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Herausgegeben von März 2012 Einzelheft: 1,50 Euro, Abonnement: 15 Euro P.b.b., Verlagspostamt 1040 02Z031242 M, Kd.-Nr: 0021012558 Unabhängige GewerkschafterInnen im ÖGB 3 UNIS: WIEDER STUDIENGEBÜHREN? • ALARM: WER PFLEGT DIE PFLEGE? BUDGETKONSOLIDIERUNG IN ROT-WEISS-ROT: •Grundsätzlich •Konkret •Alternativen

Alternative Maerz 2012

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Monatszeitschrift der UG

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Page 1: Alternative Maerz 2012

Herausgegeben von

März 2012

Einzelheft: 1,50 Euro, Abonnement: 15 Euro

P.b.b., Verlagspostamt 1040

02Z031242 M, Kd.-Nr: 0021012558

UnabhängigeGewerkschafterInnenim ÖGB

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UNIS: WIEDER STUDIENGEBÜHREN? •ALARM: WER PFLEGT DIE PFLEGE?

BUDGETKONSOLIDIERUNGIN ROT-WEISS-ROT:

•Grundsätzlich•Konkret

•Alternativen

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AUGE/UG-Steiermark

Privatisierung vonKrankenhäusern

… und Auswirkungen und Neben-

wirkungen auf Beschäftigte, die

Gesundheitsversorgung, Arbeits-

bedingungen, Bezahlung usw.

Vortrag und Diskussion mit Kati Zie-

mer (VERDI-Berlin, Personalvertreterin

an der Charite Berlin). Moderation: Ilse

Löwe-Vogl. Kollegin Kati Ziemer wird

uns an Hand eigener Erfahrungen im

Rahmen der Streikmaßnahmen im

größten Krankenhaus Berlins, dem

Krankenhaus Charite Klinikum (Mai

2011) und weiteren Aktionen und

Maßnahmen von VERDI im Herbst

2011 zur Klinik CFM berichten.

Zeit Dienstag, 20. März 2012,

17 Uhr.

Ort AK-Steiermark, VHS, Hans-

Resel-Gasse 6, Raum 105, Graz.

Anmeldung bitte bis 15. März 2012

an [email protected].

AUGE/UG-Oberösterreich

Es reicht! Was tun?

Vortrag und Diskussion des „Treff-

punkts Pflegepersonal“ mit Kati Zie-

mer. Moderation: Johannes Reiter.

Freier Eintritt.

Zeit Montag, 19. März, 19.30 Uhr.

Ort Cardijn-Haus (ehemals Betriebs-

seminar), Kapuzinerstraße 49, Linz.

Anmeldung (0732) 79 75 04,

[email protected].

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Nachruf; Termine

MARGARETE, WIR WERDENDICH VERMISSEN

Viele von uns können es noch immer nichtfassen. Margarete Gal ist am 14. Feber 2012eingeschlafen und nicht mehr erwacht. Dasist nicht nur ein schmerzhafter Verlust fürihre Familie, sondern auch für Ihre Freundin-nen und Freunde und natürlich auch fürjene Menschen, die sich für eine bessere,gerechtere und friedliche Welt einsetzen.

Seit ihrer Kindheit war Margarete alsungetauftes Schulkind im christlichen Österreich mit Diskriminierungkonfrontiert. Aber sie lernte auch durch ihre engagierten Eltern zukämpfen und sich gegen Ungerechtigkeiten zu wehren. Ihre linkssozia-listischen Eltern lebten ihr Solidarität und soziales Engagement vor.Entsetzt sah sie 1938, wie Juden gezwungen wurden, die Straßen zureinigen und gleichzeitig unterstützte sie ihre Mutter bei der Hilfe fürverfolgte Menschen. 1942 kam nicht nur ihre Tochter Eva zur Welt, son-dern ihre Familie wurde von der Gestapo geholt. Mit ihrem kleinen Kindkonnte sie jedoch bald den Morzinplatz verlassen.

Nach 1945 war es für sie daher selbstverständlich, für ein demokrati-sches sozialistisches Österreich einzutreten und so wurde sie Mitgliedder KPÖ.

Margarete wurde auch Betriebsrätin. Ihre große Liebe war jedoch dieArbeit mit Kindern und so engagierte sie sich bei Kinderland-JungeGarde. 1968 brach für sie – wie für viele von uns – eine Welt zusam-men. Der „Sozialismus mit menschlichen Antlitz“ wurde durch die Sow-jetunion brutal niedergewalzt. Margarete , die immer wieder für Sozia-lismus, Demokratie und Menschenrechte eingetreten war, die in allenSolidaritätsbewegungen mit der 3. Welt verbunden war, mußte zurKenntnis nehmen, dass die offizielle Kommunistische Partei ihre Grund-werte über Bord geworfen hatte. Doch sie war nicht bereit auf ihreGesinnung zu verzichten. Gemeinsam mit vielen Menschen aus derGewerkschaftsbewegung, der Jugend und kommunistischen Intellektu-ellen kämpfte sie weiter. So war Margarete überall dort zu finden, woes um konkrete Initiativen gesellschaftspolitischer Art ging. Es gibtkaum eine Solidaritätsbewegung, in der Margarete nicht tätig war.Allein die Aufzählung der diversen Aktivitäten würde eine Seite füllen.Margarete wollte sich auch weiterhin politisch engagieren und sowurde sie Mitglied der Grünen Partei. Auch wenn sie sich bei den Grü-nen engagierte, so war sie nicht unkritisch dieser Partei gegenüber undwünschte sich bis zum Schluß eine radikalere Grüne Politik.

Margarete war fast 88 Jahre alt. So mancher von uns, der wesentlichjünger ist, ist müde geworden, doch Margarete nicht. Das brachte ihrBewunderung und Respekt von vielen, vor allem jungen Menschen,weit über den Kreis der Grünen ein. Autonome, junge Linksradikale,engagierte Feministinnen ebenso wie unsere ausländische FreundIn-nen waren voll Anerkennung für ihre Aktivitäten. Und so ist es keinZufall, dass sie an alle, die ihr spenden wollen appelliert, dies für UteBock zu tun.

Es ist unmöglich, all ihre Verdienste aufzuzählen. Wir können nurdankbar sein, mit einer so liebenswerten, herzensguten Revolutionärinbefreundet gewesen zu sein.

Schani Margulies

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Thema: Budgetkonsolidierung

Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 4(Un)Konkretes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 6Alternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 10

Gewerkschaft & Betrieb

Wien: Offener Brief an Bürgermeister Häupl . . . . . . . Seite 14Pension: Ende nie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 15UGöD, AUGE/UG, KIV/UG zu Nulllohnrunden . . . . . Seite 16KIV/UG: Innsbruck, SMZOst, Krankenpflege . . . . . . . Seite 18BAGS-KV: Abschluss 2012 . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 20Studiengebühren: „Universität ist etwas Elitäres“ . . . . Seite 21Worum geht es beim Sozialgipfel Reloaded?. . . . . . . Seite 22

. . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 12

IM MÄRZ

BETRIFFT: POLITISCHE SOZIALISATION

Nein. Ich werde auch im 50. Jahr meinerÖGB-Mitgliedschaft nicht zum Gewerk-schaftsaustritt aufrufen. Obwohl die Lustdazu mit den Äußerungen des ÖGB undder Gewerkschaften zur Budgetkonsolidie-rung einen neuen Höhepunkt erreicht hat.

Ich habe das in meinen jungen Jahrenin der SP nicht getan, wo Gewerkschafts-funktionäre oft zum Konservativsten zähl-ten, was die Partei aufzubieten hatte.

Ich habe das auch nicht getan, als„Dachlatten-Jolly“ die Arbeiter gegendie AktivistInnen in der HainburgerAu hetzte.

Ich habe auch nach dem ÖGB-Skandalund dem Verkauf der BAWAG an denamerikanischen Cerberus-Konzern nichtzum Austritt geraten.

Nicht einmal, als sich die angekündigteÖGB-Reform als große Seifenblase ent-puppte, reichte es.

Auch viele Jahre in meiner Gewerk-schaft mit Diskussionsunkultur der Son-derklasse und die chronische Verwechs-lung von Demokratie mit der Existenz vonWahlen haben nichts daran geändert.

Warum das so ist und war? Wahr-scheinlich liegts an meiner politischenSozialisation. Als „Werktätiger“ ist manganz selbstverständlich Mitglied derGewerkschaft, wie immer die sich auchkonkret manifestiert.

Nur: der Nachwuchs hat diese Soziali-sation nicht. Werbegespräche werdenimmer schwieriger. An die Macht der gro-ßen Mitgliederzahlen glaubt niemandmehr. Und dass ohne Gewerkschaftenalles noch schlimmer wäre, mag sein. Istaber auf Dauer kein tolles Argument.

EDITORIAL von Alfred Bastecky

IMPRESSUM Medieninhaber, Verleger: Alternative und Grüne GewerkschafterInnen(AUGE/UG) Herausgeber: Unabhängige GewerkschafterInnen im ÖGB (UG/ÖGB)Redaktion, Satz & Layout: Alfred Bastecky (Koordination), Lisa Langbein, Franz Wohl-könig (Layout) Alle: 1040 Wien, Belvederegasse 10/1, Telefon: (01) 505 19 52-0, Fax: -22,E-Mail: [email protected] (Abonnement), [email protected] (Redaktion), internet:www.ug-oegb.at, Bankverbindung: BAWAG Kto. Nr. 00110228775 Dass namentlich gezeichnete Beiträge nicht unbedingt der Meinung der Redaktion oderdes Herausgebers entsprechen müssen, versteht sich von selbst. Titel und Zwischentitelfallen in die Verantwortung der Redaktion, Cartoons in die Freiheit der Kunst. Textnach-druck mit Quellenangabe gestattet, das Copyright der Much-Cartoons liegt beim Künstler.DVR 05 57 021. ISSN 1023-2702.

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Von Schulden als Krisenfolgen, -ursachen, -bewältigung und warum daspräsentierte Konsolidierungspaket schlichtweg eine Themenverfehlung ist. Von Markus Koza.

BUDGETKONSOLIDIERUNG IN ROT-WEISS-ROT:

GRUNDSÄTZLICHES

Also: Beginnen wir nochmals ganz vonvorne. Bei der Finanz- und Wirtschafts-krise, die ab 2008 die ganze Welt –mehr oder weniger – heimsuchte.Betroffen waren jedenfalls die US-ame-rikanischen wie auch die europäischenVolkswirtschaften. MilliardenschwereBankenrettungs- und Konjunkturpaketesowie krisenbedingte Steuerausfälleund Mehrausgaben für Arbeitslosigkeitließen Budgetdefizite und Staatsschul-den wieder deutlich wachsen, nachdemsie sich die Jahre zuvor im Zeichen vonMaastricht und Stabilitäts- und Wachs-tumspakt zumindest in (Vertrags-)Gren-zen hielten.

ZUSAMMENHANG KRISEUND STAATSSCHULDENUm einen unmittelbaren Zusammen-

hang zwischen Krise und wachsenderStaatsschuld herzustellen, braucht esweder besonders ausgeprägte ökono-mische Kenntnisse beziehungsweiseAnalysefähigkeit, sondern eigentlichnur einen einigermaßen gesundenHausverstand, es genügt ein Blick aufdie volkswirtschaftlichen Kerndaten: •2007, also im letzten Vorkrisenjahr,lag das Budgetdefizit in Österreich(EU27) bei –0,9 Prozent des Bruttoin-landsproduktes-BIP (EU27: –0,9 % des

EU27-BIP), die Staatsschulden bei60,2 % des BIP (59 %). •Seit 2008, also mit Ausbruch derKrise, insbesondere allerdings in denFolgejahren 2009 und 2010, stiegenDefizite und Staatsschulden deutlich.2009, am Höhepunkt der Krise, beliefsich das Budgetdefizit in Österreich auf–4,1 % (EU27: –6,9 %), 2010 auf4,4 % (EU27: 6,6 %), die Staatsschul-den stiegen auf 69,5 % 2009 (74,7 %)und 71,8 % 2010 (80,2 %). 2011erreichte die Staatsschuldenquote inÖsterreich schließlich 72,2 %, das Bud-getdefizit lag bei –4,39 % (Quelle: Sta-tistik Austria, Eurostat). WachsendeStaatsschulden und steigende Defizitesind somit ganz offensichtlich nichtUrsache, sondern Folge der Krise.

DIE KRISENURSACHENDie Ursachen der Krise wurden und

werden von jenen ÖkonomInnen, dienicht einem religiösen Marktfunda-mentalismus anhängen, ganz woan-ders als bei der Staatsschuld verortet.Demnach ist die Krise Folge •einer über Jahrzehnte hinweg immerungleicher werdenden Verteilung vonEinkommen und insbesondere Ver-mögen und einer daraus resultieren-den schwächelnden Binnennachfragebei gleichzeitig immer riskanter undspekulativer werdenden Veranlagungs-strategien•immer größer werdender makro-ökonomischer Ungleichgewichte mitmassiven Leistungsbilanzüberschüssenhier (zum Beispiel BRD, Österreich) undentsprechend hohen Leistungsbilanz-defiziten da (zum Beispiel Spanien,Griechenland)•liberalisierter und unterregulierterFinanzmärkte mit immer unverständ-

licheren und spekulativeren Finanz-produkten.

Es sind dies die „drei U“ der Krise:Ungleichheit, internationale Ungleich-gewichte und Unterregulierte Märkte.

WIE URSACHENBEWÄLTIGUNGAUSSEHEN KÖNNTEWenn nun diese „drei U“ – und so

ziemlich alles deutet darauf hin – ver-antwortlich für die Krise sind, sollteeine seriöse Krisenbewältigung – unterdie dann auch die Bewältigung der fis-kalen Krisenkosten, also der gestiege-nen Staatsschulden – an den Ursachenansetzen und versuchen, diese zumin-dest ansatzweise zu beheben. Wiekönnte eine derartige Wirtschaftspoli-tik, die an Ursachen und nicht Sympto-men ansetzt, aussehen?•Es könnten beispielsweise steuerpoli-tische Maßnahmen gesetzt werden, umdie ungleiche Verteilung von Vermö-gen und Einkommen einzudämmen.Naheliegende Maßnahmen: vermö-gensbezogene Steuern inklusive Erb-und Schenkungssteuern, progressivereEinkommenssteuersätze, eine höhereBesteuerung von Gewinnen bei gleich-zeitiger Attraktivierung von realenInvestitionstätigkeiten gegenüber Aus-schüttungen und Veranlagungen anden Finanzmärkten. Gleichzeitig gilt es„untere“ und „mittlere“ Einkommen zustärken, etwa über höhere Transferleis-tungen, steuerliche Entlastungen odereine offensive (Mindest-)Lohnpolitik.•Die Stärkung „unterer“ und „mittle-rer“ Einkommen wäre auch einewesentliche Maßnahme, um makro-ökonomische Ungleichgewichte abzu-bauen: würde etwa die Binnennach-frage in Österreich beziehungsweise inder BRD erhöht, würden auch Importe

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Thema

Markus Kozaist UG-Vorsitzender,im ÖGB-Vorstandund Mitarbeiter derAUGE/UG in Wien.

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steigen, zum Beispiel aus Ländern mitbislang hohen Leistungsbilanzdefiziten.Auch wenn staatliche Handlungsmög-lichkeiten bei der (Mindest-)Lohnpolitikeingeschränkt sind, weil diese Gewerk-schaften und Arbeitgeberverbändenobliegt – durch höhere Transferleistun-gen (zum Beispiel Anhebung von Min-destpensionen oder Niedriglohngrup-pen im öffentlichen Dienst, Erhöhungdes Arbeitslosengeldes etc.), durchArbeitszeitverkürzung mit Lohnaus-gleich, durch eine Bekämpfung atypi-scher und prekärer Beschäftigungs-formen oder eine auf Wachstum undBeschäftigung (sozial und ökologischverträglich) ausgerichtete Konjunktur-politik können Masseneinkommen,Nachfrage und Konsum gestärktwerden und auch seitens „des Staats“Einfluss auf die Einkommenspolitikgenommen und damit ein Beitrag zumAbbau makroökonomischer Ungleich-gewichte geleistet werden.•Wenn „unterregulierte“ Finanzmärkteals Mitursache für die Krise ausge-macht werden, liegt die Lösung ohne-hin auf der Hand: Regulierung. Etwadurch ein Verbot eines außerbörsischenDerivatehandels, das Verbot riskanterFinanzmarktprodukte, Verzicht auf diesteuerliche Förderung privater Pensi-onsvorsorgeprodukte und schärfereVeranlagungsregeln, über eine Finanz-transaktions- beziehungsweise Börsen-umsatzsteuer, Bankenregulierungen,Einschränkung – bis hin zum Verbot –von Hedgefondsaktivitäten und, und,und. Auch wenn der unmittelbarestaatliche Handlungsspielraum

begrenzt erscheint und etliche Maß-nahmen wohl nur auf europäischerbeziehungsweise internationaler EbeneSinn machen, bleiben doch genugSpielräume auf nationaler Ebene übrig.Auch ein genereller Privatisierungs-stopp öffentlicher Leistungen bezie-hungsweise Unternehmen wäre einentsprechender Beitrag „Finanzmarkt-masse“ einzugrenzen. Dringend gebo-ten erscheint in Österreich auch ein„Schrumpfen“ des Bankensektors: DieBilanzsumme der österreichischenBanken beträgt schließlich das 3,6-fache des Österreichischen BIP! (Wertefür 2008, aus Markus Marterbauer:„Zahlen bitte!“)

WIE DIE ÖSTERREICHISCHEREALITÄT AUSSIEHTNun, das Problem bei alledem: Es

müsste eine gewisse Bereitschaft bezie-hungsweise Analysefähigkeit geben,die drei U als zentrale Krisenursachenanzuerkennen. Die fehlt allerdingsweitgehend, nicht nur in Österreich,sondern auch in Europa. Beziehungs-weise: Es werden makroökonomischeUngleichgewichte zwar als Krisenursa-che anerkannt, allerdings aus dieserAnalyse verheerende Schlüsse gezogen.So sehen die im Rahmen des EU-Six-Packs beschlossenen RegelungenSanktionen nur für jene Länder vor,welche Leistungsbilanzdefizite produ-zieren – weil sie mehr importieren, alssie exportieren. Und es wird auf dieseLänder Druck gemacht, Löhne, Sozial-ausgaben, Steuern etc. zu senken, um

wettbewerbsfähiger zu werden, wäh-rend Leistungsbilanzüberschussländernkeine Sanktionen drohen. Als ob Defi-zite nicht die eine, Überschüsse dieandere Seite der Medaille wären, esdas eine ohne das andere gebenkönnte! Alle Länder als „Exportwelt-meister“, das kann nicht funktionieren,sondern erzeugt nur eine Lohn- undSozialstaatsspirale nach unten, welchedie wirtschaftliche wie auch die sozialeKrise noch weiter zu verschärfen droht.

Nun, bei der Ursachenanalyse hap-pert’s also schon, ist es offensichtlichzu viel, einen Ursache-Wirkung-Zusam-menhang zwischen Krise und Staats-schuld herzustellen. Während die Sozi-aldemokratInnen das zumindest nochversuchen und durchaus diesen Zusam-menhang noch erkennen, wird dieservon Konservativen geflissentlich igno-riert, passt er doch nicht in ihr Konzepteiner an sich bestens funktionierendenMarktwirtschaft und eines „überbor-dernden“ Sozialstaates, der ihnen alsunfinanzierbar gilt, beziehungsweiseden sie schlichtweg nicht weiter finan-zieren wollen.

Angesichts der Dominanz konservati-ver Parteien in Europa und ihrer „Inter-pretationshoheit“ der Krise ist es daherauch nicht weiter verwunderlich, wieKrisenbewältigung in Rechts aus-schaut: Die Finanz- und Wirtschafts-krise – eine Krise, welche den Glaubenan den Markt schwer erschüttert hat,und eine zumindest geringe Hoffnungauf einen wirtschaftlichen Kurswechsel

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Thema

zuließ – wird zunehmend aus demkollektiven Gedächtnis verdrängt undin eine Staatsschuldenkrise umgedeu-tet, die wirtschaftspolitische Agendaentsprechend ausgerichtet: die Staats-schulden seien das Problem, die geltees abzubauen und jene Bereiche anzu-gehen, welche als „Kostentreiber“ für„explodierende“ Staatsschulden ver-antwortlich gemacht werden. Und dassind für Konservative seit jeher dieKernbereiche des modernen Sozial-staates: Das umlagefinanzierte Pensi-onssystem, das öffentliche Gesund-heitssystem, die öffentlichen Dienste.Auch wenn die Zahlen eine gänzlichandere Sprache sprechen (Marter-bauer im Rahmen seiner Buchpräsen-tation bei den Unabhängigen Gewerk-schafterInnen beziehungsweise in denUnterlagen zur ÖGB-ArbeiterkammerKonferenz vom 20. Jänner):•So ist zwar die Sozialquote – alsodie Sozialausgaben in Prozent des BIP– von 1970 bis 2008 von 20 auf 28% gestiegen, wurde der Sozialstaat,sozialstaatliche Leistungen, also aus-gebaut. Allerdings ist im selben Zeit-raum ebenso die Steuer- und Abga-benquote von 34 auf 42 % – alsoebenfalls um rund 8 % – gestiegen.Die Ausweitung des Sozialstaateswurde also von den SteuerzahlerInnenselbst finanziert.•Auch die öffentlichen Dienste tau-gen nur wenig als Sündenbock für„explodierende“ Staatsschulden:Während der gesamte Personalauf-wand für öffentlich Bedienstete – erist im Gesundheits- und Bildungs-bereich besonders hoch – sich inSumme auf rund 28 Milliarden Eurobeläuft (11 % des BIP), sind dieStaatsschulden seit der Krise um runddreißig Milliarden Euro gestiegen. Diegesamten Personalausgaben imöffentlichen Dienst fallen also gerin-ger aus, als die seit Krisenausbruchangesammelten Staatsschulden!

Nur: Was nützen Zahlen, Daten,Fakten gegen ideologische Borniert-heit? Entsprechend sieht auch das„Reform-“, „Struktur-“, „Konsolidie-rungspaket“ – also jenes 27 Milliar-den Euro schwere Was-auch-immer-Sparpaket aus. SozialdemokratischerKanzler hin, sozialdemokratischerKanzler her. Wer sich derartig einerSchuldenbremse in Verfassungsrangverschrieben hat wie er, und Vermö-

genssteuern offensichtlich mehr alsWahlkampfgag denn als ultimativeForderung gegenüber einem schwä-chelnden Koalitionspartner sieht, darfsich nicht weiter wundern, wenn erein derartiges „Packerl“ erntet.

KONKLUSIO: GLATTETHEMENVERFEHLUNGIn diesem Sinne stellt das vorlie-

gende Konsolidierungspaket überweite Strecken schlichtweg eine glatte„Themenverfehlung“ dar. Es geht nichtdie Ursachen der Krise an, sondernlediglich die Symptome. Es verortetGründe für die steigende Staatsschulddort, wo sie nicht liegen. Behebtdaher nicht die verteilungspolitischeSchieflage, sondern spart – im Gegen-teil – bei sozialstaatlichen Sicherungs-systemen, öffentlichen Diensten undbei Einkommen öffentlicher Bediens-teter und folgt damit ideologischbeharrlich dem marktdogmatischenund neoliberalen Irrweg der letztenJahrzehnte, der uns in diese Krisemanövriert hat.

Entsprechend setzt dieses Paketkeine Impulse für einen sozialen undökologischen Strukturwandel bezie-hungsweise für entsprechendesWachstum und Beschäftigung.

In Umfang und Härte ist es zwarnicht annähernd mit Konsolidierungs-paketen vergleichbar, wie sie etwa inIrland, Großbritannien, Italien, Portu-gal, geschweige denn Griechenlandgeschnürt wurden. Das Konsolidie-rungspaket enthält auch durchauseinige begrüßenswerte Punkte – etwaim Bereich der vermögensbezogenenSteuern. Diese sind allerdings vomAufkommensumfang unzureichend,dienen ausschließlich Konsolidierungs-zwecken und wirken nicht immernachhaltig.

Die Auseinandersetzung um eineWirtschafts- und Budgetpolitik, wel-che an Krisenursachen ansetzt, gehtdaher einmal mehr weiter. Denn die-ses Paket wird keinen wesentlichenBeitrag zur Krisenbewältigung leisten.Die Krise ist damit fortgesetzt. InÖsterreich. In Europa.

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An den Verursachern der Krisebeziehungsweise den Krisen-

ursachen setzt das von der rot-schwar-zen Koalition präsentierte Konsolidie-rungspaket nur wenig an: Ausgabesei-tig machen Pensionen, die öffentlichenDienste sowie das Gesundheitssystemdie größten Brocken aus. Die „Struktur-maßnahmen“ zielen auf Einkommenvon PensionistInnen und – weitest-gehend undifferenziert – öffentlichBediensteten ab.

Die Kosten der Krise werden inhohem Maße jenen aufgebürdet, diefür die Krise und ihre Folgen definitivnicht verantwortlich zeichnen. ImSteuerbereich gilt über weite Streckendas Prinzip Hoffnung, durchaus sinn-volle Maßnahmen sind teilweise nurzeitlich befristet. Vielfach bleiben dieKonsolidierungsmaßnahmen unkon-kret, etliche haben eher den Charaktervon Willensbekundungen. Einige Ziel-vorgaben scheinen beim besten Willennicht erreichbar, unrealistisch bezie-hungsweise hinsichtlich ihres Volumensüberschätzt.

KÜRZUNGEN QUER DURCH DENSOZIALEN GEMÜSEGARTEN Im Bereich Pensionen/Arbeitsmarkt

ist bis inklusive 2016 ein Konsolidie-rungsvolumen (2013 bis 2016 zusam-mengezählt) von 7,259 Milliarden Euroveranschlagt. Der Löwenanteil an Ein-sparungen entfällt dabei auf „mode-rate Pensionsanpassungen“ – also Pen-sionserhöhungen deutlich unter derInflation im Umfang von 2,56 Milliar-den Euro. Knapp über 530 MillionenEuro an Ansparungsmaßnahmenerhofft sich die Bundesregierung ausder Erhöhung der Anspruchsvorausset-zung von 37,5 auf 40 Versicherungs-jahre bei der Korridorpension und dervorzeitigen Alterspension bei langerVersicherungsdauer. Unter dem Titel„Pensionen Struktureffekt“ erhofft sichdie Koalition aus einem späterenPensionsantritt 1,2 Milliarden Euro.Reduziert werden sollen auch dieFrühpensionierungen bei den Bundes-bahnen, nämlich im Umfang vonknapp 525 Millionen Euro.

Invaliditätspensionen unter 50 sollenüberhaupt abgeschafft werden, Unter-50-jährige werden künftig in Maßnah-

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BUDGETKONSOLIDIERUNG IN ROT-WEISS-ROT:

(UN)KONKRETESmen des AMS einbezogen. Aus derPosition „Anhebung des Tätigkeits-schutzes“ (dieser gilt für I-Pensionist-Innen) – vermutlich wohl als Folge der„Eingliederung“ ins AMS mit der damitverbundenen problematischen Konse-quenz, dass ältere ArbeitnehmerInnenohne Berufsschutz länger auf den all-gemeinen Arbeitsmarkt verwiesen wer-den können, als das bislang der Fallwar – erhofft sich die BundesregierungEinsparungen von rund 460 MillionenEuro. Ein guter Teil dieser Mittel wirdwohl in die budgetierten „Arbeits-marktmittel für Ältere“ im Umfang von750 Millionen Euro fließen. Und auchein ordentlicher Brocken aus einer wei-teren Einnahmequelle: Künftig müssennämlich wieder Arbeitslosenversiche-rungsbeiträge für ältere Arbeitnehmer-Innen geleistet werden – eine durch-aus sinnvolle Maßnahme, brachtediese „Lohnnebenkostensenkung“ und„Verbilligung älterer Arbeitskraft“nämlich keineswegs den erhofftenBeschäftigungseffekt älterer Arbeit-nehmerInnen beziehungsweise Arbeits-loser. Die Mehreinnahmen aus dieserMaßnahme werden von 2013 bis 2015auf knapp über dreihundert MillionenEuro geschätzt.

Durchaus unterstützenswert undauch längst überfällig sind in diesemBündel Maßnahmen zur „Beitragshar-monisierung“ – sprich die Erhöhungder Pensionsbeiträge von Bauern undSelbständigen. Dies bringt in Summeimmerhin 637 Millionen Euro. Wasfehlt: Abgesehen von einer „Manipula-tionsgebühr“ bei arbeitgeberseitigerArbeitnehmerInnenkündigung (bis zumJahr 2016 insgesamt 343 MillionenEuro) sonstige, weiterreichende finan-zielle Sanktionsmaßnahmen bei (alters-bedingten) Kündigungen.

Für die Beschäftigten des öffentli-chen (Bundes-)Dienstes sind für 2013eine Nulllohnrunde, für 2014 und2015 lediglich „moderate“ Gehalts-anpassungen vorgesehen. Rund eineMilliarde soll auf diesem Wege einge-spart werden. Geplant ist auch ein Auf-nahmestopp mit einem Einsparungs-volumen von rund 470 Millionen Euro.Zusammen mit weiteren kleinerenMaßnahmen beläuft sich das „Spar-paket öffentliche Bundesbedienstete“auf 1,8 Milliarden Euro. Ist schon dieNulllohnrunde als undifferenziertesLohnkürzungsprogramm – trifft esdoch nicht nur gut verdienende Spit-zenbeamte sondern auch zum Beispieldeutlich schlechter verdienende Privat-angestellte (zum Beispiel Junglehrer-Innen) im öffentlichen Dienst – istauch der Aufnahmestopp alles andereals erfreulich. Der geplante Beschäfti-gungsabbau von 1000 Stellen pro Jahr– Marterbauer geht von 2000 Postenjährlich aus – würde sich bis 2016 aufeinen Verlust von 5000 bis 9000 rela-tiv gut abgesicherten und entlohnten,unter ihnen auch hoch qualifiziertenBeschäftigungsverhältnissen im öffent-lichen Dienst summieren. Zwar sindeinzelne Bereiche ausgenommen(LehrerInnen, Polizei, Gerichtsbarkeit,Justizwache und Finanzpolizei) – derBeschäftigungsabbau geht allerdingsklar auf Kosten der „Jungen“ und wohlauch auf die Qualität der öffentlichenVerwaltung. Und: Es stellt sich schlicht-weg die Frage, wer denn – etwa imSchulbereich – künftig die Arbeitweggefallener Verwaltungsbeamtermachen wird … die LehrerInnen? Eswäre auch eine Illusion, von Nulllohn-runden im öffentlichen Bundesdienstkeinerlei Effekte auf andere „Bran-chen“ beziehungsweise Beschäftigten-

gruppen zu erwarten – etwa auf „aus-gegliederte“ Betriebe, Landesbediens-tete, Gemeindebedienstete oder vonöffentlichen Geldern abhängige pri-vate Sozial- und Gesundheitseinrich-tungen. Setzte es bereits in einigenBundesländern Nulllohnrunden bezie-hungsweise Abschlüsse unter demBundesschnitt, wird sich diese Tendenzwohl noch verstärken. An öffentlicheVerhandlungsergebnisse angelehnteprivate (etwa BAGS, privater Kinder-gartenbereich in Oberösterreich,Jugendzentren in Wien …) Kollektiv-vertrags-Runden beziehungsweiseLohnschemata – drohen ebenso unterDruck zu geraten, wie die Einkommender deutlich unter jenen der Bundes-und Landesbediensteten liegendenGemeindebediensteten.

Schließlich müssen auch Länder undGemeinden einen Konsolidierungsbei-trag von 5,2 Milliarden Euro leisten(auch wenn dieser durch zusätzlicheSteueranteile nur rund zur Hälfte „aus-gabeseitig“ fällig wird). Und: Wien,Niederösterreich und weitere Bundes-länder zeigen durchaus Sympathien fürNulllohnrunden und Aufnahmestoppsin ihren Gebietskörperschaften.

In Summe beläuft sich das veran-schlagte Einsparungsvolumen beiDienstrecht (also bei den öffentlichenBundesbediensteten) und der Bundes-verwaltung auf 2,544 Milliarden Euro.Ein Posten aus diesem Bereich sei nochbesonders hervorgehoben: Nämlichjener der „Ermessensausgaben“, alsoder „frei verfügbaren“ finanzielle Mittelin Ministerien und Bundeskanzleramt,die für Subventionen und Förderungenzur Verfügung stehen. Aus diesen Mit-teln werden unter anderem auch Frau-

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enberatungseinrichtungen, Frauen-häuser, diverse soziale Einrichtungen,die mit der Erfüllung öffentlicher Auf-gaben betraut sind, aber auch Kultur-initiativen beziehungsweise -veranstal-tungen unterstützt. Diese Ermessens-ausgaben sollen nun jährlich um 170Millionen Euro gekürzt werden. Es dro-hen somit – auch – Einsparungen inoben genannten Bereichen, die ohne-hin seit Jahren an notorischer Unterfi-nanzierung, personeller Unterbeset-zung und prekärer Beschäftigung lei-den. Kommt es zu einer weiteren Kür-zung der Ermessensausgaben, drohenden Beschäftigten in oben genanntenBereichen Einkommenskürzungensowie eine Verschlechterung des Ange-bots an sozialen Dienstleistungen.

Als letzte große Brocken bleiben diegeplanten Einsparungen bei denFörderungen und staatlichen Unter-nehmen (3,492 Milliarden Euro) undim Gesundheitsbereich (1,372 Milli-arden Euro).

Nicht durchringen konnte sich dieBundesregierung – wohl nicht zuletztauf Druck der Länder – verkehrspoli-tisch ausgesprochen hinterfragens-werte milliardenschwere Infrastruktur-projekte, wie den Koralm- oder denBrennerbasistunnel, einfach aufzuge-ben. Milliarden, die wohl in Bildung,Klimaschutz, sozialen Diensten, Wis-senschaft und Forschung – wo auchimmer – sinnvoller angelegt wären.Diese Großprojekte sollen nun „redi-mensioniert“ – sprich wohl aufgescho-ben – werden. Mit erhofften Einspa-rungen von rund 916 Millionen einhöchst fragwürdiges Unterfangen … EinPosten der jedenfalls Aufmerksamkeitseitens der Gewerkschaften verdient:die Förderpyramide. Die Bundesregier-ung will das Fördersystem reformieren.Förderungen soll es – so die Zielvor-gabe – nur noch aus „einer Hand“geben, zum Beispiel von einer Gebiets-körperschaft. Also keine Förderung vonzum Beispiel Photovoltaikanlagen vonLand und Bund. Gemeinsam mit einerstrikten „Ausgabendisziplin“ werdenfür 2015 und 2016 Einsparungen voninsgesamt nicht weniger als einerMilliarde Euro erwartet. Massiv treffenkönnte diese Reform des Fördersystemsallerdings einmal mehr auch sozialeDienstleister, deren Projekte aus unter-schiedlichen Quellen – verschiedenerstaatlicher Ebenen – finanziert werden

(zum Beispiel Bundessozialamt,Arbeitsmarktservice, Land, Gemeinde). •Wie sich die Reform des Förder-systems wohl auf die künftige Finan-zierung sozialer Dienstleistungenauswirken wird? •Wird die Förderpyramide projekt-oder unternehmensbezogenausgestaltet? •Werden Fördermittel der entspre-chenden Körperschaft aufgestockt,um den Leistungs- beziehungsweiseFinanzierungsstandard zumindesthalten zu können?

Angesichts eines angestrebten Ein-sparungsvolumens in Milliardenhöheist wohl das genaue Gegenteil zubefürchten …

Bleibt zuguterletzt das Gesundheits-wesen. 1,3 Milliarden sollen hier einge-spart werden. Wie? Über den Abschlusseiner 15a-Vereinbarung über ein„gemeinsam vereinbartes Zielsteuer-ungssystem betreffend einer integrati-ven Gesundheitsplanung und Steue-rung des stationären und ambulantenBereichs“. Selbst wenn diese Einspa-rung gelänge: Tatsächlich bräuchte esmehr, statt weniger Geld im Gesund-heitssystem: etwa für Pflege, für Perso-nal, für Psychotherapie, für Zahnleis-tungen … „Umschichtungen“ durch dasHeben von Sparpotentialen innerhalbdes Gesundheitssystem erscheinenzwar durchaus realistisch, sinnvoll undmöglich. Einsparungen zu Budgetkon-solidierungszwecken – also Geldentzugaus dem Gesundheitssystem – wird dasGesundheitssystem, das Leistungsan-gebot, die Arbeits- und Einkommens-bedingungen für die darin Beschäftig-ten dagegen wohl kaum verbessern.

EINNAHMESEITE: DIE REICHENWERDEN ERFREUT SEINDer einnahmeseitige Anteil – also

das zusätzliche Steueraufkommen vonrund 7,2 Milliarden Euro (2012 bis2016) – am Konsolidierungspaketbeträgt rund 28 %. Das Erfreuliche am„Steuerpaket“: Einige Steuerlücken –gerade auch im Vermögenszuwachs-und Unternehmensbereich – wurdengeschlossen, eine Erhöhung von Mas-sensteuern bleibt aus. Das unerfreu-liche: Der mögliche Spielraum beivermögensbezogenen Steuern wurdenicht einmal ansatzweise ausgereizt,aus ökologischer Sicht – etwa wenn es

um die Streichung umweltschädigen-der Subventionen und Steuerbegünsti-gungen in Milliardenhöhe geht – istdas Paket schlichtweg eine Zumu-tung, private Pensionsvorsorgebleibt weiterhin großzügig steu-erlich gefördert. Die Maßnahmenim Einzelnen:

Im Bereich vermögensbezoge-ner Steuern fällt künftig eine 25%ige Abgabe auf Umwid-mungsgewinne (bei Veräuße-rung) an, die Spekulations-frist auf Gewinne aus demVerkauf von Immobilienwird aufgehoben (ausge-nommen Hauptwohn-sitze). Knapp über 2 Milli-arden Euro an zusätzlichenEinnahmen werden von2013 bis 2016 budgetiert.Reformen im Bereich derGruppenbesteuerung sollenrund 275 Millionen Euro anzusätzlichen Einnahmen bringen. Bes-serverdienerInnen haben – allerdingsnur befristet bis 2016 – einen „Solidar-beitrag“ zu leisten: Angestellte abeinem Einkommen von 184.000 EuroBrutto im Jahr, Selbständige ab einemGewinn von 175.000 Euro jährlich.440 Millionen Euro soll diese Maß-nahme ins Budget spülen. Allerdings –nur bis dahin! Die Rückvergütung derMineralölsteuerfür LandwirtInnen –allerdings auch für öffentliche Ver-kehrsmittel – wird gestrichen. Was ab2013 jährlich rund achtzig MillionenEuro bringen soll.

Die Einschränkung des Vorsteuer-abzug bei Bauvorhaben ist hinsichtlichihrer Beschäftigungswirkung dagegenumstritten, droht diese Maßnahmedoch die Investitionstätigkeit vonGemeinden, den größten öffentlichenInvestoren, zu dämpfen. Bruno Ross-mann, Budgetexperte in der Arbeiter-kammer und ehemaliger Grüner Bud-getsprecher im Nationalrat, schätzt diedirekten und indirekten beschäfti-gungsdämpfenden Effekte auf rundfünftausend Personen.

Höchst unsicher ist weiters, ob dieveranschlagten 1,5 Milliarden Euro auseiner Finanztransaktionssteuer ab2014 jemals den Weg in den österrei-chischen Staatssäckel finden werden.Einerseits, weil diese Steuer seitens derEU-Kommission als „EU-Steuer“geplant ist, andererseits weil die Ver-

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wirklichung ab 2014 höchst fragwür-dig ist. Die weitaus „sicherere“ Wieder-einführung einer Börsenumsatzsteuerbis zur Umsetzung einer EU-weitenFinanztransaktionssteuer, ist bedau-erlicherweise nicht vorgesehen.

Auch das Aufkommen aus einerAbgeltungssteuer auf in

der Schweiz veran-lagtes

„Schwarzgeld“ österreichischer Steuer-pflichtiger im Umfang von 1,150 Milli-arden Euro ist keineswegs ausge-machte Sache. Einerseits weil Verhand-lungen mit dem westlichen Nachbarndarüber scheinbar noch nicht einmalernsthaft begonnen worden sind.Andererseits, weil ein derartiges bilate-rales Abkommen europäische Bestre-bungen zu einer EU-weiten Zinsricht-linie torpedieren würde (worin das„Bankgeheimis“- und „Steuerparadies“Österreich übrigens schon langjährigeErfahrung hat). Die EU-Kommissionzeigt sich jedenfalls nur „wenig“ amu-sed über den österreichischen Vorstoß.

Ausgesprochen „maßvoll“ fallenauch die Kürzungen im Bereich der pri-vaten Pensionsvorsorge aus. Private,kapitalgedeckte Pensionsvorsorgepro-dukte werden nach einer im Auftragdes Sozialministeriums erstellten WIFO-Studie im Umfang von rund 1,3 Milliar-den Euro steuerlich gefördert. Jährlich!Nun wird zwar die Prämie bei derbegünstigten Zukunftsvorsorge hal-biert – das bringt allerdings ein Erspar-nis von nur rund 43 Millionen Euro proJahr. Sinnvoll, aber bescheiden. Viel zubescheiden. Mit der Halbierung derBausparprämie wird zwar Sparen inZeiten der Krise unattraktiver – und es

stellt sich durchaus die Frage, warumSparen überhaupt steuerlich gefördertwerden soll. Andererseits sind geradeBausparverträge Sparformen der „brei-ten Masse“, eine Halbierung entspre-chend unpopulär. Einsparungspoten-tial: 76 Millionen Euro jährlich. Und esbleibt vor allem die Frage, warum imVergleich zum Bausparen ausgerechnetprivate Pensionsvorsorge und Vorsorge-produkte – wie betriebliche Pensions-kassen – weiterhin großzügig steuer-lich gefördert bleiben …

CHANCE AUF MEHR SOZIALEGERECHTIGKEIT VERTAN

Die Budgetkonsolidierungbeziehungsweise der Schulden-

abbau in Österreich folgt nichtdem Verursacherprinzip und übt sich

auch nicht in Ursachenbeseitigung,sondern erfolgt weitestgehend nachtraditionellem neoliberalen Mustern,wonach für wachsende Staatschuldensozialstaatliche Leistungen (Pensionen,Gesundheitssystem) und öffentlicheDienste verantwortlich zeichnen, die eszu kürzen gilt.

Die Budgetkonsolidierung erfolgtzusätzlich im Zeichen der „Schulden-bremse“ sowie entsprechender, restrik-tiver europäischer Vorgaben (Six-Pack,Fiskalpakt). Und das zum denkbarschlechtesten Zeitpunkt. Auch wenndas Krisenjahr 2012 noch nicht im Zei-chen umfangreicher Sparmaßnahmensteht, droht eine europaweit, gleich-zeitig stattfindende Austeritätspolitikdie Krise in den nächsten Jahren zuverstärken. So rechnet Rossmann bis2016 mit einem kumulierten Beschäf-tigungsverlust als Folge des österrei-chischen Konsolidierungspakets imUmfang von 13.000 bis 15.000 Perso-nen. Der Wachstumsverlust als Folgeder Konsolidierung wird für 2012 auf–0,1 %, 2013 auf bereits –0,4 % und2016 auf –0,6 % geschätzt. Einenwesentlichen Anteil an diesem Job-abbau hat dabei der Aufnahmestoppim öffentlichen Dienst.

Die Budgetkonsolidierung erfolgtsozial unausgewogen. Insbesondereder abermalige Verzicht auf Vermö-genssteuern (inklusive Erbschafts- undSchenkungssteuern) und die unterlas-sene Reform der Grundsteuer kommtden „Krisenverursachern“ zugute, jenerkleinen Bevölkerungsgruppe, bei der

sich die Vermögen konzentrieren. Ross-mann hat – unter Ausblendung jenerAusgaben beziehungsweise Einnah-men die unsicher beziehungsweise zuunkonkret ausformuliert sind (zum Bei-spiel Finanztransaktionssteuer, Abgel-tungssteuer) – errechnet, dass dasuntere und das mittlere Einkommens-drittel deutlich stärker belastet werden,als das obere Einkommensdrittel unddie obersten Einkommen. Überpro-portional von den Sparmaßnahmenbetroffen sind dabei PensionistInnenund öffentlich Bedienstete.

Bei den im Konsolidierungspaketbeschriebenen „Zukunftsinvestitionen“beziehungsweise „Offensivmaßnah-men“ handelt es sich in Wirklichkeitum eine Fortschreibung der Loipersdor-fer Beschlüsse, nicht um „frisches“ Geldaus Umschichtungen oder zusätzlichenEinnahmen. Die Mittel im Bereich Bil-dung reichen gerade aus, um beschlos-sene Programme wie Personal für dieneue Mittelschule, Senkung der Klas-senschülerhöchstzahl etc. zu finanzie-ren. Die „Unimilliarde“ sichert über2013 jene Mittel ab, die den Universi-täten auch zuvor zur Verfügung stan-den. Der Pflegefonds ist nun zwar über2014 gesichert, wird aber nicht aufge-stockt. Zusätzliches Geld für eine „Sozi-almilliarde“, für eine „Bildungsmilli-arde“, für nachhaltige, Beschäftigungund Wohlstand schaffende Zukunftsin-vestitionen in Bildung, soziale Dienste,Klimaschutz und den ökologischenUmbau unseres Industriesystems gibtes nicht. Gehobene Sparpotentialesowie zusätzliche Steuereinnahmensind der Umsetzung der „Schulden-bremse“ untergeordnet, nicht einerauf Wachstum- und Beschäftigungausgerichteten Budgetpolitik.

Großzügige Mittel für Zukunftsinves-titionen aus Vermögenssteuern bezie-hungsweise einer Ökologisierung desSteuersystems bleiben in diesem Kon-solidierungspaket ausgespart. Die imPaket verankerten „Offensivmaßnah-men“ reichen jedenfalls nicht, um einsozial und ökologisch verträglichesWachstum zu fördern, Beschäftigungzu schaffen und die Konjunktur anzu-kurbeln. Ohne diese wird eine nach-haltige Budgetkonsolidierung aller-dings nur schwer möglich sein. InÖsterreich wie in Europa.

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BUDGETKONSOLIDIERUNG IN ROT-WEISS-ROT:

ALTERNATIVEN

W

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Thema

ie könnten solidarische und ökologi-sche Alternativen zum SPÖ-ÖVP Spar-paket aussehen? Maßnahmen, die einsoziales und ökologisches Wachstumvon Wohlstand und Beschäftigung för-dern und gleichzeitig einen sozial aus-gewogenen Beitrag zur Budgetkonso-lidierung leisten könnten? Umweltver-bände, NGOs und auch wir Alternativ-gewerkschafterInnen haben immerwieder entsprechende Vorschlägegebracht. Hier noch einmal in gebo-tener Kürze eine kleine, keineswegsvollständige Auswahl.

UMWELTSCHÄDIGENDESUBVENTIONEN STREICHENDer Umweltdachverband hat in

Österreich umweltschädigende Subven-tionen in einer Größenordnung von 4,3bis 5,4 Milliarden Euro festgemacht,die kurz- bis mittelfristig abbaubarwären. Zu diesen Subventionen gehö-ren unter anderem•die steuerliche Bevorzugung vonDiesel gegenüber Benzin im Ausmaßvon rund sechshundert Millionen Euro,•die steuerliche Begünstigung vonDienstwagen und „Fiskal-LKW“ imUmfang von rund 1,6 Milliarden Euro,•die Steuerbefreiung von Kerosin vonrund 290 Millionen Euro,•die Mineralölsteuer-Befreiung vonumweltschädigendem „Bio“-Sprit imUmfang von annähernd zweihundertMillionen Euro,•die Grundsteuerbefreiung vonVerkehrsflächen mit rund 110 bis130 Millionen Euro.

Allein der Abbau der Hälfte allerumweltschädigenden Subventionenbrächte rund zwei Milliarden Euro jähr-lich. Eine Ausweitung der LKW-Mautauf Bundesstrassen brächte von 2015

bis 2020 rund 1,5 Milliarden Eurozusätzlich, so der Verkehrsclub Öster-reich. Rund 1,5 Milliarden pro Jahr –könnte dabei in ein „Zukunftsinvesti-tionspaket Klimaschutz“ – in thermi-sche Sanierung, erneuerbare Energien,umweltfreundliche Mobilität, Energie-effizienz, soziale Ausgleichsmaßnah-men etc. – investiert werden, einehalbe bis eine Milliarde in die Budget-konsolidierung fließen. Die „Dividende“derartiger Investitionen: Beschäftigungim Umweltbereich, mehr Energieauto-nomie, Erreichung der Klimaschutzzieleund daraus resultierende Ersparnis vonStrafzahlungen, niedrigere Energie-kosten für die Haushalte, Förderungumweltfreundlicheren Verhaltens durchsteuerliche Lenkungseffekte.

VERMÖGENSBEZOGENESTEUERN EINFÜHRENDiese würden unmittelbar an einer

Krisenursache – der Ungleichverteilungbeziehungsweise Konzentration vonVermögen – ansetzen, sowie am Ver-ursacherprinzip: Diejenigen, die für dieKrise und daraus entstehende Krisen-kosten verantwortlich zeichnen, tragenauch die Folgekosten. Diejenigen,deren Vermögen gerettet wurde,zahlen nun auch den Preis dafür.Gleichzeitig sind Vermögenssteuerneine „Krisenprävention“ mit dem Ziel,mehr soziale Gleichheit, mehr Vertei-lungs- und mehr Leistungsgerechtigkeitherzustellen.•Eine Reform der Grundbesteuerung(inklusive Freibeträge für kleine undmittlere Grund- und Immobilienvermö-gen oder einer Progression) brächtelaut Wirtschaftsforschungsinstitutzusätzlich rund eine Milliarde Euro fürdie Kommunen,

•eine allgemeine Vermögenssteuermit Schonung kleiner und mittlerer Ver-mögen brächte ja nach Modell (Schul-meister, GPA, ÖGB, …) zwischen 2,5und drei Milliarden Euro,•eine reformierte Erbschafts- undSchenkungssteuer mit Freibeträgen fürkleine und mittlere Erbschaftenbrächte zwischen vierhundert Millionen(Arbeiterkammer) und 1,1 MilliardenEuro (Schulmeister),•eine Reform der Börsenumsatz-steuer brächte rund zweihunderMillionen Euro.

Jahr für Jahr wäre ein Vermögens-steueraufkommen zwischen drei undfünf Milliarden Euro möglich. Darauskönnte eine „Sozialmilliarde“ – Investi-tionen in Soziale Dienste wie Pflege,Betreuung – finanziert werden, ebensoeine „Bildungsmilliarde“ in Schulen,Kindergärten, Universitäten investiertwerden. Für Budgetkonsolidierungs-maßnahmen stünde noch die eine oderandere Milliarde Euro jährlich zur Ver-fügung. Garantiert sozial treffsicher –garantiert verursachergerecht.

WEITERE MASSNAHMENIm Bereich der Landwirtschaft tut die

Herstellung von mehr Steuergerechtig-keit ohne Subventionen für die Land-wirtschaft zu streichen (!) Not. Als eineMaßnahme wurde einmal die Mineral-ölsteuer-Befreiung für Agrardieselabgeschafft. Weitere Maßnahmen wie•die Abschaffung beziehungsweiseEinschränkung der Pauschalierung unddie Umstellung auf eine normale Ein-Ausgabenrechnung brächte rund zwei-hundert Millionen Euro,•die von Landwirten einbehalteneaber nicht abgelieferte Umsatzsteuer

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brächte noch einmal ungefähr hundertMillionen Euro.

Auch im Einkommenssteuerbereich –durchaus auch bei den unselbständigBeschäftigten – gibt es steuerlicheBegünstigungen, die sowohl beschäfti-gungspolitisch, als auch aus emanzi-patorischen Gesichtspunkten proble-matisch sind, etwa•die steuerliche Begünstigung vonÜberstunden, die zwischen hundert-fünfzig und dreihundert MillionenEuro kostet,

•der Alleinverdienerabsetzbetrag, deram tradierten Bild des „männlichen“Alleinverdieners und -ernährers ansetztund ein ganz bestimmtes Familienbild– nämlich jenes der Hausfrau daheim– mit rund dreihundertsechzig Millio-nen Euro pro Jahr steuerlich fördert,•die steuerliche Absetzbarkeit vonKinderbetreuung im Umfang vonhundertfünfzig Millionen Euro, diesinnvoller in Kinderbetreuungsplätzeinvestiert wären,•die großzügige steuerliche Förderungprivater Zukunftsvorsorge, von Betriebs-pensionen und anderen privatenVorsorgeprodukten im Ausmaß vonrund 1,3 Milliarden Euro im Jahr(WIFO-Studie),•die schwach ausgeprägte Progressionim österreichischen Steuersystem: EinFünf-Prozent-Aufschlag zur Einkom-mensteuer ab hundertvierzigtausendEuro sowie die Abschaffung des fikti-ven 13./14. Monatsgehalts für Selb-ständige („Gewinnfreibetrag“), dersachlich nicht begründbar ist, brächtezwischen drei- und fünfhundert Millio-

nen Euro. Auch das: sozial garantierttreffsicher. Und warum der „Solidar-zuschlag“ zum 13./14. Monatsgehaltnur zeitlich befristet werden soll, istauch nicht nachvollziehbar.

Auch hier wären Einsparungspoten-tiale im hohen, dreistelligen Millionen-Euro-Bereich pro Jahr möglich – diesowohl zur Budgetkonsolidierung alsauch zur Stärkung niedriger Einkom-men und Armutsbekämpfung (Negativ-steuer, Mindestsicherung etc.) aufge-wandt werden könnten.

MILLIARDENINVESTITIONEN IMVERKEHRSBEREICH EINSPARENEin hohes Sparpotential von bis zu

sechs Milliarden Euro sieht der Ver-kehrsclub Österreich etwa im Auto-bahn- und Straßenbau, da die geplan-ten Projekte auf veralteten Verkehrs-prognosen beruhen würden. DieseEinsparungen würden zwar nichtunbedingt unmittelbar budgetwirksam,wären allerdings – nicht zuletzt ausökologischen Erwägungen, und da derBund letztlich auch für „ausgeglie-derte“ Schulden der Autobahnen- undSchnellstraßen-Finanzierungs-Aktienge-sellschaft haftet – sinnvoll. Die Kostenfür die großen und ob ihrer Sinnhaftig-keit verkehrspolitisch hoch umstritte-nen Tunnelprojekte der ÖBB (Koralm-,Brenner-Basis- und Semmeringtunnel)liegen realistischerweise zwischen

zwanzig und dreißig Milliarden Euro(Der Standard, 21. Dezember 2011).Würde der Ausstieg aus einem odermehreren dieser Projekte gelingen,wären Einsparungen in Milliardenhöhemöglich. Ein Bruchteil dieser Mittel imPersonen-Nahverkehr eingesetzt, wärenicht nur ein wichtiger Beitrag zuumweltfreundlicher, bedarfsgerechterMobilität, sondern würde auchBeschäftigung schaffen. Während eineMilliarde Euro in Autobahnen inves-tiert 10.190 Personenbeschäftigungs-

jahre bringt, schafft ein gleiches Inves-titionsvolumen im Personen-Nahver-kehr 16.440, in den Bahnstreckenaus-bau 16.300 Personenbeschäftigungs-jahre (Quelle: Verkehrsclub Österreich,Jobmotor öffentlicher Verkehr).

BESTE SPARMETHODE:ARBEITSLOSIGKEIT BEKÄMPFENNoch einmal betont sei: Die beste

Form der Budgetkonsolidierung ist dieBekämpfung von Arbeitslosigkeit durcheine sozial und ökologisch verträglicheKonjunktur- und Beschäftigungspolitik.Denn hunderttausend Arbeitslose „kos-ten“ dem Staat (Arbeitslosengeld, ent-gangene Steuern und Abgaben etc.)nach Arbeiterkammer-Berechnungen2,7 Milliarden Euro. Im Kampf gegenArbeitslosigkeit – nicht gegen Arbeits-lose – liegt ein gewaltiges „Sparpoten-tial“! In Österreich. In Europa.

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Der Ausbau des Personen-Nahverkehrs wäre nicht nur einBeitrag zu umweltfreundlicherMobilität, sondern würde auchBeschäftigung schaffen

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Offener Brief an Bürgermeister Häupl

Betrifft: Vorzeitige Versetzungen in den Ruhestand

Sehr geehrter Herr Bürgermeister!

Den Tageszeitungen vom 22. Feber 2012 ist zu entnehmen, dass Sie offensichtlich auf den„Alarm“ der ÖVP reagieren, die für das Jahr 2012 eine Prognose von 700 vorzeitigen Versetzun-gen in den Ruhestand hochgerechnet hat.

Ich bin Mitglied der gemeinderätlichen Personalkommission, die monatlich mit diesen Verset-zungen in den Ruhestand befasst ist, und möchte Sie auf Folgendes aufmerksam machen:

Die „Hochrechnung“ von Herrn Gemeinderat Ulm, der auch der Kommission angehört, gehörtrichtig gestellt. Im Zusammenhang von Versetzungen in den vorzeitigen Ruhestand von Frühpen-sionen zu sprechen ist verzerrend, weil der Eindruck entsteht, die Menschen gehen aus Jux undTollerei in Pension und feiern „Happy-Pensi“. Die Menschen, die vorzeitig in den Ruhestand ver-setzt werden sind krank und zwar so krank, dass sie keinen Dienst mehr versehen können. Oftgeschieht das auch gegen ihren Willen, weil sie wegen Krankheit ihr soziales Umfeld nicht verlie-ren möchten und weil sie auch wegen ihrer Krankheit eine geringere Pension (Ruhegenuss) erhal-ten. Der Versetzung in den Ruhestand geht oft ein sehr langes Verfahren mit amtsärztlichenUntersuchungen voraus und erst ein einjähriger Krankenstand, beziehungsweise die Prognose aufnicht absehbare Genesung löst eine Versetzung in den Ruhestand aus.

Die Kronenzeitung vom 22. Feber 2012 zitiert Sie so: „Der Amtsarzt muss Gutachten nach einerumfassenden ärztlichen Untersuchung erstellen. Es wird nicht möglich sein, einfach irgendetwaszu erzählen, um in Frühpension gehen zu können.“

Wenn Sie das so gesagt haben, dann kann ich das nur als zynisch bezeichnen. Es wird wenigSinn haben, sich einfach an ein statistisches Alter zu klammern und die Menschen „gesund zureden“. Wenn Sie das nicht so gesagt haben, dann kann ich Sie nur ersuchen, das richtig zu stel-len. Menschen, die krank sind und die oft sehr lange ihren Dienst für die Stadt Wien versehenhaben, brauchen unsere Hilfe und Unterstützung und auch den nötigen Respekt seitens derDienstgeberin und nicht die Darstellung, mehrere von ihnen wären nur „Gschichtl-Erzähler“.

Sprechen wir von den Dingen, die die Stadt leisten könnte und müsste. Sparprogramme, diedarauf abzielen, den Personalstand zu verringern und Dienstposten nicht nachzubesetzen, tragensicher nicht zur Gesundheit jener bei, die die Arbeit zu verrichten haben. Gesundheitsprogramme,die von der Stadt Wien initiiert werden sind wirklich gut, aber das Hauptaugenmerk sollte aufVermeidung belastender Situationen liegen und nicht auf Aushalten von Drucksituationen.

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, stellen Sie sich schützend vor die im Dienst krank geworde-nen Menschen und verwahren Sie sich gegen falsche Darstellungen.

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Gerhard Winterist Personalvertreterder KIV imWiener Marktamt.

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69,70, 75 – die Debatte umdie Hinaufsetzung des Pensi-

onsantrittsalters kommtgerade wieder so richtig in Fahrt.

40, 45 Jahre arbeiten? Zu wenig. Undes ist immer wieder erstaunlich, wieviele und welche Menschen das ein-leuchtend finden. Erschöpfung? Einbil-dung oder Einzelschicksal. Altersmüde?Unsinn, aktive Senioren wissen garnicht, was das sein soll. Es sind vorallem die Gebildeten aus der Mittel-schicht, denen es gelungen ist, einenBroterwerb zu finden, der mit Befriedi-gung und/oder Macht verbunden ist,denen das längere Arbeiten einleuch-tet. Es sei ihnen vom Herzen gegönnt,aber für die Mehrheit der Menschentrifft das leider nicht so zu. Die Arbeitals Vergnügen? Als Sinn? Das kommtdoch wirklich auf die Arbeit an. Diemeisten Menschen müssen fremdbe-stimmt und schneller oder härter arbei-ten, als der Gesundheit zuträglich ist.

Es ist, wie wir es einmal gelernthaben: Lohnabhängige, die arbei-ten müssen, um ihr Leben zubestreiten. Die Arbeit wird also ver-kauft, um das Überleben zu sichern.Jahrzehntelange Kämpfe haben dieBedingungen, unter denen dasgeschieht, zu verbessern versucht.Auch, indem festgelegt wurde, wielange das sein muss, und wie das Altergesichert sei. Und jetzt haben wir indiesem Kampf ganz schlechte Karten.

Diese historische Situation ist schonschwer erträglich. Unerträglich ist diePropaganda drumherum. Faulheit,Trägheit, Bremsertum wird denen vor-geworfen, die sich für anständige Pen-

sionen einsetzen. SchwindlerInnenund TachiniererInnen sind die, die vor-zeitig in Pension gehen. Wer sich in derArbeit ruiniert hat oder einfach nichtmehr kann, schadet der Gesellschaft.Und ein schlechtes Gewissen sollensowieso alle kriegen, die schon in Pen-sion sind. Weil Pension sei Schmarot-zertum an der Gesellschaft, so stellendie „Experten“ es dar. Und es wirdpraktisch unmöglich gemacht, über-haupt früher in Pension zu kommen,wenn man nicht von einem der grossenUnternehmen in Pension geschicktwird. Den Zustand, dass auf gar nichtsmehr verwiesen werden kann, errei-chen nur wenige lebend, wenn siekeine Beziehungen haben.

Dazu kommt, dass es viele Berufegibt, in denen es in der Regel unmög-lich ist, als alter Mensch zu arbeiten.Dazu müssen gar nicht nur die Hilfs-arbeiter am Bau oder die Kassiererin

im Supermarkt bemüht werden, auchin anderen, in Berufen mit Ausbildung,ist es selten denkbar, so lange zu arbei-ten, seien es KindergärtnerInnen, Leh-rerInnen, Pflegepersonen, Stadtgärtner-Innen, Feuerwehrleute, oh, diese Listelässt sich lang fortsetzen. Was werdendie alle tun sollen nach 35, 40 Dienst-jahren? So viele Portiere gibt’s garnicht. Oder sollen die alten Feuerwehr-männer eingesetzt werden, um den

alten Kindergärtnerin-nen von den kleinenSesserln aufzuhelfen?Na die Kommentareder wohlhabenden Mit-telschichteltern möchteich hören, wenn dieLehrerin 68 ist, da wer-den wohl Privatschulenmit jungem Personalerrichtet werden müs-sen? Aber wirklich lustigist das nicht. Es heisst janur, dass diese alle „vor-zeitig“ in Pension (oderdie Arbeitlose) müssen,

mit Abschlägen unddamit die Pensi-onshöhen ins-gesamt niedri-ger werden. Auch wenn es

der derzeitigenAnsicht widerspricht:

Genug, ist genug. Irgendwanngeht’s nicht mehr so leicht und irgend-wann muss ein Ende sein. Das Mär-chen von den superaktiven SeniorInnenist nett, aber für viele leider nur einMärchen. Das muss ja nicht heissen,dass die, die gerne arbeiten und ihreErfüllung darin gefunden haben, auchin Pension gehen müssen. Sie sollenarbeiten dürfen. Aber nicht auf Kostenderer, die nicht dieses Glück hatten.Das Arbeitsleben muss ein Ende habendürfen und das mit einer Pension, vonder sichs anständig leben lässt.Irgendwann war das noch allgemeinunumstritten …

ENDE NIE?

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Lisa Langbeinist ehemalige UG-Vorsitzende.

Spar-Experten sagen uns,

dass wir zu kurz arbeiten.

Von Lisa Langbein.

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Unabhängige GewerkschafterInnen im öffentlichen Dienst:

Erbschafts- und Vermögenssteuern statt Nulllohnrunden und Arbeitsplatzvernichtung durch Bund und Länder

Die Unabhängigen GewerkschafterInnen in der GÖD lehnen das von der Regierung vorgelegte Konsolidierungspaketab, weil es massive Einkommensverluste der PensionistInnen und öffentlich Bediensteten vorsieht und dabei dieKonjunkturstütze der Kaufkraft niedriger und mittlerer Einkommen kurz- und mittelfristig verringert, während Krisen-

verursacher, Krisengewinner und die Vermögen der oberen Zehntausend weitgehend unangetastet bleiben. Die UGöd anerkennt die von ÖGB und Arbeiterkammer erreichte Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte wie den Verzicht aufAnhebung der Mehrwertsteuer oder auf Studiengebühren oder die geplanten Mehraufwendungen zur Arbeitsplatzsicherung, insbe-sondere für ältere KollegInnen und das Verhindern der vorzeitigen Anhebung des Frauenpensionsantrittsalters. Der Druck derArbeitnehmerinnenvertretung hat die auf ein ausgabenseitiges Sparpaket fixierte ÖVP dazu gebracht, ihr Veto gegen die stärkereBesteuerung von Höchsteinkommen und Immobiliengeschäften aufzugeben und einer Angleichung der Sozialversicherungsbeiträgevon Unternehmern und Bauern zuzustimmen.

Aber …Die von den Regierungsparteien geplante Massenbelastung von PensionistInnen und von öffentlich Bediensteten ist fix und gefähr-det den sozialen Zusammenhalt. Der Aufnahmestopp für weite Bereiche des öffentlichen Dienstes bedeutet gleiche und vielfach mehrArbeit für weniger Beschäftigte, weniger Qualität für die große Mehrheit der Bevölkerung, auch im von SPÖ und ÖVP ausgenomme-nen Bildungs- und Wissenschaftsbereich, der vor umfassenden und personalintensiven Reformen steht. Sozial verträgliche, gesell-schaftliche Veränderungen berücksichtigende Strukturreformen in der Verwaltung sind kaum angedacht, der Personalabbau ist fix.Weniger qualifizierte, sichere Arbeitplätze im öffentlichen Dienst bedeuten aber auch ein Mehr an „Sachaufwand“ für den Zukaufvon prekär beschäftigten und schlecht bezahlten ProjektarbeitnehmerInnen durch Dienststellen und ausgegliederte Betriebe. Die-ser „Sachaufwand“ fehlt im Konsolidierungspapier.

Einsparungen …Im Landwirtschaftsministerium will der ÖVP-Minister unter dem Vorwand „Sparpaket“ das kritische Bundesamt für Bergbauernfra-gen entsorgen. An der Innsbrucker MedUni fehlen die Mittel zur Weiterbeschäftigung von Jung-ÄrztInnen. Der geplante Personal-abbau trifft auch die davon ausgenommenen LehrerInnen und PolizistInnen, die noch mehr „eingesparte“ Verwaltungsarbeit zuge-teilt bekommen. Gar nicht fix sind dagegen die projektierten Mehreinnahmen aus der EU-Transaktionssteuer oder die Abgeltungs-steuer für unversteuerte Vermögen auf Schweizer Konten. Das sind Einnahmenwünsche, denen derzeit die internationale beziehungs-weise bilaterale Rechtsgrundlage fehlt. Andere einnahmenseitige Maßnahmen sind befristet oder ohne ausreichende Berücksichti-gung der steuerlichen Gestaltungsspielräume von Vermögenden.

Nix ist fix – Alternativvorschläge der UGödDie von ÖGB und Arbeiterkammer bisher erreichten Maßnahmen zeigen der GÖD, was im Interesse der öffentlich Bediensteten undder Qualität der öffentlichen Dienste möglich ist. Die GÖD hat sich an diesen ÖGB-Aktionen kaum beteiligt und stattdessen wie dieÖVP vermögensbezogene Steuern grundsätzlich abgelehnt. Die UGöd fordert gemeinsam mit den Unabhängigen Gewerkschafter-Innen im ÖGB

Mehr soziale Gerechtigkeit durch Steuergerechtigkeit •Wiedereinführung der Erbschafts- und Schenkungssteuer•Einführung einer allgemeinen Vermögenssteuer•Stärkung des öffentlichen Pensionssystems statt steuerlicher Förderung privater Pensionsvorsorge •Reform der Grundsteuer •Wiedereinführung der Börsenumsatzsteuer – bis zur Verwirklichung einer Finanztransaktionssteuer auf europäischer Ebene.

Stärkung des öffentlichen Dienstes •Kaufkraft der öffentlich Bediensteten sichern statt undifferenzierter Lohnkürzungen zu Lasten niedriger und mittlerer

Einkommen im öffentlichen Dienst! •Sinnvolle Nachbesetzungen und echte Strukturreformen statt lähmender Aufnahmestopp auf Kosten der Jungen! •Zukunftsinvestitionen in Bildung und Soziale Dienste („Bildungsmilliarde“, „Sozialmilliarde“).

Stärkung der gewerkschaftlichen Demokratie •Solidarisierung mit dem ÖGB und den anderen Fachgewerkschaften statt Isolierung der GÖD•keine „Zeit-im-Bild-Zusagen“ des ÖVP-Vorstandsmitgliedes Neugebauer über eine Zustimmung „seiner“ GÖD zum Sparpaket•Sofortige Einberufung der GÖD-Bundeskonferenz.

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KIV/UG und AUGE/UG:

„Klares NEIN zu Nulllohnrunde fürWiener Gemeindebedienstete

Nulllohnrunde in Wien hätte auch massive finanzielle Auswirkun-gen auf Beschäftigte im privaten Sozial- und Gesundheitsbereich Eine klare Absage an die von Finanzstadträtin Brauner ange-dachte Nulllohnrunde für Gemeindebedienstete in Wien kommtvon den Unabhängigen GewerkschafterInnen in der GdG-KMSfB– der KIV/UG (Konsequente Interessensvertretung) und in derGPA-djp – AUGE/UG (Alternative und Grüne Gewerk-schafterInnen).

KIV/UG: Nulllohnrunde im Gemeindebereichtrifft vor allem untere und mittlere EinkommensbezieherInnen

Thomas Kerschbaum, Personalvertreter am WienerJugendamt und Bundessprecher der KIV/UG, zweit-stärkste Fraktion bei den Wiener Gemeindebedienste-ten: „Ist die Forderung nach einer Nulllohnrunde an sichschon eine Kampfansage an die Gewerkschaften, trifftsie im Gemeindebereich zusätzlich noch Einkommens-gruppen, die vielfach im mittleren und niedrigen Ein-kommensbereich angesiedelt sind – egal ob es sichdabei um Beamte, Vertragsbedienstete oder Privatange-stellte handelt,“ kritisiert der Unabhängige Gewerkschaf-ter. „Die Einkommen der Gemeindebediensteten liegen– nicht zuletzt aufgrund ihrer Heterogenität, die vonHausarbeiterInnen und StraßenbahnfahrerInnen überPflegepersonal in Krankenhäusern, SozialarbeiterInnenund KindergartenpädagogInnen bis hin zu StadtplanerIn-nen, KulturarbeiterInnen und Verwaltungsbeamten reicht– keinesfalls im Spitzenfeld, sondern bestenfalls im Durch-schnitt. Das unterscheidet den Gemeindebereich inBeschäftigungs-, Qualifikations- wie Einkommensstrukturauch etwa vom Bundesdienst, wo allerdings ebenfalls immerprekärer werdenden Beschäftigungsformen im Vormarsch sind“,so Kerschbaum weiter.

Nulllohnrunden träfen damit überwiegend untere wie mittlere Ein-kommen. „Das kann weder aus gewerkschafts-, noch aus sozial-und wirtschaftspolitischen Überlegungen hingenommen werden.Mit rund 70.000 Beschäftigten und deren Einkommen sind dieGemeindebediensteten ein nicht unbedeutender Konsumfaktor inWien. Wird Einkommen gekürzt – und nichts anderes sind Null-lohnrunden – wird Massennachfrage reduziert, was gerade inwirtschaftlich schwierigen Zeiten Krisen verschärfend wirkt. „Es istauch ein Zeichen von mangelnder Wertschätzung und mangeln-dem Respekt, wenn ausgerechnet die Gemeinde ihren Beschäftig-ten, die den Erhalt und das Funktionieren kommunaler sozialerund öffentlicher Infrastruktur sicherstellen, eine entsprechendefinanzielle Abgeltung verweigert. Die Gewerkschaftsspitze istaufgefordert, endlich klar Position zu beziehen und allen Pläneneiner Nulllohnrunde in Wien eine klare Absage zu erteilen undgegebenenfalls auch den notwendigen Widerstand zu organisie-ren,“ so Kerschbaum.

AUGE/UG: Nulllohnrunde für Gemeindebedienstete hätte massiveAuswirkungen auf Einkommen der Beschäftigten imprivaten Sozial- und Gesundheitsbereich

Nulllohnrunden im öffentlichen Dienst – insbesondere auch beiden Wiener Gemeindebediensteten – haben dabei zusätzlichmassive Auswirkungen auf die Beschäftigten des privaten Sozial-und Gesundheitsbereichs: „Der private Sozial- und Gesundheits-bereich erbringt vielfach für die Gemeinde Wien soziale Dienst-

leistungen. Die Einkommens- undBeschäftigungssituation ist bereits jetztvielfach prekär, die Durchschnittsein-kommen im privaten Sozial- undGesundheitsbereich liegen um 17 %unter den durchschnittlichen Arbeit-nehmerInneneinkommen über alleBranchen hinweg gerechnet. Der Sozi-albereich gilt – nicht zuletzt auf-grund der hohen Teilzeitrate – ten-denziell als Niedriglohnsektor,“ soMarkus Koza, Bundessekretär derAUGE/UG. „Die Einkommensent-wicklung im privaten Sozial- undGesundheitsbereich ist dabei viel-fach direkt beziehungsweise indi-rekt an die Einkommensentwick-lung im öffentlichen Dienst,gerade an die Gemeindebediens-teten gekoppelt.“ Dies geltesowohl für die im BAGS-Kollektiv-vertrag erfassten Vereine undBetriebe, als auch für soziale Ein-richtungen bwz. Einrichtungendes elementaren Bildungs-bereichs ausserhalb der BAGS.

Es sei geradezu zynisch, so Koza, inSonntagsreden immer wieder zu

betonen, wie wichtig denn der Sozialbereich sei, gleichzeitigjedoch Einkommensbedingungen zu schaffen, die unattraktivsind und nicht annähernd dem gesellschaftlichen Nutzen sozia-ler Arbeit entsprechen: „Wir brauchen keine Lippenbekenntnisezum Sozial-, Pflege- und elementaren Bildungsbereich sondernentsprechende finanzielle Mittel um faire Arbeits- und Einkom-mensverhältnisse herzustellen. Wer ständig davon spricht, dassInvestitionen in Soziale Dienste und Elementarbildung ‚Zukunfts-investitionen’ seien, muss insbesondere auch in die Beschäftigtenin diesem Bereich investieren und endlich entsprechend angemes-sene Einkommen zahlen. Nulllohnrunden kommen da jedenfallsnicht in Frage. Viele Beschäftigte im Sozialbereich haben berech-tigte Hoffnungen in ein rot-grün regiertes Wien gesetzt. Rot-Grün sollte inzwischen wissen, dass die Beschäftigten im Sozial-bereich durchaus widerständig und politisch sehr aufmerksamsind. Wir können Rot-Grün nur davor warnen, ihre Budgets aufKosten der Beschäftigten im Sozial-, elementaren Bidlungs- undGesundheitsbereich zu konsolidieren. Sie sind nicht Verursacher-Innen der Krise und dürfen noch viel weniger Opfer der Krisen-bewältigung werden,“ schließt Koza.

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Berechnen Sie Ihren Verlust:

nulllohnrunde.a

Page 18: Alternative Maerz 2012

Die Einsparungen derletzten Jahre im handwerk-lichen Schema im Kranken-anstaltenverbund habenein deutliches Vakuumentstehen lassen.

Fehlende Dienstposten wurden nichtnach besetzt und in sogenannte„patientennahe Berufe“ umgewandelt.

Obwohl im SMZ-Ost die mit derGeneraldirektion vereinbarte Reduzie-rung der Planstellen im Bereich derHausarbeiterinnen schon längsterreicht wurde, wird trotzdem nichtnach besetzt.

Seit Monaten kann kein Dienstbe-trieb mehr aufrecht erhalten werdenund die MitarbeiterInnen werden syste-matisch ausgebeutet. Urlaube konntennicht mehr genehmigt werden und ein-zelne Mitarbeiter mussten über längereZeit bis zur Erschöpfung Mehrarbeitleisten. Durch diesen Zustand kam esnatürlich zu vermehrten Krankenstän-den. Doch anstatt die schlechtenArbeitsbedingungen zu ändern, wur-den die Dienstnehmer noch mehr unterDruck gesetzt. Es kam vermehrt zuKrankenstandsrückkehrgesprächen undzu Kündigungsdrohungen. In einzelnenFällen wurde berichtet, dass Kranken-standsgespräche vor anderen Kollegenstattfanden. Als wäre dies noch nicht

genug, finden jetzt Fremdvergabenbeim Reinigungspersonal statt. DerUnfallbereich, die OP-Gruppe 3 und dieNotfallambulanz werden komplett aneinen Privatanbieter vergeben. AlsGrund wird die fehlende Aufrechterhal-tung des Dienstbetriebes genannt. Dievorhandenen Hausarbeiterinnen wer-den aufgeteilt und anderen Stationendienstzugeteilt. Einige Hausarbeiterin-nen müssen in die 40-Stunden-Wochewechseln und verlieren dadurch Zula-gen. Dies wird von der Führung abernur am Rande erwähnt. Auch dasseinige schon kurz vor der Pensionie-rung stehen oder zu den älterenDienstnehmern zählen, ist anscheinendnebensächlich. Solange die Einsparun-gen nur auf Kosten der Dienstnehmergehen, hält sich das Interesse derGeneraldirektion in Grenzen.

Wir fordern eine sofortige Nachbe-setzung der freien Stellen, eine bessereOrganisation der Arbeitsabläufe, recht-zeitige Informationsweitergabe an diebetroffenen DienstnehmerInnen undeinen konsequenten Widerstand derGewerkschaft gegen weitere Einspa-rungen und Fremdvergaben auf Kostender Beschäftigten.

Keine faulen Kompromisse!Wir fordern eine Gewerkschaft,die hinter uns steht!

SMZ-Ost

Fremdvergabe derReinigungsdienste

EIN WICHTIGER SCHRITT

Erfreuliches Ergebnis der Personal-vertretungswahlen in Innsbruck.

Die Personalvertretungswahl vom 27.und 28. Feber in der Stadt Innsbruckist vorbei. Die KIV/UG ist in der Zen-tralpersonalvertretung die einzigeOpposition zur FCG/ÖAAB.

Aus unserem Wahlkampf: „Da wirnicht über die Ressourcen wie die ÖVP-FCG-Liste verfügen, ersuchen wir alleKollegInnen und UnterstützerInnenunsere Kandidatur bei der Personal-vertretungswahl in Innsbruck bekanntzu machen und dafür zu werben. DieZeit ist reif für eine Alternative.

Die parteiunabhängige Liste Vorwärts- KIV/UG ist die einzige Alternativezur Parteiliste der ÖVP (FCG, diemanchmal auch unter anderenBezeichnungen auftritt).

Wir rufen alle KollegInnen auf: WennIhr eine Alternative zur Parteifraktionder ÖVP in der Personalvertretung derStadt Innsbruck haben wollt, bitte dieListe Vorwärts - KIV/UG wählen!“

Die KIV-KollegInnen erreichen in der

•Dienststelle„Jugend- und Sozi-alamt“ ein Man-dat, das sind

25,93 %, gewählt ist Gerda Pastyrik,

•Zentralpersonal-vertretung einMandat, das sind16,29 %, gewählt

ist Heinrich Atzl.

In beiden Gremienist Claus Tuch-scherer Ersatz-Mandatar.

Wir gratulieren den KIV-KollegInnen inInnsbruck sehr herzlich! Das Ergebnisist auch ein wichtiger Schritt für diegesamte UG in Tirol. ❚

Detailinformationen unterwww.kiv.at/innsbruck.

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Ein Situationsbericht aus

der Krankenflege.

Von Silvia Tauchner.

Im Widerspruch zur gängigen Meinungin der Öffentlichkeit bekommt frischausgebildetes diplomiertes allgemei-nes Pflegepersonal nicht sofort eineAnstellung bei der Gemeinde Wien(trotz Vertrag, der dann mit hinter-fragbaren Begründungen abgelehntund somit aufgehoben wird). Diese„offenen“ Stellen müssen „reserviert“werden, da wir in 20 Prozent allerDienstposten künftig Pflegehelfer-Innen einsetzen müssen (jetzt auchim Akutbereich), wofür kräftig Pflege-helferInnen ausgebildet werden.

Stationen im Kinderbereich müssengeschlossen (oder Betten gesperrt)werden, weil es an diplomiertem Pfle-gepersonal mangelt. Pro Jahr diplo-mieren in Wien zirka 30 Personen (ja,es gibt nur mehr eine (!) Kinderkran-kenpflegeschule – am AKH). Vor dreiJahren wurde der Jahrgang doppeltgeführt – 70 Menschen konnten mitder Ausbildung beginnen. Wir warenerleichtert, aber nur für ein Jahr, dennanschließend wurde wieder nur ein ein-zelner Jahrgang geführt. Die offizielleBegründung dafür lautet „aus Platz-mangel“. Bitte hier ein Ausweg: Hinterder Schule am AKH steht die ehema-lige Akademie der MTDs. Die Schuleim SMZ Süd ist neu gebaut – hier gibtes keinen Platz? Ein Großteil desLehrpersonals im SMZ Süd hat beideDiplome und lange Zeit in der Kinder-krankenpflege unterrichtet.

Was fehlt, sind Sofortmaßnahmen:Es kann nicht sein, dass Arbeitsgrup-pen gebildet werden und wir mitirgendwelchen Projekten anfangen,um diese Situation in den Griff zubekommen – jetzt muss etwas gesche-hen! Oder pfeift die Politik nun dochaufs Sprücheklopfen und verzichtet

auch offiziell auf das Hochloben unse-res „qualitativ einzigartigen Gesund-heitssystems“, denn bald gibt es wie-der vermehrt nicht diplomiertes Perso-nal, Kinder werden wieder auf Erwach-senenstationen liegen …

Überall wird uns der Spitalsplan2030 vor die Nase gehalten – ich sageeuch, 2030 wird es unsere Spitäler sonicht mehr geben, wenn wir 2012nicht gegensteuern! Es wäre endlichan der Zeit, dass die mündlichen undschriftlichen Aussagen à la „die Mitar-beiterInnen an der Basis sind in allePlanungen miteingebunden“ eingehal-ten werden! Wahrscheinlich ist es eineBetrachtungssache: Vielleicht sieht diePolitik und Generaldirektion die Basisschon in der Ebene der DirektorInnen,Oberschwestern und -pfleger – aberwas ist dann „darunter“?

Feber 2012:

Wer pflegt „die Pflege“?

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ug-oegb.at

auge.or.at

kiv.at

ugoed.at

ug-vida.at

we4you-ug.at

Silvia Tauchnerist Mandatarin der KIVim SMZ-Süd.

Page 20: Alternative Maerz 2012

orgabe der Arbeitgeberkuriewar der Abschluss des öffent-

lichen Dienstes mit 2,95 Pro-zent. Vorgabe der Arbeitnehmer

war jedenfalls ein Reallohnzuwachs,später dann eine konkrete Forderungvon 4,1 Prozent für den unterbezahltenBAGS-Bereich (noch einmal zur Erinne-rung: Die Einkommen im Sozial- undGesundheitsbereich liegen 17 Prozentunter den durchschnittlichen Arbeit-nehmerInneneinkommen).

Nachdem sich die Arbeitgeberseitean den ersten beiden Verhandlungs-runden nur im Zehntel-Prozent-Bereichbewegen wollte, setzte es Kampf- undProtestmaßnahmen seitens der verhan-delnden Gewerkschaften der „Privatan-gestellten-druck, journalismus, papier“und „vida“. Flächendeckende Betriebs-versammlungen (über 350 in ganzÖsterreich), Demonstrationen in öster-reichischen Landeshauptstädten(Wien, Linz, Graz, Klagenfurt) am1. Feber 2012 sowie zahlreiche Mahn-wachen vor ausgewählten (repräsenta-tiven) Betrieben der Branche erhöhtenden Druck.

Das Ergebnis ist in einigen Schrittenein wichtiger Erfolg: •Gelungen ist die „Entkoppelung“ desBAGS-Abschlusses vom Abschluss desöffentlichen Dienstes. Mit einer Erhö-hung von 3,4 Prozent auf den Kollek-tivvertrag, und 3,2 Prozent auf die Ist-Löhne hebt sich der Abschluss desBAGS-KV doch von jenem in denöffentlichen Diensten ab. Angesichtsdrohender Nulllohnrunden im öffent-lichen Dienst und der massivenUnterbezahlung im privaten Sozial-

und Gesundheitsbereich erscheintdiese „Abhebung“ einmal mehrdringend geboten. •Auf der Strecke blieben allerdingseinmal mehr jene, die in alten Lohn-schemata verblieben sind: sie bekamenein Lohnsteigerung von nur 2 Prozent. •Wesentlich erscheinen zwei rahmen-rechtliche Verbesserungen: Die Anrech-nung von Karenzen auf die KV-Vorrü-ckungen ab 1. Feber sowie die kollek-tivvertragliche Verankerung des amtli-chen Kilometergelds – allerdings erstab 2013. Andere Rahmenrechtsforde-rungen wurden bislang seitens derArbeitgeber leider abgeschmettert.

Bemerkenswert das diesjährige Ver-halten der Arbeitgeberseite: Den „mini-malen“ Forderungen begegnete dieArbeitgeberseite mit bislang unge-wohnter Aggressivität. Von einem Ver-handlungsstil „in Augenhöhe“ wararbeitgeberseitig nur wenig zu bemer-ken, was das Verhandlungsklima allesandere als angenehm beziehungsweisekonstruktiv erscheinen ließ. Es warenBeharrlichkeit und gewerkschaftliche

beziehungsweise betriebs-rätliche Aktionen, diezuletzt doch einiges an Wir-kung erzeugten.

Erschwerend war und istdie Mobilisierung der Basisim Sozial- und Gesundheits-bereich. Die MitarbeiterInnenkonnten und können ihreKlientInnen nur schwer imStich lassen. Aber auch dieRolle der BetriebsrätInnen, diefür Protestmaßnahmen eigent-lich als „MultiplikatorInnen“und „MobilisatorInnen“ gegen-über ihren Belegschaften agie-ren sollten, kann nicht nur alspositiv bewertet werden – undzwar über alle, definitiv alle Frak-tionen hinweg, da nehme ichmeine eigene nicht aus. Weitersunerfreulich: Der zu geringegewerkschaftliche Organisations-grad der Gewerkschaften im Sozial-

bereich. Sicher sind die Gewerkschaf-ten nicht unschuldig an diesem Fak-tum, ist der KV in vielen Bereichennoch immer nicht akzeptabel. Aber:Wenn der Organisationsgrad so bleibt,haben wir hier die berühmte „Katze,die sich selber in den Schwanz beisst“.Wenn dann noch BetriebsrätInnen dieUnterstützung von Aktionen unterlas-sen beziehungsweise verweigern, wirddas zusätzlich nur schwerlich zu besse-ren Arbeitsbedingungen für dengesamten Bereich führen!

Nur wenn wir Gewerkschaftsanliegenfür alle MitarbeiterInnen solidarischund gemeinsam vertreten und dieGewerkschaft bei Protest- und Kampf-maßnahmen unterstützen, werden wirVerbesserungen in diesen schwierigenZeiten erreichen können. Das heißtnicht, dass wir uns mit Kritik zurückhal-ten sollen, aber positive Bemühungensind zu unterstützen, und mehr (kriti-sche und aktive) Gewerkschaftsmitglie-der helfen! Nur wenn die Basis, dieMitarbeiterInnen, bereit sind ihre Inte-ressen direkt zu vertreten, in derÖffentlichkeit aber auch in denGewerkschaften, können wir alsGewerkschaft stark genug werden!

Jede Stimme, jedes Mitglied zählt!Wir sind Gewerkschaft!

V

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Stefan Taiblist Betriebsrats-vorsitzender derPsychsoziale DiensteGmbH und Mitglieddes erweiterten BAGS-KV-Verhandlungsteams.

BAGS-Kollektivvertrags-Verhandlungen 2012:

DER ABSCHLUSS

Nach erfolglosen Verhand-

lungsrunden und Protestver-

sammlungen wurde in der

dritten Verhandlungsrunde

doch noch Einigung erzielt.

Von Stefan Taibl.

Page 21: Alternative Maerz 2012

muss präziser geregelt wer-den, wann Gebühren zu

bezahlen sind und wann nicht.Mit März läuft die Regelung aus

– ab da dürfen keine Studiengebührenmehr eingehoben werden. So wie esderzeit ausschaut, heißt das aber nicht,dass es dabei bleiben wird.

Der Wissenschaftsminister KarlheinzTöchterle empfiehlt den Universitätendie Gebühren autonom einzuhebenund bezieht sich auf das (vom Wis-senschaftsministerium in Auftraggegebene) Gutachten vom Jus-Dekan Heinz Mayer. Einige Unishaben das auch bereits angekündigt.Inwieweit Universitäten aber, inErmangelung einer Regelung, auto-nom Gebühren in beliebiger Höheverlangen dürfen, ist umstritten. DieGutachten des Verfassungsdienstesdes Bundeskanzleramts und derJuristen Werner Hauser und TheoÖhlinger kommen zu dem Schluss,dass das autonome Einheben vonStudiengebühren verfassungswidrigwäre.1) Der Wunsch nach (wennmöglichst der Höhe nach freibestimmbaren) Studiengebühren istnicht neu – Vizekanzler MichaelSpindelegger (ÖVP) plädierte bereits2011 Richtung variabler Studiengebüh-ren: Für Studien mit „wahnsinnig vielenStudierenden“ und schlechten Berufs-aussichten höhere Gebühren als fürStudien mit Bedarf anAbsolventInnen.2)

Auf der anderen Seite stehen Studie-rendenvertretungen wie die Österrei-chische HochschülerInnenschaft (ÖH)an der Universität Wien, die sich immer

ablehnend zur Existenz von Studien-gebühren geäußert hat. Sie weist aufunzählige negative Effekte der Gebüh-ren hin: Diese verschärfen die sozialeSelektion der Studierenden, tragen zurweiteren Kommerzialisierung und Ver-schulung der Studien bei und unterwer-fen die Universitäten zusätzlich einemaufgezwungenen und konstruiertenKonkurrenzverhältnis.3) Die ÖH kritisiertden Wissenschaftsminister, der mit sei-ner Aufforderung zu autonomen Studi-engebühren „Realitätsverweigerung aufdem Rücken der Hochschulen und derStudierenden“ betreibt. Gleichzeitigstehle er sich damit aus der Verantwor-tung und schiebe den Unis den schwar-zen Peter zu.1) Für Peter Grabuschnig,Generalsekretär der ÖH, führt dieses„bildungsfeindliche Vorgehen […] dieösterreichische Hochschullandschaftzurück zu einem elitären Bildungssys-

tem. Wer studieren kann, hängt damit -noch mehr als bisher – vom Einkom-men der Eltern ab!“.4) Töchterle siehtdas Thema Bildung und Elite im Inter-view mit der Zeitung „Die Zeit“ etwasanders: „In der Situation, in der wirsind, kann nicht jeder alles studieren,weil dafür die Kapazitäten nicht aus-reichen. Man kann zwar fordern, dieKapazitäten bis auf 100 Prozent derBevölkerung auszubauen. Das ist abernicht machbar. Und ich will das auchnicht. (…) Universität, so wie ich siesehe, ist etwas unausweichlich Elitäres.Und dafür ist nicht jeder tauglich, nichtjeder bringt den langen Atem und denWillen dazu auf.“5)

Für die ÖH benötigen öffentlicheUniversitäten statt Studiengebüh-ren eine ausreichende öffentlicheFinanzierung in Höhe von zweiProzent des Bruttoinlandsproduk-tes, soziale Absicherung allerStudierenden und faire Studien-und Arbeitsbedingungen.1) 6) EinZugang zum Thema Bildungspoli-tik wäre die Politik in den USAwährend der Weltwirtschaftskrise1929. Dort wurden damals derHöchststeuersatz, die Erbschafts-steuer und die Gewinnbesteue-rung stark erhöht und dadurcheine stärkere Egalisierung derGesellschaft erzielt. Als Ergebnissind in den 1950er Jahren Armund Reich in dieselbe Schulegegangen. Damit zeigt sich, dassErbschafts- und Vermögenssteu-

ern nicht unabhängig von Bildungs-politik zu sehen sind. Bei einer Diskus-sion zum Bildungsvolksbegehren 2011wünschte sich Reinhart Sellner(UGÖD), dass möglichst viele Men-schen sagen: „Bildung ist wichtig. Hermit den Bildungsmilliarden. Her mitder Vermögenssteuer.“7)

(1) DiePresse.com, 20. Feber 2012(2) Die Presse 23. Juli 2011, S. 8(3) Stellungnahme ÖH-Uni Wien, 19. Dezem-ber 2008(4) oeh.ac.at/blog/oeh-gutachten-ist-auf-tragswerk-gegen-die-studierenden/(5) zeit.de/2012/08/A-Gespraech-Toech-terle-Liessmann/seite-1, 23. Feber 2012(6) Forderung anlässlich des Bildungsakti-onstages 2011, bildungsaktionstag.at(7) Diskussionsveranstaltung der GrünenWien 20 am 17. Oktober 2011 „Bildungs-volksbegehren – was nun?“

„UNIVERSITÄT IST ETWASUNAUSWEICHLICH ELITÄRES“

Seitdem der Verfassungs-

gerichtshof Mitte 2011 die

Ausnahmeregelungen der

Studiengebühren gekippt

hat, steht eine Neuregelung

des Gesetzes an.

Von Renate Vodnek.

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Magazin

Renate Vodnekist psychologin und gewerkschafts-aktivistin.

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Page 22: Alternative Maerz 2012

Wir im Sozial-, Gesundheits-, Elementar- und Erwachsenen-Bildungsbereich zeigen an. Von Christine Rudolf.

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Magazin

2012, das Jahr in dem die Wirtschaftskrise mit voller Wuchtzurückkehrt. 2012, das Jahr, ab dem Sparpakete im Zeichender „Schuldenbremse“ geschnürt werden. Wir sind es jabereits gewohnt, unter extremen Bedingungen zu arbeiten.Wir, im Sozial- und Gesundheitsbereich, im elementarenBildungsbereich, in der Pflege – wo auch immer. UnserEinkommen liegt zwanzig Prozent unter durchschnittlichenArbeitnehmerInnen-Einkommen. Bei uns ist die Überlastungund Burn-Out-Rate besonders hoch. Wir sind in hohem Maßevon öffentlichen Dienst- und Fördergebern abhängig, diesich mehr und mehr aus der Finanzierung und Verantwor-tung verabschieden.

WIR SIND ABER AUCH WIDERSTÄNDIGOb in Oberösterreich, in der Steiermark, in Wien, im Rah-

men von Kollektivvertrags-Verhandlungen: Wir gehen auf dieStraße. Weil wir das uns und unseren KlientInnen gegenüberschuldig sind. Wir werden unseren Widerstand gegen einedrohende Politik des ruinösen Kaputtsparens noch verstär-ken. Wir werden uns neue Aktions- und Protestformen über-legen. Wir werden uns noch enger vernetzen und noch besserorganisieren müssen, damit wir nicht gegeneinander aus-gespielt werden können.

DARUM „SOZIALGIPFEL RELOADED“Im Frühjahr 2010 veranstalteten wir im Wiener Rathaus

unseren ersten Sozialgipfel. Wir formulierten damals Forde-rungen, die heute noch gültig sind und immer noch nichterfüllt sind. Wir forderten unter anderem eine Sozialmilliarde– für den bedarfsgerechten Ausbau sozialer Dienste, für faireEinkommen und bessere Arbeitsbedingungen. Wir demons-trierten dafür im Rahmen der „Krötenwanderung“ im Herbst2010 – gemeinsam mit StudentInnen, LehrerInnen, Kinder-gärtnerInnen, … – für mehr Geld im Sozial-, Gesundheits- undBildungsbereich.Christine Rudolf

ist politischeSekretärin der KIV.

Wann: Mittwoch, 21. März 2012, 16-20.30 Uhr,

Wo: Arbeiterkammer, Bildungszentrum,

Theresianumgasse 16-18, 1040 Wien.

Veranstalter: kiv.at/vg.soziales

Anmeldung bis 18. März erbeten.

WORUM GEHT ES BEIM

Page 23: Alternative Maerz 2012

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Beginn 16 Uhr: Begrüßung und einleitende Worte(Anmeldung bereits um 15.30 Uhr)Christine Rudolf, Arbeiterkammer-Rätin der AUGE/UG,politische Sekretärin der KIV/UG.

16.15 Uhr: Inhaltliche Inputs

Arbeitskonflikte und Arbeitskämpfe im SozialbereichAo. Univ.-Prof. DDr. Nikolaus Dimmel, Fachbereich Sozial- und Wirtschaftswissenschaften an der juristischeFakultät Salzburg.Hochleistungsmedizin versus Billiglohn

Arbeitskampf an der Charité Facility Management BerlinKati Ziemer, Betriebsrätin bei Charité Facility Manage-ment Berlin, Vorstand der ver.di-Betriebsgruppe in derCharité Universitätsmedizin Berlin.

Nach einer Networking-Pause ab 17.45 Uhr: World-Workshop-CaféModeration: Martina Petzl-Bastecky, Wiener Kinder-gärten, Personalvertreterin, KIV/UG-Vorsitzende.

Empört Euch – Organisiert Euch!Thema Organizing mit: Sandra Stern, Sozialwissen-schafterin, Gewerkschaftsaktivistin und Kati Ziemer,Betriebsrätin Charité und ver.di Berlin.

Wer ist das Wir?Thema Gemeinwesenarbeit und Gemeingüter mit:Christoph Stoik, MA, FH Campus Wien, FB Soziale Arbeit,Community Organizing und Mag.a Brigitte Kratzwald,freie Sozialwissenschaftlerin, Expertin Commons undöffentliche Dienstleistungen.

Wir zeigen an!Thema Überlastungsanzeige als Mittel der Mobilisie-rung, Hilfe zur Selbsthilfe mit: Biju Augustian Onatt,Diplomkrankenpfleger, Personalvertreter Sozialmedizi-nisches Zentrum Ost und Christine Rudolf.

Das Wasser stehtuns bis zum Hals!Thema Auswir-kungen derÜberlastungauf Betroffenemit: Birgit Meinhard-Schiebel, Präsidentin IG pflegendeAngehörige und einE KollegIn der Wiener Assistenz-genossenschaft (angefragt).

Wir verbünden uns und zeigen auf!Thema Überlastung der Betriebsräte, Personalvertretungmit: Doris Buresch, (Zentral)Betriebsrätin, Personalvertre-terin, Fonds Soziales Wien – wieder wohnen GmbH undThomas Kerschbaum, Personalvertreter Jugendamt,Bundessprecher der KIV/UG.

Die Summe aller Teile = Wir!Thema Strategische Überlegungen, Kampagnen, Ideenmit: Prof. (FH) Dr. Tom Schmid, Institutsleiter Sozialöko-nomische Forschungsstelle und Dr. Karl Heimberger,Betriebsrat wissenschaftliches Personal, MedUni-Wien,Social Media-Experte.

Jetzt ist die Zeit reif!Thema Stärkung der sozialen Arbeit zwischen Berufs-ethik, Ökonomisierung und Entfremdung mit: Mag.a Elisabeth Hammer, Verein kritische Soziale Arbeit,neunerHAUS und Christine Petioky, MA, Sozialarbeiterin,Mediatorin, Betriebsrätin, Personalvertreterin, FondsSoziales Wien.

Bist Du des Wahnsinns knusprige Beute?Rollenspiel, Kurzkabarett zu den Sozialgipfelinhaltemit Dr.in Merith Streicher, Selbstständige Erwachsenen-bildnerin, Erziehungswissenschaftlerin, Heilpädagogin,Life-Coach.

19.30 Uhr: Zusammenfassung und AusblickMarkus Koza, Bundessekretär der AUGE/UG, ÖGB-Vorstand, UG-Vorsitzender.

Das Programm mit Mottos und ExpertInnen im World-Workshop-Café

SOZIALGIPFEL

RELOADED?

Page 24: Alternative Maerz 2012

Steigende Arbeitslosenzahlen und stetig verschärfte Bestimmungen prägen seit

einigen Jahren das Bild der österreichischen Landschaft. Mit fast jeder Geset-

zesnovelle steigt der Zwang, jeden Job oder jede Arbeitsmarktservice-Maß-

nahme anzunehmen. Berufs- und Einkommensschutz ist spätestens ab der

Notstandshilfe nicht mehr vorhanden. Achthunderttausend Menschen sind

zumindest einmal im Jahr arbeitslos, Hunderttausend davon mindestens

einmal im Jahr mit einer Bezugssperre konfrontiert. Aus diesem Grund ist eine

Anlaufstelle und Hilfestellung für Arbeitslose wichtiger denn je. Ein erster

Schritt ist das vor kurzem herausgekommene Handbuch „Erste Hilfe“ des

Vereins Aktive Arbeitslose. Es stellt umfassend die gesetzlichen Grundlagen der

Arbeitsvermittlung und der AMS-Maßnahmen anhand Rechtsliteratur und kon-

kreter Einzelfälle dar. Bei jedem Kapitel werden Tipps gegeben und auf Fallen

hingewiesen – wie zum Beispiel, dass nach Lösung des Dienstverhältnisses

beim gleichen Arbeitgeber erst frühestens nach einem Monat geringfügig

gearbeitet werden darf. Oder dass bei arbeitslosenversicherungsfreien Dienst-

verhältnissen die Rahmenfrist für den Bezug von Arbeitslosengeld von norma-

lerweise 52 Wochen innerhalb 24 Monaten verlängert werden kann (betrifft

unter anderem geringfügige Dienstverhältnisse).

Das Handbuch zeigt, wie es trotz verschlechterter Rechtslage und Recht-

sprechung dennoch möglich ist, sich gegen die Fallen des Arbeitsmarktservice

zu wehren. Seien es unzulässige Fragen bei Bewerbungsgesprächen oder

unfaire Vertragsklauseln – oder die Frage, was ich bei einer (vom Arbeitsmarkt-

service aufgezwungenen) Bewerbung tun beziehungsweise nicht tun darf. Der

Ratgeber zeigt auch Widersprüche innerhalb der Gesetzgebung oder Praxis auf

– laut Arbeitsmarktservicegesetz (§ 29 AMSG) hat das Arbeitsmarktservice die

wirtschaftliche Existenz der Arbeitslosen zu sichern (das durchschnittliche

Arbeitslosengeld lag 2010 mit 27,62 Euro am Tag unterhalb der

Armutsgrenze)*

Die Konklusio: Über ihre/seine Rechte Bescheid wissen und das dem Arbeits-

marktservice auch bemerkbar machen, kann sehr nützlich sein. Auch hier gilt

der Kampagnen-Spruch der Arbeiterkammer „Lass dich nicht zur Schnecke

machen!“. Gleichzeitig erfordern die widersprüchliche Rechtslage und frag-

würdige Gerichtsentscheidungen politisches Handeln: „Recht ist kein Zauber-

mittel, das nur anzurufen ist und uns gegeben wird. Es ist stets auch Ausdruck

der politischen Machtverhältnisse und muss daher stets aufs Neue erkämpft

werden.“ (Mag. Ing. Martin Mair, Obmann der „Aktiven Arbeitslosen“) Es wäre

Aufgabe von Gewerkschaften und Arbeiterkammer, gegen die schleichende

Aushöhlung des Arbeitsrechts anzukämpfen.

* Statistik Austria, AMS Österreich, 13. September 2011

Leserlich

Erste Hilfe

Handbuch für Arbeitslose

Hrsg. Aktive Arbeitslose,2011, Media Austria.

Bezugsquelle: Büro der AUGE/UG, Belvede-regasse 10/1, 1040 Wien, ÖGB-Verlag, Rathaus-straße 21, 1010 Wien