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218o KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. IO. JAHRGANG. Nr. 47 21. NOVEM:BER I93X lieferung bestand eine Nephrose mit starkem nephritischem Ein- sehlag, der nach Abklingen des anfangs vorhandenen Infektes abnahm. W~ihrend der I4w6chigen Beobaehtungszeit, bis zu den die Nephrose beeinflussenden infekten (nach 7 monatigem Bestehen der Nephrose), sehwankte der EiweiBgehalt zwischen 3 und 12~ und es gelang nur, dutch dauernde Ureamedikation die Bildung yon I-I6hlen- ergfissen und st~rkeren 0demen zu beseitigen und hintanzuhalten. Nach der Angina senkte sich der Albumengehalt an% durch- schnittlieh i3/4~ bet besserer Diurese. Wiihrend des Scharlach- fiebers sehr geringe Ausscheidung und Sieigerung des EiweiB- gehaltes auf 80/00. Mit dem Tage der Entfieberung vollzog sich diesmal eine Senkung des Albumens auf Spuren. Selbst die scbwere Scharlachnephritis lieB den nephrotischen ProzeB nicht wieder zum Aufflackern kommen. Im weiteren Verlauf restitutio ad integrum. Neben allen Artenvon interkurrenten Erkrankungen, die Heilung oder ]3essernng chronischer Nephrosen herbeigefi~hrt haben, sind in der Literatur nur 2 FMle yon EICHHO~SZ erw~ihnt, in denen ein interkurrenter Scharlach die I-Ieilung bewirkte: I)er i. Tall betraf ein 20j~hr. M~dchen, dessen chronische Nephro* pathie seit 2 Jahren bestand. Der Scharlach war in diesem Falle leich% und ohne I~omplikationen, die Heilung der Nephrose vollsfiindig. Der 2. Fall: 21/2j~hr. Knabe mit sehwerer Nephrose, Albumeil zwischen I and 30~ . W~ihrend des Scharlachs Sinken der vorher besonders grogen Wasserausseheidung auf sehr spi~rliehe Urin- mengen mit Albumengehalt zwischen 24 und 28~ Das Fieber be- stand 14 Tage bis 38,4 ~ abet bereits am IO. Fiebertag sink% der Eiweiggehalt auf 8, dann 6,3 und 1~ mit dem ersten fieberfreien Tage sind die letzten EiweiBspuren verschwunden. Die Heilung der Nephrose bleibt weiterhin vollkommen. Beide Fiille waren im Gegensatz zu dem unsrigen nieht durch eine Scharlachnephritis kompliziert. DaB abet auch eine Nephritis mit H~imaturie einen gonstigen EinfluB an% eine chronisehe Nephrose haben kann, beriehtet ALDRICH in einem Fall, bet dem im AnscbluB an eine Pneumonie eine Hiimaturie und fleiehzeitig Besserung der Nephrose eintra%. Literatur: C. A. ALDRICH,Amer. J. Dis. Childr. 32, I63. -- B. ASCHNER~ Klin. Wsehr. 1931, Nr 33, I525. -- H. EICHHORST,ivied.Klin. 190~, Nr 4e, Io53. -- H. SECKEL,Klin.Wschr. 19~1,lO19.- TEZNER u. STROSS, Mschr. Kinderheilk.49,i, PRAKTISCHE ERGEBNISSE. ALLERGISCHE BERUFSERKRANKUNGEN DER HAUT. Von Dr. reed. MAX MICHAEL, Iracharzt fiir Hautkrankheiten, Berlin, Versucht man die schon seit langem yon Minischer Seite betonten und durch zahlreiche Untersuchungen gef6rderten Beziehungen zwischen Allergie und beruflichen Itauterkran- kungen einer kl~irenden ~bersieht zu unterziehen, so is% es zun~tchst n6tig, zu einer Abgrenzung des stark umstrittenen Allergiebegriffes zu gelangen. Ordnet man die klinischen Erscheinungen um diesen Mittelpunkt, so wird es m6glich sein, festzustellen, welche beruflichen Sch~digungen Haut- ver~nderungen hervorrufen, die dem allergischen Syndrom entsprechen, oder welche nicht mehr mit dem Allergiebegriff zu vereinen sind. Dutch Sonderbetrachtilng der beruflichen, allergischen Hauterkrankungen wird man ferner die Frage beantworten k6nnen, ob und welche Folgerungen sich aus der Klinik dieser Gruppe yon Hauterkrankungen fiir den Allergiebegriff ergeben. BegriJ] der A llergie. Bekanntlich stammt der Begriff der Allergie yon PIRQUET. PIRQUET definierte die Allergie als eine ver~nderte Reaktions- f~higkeit in zeitlicher, quantitativer und qualitativer Be- ziehung, die der menschliche oder tierische Organismus durch das l)berstehen ether Krankheit cder durch Vorbehandlung mit k6rp~rfremden Substanzen erwirbt. Ohne an% die Vor- geschichte des Allergiebegriffes, die einzelnen Glieder dieser Definition, die wet%ere EntwicMung der Allergielehre niiher einzugehen, set unterstrichen, dab demgem~iB sowohl ge- steigerte wie verminderte Reaktionsf~ihigkeit des Organismus unter den Begriff der Allergie f~illt, desgleichen auch v611ige Anergie (z. B. die Haut der Paralytiker bei Einbringen yon Spiroch/itenmaterial !). Idiosynkrasie als Sonder/all der Allergie. Lange Zeit hindurch ist die Idiosynkrasie in Gegensatz zur Allergie gebracht worden. Unter Idiosynkrasie versteht KAMMERER nach BEHRING angeborene Uberempfindlichkeit gegen normalerweise unsch~dliche Agenzien ganz bestimmter Art, wovon die Diathese als angeborene l)berempfindlichkeit unspezifischer Art abzutrennen ist. TOVTON m a c h t gleich vielen anderen Autoren noch eine scharfe Trennung zwischen der stets angeborenen Idiosynkrasie und der Sensibilisierbar- kei%, die auch erworben werden kann. Dieser Unterschied is% nach DORR und BLOCH ebenso- wenig durchgreifend wie der zwischen der verhgltnismggigen Seltenheit idiosynkrasischer Reaktion und der hgufigeren selbsterworbenen allergischen Reaktion. Mit dem yon KARRER und BLOCH dargestellten Primin ist es BLoc~ ge- lungen, regelm~Big Menschen und Tiere zu sensibilisieren, also die bisher fiir eine typische Idiosynkrasie gehaltene Primelfiberempfindlichkeit ktinstlich zu erzeugen. Das gleiche grit ffir Paraphenylenamin nach den Untersuchungen yon L. R. MA'~a ffir gas Terpen• und eine Reihe anderer gewerblich wichtiger Stoffe. Fiir die Erklgrung der Ver- erbbarkeit der Idiosynkrasie wird neben der M6glichkeit der placentaren Obertragnng spezifischer Antik6rper yon STORM VAN LEt~UWEN auch an die M6glichkeit heterogenetischer Anti- k6rper gedacht. DORa erweitert daher die v. Pirquetsche Auffassung zunXchst nach der Richtung, dab dem allergischen Syndrom nicht ein pers6nliches Erlebnis zugrunde zu liegen braucht, sondern dab eine erbliche (genotypische) Anlage Voraus- setzung der Entwicklung des ph~inotypischen Merkmals der Allergie is%. Die Idiosynkrasie stellt demgem~iB einen Sonder- fall der Allergie dar, deren Beurteilung sich nicht yon der der erworbenen Sensibilisierung unterscheidet. Schwierig- keiten entstehen vielmehr dutch die M6glichkeit des Vor- liegens einer gleichzeitigen spezifischen Idiosynkrasie mit ether sekund~ir erworbenen unspezifischen Allergie, sowie durch die Gruppenreaktionen, z. B. gegen K6rper yon Chinon- struktur nach MAYER. Erfahrungsgem~iB sind die irfiher Ms Idiosynkrasie gekennzeichneten Allergien unter den Berufs- erkrankungen der Haut h~ufig. Jedoch kann auf ihre be- sondere Wfirdigung nach dem Gesagten verzichtet werden, Anaphylaxie und Allergie. In der klinischen uild fach~rztlichen Literatur werden h~ufig die Ausdrflcke: Allergie, ~berempfindlichkeit und Anaphylaxie synonym verwendet. Trotzdem einzelne Autoren Anaphylaxie und Allergie gleichsetzen, erseheint eine solche generetle Gleich- setzung einstweilen noch nicht berechtigt Ubereinstimmend wird %fir den Begriff der Anaphylaxie Ms wesentlich die passive t3bertragbarkeit des anaphylaktischen Syndroms gefordert. Aber schon bezflglich dieses Syndroms gehen die Meinungen welt aus- einander, insofern LEHNXR und RAJKA sich gelegentlich mit einem bloBen Hautjucken als anaphylaktischem Teileffek% begnfigem D6RR hingegen sieht in der Anaphylaxie einen scharf abgegrenzten Sonderfall der Allergie, charakterisiert dureh die Unabhiingigkeit (wenigstens innerhalb einer bestimmten Tierspezies) der Sympto- matologie yon der besonderen Beschaffenheit der ausl6senden Stoffe, dutch die Spezifit~t der Anaphylaxie, d.h. durch die Identit~tt yon ausl6senden mit sensibilisierenden Stoffen, dutch den individuellen Erwerb und die Nichtvererbbarkeit des Zustandes,

Allergische Berufserkrankungen der Haut

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Page 1: Allergische Berufserkrankungen der Haut

218o K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . IO. J A H R G A N G . Nr . 47 21. N O V E M : B E R I93X

lieferung bestand eine Nephrose mit starkem nephritischem Ein- sehlag, der nach Abklingen des anfangs vorhandenen Infektes abnahm.

W~ihrend der I4w6chigen Beobaehtungszeit, bis zu den die Nephrose beeinflussenden infekten (nach 7 monatigem Bestehen der Nephrose), sehwankte der EiweiBgehalt zwischen 3 und 12~ und es gelang nur, dutch dauernde Ureamedikation die Bildung yon I-I6hlen- ergfissen und st~rkeren 0demen zu beseitigen und hintanzuhalten.

Nach der Angina senkte sich der Albumengehalt an% durch- schnittlieh i3/4~ bet besserer Diurese. Wiihrend des Scharlach- fiebers sehr geringe Ausscheidung und Sieigerung des EiweiB- gehaltes auf 80/00. Mit dem Tage der Entfieberung vollzog sich diesmal eine Senkung des Albumens auf Spuren. Selbst die scbwere Scharlachnephritis lieB den nephrotischen ProzeB nicht wieder zum Aufflackern kommen. Im weiteren Verlauf restitutio ad integrum.

Neben allen Artenvon interkurrenten Erkrankungen, die Heilung oder ]3essernng chronischer Nephrosen herbeigefi~hrt haben, sind in der Literatur nur 2 FMle yon EICHHO~SZ erw~ihnt, in denen ein interkurrenter Scharlach die I-Ieilung bewirkte:

I)er i . Tall betraf ein 20j~hr. M~dchen, dessen chronische Nephro* pathie seit 2 Jahren bestand. Der Scharlach war in diesem Falle leich% und ohne I~omplikationen, die Heilung der Nephrose vollsfiindig.

Der 2. Fall: 21/2j~hr. Knabe mit sehwerer Nephrose, Albumeil zwischen I and 30~ . W~ihrend des Scharlachs Sinken der vorher besonders grogen Wasserausseheidung auf sehr spi~rliehe Urin- mengen mit Albumengehalt zwischen 24 und 28~ Das Fieber be- stand 14 Tage bis 38,4 ~ abet bereits am IO. Fiebertag sink% der Eiweiggehalt auf 8, dann 6,3 und 1~ mit dem ersten fieberfreien Tage sind die letzten EiweiBspuren verschwunden. Die Heilung der Nephrose bleibt weiterhin vollkommen.

Beide Fiille waren im Gegensatz zu dem unsrigen nieht durch eine Scharlachnephritis kompliziert. DaB abet auch eine Nephritis mit H~imaturie einen gonstigen EinfluB an% eine chronisehe Nephrose haben kann, beriehtet ALDRICH in einem Fall, bet dem im AnscbluB an eine Pneumonie eine Hiimaturie und fleiehzeitig Besserung der Nephrose eintra%.

Literatur: C. A. ALDRICH, Amer. J. Dis. Childr. 32, I63. -- B. ASCHNER~ Klin. Wsehr. 1931, Nr 33, I525. -- H. EICHHORST, ivied. Klin. 190~, Nr 4e, Io53. -- H. SECKEL, Klin.Wschr. 19~1, lO19.- TEZNER u. STROSS, Mschr. Kinderheilk.49,i,

P R A K T I S C H E ERGEBNISSE.

ALLERGISCHE BERUFSERKRANKUNGEN DER HAUT.

Von

Dr. reed. MAX MICHAEL, Iracharzt fiir Hautkrankheiten, Berlin,

Versucht m a n die schon seit l angem yon Minischer Seite be ton ten und durch zahlreiche Un te r suchungen gef6rder ten Beziehungen zwischen Allergie und beruf l ichen I t au t e rk ran - kungen einer kl~irenden ~ b e r s i e h t zu unterz iehen, so is% es zun~tchst n6tig, zu einer Abgrenzung des s ta rk ums t r i t t enen Allergiebegriffes zu gelangen. Ordnet m a n die kl inischen Ersche inungen u m diesen Mi t te lpunkt , so wird es m6gl ich sein, festzustellen, welche beruf l ichen Sch~digungen H a u t - ve r~nderungen hervorrufen, die d e m al lergischen Syndrom entsprechen, oder welche n ich t mehr mi t dem Allergiebegriff zu vere inen sind. D u t c h Sonderbe t rach t i lng der berufl ichen, al lergischen H a u t e r k r a n k u n g e n wird m a n ferner die Frage bean twor t en k6nnen, ob und welche Fo lgerungen sich aus der Kl in ik dieser Gruppe yon H a u t e r k r a n k u n g e n fiir den Allergiebegriff ergeben.

BegriJ] der A llergie. Bekannt l i ch s t a m m t der Begriff der Allergie yon PIRQUET.

PIRQUET definier te die Allergie als eine ver~nder te Reakt ions- f~higkeit in zeitlicher, q u a n t i t a t i v e r und qua l i t a t ive r Be- ziehung, die der menschl iche oder t ierische Organismus durch das l )be rs tehen ether K r a n k h e i t cder durch Vorbehand lung m i t k6rp~rfremden Subs tanzen erwirbt . Ohne an% die Vor- geschichte des Allergiebegriffes, die einzelnen Glieder dieser Defini t ion, die wet%ere En twicMung der Allergielehre niiher einzugehen, set unters t r ichen, dab demgem~iB sowohl ge- s te iger te wie ve rminder t e Reaktionsf~ihigkeit des Organismus un te r den Begriff der Allergie f~illt, desgleichen auch v611ige Anergie (z. B. die H a u t der Pa ra ly t ike r bei E inbr ingen yon Spi roch/ i tenmater ia l !).

Idiosynkrasie als Sonder/all der Allergie. Lange Zei t h indurch is t die Id iosynkras ie in Gegensatz

zur Allergie gebracht worden. U n t e r Id iosynkras ie ve r s t eh t KAMMERER nach BEHRING angeborene Uberempf ind l i chke i t gegen normalerweise unsch~dliche Agenzien ganz bes t immte r Art , wovon die Dia these als angeborene l )berempf ind l ichke i t unspezif ischer A r t abzu t rennen ist. TOVTON m a c h t gleich v ie len anderen Auto ren noch eine scharfe Trennung zwischen der stets angeborenen Id iosynkras ie und der Sensibil is ierbar- kei%, die auch erworben werden kann.

Dieser Unterschied is% nach DORR und BLOCH ebenso- wenig durchgreifend wie der zwischen der verhg l tn i smggigen Sel tenhei t id iosynkrasischer Reak t ion und der hgufigeren se lbs terworbenen al lergischen Reakt ion . Mit dem yon KARRER und BLOCH dargeste l l ten P r imin ist es BLoc~ ge- lungen, regelm~Big Menschen und Tiere zu sensibilisieren, also die bisher fiir eine typische Id iosynkras ie gehal tene Pr imelf iberempfindl ichkei t kt inst l ich zu erzeugen. Das gleiche grit ffir Pa rapheny lenamin nach den Unte r suchungen yon L. R. M A ' ~ a ffir gas Terpen• und eine Reihe anderer gewerblich wicht iger Stoffe. Fi i r die Erk lg rung der Ver- e rbbarke i t der Id iosynkras ie wird neben der M6glichkeit der p lacentaren Ober t ragnng spezifischer Ant ik6rper yon STORM VAN LEt~UWEN auch an die M6glichkei t he terogenet ischer Ant i - k6rper gedacht .

DORa erwei te r t daher die v. P i rquetsche Auffassung zunXchst nach der Rich tung , dab dem allergischen Syndrom nicht ein pers6nliches Erlebnis zugrunde zu liegen braucht , sondern dab eine erbl iche (genotypische) Anlage Voraus- se tzung der En twick lung des ph~inotypischen Merkmals der Allergie is%. Die Idiosynkras ie stel l t demgem~iB einen Sonder- fall der Allergie dar, deren Beur te i lung sich nicht yon der der erworbenen Sensibil isierung unterscheidet . Schwierig- kei ten en ts tehen v ie lmehr du t ch die M6glichkei t des Vor- liegens einer gleichzeit igen spezifischen Idiosynkras ie m i t ether sekund~ir erworbenen unspezif ischen Allergie, sowie durch die Gruppenreakt ionen, z. B. gegen K6rper yon Chinon- s t ruk tur nach MAYER. Erfahrungsgem~iB sind die irfiher Ms Id iosynkras ie gekennzeichneten Allergien un te r den Berufs- e rkrankungen der H a u t h~ufig. Jedoch kann auf ihre be- sondere Wfirdigung nach dem Gesagten ve rz ich te t werden,

Anaphylaxie und Allergie. In der klinischen uild fach~rztlichen Literatur werden h~ufig

d i e Ausdrflcke: Allergie, ~berempfindlichkeit und Anaphylaxie synonym verwendet. Trotzdem einzelne Autoren Anaphylaxie und Allergie gleichsetzen, erseheint eine solche generetle Gleich- setzung einstweilen noch nicht berechtigt Ubereinstimmend wird %fir den Begriff der Anaphylaxie Ms wesentlich die passive t3bertragbarkeit des anaphylaktischen Syndroms gefordert. Aber schon bezflglich dieses Syndroms gehen die Meinungen welt aus- einander, insofern LEHNXR und RAJKA sich gelegentlich mit einem bloBen Hautjucken als anaphylaktischem Teileffek% begnfigem D6RR hingegen sieht in der Anaphylaxie einen scharf abgegrenzten Sonderfall der Allergie, charakterisiert dureh die Unabhiingigkeit (wenigstens innerhalb einer bestimmten Tierspezies) der Sympto- matologie yon der besonderen Beschaffenheit der ausl6senden Stoffe, dutch die Spezifit~t der Anaphylaxie, d .h . durch die Identit~tt yon ausl6senden mit sensibilisierenden Stoffen, dutch den individuellen Erwerb und die Nichtvererbbarkeit des Zustandes,

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~t. NOVEMBER i93~ K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . IO. J A H R G A N G . N r . 47 2 1 8 I

wie die Notwendigkeit einer Inkubationsperiode. Anaphylaktische Teileffekte sind bet beruflichen Hauterkrankungen iiberaus h~ufig anzutreffeil, ihre Zugeh6rigkeit zur Anaphylaxie mug Ms zweifelhaft erscheinen. H~lt man an diesem Charakter der Anaphylaxie als ether Minischen Sonderform der Allergie iest, so dart man ihr fiir die Entstehung beruflicher Hauterkrankungen nut eine untergeordnete Stellung zuweisen und am ehesten vereinzelte EXile yon Tierhaar- anaphu in diese Kategorie einreiheil, oder 13eobachtungen bet Einverteibung dem Tierreich entstammender Substanzen. Die Seltenheit derartiger Vorkommnisse in landwirtschaftlichen Ilnd sonstigen in Frage kommendeil ]3etrieben muB als auffallend bezeichnet werden. Man wird daher der Anaphylaxie im. gekenn- zeichneten Sinne eine 13edeutnilg fiir die beruflichen Erkrankungen der Haut einstweilen absprechen mtissen, so h~iilfig anaphylaktoide Symptome anzutreffen sind, z. 13. Ursolasthma der Pelzarbeiter.

Kriterien der Allergie.

DORR h a t den Begriff der Allergie durch die Iolgenden Kr i te r i en genau def inier t :

I. die Abweichui lg yon der Norm, die im frt iheren Ver- ha l t en desselben Ind iv iduums , bet angeborenen F o r m e n auch im Verha l ten anderer Ind iv iduen derselben Art , gegeben is t ;

2. die Spezii i t~t , set es Mono- oder Polyspezi f i t / i t ; 3- der UilabhAngigkei t der S y m p t o m e al lergischer Reak-

t ionen yon der 13eschaffenheit der reakt ionsans l6senden Substa i lzen;

4- den Nachweis der s toff l ichen Grundlage des al lergischen Zustandes eines sog. Ant ik6rpers oder R e a g i n s am einfachstei l du t ch pass ive Ube r t r agung der R e a k t i v i t ~ t auf normale Ind iv iduen . Mit dieser Def in i t ion sind in der T a t neue und wesent l iche Kri ter ie i l ffir die al lergischen E r k r a n k u n g e n auf- gestellt , aber besonders h ins icht l ieh der le tz ten D6rrschen Forde rung bes tehen groBe Schwier igkei ten in der Praxis . So ber ich ten beispielsweise BL~MEN~maL und JAFFs dab un te r 5 un te r sueh ten F~l len voi l Uberempf ind l i chke i t gegen Quecksilber, die in gleich abges tuf te r Weise gegen verschiedeil- a r t ige Quecks i lbe rverb indungen reagier ten, n u t eiile einzige passive [;rbertragung ges ta t te te . Man wird also k a u m be- reeh t ig t sein, im Einzelfal le allein aus e inem nega t iven Ver- lauf des pass iven Llber t ragungsversuchs den SchluB zu ziehen, dab eine Allergie n ich t vorl iegt . Weni l der gew6hnliche ~Jbertragui lgsversuch nega t iv verlAuft, kann die Prausn i tz - Ki is tnersche Reak t ion oder die Urbach-K6nigs te insche Probe posit-iv setH. Aber auch das U m g e k e h r t e kann v o r k o m m e n ! Der Ansfal l des l Jber t ragungsversuchs ist yon ether Reihe F a k t o r e n abhAngig, die wir wie die anzuwendende Serum- menge anscheinend noch n ich t alle fibersehen. Von groBer B e d e u t u n g scheint dafiir der Unterschied zwischen der wei ter- h in zu besprechenden epi the l ia len und vasculXren ~ b e r - empf ind l ichke i t zu sein, der eiilen Unterschied in d e m Aus- fall der pe rcu tanen uild cu tanen (L~ppchen- und Scarifi- catioilsprobe) bedingen kann.

Fiir wissenschaftliehe :Feststellungen bet der Prflfung ether lJberempfindlichkeit ist daher sowohl die Prflfung mittels L~ppehen als auch mittels Scarification Ms intracutane Einspritzung zu fordern, evil. auch die Anweildnng der K6nigstein-Urbachsehen 131asenprobe, eine Forderung, die nur in Minischen Stationen zu verwirkliehen ist. Des ferneren ist die Priifung der Komplementbildilng bet Zusam- menbringung yon Antigen und aktivem, allergischem Serum in vitro erwfinscht, nach BLIJM~t-IAL und JAFFs Eventuell ist auch die Sehulz-Dalesche Versuchsanordnung (der Organprfifung sensibilisierter Tiere, flberiebender Darm, Uterus usw. in antigeil- haltiger L6sung) anwendbar. Keinesfalls ist es, wie gesagt, m6glich, aus dem negativen Ausfall auf Grund ether einzigen Probe die passive ~)bertragbarkeit zu negieren, zumal ailch die Eigensehaiten der als Probepersonen verwandten Pers6nlichkeiten, Mengenverh~It- nisse und Konzentration des zur Sensibilisierung verwendeten Stories zn berficksichtigen sind. Gelingt der Nachweis der passiven ~bertragung einer lJberempfindlichkeit auch nnr in ether Anzahl yon FMIen, bet Verwendilng des gleichen Antigens, so ist ein solcher positiver Ailsfall weft bedeutungsvoller, als der negative Ausfall in zahlreichen anderen FMlen.

Kl~nisehe Formen der beruJlichen Hautallergle. Die klinischeil F o r m e n beruf i icher Hauta l l e rg ien unter -

scheiden sich na~urgem~B in niches yon den F o r m e n sonsfiger Hanta l le rg ien . Die kl inischen F o r m e n werden einersei ts

reprAsentiert durch das E k z e m bzw. Derma t i t i s als hAuiigsten Ver t re te rn der F o r m e n beruf l icher Hauta l le rg ien , in selteileil FAllen auch Neurodermat i t i s (z. 13. als Folge yon Nickel- sulfat !), Prur i tus , feriler durch urt icariel le Formen , E r y t h e m e , in sel teneren F~l len durch Quinckesches 0 d e m : Pu rpu ra und sonstige H a u t b l u t u n g e n scheinen dagegeil im Gefolge al lergischer Hau te rk rankunge i l n ich t sicher beobach te t zu sein. Zwisehen den urt ikar iel len, e ry themat6sen , ekzemat6sen und prur igin6sen F o r m e n der Hauta l le rg ie k o m m e n na tur - gemAI3 zahlreiche i)bergAnge vor, wie s i e ja auch sonst be- ka i ln t sind, z. 13. der Typ des Neisserschen ur t icar ie l len Ekzems. Manche berufl iche Allergien sind durch die Gleich- f6rmigkei t der F o r m ausgezeichnet , anderen is t sie Il icht zu eigen. Dieselbe Subs tanz kann bei verschiedenen P a t i e n t e n verschiedene F o r m e n der Hauta l le rg ie hervor ru ien , ja auch bet denselben P a t i e n t e n zu verschiedenen Zei ten verschieden- ar t ige I~rankhei tsbi tder !

Den verschiedenen klinisehen Typen entsprechend, sind histo- logisch zwei versehiedene t taupt typen der Hautallergie zu unter- scheiden. LEWANDOWSI~Y hat als erster den Gedanken ether epithelialen und vaseul~ren Allergie ausgesprochen, l~ein epitheliale Allergien dtirften unter den Berufserkrankungen kaum vorkommen. Auch wenn sieh die Antigenk6rperreaktion zellst~ndig an den Epithelzellen der Haut abspielt, dflrfte bet den engen, fraglos nicht blo13 topographischen Beziehungen zwischen Hautepithel und Ge- fXl3en, die GefXl]reaktion in keinem Falle ausbleiben. Erinnert set an das Beispiel der Jodo~ormdermafitis, einer ausgesprochenen GefliBreaktion. Dennoch hat JADAssonN schon vor Jahren den Naehweis erbracht, dab ihre Ausl6suilg yon der Epidermis abh~ngig ist und trotz vorhandener Idiosynkrasie nicht ausl6sbar war, bet Aufbringung des Jodoforms auf ein der Epidermis entbehrendes Ulcus cruris. Die von ERICH HOFFMANN neuerdings vorgeschlagene Einteilung in Epidermallergosen, Cutallergoseil und Misehiormen ist daher wenig geeignet, das Verstiindnis der Prozesse zu erleich- tern, weft bet verschiedenen Individuen, aber gelegentlich auch bet demselben Individuum, dieselbe Substanz bald das eine, bald das andere Bild klinisch in den Vordergrund treten lassen kann und der primXre Angriffspunkt des Allergens nicht framer ohne weiteres zu erkennen ist. Dennoeh kommt der Lewandowskyschen Auffassilng mehr als ein blol3er heuristiseher Wert zu. 13LOCIt hat neuerdings festgestellt, dab die passive l~bertragung der. Haut- allergie bet Urticaria, Erythem, gelungen ist, wXhrend sie bet dem epithelialemTyp, also dem Ekzem, ihm fast stets lniBlungen ist. Es erscheint verst~ndlich, dab bet vorwiegender Beteiligung der Epi- dermis als Sitz der allergischen Reaktion die Antik6rper wesentlich seltener an das Blut abgegeben werden, als bet den vasculgren Allergien. Dafiir ist in einzelnen FMlen ersterer (BLOCH, ~BIGLIERI) die ~bertragung durch Transplantation gelungen. Welchen Anteil das 13indewebe an der allergischen :Reaktion nimmt, ob ibm wesent- lieh eine passive Rolle' zuf~llt, ist noch nicht erforscht. URBACH nimmt an, dab in der Epidermis insbesondere den Langerhansschen Zellen die F~higkeit der Antik6rperbildilng zilkommt, in der CHris den Capillarendothelien der papillaren Blut- und Lymphgef~ge, nnd dab diese ein zusammenh~ingendes reticulo-eildotheliales System bilden, auf das die FAhigkeit der Haut zur Antik6rper- bildung bzw.' Antigenbindung, also die allergische Reaktivit~t der Haut bezogen werden mfisse.

~Jber die lRolle tier Sehweig- und Talgdrt~senepithelien bet der Hautallergie ist nichts bekannt. ]~ine sekund~re 13eeinflilssung durch ZirkulationsverXnderungen im Rahmen des allergischen Prozesses ist wohl vorstellbar. Dennoch wird man eine primate, st~rkere 13eteiligung dieser Organe als ein Kriterium zwischen allergischer und pharmakologischer Reaktioil uilter Umst~nden mit Erfolg heranziehen k6nnen.

Hautallergie als 2~olge beruJlieher Sehddigungen. Die als Allergie charakter i s ie r te verAnderte Reak t iv i tAt

der H a u t kann n ich t blol3 durch berufl iche SchAdigungen, die die Haul: yon auBen treffen, bedii lgt werden, soi ldern ebenso auch durch schAdigende Einwirkungen , die die ]Epidermis oder die HautgefABe auf d e m Blu twege erreichen. DemgemAB muB die E i n a t m u n g gas- oder s taubf6rmiger Subs tanzen als berufl iche SchXdigung als t ibetans bedeutungsvol l heran- gezogen werden, w~hrend die entera le E inwi rkung im Be- rufsleben prakt i sch bedeutungslos sein dtirfte.

BLOCH beobachtete -- naeh erfolgter Sensibilisierung durch Primelextrakt bet sieh selbst - - 'dutch Betreten eines Raumes, in dem Primelextraktionen vorgenommen waren, Anftreten der typischen ttauterscheinungen; ~hnlich JE~ssEx, wenn eine Primel

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im Zimmer stand, ohne dab er solche berfihrte. Es ist anzunehmen, dab hier die SerLsibilisierung der Haul auf dem Atmungs-Blutwege eriolgte, wenn auch nicht mit Sicherheit[ ausgeschIossen werden kann, dab in der Luft herumsehwebende Teilchen dutch direkten I4ontakt die Hautentziindung hervorriefen. KLAUDER beobachtet bet einem gegen Phenylhydracin und Benzolaldehyd fiberempfind- lichen Chemiker das Auftreten alIergischer Hauterscheinungen durch den Besuch eines entfernf wohuenden Kollegen, d e r m i t diesen Substanzen gearbeitet halle. Hier, wie in anderen F~ilIen, wird man mit Hinsicht auf die nahen Beziehungen zwischen allergischen Hauterkxankungen and allergischem Asthma der Einatmung auch fiir die tEntstehung der Hautaffektionen eine groBe Bedeutung zuschreiben mfissen.

Eine solche Sensibilisierung yon innen nach auBen im Sinne JaDAssoI~Ns kann m6glicherweise auch auf dem Wege tiber das vegetative Nervensystem zustande kommen. Desgleichen kann bet der Resorption toxischer Substanzen dutch die Haut eine Ein- wirkung auf das vegetative Nervensystem stattfinden. Die An- sichten der verschiedenen Autoren fiber die Rolle des vegetativen Nervensystems beim Ablaut der allergischen Hautreaktion gehen noch welt auseinander. A priori kann sie auf Grund unseres Wissens fiber die Korrelationen zwischen Haut und vegetativem Nerven- system keinesfalls ablehnen. Der EinfluB des vegetativen Nerven- systems auf die Gef~Breaktionen kann naturgem~13 auch auf den Ablaut der allergischen Hautreaktion im EinzeKall yon Bedeutung werden, wie dutch die Untersuchungen yon D~ZHL und I-IEINRICHS unter Anwendung der Hypnose exakt bewiesen ist. Aueh an die Auffassungen K~E~mc~s fiber die Entstehung yon Dermatosen fiberhaupt, wie an die Rolle, die IRIcK~ dem Gefitgnervensystem ffir das physiologische Geschehen zuschreibt, set erinnert. Aber die pharmakologisch-physiologischen Untersuchungen fiber Sympathieo- tonie bzw. Parasympathicotonie und ihre Bedeutung ftir den aller- gischen Prozeg, hubert bisher sicher verwertbare ]Ergebnisse nicht erbracht. Ffir die Entstehung allergischer }tauterkrankungen ant gewerblicher Basis wird man daher einstweilen diesen Faktor in- sofern in Rechnung stellen dfirfen, als weder der EinfluB der Psyche noch der durch das vegetative System vermittelten hormonalen Schwanknngen gltnzlich auBer acht zu lassen ist. Insbesondere ROn~NAC~r macht nachdrficklich auf die psychogene Kom- ponente vieler allergischer I-Iauterkrankungen anfmerksam, in F~llen yon tlentenk~impfen um Anerkennung einer allergischen Hauterkrankung als meldepflichtiger Berufskrankheit wird man in der Tat auf solche Beziehungen sein Augenmerk richten mfissen.

Unspezi]ische Wirkung beru]licher Sch5digungen. Berufliche Sch~digungen der Haut kSnnen ebensowohl

mechanischer, physikalischer (Strahlenwirkung verschiedener Wellenl~nge!) wie chemischer Natur sein. Nur bei der letz- teren kann yon einer direkten Allergie gesprochen werden, obwohl auch sie h~iufig genug indirekter Natur ist insofern, als nicht die einwirkende Substanz, sondern sekund~ir ent- standene Produkte allergisierende Wirkung ausiiben. Die mechanischen Einwirkungen auf die Haut k6nnen lediglich indirekt dazu beitragen, dab bestimmte Agenzien ihre Ein- wirkung als Antigen entfalten k6nnen. CmaNSTON Low konnte dutch wiederholtes Auflegen yon Primelbl~ttern keine Sensibil isbrung herbeiftihren, sondern erst nach Anlage eines Scarificationsschorfes, auf den er die Primelhl~tter legte. Unterschiede zwischen intakter und sca~ifizierter Hau l sind im Tierexperiment wie auch bet Menschen allt~glich zu beob- ach• Demgem/ig k6nnen Wunden und die in manchem Bernie allt~iglich er~olgenden Auflockerungen des Haut- gefiiges die Basis ffir eine sekund~re Allergisierung abgeben. Als Beispiel m6ge das Persil- und Laugenekzem der Waseh- frauen genannt werden. ASTCONA ffihrt die Beobachtung banaler Ekzeme bet voriibergehender Besch~ftigung mit be- s t immten Getreidesorten ant mechanische Sch~idigungen durch Ge• zurfiek, die ihrerseits erst die Voraussetzung ftir eine Sensibilisierung gegen bestimmte Insekten schaffe. Es muB im Prinzip als wahrscheinlich angenommen werden, dab jede unspezifische Entzfindung der Haut die Epidermis bzw. oberfl~ichliche oder tiefere HautgefiiBe in ver~inderte Reakti0nsf~higkeit gegeniiber spezifischen Reizen zu ver- setzen vermag. Daraus mug sich vielteicht zum Tell die lokale Verschiedenheit verschiedener Hautterrains erM~iren. Narbenbildung vermag die allergischen F~higkeiten der Haul zu beeinflussen, wie dies aus gelegentlichen Beob- achtnngen im Verlauf syphilitischer Exantheme bekannt ist.

Somit k6nnen Betriebsunf~lle gelegentlich mit zur Aus- 16sung yon Hautallergien fiihren, wie dies aus einem kfirzlich mitgeteilten Obergutaehten yon HELLER hervorgeht.

Physikalisehe Allergie. DUKE stellt der durch chemische Ailergene bedingten

Allergie die Gruppe der physikalisch bedingten Allergene gegeniiber, unter die er die durch mechanische (Hitze, Kglte und Licht) bedingten Hautreaktionen zusammenfaBt, die durch Bildung yon Zwischensubstanzen indirekt einen allergischen Prozeg ausl6sen k6nnen. Nach den Forschungen yon L~wzs und seiner Mitarbeiter ist wenigstens Itir die, pathogenetisch verschiedenen, aufgezghlten Formell der Urticaria die Existenz und Bedeutung solcher dem Gewebe entstammender Substanzen wahrscheinlich gemacht. Aber zumindest Itir die meehanische Urticaria, die lokale vaso- motorische Reaktion scheint die Einreihung in die Allergic trotzdem augerordentlich fraglich. Auch DUKE ist ihre Ubertragung nicht gelungen! Die Gew6hnung an erh6hte und erniedrigte Temperaturgrade, wie sie in derartigen Be- rufen zu beobachten ist, kann nicht mit dem Ausdruck Allergie bezeichnet werden, weft sie keineswegs Ms eine Antigen-AntikSrperreaktion aufgefagt werden kann. Als solche k6nnen lediglich Beobachiungen yon LIEBNZR und SELLEI, allenfalls auch von LEHNER und RAJKA gelten.

Lichtsensibilisierung. Seit den bekannten Selbstversuchen yon ZVIAYER-BETz,

der Sensibilisierung der t l au t gegen Licht dutch Einverleibung yon Hgmatoporphyrin in die Haul, ist in den letzten Jahren eine Reihe yon Beobachtungen bzw. Experimenten an- gestellt worden, die eine zwanglose Einreihung der Licht- dermatosen in die allergischen I-Iauterkrankungen gestatten~ So konnten P. S. MEYER und L~D~R~A.'~N durch eine nur sekundenlange Vorbestrahlung der t t au t mit Quarzticht eine erheblieh st~irkere Wirkung einer einige Stunden sparer vorgenommenen gleichartigen l~ngeren Bestrahlung erzielem Ferner konnte R. O. STEIN bet einem Hydroapatienten im Anfall Serum entnehmen und damit Oberempfindlichkeit bet einem bisher Gesunden gegen ultraviolette Bestrahlung erzeugen. RICHTER konnte durch abgestufte H6hensonnen~ bestrahlungen eine Desensibilisierung gegen Tageslichtfiber- empfindlichkeit erzielen. Als Grundlage der Lichtsensibili- sierung sind demgem~fl dutch den BetichtungsprozeB ent- standene Reagine anzusehen, yon gleicher Wirkung wie yon augen auf die Hau l einwirkende Substanzen oder solche, die auf enteralem oder parenteralem Wege dem Organismus zu- gefiihrt werden. Die Bedeutung der Lichtsensibilisierung durch berufliche Einflfisse wird bisher nicht als fiberm~Big grog eingesch~tzt. Als bekanntes Beispiel set an gewisse Kriegsbeobachtungen erinnert, insbesondere an die yon RmHL beschriebene Teermelanose. Aber wenn bet ether groflen Zahl yon beruflichen Dermati t iden mit Vorliebe immer wieder nur die der Lichtwirkung ansgesetzten K6rper- purlieu entztindlich erkranken, so liegt es nahe, dab doch wohl nicht in alien FXllen die sch~digende Substanz direkt durch Kontakt yon augen auf die Epidermis einwirkt, sondern dab eine Reihe bisher noch nach dieser Richtung nicht unter- suchter Stoffe analog dem HXmatoporphyrin, Methylenblau, Eosin dutch photodynamisehe Wirkung eine Sensibilisierung gegen Licht hervorrUft, also eine Ver~nderung der Haut- reaktivit~t gegen Lichtstrahlen, wie die Sensibitisierung der Tiere dnrcla Buchweizenfiitterung (wirksamer Sto~i Phylo- porphyrin), Bekannt sind einstweilen Ms gewerbliche Noxe Carboneol, Tumenol und sonstige Teerpr/iparate, Abk6mm- linge der Acridin-, Anthracen- und Anthrachinonreihe.

Die photodynamische Wirkung scheint insbesondere fluorescierenden Substanzen zu eigen zu seln, wie aus den Untersuchungen zahlreicher Autoren hervorgeht, Zu den klinischen Formen tier Lichtallergie kann man das Licht- erythem, die Lichturticaria, die Lichtdermatitis bzw. Eczema sotare umd die spezffischen Lichterkranknngen, die Hydroa aestivaHs, Xeroderma pigmentosa und die Seemannshaut~

Page 4: Allergische Berufserkrankungen der Haut

2~. NOVEMBER :E93z K L I N I S C H E W O C H E N S C H

UNXAS rechnen. Rein prurigin6se Lichtaffektionen scheinen am seltensten zu sein. LEVlN beobachtete solche zum Tell bet den infolge yon Steinkohlenteerpechverarbeitung erkrank- ten Arbeiter eines IKabelwerkes. Die meisten der Erkrankten l i t ten an Jucken nur dann, wenn sie sich der Sonne oder dem Licht aussetzten.

Als durchaus fraglich mul3 es erscheinen, ob auch die Pigmen- tierungen im Gefolge yon Teerpr~iparaten, Carboneol, Tumenol, bestimmten Vaselinesorten, Sehmier61en usw., die unter Mit- wirkung des Sonnenlichts zustande kommen, als allergische Pro- zesse im eigentlichen Sinne zu betrachten sind. Ubertragungsversuche tiegen anscheinend nicht vor. W~ihrend man friXher annahm, dab die Lichtsensibilisierung in gesetzm~if3iger Weise zumindest syn- ergistisch dureh die Pigmentierung gefOrdert wurde, ist eine solche Auffassung hente nicht mehr aufrechtzuerhalten. PERTHEs und KELLER konnten unabh~ngig voneinander den Nachweis des Oegen- teils erbringen, indem starker Strahlenschutz bet minimaler Pig-

R I F T . io. J A H R G A N G . Nr. 47 218 3

mentierung eintreten kann und trotz starker Pigmentation der Strahlenschutz ausbleiben kann. Transplantationsversuche yon Llxs~R und KROFATSCn ergaben keine eindeutigen Resultate.

Der weiteren Erforschung der Lichtallergie wird man nicht bloB yore Standpunkt der Individualtherapie, sondern auch vom Standpunkt der Prophylaxe und Gewerbehygiene grol3es Interesse entgegenbringen mfissen. Die Lokalisation mancher gewerblicher Hautschiidigungen lediglich an den der ]3elichtung ausgesetzten Partien macht in vielen F/illen eine Mitwirkung der Betichtung im Ablaut des allergischen Prozesses iiberaus wahrscheinlich. Viele der gewerblich ver- wandten Stoffe besitzen nicht primgr antigene Funktionen, sondern erst ihre nnter dem Einflul? der ]3elichtung ent- stehenden Umwandlungsprodukte sind fghig, die Zellen zur Antik6rperproduktion anzuregen und mit diesen Antik6rpern in spezifischer Weise zu reagieren. (SchluB folgt.)

(SFFENTLICHES GESUNDHEITSWESEN.

DIE ENTWICKLUNG UND ORGANISATION DES RADIUMHEMMET IN STOCKHOLM.

Von

ELIS O. E. BERVEN.

(SchluB.)

Die Abteilung /i~r soziale Fi~rsorge. Die mit der T~tigkeit des Radiumhemmet zusammen-

h~ingende soziale Arbeit wird haupts~ichlich durch die Vor- steherin des Heimes und eine soziale Fiirsorgerin erledigt. Die meisten Pat ienten des Radiumhemmet werden nach einer schriftlichen Amneldung des iiberweisenden Arztes auf- genommen. Nach den in der Anmeldung mitgeteilten An- gaben wird vom behandelnden Arzt des Radiumhemmet die Ind ika t ion zur Radium- oder RSntgeniherapie gestellt. Hierauf wird die Anmeldung dem ]3iiro der Vorsteherin fibergeben, welches dem Patienten ein vorgedrucktes Formu- lar mit Angabe des Tages, wann fiir ihn Platz im Radiumhem- met reserviert set und Aufz/ihlung der ftir eine Aufnahme notwendigen Ausweispapiere (s. S. 2138, Nr 46 dies. Wschr.) zugehen l~iBt. AuBerdem wird genau angegeben, welche Schritte zur Erlangung des Fahrgelder!asses zu tun stud.

Das Bereithalten yon t3etten ffir die zahlreichen Pat ienten begegnet manchen Schwierigkeiten. Um eine st~indige Ober- sicht fiber die ]3elegung zu haben, sind im ]3tiro der Vor- steherin Wandtafeln angebracht, welche die zur Verfiigung stehenden P1/itze ffir einige Monate im voraus anzeigen. 13ei jeder Neuaufnahme wird eine Karte mit Namen und Diagnose des Pat ienten auf einen der freien Pl~tze des betreffenden Tages eingeschoben. ]3ei Anmeldung eines Kranken, der dringend der Behandlung bedarf, erweist es sich oft als not- wendig, einen anderen, bereits vorgemerkten Patienten, dessert Aufnahme nicht sofort erforderlich ist, zurfiekzustellen. Dieser wird dann umgehend unter Angabe eines sp~iteren Auf- nahmetages benachrichtigt.

Bet der Aufnahme der Pat ienten erhalten wir Einsicht in die oft tragischen sozialen nnd wirtschaftlichen VerhXltnisse, in welchen viele leben. Wenn die Pat ienten bet akuten Krank- heiten Aussichten auf volle Genesung nach einem relativ kurzdauernden Spitalaufenthalt haben, sind die wirtschaft- lichen Sehwierigkeiten nicht in dem MaBe drfickend wie bet solchen Krebskranken, deren Arbeitsf/~higkeit Iiir lange Zeit herabgesetzt und manchmal nie ganz wiedergewonnen wird, oder bet denen die Behandlung Jahre erfordert, ehe dauernde Heilung eintritt . Ffir die ganz , ,Unbemittel ten" sind die Ver- hiiltnisse in dieser Beziehung insofern gfinstiger, als Reisen und Krankenhausaufenthal t v611ig vom Staat und der Gemeinde bezahlt werden. Die sozialen MiBst/inde t re ten in Familien mit groBer t(inderzahl besonders seharf hervor, wenn z. B. die Mutter wegen der Behandlung l~ingere Zeit yon i h r e m

Heim abwesend sein muB und auch bet ihrer Riickkehr nicht imstande ist, das Haus wie gew6hnlich zu besorgen. Bet den , ,minderbemittelten" Pat ienten werden die Probleme noch schwieriger. Solange sie gesund sind, geht alles relativ gut, abet bares Getd fiir Extraausgaben, wie Reise und Kranken- hausaufenthalt, ist fast hie vorhanden. Wenn auch Vorerst die Gemeinden die Zahlungspflicht fiir die Yerpflegungs- gebiihren fibernehmen, so wird das ausgelegte Geld yon den wenig begfiterten, kleineren Grundbesitzenden sp~ter bis auf den letzten Pfennig zurfickverlangt; hierdurch wird der Besitz verschutdet, so dab oft wirkliche Mittellosigkeit ein- tritt , und die Familie schlieBlich ganz nnd gar der Gemeinde zur Last f~illt. Es war unter diesen Verh~iltnissen iiberaus weit- sichtig, dab der Reichstag, als die Reisezuschfisse auf die , ,Unbemittel ten" begrenzt wurden, in seinem Schreiben an den KSnig darauf hinwies, dab der Begriff , ,unbemittel t" nicht altzu eng gezogen werden smite.

Aufgabe der sozialen Ffirsorgerin ist es, in direkten pers6n- l ichen/Kontakt mit den Pat ienten zu treten und ihre Angaben bet den betreffenden BehSrden objektiv zu kontrollieren, um nachher die zu Gebote stehenden HilfsmaBnahmen in die Wege zu leiten. Die Mittel, die fiir diesen Zweck dem Radiumhemmet zur Verffigung stehen, sind ganz ungenfigend und haupts~ch- lich zur t3ezahlung yon Pflegegebfihren bestimmt. Wit er- halten aber allj~ihrlich yon besser situierten Patienten, die im Radiumhemmet behandelt wurden, und die die schwere Lage unserer schlecht situierten Pat ienten erkannten, Zuschfisse Ifir soziale Zwecke. Die Ffirsorgerin hilft auch den Pat ienten bet Gesuchen n m Unterstfitzung durch die K6nigl. Pensions- Versicherungsanstalt (ffir iKrankenpilege und Pension) und durch Wohlt~itigkeitsanstalten. Ftir die M6glichkeit einer Erholung zwischen den einzelnen 13ehandlungszeiten hat die Stadt Stockholm durch Errichtung yon Erhohngsheimen gesorgt; die Verschickung in diese Heime wird ebenfalls durch die Vermittlung der Ffirsorgerin veranlaBt. Erholungsheim e mit der gleichzeitigen M6glichkeit zur KrankenpJlege ffir schwache und ~iltere Pat ienten sind abet nicht vorhanden. Die Patienten, die nach der Behandlung dauernde Pflege zu Hause brauchen, kSnnen in Stockholm tells dutch die Ge- meindeschwestern, teils dutch die freiwilligen Krankenpflege- vereinignngen versorgt werden. Auch diese Angelegenheiten regelt die Ffirsorgerin, ebenso wie die Pflege durch Gemeinde- schwestern und Hebammen auf dem Lande. Die Ffirsorgerin besucht auch erforderlichenfalls die Kranken in ihren Woh nungen, um sie zu beraten. Verhandlungen and Brief- wechsel mit den Armen-Amtsbeh6rden werden ebenfalls yon: der Ffirsorgerin geftihrt. Um mit den Pat ienten pers6nlichen Kontakt zu bekommen, n immt die Ffirsorgerin an den t~ig- lichen Visiten tell und empf~ngt w~ihrend der poliklinischen Sprechstunde die Pat ienten in einem eigenen Bfiro, wo die Hilfsbedfirftigen ungest6rt mit ihr fiber ihre Angelegenheiten sprechen kSnnen.