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7 Gruppenoperationen Übersicht 7.1 Bahnen und Stabilisatoren ........................................... 83 7.2 Der Fixpunktsatz .................................................. 87 7.3 Die Klassengleichung ............................................... 89 Am häufigsten treten Gruppen in der Natur als Gruppen bijektiver Abbildungen auf. Das ist nicht verwunderlich, da man ja nach dem Satz von Cayley jede Gruppe G so darstellen kann. Zum Beweis des Satzes von Cayley haben wir einen injektiven Homo- morphismus von G in die symmetrische Gruppe S G angegeben. Wir verallgemeinern nun diese Methode: Wir untersuchen bzw. bestimmen Homomorphismen von G in die symmetrische Gruppe S X für eine nichtleere Menge X. Diese Operation einer Gruppe auf der Menge X liefert uns starke Aussagen über die Struktur der Gruppe. 7.1 Bahnen und Stabilisatoren Wir lassen Gruppen auf Mengen operieren. Dadurch wird die Menge partitioniert, nämlich in ihre Bahnen. Für Aussagen über die Mächtigkeiten der Bahnen dienen die Stabilisatoren. 7.1.1 Operationen Man sagt, eine Gruppe G operiert auf einer Menge X = , wenn eine Abbildung · : G × X X (a, x) a · x mit den folgenden beiden Eigenschaften vorliegt: (O1) e · x = x für jedes x X und das neutrale Element e G. (O2) (ab) · x = a · (b · x) für alle a, b G und x X. C. Karpfinger, K. Meyberg, Algebra, DOI 10.1007/978-3-8274-3012-0_8, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

Algebra || Gruppenoperationen

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7 Gruppenoperationen

Übersicht7.1 Bahnen und Stabilisatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83

7.2 Der Fixpunktsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87

7.3 Die Klassengleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89

Am häufigsten treten Gruppen in der Natur als Gruppen bijektiver Abbildungen auf.Das ist nicht verwunderlich, da man ja nach dem Satz von Cayley jede Gruppe G sodarstellen kann. Zum Beweis des Satzes von Cayley haben wir einen injektiven Homo-morphismus von G in die symmetrische Gruppe SG angegeben. Wir verallgemeinernnun diese Methode: Wir untersuchen bzw. bestimmen Homomorphismen von G in diesymmetrische Gruppe SX für eine nichtleere Menge X. Diese Operation einer Gruppeauf der Menge X liefert uns starke Aussagen über die Struktur der Gruppe.

7.1 Bahnen und Stabilisatoren

Wir lassen Gruppen auf Mengen operieren. Dadurch wird die Menge partitioniert,nämlich in ihre Bahnen. Für Aussagen über die Mächtigkeiten der Bahnen dienen dieStabilisatoren.

7.1.1 Operationen

Man sagt, eine Gruppe G operiert auf einer Menge X = ∅, wenn eine Abbildung

· :

⎧⎨⎩ G×X → X

(a, x) �→ a · x

mit den folgenden beiden Eigenschaften vorliegt:

(O1) e · x = x für jedes x ∈ X und das neutrale Element e ∈ G.

(O2) (a b) · x = a · (b · x) für alle a, b ∈ G und x ∈ X.

C. Karpfinger, K. Meyberg, Algebra, DOI 10.1007/978-3-8274-3012-0_8,© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

84 7 Gruppenoperationen

Beispiel 7.1Es sei V ein K-Vektorraum. Dann operiert die multiplikative Gruppe K× = K \{0}auf V durch

· :

⎧⎨⎩ K× × V → V

(λ, v) �→ λ · v.

Es sei G ≤ SX eine Permutationsgruppe der nichtleeren Menge X. Die Elementevon G sind bijektive Abbildungen von X. Es liefert

(σ, x) �→ σ · x := σ(x)

eine Operation von G auf X, da für alle x ∈ X und σ, τ ∈ G gilt:

Id ·x = Id(x) = x und (σ τ) · x = (σ τ)(x) = σ(τ(x)) = σ · (τ · x) .

Somit operiert jede Untergruppe G von SX auf X.

Es gibt eine schwache Umkehrung des letzten Beispiels:

Lemma 7.1Wenn die Gruppe G auf der Menge X operiert, dann ist für jedes a ∈ G die Abbil-

dung λa :

⎧⎨⎩ X → X

x �→ a · xeine Bijektion von X, also ein Element aus SX . Und

λ :

⎧⎨⎩ G → SX

a �→ λa

ist ein Homomorphismus von G in SX .

Wenn zu jedem a = e aus G ein x ∈ X mit a·x = x existiert, ist G zu einer Untergruppevon SX isomorph.

Beweis: Wegen (O2) gilt λa λb = λa b für alle a, b ∈ G, d. h., λ ist ein Homomor-phismus. Für jedes a ∈ G folgt:

λa−1 λa = λe(O1)= IdX = λa λa−1 ,

d. h., λa ist bijektiv, also λa ∈ SX .Gibt es zu a = e ein x ∈ X mit a · x = x, so ist λa = Id. Das besagt, dass derHomomorphismus λ : a �→ λa injektiv ist (beachte das Monomorphiekriterium 2.12).Mit dem Homomorphiesatz 4.10 folgt G ∼= G/{e} ∼= λ(G).

Bemerkung. Ist der Homomorphismus λ in der Situation von Lemma 7.1 injektiv, sonennt man die Operation treu. Es ist dann G zu einer Untergruppe von SX isomorph.

Beispiel 7.2Es sei G die Gruppe der räumlichen Drehungen, die einen Tetraeder in sich überführen.G operiert auf der Menge E der Ecken des Tetraeders. Diese Operation ist treu, danur die Identität alle Ecken des Tetraeders unverändert lässt.

7.1 Bahnen und Stabilisatoren 85

7.1.2 Bahnen von Operationen

Wenn eine Gruppe G auf einer nichtleeren Menge X operiert, nennt man

G · x := {a · x | a ∈ G}

für jedes x ∈ X die (G)-Bahn oder Orbit von x der Länge |G · x|.

Lemma 7.2Wenn die Gruppe G auf X operiert, ist die Menge {G · x |x ∈ X} aller Bahnen einePartition von X, d. h.

(i) X =⋃

x∈X

G · x , (ii) G · x = G · y ⇔ G · x ∩G · y = ∅ .

Beweis: Nach (O1) gilt x = e ·x ∈ G ·x für alle x ∈ X und deshalb X =⋃

x∈X G ·x.Falls z ∈ G · x ∩G · y = ∅, etwa z = a · x = b · y, a, b ∈ G, dann folgt mit (O2)

x = a−1 · (b · y) = (a−1 b) · y ∈ G · y .

Es folgt G · x ⊆ G · (G · y) ⊆ G · y. Aus Symmtriegründen gilt auch G · y ⊆ G · x, alsoG · x = G · y.

Beispiel 7.3Es seien X = R2 die reelle euklidische Ebene und G = (R,+) die additive Gruppeder reellen Zahlen. Für jeden Vektor a ∈ R2 \ {0} ist

· :

⎧⎨⎩ G× R2 → R2

(λ, v) �→ v + λ · a

eine Operation. Die Bahnen dieser Operation sind die parallelen Geraden mit Rich-tung a. Die Vereinigung aller dieser Geraden bildet die euklidische Ebene.Eine andere Operation von (R,+) auf R2 ∼= C wird durch λ · z := ei λ z gegeben.Die Bahnen dieser Operation sind die Kreise um den Nullpunkt.Wieder sei X = R2 die euklidische Ebene, und es sei G = Z×Z die additive Gruppeder Paare ganzer Zahlen. Dann operiert G auf R2 durch

· :

⎧⎨⎩ G× R2 → R2

((m,n), (x, y)) �→ (x+m, y + n).

Die Bahn von (x, y) ∈ R2 ist das Einheitsgitter durch (x, y).Es sei U eine Untergruppe einer Gruppe G. Dann operiert U auf der Menge G durchLinksmultiplikation (u, a) �→ u a. Die Bahnen dieser Operation sind von der FormU · a = U a, das sind Rechtsnebenklassen von U in G. Damit kann die Zerlegungvon G in seine Rechtsnebenklassen nach U , und damit der Satz von Lagrange, indas hier entwickelte Konzept der Gruppenoperationen eingeordnet werden.

86 7 Gruppenoperationen

7.1.3 Der Stabilisator

Wieder sei G eine Gruppe, die auf der nichtleeren Menge X operiere. Es sei X =⋃x∈X G · x die zugehörige Zerlegung in disjunkte Bahnen. Die wichtigsten Ergebnisse

dieses Kapitels erhalten wir durch einen sehr harmlos aussehenden Ansatz, der jedochäußerst wirkungsvoll ist. Wir bestimmen die Mächtigkeit von X einmal direkt undein anderes Mal durch Addition der Mächtigkeiten der verschiedenen Bahnen undvergleichen die gefundenen Werte.Zur Berechnung der Länge von G · x dient der Stabilisator von x ∈ X in G:

Gx := {a ∈ G | a · x = x} .

Beispiel 7.4Es seien E3 := {1, ε, ε2} mit ε = e

2π i3 die Ecken eines regulären 3-Ecks in der kom-

plexen Ebene C und G := D3 = 〈α, β〉 = {Id, α, β, β2, α β, α β2} die Diedergruppe(vgl. Abschnitt 3.1.5). Dann ist

· :

⎧⎨⎩ G× E3 → E3

(a, z) �→ a(z)

eine Operation von G auf C. Wir bestimmen die Sta-bilisatoren G1, Gε und Gε2 der Ecken des regulären3-Ecks. Wegen Id(1) = 1, α(1) = 1, β(1) = ε, β2(1) =

ε2, α(β(1)) = ε2, α(β2(1)) = ε gilt (mit weiteren ähn-lichen Rechnungen): G1 = {Id, α}, Gε = {Id, α β},Gε2 = {Id, α β2}.

1

ε

ε2

Lemma 7.3Die Gruppe G operiere auf X.

(a) Für jedes x ∈ X ist Gx eine Untergruppe von G, und es gilt

|G · x| = [G : Gx] (Bahnenformel) .

(b) Für a ∈ G und x ∈ X gilt Ga·x = aGx a−1.

Beweis: (a) Für x ∈ X und a, b ∈ Gx gilt e ∈ Gx und ferner

(a b) · x = a · (b · x) = a · x = x und a−1 · x = a−1 · (a · x) = (a−1 a) · x = e · x = x ,

d. h. a b ∈ Gx und a−1 ∈ Gx, sodass Gx nach Lemma 2.7 eine Untergruppe von G ist.Für a, b ∈ G gilt (beachte Lemma 3.7 (b))

a · x = b · x ⇔ (b−1 a) · x = b−1 · (a · x) = b−1 · (b · x) = (b−1 b) · x = e · x = x

⇔ b−1 a ∈ Gx ⇔ aGx = bGx .

7.2 Der Fixpunktsatz 87

Es gibt demnach ebenso viele verschiedene Elemente a · x in der Bahn G · x wie esverschiedene Nebenklassen aGx gibt.(b) Die Gleichheit der Mengen folgt aus:

b ∈ Ga·x ⇔ b · (a · x) = a · x ⇔ (a−1 b a) · x = x ⇔ a−1 b a ∈ Gx

⇔ b ∈ aGx a−1 .

Bemerkung. Wenn G endlich ist, ist nach der Bahnenformel und dem Satz von La-grange die Länge jeder Bahn ein Teiler von |G|.

Beispiel 7.5Vgl. obiges Beispiel 7.4: Gβ·1 = β G1 β

−1 = {Id, β αβ−1} = Gε.

7.2 Der Fixpunktsatz

7.2.1 Die Anzahlformel

Wir bestimmen die Mächtigkeit vonX als die Summe der Mächtigkeiten der Bahnen ei-ner Gruppenoperation. Die GruppeG operiere auf der MengeX. Es seiX =

⋃x∈X G·x

die zugehörige Zerlegung in disjunkte Bahnen.Wenn wir in dieser Zerlegung X =

⋃x∈X G · x die verschiedenen Bahnen nur jeweils

einmal aufführen wollen, ist die Vereinigung im Allgemeinen nicht über alle x ∈ X zubilden, sondern nur über eine Teilmenge, die aus jeder Bahn genau ein Element enthält.Eine solche Teilmenge von X heißt ein Repräsentantensystem für die Bahnen. Esist also T ⊆ X genau dann ein Repräsentantensystem für die Bahnen, wenn gilt:

Zu jedem x ∈ X gibt es ein t ∈ T mit G · x = G · t.Für t, t′ ∈ T mit t = t′ ist auch G · t = G · t′.

Besteht eine Bahn G · x nur aus einem Element, d. h. G · x = {x}, dann gehört diesesx zu jedem Repräsentantensystem.

Lemma 7.4Wenn G auf X operiert und T ⊆ X ein Repräsentantensystem für die Bahnen ist,dann gilt

|X| =∑x∈T

[G : Gx] (Anzahlformel) .

Beweis: Es ist X =⋃

x∈T G · x disjunkte Vereinignung seiner Bahnen. Die Formelfolgt nun durch Abzählen aller Bahnen mit der Bahnenformel aus Lemma 7.3.

88 7 Gruppenoperationen

7.2.2 Fixpunkte

Ein Element x ∈ X heißt Fixpunkt der Gruppenoperation, wenn

a · x = x für alle a ∈ G .

Offenbar ist x genau dann ein Fixpunkt der Gruppenoperation, wenn

G · x = {x} bzw. Gx = G bzw. [G : Gx] = 1 .

Es bezeichne FixG(X) die Menge der Fixpunkte der Gruppenoperation vonG aufX. Esgehört FixG(X) zu jedem Repräsentantensystem T der Bahnen. Wenn wir in Lemma7.4 zuerst über alle Fixpunkte summieren und dann über die restlichen Elemente desRepräsentantensystems T , so erhalten wir wegen [G : Gx] = 1 für jeden Fixpunkt x:

|X| = |FixG(X)|+∑x∈T

[G:Gx]>1

[G : Gx] (Fixpunktformel) .

Die Summationsbedingung [G : Gx] > 1 kann leer sein, dann ist der zweite Summandnatürlich durch 0 zu ersetzen. Die Fixpunktformel erlaubt Aussagen über die Anzahlder Fixpunkte.

Satz 7.5 (Fixpunktsatz)Es sei G eine Gruppe der Ordnung pr, p prim. Operiert G auf einer endlichen MengeX, so gilt

|X| ≡ |FixG(X)| (mod p) .

Insbesondere gibt es wenigstens einen Fixpunkt, wenn |X| und p teilerfremd sind.

Beweis: Es gilt|X| − |FixG(X)| =

∑[G:Gx]>1

[G : Gx] .

Jeder Summand der rechten Seite dieser Gleichung ist nach dem Satz 3.9 von Lagrangeein Teiler von |G| = pr, und wegen der Bedingung [G : Gx] > 1 ist der größte gemein-same Teiler dieser Summe von der Form pl mit l ≥ 1. Damit ist bereits die Kongruenz|X| ≡ |FixG(X)| (mod p) begründet. Sind |X| und p teilerfremd, dann ist p kein Teilervon |X| und es muss |FixG(X)| von null verschieden sein.

Bemerkung. Wie wir bereits bemerkt haben, kann der Satz von Lagrange im Rahmendieses Konzepts entwickelt werden. Eine Untergruppe U von G operiert auf G durchLinksmultiplikation (u, x) �→ ux. Die Bahn von x ∈ G ist die Rechtsnebenklasse U x.Wegen der Kürzregeln in G ist jeder Stabilisator trivial, d. h. Ux = {e} für alle x ∈ G.Die Aussagen 7.3 und 7.4 zeigen nun:

|U x| = [U : {e}] = |U | und |G| =∑x∈T

|U | = [G : U ] |U | .

7.3 Die Klassengleichung 89

7.3 Die Klassengleichung

Mit der Klassengleichung erhalten wir wichtige Aussagen über sogenannte p -Gruppen.

7.3.1 Die Konjugiertenklassen

Wir erklären eine Operation einer Gruppe G auf der MengeX = G durch Konjugation,die Bahnen sind dieKonjugiertenklassen: Es seiG eine Gruppe, undX := G. Für a ∈ G

und x ∈ X = G seia ◦ x := a x a−1 .

Wegen e ◦ x = x und a ◦ (b ◦ x) = a (b x b−1) a−1 = (a b) x (a b)−1 = (a b) ◦ x operiertG mittels ◦ auf sich. Die Bahn

G ◦ x = {a x a−1 | a ∈ G}

wird die Konjugiertenklasse oder auch Konjugationsklasse von x in G genannt.Die Fixpunkte x ∈ G dieser Operation sind wegen a x a−1 = x ⇔ ax = x a genaudie Elemente des Zentrums Z(G) = {a ∈ G | a x = xa für alle x ∈ G}. Und der Sta-bilisator Gx = {a ∈ G | ax a−1 = x} ist in diesem Fall der sogenannte ZentralisatorZG(x) = {a ∈ G | a x = xa} von x in G. Die Fixpunktformel wird in diesem Spezialfallzur sogenannten Klassengleichung :

Satz 7.6Es sei G eine endliche Gruppe. Sind K1, . . . , Kr die verschiedenen Konjugiertenklas-sen mit mindestens zwei Elementen in G und ai ∈ Ki für i = 1, . . . , r, so gilt

|G| = |Z(G)|+r∑

i=1

[G : ZG(ai)] (Klassengleichung).

Beispiel 7.6Es sei G = S3. Wir bezeichnen die Elemente der symmetrischen Gruppe S3 wie folgt:

Id =

(1 2 3

1 2 3

), σ1 =

(1 2 3

2 1 3

), σ2 =

(1 2 3

1 3 2

), σ3 =

(1 2 3

3 2 1

),

σ4 =

(1 2 3

2 3 1

), σ5 =

(1 2 3

3 1 2

).

Nach einfachen Rechnungen erhalten wir:

G ◦ Id = {Id} , G ◦ σ1 = {σ1, σ2, σ3} , G ◦ σ4 = {σ4, σ5} .

90 7 Gruppenoperationen

Da die Konjugiertenklassen Äquivalenzklassen sind, folgt G◦σ1 = G◦σ2 = G◦σ3 sowieG◦σ4 = G◦σ5. Das Zentrum Z(S3) besteht somit nur aus der Identität: Z(S3) = {Id},und als Zentralisatoren erhalten wir

ZS3(Id) = S3, ZS3

(σ1) = {Id, σ1}, ZS3(σ2) = {Id, σ2}, ZS3

(σ3) = {Id, σ3},ZS3

(σ4) = {Id, σ4, σ5}, ZS3(σ5) = {Id, σ4, σ5} .

Damit gilt 6 = |S3| = |Z(S3)|+ [S3 : ZS3(σ1)] + [S3 : ZS3

(σ4)] = 1 + 3 + 2.

Mit der Klassengleichung erhalten wir nichttriviale Aussagen für p -Gruppen. Das sindGruppen mit Primzahlpotenzordnung.

7.3.2 p -Gruppen

Es sei p eine Primzahl. Eine endliche Gruppe heißt eine p -Gruppe, wenn ihre Ordnungeine Potenz von p ist, d. h. |G| = pk, k ∈ N.

Satz 7.7Jede p -Gruppe G hat ein nichttriviales Zentrum, d. h. |Z(G)| > 1.

Beweis: Wir benutzen die Bezeichnungen aus Satz 7.6. Jeder Index [G : ZG(ai)] > 1

ist als Teiler von |G| = pk durch p teilbar. Deshalb sind die linke Seite und die Summe∑ri=1[G : ZG(ai)] in der Klassengleichung durch p teilbar. Also ist auch deren Differenz

|Z(G)| durch p teilbar. Folglich ist Z(G) nichttrivial.

Wir können jetzt leicht alle Gruppen der Ordnung p2 für Primzahlen p vollständigcharakterisieren.

Lemma 7.8Für jede Primzahl p gibt es – bis auf Isomorphie – genau zwei Gruppen der Ordnungp2, nämlich

Zp2 und Zp × Zp .

Insbesondere sind Gruppen von der Ordnung p2 abelsch.

Beweis: Es gelte |G| = p2 und G ∼= Zp2 . Nach Satz 7.7 existiert ein z = e in Z(G).Somit ist 〈z〉 eine echte Untergruppe von G. Es sei a ∈ G \ 〈z〉. Nach dem Satz 3.9 vonLagrange gilt o(a) ∈ {1, p, p2}. Wegen a ∈ G\〈z〉 folgt o(a) = p = o(z) und 〈a〉∩〈z〉 ={e}. Da z ∈ Z(G), gilt nach Lemma 4.4 ferner 〈a〉·〈z〉 ≤ G. Und da |〈a〉·〈z〉| = p2 = |G|gilt, folgt G = 〈a〉 · 〈z〉. Wegen a z = z a ist G abelsch. Die Untergruppen 〈a〉 und 〈z〉von G sind somit Normalteiler von G. Es folgt G = 〈a〉 ⊗ 〈z〉 ∼= Zp × Zp.

7.3 Die Klassengleichung 91

Mit Lemma 5.2 haben wir damit auch eine Übersicht über alle Untergruppen vonGruppen G der Ordnung p2 mit einer Primzahl p. Ist G zyklisch, so kann direktLemma 5.2 angewendet werden, ist G nicht zyklisch, so ist jede echte Untergruppe vonG zyklisch, also kann erneut Lemma 5.2 angewendet werden.

Aufgaben

7.1 Es operiere G auf der Menge X, und es sei x ∈ X. Begründen Sie: Der Stabilisator Gx

ist genau dann ein Normalteiler von G, wenn Gx = Gy für alle y ∈ G · x erfüllt ist.

7.2 Es seien X = {1, 2, 3, 4} und G = V4 := {Id, σ1, σ2, σ3} mit

σ1 =

(1 2 3 4

2 1 4 3

), σ2 =

(1 2 3 4

3 4 1 2

), σ3 =

(1 2 3 4

4 3 2 1

).

Es operiert G auf X bezüglich σ · x := σ(x). Bestimmen Sie die Bahnen G · 2 und G · 4und die Stabilisatoren G2 und G4.

7.3 Es sei G eine nichtabelsche Gruppe mit |G| = p3 für eine Primzahl p. Man zeige:|Z(G)| = p. Hinweis: Benutzen Sie Aufgabe 5.6.

7.4 Es seien G eine Gruppe und U eine Untergruppe. Weiter seien L := {aU | a ∈ G} undR := {U a | a ∈ G} die Mengen der Links- bzw. Rechtsnebenklassen. Zeigen Sie:

(a) G operiert transitiv auf L bzw. R durch

g · (aU) = g aU bzw. g · (U a) = U a g−1

(dabei heißt eine Operation transitiv auf X, wenn es zu beliebigen x, y ∈ X eing ∈ G mit g · x = y gibt). Warum ist bei der zweiten Operation eine Inversionnotwendig? Wäre auch g · (U a) := U ag eine gültige Operation?

(b) Für a ∈ G gilt für die Stabilisatoren: GaU = aU a−1 und GU a = a−1 U a.

(c) Geben Sie eine Bedingung an, wann die Operationen treu sind.

7.5 Bestimmen Sie bis auf Isomorphie alle nichtabelschen Gruppen der Ordnung 8.

7.6 Es sei G eine p -Gruppe.

(a) Es sei U � G eine echte Untergruppe von G. Zeigen Sie: U � NG(U). Hinweis:vollständige Induktion nach |G|.

(b) Es sei U eine maximale Untergruppe von G, d. h., es ist U � G eine echte Unter-guppe von G, und es gibt keine Untergruppe H mit U � H � G. Zeigen Sie, dassU ein Normalteiler von G ist.