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    Louis Althusserber die

    Reproduktion

    Louis Althusser Gesammelte Schriften Herausgegeben von Frieder Otto Wolf

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    Ideologie und ideologische Staatsapparate, 2. Halbband:Fnf Thesen ber die Krise der katholischen Kircheber die Reproduktion der ProduktionsverhltnisseNachwort von Frieder Otto Wolf

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    Louis AlthusserIdeologie

    und ideologischeStaatsapparate

    Louis Althusser Gesammelte Schriften Herausgegeben von Frieder Otto Wolf

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    2. Halbband:Notiz ber den ideologischen Staatsapparat Kirche

    Der berbau ber die Reproduktionder Produktionsverhltnisse

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    Louis Althusserber die Reproduktion

    Ideologie und ideologische Staatsapparate, 2. Halbband

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    Louis Althusser (1918-1990) war einer der einflussreichsten marxis-tischen Theoretiker des 20. Jahrhunderts. Er war Lehrer von MichelFoucault, Jacques Derrida, Nicos Poulantzas, Bernard-Henri Lvy,Jacques Rancire und tienne Balibar.

    Frieder Otto Wolf (geboren 1943) ist Honorarprofessor fr Philoso-phie an der Freien Universitt Berlin. 2002 erschien von ihm im VerlagWestflisches Dampfboot Radikale Philosophie. Aufklrung und Be-freiung in der neuen Zeit.

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    Louis Althusserber die Reproduktion

    Ideologie und ideologische Staatsapparate2. Halbband:

    Fnf Thesen ber die Krise der katholischen Kirche

    ber die Reproduktion der Produktionsverhltnisse

    Aus dem Franzsischen bertragen, herausgegebenund mit einem Nachwort versehen von Frieder Otto Wolf

    VSA: Verlag Hamburg

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    www.vsa-verlag.de

    (Louis Althusser, Gesammelte Schriften,hrsg. v. F. O. Wolf, Band 5, 2. Halbband)

    Dieser Band ist Bestandteil der von Frieder Otto Wolf herausgege-benen Gesammelten Schriften Althussers, die in drei Verlagen (West-flisches Dampfboot, Suhrkamp, VSA) erscheinen (siehe den Editions-plan in Band 5.1, S. 125ff.).

    AbkrzungenJB Jacques Bidet (Herausgeber der franzsischen Erstausgabe

    sowie der zweiten Auflage)fow Frieder Otto Wolf

    der deutschsprachigen Ausgabe:VSA: Verlag 2012, St. Georgs Kirchhof 6, 20099 Hamburg

    La reproduction des rapports de production, in: Sur la reproduction deLouis Althusser, 2. Aufl., Paris: Presses Universitaires de France 2011Alle Rechte vorbehaltenDruck und Buchbindearbeiten: Idee, Satz & Druck, HamburgISBN 978-3-89965-451-6

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    Inhalt

    Vorbemerkung von Frieder Otto Wolf ................................................... 9

    Notiz ber den ideologischen Staatsapparat Kirche:Fnf Thesen ber die Krise der katholischen Kirche ............................. 13

    Der berbau: ber die Reproduktionder Produktionsverhltnisse ................................................................... 17

    Hinweis an den Leser............................................................................ 17

    Kapitel I: Was ist die Philosophie? ........................................................ 30

    I Philosophie des gesunden Menschenverstandes undPHILOSOPHIE ................................................................................... 30II Die Philosophie hat nicht immer existiert ................................... 34

    III Politisch-wissenschaftliche Konstellationen undPHILOSOPHIEN ............................................................................... 37

    Kapitel II: Was ist eine Produktionsweise? .......................................... 43I Vier klassische THESEN ................................................................ 45II Die Produktivkrfte ....................................................................... 48III Die Produktionsverhltnisse ....................................................... 56IV Die gesellschaftliche Arbeitsteilung ist die Realitt dertechnischen Arbeitsteilung: Produktion, Ausbeutung und

    Klassenkampf in der Produktion ......................................................... 65V Schlussfolgerung ............................................................................. 79

    Kapitel III: ber die Reproduktionder Produktionsbedingungen ............................................................... 82I Reproduktion der Produktionsmittel ............................................ 83II Reproduktion der Arbeitskraft ..................................................... 84

    Kapitel IV: Basis und berbau ............................................................ 90

    I Vorteile einer topischen Darstellung .............................................. 90II Grenzen einer topischen Darstellung .......................................... 92

    Kapitel V: Das Recht ............................................................................. 95I Systematizitt des RECHTS ........................................................... 96

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    II Formalitt des Rechts .................................................................... 97III Repressivitt des RECHTS ....................................................... 105IV Recht, juristische Ideologie und das Supplementder moralischen Ideologie .................................................................. 107

    Kapitel VI: Der Staat und seine Apparate ......................................... 113I Von der blo deskriptiven Theorie zur wirklichen Theorie ...... 114II Das Wesentliche der marxistischen Theorie des Staates ........... 117III Die ideologischen STAATSAPPARATE ................................. 118IV ffentliche und private Institutionen ................................... 125V ber die ideologischen Staatsapparateund die ideologischen Nebenprodukte ihrer Praxis ........................ 127VI Die doppelte Funktionsweise der Staatsapparate

    und ihre konzertierte Aktion ......................................................... 132VII Fragilitt und Soliditt der Ideologischen Staatsapparate ...... 135VIII Fassen wir unsere Ergebnisse zusammen! ............................. 141

    Kapitel VII: Kurze Bemerkungen ber die ISA des politischenund interessenverbandlich-gewerkschaftlichen Staatesder franzsischen kapitalistischen Gesellschaftsformation ............... 143I ............................................................................................................. 143II Einige historische Daten .............................................................. 147

    Kapitel VIII: Die politischen und interessenverbandlichenideologischen Staatsapparate .............................................................. 154I Eine notwendige Warnung ............................................................ 154II Der politische ideologische STAATSAPPARAT ...................... 158III Der INTERESSENVERBANDLICHE ideologischeStaatsapparat ........................................................................................ 168IV Der Kampf der Volksklassen im politischenideologischen Staatsapparat ( und darber hinaus) ...................... 172V ber den konomischen Klassenkampf im interessen-verbandlichen ideologischen Staatsapparat ....................................... 180VI Der politische Klassenkampf muss tief im konomischenKlassenkampf verwurzelt sein ........................................................... 190VII Es gibt einen repressiven Staatsapparat,aber mehrere ideologische Staatsapparate ......................................... 196

    Kapitel IX: ber die Reproduktion der Produktionsverhltnisse ... 202

    I ber eine gewisse Arbeitsteilung bei der Reproduktionder Produktionsverhltnisse ............................................................... 203II Es gibt einen herrschenden ideologischen Staatsapparat.Dies ist heute die SCHULE ............................................................... 205

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    Kapitel X: Reproduktion der Produktionsverhltnisseund Revolution .................................................................................... 212I Fassen wir zusammen. ................................................................... 212II Was ist eine Revolution? .............................................................. 214

    III Die zwei Gegenstnde des Kampfesder revolutionren Klasse ................................................................... 217IV Die kapitalistischen Produktionsverhltnissesind kapitalistische Ausbeutungsverhltnisse ................................... 219V Klassenkampf in den ideologischen Staatsapparaten ................ 221VI Klassenkampf um und in dem herrschenden ideologischenStaatsapparat ........................................................................................ 224VII Warum geht der ideologische Klassenkampfden anderen voraus? ........................................................................ 226VIII Achtung! Primat der Basis ...................................................... 230

    Kapitel XI: Abermals ber das Recht. Seine Wirklichkeit:Der juristische ideologische Staatsapparat ......................................... 233I Erinnerung an die Charakteristika des Rechts ........................ 233II Wirkliche Grnde fr die Charakteristika des Rechts .......... 236III Der juristische ideologische Staatsapparat ............................... 239

    Kapitel XII: ber die Ideologie ......................................................... 242

    I Marx und der Ideologie-Begriff ............................................... 242II Die Ideologie hat keine Geschichte ............................................ 246III Repression und Ideologie .......................................................... 249IV Die Ideologie ist eine imaginre Reprsentationdes imaginren Verhltnisses der Individuen zu ihren realenExistenzbedingungen ........................................................................... 256V Die Ideologie hat eine materielle Existenz .................................. 259VI Die Ideologie ruft die Individuen als Subjekte an ................... 265

    VII Ein Beispiel: Die christliche religise Ideologie ..................... 273VIII Wie die Ideologie konkret funktioniert ............................. 281IX Basis und berbau ..................................................................... 285X Ein konkretes Beispiel ................................................................. 288

    Vorlufiger Schluss ............................................................................... 291

    Anhangber den Primat der Produktionsverhltnisse

    ber die Produktivkrfte .................................................................... 292

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    Vorbemerkung

    Zunchst zum Titel:Jacques Bidet hat nach seiner eigenen Aussage frden von ihm herausgegebenen Band den Titel Sur la reproductiongewhlt, unter dem das von ihm posthum verffentlichte groe Ma-nuskript Althussers seit 1995 international bekannt geworden ist. Erselbst teilt mit (Bidet 1995a: 5), dass der Titel dieses Manuskripts Lareproduction des appareils de production [Die Reproduktion der Pro-duktionsapparate] sei, was nach Althussers eigenen Formulierungen

    zu Anfang des Kapitels I wohl ein Versehen ist: Dort ist konsequentimmer von der reproduction des rapports des production [Reproduk-tion der Produktionsverhltnisse] die Rede. Eine aufmerksame Lekt-re der von Bidet verffentlichten Manuskripte lsst erkennen, dass esAlthusser trotz des von Bidet in den Vordergrund gerckten kon-trastierenden Bezuges auf Pierre Bourdieu und Jean-Claude Passe-ron (Les Hritiers. Les tudiants et la culture, Paris 1964 u. Dies., Surla reproduction, Paris 1970; s.u., S. 307) nicht allgemein um die Re-

    produktion, sondern spezifisch um die Reproduktion der Produkti-onsverhltnisse gegangen ist. In dem unter Althussers Mitarbeiternzirkulierenden mimeographierten Manuskript lautete dessen TitelDe la Superstructure (Droit tat Idologie) [Der berbau (Recht Staat Ideologie)] (Elliott 1987: 225, Anm. 115; 347).

    Wir haben uns die Freiheit genommen, fr den gesamten 2. Halb-band den Titel ber die Reproduktion zu whlen, dessen Haupt-inhalt die gegenber der mimeographiert verbreiteten Version nocheinmal substanziell berarbeitete Fassung von Althussers groemManuskript bildet, der wir textnah den Titel Der berbau: ber dieReproduktion der Produktionsverhltnisse gegeben haben.

    1. Der kleine Text zur katholischen Kirche, der hier mit einem vomHerausgeber gewhlten Titel zuerst auf Deutsch verffentlicht wird,gibt einen weiteren Einblick in Althussers Werkstatt zur Zeit seinerArbeit an der Problematik der ideologischen Staatsapparate. Seine fran-zsische Erstverffentlichung (ohne Titel) in einer linkskatholischenDominikanerzeitschrift drfte in Frankreich lngst vergessen sein.1 Er

    belegt einmal mehr, wie sehr Althusser geradezu lebenslnglich die

    1 S. die Nachweise, S. 375. Peter Schttler hat mich freundlicherweise dar-auf hingewiesen und mich mit einer Fotokopie versorgt.

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    Probleme der katholischen Kirche beschftigt haben. Und er zeigt ei-nen ersten Kristallisationspunkt seiner berlegungen zu den ISA dernach der Fertigstellung der ersten Fassung des groen Manuskripts,entstanden ist, whrend der im ersten Halbband publizierte Text AusAnlass des Artikels von Michel Verret ber den studentischen Maivor dessen Abfassung entstanden ist. Ich hoffe, durch diese Kontextua-lisierung dazu beizutragen, dass auch die groen Texte ohne das kri-tische Verstndnis blockierende Sakralisierungen gelesen werden.

    2. Das hier auf der Grundlage seiner franzsischen Verffentlichungdurch Jacques Bidet unter dem Titel Sur la reproduction (1995, kurzvor dieser deutschen Erstverffentlichung ist bei PUF eine zweite, um

    ein Geleitwort von tienne Balibar ergnzte Auflage erschienen) ver-ffentlichte groe Manuskript stellt den Forschungszusammenhangdar, aus dem Louis Althusser 1970 seinen bekannten Artikel Ideo-logie und ideologische Staatsapparate ausgekoppelt hat.2 Deswegenwird es hier als zweiter Halbband dieses Bandes der GesammeltenSchriften verffentlicht.

    Damit soll allerdings Althussers Publikationsentscheidung nichtbergangen und heruntergespielt werden: Der von ihm verffentlichte

    Text ist der autorisierte, gleichsam endgltige Text; das posthum verf-fentlichte Manuskript bleibt bestenfalls in der Schwebe sein Verfasserhtte sich noch entscheiden knnen, andere Teile davon zur Verffent-lichung durchzusehen und so zu autorisieren (hat dies aber nicht ge-tan) und es ist schlimmstenfalls als ein von seinem Verfasser verwor-fener Entwurf zu behandeln.

    Zur verffentlichten Gestalt dieses Manuskripts verweise ich aufdie Editorische Notiz von Jacques Bidet, die in der zweiten Auf-

    lage von Sur la reproduction unverndert bernommen worden ist.Ergnzend habe ich zwei inhaltliche editorische Bemerkungen Bali-bars (aus seinem Geleitwort) hinzugefgt. Textliche Irrtmer im fran-zsischen Original (Tippfehler, unvollstndig gebliebene Stze, gram-matische Fehlkonstruktionen) sind in der bersetzung stillschweigendkorrigiert.

    Die aus dem ISA-Artikel von 1970 ausgekoppelten Passagensind in den Verweisungen auf den ersten Halbband, d.h. mit Seiten-

    2 Zu welchen problematischen Interpretationen die vllige Vernachlssi-gung dieses Kontextes fhren kann, zeigt exemplarisch Mike Ganes (On theISAs Episode, in: Economy and Society (1983) H. 12, 431-467) These von einerbloen Episode, die mit Althussers philosophischen Untersuchungen vor-her und nachher gar nichts zu tun gehabt habe.

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    Vorbemerkung 11

    zahlen in geraden Klammern zu erkennen z.B. | 56 |. Jene Textteileinnerhalb dieser Passagen, die vom ISA-Artikel abweichen, werdenmit geschweiften Klammern { } markiert. Zudem folgt im Anhang einVerzeichnis der hinzugefgten Passagen. Die hier nachvollziehbar ge-machte Einbettung dieser aus dem groen Manuskript bernom-menen Passagen, die mehr als 90% des 1970 verffentlichten Textesausmachen, soll nicht nur den Vergleich zwischen dem verffentli-chten Aufsatz und dem unverffentlicht gebliebenen Manuskript er-leichtern, sie soll auch das Verstndnis des Artikels vertiefen helfen,ohne ber die Grenzen und ungelsten Probleme des groen Manu-skripts hinwegzutuschen. Eine tabellarische bersicht (S. 369ff.) soll

    den Vergleich zwischen den beiden Fassungen erleichtern.tienne Balibar (2003/2011: 8) hat darauf aufmerksam gemacht, dass

    dieser Text zu einem der wichtigen Texte seines Autors geworden ist(und dies auch bleiben wird): Er ist einer derjenigen, auf die man Be-zug nimmt, um sein Denken zu kennzeichnen, einer derjenigen, in de-nen Begriffe benutzt werden, die gleichsam mit seinem Eigennamensigniert und unmittelbar als solche erkennbar sind (hier geht es umideologische Staatsapparate, ideologische Anrufung, anderswo3 um

    epistemologischen Einschnitt, symptomale Lektre usf. und er istauch einer der Texte, an denen die zeitgenssische Philosophie wei-terhin arbeitet, [jedenfalls] soweit sie sich vom Marxismus, vom Struk-turalismus oder vom Post-Strukturalismus herleitet (ebd.).4 Dennochsieht Balibar in dem quasi-klassischen Status, den dieser fragmenta-rische, unvollendete und groenteils erst posthum verffentlichte Texterlangt hat (vgl. u., Balibars erste Bemerkung zur Edition), eine schwerzu erklrende Paradoxie nachdem seine theoretische Vollendung sich

    als unmglich herausgestellt hatte und die unerklrliche Leerstelle inseiner zunchst verffentlichten Gestalt zwar eine grundstzliche Of-fenheit signalisierte, aber keineswegs den Weg zu einer Lsung wies.

    Ich habe diese editorischen Notizen nach dem Text von Althussersgroem Manuskript eingeordnet und sie nicht wie in der franz-sischen Ausgabe an den Anfang gestellt, auch um zu vermeiden, dassAlthussers Texte durch sie getrennt werden.

    3 In Pour Marx, 1965 (dt. 1968 u. 2011).4 Balibar verweist hier exemplarisch auf Judith Butlers Text: The psychic

    life of power. Theories in subjection, London/New York 1997 (dt.: Psyche derMacht. Das Subjekt der Unterwerfung. Frankfurt a.M. 2002).

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    Zudem habe ich es fr ntig und jedenfalls fr ntzlich gehalten, frdas deutschsprachige, nicht mit der jngeren franzsischen Geschich-te vertraute Publikum in meinen Funoten historische und sachlicheAnmerkungen zu machen, die nach meiner Auffassung noch eben un-terhalb einer Kommentierung bleiben. Sowohl der historisch entfernteCharakter der zahlreichen Anspielungen auf das zeitgenssische Frank-reich der spten 1960er Jahre als auch gelegentliche Hastigkeiten imText rechtfertigen m.E. derartige Hilfestellungen.

    Einfgungen in eckigen Klammern [ ] sind Glttungs- und Korrek-turversuche meinerseits, die ich nicht als bersetzungen ausgebenwollte.

    Ich danke den KollegInnen vom VSA: Verlag fr ihre verlsslicheUntersttzung dieses Publikationsprojektes, insbesondere MarionFisch fr ihr sehr hilfreiches Lektorieren.

    Frieder Otto WolfDezember 2011

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    Notiz ber den ideologischen StaatsapparatKirche: Fnf Thesen ber die Krise derkatholischen Kirche1

    Ich teile Ihnen hier eine Meinung mit, fr die nur ich [persnlich] ver-antwortlich bin, aber fr die doch meine berzeugungen als Marxistund Kommunist einstehen.

    Um die schweren Erdbeben zu begreifen, welche die katholische

    Kirche erschttern und sie weiter erschttern werden, muss man his-torisch ebenso wie theoretisch auf Abstand gehen.

    1. Die Kirche ist ein zentraler Baustein der feudalen Produktions-weise gewesen, die jetzt aus unseren westlichen Lndern verschwun-den ist. Die Kirche war ein Hauptbestandteil des feudalen Staatsappa-rates (wo sie obendrein noch eine konomische Macht darstellte). EinHauptbestandteil des feudalen Staatsapparates: aufgrund ihrer ideolo-gischen Rolle, welche, indem sie dazu beitrug, das Bewusstsein aller

    Menschen zu bilden, diese dazu bereit machte, sich der etabliertenOrdnung der Klassengesellschaft zu unterwerfen und ihre Pltze in derArbeitsteilung zu akzeptieren im [Zusammenhang] der Produktion,in dem der Ausbeutung, der Repression und in der Ideologisierung alssolcher. Sie war derjenige Apparat, der im hchsten Grade die Repro-duktion der feudalen Produktionsverhltnisse gewhrleistete.

    2. Die unterschiedlichen brgerlichen Revolutionen haben die Herr-schaft der feudalen Produktionsverhltnisse beendet und an ihre Stelle

    kapitalistische Produktionsverhltnisse gesetzt.Noch vor diesen Revolutionen als solchen hatten die ersten groenEntwicklungsschbe der Warenverhltnisse bereits die Einheit der Kir-che erschttert: in der Krise der Reformation. Die Reformation war inder Tat ein aggiornamento [eine Aktualisierung] der Kirche: Abersie ist nicht berall akzeptiert worden und die Kirche hat sie gewalt-sam bekmpft. Es war kein Zufall, dass die Franzsische Revolution

    1 [Die franzsische Erstverffentlichung erfolgte ohne Titel. Dieser Titel ist

    vom Herausgeber gewhlt. Althussers Text ist Bestandteil des Dossiers Dia-gnostics, das die Redaktion der seit 1951 von den Dominikanern herausge-gebenen Vierteljahresschrift Lumire et Vie zusammengestellt hat. Althusserwird daher auch im inzwischen erstellten elektronischen Verzeichnis der Zeit-schrift nicht als Autor des Artikels aufgefhrt.]

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    14 Notiz ber den ideologischen Staatsapparat Kirche

    eine gewaltttigere Form angenommen hat als die englische Revoluti-on und dass der Kampf gegen die katholische Kirche in Frankreich eineschrfere Wendung genommen hat: Die Kirche Frankreichs war nichtreformiert2 worden.

    Das Schicksal der Kirche ist in Frankreich nicht auf einen Schlagentschieden worden. Die Bourgeoisie musste mit den aristokratischenKrften, welche die Kirche untersttzt haben, Kompromisse schlieen.Erst am Ende des 19. Jahrhunderts hat sich das Schicksal der Kircheentschieden [und zwar] anhand der Schulfrage. Die kapitalistischeSchule hat praktisch den Platz der Kirche in ihrer Rolle der (ideolo-gischen) Reproduktion der Produktionsverhltnisse bernommen.

    Unterhalb dieses Kampfes, der die herrschenden Klassen anging(Bourgeoisie gegen Aristokratie), lief gleichzeitig ein ganz andererKlassenkampf ab: der zwischen den herrschenden Klassen und demProletariat. Dessen Existenz hat die Kirche dann unter groem Er-schrecken entdeckt. Die Soziallehre der Kirche bildet eine reakti-onre Abwehr gegenber dieser Drohung: Denn die[se] Soziallehreblickt nach rckwrts auf die korporative Vergangenheit des Gemein-wohls und kritisiert den Kapitalismus auf der Grundlage eines Ideals,

    das einer berholten Produktionsweise entspricht. Trotz einiger neu-erer Verbesserungen bleibt die[se] Lehre der Kirche ganz tief konser-vativ. Sie verteidigt das Privateigentum an den Produktionsmitteln, mitder Ausnahme einiger Verstaatlichungen.

    Ein derartig reaktionres, spter dann [auch] konservatives und bes-tenfalls ganz zaghaft reformistisches Sozial-Programm hat fr dieArbeiterklasse keinerlei Bedeutung. Daraus ergibt sich der Atheis-mus der Welt der Arbeiter. Auf diesem Feld ist das Spiel verloren.

    Die kapitalistische Produktionsweise bedient sich noch in gewissemUmfang der Kirche, aber sie sttzt sich vor allem auf die Schule als Ap-parat der Ideologisierung, um die Produktionsverhltnisse zu repro-duzieren. Die Welt der Arbeiter in ihrer breiten Masse ignoriert dieKirche, zumindest in Frankreich. Auf dem Lande ist die Kirche nochgegenwrtig, aber ihr Einfluss verringert sich in dem Mae, wie dieBauernschaft abstirbt.

    3. Bleibt noch hinzuzufgen, dass die Kirche universal ist unddass es ihr gelungen ist, ihren Einfluss auf sehr weite Teile des Globusauszudehnen, in denen die sozialen und politischen Bedingungen nicht

    2 [Im Franzsischen bezeichnet das Wort rforme sowohl die Reformati-on als auch jegliche Art von Reform.]

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    Fnf Thesen ber die Krise der katholischen Kirche 15

    dieselben sind wie in Frankreich. Aber dort stt sie auf eine andereschreckliche Realitt: aufden Imperialismus.

    In einer Reihe dieser Lnder (vgl. Lateinamerika) hat die starke Stel-lung der Kirche gehalten wegen der Koexistenz unterschiedlicherProduktionsweisen, von denen einige ihre Funktion rechtfertigen unddaher ihrer Existenz Kraft verleihen. Aber diese Rechtfertigung unter-sttzt im Wesentlichen die reaktionrsten Krfte des noch stark feudalgeprgten Grogrundbesitzes.

    Allerdings entwickelt sich, aufgrund des Kontaktes der Kirche mitden Volksmassen, des Unvermgens der lokalen Bourgeoisie zum Wi-derstand gegen den amerikanischen Imperialismus, des Fehlens starker

    proletarischer Organisationen und des Schauspiels des unglaublichenElends der enterbten und berausgebeuteten Massen in gewissen religi-sen Kreisen eine Reaktion des Protestes gegen die Ungerechtigkeitund den Skandal der bestehenden Ordnung sowie auch gegen dasBndnis der Grogrundbesitzeraristokratie mit dem amerikanischenImperialismus. Ein Teil des Klerus rebelliert gegen die Rolle, welchedie Kirchenhierarchie ihn spielen lsst, und sogar einige Mitglieder derHierarchie schlieen sich offen diesem Protest selbst an.

    4. Vatikan II3

    hat ein Programm des aggiornamento [zu reali-sieren] versucht, um dieser entweder katastrophalen (Atheismus derwestlichen Arbeiterklassen) oder [zumindest] kritischen (Spaltung deskirchlichen Leitungspersonals) Situation im Zusammenhang mit denweltweiten Klassenkmpfen zu begegnen. Aber man darf sich keine Il-lusionen machen: Vatikan II kann ein Problem nicht lsen, das seinemPrinzip nach kein religises Problem ist, sondern ein Problem desKlas-senkampfs.

    Wenn auch die Realitt dieses Problems als ein Problem des Klas-senkampfs von gewissen Christen, einschlielich Priestern und Bi-schfen, anerkannt werden kann, so kann sie jedoch mit den theore-tischen Instrumenten, ber die die theologische Tradition verfgt,nicht [als solche] erkannt werden und erst recht nicht mit diesen Mit-teln [als Problem] gelst werden, welche zum einen noch zu einemanderen Zeitalter gehren, und zum anderen, als sie ausgearbeitetwurden, keineswegs dafr bestimmt waren, fr die Interessen der aus-gebeuteten Klassen einzutreten, sondern sich in den Dienst der herr-schenden Klassen zu stellen.

    3 [Das zweite Vatikanische Konzil, katholisches Reformkonzil von 1962 bis1965.]

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    16 Notiz ber den ideologischen Staatsapparat Kirche

    5. Mir scheint, dass die Krise der Kirche sich nur noch weiter ver-schrfen kann. Einerseits ist der Niedergang des theologischen Den-kens offensichtlich und nicht wieder gutzumachen: Die Theologiender Revolution oder der Gewalt sind nicht dazu in der Lage, eine[bereits] im Sterben liegende Theologie zu einem wahrhaft theolo-gischen Denken zu erwecken. Andererseits springt die politische undideologische Krise ins Auge: Denn es ist gar nicht absehbar, wie dieKirche in ihrer Gesamtheit mit ihren aus einer langen Vergangen-heit ererbten Strukturen und mit ihrer politischen Rolle im Diensteder herrschenden Klassen und in der sich daraus ergebenden Tradition sich rekonvertieren knnte, um in den Dienst der Werkttigen im

    Klassenkampf zu treten.Denn dafr wre es ntig, dass der Mythos der Gemeinschaft der

    Christen verschwindet, der es verhindert, dass die Klassenspaltungder Gesellschaft und der Klassenkampf anerkannt werden. Man kannschwere Zerreiproben vorhersehen, die auf die Kirche rund um die-se Thematik von Anerkennung und Erkenntnis der gesellschaftlichenKlassen und des Klassenkampfs zukommen, d.h. die Anerkennungund Erkenntnis einer Realitt, welche mit dem im eigentlichen Sinne

    religisen Mythos der Gemeinschaft der Glubigen und der (katho-lischen) Universalitt der Kirche unvereinbar ist.Im Hinblick auf den Kampf der proletarischen Klassen kann die

    Krise der Kirche zu folgendem Ergebnis fhren: Sie kann einen Teilder Christen fr diesen Kampf gewinnen diejenigen [nmlich], de-ren eigene Klassenposition und Empfindsamkeit gegenber dem Lei-den der Armen sowie diejenigen, deren Einsicht in die Ursachen diesesLeidens sie dem Mythos der Gemeinschaft der Glubigen zu entrei-

    en vermag.2. Mai 1969