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Alles Kultur oder was? Anmerkungen zum liberalen Kulturbegriff Annette Siemes PositionLiberal 115

Alles Kultur oder was? Anmerkungen zum liberalen Kulturbegriff

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Kulturpolitik ist nur dann möglich, wenn Kultur definiert und in das politische Gefüge von Staat, Gesellschaft und Markt eingeordnet werden kann. Die Frage: „Was ist Kultur?“ wird also immer ergänzt durch die Fragen: Was kann und soll Kultur leisten in einem demokratischen und föderalen Staat, der liberalen Grundlagen verpflichtet ist?

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Alles Kultur oder was?Anmerkungen zum liberalen Kulturbegriff

Annette Siemes

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Impressum:

HerausgeberLiberales Institut derFriedrich-Naumann-Stiftung für die FreiheitReinhardtstraße 12 10117 Berlin

Tel.: 0 30.28 87 78-35Fax: 0 30.28 87 [email protected]

Titelfoto Fischer, Schwäbisch-Gmünd Theodor Heuss im Atelier des Bildhauers Jakob Wilhelm Fehrle

ProduktionCOMDOK GmbHBüro Berlin

1. Auflage 2013

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Alles Kultur oder wAs?Anmerkungen zum liberalen Kulturbegriff

Annette Siemes

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Inhalt

1. Was ist Kultur? 5

2. Der Begriff der Kultur 7

3. Kultur, Macht, Politik 11

4. Kulturpolitik als Förderung von Kultur 12

5. Die Rolle des Staates im liberalen Politikverständnis 14

5.1 Staat und Stärke: Ohne Stärke keine Freiheit 14

5.2 Staat und Steuern: Ohne Steuern keine Kultur 15

5.3 Staat und Markt: Ohne Markt keine Kultur 16

6. Kunst als Markt oder öffentliche Aufgabe? 17

6.1 Kunst und Markt: Kunst als soziales Differenzierungsmedium 17

6.2 Kulturförderung als Marktsubvention? 21

6.3 Kunst und Kultur als öffentliche Aufgabe 23

7. Warum eine Förderung der Hochkultur? 24

8. Die Krux mit der Förderung 26

9. Wie teuer ist Kultur? Die Kulturausgaben 28

9.1 Kulturausgaben der Länder 28

9.2 Kulturausgaben des Bundes 29

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10. Kultur als Standortfaktor: Die Kultur- und Kreativwirtschaft 30

10.1 Liberale Positionen zur Förderung der Kultur- und Kreativwirtschaft 32

11. Das Spannungsfeld öffentliche und private Förderung 34

12. Die Infrastruktur der Kultur 36

12.1 Infrastrukturpolitik versus Projektförderung? 36

12.2 Zentralisierung trotz Föderalismus? 37

12.3 Kulturelle Bildung 40

13. Strategische Kulturpolitik versus Kulturentwicklungsplan 42

14. Staatsziel Kultur? 44

15. Grundsätze einer liberalen Kulturpolitik 45

Literatur 47

Über die Autorin 48

Liberale Publikationen 48

Berichte 48

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1. Was ist Kultur?

Diese Grundfrage geht jedem Ansatz einer möglichen Kulturpolitik zwingend voraus.Kulturpolitik ist nur dann möglich, wenn Kultur definiert und in das politische Gefüge von Staat, Gesellschaft und Markt eingeordnet werden kann. Die Fra-ge: „Was ist Kultur?“ wird also immer ergänzt durch die Fragen: Was kann und soll Kultur leisten in einem demokratischen und föderalen Staat, der liberalen Grundlagen verpflichtet ist?

Grundlage jeglichen Kulturverständnisses in einem demokratischen Staatswe-sen ist die Renaissance als Entdeckung von Subjekt und Menschenwürde. Ohne diese humanistische Neufassung und Wertschätzung des Individuums wären alle Demokratiekonzepte undenkbar. Eine zentrale Funktion kommt hierbei der Kultur zu, insoweit sie die Inkarnation der Tätigkeit in Freiheit ist, welche den freien Bürger in Staat und Gesellschaft ausmacht. Diese Freiheit des Bürgers – ein Autonomiekonzept jenseits des christlich-thomistischen Menschenbildes – bildet die Grundkonstante der neuzeitlichen Staats- und Gesellschaftsmodelle. Wilhelm Röpke fasst diesen Gedanken so:

„Wer den absoluten Wert dieser Freiheit in Frage stellt, stellt damit nicht weni-ger als die letzte Grundlage der abendländischen Kultur, nicht weniger als die Lebensluft in Frage, ohne die der europäische Mensch nicht atmen kann.“1

Kultur ist Handlung in Freiheit, Freiheit, der eigenen Vermögen bewusst bil-den, schaffen, prägen, wissen zu können. Hierbei ist – wie auch bei anderen Sphären menschlicher Betätigung – die Autarkie kultureller Leistungen eben-so grundlegend wie die Dynamik der Einzelartefakte und Prozesse. Kultur ist dynamisch zu denken – der Entwicklungsgedanke ist ihr implizit, Bewegung trägt sowohl die historische Komponente als auch die individuelle Positionie-rung des künstlerisch tätigen Subjekts, das sich in irgendeiner spezifischen Weise zu anderen Positionen und Werken verhält und diesem Verhalten eine ganz eigene und allgemein zugängliche Gestalt verleiht. Dieser Prozess der permanenten Differenzierung im gesellschaftlichen Raum schließt neben dem Authentizitätsmodell ebenfalls jede Kulturbegründung aus, die mit Identitäts-bestimmungen operiert: denn nicht die Gleichheit in Form einer einheitlichen Vorstellung und Handlung bedingt Kultur, sondern die Disparität, die notwen-

1 Wilhelm Röpke: Epochenwende; in: Wirrnis und Wahrheit. Ausgewählte Aufsätze von Wilhelm Röpke, Erlenbach-Zürich/Stuttgart 1962, S. 105 bis 126, S. 113.

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dige Hinwendung zu dem Nicht-Eigenem, das in einem Formungsprozess an-geeignet und wieder entlassen wird. Dynamik ist mithin Kulturbildung - und Bildung von Kultur entsteht ausschließlich in dynamischen Prozessen, die mit wie auch immer gesetzten Identitäten nicht hinreichend beschrieben sind. Mögliche Identitäten – wie etwa Spezifika nationaler Kulturen – können allen-falls Teil der Gesamtheit kultureller Prozesse sein, nie jedoch deren Kern. Denn: sich dem Formbaren zuzuwenden mit Sinnen und Verstand ist immer ein Akt in Freiheit, der sowohl den Zugang charakterisiert als auch die schöpferische Tat selbst – jenseits rein funktionaler Zwänge und inhaltlicher (Vor-)Bestimmtheit. Kultur ist zweckfreie, subjektive Hinwendung zur Welt, deren Erfahrung und Formung von neuer und öffentlich vermittelter Gestalt.

Das ist eine Grundlage jedes demokratischen Staatswesens, steht die Freiheit der Kunst doch in direkter und reziproker Beziehung zur Würde des Menschen. Hinwendung zu Kunst und Kultur, Schaffen von Kunst und Kultur, sind urei-genster Ausdruck menschlichen Wesens und menschlicher Freiheit, Kulmina-tionspunkt von Stoff und Form. Schiller hat dieses dynamische Wechselver-hältnis der zweckfreien Hervorbringung eindrücklich beschrieben. Nichts kann im Dienste einer Realitätserfahrung sinnfreier sein als geistiges Vermögen auf realitätsferne Regelsysteme zu konzentrieren, die sich nicht der Aneignung von Wirklichkeit oder Wahrheit, sondern der bloßen Eigengesetzlichkeit ver-danken. Allerdings heißt diese formale Unabhängigkeit von Wirklichkeit nicht, sich nicht auf diese Wirklichkeit mannigfach zu beziehen und so eigenen Sinn und eigene Form zu schaffen.2

Es geht nicht um sinnloses Tun, sondern um freiheitliches Tun. Weil der Mensch symbolisch zu denken und zu handeln vermag, ist er der Selbstvergewisserung und Eigenverantwortung fähig. Dieser Grundsatz gilt immer auch für die Kul-tur.3

2 Friedrich Schiller, Kallias-Briefe, Brief vom 25. Januar 1793 an Christian Gottfried Körner: „Ich bin wenigstens überzeugt, daß die Schönheit nur die Form einer Form ist und daß das, was man ihren Stoff nennt, schlechterdings ein geformter Stoff sein muß.“ In: Schillers Briefe, Ullstein Werkausgabe, Frankfurt a. M./Berlin 1986, S. 197.

3 Diese Grundkonstante der Formung durch Erkennen und Verstehen hat niemand so deutlich herausgearbeitet wie Ernst Cassirer, Philosophie der symbolischen Formen, 3 Bände, 1923 – 1929, Bd. 1 Die Sprache (1923), Bd. 2 Das mythische Denken (1925), Bd. 3 Phänomenologie der Erkenntnis (1929), Darmstadt 1977; in Bezug auf die symbolische Prägnanz komprimiert noch einmal in: An Essay On Men (1944), Yale University Press 1962.

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Was also ist Kultur?Kultur ist persönliche Freiheit im gesellschaftlichen Kontext, sei er regionaler, nationaler oder globaler Struktur.Kultur kennt keinen Binnenmarkt. Kultur ist immer global in der Weise, wie die menschlichen Vermögen es sind.

2. Der Begriff der Kultur

Die Wortbildung ‚Kultur‘ ist eine Erfindung der Moderne. Der Begriff entwickelte sich aus dem lateinischen ‚cultura‘, das allerdings im engeren Sinne die mate-rielle Aneignung und Produktion von Gütern in und aus der Natur implizierte, wie sie heute noch im italienischen Begriff der ‚Agricultura‘ greifbar ist.

Eine differenziertere Bedeutungsebene, die als Grundlage für heutige Kultur-definitionen dient, erhielt der Begriff im 18. Jahrhundert, im Zuge der Aufklä-rung.4 Kant und Herder definierten je eigene Kulturbegriffe: Während Herder unter Kultur die gesamten Leistungen und Erzeugnisse einer Gemeinschaft der Weltbürger verstand (also eine kulturrelativistische Position begründete, die weder Kulturen untereinander noch einzelne Artefakte normativ beschreibt), verwendet Kant den Begriff der Kultur in Abgrenzung zum Begriff der Zivilisa-tion, der die bloß-formale Anstandssphäre des Gesellschaftlichen umfasst, als Inbegriff von künstlerisch-kreativer und (geistes-)wissenschaftlicher Aktivität, deren Erfahrbarkeit sich sehr wohl normativer Setzung verdankt.

Den kantischen Sphären Kultur und Zivilisation fügt Wilhelm von Humboldt eine dritte Dimension, nämlich die Bildung, hinzu. Während Kant Zivilisati-on und Kultur als gleichzeitig existierend und immerwährend versteht, sieht Humboldt durchaus eine Entwicklungsbewegung von Zivilisation zu Kultur und schließlich zum qualitativ höchsten Gut, der Bildung.

4 In den Kernkompendien der Aufklärung, sowohl in der klassischen Encyclopedie von D’Alembert/Diderot (1751–1780) als auch in der Encyclopedia Britannica (1768–1771), taucht der Begriff Kultur nicht auf – obwohl sich zahlreiche zeitgenössische Philosophen mit dem Begriff der Kultur befassen.

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Diese Definitionen und Positionen sollen hier nicht weiter vertieft werden5, denn Thema ist nicht die historische Genese von Kulturbegriffen und kultu-rellen Theorien, sondern Thema ist vielmehr das Verhältnis von Kultur zu einer anderen Sphäre, nämlich der des Politischen: Wie verhält sich Kultur zu Politik, wie verhält sich Politik zu Kultur?

Nun, Kultur hat nichts mit Politik zu tun. Das heißt aber nicht, dass mit Kultur keine Politik zu machen wäre – ganz im Gegenteil gehört die Sphäre Kultur zur Hervorbringungsebene menschlicher Fähigkeiten, die historisch immer wieder ideologisch verwendet und missbraucht wurden.

„Kultur ist kein Ornament. Sie ist das Fundament, auf dem unsere Gesellschaft steht und auf das sie baut. Es ist Aufgabe der Politik, dieses zu sichern und zu stärken.“6

Dieser programmatische Kulturbegriff, der der Kultur-Enquete Kommission und damit allen beteiligten Fraktionen des Parlamentes zugrunde liegt, ist ein umfassender Kulturbegriff, der die Kantische Aufspaltung in Kultur und Zivili-sation7 ebenso aufhebt wie die pyramidale Ausrichtung Humboldts.

Schiller kommt dieser umfassenden Bedeutung von Kultur sehr nahe, wenn er das Verhältnis von Einzelnem und Gesellschaft als kulturelles Beziehungsgefüge charakterisiert, das in gleichem Masse Selbsterkenntnis über die Kenntnisse von ‚fremden Kulturen‘ wie gesellschaftlichen Fortschritt über die Weitergabe die-ser Kenntnisse an die Allgemeinheit schafft. Hier geht es nicht um die Inhalte, sondern um den dynamischen Prozess, mithin um die Funktion der Aneignung von Welt und ihrer anschließenden Prägung. So werden Kulturen geschaffen und so entsteht Geschichte.8

Kultur ist – auf diese Definition kann man sich in demokratischen Gesellschaften einigen – die subjektive Realisation und Konkretion, mithin die Gestaltung von

5 Diese Definitionen nebst einer ausführlichen Darstellung der historischen Entwicklung von Kultur und Kulturbegriffen finden sich in: Karl Heinz Hense, Liberale Kulturpolitik, liberal Verlag, Berlin 2011.

6 Einleitendes Motto im Abschlussbericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ des Deutschen Bundestages, Berlin 2010.

7 Vgl. civilisation (frz.): Im Französischen ist culture die individuelle Bildung, wohingegen mit civilisation der gesellschaftliche Rahmen der stützenden Institutionen gemeint ist, die bürgerlichen Tugenden gegen die unzivilisierten Barbaren (diesen Duktus übernimmt Kant).

8 Friedrich Schiller, Vorlesung über den Begriff der Universalgeschichte, Universität Jena, Mai 1789, Ullstein Werkausgabe, Frankfurt a. M./Berlin 1986.

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materiellen Kunstprodukten und Schaffung geistiger Werte. Betrachtung als Reflexion ist Grundvoraussetzung der künstlerischen Anschauung, das erste ‚liberale‘ Verhältnis des Menschen zu seiner (Um-)Welt:

„Wenn die Begierde ihren Gegenstand unmittelbar ergreift, so rückt die Be-trachtung den ihrigen in die Ferne. Die Notwendigkeit der Natur, die den Men-schen im Zustand der bloßen Empfindung mit ungeteilter Gewalt beherrschte, läßt bei der Reflexion von ihm ab; in den Sinnen erfolgt ein augenblicklicher Friede, die Zeit selbst, das ewig Wandelnde steht still, indem des Bewußtseins zerstreute Strahlen sich sammeln, und ein Nachbild des Unendlichen, die Form reflektiert sich auf den vergänglichen Grunde.“9

Diese Genese des künstlerischen Formungs- und kulturellen Aneignungs-prozesses ist immerwährende subjektive Leistung. Hierbei wird nicht nach ‚niederen‘ oder ‚höheren‘ Kulturgütern unterschieden, sondern der gesamte Bereich kultureller Präsenz im Bereich der Gesellschaft als kultureller Wert-an-sich verstanden. Das schließt eine Unterscheidung kultureller Leistung in Hochkultur und Breitenkultur oder Soziokultur in der weiteren Differenzierung nicht aus, ist aber – zunächst – für die grundlegende Definition unerheblich. Und die lautet: Kultur ist die vom Menschen selbst geschaffene Welt der gei-stigen und materiellen Güter, deren Gestaltung sich planmäßigen Techniken und symbolischen Darstellungs- und Wahrnehmungsformen verdankt. Ernst Cassirer nennt den Menschen „animal symbolicum“, als Wesen, das Symbole setzt, um Wirklichkeit zu verstehen und zu gestalten. So lebt der Mensch in einem selbstgeschaffenen Universum vernetzter Bedeutungen von Mythos, Sprache, Wissenschaft, Religion, Kunst und Technik.10

Dieser Prozess der permanenten Differenzierung im gesellschaftlichen Raum schließt jede Kulturbegründung aus, die mit Identitätsbestimmungen operiert: Denn nicht die Gleichheit in Form einer einheitlichen Vorstellung und Handlung bedingt Kultur, sondern die Disparität, die notwendige Hinwendung zu dem Nicht-Eigenen, das in einem Formungsprozess angeeignet und wieder entlas-sen wird. Dynamik ist mithin Kulturbildung – und Bildung von Kultur entsteht ausschließlich in dynamischen Prozessen, die mit wie auch immer gesetzten Identitäten nicht hinreichend beschrieben sind. Mögliche Identitäten – wie etwa Spezifika nationaler Kulturen – können allenfalls Teil der Gesamtheit kultureller Prozesse sein, nie jedoch deren Kern. Denn: Sich dem Formbaren

9 Friedrich Schiller, Ästhetische Briefe, 25. Brief, a.a.O.10 Die dreibändige „Philosophie der Symbolischen Formen“ wird damit zur theoretischen

Grundlage einer Kulturphilosophie, die alle Erkenntnisformen umfasst.

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zuzuwenden mit Sinnen und Verstand ist immer ein Akt in Freiheit, der sowohl den Zugang charakterisiert als auch die schöpferische Tat selbst – jenseits rein funktionaler Zwänge und inhaltlicher (Vor-)Bestimmtheit. Eine zweckfreie, prozessurale, subjektive Hinwendung zur Welt, deren Erfahrung und Formung neuer und öffentlich vermittelter Gestalt.11

Der Bereich der Kultur hat somit einen direkten Bezug zur Sphäre des So zialen als Inbegriff der Formen menschlichen Miteinanders in einem rahmenden Ganzen. Dieser Bezug bedeutet aber nicht, dass kulturelle und soziale Aspekte gleichbedeutend wären – die konstituierten Bereiche sind durchaus eigenstän-dig und werden im politischen Bereich auch als eigenständige behandelt.

Auch innerhalb des Bereiches der Kultur gibt es unterschiedlich zu rezipieren-de Leistungen, nämlich die der Kultur im weiteren und der Kunst im engeren Sinne: Während kulturelle Leistungen Leistungen sind, die dem Vermögen al-ler Subjekte zukommen, sind Leistungen der Kunst immer Leistungen, die rein künstlerischen Kriterien gehorchen, d.h. eigengesetzlich sind (sofern sie einen Werkcharakter haben).Diese Eigengesetzlichkeit konstituiert den Bereich der Ästhetik, egal ob man normativen oder anderen Ansätzen wie relativistischen oder historistischen folgt, es gilt: Kunst gehört zur kulturellen Sphäre, ist aber nicht mit dieser deckungsgleich. Kunst ist immer auch Kultur, aber Kultur ist nicht immer Kunst.

Willkür und Deklaration machen eine Hervorbringung noch nicht zum künst-lerischen Werk. Ästhetische Kategorien sind für die Beschäftigung mit und Beurteilung von Kunst unverzichtbar.

Versuche und Bemühungen, eine normative Ästhetik abzuschaffen und durch soziale oder anthropologische Definitionen und Begrifflichkeiten zu ersetzen, sind gescheitert. Die Offenheit eines Systems funktioniert nur auf der Basis eines theoretischen Fundaments, welches Verstehen, Reagieren und Beurteilen innerhalb eines allgemeingültigen Kanons erlaubt.

Offenheit heißt Dynamik, Offenheit heißt aber nicht Verzicht auf begriffliche Fassung. Die Sphäre der Kunst ist nicht rational begründet, aber die Hinwen-dung zu und die Aufarbeitung von Kunst muss anhand rationaler Kriterien er-folgen, um eine allgemeine Verständigung innerhalb dieses gesellschaftlichen Systems herzustellen. Ästhetik ist demnach ein rationales System, welches

11 Friedrich Schiller, Kallias-Briefe, a.a.O., und Cassirer, a.a.O.

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Werke begreifbar macht, deren Genese nicht dem rationalem Modus zuzu-rechnen sind, denen aber rational begegnet werden muss, um Wissen und Ge-schichte zu konstruieren. Diese Eigengesetzlichkeit führt zu einer Autonomie des Ästhetischen, aber auch zu einer Eigengesetzlichkeit kultureller Akte, die es gegenüber Staat und Markt zu wahren gilt.12

Grundsätzlich ist Kultur keine Ebene, auf die Politik zugreifen oder übergrei-fen darf.Politik hat sich mit den Manifestationen im gesellschaftlichen – und damit politisch relevanten – Raum zu befassen und einen allgemeinen Zugang zu diesen über Rahmenbedingungen, Institutionen und Vermittlungsinstanzen zu gewährleisten.

3. Kultur, Macht, Politik

Kultur hat Macht. Sei es die Bildende Kunst mit ihren Sparten Malerei, Skulp-tur, Photographie, Video und deren diverse grenzüberschreitende Formen und Formungen. Sei es die Literatur, die über das Wort den politischen Ambitionen von Appell und Verkündung am nächsten steht, über die politische Sprache, über Rhetorik und Rede, unmittelbar im Dienst der Politik steht.

Sei es die Musik, deren Ton- und Klangwelt Empathie für politische Botschaften wecken und emotionalisieren kann – im Dienste des Staates (zum Beispiel als Nationalhymne) oder im Dienste einer politischen Bewegung (zum Beispiel als Revolutionslied oder Parteihymne). Bestimmte Musikgenres verdanken ihre Existenz direkt dem politischen Zweck, etwa die Militärmusik.

Hierbei ist festzuhalten: Die Sinnfreiheit künstlerischer Form ist keine Bedin-gung für die Existenz künstlerischer Form. Umgekehrt gilt: Die politische Sinn-gebung ist kein Indiz für die Qualität künstlerischer Form.

Die Nutzbarmachung von kultureller Leistung für politische Zwecke ist vielfäl-tig. Die symbolische Überhöhung von idealem Staats- und Nationalgedanken

12 Verstanden wird hier unter dem Begriff Kultur die Gesamtheit kultureller Formungen, es wird keine ästhetische Theorie für die Bildende Kunst, die Musik, die Literatur entworfen (Anm. d. Verf.).

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steht herbei neben einer rein ideologischen Propagandawirkung materialis-tischer Prägung.

Vor dem Missbrauch kultureller Formungen und Symbolen durch eine politisch totalitäre Macht warnt Wilhelm Röpke bereits im Jahre 1933:

„Die gar nicht zu überschätzende Gefahr für die europäische Kultur liegt da-rin, dass das Feldwebelideal des fehlerlosen Parademarsches und des perfekten Gewehrgriffs von uns vollständig Besitz ergreift.“13

Das bewahrheitete sich nur allzu bald und umfassender als es bis dahin vor-stellbar war.

Liberales Kulturverständnis nimmt diese Erfahrung totalitären Missbrauchs auf und betont die Autarkie von Kunst und Kultur gegenüber politischen Systemen und staatlicher Einflussnahme. Analog zu den Freiheitsrechten des Einzelnen gilt im liberalen Staatsverständnis die Freiheit der Kultur auf der staatlichen und gesellschaftlichen Ebene: staatlich als Freiheit von allen politischen Über-griffen, gesellschaftlich als Freiheit für individuelle Deutungsversuche und Formung bar jeglicher vorgegebener Sinnstiftung.

Diese Freiheit ist zu garantieren. Darüber hinaus hat Politik die Aufgabe, Kunst und Kultur zu fördern, d.h. Bedingungen zu schaffen, die im gesellschaftlichen Prozess eben diese Betätigung in inhaltlicher und formaler Unabhängigkeit ermöglichen. Entwicklung bedarf Förderung, und dieser Entwicklungsprozess sichert wiederum souveränes Bürgertum als konstituierendes Element einer Zivil- und Wissensgesellschaft.

4. Kulturpolitik als Förderung von Kultur

Vor diesem Hintergrund sind häufig anzutreffende Beschreibungen vermeintlich liberaler Kultur- und Bildungspolitik, die genau diesen Gedanken der Förderung vehement zurück- und einer sozialistischen Kulturpolitik zuweisen, verfehlt. Politische Verantwortung für Staat und Bürger bedingt ein Kulturfördergebot. Das ist nicht mit dem paternalistischen Füllhorn zu verwechseln, welches poli-tische Beglückungsideologien über Kreative auszuschütten belieben – nein, die

13 Wilhelm Röpke, a.a.O.

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liberale Devise heißt: fördern und fordern. Auch hier gilt wie in allen anderen Bereichen des gesellschaftlichen Prozesses der ordnungspolitische Rahmen. Normative Voraussetzungen, Kriterien für Förderungswürdigkeit und Förde-rungsdauer sind immerwährende Begleiter kultureller Dynamik.

Nicht fördern hieße, sich des politischen Gestaltungswillens gegenüber der gesellschaftlichen Lebenswelt zu enthalten. Dann versagt der Staat. Er nimmt seine Verantwortung nicht wahr. Grundsatz ist aber auch: Ein liberales Kon-zept ist kein libertäres Konzept. Liberalismus gestaltet, er überlässt Freiheits-räume nicht dem Zufallsprinzip und der individuellen Willkür. Täte er dieses, ignorierte er Bürgerrechte, die er zu gewähren und bewahren hat, da er diese Rechte konstituiert und zu einem allgemeinen Rechtssystem verknüpft hat. (Jenseits der Diskussionen um negative und positive Fassungen des Freiheitsbe-griffes gilt der Grundsatz: Liberale Freiheit ist niemals nur Freiheit von sondern immer Freiheit für. Diese Gestaltungsbereiche muss der Staat öffnen und die Politik fördern im Dienste der Allgemeinheit und zum Wohle des Einzelnen). Das Leitbild Allgemeinwohl und allgemeine Zugänglichkeit muss im Vordergrund liberaler Kulturpolitik stehen. Chancengerechtigkeit zu gewähren ist gerade im Bereich des Zuganges zu Kultur und ihren Manifestationen unverzichtbar. Eine Einschränkung des Kulturangebotes auf Interessengruppen und Eliten ist undemokratisch und nicht liberal. Das heißt aber nicht, dass alle Angebote in gleichem Maße zu schützen und bereitzustellen sind. Qualitative Kriterien zur Förderung und ergebnisorientierte Programme sind vielmehr Teil des liberalen Ansatzes, der ja nicht nur ein kreative Freiräume sichernder – wie bei sozi-aldemokratischen Kulturkonzepten häufig anzutreffen – sondern ein kultu-relle Leistung fordernder Ansatz ist. D.h., die Förderung trägt das Element des Leistungsgedankens bereits in sich.

Diese liberale Konzeption unterscheidet sich aber auch grundlegend von einer klassisch-konservativen insoweit, als der Fördergedanke nicht an die Identifika-tion mit nationalen Werten gebunden ist. Keine Wesensbestimmungen werden hier als notwendig vorausgesetzt, lediglich das Gefüge des Rechtsrahmens bie-tet Orientierung. Nationale Eigenheiten, von Konservativen gerne als kulturelle Werte wesenhaft gesetzt, spielen im liberalen Kulturverständnis keine Rolle, bilden hier doch rein formale Kriterien, die Kategorien von Qualität definieren, den Rahmen. Ideologien haben im liberalen Staats- und Gesellschaftsverständ-nis entweder gar keinen Platz oder aber einen eng definierten eigenen und eigenvertraglichen (wie etwa die Sphäre der Religion in rechtlicher Form der Kirchen im säkularen aber nicht laizistischen deutschen Staatsgefüge – wobei der Stellenwert von Religion und Kirche(n) und die unterschiedlichen liberalen

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Positionen hierzu, die in letzter Zeit wieder verstärkt diskutiert werden, hier aber nicht zu behandeln sind.14

5. Die Rolle des Staates im liberalen Politikverständnis

Das führt zur Rolle und Position des Staates im liberalen Politikverständnis. Hier gilt es mit einer Mär aufzuräumen: Keinesfalls ist der Liberalismus Gegner des Staatsgedankens. Im Gegenteil, erst ein starker Staat eröffnet die liberalen Freiheitsräume in allen Bereichen der Gesellschaft. ‚Stark‘ ist der Staat in dem Sinne, dass alle Vermögen über und durch die Verfassung im Bezugsrahmen des Rechts gebündelt und gesichert werden. Der Staat ist der Ordnungsrahmen für die gesellschaftliche Sphäre, die dieser abstrakt definiert und garantiert.15

Abstrakt wohlgemerkt – der liberale Staat definiert keine Wesenheiten, er greift nicht in inhaltliche Füllungen gesellschaftlicher Handlungsebenen ein. (Im Unterschied zu Konservativen und Sozialisten, die gerne Inhalte vorge-ben, nach denen die Menschheit im Dienste der Beglückung immerwährend zu streben habe …)

5.1 staat und stärke: ohne stärke keine Freiheit

Der Staat als Rahmen und Fundament liberaler Politik kann nicht hoch genug geschätzt werden. Insoweit, hier als Garant einer offenen Kulturpolitik, ist es notwendig, eine Lanze für den ,starken Staat‘ zu brechen. Einige liberale Stim-men versuchen seit Jahrzehnten eifrig, den starken Staatsbegriff zugunsten eines sich selbst reglementierenden, wie auch immer zu definierendem Markt-platzes politischer Interessen zu entkräften.

Warum eigentlich? Politik ist nichts ohne einen rahmenden und ordnenden Staat. Die politische Sphäre gehorcht eben nicht den Kräften des Marktes,

14 Siehe zu dieser Thematik: Gérard Bökenkamp, Kirche und Staat in Deutschland. Welchen Spielraum hat die Politik? Position Liberal 112, Liberales Institut, Berlin 2012.

15 Zum Begriff des Staates siehe: Walter Eucken, Wilhelm Röpke und nicht zuletzt Ralf Dah-rendorf haben die wichtige Rolle des Staates für ein liberales Kulturverständnis theoretisch fundiert. Diese Auffassung vom starken Staat präzisiert Jürgen von Kempski: „So sehr es allen gängigen politischen Vorstellungen widerspricht. Ein notwendig positives Verhältnis zum Staate als solchen hat unter den politischen Bewegungen nur der Liberalismus …“. Über den Liberalismus, in: Recht und Politik. Studien zur Einheit der Sozialwissenschaften, Stuttgart 1965, S. 179.

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dies ist den ökonomischen Interessen vorbehalten; nein, sie konstituiert den Staat, erhält und verändert ihn. Eben diese Trennung ist Grundsatz der Ord-nungspolitik.

Ein starker Staatsbegriff ist nicht identisch mit einem sozialistischen Staats-begriff (sofern man einen solchen überhaupt konstatieren kann – denn der Totalitarismus sozialistischer Prägung verabsolutierte ja nicht den Staat son-dern die Partei!). Nichts hat ein solcher abstrakter Staatsgedanke mit Regle-mentierung und Gängelung zu tun, die oft dem starken Staat – von liberaler und konservativer Seite – vorgeworfen werden. Die Stärke des liberalen Staates liegt in der Gewährleistung des rechtlichen Rahmens und seiner Konsistenz in der gesellschaftlichen Sphäre. Er setzt nicht durch, er gewährt – nur das erlaubt die zentrale Stellung des Freiheitsbegriffes und seine Anwendung auf allgemeiner und individueller Ebene.

Weniger Staat heißt nicht zwangsläufig mehr Freiheit. Häufiger ist das Gegenteil der Fall: Nur eine durch den Staat gewährte und gesicherte Freiheit eröffnet Spielräume und Entfaltungsmöglichkeiten für den Bürger.16 Ohne Staat ist die Freiheit nichts. Rechte sind nur im Staatsrahmen zu sichern. Und Recht und Freiheit bilden ein unlösbares Duo im gesellschaftlichen Gefüge.

Der Staat gängelt nicht, das tun Bürokraten. Der Staat reglementiert auch nicht, er ermöglicht.

Die Stärke staatlichen Handels liegt im Positiven, im Potenziellen, im Eröffnen – nicht im Verhindern. Jeglicher Gängelei muss politisch gegengesteuert wer-den: Entbürokratisierung und Transparenz sind urliberale Forderungen.

5.2 staat und steuern: ohne steuern keine Kultur

Ebenso in den Bereich der politischen Mythen gehört die These, Liberale seien per se gegen Steuern. Selbstverständlich gehören Steuern zu einem funktio-nierenden Staatsgefüge, denn sie sichern die gesellschaftlichen Leistungen, die der Staat für seine Bürger zu erbringen hat. Zu diesen Leistungen gehört eben nicht nur die soziale Absicherung des Einzelnen, sondern auch die Kultur. Auch hier geht es um das entscheidende Maß: So dürfen Steuern nicht dazu erhoben werden, um jenseits von Gerechtigkeit und Proportionalität Einnahmen

16 Hierzu noch einmal Wilhelm Röpke: „Wenn der Liberalismus daher die Demokratie fordert, so unter der Voraussetzung, daß sie mit den Begrenzungen und Sicherungen ausgestattet wird, die dafür sorgen, daß der Liberalismus nicht von der Demokratie verschlungen wird.“, a.a.O., S. 124.

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zu generieren. Die Bindung an diese Kategorien ist entscheidend. Bestehen-de Steuern müssen überprüft werden dürfen, Berechtigungen wandeln sich, der Staat darf nicht zum Abzocker verkommen. Politische Institutionen müs-sen diese Dynamik von Steuererhebung und -entlastung gewährleisten. Doch festzuhalten ist, dass ohne steuerliches Aufkommen mit Kultur kein Staat zu machen ist. Die Haushaltsvolumina, die für die Aufwendungen im kulturellen Bereich auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene zur Verfügung stehen, unterscheiden sich teilweise erheblich, da sie flexible Anteile des jeweiligen Haushalts bilden.

5.3 staat und Markt: ohne Markt keine Kultur

Und nun zur letzten Mär aus der politischen Mythenkiste: Der Liberale als Marktfanatiker mit der bösen kapitalistischen Fratze. Das ist falsch. Liberale glauben nicht an den Markt, sie respektieren ihn. Der Markt ist kein Fetisch. Der Markt ist eine Kategorie im Beziehungsgefüge von Staat, Gesellschaft und Markt. Nicht ohne sinnhaften Bezug ist die Findung „Soziale Marktwirtschaft“ eine Umschreibung dieser liberalen Idee, nämlich der systematischen Verbin-dung von Markt und Gesellschaft im Beziehungsgefüge politischer Grundrechte. Raubtierkapitalismus hat hier keine Chance. Der kann sich, wenn überhaupt, in klassischen konservativen Politikmodellen entfalten.17

Liberale fördern nicht den Markt, sondern eröffnen Zugangschancen zu diesem. Den Markt selber gestaltet nicht der Staat, nicht die politisch Verantwortlichen auf exekutiver Ebene, vielmehr die Marktteilnehmer gemäß ihrer Interessen und Vermögen. Zugespitzt heißt das: Der Markt an und für sich ist dem Liberalen nichts, er bildet eine Bühne für Aktionen, die eine funktionierende Wirtschaft konstituieren und den Akteuren ökonomische und gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen.18

Ordnungspolitik heißt auch, Regelungen für den Arbeitsmarkt zu etablieren ohne ihn zu reglementieren. Auch hier gilt wieder das liberale Credo: Modelle werden bereitgestellt, in denen ein Interessenausgleich der Parteien möglich ist, wie etwa beim deutschen Mitbestimmungsmodell, das einen produktiven

17 In den letzten Jahren hat in Deutschland ein Schwenk Konservativer hin zu originären Me-chanismen sozialistischer Marktreglementierung und zum Interventionismus stattgefunden, was das Ganze natürlich nicht besser macht und vor allem die parteilich gebundenen Kon-servativen nicht glaubwürdiger (Bsp. Mindestlohn, Betreuungsgeld u.v.m.) (Anm. d. Verf.).

18 Zur Marktkonstitution im Rahmen der Ordnungspolitik siehe: Alfred Müller-Armack, Wirt-schaftslenkung und Marktwirtschaft, Hamburg 1947, sowie Walter Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, Tübingen 2008.

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Prozess als Interessenausgleich zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern er-laubt, ohne in die Inhalte der jeweiligen Auseinandersetzungen einzugreifen oder diese vorzugeben – im Geiste und Dienste der Tarifautonomie. Insoweit verzichtet liberale Politik weitestgehend auf Arbeitsmarktpolitik zugunsten von Ordnungspolitik.

Deshalb gilt zusammengefasst: Regeln setzen ohne Inhalte zu bestimmen – so lässt sich politisches Handeln im liberalen Sinne fassen. Und dieser Grundsatz gilt in besonderem Maße für einen liberalen Ansatz in der Kulturpolitik.

6. Kunst als Markt oder öffentliche Aufgabe?

6.1 Kunst und Markt: Kunst als soziales differenzierungsmedium

Das gilt natürlich vor allem für den Markt der Kunst. Es ist lächerlich, heut-zutage die Existenz eines solchen – der idealistischen Vorstellung von heh-rem Kulturgut folgend – zu leugnen: Das Schöne unterliegt den Gesetzen von Angebot und Nachfrage, das Schöne ist eine Ware wie jedes andere Angebot. Kunst hat Aktienstatus auf dem Finanzmarkt. Im Unterschied zu anderen Zer-tifikaten schmückt Kunst ganz ungemein; das Schöne verbindet sich mit dem finanziellen Wert am Markt zu einer Einheit und wird so zu einem begehrten Statusobjekt, das nicht direkt sichtbare Werte oder Investitionen nicht dar-stellen können – eben weil sie nicht anschaulich sind.

Die Anschauung allein erlaubt den Ausweis für Kennerschaft, Teilhabe am Herrschaftswissen über Kunst und gleichzeitiger elitärer Separierung durch den Nachweis der ökonomischen Leistungsfähigkeit. Kunst ist ein wichtiges verbliebenes symbolisches System zur sozialen Differenzierung.19

Das alles ist nicht neu – Sammlungen haben zu allen Zeiten nicht nur dem ästhetischen Interesse und Genuss gedient, sondern etablierten gleichzeitig eine Aura von Kennertum, Wissen und Ausweis ökonomischen Vermögens. Sich abzuheben von der Masse, sei es durch humanistischen Bildungsausweis

19 Zur Sozialen Differenzierung durch Kunst siehe Niklas Luhmann, Die Kunst der Gesellschaft, Funktionale Differenzierung und Kunst, Frankfurt a. M. 1997. Funktionssysteme schließen sich operativ, sie referieren mehr und mehr sich selbst: Das Geld die Preise, die Preise das Geld und den Besitz, der wieder Geldwert hat (wie die Kunstwerke, deren Autonomie zunehmend keine ästhetische sondern eine rein pekuniäre ist).

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oder reine Finanzkraft, war in allen Gesellschaftsformen seit der Renaissance eine beliebte Motivation für den Sammlungsaufbau. Relativ neu aber ist die enge Anbindung an den Finanzmarkt, welcher mittlerweile selbst die Aus-wahlkriterien von Kunst in Galerien und Museen entscheidend prägt. Was bei privaten Sammlern verständlich ist, erscheint für den Aufbau öffentlicher Sammlungen höchst problematisch. Der Sammlungsgedanke unabhängig vom Markt und dem Kunstwerk als Ware, der einst den Grundauftrag der Museen bildete, ist passé – kein Museum leistet sich heute ein Sammeln jenseits kla-rer Verwertungskriterien: Das rein an ästhetischen und kulturhistorischen Ge-sichtspunkten orientierte Sammeln, Forschen und Bewahren des bürgerlichen Zeitalters ist ins Abseits geraten. Das Kunstgeschäft hingegen füllt private und öffentliche Hallen. Kriterium für einen Ankauf oder eine Ausstellung ist nicht primär die Qualität des jeweiligen Objektes, dessen Profil im Hinblick auf die zu komplettierende Sammlung und deren historische Genese, sondern vielmehr die Aktualität und der realisierbare Wert am Markt. Natürlich berühren sich öffentliche Sammlung und Kunstmarkt zwangsläufig: Denn immer gilt es, ein Werk von einer Angebotsplattform, sei es eine Galerie, ein Sammler, dessen Erben, zu erwerben. Das ist nicht das Problem. Das Problem ist der Umgang mit dem erstrebten Objekt, den Kriterien seiner Auswahl, nach denen es ausge-wählt und den Mitteln, mit denen es bezahlt wird. Denn sowohl die Sammlung, in die es zukünftig „passen“ soll, als auch die Gelder, die den Erwerb sichern, sind öffentlich – und verdanken sich einer parlamentarisch legitimierten und zweckgebundenen Verwendung von Steuergeldern.Insoweit ist die Tendenz, Sammlungen ebenfalls an gesellschaftlichen Status-kriterien und nicht an künstlerisch-konstitutiven Kriterien des Sammlungs-charakters auszurichten, eine Fehlentwicklung, die eine liberale Kulturpolitik nicht unterstützen darf. Wird hier doch die Forderung der öffentlichen Verant-wortung für Kulturgut im Sinne der Schaffung eines kulturellen Gedächtnisses und dessen Vermittlung nicht erfüllt.

Kunst als Statusausweis. Diese Entwicklung ist nicht in erster Linie aus sozialen Erwägungen heraus bedenklich, sondern vor allem deshalb, weil Kunstwerke ihres Marktwertes wegen gekauft und gesammelt werden und damit die Ge-fahr besteht, dass Kunstwerke nichts anderes mehr darstellen als eben dieses: ihren Marktwert. Das beeinflusst alle Agenten des Spiels: Der Künstler wird nicht das malen, was er malen will, sondern das, was er am besten verkaufen kann; der Sammler sammelt das, was momentan am gesuchtesten ist und die höchste Rendite verspricht; der Galerist fördert Künstler den Markterwartungen entsprechend, um diesen dann mit möglichst passenden Angeboten zu füttern und vice versa. Kurzum: Der Markt koppelt sich zunehmend ab von dem, was als ästhetische Dimension Eigengesetzlichkeit beanspruchen kann. Irgendwann

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gibt es keine Kunst außerhalb von Verwertungskriterien mehr. Und dann gibt es keine Kunst mehr.20

Die Dominanz des Marktes über die Kunst, der Sieg des Marktes über die Kunst hängt vor allem mit der Finanzkrise seit 2008 zu tun, in deren Verlauf mehr und mehr Realien als Äquivalente zum reinen Geldbetrag gesucht und vornehmlich in eben diese investiert wurde: Neben Immobilien bleiben da noch Gold und – last but not least – Kunst. Und diese steht auf der Hitliste der Statussymbole ganz vorne, weil die anderen Möglichkeiten realen Wohlstandsausweises ihren Charme verloren haben (wie die Immobilien) oder nicht zum Vor- und Herzeigen taugen (wie das Anlage-Gold).21 Der vielzitierte Spruch der Dot-Com-Boomer in den Jahren 2000/2001 „Meine Frau, mein Haus, mein Auto, mein Boot, mein Pferd“ als protziger Ausweis einer wirtschaftlichen Elitenzugehörigkeit – gerne auch in anderer Reihenfolge – hat an Bedeutung abgenommen. Die Blase platzte, aber die Eliten blieben. Die symbolischen Identifikatoren haben gewechselt: Das, was heute zählt, sind die Aktien an der Wand oder gar die Kunstinszenierung in eigens erbauten Tempeln. Die neue Bescheidenheit einer äußerlich eher schlicht und unauffällig daherkommenden Oberschicht – gerne mit grünem Anstich – endet da, wo die Sammlung beginnt: Da wird geprotzt, was die eigenen Wände oder die Kunsthallenarchitektur hergeben.

Hinzu kommt, dass dem Kunstmarkt nach Russland in den 1990er Jahren nun mit dem Riesenland China ein wirtschaftlich hoch leistungsfähiger Teilmarkt zugewachsen ist mit einer hohen Anzahl reicher und nach dem Ausweis euro-päischer Kultur gierender potenzieller Sammler.22

Das hat Konsequenzen für die Produzenten, also für die Künstler. Nahezu jeder verkauft Bilder, der mit Pinsel, Spraydose und Bildbearbeitungsprogrammen umgehen kann – vorausgesetzt, er beherrscht die Gesetze des (Eigen-)Marke-tings und hat einen renommierten Galeristen und/oder Sammler als Mentor. Die klassischen ‚öffentlichen‘ Marktplätze der Kunst wurden so entwertet, sie

20 Diese logische Konsequenz wurde auf der aktuellen Documenta (13, 2012) unter der künst-lerischen Leitung von Carolyn Christov-Bakargiev bereits vorgeführt. Die Grundfrage: Gibt es überhaupt (noch) eigengesetzliche Kunst? wird dem Betrachter durch Inszenierungen und Objekten in allen Ausstellungsbereichen immer wieder gestellt.

21 „Kunst ist der neue Goldstandard“ lautet treffend der Titel eines Artikels von Stephan Finsterbusch über die Verkäufer und Verkäufe auf der TEFAF in Maastricht, FAZ, 22. März 2013.

22 So antwortet der Werber und Sammler Christian Boros im Interview liberal/2.12 auf die Frage, wann der Zenit der Kunstpreise erreicht sei: „Das ist nicht abzuschätzen. Es kommen besonders aus China Millionen von Menschen nach, die zu Wohlstand gekommen sind. Sie wollen in geistige Werte investieren – und Kunst ist Geist in Form gegossen.“ S. 93.

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verlagerten sich in die Ateliers zurück oder gleich ins Virtuelle: Ohne sicht-bares Artefakt bürgt der Name des Künstlers und des Galeristen für den Kauf nicht gesehener oder noch nicht existierender Ware; geordert wird der Name als Versprechen, der Bilderkauf gleicht einer Wette auf die Zukunft. Kunst-fabriken als Produktionsstätten haben längst individuelle Ateliers abgelöst. Große Namen lassen malen – wie zu Zeiten der barocken Massenproduktion in Flandern, Holland, Italien und Spanien: Der Concetto des Meisters wird von Assistenten ausgeführt.23

Messen geraten zu reinen Schauveranstaltungen des schönen Scheins: Die Umsätze werden vorher gemacht, die Bilder sind verkauft, die Produktion von begehrten Künstlern ist Jahre im Voraus komplett vergeben – die Veranstal-tungs-Show ist nur noch dazu da, um den Protagonisten eine Bühne und den Medien eben diese zur Generierung eigener Bilder und Geschichten zu bie-ten. Die Art Basel etwa, mit ihrem Ableger in Miami, und die Londoner Frieze sind solche gigantischen Rummelplätze. Beliebte Marktplätze sind auch Auk-tionen. Per definitionem immer im Hier und Jetzt, im Augenblick von Angebot und Zuschlag. Hier ist der Marktplatz zwar räumlich und zeitlich vorhanden, nicht alle Akteure aber sind räumlich präsent – eine gewisse Virtualität (etwa über telefonische und stellvertretende Bieter) war hier immer schon zu kon-statieren. Trotzdem haben reine Online-Plattformen für den Kunstkauf, eine prinzipiell logische Entwicklung, es hingegen schwer, wie das Beispiel der seit zwei Jahren existierenden digitalen „VIP Art Fair“ zeigt.24

Ob dieser Trend dieses Kunstkonsums anhält, ist schwer zu sagen. Einige sehen den ‚Hype‘ bereits als überschritten an. Nie war der Kunstmarkt so wichtig wie heute, auch wenn es ihn so lange gibt wie Kunst und Kultur existieren. Doch der historische Rückblick zeigt auch: Immer, auch zu Zeiten der reinen Auf-tragskunst kirchlicher und dynastischer Prägung, gab es einen Wert außerhalb des rein Künstlerischen des jeweiligen Bildes oder der jeweiligen Skulptur – ob dieser nun am Markt realisiert wurde oder nicht. Dieser Wert des Artefakts und des jeweiligen Künstlers bestimmte den Wert von Auftraggeber und Sammler und formte das jeweilige Prestige und den Status innerhalb der Gesellschaft oder der Kaste mit.

Kunst wurde gesammelt und Sammlungen wurden auf den Markt geworfen, wenn der Sammler kein Geld mehr hatte aber welches brauchte – mochten die

23 Der alte DDR-Slogan „Künstler in die Produktion“ erfährt nun im real existierenden Kapi-talismus seine konkrete Umsetzung (Anm. d. Verf.).

24 Hierzu siehe: „VIP Art für jedermann – geht das?“, Artikel von Sophie von Maltzahn in ihrem Blog Deus ex Machina vom 7. Februar 2013.

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Objekte nun Werke der Bildenden Kunst oder Bücher sein (nicht nur Bilder und Skulpturen, auch unzählige Bibliotheken haben so die Besitzer gewechselt). Der entscheidende Unterschied ist aber der, dass Politik sich heute im Rechtsraum der Demokratie bewegt und einen allgemeinen Zugang zu Kunst(werken) und Kultur(gütern) zu ermöglichen hat.

6.2 Kulturförderung als Marktsubvention?

Sicherung der Zugänglichkeit, der Rezeptions- und Bildungsmöglichkeiten im Bereich von Kunst und Kultur ist Teil des demokratischen Prinzips. Dieses Span-nungsfeld von Kunst und Markt gewinnt dann Bedeutung für einen liberalen Ansatz, wenn eine Subvention der Marktteilnehmer zu konstatieren ist. Nun erfolgt die Mittelgewinnung für kulturelle Zwecke über die Konstitution der Haushalte. In diesen ist eine Förderung an Institutionen gebunden, deren Auf-gabe es ist, Kultur zu vermitteln und für die Allgemeinheit zu erhalten. Darüber hinaus werden Projekte mit Fördermitteln versehen, deren kulturelle Qualität allgemeine Förderungswürdigkeit aufweist, diese wird kriterial gebunden.

Bei aktuellen Kulturanteilen an Haushalten – zwischen einem und drei Prozent – erscheinen die Investitionen in die Kultur gering.25 Doch auch hier gibt es Kritik: Einen „Kulturinfarkt“ konstatierten einige Kulturschaffende vor kurzem, der, ihrer Meinung nach, auf eine zu umfangreiche Förderung (=Subventionie-rung, in dieser Lesart) seitens des Staates (also in erster Linie der Länder und der Kommunen) vor allem bei den Institutionen zurückzuführen sei.26

Diese These ist vor dem Hintergrund der Höhe des Fördervolumens, durch alle Sparten der Kultur gerechnet, nicht zu halten. Natürlich gibt es Lähmungser-scheinungen, die aber weniger auf zu viel öffentliche Gelder als vielmehr auf zunehmend geschlossene Strukturen des Kunst- und Kulturgeschäftes zurück-zuführen sind: Kunst, vor allem die Bildende Kunst, droht zu einem selbstrefe-renziellen System zu werden. Diese Tendenz wird durch smarte Kuratoren, die in einem Markt von stetig wachsender Bedeutung zu Jobs und Ehren kamen, nachhaltig befördert. Das ist in einer privatwirtschaftlich organisierten Sze-ne legitim. Nicht aber bei Institutionen, deren kultureller Bildungsauftrag ein gesellschaftlicher Bildungsauftrag ist.

25 Es gibt auch Ausreißer nach oben, wie etwa Frankfurt am Main oder Bad Nauheim – dort erreicht der Kulturhaushalt hohe einstellige oder sogar zweistellige Prozentanteile am kommunalen/städtischen Haushalt. Ein solch hoher Anteil ist aber die Ausnahme.

26 Der Kulturinfarkt – Von allem zu viel und überall das Gleiche. Eine Polemik über Kulturpolitik, Kulturstaat, Kultursubvention; Dieter Haselbach, Armin Klein, Pius Knüsel, Stephan Opitz, Albrecht Knaus Verlag, München 2012.

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Tatsächlich hat sich die Kunst- und Kulturszene strukturell aufeinander zu entwickelt: Öffentlich finanzierte Institutionen und privatfinanzierte Insti-tute unterscheiden sich häufig weder im Programm noch in der didaktischen Aufbereitung dessen, was gezeigt und vermittelt wird. Die Orientierung an Marktphänomenen beherrscht zunehmend Institutionen, die für ihre Klientel spektakuläre Events mit den angesagten Kunstmarkt-Größen veranstalten, aber nicht mehr als Katalysator und Filter für aktuelle Entwicklungen dienen – mithin die Funktion des Auswählens und Hinterfragens nach ästhetischen Kriterien zugunsten entweder der Übernahme des angesagt-Spektakulären oder aber der Übernahme des Bewährten und Bekannten aufgeben.

Das Bewährte ist mittlerweile gängiges Prinzip – kein Mut zum Wagnis. Aber warum sollte ein Kurator (diese Berufsbezeichnung gibt es interessanterweise erst seit zwei Jahrzehnten) den erfolgreichen Weg verlassen, der ihm zuver-lässig den Applaus schenkt? Ein Kurator macht das, was ein anderer schon er-folgreich vorgemacht hat. Der Wettbewerb zwischen den Instituten ist härter geworden, die Zwänge zur Einnahmenverbesserung führen zwangsläufig zum Schielen auf die hohen Besucherzahlen. Dem begegnet man nicht nur mit Merchandising, sondern auch mit Veränderung der Ausstellungs- und Wech-selausstellungskonzepte. Marketing hat alle Anbieter öffentlicher Kunst und Kulturgüter im Griff.

Das ist notwendig. Selbstverständlich muss einer institutionellen Förderung seitens einer Kommune, eines Landes, des Bundes oder der EU eine Einnah-mestrategie entsprechen. Zu sehen, wohin die Subventionen fließen, und ein möglichst hoher Rückfluss dieser Finanzmittel enthebt die Einrichtung aber nicht ihrer eigentlichen Zielsetzung: nämlich Kunst und Kultur ihres Samm-lungsauftrages gemäß zu vermitteln – jenseits der Marktgesetze.Aber die Verflechtungen im Kunstbetrieb haben die Einzelprofile der Kulturan-bieter verwischen lassen. Dazu kommt, dass Kunst und Kultur zu keiner Zeit so begehrt waren wie heute – die Gefahr, das zu zeigen, was die Massen wollen – und nicht darüber hinaus zu gehen – ist groß.

Bestimmte Namen von Künstlern schmücken jeden. Der Name reicht – keiner fragt mehr nach einem Ausstellungskonzept oder einem Ausstellungsziel, wenn Spitzenerlöse bei Sotheby‘s oder Christie‘s das Ganze adeln. Namen sichern Reputation und Gewinn. Die Folge: Nicht die Vermittlungskonzepte stehen im Mittelpunkt des Kunstgeschehens, sondern wenige Einzelkünstler, deren Werke gut zu handeln und auszustellen sind.

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Dieses Verhältnis aufzulösen und die Kunst als eigengesetzliche Ausdrucks- und Gestaltungsform auf Zeit (Ausstellung) oder auf Dauer (Ständige Sammlung) zu etablieren, ihr ein eigenes Recht zu schaffen – das ist die Aufgabe eines Kurators. Er ist Sachwalter der Kunst, nicht des Marktes. Doch die Realität in vielen Sammlungen sieht anders aus.

Solche Konzeptionen mit öffentlicher Förderung zu bedenken ist in der Tat nicht zu rechtfertigen. Privatorganisationen – Stiftungen, Sammlungen – können den Markt bedienen, wie und womit sie wollen. Staatliche Organisationen dürfen das nicht. Diese haben sich an Kriterien zu halten, welche die Bindung an die gesellschaftliche Funktion von Kunst und Kultur für die Allgemeinheit, für das kollektive kulturelle Gedächtnis respektieren, und nicht jeweiligen ‚Hypes‘ hin-terherzulaufen: Diese Marktorientierung sollte den Akteuren des Kunstmarktes überlassen bleiben.

6.3 Kunst und Kultur als öffentliche Aufgabe

Es ist wichtig, dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Das ist dann möglich, wenn sich Museen, Sammlungen und deren Leiter erstens auf ihre eigene Tra-dition besinnen und zweitens willens und in der Lage sind, stringente Samm-lungspolitik zu betreiben. Hierbei ist entscheidend, wie autark jeder Einzelne seine Rolle im Kunstgeschehen versteht. Das Schielen auf die Tätigkeiten des Nachbarn und dessen Erfolg oder Misserfolg kann und darf keine Richtschnur für die eigenen Schwerpunkte sein. Vielfalt schafft Kultur, Einfalt schafft Langeweile (das ist in vielen Museen, vor allem mit der Kunst des 20. Jahr-hunderts, zu beobachten: ewiggleiche Namen, ewiggleiche Räume …). Auf der anderen Seite erfüllt diese Gleichheit des Angebotes in Theatern und Museen natürlich das Gebot, für alle Bürger eine Erreichbarkeit und Vergleichbarkeit in Bezug auf kulturelle Angebote und kulturelle Bildung zu gewährleisten. Das hat nichts mit Redundanz zu tun, sondern mit einem Kulturgebot, das nicht grenzenlose Mobilität aller voraussetzt, sondern die Entwicklung eines eigenen Ausstellungs- und Sammlungsprofils vor Ort fordert.

Demgegenüber gilt aber nach wie vor: Wer die Sixtinische Kapelle erleben will, muss immer noch nach Rom fahren. Auch der vielbeklagte ‚Ausleihzirkus‘ der Spitzenwerke nach dem Motto „Best of …“ ersetzt nicht das räumliche Erfah-ren von Orten der Kultur und Kunst. Und deren Erschließung über Videos und 3D ist hilfreich und bildend, vermag aber ebenfalls nicht das unmittelbare äs-thetische Erlebnis zu ersetzen.

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Überdies obliegt die beklagte Gleichheit der Angebote über alle Sparten hin-weg – Theater, Opern, Museen, Galerien, Kunsthallen, Literatur – natürlich nicht der Politik, sondern der programmatischen Gestaltung durch die jewei-ligen Intendanten der Häuser. Politik fördert die Häuser qua Zahl und Umfang und Sparte, nicht hingegen qua Programm. Das vertrüge sich auch nicht mit der Autonomie, die Spielleiter oder Museumsdirektoren für sich in Anspruch nehmen Diese Autonomie ist sinnvoll, wenn Kultur nicht in einer Staatskultur enden will.

Insofern ist es kein Grund zur Empörung und erst recht kein Grund, die öffent-liche Finanzierung infrage zu stellen, wenn zwei Stadttheater benachbarter Städte die gleiche Oper zur gleichen Zeit auf dem Spielplan haben – wenn es denn unterschiedliche Inszenierungen sind, die vielleicht sogar in einem Span-nungsverhältnis zueinander stehen.

Ein Argument, das ebenfalls gerne gegen Förderung institutioneller Angebote ins Spiel gebracht wird, sind die geringen Anteile der Bevölkerung, die für die sogenannte – und vielgeschmähte – ‚Hochkultur‘ zu begeistern sind. Das ist nun ein rein quantitatives Argument, das keinen Bestand hat. Hintergrund kultureller Förderung ist es ja, möglichst vielen Interessierten eine Möglich-keit zu kultureller Teilhabe zu geben und – gleichzeitig – einen Ansporn für diejenigen zu setzen, die bisher noch nicht zu den Kulturaffinen gehörten. In-soweit ist in der Tat der einzelne Besucher Ziel und Zweck der Förderung. Die ‚Abstimmung mit den Füßen‘ darf nicht so weit gehen, dass rein quantitative Kriterien für den Erhalt oder die Abschaffung eines Angebotes herangezogen werden. Entscheidend hierbei ist die Schaffung einer Zugangsmöglichkeit als Angebot und Option, was die Sicherung kultureller Institutionen beinhaltet – mehr ist von einem liberalen Kulturbegriff nicht zu erwarten, aber eben auch nicht weniger: Liberale sind keine Volksbeglücker, Liberale sind aber auch keine Verfechter eines Kulturbegriffes, der sich aus reinen Angebots- und Nachfra-gekriterien speist.

7. Warum eine Förderung der Hochkultur?

Kultur ist ohne Qualität nicht denkbar. Und Qualität verdankt sich nicht der Breite, sondern immer besonderer Gaben Einzelner. Das hat nichts mit Elite-denken zu tun, das ist vielmehr die Grundkonstante kultureller Leistung. In-sofern ist es auch unverzichtbar, ein normatives Gefüge zu entwickeln, auf

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dessen Basis eine Förderungspolitik gründen kann. Hierbei steht durchaus der Gedanke der Bildung im Vordergrund. Ziel ist es, Bildungsgehalte zu vermit-teln und zu hinterfragen sowie dem Individuum die Möglichkeiten zu schaf-fen, sich mit diesen Gehalten wissend und kenntnisreich auseinanderzusetzen. Die Kriterien einer solchen Handreichung können unterschiedlich fundiert sein und unterschiedliche Zielsetzungen haben, sie müssen aber immer hinreichend abstrakt sein, um inhaltliche Vorgaben denen zu überlassen, die als Sachwalter von Kunst und Kultur operativ tätig sind. D. h., eine Stadt beschließt den Bau eines Opernhauses mit der Maßgabe eines Spielplanschwerpunktes Barock oper (weil just diese Sparte im geographischen Umfeld nicht abgedeckt ist oder die Stadt selbst hier eine bedeutende Tradition hat), was die Politik nicht darf, ist in den Spielplan selbst und die künstlerische Inszenierung einzugreifen. Natürlich wird über Kulturpolitik Imagebildung betrieben. Solange die Struk-turen, aber nicht die Inhalte von der Politik vorgegeben sind, ist das legitim. Eine Kulturpolitik ohne kriteriales Raster der Orientierung und Bewertung ist keine. Kulturgeformtes Leben zeichnet sich durch Orientierung an normativen Vorgaben aus.27

Eine Tatsache, die Politik als Kulturpolitik zu würdigen und zu respektieren hat. Kultur für alle heißt eben nicht Kultur von allen – Teilhabe ist politisch unbedingt zu ermöglichen, Teilhabe ist aber primär rezeptiv, nicht produktiv im Sinne einer eigenständigen kulturellen Leistung. Diese Leistung ist mög-lich, aber keine notwendige Bedingung. Das Handwerkszeug für kulturelle Leistung, kulturelle Teilhabe, kulturelle Bildung, ist zu vermitteln, um Wissen zu ermöglichen. Alles Weitere obliegt den Fähig- und Fertigkeiten der Einzelnen.

Um kulturelle Förderung angemessen zu gestalten, ist eine kulturpolitische Vorstellung unverzichtbar, wie

27 So schreibt Ortega y Gasset in der Betrachtung der Rollen von Philosophie und Kultur im Rahmen von Gesellschaft und Staat: „(…), dass es keine Kultur gibt, wenn es keine Normen gibt, auf die wir und unsere Gegner zurückgreifen können. Es gibt keine Kultur, wenn es keine Prinzipien des bürgerlichen Rechtes gibt. Es gibt keine Kultur, wenn es keine Ehrfurcht vor gewissen Grundwahrheiten der Erkenntnis gibt. (…) Der Grad der Kultur bemisst sich nach der Genauigkeit der Normen.“ Diese Normen stehen im Ordnungsrahmen des Staates: „Wenn der Liberalismus daher die Demokartie fordert, so unter der Voraussetzung, daß sie mit Begrenzungen und Sicherungen ausgestattet wird, die dafür sorgen, daß der Liberalismus nicht von der Demokratie verschlungen wird.“ Politische Schriften 1908 – 1953, Stuttgart 1978, Was ist Philosophie?, S. 124

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elitäre Entwicklungen gesamtgesellschaftlich aufgefangen werden und einer 1. Privatisierung von Kunst und Kultur ohne öffentliche Rezeptionsmöglichkeit begegnet werden kann,

Entwertungen des öffentlichen Kulturauftrages von Sammlungen und Mu-2. seen zu verhindern sind

und

auf schärfere Profilierung von Kulturinstituten als Orte von unverwech-3. selbarem Charakter (Sammlungen, Museen, Theater) hingewirkt werden kann.

Diese Aufgabe hat eine liberale Kulturpolitik, die Kunst und Kultur für die All-gemeinheit öffnen und sichern muss, zu lösen.

8. Die Krux mit der Förderung

Förderung treibt manchmal seltsame Blüten. Etwa, wenn eine private Institution mit Landesmitteln ausgestattet wird und gleichzeitig das städtische Museum seine Öffnungszeiten einschränken muss – mangels finanzieller Mittel. Die Schwerpunkte der Förderung obliegen den jeweiligen politischen Haushalten, seien es kommunale, städtische oder landesweite. In Deutschland bedingt die Kulturhoheit der Länder zum einen – positiv – eine europaweit einmalige An-gebotsvielfalt, zum anderen – negativ – hingegen aber auch ein eine extreme Abhängigkeit von der jeweiligen Haushaltslage, die sich in den letzten Jahren auf allen Organisationsebenen verschärft hat. Da Kultur ein flexibler Finanz titel ist und nicht, wie andere Bereiche, einen festen Anteil im Haushaltskuchen verbucht, trifft die Kultur, ihre Institutionen und Projekte, der unumgängliche Sparzwang besonders hart (wie auch den Bereich des Sozialen).

Wer spricht noch von Förderung in Zeiten, in denen es um das nackte Überle-ben von Institutionen wie Stadttheater, Opernhäuser und Bibliotheken geht? Das Schließen solcher Institutionen, in den kulturell dynamischen 1960er, 70er und 80er Jahren undenkbar, gehört heute bereits zum politischen Alltag. Und wo nicht geschlossen wird, da wird zusammengelegt (was nicht immer besser

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ist). Mittlerweile gibt es Verfechter der Transformierung von Geldern von der Hochkultur in die Breitenkultur, Verfechter der Streichung aller soziokultu-rellen Projekte, Verfechter der Rückführung aller Förderung auf ein Minimum (wie es in dem vieldiskutierten Buch „Der Kulturinfarkt“ nachzulesen ist).28 Kultur hat nicht immer die besten Fürsprecher, häufig aber populistische, die wissen, wie man ein Kulturprojekt gegen ein Sportprojekt ausspielt (der Sport gewinnt immer …).29

Nun ist Populismus selten ein geeigneter politischer Ratgeber und im Falle der Kultur nie geeignet, um Vorgaben in langfristig wirksame Konzepte umzuset-zen. Rein quantitatives Denken, zu dem Haushälter nun einmal tendieren, wird Kultur nicht gerecht. Wenn gespart werden muss, dann vernünftig und mit einem Konzept, das Qualität der Vermittlung auch bei einer Verringerung des Angebotes wahrt. Denn Kultur ist kein I-Tüpfelchen auf politischen Notwen-digkeiten, sondern unverzichtbare symbolische Ebene der Gesellschaftskon-stitution, die nichts mit Luxus, dafür aber sehr viel mit menschlichen Grund-bedürfnissen zu tun hat.

Welche Arten der Kulturförderung gibt es überhaupt? Als Hauptformen der Kulturförderung sind zu unterscheiden:

Unterhalt öffentlicher Institutionen (wie etwa Theater, Museen, Biblio-–theken), die vorrangig der Kulturvermittlung dienen,

– indirekte Kulturförderung durch Schaffung günstiger rechtlich-sozialer Rahmenbedingungen (wie etwa Steuer-, Sozial- und Medienrecht, durch eine Ermäßigung von Eintrittspreisen für bestimmte Gruppen oder durch bestimmte Angebote der Schulen und Hochschulen),

– direkte wirtschaftliche Hilfen im Kultur- und Mediensektor (vor allem im Bereich der Produktion und des Vertriebs von Filmen, durch Druckkostenzu-schüsse, auch schon bei der Ansiedlung von kulturwirtschaftlichen Betrieben und Multimediaproduzenten, Mietreduktion/Mietenerlassen bei Räumen/Ateliers,

sowie

28 Der Kulturinfarkt, a.a.O.29 In den Haushalten werden „Kultur und Sport“ meist gemeinschaftlich verwaltet, obwohl

beide Bereiche nichts miteinander zu tun haben (Anm. d. Verf.).

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Förderung freier Kulturaktivitäten (wie etwa durch Preise oder Stipendien –für Künstler und Autoren, durch die Unterstützung privater Theater oder durch Hilfen für die „freie Szene“ über Projektmittel, Kunstvereine etc.).

Die öffentlichen Haushalte von Staat, Ländern und Gemeinden verwenden den größten Teil ihrer Mittel für Aufgaben der professionellen Kunstvermittlung und der kulturellen Bildung sowie einen kleineren Anteil für die Gedenk- und Erinnerungskultur.30

Die direkte Anregung der kulturellen Produktivität, etwa durch eine umfassende individuelle Künstlerförderung oder die forcierte Entwicklung der Kulturwirt-schaft und Kreativwirtschaft – wie z.B. in Frankreich – gehört dagegen nicht zu den Schwerpunkten deutscher Kulturpolitik. Zu Recht, eine solche Subven-tionierung entspräche nicht dem liberalen Verständnis.

9. Wie teuer ist Kultur? Die Kulturausgaben

Die öffentlichen Ausgaben für Kultur stiegen 2009 auf 9,1 Milliarden Euro. Öffentliche Ausgaben für Kultur je Einwohner stiegen 2009 auf 111,48 Euro. In Bezug zum öffentlichen Gesamthaushalt hat sich der Anteil des Kulturbereichs an den öffentlichen Gesamtausgaben von 1,37 Prozent im Jahr 1995 auf 1,64 Prozent im Jahr 2009 erhöht. Die Förderung von Kunst und Kultur ist eine der Kernaufgaben staatlichen und kommunalen Handelns.

9.1 Kulturausgaben der länder

Schaut man sich den öffentlichen Gesamthaushalt an, dann hat sich der An-teil des Kulturbereichs an den öffentlichen Gesamtausgaben von 1,37 Prozent im Jahr 1995 auf 1,64 Prozent im Jahr 2009 erhöht. Im Vergleich zu den Flä-chenländern West lagen die Ausgaben pro Kopf in den Flächenländern Ost auf deutlich höherem Ausgabenniveau: Sie wuchsen zwischen 1995 und 2009 von 109,31 Euro auf 125,55 Euro. Eliminiert man die Preisveränderungen, so zeigt sich real ein Anstieg der öffentlichen Kulturausgaben je Einwohner. 2009

30 Dieser eigenständige Bereich der Kulturpolitik wird nicht hier, sondern in einer Publikation, die sich mit dem Verhältnis von Kultur und Fortschritt befasst, behandelt werden (Anm. d. Verf.).

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lagen die preisbereinigten Ausgaben je Einwohner um 10,1 Prozent über dem Niveau von 1995.

Die Kulturausgaben der Länder konzentrieren sich auf alle kulturellen Be-reiche.In zahlreichen Landesverfassungen finden sich Bestimmungen, die den Schutz und die Förderung von Kultur festschreiben, was im föderalen Aufbau der Bun-desrepublik Deutschland gründet. Diese föderale Struktur erlaubt eine in Europa einzigartige vielfältige Kulturlandschaft über alle Angebotsebenen hinweg – sei es klassische Hochkultur, Breitenkultur oder die Soziokultur der freien Szene. Zur geförderten Kultur gehören Museen, Sammlungen, Bibliotheken, Theater, Kinos, übergeordnet die Bereiche Bildende Kunst, Musik, Darstellende Kunst, Tanz, Bibliotheken, Kinos, soziokulturelle Zentren, Heimatvereine und regional-spezifische Kulturangebote, die Bereiche Denkmalschutz und Erinnerungskultur sowie die gesamte Kultur- und Kreativwirtschaft.

9.2 Kulturausgaben des Bundes

Von 1995 bis 2009 stiegen die Kulturausgaben des Bundes um insgesamt 26,8 Prozent an. Für die Kulturförderung stellte der Bund im Jahr 2009 eine Gesamtsumme von 1,2 Milliarden Euro zur Verfügung. Das entspricht einem Anteil von 13,4 Prozent an allen öffentlichen Kulturausgaben sowie von 0,73 Prozent gemessen am Gesamthaushalt.Für die nächste Legislaturperiode hat Staatsminister Bernd Neumann bereits einen erneuten, wenn auch moderaten Aufwuchs angekündigt.

Die Kulturinitiativen des Bundes konzentrieren sich auf folgende Bereiche:• Gesamtstaatliche Repräsentation• Ordnungspolitische Rahmensetzung für die Entfaltung von Kunst und

Kultur• Förderung gesamtstaatlicher relevanter kultureller Einrichtungen und

Projekte• Bewahrung und Schutz des kulturellen Erbes• Auswärtige Kulturpolitik• Pflege des Geschichtsbewusstseins• Hauptstadtförderung Berlin

Die Bedeutung des Sponsorings und anderer Formen privater Kulturfinanzie-rung werden überschätzt. Hier stehen ca. 400 Mio. Euro privater Mittel neun

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Mrd. Euro öffentlicher Mittel gegenüber.31 Ohne die öffentliche Kulturförde-rung wäre die Aufrechterhaltung eines solch breiten Spektrums von kulturellen Institutionen und Projekten undenkbar.Sie sichert dauerhaft das kulturelle Angebot und trägt neben wirtschaftlichen und beschäftigungspolitischen Effekten entscheidend zur Lebensqualität auf regionaler Ebene bei.

Die Kulturwirtschaft ist mit ihren Umsätzen (für die Jahre 2011 und 2012 lie-gen nach Erhebungen des Statistischen Bundesamtes Wiesbaden 2012 bisher nur Schätzungen vor) einer der wichtigsten Motoren des Kulturbetriebs. Umso entscheidender ist es, politische Schwerpunkte bei Fördermaßnahmen zu set-zen.

10. Kultur als Standortfaktor: Die Kultur- und Kreativwirtschaft

Kultur ist wichtiger Standortfaktor. Bund, Länder und Kommunen haben das er-kannt und nutzen – mit einem haushaltsmäßig bescheidenen Input – die Strahl-kraft von Kunst und Kultur. Das heißt in diesem Fall hauptsächlich Förderung unter kulturwirtschaftlichen Aspekten, also der Förderung von Kulturtourismus durch massenaffine Kulturevents und institutionelle Leuchttürme. Das impli-ziert auch eine Förderung der erweiterten kreativen Wirtschaftsbranchen wie etwa die Medienunternehmen, die IT- und Games-Industrie, Architekturbüros, Werbe- und PR-Agenturen und ähnliche. Gefördert wird in den Bereichen der Kultur- und Kreativwirtschaft gerne, viele Kommunen und Länder haben diese Branchen als Wachstumsbranchen identifiziert und zu ‚Clustern‘ erklärt – also zu politisch zu fördernden Bereichen, von denen man sich entweder eine hohe Wertschöpfung (etwa bei dem Cluster Gesundheitswirtschaft) oder aber einen hohen Imagewert verspricht (so beim Cluster Kreativwirtschaft), der wiederum Wachstum nach sich zieht, hier vor allem im Tourismusbereich und somit auch zur Wertschöpfung beiträgt.

Grundsätzlich gilt: Der Kultur- und Kreativstandort Deutschland muss im eu-ropäischen Wettbewerb gestärkt werden. Nach einer Studie der EU ist die Er-

31 Alle Zahlen des Kapitels siehe: Kulturfinanzbericht 2012, Statistisches Bundesamt Wiesbaden, Januar 2013.

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tragskraft der deutschen Kulturwirtschaft seit 2000 um ca. 10 Prozent gesun-ken und liegt aktuell unter dem europäischen Durchschnitt.32 Trotzdem verfügt Deutschland innerhalb Europas über die größte Kultur- und Kreativwirtschaft: Mit einer Million Erwerbstätigen liegt Deutschland vor Großbritannien und Frankreich an der Spitze der europäischen Länder. Die deutschen Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft machten 2006 (letzte statistische Zahlen) einen Umsatz von ca. 124 Milliarden Euro. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt erzielt die Kulturwirtschaft einen Anteil von 1,6 Prozent.

Grundsatz liberaler Politik für jegliche Förderung im Bereich der Kulturwirt-schaft ist: Die Sensibilität für den Markt und entsprechende Grundkenntnisse müssen vorhanden sein, bevor Fördertöpfe eingerichtet und Zuwendungen verteilt werden.

Liberale stehen Forderungen kritisch gegenüber, eigene Kompetenzcenter für kulturell Tätige zu entwickeln und neu zu gründen (wie z.B. eigene Job Cen-ter). Aus liberaler Sicht ist diese Empfehlung der Enquete-Kommission Kultur in Deutschland kritisch zu bewerten. Angemessener ist es, die vorhandenen Beratungs- und Fortbildungsinstitutionen besser zu nutzen und hier Know-How für Existenzgründer und Job-Suchende in kreativen Bereichen zu vermitteln. Bereits bestehende Coaching-Angebote privater Unternehmen im Rahmen des EFRE-Projektes Kreativ Coaching Center (KCC) für Existenzgründer sind verstärkt zu nutzen.

Letztlich sind staatliche Unterstützungsmaßnahmen für Bildende Künst-ler unzureichend, wenn sie im Ergebnis nicht dazu führen, den Künstlern im Kunstmarkt eine tragfähige wirtschaftliche Selbstständigkeit zu ermöglichen. Diesen Ansatz muss eine Betrachtung aus kulturwirtschaftlicher Perspektive nachhaltig verfolgen.

Netzwerke in der Kulturwirtschaft sind wichtig, um gemeinsame Aktivitäten der häufig kleinen Unternehmen untereinander anzuregen und um den Kon-takt mit der Politik zu erleichtern. Der Aufbau von Netzwerken kann und soll finanziell weiter unterstützt werden.

Freiräume für Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft sind zu erhal-ten und in der Liegenschaftspolitik des jeweiligen Landes zu berücksichtigen, eine zentrale Liste aller landeseigenen Liegenschaften ist hierbei hilfreich. Eine

32 Kommission der Europäischen Gemeinschaften. Eine europäische Kulturagenda im Zeichen der Globalisierung, Brüssel 2007.

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Liste von Objekten, die sich vor allem für kulturelle Nutzung eignen, sollte diese ergänzen.

Die Finanzierungsinstrumente sind stärker auf die Bedürfnisse besonders kleiner Unternehmen mit geringem Finanzierungsbedarf auszurichten. So sind Fonds für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind sinnvoll, die Vergabe von Kleinkrediten sollte an einen Businessplan und Prüfkriterien gebunden sein.

10.1 liberale Positionen zur Förderung der Kultur- und Kreativwirtschaft

Die Förderung von Kreativen und Künstlern ist notwendig, sollte jedoch klaren Kriterien folgen, die eine schnelle und langfristig tragfähige Befähigung zur autonomen Tätigkeit ermöglichen.

Das sind im Einzelnen:

Verstärkte betriebswirtschaftliche Beratung und Qualifizierung von kreativ •Tätigen. Entscheidend für den Erfolg ist es, eine gute Strategie, eine über-zeugende Geschäftsidee und eine ausreichende Finanzierung zu haben. (Das gilt für alle Existenzgründungen. Hier unterscheidet sich der Kultur- und Kreativbereich nicht von anderen Märkten.)

Innovative Finanzierungsinstrumente für die Kultur- und Kreativwirtschaft, •die den spezifischen Bedürfnissen des Marktes angepasst sind, müssen ausgebaut werden.

Grundsätzlich gilt, dass nur dort eine öffentliche Förderung gerechtfertigt •ist, wo an reale Marktpotenziale bzw. besondere Erfahrungen bei den Er-werbstätigen angeknüpft werden kann

oder

Nachteile und Wettbewerbshemmnisse auszugleichen sind. Die Fairness •der Wettbewerbsbedingungen ist hier ebenso zu wahren wie in anderen Marktbereichen.

Eine liberale Kulturpolitik versteht die Förderung der Kultur- und Kreativ-wirtschaft als Querschnittsaufgabe verschiedener Ressorts, vor allem Kultur, Bildung, Recht, Finanzen, Arbeit, Soziales und Wirtschaft. Denn der Bereich Kulturwirtschaft ist zunehmend eine interessante Kategorie der regionali-

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sierten Strukturpolitik. Vor allem für Städte und Regionen werden Standort-charakteristika wie Kultur, Medien, Tourismus, Kreativmarkt und intellektuelle Wertschöpfungen immer bedeutender.

Dieser Ansatz darf allerdings nicht dazu führen, Kreativität per se als Wirt-schaftsgut zu definieren: Die Macht der künstlerischen Produktivität ist nicht zwingend marktrelevant und lässt sich nicht hinreichend mit Kategorien des Marktes erfassen. Kultur ist ein Gut eigener Bestimmung, Kultur ist eigenge-setzlich. Deshalb lehnen Liberale politische Ansätze, die Kreativität grundsätz-lich in marktrelevante Kategorien pressen, ab.

Innerhalb der drei Bereiche Staat, Wirtschaft/Markt und Zivilgesellschaft bil-det die Kulturwirtschaft den privaten Sektor, hingegen der Staat mit öffentlich geförderten Institutionen und die Zivilgesellschaft mit Stiftungen und gemein-nützigen Organisationen den öffentlichen Sektor. Eine öffentliche Kulturför-derung muss diese positive wirtschaftliche Entwicklung stützen und ergänzen, aber nicht in erster Linie durch finanzielle Hilfen, sondern durch die Stärkung des kreativen Umfeldes und Sicherung des künstlerischen Freiraums.

Wenn kulturelle Leistungen nicht rentabel sein können oder eine rein ökono-mische Orientierung inakzeptabel ist, wird es Aufgabe der Politik, deren Eigen-wert durch die öffentliche Hand zu sichern. Staat und Länder haben Kultur-förderung zu leisten. Aus diesem Grunde darf politisches Engagement für die Kulturwirtschaft das politische Engagement für die Kultur nicht ersetzen.

Trotzdem versuchen immer wieder Politiker, Kultur- und Kreativwirtschaft im Ganzen zu fördern: Vergleichbar mit dem Ausstellungsgebaren vieler Institute ist es ein leichter Weg, sich an das bereits Erfolgreiche anzuhängen, das dient der Profilierung und gibt auch der kleinsten Gemeinde das Gefühl, am kulturellen Weltgeschehen auf Augenhöhe mitzumischen. Gefördert wird dann bevorzugt das, was die stärksten und lautesten Lobbys bedient – die Spannweite geht von der Filmwirtschaft bis zur Förderung eigenartigster Projekte der Soziokultur. Das ist häufig populär und politisch korrekt– ebenso häufig aber auch voll-ständig bar jeder Fördernotwendigkeit oder Förderwürdigkeit.

Öffentliches Geld hat dort, wo jenseits des Kulturwertes ein Marktwert schon besteht und realisiert wird, ebenso wenig zu suchen wie in Projekten des blo-ßen Lebensgefühls.

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11. Das Spannungsfeld öffentliche und private Förderung

Aus liberaler Sicht muss Förderung neben Erhalt und Sicherung der institutio-nellen ‚klassischen‘ Bildungsorte und deren Angebote auf kulturelle Leistungen konzentriert werden, die überzeugende Konzepte, aber keine oder wenig Chan-cen am Markt haben. Nicht das Ewiggleiche und Bewährte gilt es zu fördern, vielmehr das Innovative, Riskante, Neue, Ungewohnte verlangt die Zuwendung öffentlicher Gelder. Auch hier gilt wie in anderen Politikbereichen: Nicht die Gegenwart ist zu bewahren, sondern die Zukunft ist durch Dynamik und Fort-schritt zu eröffnen. Kunst und Kultur sind ohne den Entwicklungsgedanken nicht denkbar. Kultur in Statik ist keine. Die höchste Qualität eines Bildes, ei-ner Ausstellung, eines Museums ist nur dann erfahrbar, wenn Bezüge zu dem historischen Davor und Ausblicke auf das Kommende im kulturellen Umfeld möglich sind, kurz, der Rezeptionszusammenhang und die Rezeptionsgeschich-te zugänglich sind.

Private Kunst- und Kulturförderung ist sinnvoll und einer Bürgergesellschaft angemessen. Sie darf den öffentlich verantworteten Kulturbereich aber nicht ersetzen. Die notwendige und hinreichende Ausstattung staatlicher, landes-eigener und städtischer Institutionen zur Kunst- und Kulturvermittlung hat immer Vorrang vor Förderkonzepten mit privatwirtschaftlichen und damit par-tikularen Interessen. Der Staat darf sich dem – freiwilligen – Gebot, Kultur zu fördern, ebenso wenig entledigen wie das in den Bereichen einer Daseinsvor-sorge der Fall ist. Kulturförderung ist ebenso wichtig wie die Gewährleistung einer verkehrlichen Infrastruktur – der Staat leistet, in übertragenem Sinne, die Etablierung der kulturellen Infrastruktur.

Diese Notwendigkeit staatlichen Engagements lässt sich aus der Definition des privaten Engagements für Kunst und Kultur erklären. Private Leistungen der Bürger sind immer freiwillige Leistungen – ausgenommen Steuerleistungen jeglicher Art –, egal, ob diese von Einzelpersonen, Stiftungen oder Institutionen erbracht werden. Solange diese einem privat definierten Zweck unterliegen, ist keine Allgemeingültigkeit zu fordern – wie das bei staatlichem Engagement hingegen verbindlich ist.

Diese Zweckbindung im Dienste privater Interessen kennzeichnet vor allem Sponsoren, die einen klaren ökonomischen Vorteil erwarten – sei es ein peku-niärer oder Imagegewinn und Markenbekanntheit. Das ist häufig bei Unter-nehmen, Verbänden der Fall, gilt aber auch für Stiftungen von Unternehmen oder privaten Stiftungen.

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Deshalb ist die liberale Betonung der Notwendigkeit bürgerschaftlichen Enga-gements zwar richtig, eine Priorisierung privaten Engagements gegenüber dem staatlichen ist aber verfehlt, verkennt diese doch die Charakteristika, nämlich die konzeptionelle Freiheit und subjektive Interessensgebundenheit der Akteure. Ein Sponsor erwartet Gewinn, ein Stifter erwartet die Realisierung seines Stif-tungszwecks, ein Mäzen fördert um der Inhalte willen – aber nach subjektiven Kriterien, mithin durch subjektive Interessen geleitet.

Das heißt: Selbst wenn ein Stifter Mäzen und nicht Sponsor ist, mithin sein Engagement nicht an ökonomische Kriterien von Gewinn und Rendite koppelt, enthebt das den Staat nicht seines Grundförderungsauftrages von Kunst und Kultur. Denn auch in diesem Falle gilt: Eine Allgemeingültigkeit des Engage-ments ist nicht zu fordern.33 Ein Mäzen ist berechtigt, in unbegrenzter Freiheit seine Mittel einzusetzen, für welche Zielgruppe und Partikularinteressen auch immer. Das ist Kern des Mäzenatentums.

Weder von Sponsoren noch von Mäzenen ist die Bedingung der Allgemein-gültigkeit im Sinne der Herstellung einer allgemeinen Zugänglichkeit zur Kul-tur zu erwarten. Diese notwendige Bedingung für Bildung, Wissen, kulturelle Aneignung und Tätigkeit kann nur die staatliche Instanz leisten, in Deutsch-land vermittelt durch die föderalen Instanzen der jeweiligen Ministerien der Länder sowie der KMK als Modell des kooperativen Kulturföderalismus. Diese Konstruktion soll an dieser Stelle nicht diskutiert werden, sind doch Hoheits-aufgaben der Länder ebenso staatliche Aufgaben wie die des Bundes im Sinne einer Komplementäraufgabe, fallen somit alle unter den Obergriff Staat, der die Rechte für die Bürger und damit die Handlungsmöglichkeiten für die ge-sellschaftliche Ebene garantiert.34

Stifterisches Handeln kann korrektiv wirken. Stiftungen sind qua Auftrag da-rauf verwiesen, einen unternehmerischen Ansatz zur Grundlage ihrer Tätigkeit zu machen, mithin Risiko zu tragen, innovative Wege zu gehen und Projekte zu wagen, die staatliche Instanzen aufgrund der haushaltsrechtlichen Bestim-mungen nie unternehmen dürften. Stiftungen und ihre kulturelle Arbeit ergän-zen die politischen Angebote, dürfen diese aber nicht ersetzen.

33 So wünschenswert auch ein privater Förderwille im Dienste des Allgemeinwohls auch ist – er kann auf dieser Ebene nicht politisch postuliert werden. Gerade einer Partei, deren Markenkern Freiheit ist, sollte die Freiwilligkeit kulturellen Engagements bewusst sein.

34 GG, hoheitliche Aufgaben Art. 28, hierin müssen die Länder die Grundsätze des „republika-nischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates“ wahren.

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Es gibt mittlerweile einen Grundkonsens für das Miteinander von Stiftungen und Staat, der sich bewährt hat. Parlament und Regierung sollten aber die recht-lichen und steuerlichen Bedingungen für die Gründung und die Arbeit (privater) gemeinnütziger Stiftungen und Stiftungsvereinen weiter verbessern.

12. Die Infrastruktur der Kultur

12.1 Infrastrukturpolitik versus Projektförderung?

Die Fragilität des Kulturbereichs zeigt sich vor allem in der Infrastruktur der Kultur, bei den Institutionen wie etwa Museen, Theatern, kulturellen Bildungs-einrichtungen allgemein. Infrastruktur kann nicht beliebig eingestellt werden und später wieder geöffnet werden – eine Institution fordert permanente Un-terstützung, bietet aber dafür auch kulturelle Teilhabe und Bildung.

Die Option, Häuser für diverse kulturelle Angebote, vor allem für Projekte der kulturellen Bildung, zu öffnen – wie es etwa im Theaterbereich die Angebote für Kinder und Jugendliche seit einigen Jahren darstellen – oder andere Veran-stalter während der Urlaubszeiten an die jeweiligen Häuser zu holen, ermöglicht Kontinuität der Angebote und hohe Auslastung der Institutionen. Dieser Weg wird zunehmend durch kurzfristige, aber medienwirksame Projekte konterkariert (vor allem die EU fördert diese gerne), die Mittel und Aufmerksamkeit binden, die den Angeboten der Institutionen entzogen werden. Diesem Trend müssen Staat, Länder und Gemeinden widerstehen – denn gerade diese kulturelle In-frastruktur vor allem im Bereich der Musikangebote macht den komparativen Vorteil Deutschlands gegenüber Resteuropa aus. Kultur in städtischer Verant-wortung findet z.B. in Coburg und Meiningen seit Jahrzehnten regen Anteil bei einheimischen und auswärtigen Liebhabern des Musiktheaters – und das in Städten mit nicht mehr als 30.000 Einwohnern. Hier herrscht reger öffent-licher Zuspruch jenseits des Ruchs des Elitären.35

Deutschland und die deutschsprachigen Nachbarländer verfügen über 50 Prozent der weltweiten Produktionsinfrastrukturen für Musiktheater.36 Solche kulturellen Angebote prägen Regionen, wohingegen Projekte auf Zeit häufig

35 Interview Gabriele Schulz mit Prof. Dr. Andreas Wiesand, Zeitschrift Politik & Kultur, Deut-scher Kulturrat, 27. September 2011.

36 A.a.O., deshalb sind deutsche Musikhochschulen so attraktiv für Studierende und darum ist Deutsch auch Pflichtsprache für professionelle Musiktätige.

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kurze mediale Aufmerksamkeit, aber keine nachhaltige kulturelle Wirkung ge-nerieren. Auch wenn die kurzfristige mediale Aufmerksamkeit bei spektakulären Events unvergleichlich höher ist: Nicht die Abfolge von Events, sondern die infrastrukturellen Angebote gehören zu unseren Stärken. Mit diesen gilt es zu wuchern im europäischen und globalen Kulturraum. Das gilt vor allem für die Angebote im Musikbereich, aber auch bei den Sprechtheatern und Museen hat Deutschland eine starke gewachsene und gelebte Tradition an Einrichtungen und Angeboten zu bieten – mehr als andere europäische Länder allemal. Noch gilt das auch für die Bibliotheken, wenn auch hier der Schwund – vor allem auf kommunaler Ebene – bereits eingesetzt hat.

Die Infrastruktur von städtischen und kommunalen Kulturinstitutionen zu er-halten, wird langfristig rentabler sein, als nur auf die vermeintlich kostengün-stigere Projektförderung zu bauen. Diesen ‚USP‘37 der föderalen Stärken gilt es im europäischen Kontext zu er-halten.

12.2 Zentralisierung trotz Föderalismus?

Bestätigt ist im Vertrag von Maastricht das föderale Organ der Ständigen Kul-tusministerkonferenz (KMK) in einer föderalismusfreundlichen ‚Kulturklausel‘. Die Meinungsbildung und die Verabschiedung von gemeinsamen Beschlüssen ist häufig sehr schwierig und zäh, vor allem, weil Beschlüsse und Abkommen der Einstimmigkeit bedürfen, zur Erlangung der Rechtskraft in einigen Bundes-ländern sogar zusätzlich der Verabschiedung durch die jeweiligen Landespar-lamente. Die KMK äußert sich verhältnismäßig selten zu Kulturfragen im en-geren Sinne – das ist auch Aufgabe des Beauftragten für Kultur und Medien der Bundesregierung (BKM) –, sie versteht sich eher als Beratungsinstrument in bildungs- und hochschulpolitischen Fragen. So bleibt die kulturpolitische Profilierung bisher eher die Sache der Länder selbst, mit der Folge, dass eine gleichrangige festgeschriebene Bedeutung – etwa als verbindliche Minimallei-stungen aller Beteiligter – Kultur deshalb auf Länderebene nicht zukommt. Das war allerdings bei der Etablierung des föderalen Systems so erwünscht, die Schwerpunkte sollte jedes Bundesland selber und mit eigenem Profil setzen. Ge-nau das kann aber in Zeiten der fortschreitenden europäischen Zentralisierung von Kulturvorgaben langfristig zu einer Reduzierung der kulturellen Angebote aller führen. (Auf Bundesebene war die Einrichtung des Amtes eines Beauftrag-

37 Abkürzung für: Unique Selling Point, bezeichnet den qualitativ unvergleichbaren Vorteil gegenüber Marktkonkurrenten.

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ten für Kultur und Medien ein Schritt in die richtige Richtung, nämlich die der Bündelung bestimmter kulturpolitischer Aufgaben an einer Stelle.)

Liberale sind traditionell dem Zentralismus nicht hold. Die weltweite Entwick-lung geht aber in die Richtung der zunehmenden Verantwortung von supra-nationalen Institutionen. Denn auch in der Kulturpolitik wird der Einfluss der EU wachsen, wie es heute schon in den Themenfeldern Urheberrecht, geistiges Eigentum, Telekommu-nikation und Medienrecht, vor allem also in den digital relevanten Bereichen, der Fall ist. Aus diesem Grunde ist eine stärkere zentrale Orientierung an einer Minimalverbindlichkeit von kulturellen Angeboten in Bezug auf deren Siche-rung und einer Vergleichbarkeit aller Länder notwendig, um zukünftigen eu-ropäischen Anforderungen begegnen zu können. Selbstverständlich kann eine sinnvolle Kulturpolitik nicht an der nationalen Grenze enden – es gilt aber Standards zu wahren.38

Der Bund sieht seine Zuständigkeit für die Etablierung eines verbindlichen kulturellen Standards durchaus: Durch die Förderung von kulturellen Einrich-tungen mit gesamtstaatlicher Bedeutung (Festspiele oder Stiftungen sowie die auswärtige Kulturpolitik) tragen Bundeseinrichtungen zu einer Erweite-rung des Kulturangebotes, zu seiner Konstanz und Kontinuität sowie seiner internationalen Rolle bei.

Nur über die staatliche Gesamtverantwortung für Kultur ist die Teilhabe aller zu gewährleisten. Die allgemeine Zugangsberechtigung zu Kunst und Kultur (,Kultur für alle‘ war das von Hilmar Hoffmann geprägte Schlagwort der Siebziger Jahre39) ist selbstverständliche Grundbedingung eines liberalen Staatswesens. Was sonst als ‚Kultur für alle‘ wäre einer demokratischen Gesellschaft, die der Aufklärung verpflichtet ist, angemessen? Nicht jedes Individuum ist in der Lage, sich selber aktiv kulturbildend und kulturstiftend zu betätigen. Aber jedem Individuum ist die Möglichkeit zu eröffnen, kulturelle Angebote wahrnehmen zu können sowie Bildung, Wissen über Kultur zu erlangen.

38 Walter Scheel, 1977: „Die Kultur ist von jeher ganz unbekümmert auch über die Sprach-grenzen gewandert. Ich bin der Überzeugung (…), dass wir unsere Kultur verfälschen, wenn wir sie nur aus sich selbst verstehen wollen. Ich glaube, dass wir das Deutsche nur richtig begreifen, wenn wir es als die besondere Gestalt eines Europäischen verstehen, das allen Völkern dieses Kontinentes gemeinsam ist.“ In: Hans-Dietrich Genscher (Hrsg.): Heiterkeit und Härte – Walter Scheel in seinen Reden und im Urteil von Zeitgenossen, Stuttgart 1984, S. 257.

39 Hilmar Hoffmann, Kultur für alle. Perspektiven und Modelle, Frankfurt a. M. 1979.

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Diese programmatische Forderung liberaler Provenienz erhob Gertrud Bäumer bereits 1924 auf dem Parteitag der DDP in Weimar. So sagt sie über das Prin-zip des Kulturstaats:

„Denn dem Kulturstaat ist nicht die bloße äußere Macht letzter Zweck, nicht die Selbstbehauptung an sich, nicht die Erhaltung und Ausbreitung der äuße-ren Grenzen oder der bloßen Souveränität. Sein Ziel ist weiter gesteckt: Die Selbstbehauptung der Kulturkraft des Volkes, die Erhaltung und Ausbreitung der edelsten, geistigen – man kann auch sagen ‚menschlichsten‘ – Impulse und Leistungen eines jeden in der Gesamtheit. (…) Die Aufgabe, alle menschlichen Beziehungen, die wirtschaftlichen, die staatlichen, die sozialen, so zu gestalten, dass dabei ein Höchstmaß von Menschenwürde und Freiheit für jeden gesichert werde, wird immer Inbegriff der Zielsetzungen eines Kulturstaates sein.“40

Wie dieser Zugang zur Kultur organisiert wird, obliegt den politisch Verantwort-lichen, also Parlament(en) und Regierung(en) und den jeweiligen Verwaltungen. Nur: Dass dieser Zugang ohne Wenn und Aber zu organisieren ist, steht fest.

Diesen Zugang zu schaffen heißt selbstverständlich nicht, die kulturellen Inhalte zu bestimmen. Im Gegenteil. Der Staat hat zu fördern und sich dann zurück-zuziehen. Für die konkrete fachliche Arbeit ist er nicht und niemals zuständig. Die künstlerische Autonomie von Institutionen ist unbedingt zu achten. Das sah auch Theodor Heuss so, der 1920 forderte:

„(…) anzuerkennen, dass kulturelle Strömungen, die ihren geistigen Eigenwert besitzen, ihre Kristallisationspunkte außerhalb der unmittelbaren staatlichen Sphäre, der politischen Bestrebungen suchen.“41

Kultur in einem liberalen und demokratischen Staatswesen ist Teil der offenen Gesellschaft. Kultur beeinflusst (auch) die politische Praxis, insofern der Um-gang mit ihr Grundlage einer humanistischen Politik ist, die Freiheit des Ein-zelnen zum Ziel hat.

Der Staat hat deshalb nicht nur ein Recht sondern auch die Verpflichtung, Kunst und Kultur allgemein zugänglich – über die Institutionen – und allgemein

40 Rede Gertrud Bäumers auf dem Parteitag der DDP in Weimar zum 200. Geburtstag und 120. Todestag Kants am 6. April 1924. In: Kant und die deutsche Freiheit; in: Joachim Kopper/Rudolf Malter (Hrsg.) Immanuel Kant zu Ehren. Frankfurt/Main 1974, S. 322–332, hier S. 326 f.

41 Theodor Heuss: Politik durch Kultur. 1949 bis 1959, Katalog zur Ausstellung, Bonn 1984, S. 33.

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verbindlich über die vermittelnde Kategorie der ästhetischen und kulturellen Bildung aller Bürger ohne Ansehung ihres sozialen und wirtschaftlichen Status zu fördern, zu schützen und zu bewahren. Und gerade der Aspekt der Förderung im Sinne einer Förderung von Innovation, von Fortschritt, ist eine zentrale Auf-gabe für die Allgemeinheit. Gerade Bereiche, die noch nicht entwickelt, nicht definiert, nicht „gewohnt“ sind, bedürfen der staatlichen Förderung. Andere hingegen von schon etabliertem Status finden häufig die Zuwendung Privater (hier sind Imagegewinn und Rendite im kulturellen Bereich naturgemäß hö-her anzusetzen als auf dem glitschigen Terrain des noch nicht Bekannten und Vertrauten). Oder, anders ausgedrückt: Eine schon erschlossene Zielgruppe mit den gewohnten Formaten zu bedienen ist wesentlich einfacher und sicherer als mit ungewohnten Angeboten neue Zielgruppen zu erschließen.

Kultur und Kunst verdanken nichts der großen Zahl. Deshalb sind normative Vorgaben bei jeder Förderung unverzichtbar. Anderenfalls wäre staatliche För-derung nicht zu rechtfertigen.

12.3 Kulturelle Bildung

Sinnvoll ist das Prinzip der großen Zahl hingegen bei der kulturellen Bildung. Hier muss eine aktive Förderung von Seiten des Staates erfolgen. Hier ist nicht nur die KMK als Oberinstanz für Bildungsfragen in der Pflicht, sondern auch der Staat selbst, über die von ihm verantworteten Institutionen, Angebote für Kinder und Heranwachsende bereitzustellen. Das gilt neben den Bildungsin-stituten der Schulen für Museen ebenso wie für Theater und weitere kultu-relle Vermittlungsinstanzen. Das Projekt ‚kulturelle Bildung‘ hat mittlerweile alle Instanzen erreicht und durchdrungen. Selbstverständlich ist eine Teilhabe an Kultur nur dann sinnhaft möglich, wenn eine Bildung vorliegt, die Wissen generiert und vermittelt. Das ist aber ein in einer demokratischen Gesellschaft notwendiges Prinzip – erst recht in einer liberal verfassten.

Kultur in der Gesellschaft fordert Rezeption und Initiative. Der subjektive Re-zeptionsprozess und die Fähigkeit zum Dialog über Kultur innerhalb einer Ge-sellschaft gründet auf und erweitert Bildung und Wissen. Kulturelle Bildung ist eine Zukunftsaufgabe von höchster Priorität, fördert sie doch Teilhabe, Integration, Chancengerechtigkeit und persönliche Entfaltung. Eine zentrale Rolle kommt hierbei der Sprache zu.

Die Sprache ist eine der grundlegenden Mittel zur Kulturschöpfung und Ausbil-dung kultureller Identität. Jede moderne Gesellschaft ist auf klare Verständigung und umfassenden Gedankenaustausch angewiesen. Sprache ist darüber hinaus

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das Bindeglied, das alle Bereiche einer Gesellschaft erfasst und ein Miteinander ermöglicht. Sprache wird somit zu einer Grundressource für gesellschaftliche Teilhabe und sozialen Aufstieg. Ohne sie gibt es weder Kommunikation noch politische Willensbildung.Förderaufgabe ist hierbei die Vermittlung von Fähigkeiten, die deutsche Spra-che alltagstauglich lesend und sprechend zu bewältigen sowie Möglichkeiten für alle zu eröffnen, die deutsche Sprache vollendet zu beherrschen. Entspre-chende Handlungsempfehlungen hat die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages „Kultur in Deutschland“ gegeben. Entscheidende Punkte sind hierbei, die Bedeutung der deutschen Sprache im öffentlichen Bewusstsein zu heben, die deutsche Sprache im Bereich Erziehung und Ausbildung Kinder und Heranwachsender, aber auch in der Integration von Migranten, in den Bereichen Spracherwerb, Sprachförderung und Sprachkompetenz systema-tisch zu vermitteln.

Die These von John Locke, wenn jemand zu einem anderen spreche, so wolle er verstanden werden, beschreibt treffend die Grundkonstellation sprachlicher Notwendigkeit zur Bildung zivilgesellschaftlicher Kompetenz.42 Sprachwandel ist erwünscht und jeder Sprache konstitutiv zu eigen, Schulen und Medien, Politik und Verwaltung sind in ihren Zuständigkeitsbereichen verantwortlich für logisch und grammatikalisch richtige Ausdrucksweise, für klare und ver-ständliche Information und Kommunikation. Diese Aufgabe ist Bildungs- und Kulturaufgabe zugleich und entscheidender Teil der Integrationspolitik: Die Vermittlung von Sprachkenntnissen und die Förderung der Eigeninitiative zum Erwerb des Deutschen sind unverzichtbar für ein gesellschaftliches Miteinander als kulturellem Miteinander.

42 John Locke, An Essay concerning Humane Understanding, 1690; dt. Essay über den mensch-lichen Verstand, Udo Thiel (Hrsg.), Akademie, Berlin 1997. Zweckfreiheit von Sprache ist künstlerisches Mittel und künstlerische Form, hat aber nichts mit funktionalen Kriterien der Verständigung innerhalb einer Gesellschaft zu tun, sondern gehorcht dann eigengesetzlichen, nämlich ästhetischen Kriterien (Anm. d. Verf.).

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13. Strategische Kulturpolitik versus Kulturentwicklungsplan

Entscheidend wird es sein, dem Sog der creative industries nicht die kulturelle Vermittlung in den Instituten und Institutionen zu opfern. Die Gefahr ist real, dass Potenziale gewachsener Infrastrukturen für die kulturelle Produktivität und die Bindung zum Publikum aus dem Blickfeld geraten. Das ist vor allem ein Appell an die Politik. Denn die Verführung, durch populäre Projekte und mediale Aufmerksamkeit beim Wähler zu punkten, ist hier besonders groß. Gedacht wird in Wahlperioden und Wahlkämpfen – kurzlebige ‚Block Buster‘ sind naturgemäß gut zu vermarkten – nach kultureller Bedeutung oder nach-haltigen Effekten wird nicht gefragt.

Nun ist gegen Kulturevents wenig zu sagen. Sie haben ihre Berechtigung. Al-lerdings dürfen sie nicht andere, aufwendigere und politisch nicht so gut zu verkaufende Angebote ersetzen. Auch hier gilt wieder das Verpflichtungsgebot des Staates, für die Allgemeinheit zukunftsweisende Strukturen zu schaffen und keine Eintagsfliegen. Beliebt ist deshalb der kommunale und städtische Kulturentwicklungsplan, der auf fünf oder zehn Jahre Ziele und Finanzbedarf für Institutionen und Projekte vorgibt – ein sinnvolles Instrument?

Die Notwendigkeit von Kulturentwicklungsplänen, wie sie in der Kulturenquete des Deutschen Bundestages angeregt werden, erscheint auf den ersten Blick plausibel, gibt ein Plan doch naturgemäß Planungssicherheit und Struktur, mithin eine Perspektive für bestehende Institutionen und eine Möglichkeit, Programme politisch zu verankern.

Allein, die Erfahrung mit Kulturentwicklungsplänen auf kommunaler Ebene zeigt, wie komplex die Problematik ist: Zielvorstellungen als bindende (partei-)politische Schwerpunkte werden vor dem Hintergrund immer weiter sinken-der verfügbarer Mittel zu finanziellen Lasten, die als Bumerang zu den poli-tisch Verantwortlichen zurückkommen, diese fesseln und flexible Antworten und dynamische Anpassungen an das Machbare verhindern. Ein Paradoxon

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entsteht: Das Instrument, das Gestaltungshoheit sichern soll, schafft Gestal-tungsfreiheit ab.43

Stattdessen sollte es, jenseits des Instrumentes Kulturentwicklungsplan – das einer anderen, goldenen Zeit der vollen Kassen entstammt – selbstverständlich für jede Kommune sein, strategisch Kulturpolitik zu betreiben und die Ziele vorab, etwa in Form eines Leitbildes, zu formulieren. Das hat den Vorteil, den Handelnden notwendige Flexibilität zu wahren, ohne die Ebene eines grund-legenden und zielführenden Entwicklungsgedankens zu verlassen.

Deshalb: Ein klares Ja zu einer kulturpolitischen Strategie, ein klares Nein zu einem Kulturentwicklungsplan. Nur so lässt sich die liberale Dynamik gewähr-leisten, welche den Bereich der Kultur konstitutiv prägt.

Notwendig für die Stärkung der Infrastrukturen ist es jenseits aller Pläne oder Leitbilder, dass die Leiter der jeweiligen Kulturinstitutionen ihre Rolle aktiv wahrnehmen und sich nicht auf alte Vermittlungskonzepte zurückziehen, son-dern ihre Häuser durch innovative Vermittlungs- und Ausstellungskonzepte neuem Publikum öffnen und für die bereits bestehende Klientel interessant halten.

Die Kulturaufgabe des Liberalismus liegt darin, in politischen Belangen darauf zu achten, dass die Geistesfreiheit gesichert und vor ideologischen Übergriffen geschützt wird. Hierzu Walter Erbe, ab 1958 der erste Vorsitzende der Friedrich-Naumann-Stiftung, im Jahre 1964:

„Der Staat hat jene Rolle des Förderers und Mäzens zu übernehmen, welche Private unter den heutigen Verhältnissen immer weniger zu spielen vermögen. Dabei darf der Zusammenhang zwischen schöpferischer Freiheit und künstle-rischer Leistung unter keinen Umständen gestört werden. Der Genius der Kunst würde sich für jede Vergewaltigung des Menschen rächen.“44

Um diesen „Genius der Kultur“ wirksam werden zu lassen, bedarf es aber der Aktivitäten jener, die Verantwortung für kulturelle Vermittlung tragen.

43 Zu dieser Problematik siehe: Plädoyer von Christoph Zens-Petzinger/Beatrice Ploch für das Instrument Kulturentwicklungsplan: Kulturentwicklungsplanung. Analyse, Bewertung, Konzept. Frankfurt a. M. 1991. Der Autor ist nach langjähriger kommunaler Kulturarbeit mittlerweile gegenteiliger Ansicht (Podiumsdiskussion kommunale Kulturpolitik, Bad Nau-heim 27. September 2012 mit Verf.).

44 In: Ulla Galm (Hrsg.), Walter Erbe – Liberaler aus Passion. Baden-Baden 1987, S.122.

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Liberale verstehen Kulturförderung nicht als Subvention, sondern als Investi-tion in die Zukunft der Gesellschaft, der durch den Anteil der Kulturausga-ben am Haushalt des Bundes Rechnung getragen werden muss. Nur so ist zu erreichen, dass auch Private bereit sind, sich finanziell für Kunst und Kultur zu engagieren, und gleichzeitig sicherzustellen, dass kulturelles Engagement in allen Bereichen stattfindet. Dieser Grundsatz wird durch geltendes Recht erfüllt. Das, was allerdings nicht verpflichtend im Grundgesetz steht, ist der Staatsauftrag Kultur. Muss Kultur in Zukunft Staatsziel werden?

14. Staatsziel Kultur?

Die Befürworter argumentieren wie folgt: Es sei nicht einzusehen, dass ma-terielle Grundlagen des menschlichen Daseins (wie etwa Umwelt- und Na-turschutz) als Staatsziel unter einem besonderen Schutz stehen sollten, die Kultur als ideelle Lebensgrundlage des Menschen jedoch nicht. Deutschland sei eine Kulturnation. Dazu sollte sich dieses Land in seiner Verfassung auch bekennen.

Ob die Ausschmückung des Grundgesetzes mit immer neuen Partikularrechten und Schutzbereichen sinnhaft ist, kann bestritten werden. Aber entscheidender ist: „Ziel“ als Vorgabe und Endpunkt rationalen und effizienten Handelns kann Kultur kaum sein. Schutz von Umwelt und Natur ist deshalb vertretbar, weil die Natur unabhängig und außerhalb von menschlicher Zu- und Hinwendung existiert. Kultur hingegen ist eine dem Menschen wesenseigene Sphäre, die nicht extrapoliert werden kann. Insofern erscheint die Fassung eines Staatszieles Kultur nicht als Höherschätzung von Kultur, sondern im Gegenteil als deren Verkleinerung. Und die Postulierung einer ‚Kultur-Nation‘ ist zweifach ideolo-gieträchtig: Erstens ist Kultur als menschlich-gesellschaftliche Ausdrucksform allen Gemeinschaften eigen. Die Setzung als spezifisch deutsches nationales Charakteristikum in der Begriffsbildung ‚Kultur-Nation‘ spricht anderen Na-tionen die Dimension der Kultur zwar nicht ab, konnotiert aber impliziert den solitären (und überlegenen) Kulturstatus. Zweitens wird in dieser Begriffsbil-dung Kultur mit nationaler Einheit und nicht mit staatlicher Einheit verbunden. Der Begriff der Nation trägt im Unterschied zum Begriff des Staates inhalt-liche Implikationen, hingegen sind im Staatsbegriff lediglich die Funktionen des politischen Systems und deren Grundlagen als Regelwerk abstrakter Vor-gaben angesprochen. Kultur wird innerhalb der nationalen Konnotation schon als spezifisch-wesenhafte, mithin als Identität, betrachtet; hingegen erlaubt

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die staatliche Konnotation eine allgemeine und nichtwesenhafte Fassung von Kultur, die Grundlage liberalen Kulturverständnisses ist.

Fazit: Die Kulturnation ist nicht Teil des liberalen Politikverständnisses, wenn überhaupt diese Verbindung gesucht werden soll, dann in der Begriffsbildung ‚Kulturstaat‘ (wie Gertrud Bäumer das im Kant-Jahr 1924 bereits formu-lierte).

Überdies kann Kultur nicht Ziel staatlichen Handelns sein, da sie bereits immer schon vorhanden ist, denn sie ist eine Grundkonstante menschlichen Verhal-tens zur Welt.

Sinn machen Förderung und Freiheitssicherung von Kultur, nicht aber eine teleologische Ausrichtung auf eine zu schaffende Kultur.

Aus diesem Grunde ist die Forderung nach einer Verankerung eines Staatszieles Kultur im Grundgesetz überflüssig und für kulturelle Bemühungen um Kultur wenig hilfreich, erscheint sie doch als rein deklamatorischer Akt.45

15. Grundsätze einer liberalen Kulturpolitik

Kultur ist die Stätte der stetigen Neuorientierung. Im Bereich der Kultur •geht es nicht darum, Tatsachen der Vergangenheit zu reproduzieren, son-dern das Gewesene intellektuell zu synthetisieren oder ästhetisch zu fassen. Diese Korrelation kennzeichnet den Aneignungsprozess der Kultur, der als dynamischer konstitutiv für die Gesellschaft allgemein, für Kunst, Bildung und Wissen im Besonderen ist.

Anerkennungsmechanismen durch Gesellschaft und Markt können durch •politische Maßnahmen auf staatlicher Ebene zur Förderung von Kunst und Kultur angestoßen und begleitet werden – keinesfalls kommt allerdings der Politik die Rolle des inhaltlichen Kommentators und Interpreten zu.

45 Siehe hierzu den Artikel von Heinrich Wefing, FAZ, 27. Februar 2006: Staatsziel Kultur, Kultur und Verfassung: „Die Lust der Politik das Grundgesetz mit immer neuen Einfällen aufzublähen, ist kaum zu bremsen. Zu den ‚Staatszielen‘ soll auch die Kulturförderung zählen. Das ist preiswert, vermeintlich prestigeträchtig – und überflüssig.“

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Welche Verwerfungen eine solche Position nach sich ziehen kann, war •und ist in totalitären Systemen, die gleichzeitig ideologische Deuter und Stifter von kulturellen Werken und Akten sind, zu beobachten: Kultur ein-schließlich der Künste hat nur dann eine Chance, zivilisatorisch zu wirken, gesellschaftsbildend und gesellschaftserhaltend, wenn die politische Ebene rein formale Unterstützung gewährt. Inhalte der Kultur können politische Inhalte sein – aber sie müssen es sein qua Intention der Kulturschaffenden und nicht qua Vorgabe der politischen Exekutive.

Kultur und Politik sind sui generis getrennte Sphären, die einander nicht •bedingen, sich bestenfalls aufeinander beziehen und gegenseitig kommen-tieren dürfen.

Kultur ist zu fördern gemäß den Maßgaben der allgemeinen Zugänglichkeit •durch die entsprechenden Institutionen und gemäß den Maßgaben der individuellen und fairen Teilhabe von Kunst- und Kulturschaffenden am kulturellen Ganzen.

Kultur ist immer schon gesellschaftliche Grundlage und menschliche Hand-•lungsweise. Insoweit bedarf sie keiner zusätzlichen grundgesetzlichen Absi-cherung, schon gar nicht als anzustrebendes Ziel – eine solche Formulierung verkennt den prozessuralen Charakter von Kultur.

Liberalismus, Aufklärung und Demokratie sind keine nationalen, sondern •europäische Errungenschaften, die nur aufgrund eines gemeinsamen gei-stigen Prozesses ihre heutige Bedeutung erlangen konnten. So ist ein Kosmos entstanden unabhängig von politischen Strukturen, der die Einflüsse aus Philosophie, Wissenschaft und Kunst zu einem europäischen Stil vereint und die Grundlage für liberalen kulturellen Fortschritt bildet.

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Literatur

Ernst Cassirer: Philosophie der symbolischen Formen, 3 Bände, Darmstadt 1977

Ernst Cassirer: An Essay on Men. An Introduction to a Philosophy of Human Culture, 1944, Yale University Press 1962

Ernst Cassirer: Freiheit und Form, Darmstadt 1975

Ernst Cassirer: Der Mythus des Staates, Frankfurt a. M. 1985

Ernst Cassirer: Substanzbegriff und Funktionsbegriff, Darmstadt 1980

Hermann Cohen: Ethik des reinen Willens, Berlin 1904

Ralf Dahrendorf: Fragmente eines neuen Liberalismus, Stuttgart 1987

Ralf Dahrendorf: Auf der Suche nach einer neuen Ordnung – Eine Politik der Freiheit für das 21. Jahrhundert, München 2003

Walter Eucken: Die Überwindung des Historismus, in: Schmollers Jahrbuch 62/Berlin 1938

Walter Eucken: Grundsätze der Wirtschaftspolitik, Tübingen 2008

Max Fuchs: Kultur Macht Sinn. Einführung in die Kulturtheorie, Wiesbaden 2008

Ulla Galm (Hrsg.): Walter Erbe – Liberaler aus Passion, Baden-Baden 1987

Ortega y Gasset, Gesammelte Werke, Stuttgart 1978

Ernst H. Gombrich: Meditations on a Hobby Horse, London/New York 1963

Ernst H. Gombrich: Die Krise der Kulturgeschichte, Stuttgart 1983

Jürgen Habermas: Nachmetaphysisches Denken, Frankfurt a. M. 1988

Dieter Henrich: Konzepte, Frankfurt a. M. 1987

Johann Gottfried Herder: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit, Riga 1784-91

Theodor Heuss: Politik durch Kultur. 1949 bis 1959, Bonn 1984

Richard Hönigswald: Philosophie und Sprache. Problemkritik und System, Basel 1937

Hilmar Hoffmann: Kultur für alle. Perspektiven und Modelle. Frankfurt a. M. 1979

Wilhelm von Humboldt: Bildung und Sprache, Paderborn 1997

Wilhelm von Humboldt: Über die Sprache. Reden vor der Akademie, Tübingen 1994

John Locke, Essay über den menschlichen Verstand, Berlin 1997

Immanuel Kant: Kritik der reinen Vernunft (1781), Kritik der Praktischen Vernunft (1788), Kritik der Urteilskraft (1790), Werkausgabe in zwölf Bänden, Wilhelm Wei-schedel (Hrsg.), Frankfurt a. M. 1968

Jürgen von Kempski: Über den Liberalismus, in: Recht und Politik, Studien zur Einheit der Sozialwissenschaften, Stuttgart 1965

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Joachim Kopper, Rudolf Malter (Hrsg.): Immanuel Kant zu Ehren, Frankfurt a. M. 1974

Hermann Lübbe: Politische Philosophie in Deutschland, Basel 1963

Niklas Luhmann: Die Kunst der Gesellschaft, Frankfurt a. M. 1997

Wolfgang Marx: Reflexionstopologie, Tübingen 1984

Alfred Müller-Armack: Wirtschaftslenkung und Marktwirtschaft, Hamburg 1947

Wilhelm Röpke: Wirrnis und Wahrheit, Erlenbach-Zürich/Stuttgart 1962

Friedrich Schiller: Briefe, Frankfurt a.M./Berlin 1986

Ernst Tugendhat: Ethik und Politik, Frankfurt a. M. 1992

Christoph Zens-Petzinger, Beatrice Ploch: Kulturentwicklungsplanung. Analyse, Be-wertung, Konzept, Frankfurt a. M. 1991

Liberale Publikationen

Gerard Bökenkamp, Kirche und Staat in Deutschland, Position Liberal 112, Liberales Institut, Berlin 2012

Liberal-Magazin, Debatten zur Freiheit, 2/2012

Berichte

Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Eine europäische Kulturagenda im Zeichen der Globalisierung, Brüssel 2007

Schlussbericht der Enquete-Kommission ,Kultur in Deutschland‘, Berlin 2010

Statistisches Bundesamt Wiesbaden: Kulturfinanzbericht 2012, Wiesbaden 2013

Über die Autorin

Annette siemes M.A., studierte Philosophie, Psychologie und Kunstgeschichte in Bonn, arbeitet als selbstständige Beraterin für Public Affairs und Positio-nierung.Tätigkeiten u.a.: Direktorin Strategische Kommunikation APCO Deutschland GmbH, Berlin, und Head of Public Relations bei Michael Conrad & Leo Bur-nett, Frankfurt/M. Wissenschaftliche Referentin im Bundestag und Berliner Abgeordnetenhaus.Seit Juni 2012 Mitarbeiterin des Liberalen Instituts. Hier zuständig für die Be-reiche Kultur, Innen und Recht sowie Migration/Integration.

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PositionLiberalPositionspapiere des Liberalen Instituts der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit Weitere Publikationen unter www.libinst.de

[114] Siegfried HerzogFreIheIt und relIgIon sInd KoMPAtIBel

[113] Jan SchnellenbachVon der schuldenBreMse Zur sPArregelAnsätZe Zu eIner regelgeBundenen hAushAltsKonsolIdIerung

[112] Gérard BökenkampKIrche und stAAt In deutschlAnd – welchen sPIelrAuM hAt dIe PolItIK?

[111] Tim StephansoZIAle netZwerKe und PolItIsche BAsIsBewegungen AM BeIsPIel der AuseInAndersetZung uM stuttgArt 21

[110] Gebhard KirchgässnerFInAnZPolItIsche KonsequenZen dIreKter deMoKrAtIe

[109] Theo SchillerdIreKte deMoKrAtIe In deutschlAnd. welche BeteIlIgungsForMen sInd AuF der BundeseBene MöglIch?

[108] Robert NefdIreKte deMoKrAtIe und lIBerAlIsMus – non-ZentrAlIsMus und MehrheItsPrInZIP

[107] Michael gassnerwettBewerBsPolItIsche ProBleMAtIK öFFentlIcher unternehMen

[106] Jan SchneiderFreIheIt, gerechtIgKeIt, nAtur und uMwelt In ethIK-schulBüchern

[105] Sven SpeeroFFene relIgIonsPolItIK – eIne lIBerAle Antwort AuF relIgIös-weltAnschAulIche VIelFAlt

[104] Detmar DoeringdIe relIgIonsFreIheIt In der welt

[103] Thomas VolkmannZurücK In dIe ZuKunFt? der neue grüne KonserVAtIsMus

[102] Valerie Siegrist / René Sternberg (Hrsg.)soZIAle ungleIchheIt IM deutschen schulwesen

[101] Ralf DahrendorfdIe KünFtIgen AuFgABen des lIBerAlIsMus – eIne PolItIsche AgendA

[100] Gérard BökenkampdAs Internet ZwIschen dAtenschutZ und InForMAtIonsFreIheIt

[99] Bodo HerzoghAushAltslöcher und steuerentlAstungen – wAs Ist Zu tun?

[98] Monika Reinsch (2011)hochBegABung IM VorschulAlter

[97] Gérard Bökenkamp (2010)dIreKte deMoKrAtIe – geschIchte, entwIcKlungen und PersPeKtIVen Für dIe BundesrePuBlIK

[96] Marie Popp, René Sternberg (Hrsg.)leuchttürMe der deutschen schullAndschAFt

[95] Alexander Wimmer (2010)rIsIKen und chAncen der deutschen KrAnKenVersIcherer IM InternAtIonAlen VergleIch

[94] Kerstin Funk (2010)KernProBleMe des gesundheItswesens In IndustrIeländern

[91] Harald Bergsdorf (2010)dIe Kultur der FreIheIt ArguMentAtIV VerteIdIgen lIBerAle gesellschAFt