat man zu dieser Reise nun nähere Informa-tionen.

Lortzing spielte in Hamburg vom 12. bis 23. Juli 1827. Er begann sein Gastspiel mit seiner Paraderolle als Karl Ruf der jüngere in Heinrich Becks Lustspiel Die Schachmaschine. Am 17. Juli 1827 spielte er die Titelrolle in Schillers Don Carlos und am 23. Juli beendete er das Gastspiel als Graf Werthen in Johanna Franul von Weißenthurns Lustspiel Beschämte Eifer-sucht. Es ist verwunderlich, dass Lortzing für drei Gastrollen zwölf Tage in Hamburg blieb, da dadurch der Aufenthalt teuer war und Lortzing somit weniger von seinem Honorar behielt.

Doch trat in diesem Zeitraum (19. und 21. Juli) auch noch der gefei-erte Tenor Jakob Wilhelm Rauscher als Gast im Freischütz und in Rossinis Otello auf.

Bemerkenswert ist auch Lortzings Rollenwahl: Er spielte zu diesem Zeitpunkt noch den Don Carlos, also eine große ernste Rolle, die er wenig später aus seinem Repertoire strich. Andererseits trat er nicht als Sänger auf. Karl Ruf d. j. und Graf Werthen blieben allerdings für lange Zeit seine Paraderollen. Zur Schachmaschine schreibt Lortzing am 24. August 1834 an seinen Onkel Friedrich Lortzing, den er um Vermittlung eines Gastspiels in Weimar bat: „In der Schach-maschine wünschte ich vorzugs-weise aufzutreten; die Rolle ist und bleibt noch immer ein altes Paradepferd.“

Interessant wäre jetzt zu erfahren, wie Lortzing beim Publi-kum in Hamburg angekommen ist, doch darüber wissen wir bisher nichts, da noch keine Besprechungen nachgewiesen sind.

Irmlind Capelle

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Info Nr. 16/17 Albert-Lortzing-Gesellschaft e. V. April 2017

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Buch-BesprechungJanine Wolf, Aspekte des Urheberrechts bei Carl Maria von Weber, Albert Lortzing und Otto Nicolai (= Leipziger Juristische Studien – Rechtshistorische Reihe Band 9 = Schriftenreihe der Albert-Lortzing-Gesellschaft, Band 3), Leipziger Universitätsverlag 2015, 219 Seiten.

Besprochen von Rainer Nomine, Lübben/Spreewald.

Was den Schutz des geistigen Eigentums anging, waren die Verhältnisse der deutschen Schriftsteller im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts „traurig“, die der einheimischen Kom-ponisten und sonstigen Kunstschaffenden „noch trauriger“. Das jedenfalls schrieb der an der Universität Jena lehrende Jurist Albert Berger, als er in der Allgemeinen Preßzeitung

vom 27. Mai 1845 über den — wenige Jahre zuvor in Leipzig gegründeten — „Verein deutscher Musikalienhändler“ berichtete. In dem Aufsatz, der das unermüdliche Wirken der Vereinigung „zur Unterdrückung des Nachdrucks“ herausstrich, brachte Berger die Lage der geistig Schaffenden, wie sie in Deutschland bis zum Ende der 1830er Jahre herrschte, auf den Punkt: „Wer der Ausbildung des Autorrechts nur einige Aufmerksam-keit geschenkt hat, wird zugeben, daß noch vor wenig Jahren die Schriftsteller wenig oder gar keine Rechte hatten. Allerdings galt in Norddeutschland das sogenannte ewige Verlagsrecht; allein nicht zum Vortheil der Schriftsteller, sondern zum Vortheil der Ver-leger. In Süddeutschland hingegen waren Schriftsteller und Verleger machtlos, und der Nachdruck war ein erlaubtes Gewerbe.“ Das musikalische Urheberrecht litt seiner Ansicht nach noch größere Not: „Es möchte wol nicht leicht eine Sache gefunden werden, wo es so schwer ist als bei einer musikalischen Composition zu bestimmen, was das charakteri-stische Merkmal des Eigenthums sei, und wie weit sich das Eigenthum ausdehne“1.

Der Kampf gegen den sogenannten „Nachdruck“ zählte zu den unbewältigten Problem-bereichen des Wiener Kongresses von 1815. Das Ob und Wie der Sicherung des geistigen Eigentums blieb über weitere zwanzig Jahre den zahlreichen deutschen Einzelstaaten überlassen, die völlig disparate politische und wirtschaftliche Interessen verfolgten, den Nachdruck teils gesetzlich verboten (etwa Preußen und Sachsen), teils — wie Württem-berg — grundsätzlich zuließen und nur im Einzelfall Schutz dagegen gewährten. Dazu war aber ein entsprechendes Privileg zu erwerben; ein mühsames (und auch kostenpflichti-ges) Unterfangen, das im wahrsten Sinne des Wortes eine gnädig gestimmte lokale Obrig-keit voraussetzte2. Zudem stand überall — wie Berger richtig bemerkte — der Verleger im Zentrum des Interesses, der Autor und Komponist konnte, wenn überhaupt, nur mittel-baren Schutz erlangen.

1 A(lbert) B(erger), Der Verein deutscher Musikalienhändler, in: Allgemeine Preßzeitung Nr. 42 vom 27. Mai 1845, 165 f. (165).

2 Umfassend dazu Thomas Gergen, Die Nachdrucksprivilegienpraxis Württembergs im 19. Jahrhun-dert und ihre Bedeutung für das Urheberrecht im Deutschen Bund, Berlin 2007.

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Info Nr. 16/17 Albert-Lortzing-Gesellschaft e. V. April 2017

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Gleichwohl fallen in die Zeit des Deutschen Bundes die Anfänge sogar des modernen Urheberrechts3, das Privilegienwesen findet sein Ende. 1845, als Berger über den letzt-lich erfolgreichen Lobbyismus einer umtriebigen privaten Gemeinschaft von Musikver-legern berichtete, stand es um den Schutz des geistigen Eigentums der Schriftsteller, mit gewissen Abstrichen auch der (Ton-)Künstler, schon erheblich besser. Gerade auch auf Drängen Preußens, das sich alsbald an die Spitze der Entwicklung zum Urheberrecht setzte, hatte der Bund am 9. November 1837 einen — von Einzelstaaten zum Teil sogar erweitert umgesetzten — Beschluss erlassen, der die vom Urheber nicht genehmigte „mechanische Vervielfältigung“, also den so genannten Nachdruck von „literarischen Erzeugnissen aller Art, so wie Werke(n) der Kunst“ vom Grundsatz her verbot; 1841 war ein weiterer Bundesbeschluss gefolgt, der auch die Aufführung dramatischer und musi-kalischer Werke an die Zustimmung des Autors band. Da dieser Schutz allerdings den unveröffentlichten Werken vorbehalten blieb, die Nachfrage nach Aufführungsmaterial aber groß war, entwickelte sich in den deutschen Staaten insbesondere ein Markt, wo die Partituren der Komponisten — auch ohne deren Zustimmung — gehandelt wurden; eine Situation, die ein gezieltes Vorgehen der Urheber erforderte, für die der Verkauf der Notenschriften plus Aufführungsrecht an die Bühnen ein wichtiges finanzielles Standbein war.

Die Entwicklung der hier skizzierten Urheberrechtsgesetzgebung in Deutschland ist zwi-schenzeitlich hinlänglich erforscht. Weniger bekannt, aber nicht minder interessant ist, wie die eigentlichen Adressaten des staatlichen Handelns oder Unterlassens, also etwa die Autoren, Komponisten, Verleger, aber auch die Literatur- und Musikkonsumenten, mit den vorgefundenen rechtlichen Gegebenheiten umgingen. Die Darstellung solcher (auch für den Musikwissenschaftler interessanten) Rechtstatsachen verlangt — so sie ein einigermaßen schlüssiges Bild abgeben soll — eine profunde Kenntnis aller verfügbaren Quellen, wozu insbesondere auch die publizierte wie nicht publizierte Hinterlassenschaft der einzelnen Akteure zählt. Diese Kärrnerarbeit in den (deutschen) Archiven und Bibli-otheken wird gerade auch von Juristen gerne gemieden. Umso erfreulicher ist es, dass sich die Rechtswissenschaftlerin Janine Wolf daran macht, dem bis dahin wenig erforsch-ten Umgang deutscher Tonkünstler des beginnenden 19. Jahrhunderts mit dem geistigen Eigentum nachzuspüren. Wolf untersucht in ihrer von dem Leipziger Rechts historiker und Opernliebhaber Bernd-Rüdiger Kern betreuten Dissertation paradigmatisch die Urheber-rechtsauffassung der deutschen Musikgrößen Carl Maria von Weber (1786–1826), Gustav Albert Lortzing (1801–1851) und Otto Nicolai (1810–1848) und deren Beziehung zu bedeu-tenden Musikalienhandlungen und anderen Rechtverwertern. Dazu nutzt sie — neben der aufgefundenen Sekundärliteratur — zahlreiche bis dahin teilweise unbekannte briefliche Selbstzeugnisse, Prozessakten, Verlags- und Theaterverträge, aber auch Textbücher und Partituren aus der Zeit.

Die Auswahl der Tonkünstler ist sehr geschickt, war doch deren — von Wolf ausführlich dargestelltes — deutschlandweites und sogar transnationales Schaffen in besonderer Weise bestimmt von den oben skizzierten, von Bundesstaat zu Bundesstaat wechselnden rechtlichen Rahmenbedingungen (ganz zu schweigen von den Bedingungen des nicht-deutschen Auslandes): Der lange vor Erlass der Bundesnorm von 1837 verstorbene Weber arbeitete zu einer Zeit, die in Deutschland die Rechte der eigentlichen Musikurheber

3 Vgl. Elmar Wadle, Der Weg zum gesetzlichen Schutz des geistigen und gewerblichen Schaffens, in: ders., Geistiges Eigentum. Bausteine zur Rechtsgeschichte II, München 2003, 4.

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gering achtete, die insbesondere auch das „Aufführungsrecht als Verwertungsrecht“ nicht anerkannte (Wolf, S. 40). Lortzings „glorreiche Jahre“ wiederum begannen mit dem Erfolg des Werkes Zar und Zimmermann im Jahre 1837, im Grunde also nach Inkrafttre-ten des Bundesbeschlusses und des bahnbrechenden preußischen Urheberrechtsgesetzes von 1837. Aber auch diese Jahre kannten zum Beispiel kein „selbständig verwertbares Aufführungsrecht“, waren doch in allen Bundesstaaten nur noch nicht gedruckte Werke geschützt (Wolf, S. 47). Nicolai schließlich war nicht nur in Deutschland tätig, sondern schrieb einen Teil seiner Opern in und für Italien, wo ihn der Turiner Theaterdirektor 1838 zwar nicht — wie ursprünglich versprochen — als Kapellmeister anstellte, ihm aber einen ersten Kompositionsauftrag verschaffte. Damals (und jedenfalls bis 1840) herrschte in dem ebenfalls zersplitterten Italien eine die Zustände in Deutschland noch übertref-fende „urheberrechtsfreie Zeit“ (Wolf, S. 57), was Nicolai zu einem anderen — in der Arbeit ausführlich dargestellten — Umgang mit den Theaterdirektoren nötigte, als er ihn von der Heimat her gewohnt war.

Anhand der Untersuchung der Urheberrechtsauffassung der drei genannten Großkünstler erreicht Wolf ohne weiteres ihr auf Seite 13 selbstgestelltes Ziel, „die entscheidenden Entwicklungen des Urheberrechts in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts (nachzuvoll-ziehen)“ und gewährt ganz nebenbei auch für den Nichtjuristen wertvolle Einblicke in das mitunter mühevolle Geschäftsleben zeitgenössischer Künstler und ihrer Umgebung. Hierzu führt sie den Leser zunächst in Forschungsstand und Methodik ein und gibt dann einen kurzen Überblick über die (Urheberrechts-)Lage in Deutschland und Italien seit Beginn des 19. Jahrhunderts; immer wieder zieht sie auch Querverweise zum geltenden deutschen Musikurheberrecht. Folge richtig betrachtet Wolf dann die einzelnen infrage kommenden Rechte der im Titel der Arbeit genannten Musikschaffenden, nämlich das bereits erwähnte Aufführungs- und das Verlags- und Bearbeitungsrecht, untersucht die Erträge aus den Verwertungsrechten und das Recht auf Werkintegrität, um sich dann in überaus gelungener Weise dem Verhältnis der Komponisten zu ihren (zum Teil auch „ein-gesparten“) Librettisten zu widmen.

Dabei gelingt Wolf etwa der Nachweis, dass sich die dargestellten Protagonisten samt und sonders jedenfalls ihres Bearbeitungsrechts bewusst waren; dies galt insbesondere für Weber, der seine Werke noch unter völlig unzulänglichen rechtlichen Rahmenbedin-gungen komponierte und verkaufte. Was Lortzing und Nicolai angeht: Auch in der Zeit nach 1837 blieb mitunter völlig unklar, ab wann etwa die (Fremd-)Bearbeitung einer Oper — die gerne in Form der überaus marktgängigen Klavierauszüge erfolgte — als neue und „eigentümliche“ Komposition anzusehen und damit nicht als mechanischer „Nach-druck/Nachstich“ verboten war4. Weber jedenfalls suchte zunächst das Heil darin, sich bestimmte Bearbeitungsrechte (rein vertraglich) vorzubehalten, was aber seinen Ver-leger, den mit allen Wassern gewaschenen Adolf Martin Schlesinger (1769—1838) nicht daran hinderte, neben einem — immerhin 3000 Talern werten — Klavierauszug zum Frei-schütz auch andere Arrangements zu veröffentlichen (Wolf, S. 118). Daneben suchte sich Weber immer wieder mit warnenden Anzeigen und Rundschreiben an die Theaterdirek-toren und das Publikum zu wenden; jedenfalls sein Verleger führte auch Prozesse gegen preußische und sächsische Nachdrucker. Für seine letzte, in London uraufgeführte Oper Oberon und aus Erfahrung klug, beantragte der Komponist 1826 schließlich gleich in meh-

4 Vgl. hierzu den leider von der Verfasserin nicht erwähnten Aufsatz eines J. K., Beitrag zur Lehre vom Nachdruck musikalischer Compositionen, in: Allgemeinen Preßzeitung 1844, Sp. 121f., 133f., 137f., 141f.

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reren deutschen Bundesstaaten die Erteilung von Privilegien, die insbesondere auf den Schutz der Melodie zielten und die dem ohnehin berühmten Tondichter ein überdurch-schnittliches Honorar sicherten. Lortzing ging einen anderen Weg: Ihm — der sich seiner-seits unbekümmert fremder französischer Inhalte bemächtigte — war es vor allem um die Verbreitung seiner Werke zu tun. Aus diesem Grunde trat er an seine Verleger, etwa die Gebrüder Schott, grundsätzlich die (zwischenzeitlich sogar gesetzlich geschützten) Bear-beitungsrechte ab und behielt nur das Recht an der Partitur selbst.

Schließlich bietet Wolf gerade auch im Schlusskapitel über die Librettisten erstaun-liche Einsichten. Dort handelt sie von der Frage, wie sich die Komponisten in Bezug auf das Autorrecht der Libretto- und Vorlagedichter verhielten (Wolf, S. 172ff.). In diesem Zusammenhang weist sie rein tatsächlich zunächst nach, dass die gängige Auffassung, der entsprechend vorgebildete Lortzing sei der einzige gewesen, der „vor Wagner vollgültige Texte habe schreiben können“, nur bedingt richtig ist. So bediente sich der Komponist mitunter der Hilfe seiner Freunde (etwa Philipp Reger oder Philipp Jacob Düringer), wäh-rend Weber und Nicolai das ein oder andere Mal durchaus substantielle Beiträge zum Text ihrer Opern leisteten und insoweit jedenfalls nach heutiger Vorstellung als Miturheber der entsprechenden Libretti anzusehen sind. Wichtiger aber ist die im einzelnen begrün-dete Feststellung, dass Lortzing die (Mit-)Urheberschaft eines Dritten nur in Einzelfäl-len und gefühlt freiwillig öffentlich machte (und schon gar nicht in klingender Münze honorierte), auch unbekümmert französische (und wohl auch deutsche) Vorlagen nutzte, ohne sich um deren Gemeinfreiheit zu scheren. Dagegen suchten Weber und Nicolai ganz offiziell nach Librettisten, veranstalteten sogar entsprechende Preisausschreiben und bezahlten auch den jeweiligen Dichter. Aber auch sie waren sich — was Wolf etwa dem Umstand entnimmt, dass Nicolai den gleichwohl entlohnten Schreibhelfer zu Il Proscritto ausnahmsweise nicht namentlich erwähnt — einer Miturheberschaft an einem Libretto durchaus bewusst.

Die Arbeit, die in einem Anhang auch die einschlägigen preußischen Normen aus dem Allgemeinen Landrecht von 1794 und dem „Gesetz vom 11. Juni 1837, zum Schutze des Eigentums an Werken der Wissenschaft und Kunst gegen Nachdruck und Nachbildung“ aufführt, bringt die Forschung zur Geschichte des geistigen Eigentums im allgemeinen und zum Musikurheberrecht im besonderen unbedingt weiter. Das Lesen lohnt sich also.

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Aufführungs-Besprechungen

Rosenheim: Die beiden SchützenIn Rosenheim gab es endlich die langersehnte Möglichkeit, Lortzings erste abendfüllende Oper auf der Bühne kennenzulernen. Die letzte Aufführung, die ich ärgerlicherweise ver-paßt habe, fand 1981 (!) in Lüneburg statt. Die Rosenheimer Aufführung wurde von dem Verein „erlesene oper e.v.“ initiiert, der sich die Ausgrabung seltener Opern zum Ziel gesetzt hat.

Der Aufführung zu Grunde gelegt wurde die Partitur aus dem Dresdner Opernarchiv. Die beiden ersten Akte wurden vollständig und ohne Änderung der Musikfolge gespielt. Im 3. Akt hingegen wurde Peters Lied (Nr. 12) gestrichen, weil der Sänger aus mehreren Grün-den erst spät mit den Proben beginnen konnte. Zwischen den Nummern 13 und 14 wurde eine Kerkerariette Gustavs eingefügt. Sie stammt aus dem Dresdner Aufführungsmaterial. Sie könnte durchaus von Lortzing stammen, war aber bis dato nicht bekannt. Die Dialoge wurden gestrafft und an wenigen Stellen sachte modernisiert. „Manche sehr ‚national gesinnte‘ Formulierung, die man im Zusammenhang mit der historischen Situation der Entstehungszeit sehen muss, habe ich entschärft und aktualisiert, weil sie heutzutage nicht mehr tragbar wäre.“ (Der Vereinsvorsitzende Georg Hermannsdorfer, Programm-heft, S. 29) Wenige Seiten zuvor (S. 7) beklagte er – zu Recht –, dass Der Pole und sein Kind sowie Andreas Hofer „von der Zensur verboten bzw. teilweise zensiert“ wurden. Sein eigenes Handeln zeigt, daß bis heute die wirksamste Form der Zensur die Schere im eigenen Kopf ist. Zu seiner Ehrenrettung sei gesagt, daß die Gesangstexte weithin unbe-rührt blieben. Anderes gilt freilich für die coupletartigen Lieder Peters und Schwarzbarts, die allerdings schon von Lortzing für das Extemporieren, das aktuelle Äußerungen ermög-lichte, vorgesehen waren, ein Mittel, um die Zensur zu unterlaufen. Für die Vorzensur (Vgl. Programmheft, S. 36) mußten die Texte vor der Aufführung vorliegen. Situationsbe-dingte Änderungen waren schwerer zu erkennen. Lortzing trugen sie freilich in Leipzig durchaus einige Tage im Stadtgefängnis ein.

Die Oper, die ich bisher nur aus einer wenig überzeugenden Einspielung aus dem Jahre 1950 kannte, erwies sich als vollwertiger Lortzing. Die Einschätzung des 19. Jahrhun-derts, die das Werk den 4 großen Lortzing-Opern an die Seite stellte, erwies sich als richtig. Die Oper enthält mit der Auftrittsarie des Wilhelm - „Da, wo schöne Mädchen wohnen“ – den ersten Lortzing-Schlager. Das Septett im 3. Akt ist eine wahre Perle der Ensemblekunst. Nach Rossini hat keiner mehr so viele und kunstvoll gearbeitete große Ensembles geschrieben wie Lortzing. Aber auch die nicht wenigen Ensembles in der übrigen Oper überzeugen durchwegs. Schon die Introduktion ist typischer Lortzing, obwohl es sich nicht um einen Handwerkerchor handelt, sondern um einen der Besucher der Gastwirtschaft. Besonders reizend ist noch das Duett zwischen Caroline und Gustav, aber auch die Arien beider. Damit habe ich nahezu die Musik der ganzen Oper aufgezählt, die es verdient, viel häufiger auf dem Spielplan unserer Bühnen zu erscheinen. Das für die Aufführung erstellte Material ist leihweise (wohl vermutlich: mietweise?) bei Georg Hermannsdörfer erhältlich.

Die musikalische Realisation ist weithin gelungen, entsprach jedenfalls den Möglichkeiten eines solchen Ensembles, das eine Mischung aus Laienchor und –orchester ist. Die Solisten sind überwiegend Profis, wenngleich nicht Weltspitze. Das Orchester spielte unter Lei-

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tung von Georg Hermannsdorfer lortzinggerecht. Einige Wackler sind umso verzeihlicher, als sie Spitzenorchestern auch unterlaufen. Und viele Details des Orchestersatzes wurden sehr plastisch herausgearbeitet.

Gesungen wurde mehr oder weniger ordentlich. Mit Abstand am besten gefiel mir Sieg-linde Zehetbauer als Caroline. Lortzing hat die Rolle auch viel kunstvoller und mit Kolo-raturen versehenen ausgestattet, für eine deutlich bessere Sängerin als die des Suschen (Christa Huber) oder gar der Jungfer Liebchen (Beatrix Schalk). Es ist wohl kein Zufall, dass die Arie des Suschen im 2. Akt nachkomponiert wurde. Andreas Agler sang als Wil-helm seine Auftrittsarie ohne Probleme, geriet aber in den folgenden Ensembles an seine Grenzen. Ähnliches gilt für den Gustav des Markus Kotschenreuther. Die tiefen Stimmen fielen etwas ab: Michael Doumas (Schwarzbart), Helmut Wiesböck (Amtmann Wall) und Martin Zimmerer (Unteroffizier Barsch). Über Werner Perrret als Gastwirt Busch läßt sich nichts Verbindliches sagen, er war hörbar erkältet.

Die Inszenierung war ein Labsal für alle vom Regietheater (besser: Regisseurtheater) Geschädigten. Die nicht wenigen Regieanweisungen Lortzings wurden alle buchstäblich umgesetzt. Das Bühnenbild war einfach, aber zweckentsprechend, die Kostüme passend. Und die Personenführung geriet bis in die einzelnen Chormitglieder hinein restlos über-zeugend. Auch insoweit wurden die Regieanweisungen, etwa im Septett, minutiös umge-setzt. Auf diese Weise entwickelte sich eine so lebhafte Bühnenaktion, von der die mei-sten modernen Regisseure, deren Arbeiten oft nicht über das Rampenstehen hinauskom-men, nur träumen können. Ein kleiner (sehr kleiner) Wermutstropfen sei nicht verschwie-gen: Das wenig anheimelnde Ambiente des Kultur- und Kongresszentrums Rosenheim.

Alles in allem war es eine Reise, die sich im hohen Maße gelohnt hat. Dank an den Verein „erlesene oper e.v.“

Besuchte Vorstellung: 27. Februar 2016

Bernd-Rüdiger Kern

(Beachten Sie die Anzeige für eine neue (alte) Aufnahme der beiden Schützen auf S. 31.)

Meiningen: ReginaIm Theater Meiningen fand am 18. März eine ganz besondere Premiere statt. Die selten gespielte Oper Regina von Albert Lortzing stand auf dem Spielplan und begeisterte nicht nur die Freunde des Komponisten.

Die Oper entstand im Revolutionsjahr 1848. Lortzing schrieb sein Werk in einer Welle des Aufbruchs für Freiheit und Demokratie und in einem Zeitfenster ohne Zensur. Erst im November 1848 komponierte er als letztes die Ouvertüre. Da kam die Nachricht von der Hinrichtung Robert Blums, Freund und enger Vertrauter von Lortzing. Er unterbrach tief-betroffen seine Arbeit und im Takt 135 kommt es zum abrupten Abbruch der Ouvertüre. In Meiningen erfolgte an dieser Stelle die Exekution von Blum auf offener Bühne.

Die Meininger Hofkapelle musizierte die fast durchkomponierte Oper unter der Leitung von Lancelot Fuhry mit viel Hingabe und präziser Stimmführung. Regisseur Lars Wernicke stand vor der Aufgabe, Lortzings Werk aus der sonst so biedermeierlichen Nische zu füh-ren. In Regina hatte er die Möglichkeit dazu, denn hier geht es nicht nur um eine Liebes-

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beziehung sondern auch um handfestes und politisches Aufbegehren.

Gleich zu Beginn brodelt es in Text und Musik so richtig, denn die Arbeiter in Simons Fabrik zetteln einen lautstarken Streik an. Das ist eine kollektive Arbeitsniederlegung und ein Novum auf einer Opernbühne. Dieser Vorfall ereignete sich in der Fabrikhalle, dumm nur, dass der Boss gerade nicht in seiner Firma weilte. So musste der smarte Prokurist Richard (Daniel Szeili) die aufgebrachte Menge beruhigen. Mit seiner kräf-tigen Tenorstimme (in der Höhe kniff er manchmal) gelang es ihm auch schnell, die Woge des Aufbegehrens, zu glätten. Regina, die Tochter des Chefs, ist von Richards Einsatz begeistert und wird in ihrer Liebe zu ihm bestärkt. Anne Ellersiek, die Regina des Abends, wurde vor der Vorstellung als leicht indisponiert angekündigt. Nach ersten behutsamen Gesängen steigerte sich ihre klare Sopranstimme und überzeugte später mit der nötigen stimmlichen Dramatik und der Gestaltung der doch im weiteren Verlauf herb gebeutelten Fabrikantentochter. Nach dem Tumult im Werk kehrt Simon von seiner Reise zurück und, noch auf den Koffern sitzend, wird er sehnsüchtig von Richard und seiner Tochter erwartet. Doch von Streik ist hier nicht die Rede, sondern von Verlobung, der Simon (Christoph Stegemann) im sonorem Sarastro-Bass zustimmt. Nun könnte die Oper in Wohlgefallen enden. Doch Werksleiter Stephan (Matthias Vieweg) verändert die gute Stimmungslage erheblich. Er ist ebenfalls in Regina verliebt und muss nun zuse-hen, dass sie Richard zum Bräutigam erwählt hat. Seine Enttäuschung, Verzweiflung und Hilflosigkeit darüber potenzieren sich in Hass und Rachegelüste. Diese Palette der Gefühle brachte er mit seiner gutklingenden Baritonstimme zum Ausdruck und seine Körpersprache setzte emotionale Momente. Wenn Liebe und Hass zusammenfallen, dann bedarf es meistens eines guten Freunds, und siehe da, aus früheren Zeiten taucht sein alter Kumpel Wolfgang (Mikko Järviluotoauf) auf und Stephans Lebensweg gleitet nun ins kriminelle. Wolfgang ist Anführer einer berüchtigten Räuberbande, die nun Stephans Rachepläne tatkräftig unterstützt. Die fröhliche Verlobungsfeier, mit großen Chorszenen und deftig choreografiertem Tanz, schlägt plötzlich in Chaos um. Stephan und die fin-steren Räubergestalten stören die Feierlichkeiten, legen Feuer in der Fabrik und nehmen Regina als Geisel. In der Waldhütte von Kilians Mutter, Kilian ein Fabrikarbeiter, sucht die Bande Unterschlupf. Der listige Kilian (Stan Meus mit hübschem tschechischem Dia-lekt à la Schweyk) hat einen Plan. Er lädt alle zu einem Umtrunk ein und schenkt den mit Schlafmittel versetzten Wein freigiebig aus. Während Kilian in Tenor-Buffo Art ein lustiges Trinklied zum Besten gibt, liegen die kräftigen Kerle spätestens nach der 3. Stro-phe in Morpheus Armen. Regina gerettet? Stephan hat alles durchschaut. Er gibt nicht auf und entführt Regina erneut. Diesmal ist das Ziel ein alter Pulverturm mit explosivem Inhalt, den Stephan in die Luft jagen will. Regina wehrt sich gegen Stephans handgreif-lichen Annäherungen und in ihrer Not entreißt sie ihm sein Revolver und erschießt ihren Peiniger. Stephan tot, Räuberbande verjagt, Regina gerettet, Bräutigam glücklich, Papa erleichtert, das Volk jubelt, doch es gibt nur ein kurzes Happy End, genau 9 Takte lang. Jetzt treten die Solisten und der Opernchor in schwarz weiß gekleidet stimmgewaltig aus der vermeintlich biedermeierlichen Idylle à la „Sonntagsspaziergang“ von Spitzweg, als Riesengemälde sichtbar, heraus und stimmen das Hohe Lied auf Freiheit, Brüderlichkeit und Demokratie an. Symbolhaft in schwarz rot goldenen Bändern wird die herrschende Aristokratie in Form von Strohpuppen aufgeknüpft. Es ist Aufbruch! doch halt! Eine rie-sige weiße Germania Büste erscheint im Hintergrund. Weinend und brennend blickt sie in die Zukunft. Hier schließt sich der Bogen zur Hinrichtung von Robert Blum zu Beginn der Oper. Das Chorfinale „Nun kommt der Freiheit großer Tag“ wirkt wie ein Schrei und

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Ermahnung an die Welt.

Zu Lebzeiten Lortzings wurde Regina wegen des aufrührerischen Gedankenguts nie aufge-führt, später inhaltlich derb verändert und erst 1998 in Gelsenkirchen in Originalfassung gespielt.

Meiningen hat sich der großen Aufgabe gestellt und mit seinem großartigen Ensemble eine hörenswerte und eindrucksvolle Inszenierung geschaffen, die einen Theaterbesuch lohnenswert macht und Lortzing musikalisch von einer anderen Seite zeigt.

Besuchte Vorstellung: Premiere am 18. März 2016

Petra Golbs

Die gar nicht mehr so selten aufgeführte Lortzing-Oper Regina fand nun auch den Weg nach Meiningen, wo sie gut aufgenommen wurde. Es handelt sich um die bisher schlüs-sigste Inszenierung (Regie: Lars Wernecke, Bühne und Kostüme: Dirk Immich), und auch die musikalische Realisierung gelang besser als andernorts.

Dabei muss nicht darüber gestritten werden, ob es sich um eine Revolutionsoper handelt. Das Meininger Programmheft verzichtet zu Recht auf diesen Begriff. Es handelt sich in der Tat auch vielmehr um eine Antirevolutionsoper. Der Komponist nimmt die Stellung des durch den Verlauf der Revolution verschreckten Bürgertums ein, das Grundrechte und eine konstitutionelle Verfassung wünschte, aber die Gewaltexzesse des republikanischen Pöbels verabscheute. Die Parteien sind von Lortzing scharf gezeichnet. Die Freischärler unter Führung Wolfgangs, die vor keinem Verbrechen zurückschrecken, der Werkmeister Stephan, der sich ihnen aus persönlichen Gründen anschließt, auf der einen Seite und auf der Gegenseite die Guten: der Fabrikbesitzer Simon, ein „Vater“ seiner Arbeiter, Richard, sein Geschäftsführer, Regina, seine Tochter, Kilian und Beate, seine Bediensteten und Barbara, Kilians Mutter. Das alles arbeitet die Regie in einem recht realistischen Bühnen-bild gut heraus. Und auch der bei Lortzing im Vordergrund stehende nationale Gedanke wird keineswegs unterdrückt. Allerdings tauchen die schwarz-rot-goldenen Farben erst im 3. Akt auf und werden zu Stricken, an denen Adelige (Strohpuppen) aufgeknüpft wer-den. Das hat mit Lortzings Text nur noch wenig zu tun. Auch die Erschießung Blums, in der abgebrochen gespielten Ouvertüre, ist überinterpretiert. Und vollends die schwarzen Tränen, die die Germania und alle Beteiligten im Finale weinen, bleiben unerklärt und unerklärlich. Aber abgesehen von diesen überflüssigen Kommentaren läuft die Handlung wundervoll im Sinne Lortzings über die Bühne. Nicht zu Unrecht, wertet das Publikum die Regie als traditionell. Dass die Regie allerdings Probleme mit dem 3. Finale hat, zeigt sich an einer Kleinigkeit. Heißt es im Text bei Lortzing „Heer“, so verfälscht die Überti-telung das zu „Herr“, völlig sinnlos, aber weniger militaristisch.

Textlich entspricht die Oper nicht dem gewohnten Lortzingstil. Sie enthält nur wenige komische Szenen und gar keine märchenhaften oder historische Züge, sondern stellt normale Bürger und sogar Arbeiter auf die Bühne und beschäftigt sich mit Gegenwarts-problemen. Das ist nun freilich nicht so außergewöhnlich, wie es das Programmheft an einigen Stellen anklingen lässt. Vielmehr ist es gattungstypisch für die semiseria, das bürgerliche Rührstück, mit Rettung in der letzten Minute. Damit steht Regina in der Tra-dition von Beethovens Fidelio und Cherubinis Wasserträger. Während bei Beethoven der politische Hintergrund nicht verdeutlicht wird, sondern im Allgemeinen bleibt, verortet

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Cherubini sein Werk erkennbar in der französischen Revolution, wobei freilich eine histo-rische Einkleidung gewählt wurde. Wie Lortzing wendet er sich gegen die Auswüchse der Revolution. Auch die vom Regisseur als „Scheinidylle“ missverstandenen Szenen sind gat-tungstypisch und kein Schein, sondern der Zustand, den Lortzing wünscht und in seiner Oper darstellt und der im Finale auch (wieder) erreicht wird. Überhaupt fällt die Büh-nenrealisation viel überzeugender aus, als der Programmheft-Beitrag des Regisseurs.

Auch musikalisch klingt die Oper nur selten wie Lortzing. Der musikalische Duktus ähnelt vielmehr der französischen Großen Oper, ohne sie zu kopieren. Regina ist musikalisch von Agathe beeinflusst, charakterlich aber viel zupackender und tatkräftiger gezeichnet. Musikalisch ist typischer Lortzing allenfalls in den Liedern Kilians (Lortzings Rolle?) und Barbaras zu finden.

Die Ouvertüre wurde an der Stelle abgebrochen, an der Lortzing seine Arbeit an der Oper einstellte. Da aber klar ist, welches Material der Komponist dafür verwendete und ver-wenden wollte, hätte auch ruhig die vervollständigte Fassung gespielt werden können. Zwischen dem 2. und dem 3. Akt wurde andererseits eine (sehr schöne) Zwischenakts-musik eingefügt, die allerdings den Nachteil hat, dass sie das musikalische Material des Finales vorweg nimmt. Auch dieses Dilemma ist aus Fidelio-Aufführungen bekannt. Wird eine der Leonoren-Ouvertüren als Zwischenaktmusik eingesetzt, wird das musikalische Überraschungsmoment des Finales vorzeitig preisgegeben.

Auch musikalisch war die Aufführung viel überzeugender als die letzten Aufführungen in München und Kaiserslautern. Gesungen wurde fast durchgängig gut. An erster Stelle ist Anne Ellensiek in der Titelrolle zu nennen, die trotz Erkältung im März eine bewun-dernswerte Leistung vollbrachte. Im Dezember sang sie makellos. Ihr ebenbürtig war ihr Gegenspieler Stephan, der von Matthias Vieweg gesungen wurde. Daniel Szeili als Richard fiel hingegen ab. Seine Intonation ließ gelegentlich zu wünschen übrig. Trotz Indisposition rettete er zur Freude des Publikums die letzte Vorstellung. Die übrigen Solisten sangen ordentlich und besser: Ernst Gartenauer (Simon), Stan Meus (Kilian), Mikko Järviluoto (Wolfgang), Carolina Krogius (Beate) und Horst Arnold (ein Freischärler). Die Stimme von Christiane Schröter (Barbara) war – vorsichtig ausgedrückt - gewöhnungsbedürftig. Chor und Extrachor des Meininger Theaters (Matthias Köhler) hatten erheblichen Anteil an der guten musikalischen Leistung. Die Meininger Hofkapelle spielte unter der Leitung von Lancelot Fuhry.

Besuchte Vorstellungen: 20. März und 21. Dezember 2016

Bernd-Rüdiger Kern

weitere Rezensionen:

Sieglinde Pfabigan in: Der neue Merker 06/2016, S. 62-63. (Sie schreibt einleitend: „Und wieder eine Lortzing-Oper (ich durfte in den letzten Monaten sowohl ‚Die beiden Schüt-zen‘ wie auch die ‚Opernprobe‘ kennen lernen), die für unglaubliche Überraschungen sorgt und meine Bewunderung für diesen Komponisten untermauert.“)

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Neustrelitz: Zar und ZimmermannGern, aber leider viel zu selten, schaffen wir einen Besuch des Neustrelitzer Theaters. Noch nie wurden wir enttäuscht, und so war es auch jetzt wieder. Rundherum glücklich und zufrieden konnten wir den Heimweg antreten, nachdem wir einen Zar und Zimmer-mann gehört und gesehen hatten, der letztlich kaum einen Wunsch offen ließ.

Etwas sei doch erwähnt: Das Quartett, das das dritte Finale eröffnet, fehlte leider, wie auch andernorts regelmäßig. Ungewöhnlich war die Pause vor dem 1. Finale. Von der Dramaturgie des Stückes her ist das nur schwer nachzuvollziehen, von den Handlungs-orten her schon. Denn dass die Hochzeitsfeier auf der Werft stattfindet, leuchtet nicht ein. So wurde in Neustrelitz die Pause für einen Umbau genutzt. Das Publikum begrüßte die geänderte Bühne zu recht mit starkem Szenenapplaus. Den gab es nochmals für eine Tanzfigur im Holzschuhtanz.

Musikalisch geriet die Aufführung erstaunlich gut. Die Neubrandenburger Philharmonie unter Leitung von Markus Baisch spielte nach einigen Anfangsschwierigkeiten in der Ouvertüre beschwingt und mitreißend. Opern- und Extrachor, verstärkt durch Mitglieder von coruso, dem ersten freien deutschen Opernchor (Chorleiter: Gotthard Franke), gaben dem Chorsatz eine erfreuliche Fülle. Die deutsche Tanzkompanie Neustrelitz brachte endlich einmal wieder vollwertiges Ballett auf die Bühne, nicht nur tanzende Chorsänger oder ein Kinderballett. Lang anhaltender Jubel dankte für diese vorzügliche Leistung. Nicht unerwähnt bleiben darf die Choreographie von Kirsten Hocke und das „Solo“ von Ryszard Kalus in der Rolle des Lord Syndham, die er auch gesanglich und darstellerisch hervorragend auszufüllen vermochte.

Damit sei zu den Sängern übergeleitet. Auch sie überzeugten weithin sehr. Die größte Überraschung war für mich Andrés Felipe Oroszco als Peter Iwanow. Er verfügt über eine schöne Stimme mit guter deutscher Aussprache und vermochte nicht nur in den solisti-schen Auftritten — zu denen ich hier auch die Duette zähle — zu glänzen, sondern auch in den Ensembles, in denen seiner heller Tenor alles überstrahlte. Es macht durchaus Sinn, diese Rolle mit einem Belcanto-Sänger zu besetzen. Über weite Strecken vermochte auch der andere Peter, der von Robert Merwald gesungen wurde, zu überzeugen. Gegen Ende der Oper zeigte er aber leider einige wenige Ermüdungserscheinungen. Sehr gut gefiel mir auch Tobias Pfülb als van Bett, der selbstverständlich den größten Beifall einheimste. Gut, aber im Vergleich zu Oroszco etwas abfallend war Sangmin Jeon als Marquis de Chateauneuf. Die größten Probleme hatte ich mit Anna Maistriau als Marie. Ihre Stimme klang etwas gepresst, was allerdings daran liegen kann, dass sie ihren französischen Akzent nur schwer unterdrücken konnte. Ihre Bühnenpräsenz war allerdings überwälti-gend. Auch die kleineren Rollen waren gut besetzt: Mario Thomann als Admiral Lefort und Lena Kutzner als — sehr junge und hübsche — Witwe Browe. Von ihr hätte man gern mehr gehört. Wenn man Lortzing einen Vorwurf machen will, dann den, dass er zu wenig für die tiefen Frauenstimmen komponiert hat.

Die Ausstattung von Sabine Lindner überzeugte auf Anhieb und nicht erst im zweiten Bild. Schon die Werft war mit spärlichen Mitteln treffend charakterisiert. Die Personenführung der Regisseurin Birgit Kronshage war wundervoll auf das Stück abgestellt. Vielleicht war die Marie gelegentlich etwas zu keck gezeichnet.

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Alles in allem handelt es sich um eine wundervolle Aufführung, die alle Erwartungen erfüllte oder übertraf. Die Inszenierung wird in die nächste Spielzeit übernommen und kann allen nur auf das Wärmste empfohlen werden.

Besuchte Aufführung: 5. Juni 2016

Bernd-Rüdiger Kern

Die Vorfreude auf einen schönen lortzingschen Theaterabend wurde schon bei der Anreise nach Neustrelitz erheblich gedämpft. Ein schwerer Autounfall verbunden mit einer Kom-plettsperrung der Unfallstelle brachte für ca. 1 Stunde den freien Verkehr zum erliegen. Nach einer zwanzigminütigen Verspätung und dem Verpassen des halben 1. Aktes begann für mich die Oper erst mit dem Auftritt des Bürgermeisters van Bett.

Wie wohl jetzt erwartet, betritt ein leibesfülliger, etwas aufgedunsener und in die Jahre gekommener Ortschef die Szene, doch weit gefehlt, in Neustrelitz kommt die Saar-damer Obrigkeit schlank und rank daher und stolziert mit Polizeieskorte, ständig um Aufmerksamkeit buhlend, in schwarzer Amtsrobe und roter Allongeperücke umher. Ja, auch ohne Leibesfülle ist man vor Dummheit, Ahnungslosigkeit und Arroganz nicht gefeit. Mit gutem bassigen Timbre, auch in den Dialogszenen, weiß Tobias Pfülb alias van Bett, den Bürgermeister in seiner Inkompetenz in den Mittelpunkt zu stellen und frönt dabei seiner angeblichen Beliebtheit. Nachdem sein detektivisches Talent den falschen Peter entdeckt hat, beginnt das ganze Verwirrspiel. Peter Iwanow (Andrés Felipe Orozco), in ständiger Angst als russischer Deserteur entdeckt zu werden, entzieht sich listig in Tenor Buffo Art jeglicher Konfrontationen. Die Eifersüchteleien gegenüber seiner zukünftigen Braut Marie machen ihm fast mehr zu schaffen, als die plötzliche unfreiwillige Zaren-würde. Marie (Anna Maistriau), schlank und niedlich, was man auch in der Stimme hörte, spaßte auch ständig mit ihrem Peter, der in jeder männlichen Gestalt einen Rivalen sah. Peter Michailow (Robert Merwald) verkörperte eine stattliche Zaren-Persönlichkeit und intonierte mit seiner runden Baritonstimme die wehmütigen Arien gut. Das Zepter in der Schiffswerft schwang zweifellos die taffe Witwe Browe. Mit ihrem Slogan „Ich bin eine anständige Frau und mein Mann ist tot!“ lässt sie sich nicht die Butter vom Brot nehmen. Die Schiffswerft ist praktikabel mit Bauhölzern und Zimmermannswerkzeugen ausge-stattet, die für einen im Bau befindlichen Schiffsrumpf benötigt werden. Die Herren des Opernchores sind an ihren Arbeitsplätzen auffallend korrekt gekleidet in sandbraunen Hosen und blütenweißen Hemden. Frau Browe legt Wert auf Ordnung und Sauberkeit und verteilt wohl auch vor jedem Mittagsmahl an ihre Angestellten eine Riesenserviette. Nachdem van Bett alle zur Personenkontrolle hochgescheucht hat, erscheinen die Schiffs-bauer brav mit diesem Latz am Hals und demonstrieren irgendwie eine kollektive Spei-sung à la Schulhort.

Am Premierenabend waren die Damen und Herren des Opern- und Extrachores in bester Spiel- und Sangeslaune. Der Chordirektor (Gotthard Franke) hat mit Exaktheit und gezielter Stimmführung einen sehr guten Chorklang erreicht. Natürlich auch in der Sing-schule, in der die Chorschüler ihre besondere Musikalität unter Beweis stellten. Nach kurzer Einsicht in die Notenblätter wurden diese zu Papierbällchen und Papierfliegern umfunktioniert und flogen in Richtung des kunstpreisverdächtigen Texters. Der musika-lische Kopf, der Kantor, kannte auch nur 4 Töne und somit war der Chor für die Auffüh-rung der großen Zarenhymne in kürzester Zeit bestens studiert.

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Für den Holzschuhtanz engagierte das Haus die Tänzerinnen und Tänzer der Tanzkompa-nie Neustrelitz, die mit Holzpantinen klappernd auch den englischen Gesandten (Ryszard Kalus), mit seinem auffallend femininen Gehabe, in die Choreografie mit einbezogen. Der russische Gesandte Leford (Mario Thomann) war ein seriöser älterer Herr, wogegen der französische Gesandte (Sangmin Jeon) sehr charmant in seiner Arie Blumen an die flandrischen Mädchen verteilte. Obwohl einige hauseigene Solisten aus fernen Ländern stammten u. a. aus Kolumbien, Belgien, Polen und Südkorea, war die Textverständlich-keit im Dialog und Gesang bei allen Mitwirkenden sehr gut.

Das Orchester spielte unter dem Dirigat von Markus Baisch einen flotten und beschwing-ten Lortzing. Die Regisseurin Birgit Kronshage stellte mit Hilfe des spielfreudigen Ensem-bles eine eher konservative ohne große Aufreger, doch in der Gesamtheit, sehenswerte Inszenierung auf die Bühne.

Besuchte Vorstellung: Premiere am 7. Mai 2016

Petra Golbs

Bad Lauchstädt: Der WildschützAls Gastspiel des Theaters Magdeburg wurde Der Wildschütz zweimal im Goethetheater der Stadt Bad Lauchstädt gespielt. Der Eindruck war sehr zwiespältig. Das bezieht sich nicht zuletzt auf den Umgang mit Text und Musik. Wie schon beinahe üblich, fiel die Tanzszene im 3. Akt dem Genderwahn zum Opfer. Ungewöhnlich hingegen waren die beträchtlichen Kürzungen im 1. Finale. Die ganze Gewitterszene wurde gestrichen. Über Gründe dafür lässt sich allenfalls spekulieren. Der Dialog wurde vorsichtig modernisiert, der Text der 5000 Taler-Arie teils auch. Die Erfindung der Tante Irmgard, die Gretchen aufgestachelt hat, für einen opulenten Hochzeitsschmaus zu sorgen, ist schlicht überflüs-sig und bringt nichts.

Das Bühnenbild (Simon Holdsworth) war originell: alle Gebäude, aber auch sonstige Gegenstände und sogar Tiere waren in schwarz-weiß gehalten und mit deutscher Schreib-schrift versehen. Da die Baronin „auf des Lebens raschen Wogen“ daherkommt, ruderte sie in einem aus Papier gefalteten Bötchen auf die Bühne. Auch die Kostüme (Dietlind Konold) waren hübsch, gespielt wurde leider nicht immer überzeugend (Inszenierung: Aron Stiehl).

Gesungen wurde durchgängig gut: Ronald Fernes (Graf), Undine Dreißig (Gräfin), Ralf Simon (Baron), Julie Martin du Theil (Baronin), Sylvia Rena Ziegler (Nanette), Johannes Stermann (Bacuöus), Irma Mihelič (Gretchen) und Peter Wittig (Pankratius).

Die Magdeburgische Philharmonie spielte unter der Leitung von Pawel Poplawski. Der Opernchor des Theaters Magdeburg sang. Chor und Orchester waren sich gelegentlich nicht einig über das einzuschlagende Tempo.

Besuchte Vorstellung: 19. Juni 2016

Bernd-Rüdiger Kern

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Der Wildschütz im Eberswalder Zoo

Was haben der Wildschütz, der Eberswalder Zoo, Lortzing und eine Wanderoper gemein-sam? – eine gelungene und amüsante Inszenierung.

Am 10. September 2016 besuchte ich die letzte von 4 Vorstellungen des Wildschütz auf der Open Air Terrasse im Eberswalder Zoo. (Eberswalde ist eine kleine Kreisstadt ca. 60 Kilometer östlich von Berlin. Der Zoo trägt übrigens das Prädikat „schönster kleiner Zoo Deutschlands“.)

Die Wanderoper Brandenburg e.V. (2011 gegründet) hat sich zum Ziel gesetzt, die kulturell unterentwickelte Infrastruktur im ländlichen brandenburgischen Raum mit Musiktheater-aufführungen speziell für Kinder und Jugendliche zu bereichern. Leiter und Intendant der Wanderoper ist der Theatermann Arnold Schrem. Er bezeichnet seine Bühne als „mobile kulturelle Grundversorgung“. Schrem, der die Musiktheater-Spielregeln schon bei W. Fel-senstein und J. Herz eingesogen hat, konnte auch als Oberspielleiter u.a. in Freiberg und Stralsund seine Regietätigkeit unter Beweis stellen. In der Wanderoper werden in erster Linie Profi-Sänger, Hochschulabsolventen oder Freiberufler verpflichtet, wobei die finan-zielle Unterstützung von Land und Gemeinden eher mager aussieht. Daher ist es immer wieder ein neuer Kraftakt, Sponsoren für eine neue Produktion zu akquirieren.

Die Aufführung des Wildschütz stellte so einen Kraftakt dar. Ein glücklicher Umstand verhalf der Wanderoper zu einer Finanzspritze, die durch die Feierlichkeiten zum 700jäh-rigen Jubiläum der nahe liegenden Stadt Bad Freienwalde begünstigt wurde. Mit der Einbeziehung von Mitwirkenden aus der Stadt und der Region und zwei Aufführungen in Bad Freienwalde fand dieses Projekt regionale und überregionale Unterstützung. Zwei weitere Vorstellungen folgten im Eberswalder Zoo.

Die schmucklos mit Blech überdachte Zooterrasse diente zum Glück nur als Umkleide für die Künstler, denn die Aufführung fand auf einer vorgebauten Spielfläche statt. Das Büh-nenbild präsentierte sich im spätsommerlichen Ambiente. Mit sieben mannshohen Stroh-haufen, geschmückt mit Kunstblumen, Störchen, Blechkatze, Schmetterlingen und rosa Plüschschwein suggerierte es eine heile schöne Welt auf dem Lande. Im Schlossakt blieb natürlich der Strohhintergrund stehen und nur 8 Stühle, bezogen mit weißen Hussen, reichten aus, um das gräfliche Anwesen anzudeuten.

Hohe schattenspendende Bäume umsäumten den Besucherplatz, der für ca. 400 Zuschauer bestuhlt war und leider am Abend nur ca. 250 Gäste zählte.

Das 10köpfige professionelle Orchester (Blech, Holz, Streicher) spielte dank einer gelun-genen Bearbeitung vom Filmmusikkomponist Bernd Wefelmeyer, einen erstaunlich gut klingenden Lortzing. Johannes Zurl, der Mann am Dirigierpult, hatte die Zügel Richtung Orchester und Bühne bestens in der Hand,

Während der Ouvertüre (stark gekürzt) betritt, nein: bespielt der Chor die Bühne und jeder einzelne erzählt eine kleine individuelle Geschichte. Die regieführende Hand von Schrem ist überall zu spüren und die Laien–Sänger (Damenchor „Märkisch Hoffnungsland“ und Herren aus der Singakademie Frankfurt/Oder) agierten mit ansteckender Spiellaune und meisterten auch beachtlich den schwierigen Chorpart.

Der Schulmeister Baculus (Bernd Gebhardt), mit versteckter Flinte untern Arm, hetzt nach seinem vermeintlich geschossenen Hochzeitsbraten, schuldbewusst quer durchs Publikum. Sein Verhalten deutet auf seine verbotene Wilderei im gräflichen „Zoo“ hin,

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die ihm infolge seine Anstellung als Schulmeister kostet. Der kleine agile Schullehrer ist verzweifelt und möchte seinen Fehltritt korrigieren, und gerät immer tiefer, gutgläubig und nichtsahnend, in den Strudel der Verwechslungen. Das niedliche Gretchen (Martina Haeger) möchte ihrem Bräutigam helfen und beim Grafen Fürbitte leisten. Doch aufs Schloss darf sie nicht, auch wenn sie es mit großen Kulleraugen, Umarmungen, Gejam-mer und Tränen versucht. Sie beugt sich auch der Heirat mit dem älteren Baculus, denn mit spätestens 25 sollte man schon unter der Haube sein. Trotzdem kann sie es nicht lassen, ihren Zukünftigen öfters in kecker Art zu ärgern und auch einen Flirt mit dem hübschen Burschen (Nanette) lässt sie nicht aus.

Der gräfliche Auftritt samt Kumpanen erfolgt nicht in grüner Zunftkleidung mit Jägerhut und Gewehr, sondern im „Man in black Look“: schwarzer Zwirn, Schirm, Sonnenbrille und Sexy-Maschenunterhemd.

Hier wird kein Wild gejagt, sondern werden Frauen aufs Korn genommen. An der vor-dersten Front steht der stattliche Graf Eberbach (Remo Tobiaz). Ist sein Eros -Gen aktiv, bewegt er sich hyperaktiv im „Schmittchen Schleicher Stil“ mit heftigem Hüftschwung und flirtet mit jedem weiblichen Wesen, auch mit der dicklichen Bäuerin in Gummistiefeln.

Gräfin Eberbach (Fanny Lustaud), seine Gattin, kommt schlank, jung und hübsch daher (wo ist das Problem!). Das Problem ist ihre Leidenschaft für die griechische Mytholo-gie. Im weißen Römerkleid rezitiert sie Sophokles und steigert sich mit ausgestreckten Armen, verkrampften Fingern und verzerrter Mimik bis hin zur Ektase, dass einem angst und bange wird. Das Dienstpersonal ist mit den Lesungen der Gräfin bestens vertraut. Um in diese Zeit nicht unproduktiv und gelangweilt herum zu sitzen, wird im Kollektiv Strick-wolle aufgewickelt. Auch der Hausdiener Pankratius (Steffen Scheumann) zeigt einige neurotische Züge. Er erscheint in griechischer Tunika und mit Cäsar-Lorbeerkranz im Haar und geistert auffällig im Schloss umher. Mit lauten und überartikulierenden Dialogen (lei-der nicht auf sächsisch) deklamiert er seine Rolle und kommt dem Erscheinungsbild der Gräfin sehr nahe.

Schüchtern und bescheiden präsentiert sich dagegen der Baron Kronthal (Manuel Gomez Ruiz). Seine linkischen Annäherungsversuche im Billardzimmer und seine Aktivitäten, dem Grafen es gleich zu tun, waren amüsant anzusehen und ließen gleichzeitig seine Sympa-thiewerte ansteigen. In der Billardszene wurde Mini-Billard auf einem Tisch gespielt und der dickliche Koch hielt die dramaturgisch wichtige Oberbeleuchtung in Form eines Lam-pions über das Spielfeld.

Frau Baronin (Teresa Suschke) nebst Dienstmädchen (Maria Schlestein) radeln in Männer-kleidung frohgelaunt durchs Publikum und sind mit ihren Lederkappen wahrlich hübsche „Burschen“. Hübsch ist auch die Baronin im geborgten Gretchenkleid und steuert als Kind vom Lande und als falsches Gretchen geschickt und mit viel Charme das Geschehen. Im Gegensatz zu ihrem Hallodri-Bruder erkennt sie die ehrlichen Absichten und das gute Herz vom Baron Kronthal. Die Stimme der Natur hatte das letzte Wort und im Finale fin-den sich alle Paare – hoffentlich in Glück und Liebe!?!

Die Solisten des Abends balancierten szenisch und stimmlich alle auf einem guten Niveau. Der schwungvollen und kurzweiligen Inszenierung, mit stimmigem Bühnenbild und zum Lande passenden Kostümen gebührt, allen Mitwirkenden vor und hinter der Bühne, ein großes Bravo und verdienter Applaus.

Besuchte Vorstellung: 10. September 2016 Petra Golbs

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Freiberg/Döbeln: Der WildschützDer Wildschütz läuft in Sachsen über nahezu alle Bühnen. Nach Dresden (Semperoper) und Leipzig (Musikalische Komödie) folgen nun Freiberg/Döbeln und Annaberg-Buchholz. Die Aufführung in Döbeln zeichnet sich in vielfacher Hinsicht aus. Dabei ist zunächst erwähnenswert, dass jede Nummer der Oper gespielt wird. Alle Musiknummern werden geboten und dazu auch noch vergleichsweise viel Dialog. Was noch viel bemerkenswerter ist: der Dialog verzichtet auf jegliche Modernisierung. Dadurch wird dem Zuschauer wieder einmal bewusst gemacht, mit wieviel feinsinnigem Sprachwitz Lortzing seine Bühnenfiguren ausstattet. Um dieses Vergnügen wird der Hörer durch die generell hilflosen sprachlichen Verstümmelungen ansonsten häufig gebracht. Sehr schön wurde so herausgearbeitet, dass nahezu alle Handelnden ihre Grundsätze haben, diese auch immer wieder vortragen, aber pausenlos dagegen verstoßen.

Auch musikalisch bot das kleine Haus eine erstaunliche Leistung. Alle Rollen waren gut besetzt Die Mittelsächsische Philharmonie unter Leitung von Raoul Grüneis ließ zwar ein-gangs einige Schwächen hören, und das Zusammenspiel zwischen Orchestergraben und Bühne lief nicht immer reibungslos, alles in allem kam aber ein sehr achtbarer Lortzing zustande. Die Sänger waren durchgängig überzeugend, ohne dass einer besonders her-vorstach: ein erstaunlich homogenes Ensemble. Eine besondere Freude bereitete Lindsay Funchal als Gretchen, sowohl optisch als auch stimmlich; endlich einmal ein solider Sopran und keine Soubrette. Das wertet die Rolle erheblich auf. Doch auch die anderen blieben dahinter nicht zurück: Guido Kunze als Graf von Eberbach, Barbara Fritscher als viel zu junge und viel zu hübsche Gräfin, Derik Rue als Baron, Leonora del Rio als Baronin und nicht zuletzt Sergio Raonic Lukovic als Baculus. Jens Winkelmann war ein herrlich sächselnder Pankratius. Am wenigstens lässt sich über Zsuzsanna Kakuk als Nanette sagen, was aber nicht heißt, dass sie unangenehm aufgefallen ist. Nicht vergessen sei der Opernchor, der Hervorragendes leistete. Auf einen Kinderchor musste leider verzichtet werden. Alle Sänger konnten so gut deutsch singen und — noch wichtiger — sprechen, dass man bei keinem einen Akzent herausgehört hat.

Am wenigsten gefielen mir Bühnenbild (Robert Schrag) und Inszenierung (Wolfgang Ansel), ohne dass sie freilich ernsthaft störten. Das Stück wurde in die 50er oder frühen 60er Jahres des letzten Jahrhunderts verlegt. Der Einsatz von Hula-Hup-Reifen mit dem allerdings nicht alle Chorsängerinnen umgehen konnten, erlaubt eine ziemlich genaue Datierung. Der 1. Akt zeigt dabei eine helle, freundliche Bühne, während die beiden anderen Akte durch einen unfreundlichen blaugrauen hässlichen Hintergrund geprägt sind. Die Personenführung gelang weithin, das gilt auch für den sehr individuell geführten Opernchor. Die Billardszene allerdings wurde durch die Verwendung überdimensionierter Kugeln etwas ihres Witzes beraubt. Das konnten auch die Kugeln, die generell scharfe Zickzackkurven fuhren, nicht vollständig ausgleichen. Die Kostüme waren weitgehend sehr hübsch.

Alles in allem handelt es sich um eine Aufführung, die auch einen wiederholten Besuch lohnt.

Besuchte Vorstellung: Döbeln 22. Oktober 2016

Bernd-Rüdiger Kern

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Info Nr. 16/17 Albert-Lortzing-Gesellschaft e. V. April 2017

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Annaberg-Buchholz: Der WildschützSchon wieder Der Wildschütz? Das war mein erster Gedanke, und dafür die – auch aus Leipziger Sicht – weite Reise auf sich nehmen? Wir haben es doch getan und – um das Ergebnis vorweg zu nehmen –, es hat sich mehr als gelohnt. Es handelt sich um die schönste, stimmigste Aufführung, die ich seit langem in Mitteldeutschland gesehen habe. Und ansonsten wird die Oper ja leider kaum gespielt. Von anderen Opern Lortzings wagt man ja kaum noch zu träumen. Allerdings verspricht die Leipziger Musikalische Komödie für die nächste Saison einen Casanova! [siehe die Premierenübersicht auf S. 22]

Den Besucher überraschen helle, freundliche Bühnenbilder (Tilo Staudte), die den Inhalt jeden Aktes genau treffen. Die Kostüme (Erika Lust) sind angedeutetes Biedermeier. Das Werk wird also zeitlich korrekt eingeordnet. Ich habe lange keine Aufführung gesehen, die dem Auge so wohl tat. Und der Witz und die Bösartigkeit des Stückes werden durch die richtige zeitliche Zuordnung noch betont, keinesfalls etwa verdrängt. Dem Regisseur Ingolf Huhn ist eine wundervoll überzeugende Personenführung gelungen. Als besonders wohltuend empfand ich die gute Artikulation der Sänger, insbesondere auch in den Dia-logen. Aber selbst in den Ensembles habe ich so viel vom Text verstanden wie sonst nur sehr selten.

Die Oper wurde nahezu komplett – einschließlich der Tanzszene im 3. Akt – gegeben. Warum allerdings Jägerchor und Gewitter im 1. Finale fehlen, hat sich mir nicht erschlos-sen. Die Tanzszene war in der Personenführung einfach unübertrefflich. Mir ist schleier-haft, warum manche Theater aus ideologischen Gründen auf dieses musikalische Juwel verzichten, das zudem so dankbar auf der Bühne umzusetzen ist.

Auch über die musikalische Seite der Aufführung lässt sich nur Gutes sagen, und das, obwohl mit zwei Einspringern gearbeitet werden musste, die ihre Partien allerdings auch ausgezeichnet meisterten. Teresa Suschke als Baronin blieb der Rolle weder musikalisch noch darstellerisch etwas schuldig. Über Barbara Fritscher als Gräfin habe ich das Erfor-derliche schon in meiner Besprechung der Freiberger Aufführung gesagt. Für sie war es im Nachbarort ja nahezu ein Heimspiel. Doch auch die Haussänger standen dahinter nicht zurück: Jason-Nandor Tomory (Graf), Frank Unger (Baron), Therese Fauser (Nanette), Bernd Gebhardt als Baculus und Madeleine Vogt als Gretchen. Nicht unerwähnt bleiben darf Leander de Marel als herrlich sächselnder Pankratius. Er beherrscht die Landesspra-che in einem Maße, dass selbst ein Leipziger Neusachse nicht alles verstanden hat.

Die Erzgebirgische Philharmonie Aue spielte unter Leitung von Naoshi Takahashi einen klangschönen Lortzing. Der Chor des Eduard-von-Winterstein-Theaters sang nicht nur gut, sondern spielte auch jede Person in individueller Gestaltung, während er anderenorts doch häufig nur als Masse behandelt wird.

Leider ist die Aufführungsserie schon beendet. Es bleibt zu hoffen, dass sie in die nächste Saison übernommen wird.

Besuchte Vorstellung: 5. Februar 2017

Bernd-Rüdiger Kern

Aufführungen in der Saison 2017/2018: 2. und 16. Dezember 2017

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Info Nr. 16/17 Albert-Lortzing-Gesellschaft e. V. April 2017

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Altenburg/Gera: Freimaurer-KantateDer GMD Laurent Wagner ist mir von seiner kurzen Wirkungszeit in St.Gallen bekannt, ich war mir deshalb des Risikos bewusst, eine lange Reise für eine wenig attraktive Dirigier-leistung in Kauf zu nehmen - andererseits bot sich in Gera und Altenburg die ganz seltene Möglichkeit, die Jubelkantate einmal zu hören.

Der Konzertsaal in Gera ist schön, gut bestuhlt und birgt eine anständige Akustik. Zu meiner Überraschung erwiesen sich der Sächsische Kammerchor und der Kammerchor der Hochschule für Musik Weimar als ausgezeichnete Körperschaften und hörbar gut geleitete dazu. Dies stand im Gegensatz zu den Gesangssolisten, die alle vier mit sehr eigentüm-lichen Gesangstechniken „brillierten“.

Mir hat die Kantate musikalisch ausnehmend gut gefallen. Natürlich wurde sehr schnell offenkundig, dass der Gesang der Chöre demjenigen der Solisten haushoch überlegen war, dass das Orchester „sehr ordentlich“ ist und dass der Dirigent mit seiner Kleinlichkeit eine gewisse „Bremswirkung“ ausübte. Diese Kleinlichkeit in Geist und Gestik machte sich in erster Linie bei den drei Orchesterwerken spürbar: Zauberflöten-Ouverture, Hummels Trompetenkonzert E-Dur und Mozarts Sinfonie Nr. 39 Es-Dur wurden notengetreu herun-terbuchstabiert, aber den Interpretationen fehlte der große Bogen darüber (die große russische Pianistin Tatjana Nikolajewa pflegte ihren Schülern einzubläuen „nicht Noten spielen - Musik machen!“). Genau das müsste man dem Trompeter Uwe Komischke auch sagen. Der spielt wahrscheinlich exakt, aber ohne Sinn für die Gesangslinie, die auf einer Trompete wunderbar zum Tragen käme, so man sie denn finden würde. Ich hätte dem Mann gerne empfohlen, sich ein paar Aufnahmen mit dem russischen Trompeter Timofei Dokschitzer anzuhören, notfalls mit dessen Schüler Nakariakoff.

Fazit: Für die Aufführung der Jubelkantate darf man dankbar sein. Sie bewies einmal mehr, dass Lortzing kompositorisch viel höher eingestuft werden muss, als das heute vie-lerorts Brauch ist.

Besuchte Aufführung: Gera, 6.April 2017 Rico K.Oberleitner

Nach der ersten öffentlichen Aufführung in Osnabrück im Jahre 2014 (Info Nr. 14, S. 12) nahm sich nun eine zweite Bühne der Freimaurerkantate an. Das Programm war auf die Gründung der Freimaurerloge Altenburg „Archimedes zu den drei Reißbrettern“ vor 225 bezogen und umfasste mit der Zauberflötenouvertüre ein weiteres freimaurerisch veran-lasstes Musikstück. Die Loge war während der Aufführung in Altenburg auch präsent und bot u.a. den Band „Lortzings Jubel-Kantate“ von Jens Oberheide zum Verkauf.

Dieses Mal gelang die musikalische Umsetzung überzeugender als in Osnabrück. Jeden-falls gefiel mir das Werk besser. Ob allerdings Lortzing recht zu geben ist, der die Kan-tate „als eines seiner besten Werke bezeichnet“ haben soll, mag dahinstehen. Es spielte das Philharmonische Orchester Altenburg-Gera unter der Leitung von Laurent Wagner. Für den Chor standen die Herren zweier Chöre zur Verfügung, die des Sächsischen Kam-merchors und die des Kammerchors der Hochschule für Musik FRANZ LISZT. Es sangen die Tenöre Martin Lattke und Yu-Yen Lai sowie die Bassisten Kai Wefel und Andrii Chakov. Die Aufstellung der vier Solisten hinter dem Orchester (Gera) erwies sich als nicht so wir-kungsvoll, wie die in Altenburg vor dem Orchester.

Das recht informative Programmheft enthält erfreulicherweise auch den Text der Kantate.

Besuchte Vorstellungen: Gera 5. April 2017; Altenburg 7. April 2017

Bernd-Rüdiger Kern

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Premieren an deutschspra-chigen Bühnen 2017/2018 (so weit bereits bekannt)

Zar und Zimmermann

- Rudolstadt/Saalfeld (das Theater in Rudolstadt wird renoviert, deshalb finden die Vorstellungen in Saalfeld statt; das Theater Rudolstadt arbeitet mit Nordhau-sen zusammen)

Premiere: 14. Oktober 2017

– Rostock (Wiederaufnahme):

Premiere: 21. Oktober 2017

Casanova– Musikalische Komödie Leipzig:

Premiere 2. Juni 2018

weitere Aufführungen: 9., 10., 12., 19., 29. und 30. Juni 2018

Der Wildschütz

Annaberg-Buchholz: 2. und 16. Dezember 2017

“Oh ich bin klug und weise” Operngala des Landestheaters Nie-derbayern

der Termin steht noch nicht fest.

Gerne weise ich auch auf diese inters-sante Aufführung in Bergamo (Italien) hin:

Il borgomastro di SaardamMelodramma giocoso di Domenico Gilardoni; Musica di Gaetano DonizettiPrima rappresentazione della nuova versi-one: Milano, Teatro alla Scala, 2 gennaio 1828

Revisione sull’autografo a cura di Alberto Sonzogni

© Fondazione Donizetti

Termine:Teatro Sociale

24 novembre – ore 20.30 (Turno A)

26 novembre – ore 15.30 (Turno C)

2 dicembre – ore 20.30

22 novembre – 17.00 (Anteprima under30)

Besetzung:

Lo Czar Giorgio Caoduro Pietro Flimann Juan Francisco Gatell Wambett Andrea Concetti Marietta Irina Dubrovskaya Carlotta Aya Wakizono Leforte Pietro Di Bianco Direttore Roberto Rizzi Brignoli Regia Davide Ferrario Scene Francesca Bocca Costumi Giada Masi Regista assistente Marina Bianchi Assistente alla direzione Roberto Frattini

Orchestra Donizetti Opera

Coro Donizetti Opera

Maestro del coro Fabio Tartari

Wer daran interessiert ist, eine dieser Aufführungen zu sehen, wende sich wegen weiterer Informationen bitte an Frau Dr. Bettina Kern.

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Info Nr. 16/17 Albert-Lortzing-Gesellschaft e. V. April 2017

Bibliographie

Jürgen Lodemann

Gegen Drachen. Reden eines Freibürgers, „trotz alledem“

Tübingen: Klöpfer & Meyer Verlag, 2017

darin:

S. 57—88: „Die mich erschauen liess ein irdisch Paradies“.

Einführungsvortrag zur Regina-Aufführung in Meiningen

S. 132- 152: Einfache Leute (u. a. Familie Lortzing)

Georg Richard Kruse, Albert Lortzing, Hamburg: Severus Verlag, 2014, 145 S.

Der SEVERUS Verlag wurde im März 2010 als Imprint der Diplomica Verlag GmbH gegründet und versteht sich seitdem darauf, besonders lesenswerte antiquarische Kostbarkeiten zu neuem Leben zu erwecken. Durch einen Neudruck oder eine behutsam überarbeitete Neuauflage werden die äußerlich oft stark angegriffenen oder schwer leserlichen Originale für den moder-nen und anspruchsvollen Leser aufbereitet.

Websites bzw. Online-AngeboteKlaus Schmiedel, Notizen über unseren Vorfahren Dr. jur. August Ludwig Mothes

und die Freimaurerei (1998—2016): www.quelle-optimal.de.

Darin auch ausführliche Informationen zu Ludwig Mothes, dem Textdichter der Freimaurer-Kantate von Albert Lortzing.

http://www.stadttheater.uni-hamburg.de: Erschließung der Theaterzettel des Stadttjeaters von Hamburg. Eine Auswertung zu Albert Lortzing s. Seite 7

Neuigkeiten aus der GesellschaftWir begrüßen als neue Mitglieder Peter Deuerling aus Lichtenfels und Rolf Stemmle aus Regensburg.

Das nächste Mitgliedertreffen findet am 14. und 15. Oktober 2017 in Saalfeld statt. Bitte beachten Sie dazu die beiliegenden Informationen.

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Info Nr. 16/17 Albert-Lortzing-Gesellschaft e. V. April 2017

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Neuigkeiten aus der Lippischen Landesbibliothekvon Joachim Eberhardt (14. Dezember 2015)

Erfreulicherweise konnten wir jüngst aus Wiener Privatbesitz einen weiteren Lortzing-Brief erwerben, der sogar bisher noch unbekannt, dessen Existenz aber aus dem Bekannten zu erschließen war. Lortzing schreibt an seinen Schwiegersohn Karl Krafft in Wien am 3. Oktober 1850:

Mus-La 2 L 186, Adresse auf der Rückseite (Farben verfremdet)

Lieber Krafft!

Beikommend sende ich dir den Bericht über die Behandlungsweise des Marmor-Cements, den Herr Hilbig mit großer Bereitwilligkeit und Sorgfalt aufgeschrieben hat. Ich habe demselben zwar bereits meinen Dank abgestattet, es wäre aber noch angemeßen, wenn du ein Gleiches thätest, da diese Auseinandersetzung dir jedenfalls von großem Nutzen sein muß. Also schreibe ihm ein paar Zeilen.

Seine Adreße ist: Markgrafen- und Krausenstraße: Ecke No 64. Drei Treppen beim Schnei-demeister: Rössler. Baukondukteur Hilbig.

Mit dem Wunsche daß du in Folge dieser Wißenschaft gute Geschäfte machen mögest, grüßt dich und Alle

Dein

Albert Lortzing

Für Korrekturen und Ergänzungen der Transkription danke ich Frau Irmlind Capelle! – Die Beigabe zum Cement ist nicht mit überliefert. Der Brief löst damit die Krafft im Schrei-ben vom 29. 9. 1850 gemachte Ankündigung ein (vgl. Brief Nr. 452), die genaue Rückmel-dung des Baukondukteurs unverzüglich mitzuteilen.

Lortzing, Albert: Eigenh. Brief m.U. an Karl Krafft in Wien.

Berlin, den 3ten Octbr: 1850

1 Bl. — 34,5:22,5 cm. — 2/3 S. — Adresse auf S. 2.

Signatur: Mus-La 2 L 186

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Info Nr. 16/17 Albert-Lortzing-Gesellschaft e. V. April 2017

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und noch’n Lortzing(10. April 2017)

Bei der diesjährigen Frühjahrsauktion des Berliner Autographenhändlers Stargardt [März 2017] gelang es uns, einen eigenhändigen Brief Gustav Albert Lortzings zu erwerben. Dank an die Berliner Kollegen, die uns bei der Auktion vertreten haben! Und Dank an unsere Freunde und Förderer, die vollständig den Kaufpreis von 1.300,- € übernommen haben!

Der Brief hatte sich bislang in privater Hand befunden und war jetzt erstmals in den Handel gelangt. Er stammt vom 14. August 1850. Lortzing beantwortet darin die Anfrage eines Sängers, der gern in seinem Wilhelmstädter Theater in einem Gastspiel aufgetreten wäre. Lortzing bedauert, dies ablehnen zu müssen, da im Sommer 1850 bereits mehrere prominente Sänger die Aufmerksamkeit des Publikums beanspruchen.

Lortzing, Albert: Eigenh. Brief m.U. an unbekannten Empfänger Berlin, den 14ten Aug. [18]50 1 Bl. — 28:22 cm. — 1 2/3 S. Signatur: Mus-La 2 L 187

Enthalten in: Lortzing, Albert: Sämtliche Briefe. Hg. von Irmlind Capelle. 1995, S. 433—434, VN 445. (L 2017/1. - Stargardt 704/670)

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Info Nr. 16/17 Albert-Lortzing-Gesellschaft e. V. April 2017

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Flaniermeile - Breite Straße in Berlin MitteDie Breite Straße im Stadtbezirk Berlin Mitte erstreckt sich vom Schlossplatz vorbei am Petriplatz bis hin zur Gertraudenbrücke. Um 1800 war die Postadresse der Familie Lort-zing auf der Breite Straße 12, gleichzeitig das Geburtshaus von Albert Lortzing. Die Breite Straße 33, jetzt Standort der Berliner Stadtbibliothek, hingegen weist auf die Lederhand-lung der Familie Lortzing hin. Die Breite Straße gehörte zu der ältesten Straße von Cölln

und in den repräsentativen Gebäu-den wohnten vorwiegend Adlige und Staatsbeamte. An dem Nachfolgegebäude des Geburtshauses befand sich eine Bronzetafel (bis 1934) mit Relief-porträt und der Aufschrift „Albert Lortzing wurde hier am 23. Okto-ber 1801 geboren“. Die Tafel gilt als verschollen. Das Haus wurde im 2. Weltkrieg zerstört.

Nach der Gründung der DDR wurden die Ruinen in der Breiten Straße abgerissen, die Gehwegzone verbreitert und auf dem Areal zwischen Neumanngasse und Scharrenstraße entstand das Ministerium für Bauwesen. Durch die Errichtung von Ministerien und Regie-rungsgebäuden in der Breiten Straße und nach dem Abriss des Berliner Stadtschlosses verebbte das rege Leben der ehemaligen Flaniermeile. Auch der spätere DDR-Bau des Berliner Kulturpalastes auf dem Schlossplatz änderte an dieser Situation nichts.

Das Anbringen einer neuen Gedenktafel in Jahre 2001, anlässlich des 200. Geburts- und dem 150. Todestages von Lortzing, gestaltete sich als beschwerlich, da das Geburtshaus nicht mehr vorhanden war und die Fassade des Bauministeriums sich als äußerst ungeeig-net herausstellte. Die Porzellantafel, die durch die Initiative von Herrn Pohl (Mitglieder der ALG) beantragt, von der Berliner Gedenktafelkommission in Auftrag gegeben, in der Königlichen Porzellanmanufaktur Berlin hergestellt und vom Land Berlin bezahlt wurde, landete letztendlich im privaten Depot. Nach der Gründung der ALG erfolgte die Über-gabe der Tafel an die Gesellschaft und schlummert sie seither weiterhin im stillen Käm-merlein. Die Initiative, die Tafel temporär und bis zur Neubebauung der Breiten Straße im Foyer der Berliner Musikhochschule „Hanns Eisler“ am Schlossplatz/Ecke Breite Straße anzubringen, scheiterte an der Entscheidung der Gedenktafelkommission, die weiterhin den Originalstandort bevorzugt.

Nach mehrmaligen Architekturausschreibungen für die Neugestaltung der Breite Straße kam 2012 endlich Bewegung ins Baugeschehen. Es erfolgte die Freilegung der Kellerge-wölbe, die sich unter der damals zurückgesetzten Gehwegzone befanden und der Abriss des seit langem ungenutzten Bauministeriums.

Auf dem Foto (s. die folgende Seite) sind deutlich die Fassade vom Bauministerium und die vorgelagerten freigelegten Kellergewölbe zu erkennen. Der 3. Keller links ist dem Lortzing Haus zu zuordnen. Nach der archäologischen Erschließung wurde das Gebiet mit

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Info Nr. 16/17 Albert-Lortzing-Gesellschaft e. V. April 2017

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Erdreich zugeschüttet und nach Abriss des Bauministeriums prangt jetzt eine leere Brache.

Die z.Z. laufenden baulichen Maß-nahmen rundherum sind jedoch vielversprechend d.h. das historische Kaufhaus Herzog in der Brüderstraße Ecke Scharrenstraße wird kernsaniert und auf dem Petriplatz ist der Rohbau für das „ Hotel am Petriplatz“ deutlich sichtbar.

Das städtebauliche Konzept für die Bebauung der Breiten Straße (zwischen Neumann-gasse und Scharrenstraße) sieht eine Gliederung in drei Teilbereichen mit einer Fußgän-gerpassage vor. Es ist geplant, dass neben Wohnungen und Büros auch Geschäfte und Gaststätten entstehen, die dafür sorgen sollen, dass die gesamte Straße wieder belebter und attraktiver wird.

Die Fassadengestaltung vom Hotel am Petriplatz wird sich in der Breiten Straße fort-setzen und wir dürfen gespannt sein, ob sich dann endlich ein Platz vor der doch sehr modernen Architektur für unsere Lortzing Gedenktafel am Originalstandort findet.

Petra Golbs

März 2016

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Info Nr. 16/17 Albert-Lortzing-Gesellschaft e. V. April 2017

Info Nr. 16/17 Albert-Lortzing-Gesellschaft e. V. April 2017

! ENDLICH AUF CD ERHÄLTLICH !

Gustav Albert Lortzing

DIE BEIDEN SCHÜTZEN

Gesamtaufnahme auf 2 CD mit Textbuch Hervorragende Solisten deutscher Muttersprache

Vernünftig gekürzte gesprochene Dialoge Kompetente, werkkonforme musikalische Leitung

Ausführlicher Kommentar von Frau Dr. Irmlind Capelle NOCH NIE AUF TONTRÄGER ERHÄLTLICH GEWESEN

Sonderangebot für die Mitglieder der Lortzing-Gesellschaft gültig nur in West-Europa bis 31.Mai 2017

€ 20.— einschliesslich Versandkosten.

Überweisen Sie einfach den Betrag auf das Konto der SONIMEX AG, CH-9013-ST.GALLEN (Schweiz), IBAN: CH48 0690 0016 0093 3590 7, BIC: ACRGCH22

bei der Acrevis Bank AG in CH-9004-ST.GALLEN

und senden Sie gleichzeitig eine eMail oder eine Postkarte mit Ihrer Bestellung:

SONIMEX AG, Postfach 158, CH-9013-ST.GALLEN (Schweiz)

[email protected] .

( Auslieferung zwischen 10. und 23. Mai 2017 )

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Lortzing-Ecke im Café Grotemeyer in Münster(gefunden von Rico Oberleitner)

Fritz Grotemeyer ( eigentlich Friedrich Albert Theresia Grotemeyer), Bruder des Kon-ditors Grotemeyer, * 19.Juni 1864 in Münster, † 28.Juli 1947 in Witten war illustrator, Porträt-, Historien- und Kriegsmaler. Er malte u.a. die Innenansicht des Theaters von Münster und das Porträt von Albert Lortzing. Diese beiden Bilder sind heute im Café Grotemeyer an der Salzstrasse in Münster zu sehen.

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