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Diplomarbeit zur Erlangung des akademischen Grades einer Magistra der Rechtswissenschaften an der Karl-Franzens-Universität Graz zum Thema „Made in Austria“ bei Industrieprodukten: Analyse der Rechtsgrundlagen und ausgewählter österreichischer und deutscher Judikatur vorgelegt von Lisa Hoffelner bei Ao. Univ.-Prof. Mag. rer.soc.oec. Dr. iur. Gerhard Schummer am Institut für Unternehmensrecht und Internationales Wirtschaftsrecht Leoben, Jänner 2017

„Made in Austria“ bei Industrieprodukten: Analyse der … · 2019. 1. 21. · AZK Zollkodex der Europäischen Gemeinschaften (Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober

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Diplomarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades

einer Magistra der Rechtswissenschaften

an der Karl-Franzens-Universität Graz

zum Thema

„Made in Austria“ bei Industrieprodukten:

Analyse der Rechtsgrundlagen und ausgewählter

österreichischer und deutscher Judikatur

vorgelegt von

Lisa Hoffelner

bei

Ao. Univ.-Prof. Mag. rer.soc.oec. Dr. iur. Gerhard Schummer

am Institut für Unternehmensrecht und Internationales Wirtschaftsrecht

Leoben, Jänner 2017

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Ehrenwörtliche Erklärung

Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig und ohne fremde

Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die den Quellen

wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die

Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form keiner anderen inländischen oder

ausländischen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht veröffentlicht. Die

vorliegende Fassung entspricht der eingereichten elektronischen Version.

………….............. ………………………………..

Datum Unterschrift

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Vorwort

Die vorliegende Arbeit wurde als Diplomarbeit im Jänner 2017 am Institut für

Unternehmensrecht und Internationales Wirtschaftsrecht eingereicht. Literatur, Judikatur

und Gesetzestexte wurden bis einschließlich Jänner 2017 berücksichtigt.

Soweit in der vorliegenden Arbeit auf natürliche Personen bezogene Bezeichnungen aus

Gründen des besseren Verständnisses sowie der leichteren Lesbarkeit nur in männlicher

Form angeführt sind, beziehen sie sich auf Männer und Frauen gleichermaßen.

Aus organisatorischer Sicht ist noch zu erwähnen, dass die in der Arbeit ausgewiesenen

Zitate den Vorgaben der „Neuen Zitierregeln für juristisches Zitieren“, zusammengestellt

von Jahnel, folgen.

Die angeführten Internetdokumente und Websites wurden zuletzt am 08.01.2017 auf ihre

Aktualität geprüft.

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I

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis ................................................................................................................... I

Abkürzungsverzeichnis ....................................................................................................... IV

1 Einleitung ..................................................................................................................... 1

2 Rechtsgrundlagen ......................................................................................................... 3

2.1 Völkerrechtliche Rechtsgrundlagen ...................................................................... 3

2.1.1 Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums....... 4

2.1.1.1 Regelungsgegenstand und Terminologie ................................................. 5

2.1.1.2 Anzuwendende Prinzipien........................................................................ 6

2.1.1.3 Rechtsfolgen ............................................................................................. 6

2.1.2 Madrider Abkommen über die Unterdrückung falscher oder irreführender

Herkunftsangaben .......................................................................................................... 7

2.1.2.1 Regelungsgegenstand und Terminologie ................................................. 8

2.1.2.2 Rechtsfolgen ............................................................................................. 9

2.1.3 Lissaboner Abkommen über den Schutz der Ursprungsbezeichnungen und

ihre internationale Registrierung ................................................................................. 10

2.1.3.1 Regelungsgegenstand und Terminologie ............................................... 10

2.1.3.2 Rechtsfolgen ........................................................................................... 11

2.1.4 Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen

Eigentums .................................................................................................................... 12

2.1.4.1 Terminologie und Regelungsgegenstand ............................................... 13

2.1.4.2 Schutzniveau und Rechtsfolgen ............................................................. 13

2.2 Europarechtliche Rechtsgrundlagen .................................................................... 15

2.2.1 Der Unionszollkodex ..................................................................................... 16

2.2.1.1 Der nichtpräferentielle Ursprung ........................................................... 17

2.2.1.2 Bestimmung des Ursprungs bei Herkunft aus einem Land .................... 18

2.2.1.3 Bestimmung des Ursprungs bei Herkunft aus zwei oder mehr Ländern 19

2.2.1.3.1 Wesentliche Bearbeitung und Verarbeitung ...................................... 20

2.2.1.3.2 Herstellung eines neuen Erzeugnisses oder bedeutende

Herstellungsstufe ................................................................................................. 21

2.2.1.3.3 Montagevorgänge .............................................................................. 21

2.2.1.4 Delegierte Vorschriften zum UZK ......................................................... 22

2.3 Nationale Rechtsgrundlagen ................................................................................ 24

2.3.1 Das Markenschutzgesetz 1970 ...................................................................... 24

2.3.2 Das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb .................................. 25

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II

2.3.2.1 Das Verbot irreführender Geschäftspraktiken nach § 2 UWG .............. 25

2.3.2.2 Der Schutz vor Irreführung über die wesentlichen Merkmale des

Produkts (in concreto über die Herkunft) gem § 2 Abs 1 Z 2 UWG ....................... 26

2.3.3 Exkurs zur Rechtslage in Deutschland .......................................................... 29

2.3.3.1 Der Schutz geographischer Herkunftsangaben nach §§ 126 ff dMarkenG

................................................................................................................ 29

2.3.3.2 Der Schutz vor Irreführung über Merkmale von zentraler Bedeutung

gem § 5 Abs 1 Z 1 dUWG ...................................................................................... 31

2.4 Zwischenfazit....................................................................................................... 32

3 Geografische Herkunftsangaben ................................................................................ 35

3.1 Tatbestandmerkmale der geographischen Angaben ............................................ 35

3.2 Arten von Herkunftsangaben ............................................................................... 36

3.2.1 Ursprungsbezeichnungen............................................................................... 36

3.2.2 Einfache Herkunftsangaben ........................................................................... 37

3.2.3 Qualifizierte Herkunftsangaben ..................................................................... 37

3.2.4 Unmittelbare Herkunftsangaben .................................................................... 38

3.2.5 Mittelbare Herkunftsangaben ........................................................................ 38

3.2.6 Scheingeografische Bezeichnungen und Fantasiebezeichnungen ................. 40

3.2.7 Die Verwendung entlokalisierender Zusätze ................................................. 40

3.3 Abgrenzungen ...................................................................................................... 41

3.4 Irreführung durch Angaben über die geographische Herkunft ............................ 42

3.4.1 Irreführung durch die Verwendung von geografischen Herkunftsangaben .. 42

3.4.2 Irreführung durch die Verwendung von fremder Sprache ............................. 43

3.4.3 Irreführung durch die Verwendung von Landesfarben, Flaggen oder Wappen

....................................................................................................................... 44

3.5 Zwischenfazit....................................................................................................... 45

4 Judikatur ..................................................................................................................... 46

4.1 Österreichische Judikatur .................................................................................... 46

4.1.1 OGH 05.12.1978, 4 Ob 402/78 (UNI-DIM-Isolierkamine) .......................... 47

4.1.1.1 Sachverhalt ............................................................................................. 47

4.1.1.2 Entscheidungsgründe des OGH ............................................................. 48

4.1.2 OGH 19.10.1999, 4 Ob 272/99z (Tiroler Loden) .......................................... 50

4.1.2.1 Sachverhalt ............................................................................................. 50

4.1.2.2 Entscheidungsgründe des OGH ............................................................. 52

4.1.3 OGH 08.04.2008, 4 Ob 42/08t (W.-Klaviere) ............................................... 53

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III

4.1.3.1 Sachverhalt ............................................................................................. 53

4.1.3.2 Entscheidungsgründe des OGH ............................................................. 54

4.1.4 Zwischenfazit zur österreichischen Judikatur................................................ 57

4.2 Judikatur in Deutschland ..................................................................................... 58

4.2.1 Grundsatzurteil Ski-Sicherheitsbindung ........................................................ 58

4.2.1.1 Sachverhalt ............................................................................................. 58

4.2.1.2 Entscheidungsgründe des BGH .............................................................. 59

4.2.2 Entscheidung Kondome - Made in Germany ................................................ 60

4.2.2.1 Sachverhalt ............................................................................................. 60

4.2.2.2 Entscheidungsgründe des BGH .............................................................. 60

4.2.3 Ausgewählte Entscheidungen deutscher OLG zu „Made in Germany“ ........ 61

4.2.3.1 OLG Stuttgart 10.11.1995, 2 U 124/95 (Staubsauger) ........................... 61

4.2.3.1.1 Sachverhalt ......................................................................................... 61

4.2.3.1.2 Entscheidungsgründe des OLG Stuttgart ........................................... 62

4.2.3.2 OLG Düsseldorf 05.04.2011, I-20 U 110/10 (Bestecke) ....................... 63

4.2.3.2.1 Sachverhalt ......................................................................................... 63

4.2.3.2.2 Entscheidungsgründe des OLG Düsseldorf ....................................... 63

4.2.3.3 OLG Köln 13.06.2014 - I-6 U 156/13 (Schmiedekolben) ..................... 64

4.2.3.3.1 Sachverhalt ......................................................................................... 64

4.2.3.3.2 Entscheidungsgründe des OLG Köln ................................................ 64

4.2.4 Kriterien für eine zulässige Verwendung von „Made in Germany“ ............. 65

4.2.4.1 Die Verkehrsanschauung........................................................................ 66

4.2.4.2 Die Herkunft von Produktbestandteilen ................................................. 67

4.2.4.3 Die zeitliche Abfolge der Verarbeitung ................................................. 69

4.2.4.4 Die wesentlichen Verarbeitungsschritte ................................................. 71

4.2.4.4.1 Die quantitative Zuordnung ............................................................... 71

4.2.4.4.2 Die qualitative Zuordnung ................................................................. 72

4.2.4.5 Der Wertschöpfungsanteil ...................................................................... 73

4.2.5 Zwischenfazit zur deutschen Judikatur ......................................................... 74

5 Conclusio ................................................................................................................... 75

Literaturverzeichnis ............................................................................................................ VII

Judikaturverzeichnis ............................................................................................................ XI

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IV

Abkürzungsverzeichnis

§ Paragraph(en)

ABl Amtsblatt

Abs Absatz, Absätze

AZK Zollkodex der Europäischen Gemeinschaften (Verordnung (EWG)

Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992, ABl EG 1992 Nr. L

302, zuletzt geändert durch ABl EU 2013 Nr. L 269)

AZK-DVO Verordnung (EWG) Nr. 2554/93 der Kommission mit

Durchführungsvorschriften zum AZK, ABl EG 1993 Nr. L 253,

zuletzt geändert durch ABl EU 2014 Nr. L 344)

BeckRS Beck online Rechtsprechung

Bekl Beklagte/-r; beklagte Partei

BGB Deutsches Bürgerliches Gesetzbuch

BGBl Bundesgesetzblatt

BGH (deutscher) Bundesgerichtshof

bspw beispielsweise

bzw beziehungsweise

ca circa

DA Delegierte Verordnung der EK (Delegated Act)

DB Der Betrieb, Wochenschrift für Betriebswirtschaft, Steuerrecht,

Wirtschaftsrecht, Arbeitsrecht

dh das heißt

dUWG deutsches UWG idgF

dMarkenG Gesetz über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen

(deutsches Markengesetz) igdF

ecolex Fachzeitschrift für Wirtschaftsrecht

EG Europäische Gemeinschaft

Erl Erläuterungen; erläuternde Bemerkungen

EK Europäische Kommission

EU Europäische Union

EuGH Europäischer Gerichtshof

ErstG Erstgericht

eV einstweilige Verfügung

f/ff folgende/ fortfolgende

GATT Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen 1994 (General Agreement

on Tariffs and Trade 1994)

GRUR Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht

GRUR Int Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Internationaler Teil

GRUR-Prax Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Praxis im

Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht

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V

GRUR-RR Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Rechtsprechungs-

Report

gem gemäß

grds grundsätzlich

H Heft

Hrsg Herausgeber/-in

IA Durchführungsverordnung der EK (Implementing Act)

idF in der Folge; in der Fassung

idgF in der geltenden Fassung

idR in der Regel

IIC International Review of Intellectual Property and Competition Law

insb insbesondere

iSd im Sinne der/ des

iSv im Sinne von

iVm in Verbindung mit

Kl Kläger/-in; klagende Partei

LSK Leitsatzkartei des deutschen Rechts

LUA Lissaboner Abkommen über den Schutz der

Ursprungsbezeichnungen und ihrer internationalen Registrierung

1958 (Lissabonner Ursprungsabkommen)

MarkenschutzG Markenschutzgesetz 1970 idgF

MDR Monatsschrift für Deutsches Recht

mE meines Erachtens

MHA Madrider Abkommen über die Unterdrückung falscher oder

irreführender Herkunftsangaben (Madrider Herkunftsabkommen)

MR Medien und Recht

MR-Int Medien und Recht International Edition

mWv mit Wirkung vom

NJW-RR Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungs-Report Zivilrecht

NJWE- WettbR Neue Juristische Wochenschrift - Entscheidungsdienst

Wettbewerbsrecht

Nr Nummer(n)

ÖBl Österreichische Blätter für gewerblichen Rechtsschutz und

Urheberrecht

ÖBl-LS Österreichische Blätter für gewerblichen Rechtsschutz und

Urheberrecht (Leitsätze)

OGH Oberster Gerichtshof

OLG Oberlandesgericht

PharmR Pharma Recht

PVÜ Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen

Eigentums

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VI

RekG Rekursgericht

RL Richtlinie

RL-UGP Richtlinie 2005/29/EG des europäischen Parlaments und des Rates

vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im

binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und

Verbrauchern (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken)

Rn Randnummer(n)

Rs Rechtssache

Rsp Rechtsprechung

Rz Randzahl(en), Randziffer(n)

S Seite(n)

sog so genannte/-r/-s

stRsp ständige Rechtsprechung

SZ Entscheidungen des OGH in Zivilsachen

TRIPS-Abkommen Abkommen über die handelsbezogene Aspekte der Rechte des

oder TRIPS geistigen Eigentums (Agreement on Trade-Related Aspects of

Intellectual Property Rights)

ua unter anderem; und andere

uU unter Umständen

UWG Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 idgF

UZK Unionszollkodex (Verordnung (EU) des Europäischen Parlaments

und des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Union, ABl EU Nr.

L 269/2013)

UZK-DA Delegierte Verordnung (EU) 2015/2446 der Kommission vom 24.

November 2015 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 952/2013

des Europäischen Parlaments und des Rates mit Einzelheiten zur

Präzisierung von Bestimmungen des Zollkodex der Union, ABl EU

Nr. L 343/2015

UZK-IA Durchführungsverordnung (EU) 2015/2447 der Kommission vom

24. November 2015 mit Einzelheiten zur Umsetzung von

Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des

Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung des

Zollkodex der Union, ABl EU Nr. L 343/2015

va vor allem

vgl vergleiche

Wbl Wirtschaftsrechtliche Blätter

WRP Wettbewerb in Recht und Praxis

Z Ziffer(n)

zB zum Beispiel

ZER Zeitschrift für Europarecht

zT zum Teil

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1

1 Einleitung

Die vorliegende Diplomarbeit beschäftigt sich näher mit der Kennzeichnung von

Industrieprodukten mit „Made in Austria“. Die Thematik von „Made in“ ist insb im

Hinblick auf mangelnde Qualität und Produktsicherheit von Kinderspielzeug1 sehr aktuell

und sogar die Wirtschaftskammer widmet sich auf ihrer Homepage diesem Thema2. Der

Grund, warum mir diese Thematik ein Anliegen ist, ist jener, dass ich in meinem Umfeld

vielfach beobachten kann, dass die Herkunft von Industrieprodukten immer wieder

thematisiert wird, zB beim Kauf eines neuen Elektrogerätes oder Autos. Diese

Beobachtung wird auch durch die Studie Global Brand Origin von Nielsen belegt, in der

69 Prozent der Österreicher angaben, dass sie bevorzugt lokale Produkte kaufen, um so ua

die lokale Wirtschaft zu unterstützen.3 Der Einfluss geographischer Angaben ist also nicht

nur in Bezug auf Lebensmittel und landwirtschaftlich erzeugte Produkte ein wichtiger

Faktor für die Kaufentscheidung von Konsumenten, sondern auch bei Industrieprodukten.

Für Verbraucher, die bei der Produktauswahl insb auch Wert auf die Herkunft der Produkte

legen, ist es wichtig zu wissen, in welchem Land ein Produkt oder einzelne

Produktbestandteile hergestellt wurden und dadurch ihre Qualität oder bestimmte

Eigenschaften erhalten. Aus den genannten Gründen kommt „Made in Austria“ im

heutigen Wirtschaftsleben eine besondere Rolle zu. Die Formulierung wird seit

Jahrzehnten verwendet und bei bestimmten Herkunftsländern, wie zB Österreich und

Deutschland, mit einer hohen Produktqualität in Verbindung gebracht. Als Beispiele für

die Verknüpfung von Qualität mit Herkunft seien hier bspw Gmundner Keramik, Meißner

Porzellan, Solinger Stahl, Heidelberger Zement oder Ravensburger Spiele genannt.

Das Ziel dieser Diplomarbeit ist es, die folgenden drei Fragenblöcke zu klären:

Welche konkreten Rechtsgrundlagen kommen für einen Schutz geographischer

Herkunftsangaben in Betracht und wie sieht es mit deren Anwendbarkeit in Bezug

auf die Verwendung von „Made in Austria“ aus?

1 Vivien Timmler, EU-Kommission warnt vor gefährlichem Spielzeug

<http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/gefaehrliche-produkte-eu-kommission-warnt-vor-gefaehrlichem-

spielzeug-1.2965788> (08.01.2017). 2 <https://www.wko.at/Content.Node/service/aussenwirtschaft/fhp/Ursprung/Made_in_....html>

(08.01.2017). 3 Judith Kuiper, Für Österreicher zählt die Herkunft < http://www.handelszeitung.at/handelszeitung/fuer-

oesterreicher-zaehlt-die-herkunft-130962 > (08.01.2017).

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2

Was sind geographische Herkunftsangaben, wie kann mit Ihnen in die Irre geführt

werden und wie kann „Made in Austria“ dabei eingeordnet werden?

Wie beurteilt der OGH - unter Heranziehung von drei Judikaten - die Zulässigkeit

der Verwendung der geographischen Herkunft und welches Fazit ergibt sich daraus

für „Made in Austria“? Wie beurteilen - im Vergleich dazu - die deutschen Gerichte

die Zulässigkeit der Verwendung von „Made in Germany“?

Die vorliegende Arbeit gliedert sich daher in drei große Kapitel: Rechtsgrundlagen

(Kapitel 2), geographische Herkunftsangaben (Kapitel 3) und Judikatur (Kapitel 4).

Im ersten Teil der Arbeit ist zunächst zu klären, aus welchen Rechtsgrundlagen sich

Regelungen über die Verwendung und den Schutz von „Made in Austria“ ableiten lassen.

Es werden die in Frage kommenden Rechtsquellen analysiert, deren Inhalte Argumente für

eine Einordnung mit sich bringen könnten. Darauf aufbauend folgt im zweiten Teil ein

Überblick über geografische Herkunftsangaben im Allgemeinen. Zuerst werden hier die

Arten von geografischen Herkunftsangaben und in weiterer Folge die Möglichkeiten der

Irreführung des Verbrauchers durch geografische Herkunftsangaben näher

herausgearbeitet. Schließlich wird die Judikatur zur Verwendung von „Made in Austria“

analysiert. Im konkreten werden drei Entscheidungen des OGH näher betrachtet, wobei

diese keine eindeutige Verknüpfung zur Verwendung der Angabe „Made in Austria“

enthalten und daher allenfalls eine Orientierungshilfe bei der Beurteilung darstellen. In

Ermangelung aussagekräftiger österreichischer Judikatur, wird idF die deutsche Judikatur

zu „Made in Germany“ herangezogen. In Deutschland gibt es ein Grundsatzurteil aus dem

Jahr 1973, das sich näher mit dem Begriff „deutsches Erzeugnis“ auseinandersetzt.

Außerdem haben sich die deutschen Gerichte aller Instanzen in den letzten Jahren

eingehend mit möglichen Kriterien für die korrekte Benutzung im Bereich der

geografischen Herkunftsangaben und von „Made in Germany“ im Besonderen beschäftigt.

Daher werden auch diese Entscheidungen im Hinblick auf mögliche Kriterien für eine

Herkunftsbegründung näher analysiert.

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3

2 Rechtsgrundlagen

Unter geografischen Herkunftsangaben sind alle Zeichen, insb Namen und Symbole, zu

verstehen, die auf die Herkunft eines Produktes oder Erzeugnisses aus einem bestimmten

Ort, einer bestimmten Gegend oder einem Land hinweisen.4 Eine genauere Ausführung zu

den geographischen Herkunftsangaben wird in weiterer Folge in Kapitel 3 eingehender

behandelt. Geographische Herkunftsangaben können in unterschiedlichem Zusammenhang

verwendet werden. Sie können einerseits im Rahmen der Warenmarkierung direkt als

Angabe am Produkt oder auf der Produktverpackung, als Hinweis auf die geographische

Herkunft, angebracht sein. Andererseits kann mit ihnen in der Werbung, zB in Broschüren

oder Prospekten, zu Zwecken der Absatzförderung geworben werden. 5

Da geographische Herkunftsangaben unterschiedlich verwendet werden können, stellt sich

die Frage, welche Rechtsgrundlagen geografische Herkunftsangaben und deren

Verwendung schützen. Sie sind sowohl durch völkerrechtliche, als auch europarechtliche

und nationale Rechtsgrundlagen geschützt. Die verschiedenen Rechtsgrundlagen weisen

unterschiedliche Regelungsgegenstände, Schutzstandards und Rechtsfolgen auf. Im

Folgenden werden die in Frage kommenden Rechtsgrundlagen - in der Reihenfolge

Völkerrecht, Europarecht und nationales Recht - näher erläutert und in Bezug auf die

Verwendung von „Made in Austria“ analysiert.

2.1 Völkerrechtliche Rechtsgrundlagen

Da das Bedürfnis nach dem Schutz geografischer Herkunftsangaben auf internationaler

Ebene seit langem anerkannt ist, gibt es dazu einige multi- und bilaterale völkerrechtliche

Abkommen. Die Pariser Verbandsübereinkunft6 schützt Herkunftsangaben und

Ursprungsbezeichnungen in den einzelnen Beitrittsstaaten nach dem Grundsatz der

Inländerbehandlung. Das Madrider Herkunftsabkommen7 verpflichtet alle Vertragsstaaten

dazu, irreführende Angaben über die Herkunft von Erzeugnissen nach Maßgabe des

nationalen Rechts des jeweiligen Vertragsstaates gegen Irreführung zu verbieten. Das

4 Omsels, Geografische Herkunftsangaben (2007) 1, Rn 1.

5 Omsels, Geografische Herkunftsangaben (2007) 125, Rn 305.

6 Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums vom 20. März 1883 (in Kraft

getreten am 18.08.1973). 7 Madrider Abkommen über die Unterdrückung falscher oder irreführender Herkunftsangaben vom

14.04.1891.

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4

Lissaboner Ursprungsabkommen8 schützt geografische Angaben, die der Bezeichnung der

Herkunft eines Erzeugnisses aus einer benannten Gegend dienen und die ihre Qualität und

ihre Eigenschaften diesen geografischen Verhältnissen verdanken. Das TRIPS-

Abkommen9 enthält besondere Regelungen betreffend den Schutz geografischer

Herkunftsangaben, durch die die Vertragsstaaten zum Schutz gegen den irreführenden

Gebrauch von Herkunftsangaben und zum Schutz von Herkunftsangaben gegen unlauteren

Wettbewerb verpflichtet werden. Neben diesen multilateralen internationalen Abkommen

gibt es außerdem zahlreiche bilaterale Verträge, in denen Staaten wechselseitig ihre

Herkunftsangaben schützen. 10

Die genannten multilateralen völkerrechtlichen Abkommen werden idF chronologisch,

nach ihrem Inkrafttreten, anhand einer allgemeinen Einführung und in weiterer Folge in

Bezug auf die Verwendung von „Made in Austria“ näher erläutert und analysiert. Auf eine

Darstellung der einzelnen bilateralen völkerrechtlichen Abkommen wird verzichtet, weil

dies den Rahmen dieser Diplomarbeit sprengen würde.

2.1.1 Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums

Die Pariser Verbandsübereinkunft (kurz: PVÜ) schützt einerseits Herkunftsangaben und

andererseits Ursprungsbezeichnungen. Sie stützt sich auf den Grundsatz der

Inländerbehandlung und gewährleistet somit geografischen Angaben den Schutz, der ihnen

nach dem Recht des Schutzlandes zustehen würde. 11

Das Ziel der PVÜ ist ein möglichst

umfassender Schutz des gewerblichen Eigentums. Zu diesem gewerblichen Eigentum

gehören nach Art 1 Abs 2 PVÜ auch geographische Angaben. Die Regelungen über

geographische Angaben sind seit dem Inkrafttreten 1883 mehrfach neu gefasst worden. Sie

wurden durch die Haager Revisionskonferenz 1925 und die Lissabonner Konferenz 1958

neu geregelt und finden sich seitdem in den Art 9 und 10 PVÜ. Die PVÜ etabliert mit

diesen Regelungen einen Mindeststandard, der jedoch sowohl hinsichtlich des

Schutzumfangs als auch in Bezug auf die Rechtsfolgen niedrig angesetzt ist. 12

8 Lissaboner Abkommen über den Schutz von Ursprungsbezeichnungen und ihre internationale Registrierung

vom 31.10.1958. 9 Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (in Kraft getreten am

01.01.1995). 10

Omsels, Geografische Herkunftsangaben, 4, Rn 9. 11

Omsels, Geografische Herkunftsangaben, 334, Rn 855. 12

McGuire/Strauch in Busche/Stoll/Wiebe (Hrsg), TRIPs. Internationales und europäisches Recht des

geistigen Eigentums. Kommentar2 Vor Artikel 22-24, 388, Rz 69 (2013).

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5

Art 19 PVÜ erlaubt es den Mitgliedsstaaten außerdem, weiteren multi- und bilateralen

Abkommen zum Schutz geografischer Herkunftsangaben, wie unter anderem dem

Madrider Herkunftsabkommen, dem Lissabonner Ursprungsabkommen oder dem TRIPS-

Abkommen, beizutreten.13

Bis dato sind insgesamt 176 Staaten der PVÜ beigetreten.14

Auch Österreich ist der PVÜ

beigetreten und diese ist mit 18.08.1973 in Kraft getreten.15

2.1.1.1 Regelungsgegenstand und Terminologie

Obwohl in Art 1 Abs 2 PVÜ mit dem Oberbegriff „geografische Angaben“ sowohl

Herkunftsangaben als auch Ursprungsbezeichnungen erfasst sind, ist in den nachfolgenden

Bestimmungen der PVÜ nur noch von Herkunftsangaben die Rede.16

Der

Anwendungsbereich der PVÜ ist unter Verwendung der Begriffe Herkunftsangaben bzw

Ursprungsbezeichnungen sehr weit gefasst. Da der Schutz durch die PVÜ nicht auf eine

spezifische Auslegung begrenzt ist, fallen insb auch einfache geographische Angaben unter

ihren Anwendungsbereich. 17

Die Vermutung, dass es sich um eine falsche Angabe

handelt, setzt aber voraus, dass es sich nicht bloß um eine Gattungs- oder

Phantasiebezeichnung handelt. Da die PVÜ diesbezüglich keine Abgrenzung trifft, muss

diese Frage nach der Verkehrsauffassung im jeweiligen Schutzland geklärt werden. In

Ermangelung eines ausdrücklichen Verbots von entlokalisierenden Zusätzen, muss auch

die Frage, ob der Vorwurf einer fehlerhaften Verwendung durch richtigstellende oder

entlokalisierende Zusätze entkräftet werden kann, gesondert geklärt werden. 18

Die Bezeichnung „Made in Austria“ kann grds als Herkunftsangabe iSd PVÜ verstanden

werden, weil sie, als einfache Herkunftsangabe, auf die geografische Herkunft einer Ware

hinweist. 19

13

Omsels, Geografische Herkunftsangaben, 334, Rn 855. 14

<http://www.wipo.int/treaties/en/ShowResults.jsp?treaty_id=2> (08.01.2017). 15

<https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10002271>

(08.01.2017). 16

Mey/Eberli, Die Verwendung der Bezeichnung „Made in Germany“ im europäischen und internationalen

Kontext, GRUR Int 2014, 321 (323). 17

McGuire/Strauch in TRIPs2 Vor Artikel 22-24, 388, Rz 70.

18 McGuire/Strauch in TRIPs

2 Vor Artikel 22-24, 389, Rz 72.

19 Mey/Eberli, GRUR Int 2014, 321 (323).

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6

2.1.1.2 Anzuwendende Prinzipien

Aufgrund der Nennung der geographischen Angaben in Art 1 Abs 2 PVÜ sind auf

Herkunftsangaben auch die allgemeinen Prinzipien der PVÜ anzuwenden, wobei hier insb

das Prinzip der Inländerbehandlung nach Art 2 PVÜ von Bedeutung ist. In einem anderen

Land erhalten demzufolge ausländische geographische Angaben nur den Schutz, den das

Recht des Schutzlandes auch für inländische geographische Angaben vorsieht. Aufgrund

des großen Schutzgefälles zwischen den einzelnen Staaten bleibt dieser Mindestschutz

jedoch weitgehend unzureichend. Zu bedenken ist hier va auch, dass es Staaten gibt, die

aufgrund ihrer Tradition oder ihrer klimatischen Verhältnisse nur eine geringe Anzahl von

geographischen Angaben aufweisen und daher deren Schutz keine besondere Bedeutung

zumessen. Entsprechend unbefriedigend bleibt daher in diesen Staaten auch der Schutz

ausländischer geographischer Angaben. Zum allgemeinen Prinzip der lnländerbehandlung

treten als spezielle Regelungen für geographische Angaben Art 10 iVm Art 9 PVÜ hinzu.

Durch diese werden Mindestschutzstandards festgelegt, die durch alle Vertragsstaaten

gewährleistet werden müssen. Nach der aktuellen Bestimmung des Art 10 Abs 1 PVÜ ist

sowohl der unmittelbare als auch der mittelbare Gebrauch einer falschen Angabe über die

Herkunft von Erzeugnissen oder über die Identität des Herstellers, Erzeugers oder Händlers

untersagt. Der Schutz nach Art 10 PVÜ greift demzufolge nur ein, wenn es sich um eine

objektiv und formal falsche Herkunftsangabe handelt. 20

2.1.1.3 Rechtsfolgen

Hinsichtlich der Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die PVÜ verweist Art 10 Abs 1 PVÜ

auf Art 9 PVÜ. Dieser sieht als Sanktion die Beschlagnahme des mit einer falschen

Herkunftsangabe versehenen Erzeugnisses, sowohl im Land der Kennzeichnung, als auch

im Einfuhrland vor. 21

Die Vertragsländer der PVÜ müssen den Vertragsstaaten einen

wirksamen Schutz gegen unlauteren Wettbewerb sichern.22

In Art 10bis

Abs 2 PVÜ wird

ein Mindeststandard des Schutzes gegen unlautere Wettbewerbshandlungen gewährt. Darin

ist unlauterer Wettbewerb wie folgt definiert: „Unlauterer Wettbewerb ist jede

Wettbewerbshandlung, die den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel

20

McGuire/Strauch in TRIPs2 Vor Artikel 22-24, 389, Rz 71 f.

21 McGuire/Strauch in TRIPs

2 Vor Artikel 22-24, 390, Rz 73.

22 Art 10

bis Abs 1 PVÜ.

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7

zuwiderläuft“23

. Welche Wettbewerbshandlungen davon erfasst sind, wird in Art 10bis

Abs 3 PVÜ aufgezählt. Darunter fallen zB irreführende Angaben oder Behauptungen über

wesentliche Eigenschaften eines Produkts. 24

Darüberhinausgehende zivil- oder

strafrechtliche Sanktionen sind nach der PVÜ nicht vorgesehen. Art 10ter

PVÜ verpflichtet

zwar die Verbandsländer, den Angehörigen der anderen Vertragsstaaten geeignete

Rechtsbehelfe zu sichern, jedoch lassen sich daraus keine verbindlichen Rechtsfolgen

ableiten. 25

Österreich ist der PVÜ beigetreten und diese ist daher auch anwendbar. Die Bezeichnung

„Made in Austria“ kann mE als Herkunftsangabe iSd Art 1 Abs 2 PVÜ verstanden werden,

weil damit auf die einfache Herkunft einer Ware hingewiesen wird. Dadurch wird

„Made in Austria“ als einfache Herkunftsangabe vom Anwendungsbereich der PVÜ

erfasst. Aufgrund des sehr weiten Anwendungsbereiches sind mE sowohl irreführende

Angaben am Erzeugnis oder dessen Verpackung, als auch die irreführende Werbung

erfasst und geschützt. Da sich die Rechtsfolgen des Art 10 iVm Art 9 PVÜ aber nur auf ein

mit einer falschen Herkunftsangabe versehenes Erzeugnis beschränken, sind die

Regelungen über die Beschlagnahme mE nur in Bezug auf am Produkt oder der

Verpackung verwendete Herkunftsangaben anwendbar.

2.1.2 Madrider Abkommen über die Unterdrückung falscher oder irreführender

Herkunftsangaben

Das Madrider Herkunftsabkommen (kurz: MHA) wurde 1891 abgeschlossen und 1911 in

Washington, 1925 in Den Haag, 1934 in London, 1958 in Lissabon und 1967 in Stockholm

revidiert. Der Beitritt zum Abkommen steht jenen Staaten offen, die Vertragsparteien der

PVÜ sind. 26

Bei dem MHA handelt es sich dementsprechend um ein Sonderabkommen

zur PVÜ. Dieses widmet sich spezifisch dem Problem der Irreführung durch die falsche

Verwendung von geographischen Herkunftsangaben. 27

Art 3 MHA verpflichtet alle

Vertragsstaaten, jede irreführende mittelbare oder unmittelbare Angabe über die Herkunft

23

Art 10bis

Abs 2 PVÜ. 24

Mey/Eberli, GRUR Int 2014, 321 (323). 25

McGuire/Strauch in TRIPs2 Vor Artikel 22-24, 390, Rz 73.

26 <http://www.wipo.int/treaties/en/ip/madrid/summary_madrid_source.html> (08.01.2017).

27 McGuire/Strauch in TRIPs

2 Vor Artikel 22-24, 390, Rz 74.

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von Erzeugnissen aus einem bestimmten Ort oder aus einer bestimmten Gegend eines

anderen Vertragstaats zu verbieten. Nach Art 1 Abs 1 MHA müssen die Vertragsstaaten

außerdem falsche oder irreführende Angaben über die Herkunft von Erzeugnissen durch

deren Beschlagnahme bei der Einfuhr unterbinden. 28

Dem ursprünglichen Abkommen von 1891 sind insgesamt 36 Staaten beigetreten.29

Die

letzte revidierte Fassung von Stockholm 1967 haben hingegen nur mehr 29 Vertragsstaaten

unterzeichnet.30

Die praktische Bedeutung des MHA ist gering, weil ihm vergleichsweise

nur wenige Länder beigetreten sind.31

Dem MHA gehören von den Mitgliedstaaten der EU

folgende Staaten an: Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Spanien, Irland,

Portugal, Schweden, Polen, die Tschechische Republik, die Slowakei, Bulgarien Ungarn.

Österreich ist dem MHA nicht beigetreten.32

2.1.2.1 Regelungsgegenstand und Terminologie

Durch den Beitritt zum MHA verpflichten sich die Vertragsstaaten dazu, Bezeichnungen,

die aus anderen Vertragsstaaten stammen, zu schützen. Wie dieser Schutz umgesetzt

werden soll, bleibt aber jedem Vertragsstaat selbst überlassen. Die Regelungen des MHA

schreiben den Vertragsstaaten insb auch nicht vor, den Schutz als Recht des geistigen

Eigentums näher auszugestalten. Das MHA hat ein höheres Schutzniveau als die PVÜ,

weil nicht nur die objektiv falsche, sondern auch eine vom Konsumenten missverstandene

Verwendung untersagt wird. Eine verbindliche Definition für den Begriff der

geographischen Angabe findet sich im MHA nicht, aber aus der ausdrücklichen

Erwähnung in Art 1 MHA kann immerhin darauf geschlossen werden, dass sowohl

Ursprungsbezeichnungen als auch geographische Herkunftsangaben von dessen

Anwendungsbereich umfasst sind.

Nach Art 3bis

MHA wird neben dem Gebrauch der fehlerhaften geographischen Angabe

auf den Produkten selbst, auch deren Benutzung im gesamten geschäftlichen Verkehr

untersagt. Das bedeutet idF, dass sowohl der Verkauf, als auch das Anbieten der

Erzeugnisse dem Schutz des MHA unterliegen und ebenfalls untersagt sind. Zudem genügt

28

Omsels, Geografische Herkunftsangaben, 334, Rn 856. 29

<http://www.wipo.int/treaties/en/ShowResults.jsp?lang=en&treaty_id=3> (08.01.2017). 30

<http://www.wipo.int/treaties/en/ActResults.jsp?act_id=9> (08.01.2017). 31

McGuire/Strauch in TRIPs2 Vor Artikel 22-24, 391, Rz 80.

32 <http://www.wipo.int/treaties/en/ActResults.jsp?act_id=9> (08.01.2017).

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9

idR bereits die bloße Eignung zur Irreführung. Die zentrale Frage, ob der Gebrauch einer

geographischen Angabe irreführend ist, wird aber auch hier wiederum nach dem Recht des

Schutzlandes beurteilt. Der Schutz kann dadurch an einer unterschiedlichen

Verkehrsauffassung oder der möglichen Zulässigkeit entlokalisierender Zusätze in den

verschiedenen Vertragsstaaten scheitern. 33

2.1.2.2 Rechtsfolgen

In Bezug auf die Rechtsfolgen bietet das MHA keinen wesentlichen Fortschritt im

Vergleich zur PVÜ. Nach Art 1 MHA ist lediglich eine Beschlagnahmeverpflichtung als

Sanktion vorgesehen: „Jedes Erzeugnis, das eine falsche oder irreführende Angabe trägt,

durch die eines der Länder, auf die dieses Abkommen Anwendung findet, oder ein in diesen

Ländern befindlicher Ort unmittelbar oder mittelbar als Land oder Ort des Ursprungs

angegeben ist, wird bei der Einfuhr in diese Länder beschlagnahmt“34

. Ist eine

Beschlagnahme nach dem Recht eines Landes nicht zulässig, tritt an dessen Stelle ein

Einfuhrverbot, das durch die Mitgliedstaaten zwingend einzurichten ist. Auch im Rahmen

des MHA sind keinerlei weitere zivil- oder strafrechtliche Sanktionen vorgesehen. 35

Da Österreich dem MHA nicht beigetreten ist, ist eine Anwendung ausgeschlossen. Aber

auch in Deutschland, das dem MHA beigetreten ist, ist die praktische Bedeutung des

Abkommens sehr gering. Die Bezeichnung „Made in Austria“ kann mE grds als

Herkunftsangabe iSd Art 1 MHA verstanden werden, weil der Schutzbereich der MHA

eher weit gefasst ist. Davon ist jede Benutzung im geschäftlichen Verkehr erfasst, sowohl

der Verkauf, als auch das Anbieten der Erzeugnisse vom Schutz sind davon mit umfasst.

Daher unterliegen mE nicht nur geographische Angaben am Erzeugnis oder dessen

Verpackung, sondern auch die Werbung mit der Herkunft dem Schutz des MHA. Da im

Rahmen der Rechtsfolgen jedoch nur mehr von einem „Erzeugnis, das eine falsche oder

irreführende Angabe trägt“ die Rede ist, greifen die Rechtsfolgen der Beschlagnahme mE

nur mehr in Bezug auf Angaben am Produkt oder der Produktverpackung.

33

McGuire/Strauch in TRIPs2 Vor Artikel 22-24, 390, Rz 74 ff.

34 Art 1 Abs 1 MHA.

35 McGuire/Strauch in TRIPs

2 Vor Artikel 22-24, 391, Rz 79.

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10

2.1.3 Lissaboner Abkommen über den Schutz der Ursprungsbezeichnungen und ihre

internationale Registrierung

Da es im Rahmen der Lissabonner Revisionskonferenz zur PVÜ nicht gelungen ist, den

Schutz für geographische Angaben im Rahmen der PVÜ weiter auszudehnen, wurde dieses

Ziel auf Betreiben Frankreichs durch den Abschluss eines eigenständigen Abkommens

weiterverfolgt. Dadurch entstand das Lissabonner Ursprungsabkommen (kurz: LUA). 36

Das LUA vom 31.10.1958 wurde erstmals am 14. Juli 1967 in Stockholm revidiert und am

02.10.1979 abermals geändert.37

Der Schutz durch das LUA ist absolut ausgestaltet und geographische Angaben werden als

Schutzrechte anerkannt.38

Weiters sieht das LUA ein Registrierungssystem vor.39

Das LUA

bringt eine erhebliche Verbesserung hinsichtlich des Schutzniveaus. Einzig der

Anwendungsbereich ist aufgrund der Definition der Ursprungsbezeichnungen sehr eng

festgelegt. Die Konzeption als vollwertiges Schutzrecht setzt voraus, dass der Inhaber des

Schutzrechts benannt wird. 40

Doch auch das Erfordernis der formellen staatlichen

Anerkennung durch Führen von einem Listensystem und Eintragung in dieses kann einen

vollwertigen Schutz nicht gewährleisten. Die daraus resultierende Festlegung auf ein

Schutzkonzept, welches eine nähere Regelung auf nationaler Ebene erfordert, ist der Grund

dafür, dass dem LUA nur wenige Staaten beigetreten sind. Dem LUA gehören derzeit bloß

28 Vertragsstaaten41

an. Darunter befinden sich sieben Mitgliedsstaaten der EU:

Frankreich, Italien, Portugal, Ungarn, Bulgarien, die Tschechische Republik und die

Slowakei. Österreich und Deutschland sind dem LUA nicht beigetreten. 42

2.1.3.1 Regelungsgegenstand und Terminologie

Das LUA beschränkt sich auf jene Ursprungsbezeichnungen, bei denen ein Erzeugnis seine

Qualität und seine Eigenschaften ausdrücklich oder überwiegend den geografischen

Verhältnissen eines bestimmten Gebietes verdankt, auf das die Ursprungsbezeichnung

verweist. Diese Ursprungsbezeichnungen genießen in anderen Vertragsstaaten nur einen

36

McGuire/Strauch in TRIPs2 Vor Artikel 22-24, 392, Rz 84.

37 Fezer, Markenrecht

4 (2009) Rn 12.

38 McGuire/Strauch in TRIPs

2 Vor Artikel 22-24, 392, Rz 84.

39 Omsels, Geografische Herkunftsangaben, 334, Rn 857.

40 Art 5 Abs l LUA.

41 <http://www.wipo.int/treaties/en/ShowResults.jsp?lang=en&treaty_id=10> (08.01.2017).

42 McGuire/Strauch in TRIPs

2 Vor Artikel 22-24, 394, Rz 89.

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11

Schutz, wenn sie im Ursprungsland selbst als Ursprungsbezeichnung anerkannt sind und

dort geschützt werden. Inhaltlich erfasst der Schutz nach Art 3 LUA jegliche Art der

Aneignung oder Nachahmung. Dabei kommt es nicht auf das Vorliegen einer Irreführung

an. 43

Das LUA bezieht sich auch nur auf Ursprungsbezeichnungen, die im Rahmen des

Art 2 Abs 1 LUA näher definiert werden. Wesentliche Voraussetzung ist eine enge

objektive Verknüpfung zwischen Herkunft und Qualität. Vom Anwendungsbereich

ausgeschlossen sind dadurch insb einfache sowie indirekte geographische

Herkunftsangaben. Dasselbe gilt für qualifizierte Herkunftsangaben, bei denen ein

Zusammenhang zwischen Herkunft und Qualität auf einer Erwartung des Verkehrs beruht,

die nicht näher spezifizierbar ist. Eine weitere Einschränkung des Anwendungsbereichs

ergibt sich aus Art 1 Abs 2 LUA. Dieser sieht vor, dass eine Ursprungsangabe im

Ursprungsland durch ein Gesetz, eine gerichtliche oder behördliche Entscheidung näher

bestimmt sein muss. Es bedarf also jedenfalls eines innerstaatlichen Aktes der Feststellung

oder Anerkennung in Bezug auf den Inhalt und uU allfällige Benutzungsbedingungen. 44

2.1.3.2 Rechtsfolgen

Der Schutz im Rahmen des LUA begründet in allen Vertragsstaaten ein markenrechtliches

Schutzhindernis. Dadurch soll eine Fehlmonopolisierung einer geographischen Angabe

durch Eintragung einer Marke verhindert werden. Bereits bestehenden kollidierenden

Markenrechten wird gem Art 5 Abs 3 LUA eine Auslauffrist von zwei Jahren gewährt.

Ziel dieser Regelung ist es, jene geographischen Angaben, die im Ausland aufgrund

fehlender Bekanntheit keinen Schutz erlangt haben, oder in Folge eines unzureichenden

Schutzes zu Gattungsbezeichnungen herabgesunken sind, zum Vorteil der Produzenten zu

remonopolisieren. Allerdings konnte dieser Ansatz nicht konsequent durchgehalten

werden. Gem Art 5 Abs 3 LUA sind nämlich grds alle Vertragsstaaten dazu berechtigt,

eine Schutzrechtsverweigerungserklärung abzugeben, wenn eine geographische Angabe

mit einer älteren Marke kollidiert. 45

43

Omsels, Geografische Herkunftsangaben, 334. 44

McGuire/Strauch in TRIPs2 Vor Artikel 22-24, 393, Rz 85.

45 McGuire/Strauch in TRIPs

2 Vor Artikel 22-24, 392, Rz 84.

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12

Da weder Österreich, noch Deutschland, dem LUA beigetreten sind, ist es in beiden

Staaten nicht anwendbar. Bei „Made in Austria“ handelt es sich mE um eine einfache

Herkunftsangabe, weil zwischen der Herkunft und der Qualität oder den Eigenschaften des

Produktes selbst kein objektivierbarer Zusammenhang besteht. Das LUA beschränkt seinen

Schutz aber auf jene Ursprungsbezeichnungen, bei denen ein Erzeugnis seine Qualität und

seine Eigenschaften ausdrücklich oder überwiegend den geografischen Verhältnissen eines

bestimmten Gebietes verdankt, auf das die Ursprungsbezeichnung verweist. Daher wäre

„Made in Austria“ mE ohnehin nicht vom Anwendungsbereich des Art 2 LUA erfasst. Auf

eine unterschiedliche Betrachtung der Verwendungsmöglichkeiten kann daher auch

verzichtet werden.

2.1.4 Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums

Das Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (kurz:

TRIPS-Abkommen oder TRIPS) trat mit 01.01.1995 in Kraft. Es enthält in Art 22 ff

TRIPS Regelungen zum Schutz geografischer Herkunftsangaben. Die Vertragsstaaten

werden dazu verpflichtet, Herkunftsangaben gegen einen irreführenden Gebrauch und

gegen unlauteren Wettbewerb zu schützen. 46

Art 22 TRIPS enthält allgemeine

Bestimmungen zum Schutz geografischer Angaben. In Art 23 TRIPS finden sich

Sonderbestimmungen zum Schutz geografischer Angaben für Weine und Spirituosen. Art

24 TRIPS benennt eine Reihe von Ausnahmen und hält außerdem den Willen der

Vertragsstaaten fest, dass es nicht bei dem Schutz der Art 22 und 23 TRIPS bleiben soll

und dass sie weitere Verhandlungen über einen Schutz von geografischen Angaben führen

wollen. 47

Das TRIPS-Abkommen ist Bestandteil des WTO-Abkommens GATT und somit für alle

WTO-Mitglieder verbindlich. Seine Bedeutung liegt insb darin, dass das materielle Recht

der PVÜ damit gem Art 2 TRIPS auf jene WTO-Mitglieder erstreckt wird, die nicht oder

noch nicht, Vertragsstaaten der PVÜ sind. 48

Zu den Vertragsstaaten gehören, neben der

EU, auch sämtliche Mitgliedstaaten der EU, idF auch Österreich. Das TRIPS-Abkommen

bindet die europäischen und die nationalen Gerichte in seinem Anwendungsbereich sowohl

bei der Auslegung des anwendbaren Rechts zum Schutz von geografischen

46

Omsels, Geografische Herkunftsangaben, 4, Rn 9. 47

Omsels, Geografische Herkunftsangaben, 335, Rn 858 ff. 48

< http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/trips-abkommen.html > (08.01.2017)

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13

Herkunftsangaben und Marken, als auch im Verhältnis der beiden Kennzeichenrechte

zueinander. 49

2.1.4.1 Terminologie und Regelungsgegenstand

Geografische Angaben iSd Art 22 TRIPS sind Angaben, die ein Erzeugnis als aus dem

Hoheitsgebiet eines Mitglieds oder aus einer Gegend oder aus einem Ort in diesem Gebiet

stammend kennzeichnen. Der Begriff der geografischen Angabe nach Art 22 Abs 1 TRIPS

setzt voraus, dass eine bestimmte Qualität, ein bestimmter Ruf oder sonstige bestimmte

Eigenschaft der Ware im Wesentlichen auf ihre geografische Herkunft zurückzuführen

sind. Dieser Zusammenhang zwischen dem Ruf, dem Ansehen oder der Wertschätzung

eines Produkts und seiner geografischen Herkunft, muss von den Gerichten oder Behörden

im jeweiligen Vertragsstaat festgestellt werden. Daher ist der Begriff der geografischen

Herkunftsangabe, aufgrund des erforderlichen Zusammenhangs zwischen den

Eigenschaften der Ware und der geografischen Herkunft, sehr eng auszulegen. Unter

diesen Voraussetzungen sind dennoch alle Arten von Waren, einschließlich industrieller

Erzeugnisse, und alle geografischen Herkunftsangaben, einschließlich mittelbarer

Herkunftsangaben, erfasst. 50

2.1.4.2 Schutzniveau und Rechtsfolgen

Dem TRIPS-Abkommen liegt das Schutzlandprinzip zu Grunde. Dh der Schutz hängt in

erster Linie davon ab, ob eine geografische Angabe nach dem Recht des Staats, in dem der

Schutz begehrt wird, unlauter oder irreführend verwendet wird. Davon sind auch jene

Angaben erfasst, die geografischen Angaben ähnlich sind. Die Rechtslage zum Schutz

geografischer Herkunftsangaben kann sich somit je nach Schutzstaat sehr stark

voneinander unterscheiden. Die Vertragsstaaten dürfen dieses Rechtsgefälle aber gem

Art 24 Abs 3 TRIPS nicht zum Anlass nehmen, ihr eigenes Schutzniveau zu senken. Sie

dürfen den Schutz im jeweiligen Ursprungsland gem Art 24 Abs 9 TRIPS jedoch

ergänzend zur Voraussetzung des Schutzes im eigenen Land machen. Art 24 Abs 3 TRIPS

gilt dabei nur für eine bereits bestehende geografische Herkunftsangabe. Damit ist jedoch

nicht das Vorhandensein eines Schutzsystems als solches gemeint.

49

Omsels, Geografische Herkunftsangaben, 335, Rn 858 ff. 50

Omsels, Geografische Herkunftsangaben, 335, Rn 861 f.

Page 23: „Made in Austria“ bei Industrieprodukten: Analyse der … · 2019. 1. 21. · AZK Zollkodex der Europäischen Gemeinschaften (Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober

14

Nach Art 22 Abs 2 TRIPS sind die Vertragsstaaten dazu verpflichtet, den Angehörigen

aller Mitgliedsstaaten einen Unterlassungsanspruch zu gewähren, der den Schutz gegen

eine irreführende Verwendung geografischer Angaben und den Schutz gegen unlautere

Wettbewerbshandlungen iSv Art 10bis

PVÜ umfasst. Eine Ausnahme hiervon findet sich in

Art 24 Abs 8 TRIPS. Demnach kann es niemandem verboten werden, im geschäftlichen

Verkehr seinen Namen oder den Namen seines Geschäftsvorgängers zu benutzen, auch

wenn es sich hierbei um eine geografische Angabe handelt, sofern dieser Name nicht dazu

verwendet wird, das Publikum in die Irre zu führen. Art 22 Abs 3 TRIPS verpflichtet die

Vertragsstaaten, von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei, zur Zurückweisung einer

Markenanmeldung oder zur Löschung einer Markeneintragung für jene Produkte, die eine

geografische Angabe enthalten oder aus ihr bestehen, wenn diese Produkte ihren Ursprung

nicht im angegebenen Hoheitsgebiet haben und die Benutzung der Marke das Publikum

über den wahren Ursprungsort irreführt. Dieser Verpflichtung kommt Österreich im

Rahmen des § 4 Abs 1 Z 8 Markenschutzgesetz und Deutschland im Rahmen des § 8

Abs 1 Nr 4 dMarkenG nach. 51

Da dem TRIPS-Abkommen die EU, und damit auch sämtliche Mitgliedstaaten der EU,

beigetreten sind, ist folglich auch Österreich ein Vertragsstaat. Dadurch sind auch die

nationalen österreichischen Gerichte und Behörden im Anwendungsbereich des TRIPS-

Abkommen an dieses gebunden. Bei „Made in Austria“ handelt es sich mE um eine

einfache Herkunftsangabe, da zwischen der Herkunft und der Qualität bzw den

Eigenschaften des Produktes grds kein objektivierbarer Zusammenhang besteht. Da der

Anwendungsbereich des Art 22 Abs 1 TRIPS eng auszulegen ist, ist aufgrund des grds

fehlenden Zusammenhangs zwischen der Qualität, den Eigenschaften und dem Ruf eines

Produkts mit der Herkunft „Made in Austria“ mE nicht davon erfasst. Im Zusammenhang

mit dem guten Ruf, den österreichische Erzeugnisse zT genießen, kann sie, unter der

Voraussetzung eines konkreten Zusammenhangs zwischen der Herkunft und dem Ruf, uU

geschützt sein. Dieser Zusammenhang wäre jedoch in jedem Einzelfall gesondert

darzulegen und zu prüfen. Da das TRIPS-Abkommen Herkunftsangaben gegen

irreführenden Gebrauch allgemein schützt, sind mE vom Schutz sowohl die Verwendung

am Produkt und dessen Verpackung, als auch die Verwendung in der Werbung davon

erfasst.

51

Omsels, Geografische Herkunftsangaben, 335, Rn 863 ff.

Page 24: „Made in Austria“ bei Industrieprodukten: Analyse der … · 2019. 1. 21. · AZK Zollkodex der Europäischen Gemeinschaften (Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober

15

2.2 Europarechtliche Rechtsgrundlagen

Im Primärrecht der EU finden sich keine näheren Bestimmungen zu geografischen

Herkunftsangaben. Im Sekundärrecht hingegen finden sich einige Vorschriften zur

Verwendung von Herkunftsangaben, diese beziehen sich jedoch in erster Linie nur auf

Lebensmittel und Agrarerzeugnisse52

. 53

Spätestens bei der Ausfuhr von Waren aus der EU

entsteht aber oftmals eine Pflicht zur Warenmarkierung. Dies liegt daran, dass viele

Länder, im Rahmen ihrer zollrechtlichen Einfuhrbestimmungen, eine Warenmarkierung

mit „Made in“ ausdrücklich vorschreiben. 54

Im Rahmen des Wettbewerbsrechts stellt die RL-UGP55

eine wesentliche

gemeinschaftsrechtliche Rechtsquelle dar. Ziel der RL-UGP ist die Angleichung der

Vorschriften über unlautere Geschäftspraktiken, die dabei als Vollharmonisierung

ausgestaltet ist. Die RL-UGP wurde in Österreich mit der UWG-Novelle 200756

umgesetzt.

Bei ihrer Umsetzung dürfen die Mitgliedsstaaten das vorgegebene Schutzniveau weder

über- noch unterschreiten. Sie gilt nur für unlautere Geschäftspraktiken im Verhältnis

zwischen Unternehmen und Verbrauchern und betrifft daher ausschließlich den

B2C-(Business-to-Consumer)-Bereich. Die RL-UGP bezieht sich nach dem

Erwägungsgrund Nr 7 ausdrücklich auf Geschäftspraktiken, die vorrangig der

Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidung von Verbrauchern dienen. 57

Da die RL-

UGP einer Umsetzung ins nationale Recht bedarf, werden die Regelungen diesbezüglich

im Rahmen der nationalen Rechtsgrundlagen näher behandelt.

Zurzeit bestehen somit innerhalb der EU und auch im Rahmen des mitgliedsstaatlichen

Warenverkehrs keine Regelungen zur Herkunftskennzeichnung für jede Art von Produkt.

Außerdem gibt es keine Verpflichtung, ein Industrieprodukt mit „Made in“ zu

52

In Bezug auf die Herkunftskennzeichnung von Lebensmitteln und Agrarerzeugnissen ist va die

VO (EU) 1151/2012 über Qualitätsregelungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel (ABl L 343)

maßgebend. Durch diese wurde die bisher maßgebliche VO (EG) Nr. 510/2006 (ABl L 93/12) zum Schutz

von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel

aufgehoben. 53

Omsels, Geografische Herkunftsangaben, 13, Rn 24 ff. 54

Beier, The Protection of Direct and Indirect Geographical Indications of Source in Germany and the

European Community, IIC 1994, 1, 1. 55

Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.05.2005 über unlautere

Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern

und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und

2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des

Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) ABl L 2005/149. 56

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 - UWG geändert wird

(UWG-Novelle 2007) BGBl I 79/2007. 57

Heidinger in Wiebe (Hrsg), Wettbewerbs- und Immaterialgüterrecht3 (2016) 287 f.

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kennzeichnen. Jedoch ist in der EU die Absicht zu erkennen, Regelungen zur Verwendung

der Kennzeichnung „Made in“ zu schaffen. Das Europäische Parlament hat am 21.10.2010

einen Vorschlag erarbeitet58

, wonach eine Pflicht zur Markierung für in die

Mitgliedsstaaten der EU importierte Waren bald vorgeschrieben werden soll. 59

Die

Mitgliedsstaaten konnten bis dato jedoch noch keine Einigung erzielen und es ist auch

nicht absehbar, ob und wann es zu einer Einigung kommen könnte. 60

Der Schutz von

geographischen Herkunftsangaben in der EU ist somit nach wie vor weit entfernt von einer

akzeptablen Lösung für alle Mitgliedsstaaten, va finden Regelungen zur Verwendung von

Herkunftsangaben für Industrieprodukte derzeit überhaupt keine Berücksichtigung. 61

Im Rahmen des Zollrechts der EU wird der Ursprung von Waren umfassend geregelt.

Diese Regelungen sind zwar nur von zolltarifrechtlicher Bedeutung, sie liefern aber einen

möglichen Lösungsansatz, wie Kriterien für eine Herkunftsbestimmung aussehen könnten.

Daher wird der Unionszollkodex62

, in weiterer Folge näher erläutert und in Bezug auf

„Made in Austria“ analysiert.

2.2.1 Der Unionszollkodex

Der Zollkodex (kurz: AZK)63

stellte die Grundlage des Zollrechts der EU dar und war von

01.01.1994 bis 30.04.2016 in Kraft. Mit dem Zollkodex, der dazugehörigen Zollkodex-

Durchführungsverordnung und der Zollbefreiungsverordnung wurde das Zollrecht der EU

beinahe vollständig auf eine einheitliche Basis gestellt. Das bisherige

Gemeinschaftszollrecht wurde nunmehr vollständig ersetzt durch das Unionszollrecht,

welches den Unionszollkodex (kurz: UZK) mit seinen Durchführungsvorschriften umfasst.

Der Unionszollkodex ist seit dem 30.10.2013 in Kraft und seine vollständige Geltung

58

Pressemitteilung des Europäischen Parlaments vom 15.04.2014, Bessere Produktsicherheit: Parlament

macht „Made-in“-Kennzeichnung zur Pflicht

<http://www.europarl.europa.eu/news/de/news-room/20140411IPR43453/bessere-produktsicherheit-

parlament-macht-made-in-kennzeichnung-zur-pflicht> (08.01.2017). 59

Mey/Eberli, GRUR Int 2014, 321 (328). 60

Thomas Ludwig, Made in … EU drückt bei Label-Pflicht auf die Bremse

<http://www.handelsblatt.com/politik/international/made-in-eu-drueckt-bei-label-pflicht-auf-die-

bremse/11843702.html> (08.01.2017). 61

Beier, IIC 1994, 1 (1). 62

Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur

Festlegung des Zollkodex der Union, ABl L 269/1. 63

Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der

Gemeinschaften, ABl L 1992/302.

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erfolgt seit dem 01.05.2016.64

Im Rahmen des Zollrechts der EU finden sich die

Regelungen zum Warenursprung in den Art 59 bis 68 UZK, in den delegierten

Vorschriften der Art 31 bis 70 UZK-DA65

und in den Durchführungsvorschriften der Art

57 bis 126 UZK-IA66

. Hinsichtlich des nichtpräferenziellen Ursprungs ist der Inhalt des

Art 60 UZK im Wesentlichen deckungsgleich mit jenem des Art 24 AZK und es gibt keine

inhaltlichen Änderung hinsichtlich des Warenursprungs. Die delegierten Vorschriften

bewirken aber eine wesentliche Verschärfung der Situation beim nichtpräferenziellen

Ursprung. 67

2.2.1.1 Der nichtpräferentielle Ursprung

Art 59 UZK legt den Anwendungsbereich der nichtpräferentiellen Ursprungsregeln fest.

Danach können drei Anwendungsbereiche unterschieden werden, in denen die

Bestimmungen der Art 60 und 61 UZK gelten. Dabei handelt es sich um die Anwendung

des gemeinsamen Zolltarifs, die Anwendung sonstiger EU-Vorschriften zu bestimmten

Bereichen des Warenverkehrs und sonstige Unionsmaßnahmen im Zusammenhang mit

dem Warenursprung. 68

Die zollrechtlichen Ursprungsregeln sind jedoch nur von

zolltarifrechtlicher bzw handelspolitischer Bedeutung. Daher sind sie streng von

Ursprungsregeln mit schlichter Kennzeichnungsfunktion zu unterscheiden, weil diese

meist aus verschiedensten Gründen (zB aus Verbraucherschutzinteressen) benützt werden.

Eine gewisse handelspolitische Wirkung, wie bei einer impliziten Aufforderung an den

Verbraucher, nur nationale Produkte zu kaufen, lässt sich aber auch bei schlichten

Ursprungskennzeichnungen kaum ausschließen. IdR stellen aber schlichte

Kennzeichnungsregeln weitaus geringere Anforderungen an die Ursprungsbegründung, als

solche über den zollrechtlichen Ursprung.

64

<http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/zollkodex-zk.html> (08.01.2017). 65

Delegierte Verordnung (EU) 2015/2446 der Kommission vom 28. Juli 2015 zur Ergänzung der

Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates mit Einzelheiten zur

Präzisierung von Bestimmungen des Zollkodex der Union (UZK-DA; wobei DA für „delegated act“, dh

delegierter Rechtsakt steht). Anm: Sie enthält Ursprungsregeln und wichtige Verfahrensvorschriften für den

nicht-präferentiellen Ursprung, das Allgemeine Präferenzsystem APS und das Freihandelsabkommen. 66

Durchführungsverordnung (EU) 2015/2447 der Kommission vom 24. November 2015 mit Einzelheiten zur

Umsetzung von Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des

Rates zur Festlegung des Zollkodex der Union (UZK-IA; wobei IA für „implementing act“, dh

Durchführungsrechtsakt steht). Anm: Sie enthält zusätzliche Verfahrensvorschriften. 67

Reuter/ Fuchs, Das neue Zollrecht der Europäischen Union - Handbuch (2016) 211. 68

Prieß in Witte, Zollkodex mit Durchführungsverordnung und Zollbefreiungsverordnung6 Art 22, Rn 1

(2013).

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Innerhalb der EU gibt es keinerlei Kennzeichnungsregeln, weil sie Maßnahmen mit

gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen darstellen würden und damit gegen

die Warenverkehrsfreiheit des Art 34 AEUV verstoßen würden. Die Rechtfertigung

solcher Maßnahmen im Rahmen einer Verpflichtung zu Ursprungskennzeichnungen im

innereuropäischen Handel rein aus Gründen des Verbraucherschutzes wurde vom EuGH

im Rahmen seiner Rsp, bereits ausdrücklich verneint. 69

In der Rechtssache Rs 207/83

führt der EuGH aus, dass eine nationale Regelung, nach der die Einfuhr von Waren

verboten ist, wenn sie nicht mit einer Ursprungskennzeichnung versehen sind oder diese

nicht angeführt ist, eine Erhöhung der Herstellungskosten der eingeführten Waren und

einen erschwerten Absatz dieser Waren bewirkt. Dies gilt nach Ansicht des EuGH auch

dann, wenn diese Regelung unterschiedslos für einheimische wie für eingeführte Waren

gilt. Sie ist auch nicht aufgrund zwingender Erfordernisse des Verbraucherschutzes

gerechtfertigt, sodass sie „eine Maßnahme gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige

Beschränkung“ darstellt. 70

2.2.1.2 Bestimmung des Ursprungs bei Herkunft aus einem Land

Gem Art 60 Abs 1 UZK liegt der Ursprung von Waren in dem Land oder Gebiet, in dem

sie vollständig gewonnen oder erzeugt worden sind. Unter vollständiger Erzeugung ist zu

verstehen, dass sämtliche eingesetzten Komponenten und Vorerzeugnisse aus diesem Land

kommen müssen. 71

Der Begriff der Gewinnung beschreibt hier die ursprüngliche

Produktion. Der Terminus der Herstellung bezeichnet die Erzeugung von Waren höherer

Verarbeitungsstufen. 72

Der Begriff „Land“73

ist dabei weder im staats- noch im

völkerrechtlichen Sinn zu verstehen, sondern entspricht dem Zollgebiet. Daher ist auch die

EU als ein „Land“ iSd Art 60 Abs 1 UZK anzusehen.

Art 60 Abs 1 UZK behandelt somit den Ursprungserwerb nur in jenen Fällen, in denen nur

ein Land als Ursprungsland einer Ware in Betracht kommt. Dies ist dann der Fall, wenn

entweder das Endprodukt vollständig aus einem einzigen Land stammt oder alle

Vorprodukte aus einem einzigen Land kommen, in dem auch alle weiteren

69

Prieß in Zollkodex mit Durchführungsverordnung und Zollbefreiungsverordnung6 Vorbemerkungen zu

Art 22 bis 27, Rn 15 ff. 70

EuGH 25.04.1985, 207/83 (Kommission/ Vereinigtes Königreich). 71

Mey/Eberli, GRUR Int 2014, 321 (326). 72

Prieß in Zollkodex mit Durchführungsverordnung und Zollbefreiungsverordnung6 Art 23, Rn 1.

73 Art 35 AZK-DVO: „Unter „Land“ ist je nach Fall entweder ein Drittland oder die Gemeinschaft zu

verstehen.“

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Verarbeitungsprozesse vorgenommen werden. Dh, der gesamte Herstellungsprozess des

Produktes muss in einem einzigen Land erfolgen. 74

2.2.1.3 Bestimmung des Ursprungs bei Herkunft aus zwei oder mehr Ländern

Es stellt sich allerdings in weiterer Folge die Frage, wie die Herkunft einer Ware zu

bestimmen ist, wenn an ihrer Herstellung Unternehmen aus zwei oder mehr Ländern

beteiligt waren. In diesem Fall ist Art 60 Abs 2 UZK anzuwenden. 75

Aufgrund der

weltweiten, arbeitsteiligen Produktionsprozesse kommt Art 60 Abs 2 UZK die größere

Bedeutung für den nichtpräferentiellen Ursprungserwerb zu. Art 60 UZK stellt

Voraussetzungen auf, unter welchen eine Ware „einbürgert“ werden darf, wenn zu ihrer

Produktion Rohstoffe, Halbfabrikate oder Fertigerzeugnisse mit Ursprung in zwei oder

mehreren Ländern verwendet werden. 76

Gem Art 60 Abs 2 UZK gelten „Waren, an deren Herstellung mehr als ein Land oder

Gebiet beteiligt ist, […] als Ursprungswaren des Landes oder Gebiets, in dem sie der

letzten wesentlichen, wirtschaftlich gerechtfertigten Be- oder Verarbeitung unterzogen

wurden, die in einem dazu eingerichteten Unternehmen vorgenommen wurde und zur

Herstellung eines neuen Erzeugnisses geführt hat oder eine bedeutende Herstellungsstufe

darstellt“77

. Das ursprungsbegründende Kriterium ist somit die letzte wesentliche und

wirtschaftlich gerechtfertigte Be- oder Verarbeitung in einem Land, unter den weiteren

Voraussetzungen, dass diese Be- oder Verarbeitung in einem dazu eingerichteten

Unternehmen vorgenommen wurde und dadurch ein neues Erzeugnis hergestellt oder eine

bedeutende Herstellungsstufe erreicht werden muss. Die genannten Voraussetzungen

müssen grds kumulativ vorliegen. 78

In weiterer Folge werden nun die zuvor genannten Voraussetzungen des Art 60 Abs 2

UZK näher erläutert, weil sie einen Anhaltspunkt für mögliche Kriterien zur Bestimmung

des Ursprungs bei Herkunft aus zwei oder mehr Ländern bieten.

74

Prieß in Zollkodex mit Durchführungsverordnung und Zollbefreiungsverordnung6 Art 23, Rn 1.

75 Mey/Eberli, GRUR Int 2014, 321 (326).

76 Prieß in Zollkodex mit Durchführungsverordnung und Zollbefreiungsverordnung

6 Art 24, Rn 1.

77 Art 60 Abs 2 UZK.

78 Prieß in Zollkodex mit Durchführungsverordnung und Zollbefreiungsverordnung

6 Art 24, Rn 2.

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2.2.1.3.1 Wesentliche Bearbeitung und Verarbeitung

Die unterschiedlichen Arten des Einwirkens auf Waren werden im Zollrecht in einem

unterschiedlichen Zusammenhang verwendet und sind ihrem Sinn und Zweck nach

folglich auch unterschiedlich abzugrenzen. Unter Arten des Einwirkens kann das

Behandeln, das Bearbeiten und das Verarbeiten verstanden werden.

Die Bearbeitung ist definiert als qualitative Veränderung, wobei auf die Ware unmittelbar

eingewirkt wird, sie aber substantiell erhalten bleibt. Darunter fallen zB das Färben von

Stoffen oder das Beschichten von Metallplatten. Es muss sich dabei um einen echten

Produktionsprozess, dh einen Herstellungs- oder Teilherstellungsvorgang, handeln. Der

EuGH hat klargestellt, dass Behandlungen, die der Verbesserung der Verpackung oder der

Handelsgüte der Waren oder dem Vorbereiten auf den Transport dienen, das Teilen oder

Zusammenstellen von Packstücken, das Einordnen und Zusammenstellen von Waren, das

Umpacken und das Vermischen von Waren unterschiedlichen Ursprungs, insofern sich die

Eigenschaften der hergestellten Waren nicht wesentlich von den Eigenschaften der

vermischten Waren unterscheiden, keinen Herstellungsprozess darstellen. Nicht als

Herstellungsprozess gelten also Maßnahmen, die nur zur Erhaltung einer Ware, zur

Verbesserung der Aufmachung oder zur Handelsgüte oder zur Vorbereitung des Vertriebs

oder des Weiterverkaufs dienen und die Eigenschaften und die Beschaffenheit der Ware

nicht verändern. 79

Bei der Verarbeitung hingegen werden die Ausgangsstoffe so umfassend umgestaltet oder

wesentliche Merkmale so dermaßen verändert, dass dabei idR eine neue Ware entsteht. Die

Ausgangsstoffe bleiben dabei nicht individuell, sondern eben nur substantiell erhalten, wie

zB bei der Verarbeitung von Leder zu Schuhen. Bei der Verarbeitung kommen neben den

mechanischen oder sonstigen Einwirkungen auf den Ausgangsstoff noch weitere

Arbeitsschritte (zB das Prägen des Leders) hinzu oder es werden weitere Ausgangsstoff

(zB eine Sohle aus Kunststoff) verwendet oder es wird auf die stoffliche Beschaffenheit

der Ware (zB in Form einer Imprägnierung) eingewirkt.

Die Abgrenzung zwischen Bearbeitung und Verarbeitung kann im Einzelfall schwer fallen.

Probleme bei der Abgrenzung ergeben sich va in jenen Fällen, in denen Waren lediglich

montiert und zusammengesetzt werden. Wenn eine Vielzahl unterschiedlicher Einzelteile

79

EuGH 11.02.2010, C-373/08 (Hoesch Metals and Alloys GmbH) Rz 47; EuGH 14.06.2007, C-56/06 (Euro

Tex Textilverwertung GmbH) Rz 32.

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zu einem neuen Produkt zusammengesetzt wird, handelt es sich um eine Verarbeitung. Ein

Beispiel für Verarbeitung ist die Errichtung einer Produktionsstraße aus einer Vielzahl

einzelner Komponenten und Einzelteilen. Wird hingegen mit wenigen einfachen

Handgriffen eine kleine Anzahl von Einzelteilen zu einem Produkt zusammengesetzt,

handelt es sich um eine Bearbeitung. Ein Beispiel für die Bearbeitung ist der

Zusammenbau eines Bücherregals aus wenigen Einzelteilen. 80

2.2.1.3.2 Herstellung eines neuen Erzeugnisses oder bedeutende Herstellungsstufe

Der Begriff der Herstellung umfasst Be- und Verarbeitungsprozesse, Montagen und

besondere Vorgänge. Besondere Vorgänge bezeichnen jedes bewusste Einwirken auf die

Ware, insb auch Demontagen oder Inspektionen.

Ein Produktionsvorgang ist jedoch nur dann wesentlich, wenn die Ware dadurch nach der

Behandlung besondere Eigenschaften besitzt und von einer charakteristischen

Beschaffenheit ist, die die Ware vor dem Herstellungsprozess nicht gehabt hat. Damit ist

per definitionem bereits jeder Verarbeitungsprozess wesentlich. Das Merkmal der

Wesentlichkeit ist zwar von denen der Herstellung eines neues Erzeugnisses und einer

bedeutenden Herstellungsstufe getrennt, eine solche Unterscheidung ist aber in der Praxis

nicht durchführbar. Auch der EuGH scheint die genannten Tatbestandsmerkmale als

Konkretisierung des Begriffs der Wesentlichkeit zu verstehen. Um eine bedeutende

Herstellungsstufe zu erlangen, muss das Erzeugnis seinem Verwendungszweck wesentlich

angenähert werden. Die Hauptanwendungsfälle hierfür sind Zwischenerzeugnisse und

Halbfertigwaren, die Handelswaren der jeweiligen Branche darstellen. Diese müssen sich

deutlich von den verwendeten Ausgangsmaterialien unterscheiden. 81

2.2.1.3.3 Montagevorgänge

Probleme hinsichtlich des Ursprungserwerbs ergeben sich, wenn eingeführte Waren nur

noch einem Montagevorgang unterzogen werden. Soweit es sich bei den

Montagevorgängen nur um einfache Zusammensetzungsarbeiten (auch

Minimalbehandlungen) handelt, begründen sie zweifellos nicht den Ursprung. Einfache

80

Prieß in Zollkodex mit Durchführungsverordnung und Zollbefreiungsverordnung6 Art 24 Rn 5 ff.

81 Prieß in Zollkodex mit Durchführungsverordnung und Zollbefreiungsverordnung

6 Art 24 Rn 9 ff.

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Zusammensetzungsarbeiten sind Vorgänge, die weder von besonders qualifizierten

Arbeitskräften, noch mittels hochentwickelter Maschinen, noch mittels besonders

ausgerüsteter Fabriken erfolgen müssen. 82

Eine einfache Zusammensetzungsarbeit wäre

zB das Zusammensetzen von Disketten aus vorgefertigten, in das Montageland

importierten Einzelteilen. In Fällen einfacher Zusammensetzungsarbeiten ist für den

Ursprungserwerb entscheidend, in welchem Land die Prozesse stattgefunden haben, die

dem Endprodukt seinen prägenden Charakter verleihen oder aus welchem Land die

maßgeblichen Wertanteile des Endproduktes stammen. 83

Wenn es sich bei Montagevorgängen um mehr als nur Minimalbehandlungen handelt,

muss der Ursprungserwerb für jeden Einzelfall gesondert, anhand objektiver Merkmale,

festgestellt werden. Dabei ist das Hauptaugenmerk auf die technischen Kriterien zu legen

und wirtschaftliche Kriterien sind gegebenenfalls hilfsweise heranzuziehen. Ein

Montagevorgang ist dann ursprungsbegründend, wenn er aus technischer Sicht die

entscheidende Herstellungsstufe des Produkts bildet und ihm durch den Herstellungsschritt

besondere qualitative Eigenschaften verliehen werden. Weiters kann hilfsweise das

Kriterium der - durch die Montage erzielten - Wertschöpfung bzw spürbaren Erhöhung des

Handelswertes des Enderzeugnisses herangezogen werden, wobei das jeweilige Ausmaß

grds im Einzelfall zu prüfen ist. Ob bei der Montage eine individuelle geistige Leistung

erbracht wird, spielt dabei keine Rolle.

Die Regeln für Montagen sind auch auf Demontagen (wie zB das Abwracken von

Schiffen) anwendbar. Der Ursprung der ausgebauten Einzelteile folgt dem Ursprung der

Hauptsache, soweit für diese ein Ursprungsnachweis ausgestellt wurde und den

Einfuhrbehörden vorgelegt wurde. 84

2.2.1.4 Delegierte Vorschriften zum UZK

Die Art 32 bis 34 UZK-DA sehen im Zusammenhalt mit dem Anhang 22-01 zu UZK-DA

für die meisten Erzeugnisse die Einhaltung und Überprüfung von Ursprungsregeln in

Abhängigkeit von der jeweiligen Ware vor. Für Waren, die nicht im Anhang 22-01 zu

finden sind, gilt die letzte wirtschaftliche Bearbeitung oder Verarbeitung als nicht

82

Prieß in Zollkodex mit Durchführungsverordnung und Zollbefreiungsverordnung6 Art 24 Rn 15 ff.

83 EuGH 13.12.1989, C-26/88 (Brother International GmbH) Rz 16 ff.

84 Prieß in Zollkodex mit Durchführungsverordnung und Zollbefreiungsverordnung

6 Art 24 Rn 15 ff.

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gerechtfertigt, wenn erwiesen ist, dass diese Be- oder Verarbeitung nur erfolgte, um die

Anwendung von Maßnahmen nach Art 59 UZK zu umgehen. In diesen Fällen liegt der

nichtpräferenzielle Ursprung in jenem Land, in dem, gemessen am Wert der

Vormaterialien, der größere Teil dieser Vormaterialien seinen Ursprung hat. Alles in allem

führen diese Regelungen zu einer wesentlichen Verschärfung des bisherigen Regimes.

Zubehör, Ersatzteile und Werkzeuge, die gleichzeitig mit der Hauptware geliefert werden,

gelten gem Art 35 UZK-DA als Waren gleichen Ursprungs wie die Hauptware. Art 36

UZK-DA nennt einige Produktionselemente, die bei der Frage des Ursprungs eines

Erzeugnisses nicht berücksichtigt werden. Dazu zählen zB Energie und Brennstoffe,

Anlagen und Ausrüstung, sowie Maschinen, Werkzeuge und Vormaterialien, die nicht in

die Erzeugnisse verarbeitet werden. 85

Durch die zunehmende internationale Arbeitsteilung und die Beteiligung von

Unternehmen, oder Zweigstellen eines Unternehmens, aus mehreren Ländern an den

Herstellungsprozessen verliert Art 60 Abs 1 UZK zunehmend an Bedeutung, weil es

immer seltener der Fall ist, dass ein Produkt in nur einem Land zur Gänze produziert wird.

Der Thematik des Ursprungs aus zwei oder mehreren Ländern, va bei der Herkunft von

einzelnen Produktbestandteilen, trägt Art 60 Abs 2 UZK Rechnung. 86

Die Bestimmungen

des UZK sind für „Made in Austria“ mE nicht unmittelbar einschlägig, weil ihnen in erster

Linie zolltarifrechtliche Bedeutung zukommt. Die Anwendbarkeit des UZK schließt idR

schon eine Irreführung der beteiligten Verkehrskreise aus, weil es sich bei den Regelungen

des UZK um reine Deklarierungsvorschriften zu Zwecken des Zollrechts handelt. Sie

liefern aber mE einen möglichen Lösungsansatz, wie Kriterien für eine

Herkunftsbestimmung aussehen könnten. Insb bei der Herkunft aus zwei oder mehr

Ländern, enthält Art 60 Abs 2 UZK detaillierte Regelungen dazu, wie der Ursprung dann

festzustellen ist. Die Fragen, die dabei für die Bestimmung des Ursprungs ausschlaggebend

sind, sind folgende: Liegt eine wesentliche Be- oder Verarbeitung vor und wo findet diese

statt? Wird mit der Herstellung ein neues Erzeugnis gefertigt oder eine bedeutende

Herstellungsstufe erreicht? ME enthält der UZK damit mögliche Kriterien für eine

Herkunftsbestimmung, wenn ein Erzeugnis oder einzelne Bestandteile eines Erzeugnisses

in mehreren Ländern hergestellt werden.

85

Reuter/ Fuchs, Das neue Zollrecht der Europäischen Union, 211. 86

Prieß in Zollkodex mit Durchführungsverordnung und Zollbefreiungsverordnung6 Art 23, Rn 1.

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2.3 Nationale Rechtsgrundlagen

Nach der Analyse der völkerrechtlichen und europarechtlichen Rechtsgrundlagen stellt

sich nun die Frage, welche nationalen Rechtsgrundlagen geografische Herkunftsangaben

schützen. Der Schutz ist auf nationaler Ebene unterschiedlich geregelt. In Österreich beruht

der Schutz geografischer Herkunftsangaben in erster Linie auf dem Irreführungsverbot des

§ 2 Abs 1 UWG87

. Hierbei kommt es aber nicht auf das bloße Verwenden einer

geographischen Herkunftsangabe an, sondern der Tatbestand der Irreführung nach

§ 2 UWG muss erfüllt sein.

2.3.1 Das Markenschutzgesetz 1970

Das absolute Eintragungshindernis des § 4 Abs 1 Z 1 lit a MarkenschutzG88

umfasst

Hoheitszeichen und schließt diese von der Eintragung als Marke ins Markenregister

gänzlich aus. Zu den Hoheitszeichen zählen Wappen, Flaggen, Orden, Zahlungsmittel und

Hymnen. 89

Sollte dennoch eine Eintragung erfolgt sein, sind die Regelungen der §§ 29, 33

MarkenschutzG anzuwenden und die zu Unrecht eingetragene Marke ist aus dem

Markenregister zu löschen. 90

Das MarkenschutzG ist mE für die Verwendung von „Made in Austria“ nicht einschlägig,

weil es bloß ein absolutes Eintragungshindernis für Hoheitszeichen enthält. Der

Herkunftshinweis „Made in Austria“ ist darunter nicht subsumierbar, weil es sich bei der

Angabe „Made in Austria“ nicht um ein Hoheitszeichen iSd § 4 Abs 1 Z 1 lit a

MarkenschutzG handelt.

87

Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 - UWG, BGBl 448/1984 idF BGBl I Nr 99/2016. 88

Markenschutzgesetz 1970, BGBl 260/1970 idF BGBl I Nr 71/2016. 89

Fercher/ Heidinger in Wettbewerbs- und Immaterialgüterrecht3, 133.

90 Fercher/ Heidinger in Wettbewerbs- und Immaterialgüterrecht

3, 160.

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2.3.2 Das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb

Das UWG ist, auf nationaler Ebene, die maßgebliche Rechtsquelle des Wettbewerbsrechts.

Das UWG ist 1984 in Kraft getreten und wurde seither bereits mehrere Male novelliert.

Der letzte große Schritt in der Entwicklung des Wettbewerbsrechts war die UWG-Novelle

2007. Sie ist am 12.12.2007 in Kraft getreten und mit ihr wurde die RL-UGP in das

nationale Recht umgesetzt. 91

Aufgrund der Vorrangwirkung des Unionsrechts besteht die

Pflicht zur richtlinienkonformen Interpretation. Dh innerstaatliche Gerichte und Behörden

müssen das nationale Wettbewerbsrecht soweit wie möglich im Lichte des Zwecks und des

Wortlauts der RL-UGP auslegen. Sollten Zweifel über die Auslegung der Richtlinie

bestehen, ist der EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens anzurufen. 92

Der Schutz geografischer Herkunftsangaben in Österreich ergibt sich in erster Linie aus

dem Irreführungsverbot des § 2 Abs 1 UWG. Dieser schützt aber nicht geografische

Herkunftsangaben per se, sondern nur vor ihrer irreführenden Verwendung. Daher wird

zunächst das Verbot irreführender Geschäftspraktiken im Allgemeinen erläutert.

2.3.2.1 Das Verbot irreführender Geschäftspraktiken nach § 2 UWG

Da die Geschäftspraktik ein wesentliches Element des § 2 UWG ist, muss sie zunächst

näher definiert werden. Eine Geschäftspraktik ist „jede Handlung, Unterlassung,

Verhaltensweise oder Erklärung, kommerzielle Mitteilung einschließlich Werbung und

Marketing eines Unternehmens, die unmittelbar mit der Absatzförderung, dem Verkauf

oder der Lieferung eines Produkts zusammenhängt“. 93

Eine der oben genannten

Geschäftspraktiken ist dann irreführend, „wenn sie unrichtige Angaben (§ 39) enthält oder

sonst geeignet ist, einen Marktteilnehmer in Bezug auf das Produkt über einen oder

mehrere der folgenden Punkte derart zu täuschen, dass dieser dazu veranlasst wird, eine

geschäftliche Entscheidung zu treffen, die er andernfalls nicht getroffen hätte“94

.

Das Verbot irreführender Geschäftspraktiken basiert auf Art 6 und 7 RL-UGP und ist im

innerstaatlichen Recht in § 2 UWG geregelt. Im Rahmen der Umsetzung der RL-UGP

durch den österreichischen Gesetzgeber wurde auch die Typologie der Richtlinie in § 2

91

Heidinger in Wettbewerbs- und Immaterialgüterrecht3, 286.

92 Heidinger in Wettbewerbs- und Immaterialgüterrecht

3, 288.

93 § 1 Abs 4 Z 2 UWG.

94 § 2 Abs 1 UWG.

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UWG integriert. Dies hat zur Folge, dass nun innerhalb des Irreführungstatbestands

zwischen irreführenden Handlungen iSd Art 6 RL-UGP und irreführenden Unterlassungen

iSd Art 7 RL-UGP unterschieden wird. Auf Grundlage dieser Unterscheidung enthält

§ 2 UWG die folgenden Tatbestandsgruppen: unrichtige Angaben, sonstige

Geschäftspraktiken mit Täuschungseignung und das Vorenthalten wesentlicher

Informationen. Im Kern der Beurteilung geht es also um Geschäftspraktiken per se und es

ist grds gleichgültig ob sie wahre, unwahre oder gar keine Angaben enthalten. Eine

Täuschung liegt demnach schon dann vor, wenn durch eine Geschäftspraktik

Fehlvorstellungen beim Durchschnittsverbraucher ausgelöst werden, die auf dessen

geschäftliche Entscheidung kausalen Einfluss genommen haben. 95

„Made in Austria“ kann einerseits als Herkunftshinweis direkt am Produkt oder auf dessen

Verpackung verwendet werden, andererseits kann ein Produkt damit auch beworben

werden. Beide Fälle sind mE eine Geschäftspraktik iSd § 1 Abs 4 Z 2 UWG, weil sie eine

Erklärung bzw Mitteilung über die Herkunft des Produktes sind. Zudem wird die Werbung

explizit als Geschäftspraktik in § 1 Abs 4 Z 2 UWG genannt. Sowohl die Verwendung im

Rahmen der Warenmarkierung, als auch in der Werbung, hängen mE mit der

Absatzförderung und dem Verkauf von Waren zusammen, weil für viele Konsumenten die

Herkunft eine wichtige Rolle bei ihrer Kaufentscheidung spielt. In weiterer Folge ist daher

die Frage zu klären, unter welchen Voraussetzungen eine Irreführung über die Herkunft

eines Produktes vorliegt.

2.3.2.2 Der Schutz vor Irreführung über die wesentlichen Merkmale des Produkts

(in concreto über die Herkunft) gem § 2 Abs 1 Z 2 UWG

In Art 6 Abs 1 lit b RL-UGP wird im Rahmen der beispielhaften Aufzählung der

wesentlichen Merkmale eines Produkts auch die geographische Herkunft angeführt. Der

österreichische Gesetzgeber hat bewusst auf die Aufnahme dieser Aufzählung in das

Gesetz verzichtet, weil sich seiner Ansicht nach die genannten Punkte sowieso unter den

Begriff der Merkmale eines Produkts subsumieren lassen. 96

Werden Aussagen über die

geographische Herkunft verwendet, wirken sie sich, im Gegensatz zu Angaben über

95

Appl in Wettbewerbs- und Immaterialgüterrecht3, 335 ff.

96 Kraft/Steinmair, UWG. Praxiskommentar (2013) 66, Rz 35.

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Produkteigenschaften, nur mittelbar auf die Wertschätzung eines Produktes aus. Allerdings

sind sie ein wichtiges Kennzeichen in der Werbung, das nachhaltige Wirkung entfaltet.

Herkunftsangaben sind idR sehr gut dazu geeignet, als Kennzeichen Produkte eindeutig zu

individualisieren. Die Verbraucherkreise verbinden mit Herkunftsangaben idR bestimmte

Preis- und Qualitätsvorstellungen, sodass dadurch der Kaufentschluss mitgeprägt werden

kann. 97

Herkunftsangaben können dabei nicht nur ausdrücklich (als unmittelbare

Herkunftsangaben), sondern auch implizit (als mittelbare Herkunftsangabe) erfolgen.

Ausdrückliche Herkunftsangaben wären zB der konkrete Hinweis auf Länder, Städte oder

Regionen. Bei mittelbaren Herkunftsangaben wird durch andere Mittel wie Sprache oder

Aufmachung (zB durch Bilder, Zeichnungen oder die Farbgebung) ein grds rein

gedanklicher Zusammenhang zwischen dem Produkt und seinem geografischen Ursprung

hergestellt. Wird ein Produkt zB in einer fremden Sprache bezeichnet, schließt der

Verbraucher regelmäßig darauf, dass das Produkt aus diesem Land stammt. Dies gilt insb

dann, wenn dieses Produkt im Verkehr besonders beliebt ist und das Publikum auf eine

bestimmte Herkunft dieses Produktes Wert legt. 98

Der OGH hat hier zB das Anbringen der

ungarischen Landesflagge auf einer Salami99

oder die englischsprachige Gestaltung des

Etiketts eines Whiskey100

als irreführend erachtet, wenn diese Produkte tatsächlich aus

Österreich stammen. 101

Auch durch das Anbringen von Landesflaggen oder -farben auf dem Produkt oder dessen

Verpackung kann über die tatsächliche Herkunft des Produkts getäuscht werden. Das

alleinige Verwenden von Landesfarben bei der Aufmachung der Verpackung oder des

Produkts selbst, lässt für sich genommen aber grds noch nicht auf eine

Herkunftsbezeichnung schließen. Wenn die ausländischen Farben jedoch auf ein

bevorzugtes Herkunftsland der bezeichneten Produkte hinweisen102

, kann sehr wohl von

einer Herkunftsbezeichnung ausgegangen werden. Analog gilt das auch für das Anbringen

von Wappen103

. In diesem Zusammenhang können aufklärende bzw entlokalisierende

97

Appl in Wettbewerbs- und Immaterialgüterrecht3, 352 f.

98 Anderl/Appl in Wiebe/Kodek, UWG

2 § 2 UWG, Rz 275 f (Stand 01.11.2012).

99 OGH 14.09.1971, 4 Ob 348/71 (Ungarische Salami II) = ÖBl 1972, 12 = SZ 44/128 = GRUR Int 1972,

336. 100

OGH 16.06.1987, 4 Ob 347/87 (Whisky Saunders) = ÖBl 1988, 102 = MR 1988, 63 (dort falsch mit 4 Ob

34/87 zitiert) = SZ 60/109 = wbl 1987, 304 = GRUR Int 1988, 946. 101

Appl in Wettbewerbs- und Immaterialgüterrecht3, 352 f.

102 OGH 14.09.1971, 4 Ob 348/71.

103 OGH 19.10.1999, 4 Ob 272/99 z (Tiroler Loden) = ÖBl 2000, 168 = wbl 2000/86, 139 = GRUR Int 2000,

1025.

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Zusätze nur dann eine Täuschung der Verbraucher verhindern, wenn mit ihnen die

tatsächliche Herkunft dargetan wird. Hier ist jedoch, sowohl an die Deutlichkeit, als auch

an die Wahrnehmbarkeit der Zusätze, ein strenger Maßstab anzulegen. 104

Die Bezugnahme auf eine geografische Herkunft per se ist jedoch nicht grds zur

Täuschung geeignet, sondern nur dann, wenn durch sie, beim angesprochenen

Verbraucherkreis, bestimmte Vorstellungen (insb Fehlvorstellungen) über die Herkunft des

Produkts oder einzelner Produktbestandteile erweckt werden, die nicht den Tatsachen

entsprechen. Es müssen somit grds alle Produktbestandteile, unabhängig von ihrer

rechtlichen oder technischen Qualifikation, von denen der angesprochene Verkehrskreis,

aufgrund der Ankündigung, die angegebene Herkunft erwartet und voraussetzt, tatsächlich

von jenem Ort stammen. Die maßgebliche Verkehrsauffassung wird dabei erheblich von

der Art des Produkts, aber auch von den Vorstellungen über die Art und Bedeutung

einzelner Produktbestandteile für das Gesamtprodukt und von den Gepflogenheiten

hinsichtlich ihrer Beschaffung - handelt es sich um eine Eigenproduktion oder um eine

Zulieferung 105

- bestimmt werden. 106

Notwendige Angaben über die Zweckbestimmung eines Produkts sind grds nicht zur

Täuschung geeignet. Jedoch muss die unterschiedliche Herkunft der Produkte klar zum

Ausdruck gebracht werden. Dieser Fall nimmt va Bezug auf Ersatzprodukte, die von

Dritten hergestellt werden. Ersatzprodukte können dabei zB Ersatzteile für fremde

Fahrzeuge oder Staubsaugersäcke für fremde Geräte sein. Die unterschiedliche Herkunft

von Hauptprodukt und Ersatzteil ist dann nicht ausreichend offen gelegt, wenn neben der

Angabe der Typenbezeichnung, die angibt für welche Produkte sie verwendet werden

können, die Marke des Hauptproduktes (zB in Klammer) angegeben ist. 107

ME stellt die Verwendung von „Made in Austria“, sowohl im Rahmen der

Warenmarkierung am Produkt oder auf dessen Verpackung, als auch die Werbung damit,

eine Geschäftspraktik iSd § 1 Abs 4 Z 2 UWG dar. Daher sind mE beide Fälle als

Geschäftspraktik grds auch der Irreführung nach § 2 UWG zugänglich. Die Bestimmung

des § 2 Abs 1 UWG ist für „Made in Austria“ mE jedoch nur dann einschlägig, wenn der

104

Anderl/Appl in UWG2 § 2 UWG, Rz 278.

105 OGH 05.12.1978, 4 Ob 402/78 (UNI-DIM-Isolierkamine) = ÖBl 1979, 126.

106 Anderl/Appl in UWG

2 § 2 UWG, Rz 279.

107 Anderl/Appl in UWG

2 § 2 UWG, Rz 287.

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Tatbestand der Irreführung erfüllt ist. Es kommt hier nicht auf das bloße Verwenden einer

geographischen Herkunftsangabe an. Es muss in jedem Fall eine Geschäftspraktik

(Warenmarkierung oder Werbung) vorliegen, die entweder unwahre Angaben beinhaltet

oder sonst zur Täuschung geeignet ist. Außerdem muss der Verbraucher dadurch „zu einer

geschäftlichen Entscheidung veranlasst worden sein, die er andernfalls nicht getroffen

hätte“. Die genannten Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen und zudem müssen

sie grds in jedem Einzelfall gesondert geprüft werden.

2.3.3 Exkurs zur Rechtslage in Deutschland

Da es in Österreich keine Judikatur zu „Made in Austria“ gibt, werden im Rahmen der

Analyse der Judikatur auch einige deutsche Entscheidungen näher besprochen. Daher ist es

notwendig im Rahmen der nationalen Rechtsgrundlagen auch die aktuelle Rechtslage in

Deutschland zu erläutern. In Deutschland ist der Schutz geografischer Herkunftsangaben

primär in den §§ 126 ff dMarkenG108

geregelt. Daneben besteht noch ein subsidiärer

Schutz nach § 5 Abs 1 dUWG109

.

2.3.3.1 Der Schutz geographischer Herkunftsangaben nach §§ 126 ff dMarkenG

Seit Inkrafttreten des dMarkenG am 01.01.1995 wurde der Schutz geografischer

Herkunftsangaben in den §§ 126 ff dMarkenG deutlich erweitert. Darin wird ein

wettbewerbsrechtlicher Schutz gewährt und nicht nur ein Schutz subjektiver Rechte, weil

es bei Herkunftsangaben an einer eindeutigen Zuordnung zu einem ausschließlich

Berechtigten mangelt. Der wettbewerbsrechtliche Schutzcharakter nach dem dMarkenG

kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass Verstöße gegen §§ 126 ff dMarkenG von den

nach dem dUWG aktivlegitimierten Mitbewerbern, Verbraucherverbänden,

Wettbewerbsvereinen und Kammern geltend gemacht werden können. Dementsprechend

stellen die Regelungen der §§ 126 ff dMarkenG leges speciales gegenüber den §§ 3110

, 5111

108

Markengesetz vom 25.10.1994 (BGBl I S 3082; 1995 I S 156; 1996 I S 682), das zuletzt durch Artikel 4

des Gesetzes vom 04.04.2016 (BGBl I S 558) geändert worden ist - Gesetz über den Schutz von Marken und

sonstigen Kennzeichen (Markengesetz). 109

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) vom 03.07.2004 (BGBl I S 1414), zuletzt geändert

durch Gesetz vom 17.02.2016 (BGBl I S 233) mWv 24.02.2016. 110

Anm: § 3 dUWG beinhaltet ein allgemeines Verbot unlauterer geschäftlicher Handlungen. 111

Anm: § 5 dUWG behandelt die irreführenden geschäftlichen Handlungen.

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30

dUWG dar. 112

§ 126 Abs 1 dMarkenG enthält eine Legaldefinition, was unter

geographischen Herkunftsangaben iSd dMarkenG zu verstehen ist. Nach § 126 Abs 1

dMarkenG sind geographische Herkunftsangaben „die Namen von Orten, Gegenden,

Gebieten oder Ländern sowie sonstige Angaben oder Zeichen, die im geschäftlichen

Verkehr zur Kennzeichnung der geographischen Herkunft von Waren oder

Dienstleistungen benutzt werden“113

. Gattungsbezeichnungen sind jedoch explizit, gem

§ 126 Abs 2 dMarkenG, vom Schutz ausgenommen. Der Schutzinhalt ist in § 127

dMarkenG und die Ansprüche sind in § 128 dMarkenG näher geregelt.

Die Gesetzessystematik gibt damit grds folgende Prüfungsschritte vor: Zunächst muss eine

unmittelbare oder mittelbare geographische Herkunftsangabe existieren, die jedoch keine

Gattungsbezeichnung sein darf. Wenn eine Benutzung für Waren oder Dienstleistungen

anderer Herkunft vorhanden ist, ist diese gesetzwidrig, wenn Irreführungsgefahr vorliegt

oder ein spezieller, die Herkunftsangabe betreffender, Ruf besteht und die Benutzung dazu

geeignet ist, diesen unlauter zu beeinträchtigen oder auszunutzen. 114

Die §§ 126 ff

dMarkenG enthalten also im Kern einen Schutz vor Irreführung, denn diese Kodifizierung

entspricht im Wesentlichen der früheren deutschen Rsp zum dUWG. Maßgebliche

Bedeutung kommt dabei der Verkehrsauffassung zu. Sie entscheidet auch darüber, ob in

einer Angabe eine geographische Herkunftsangabe liegt, was nicht nur bei mittelbaren

Herkunftsangaben uU zweifelhaft sein kann, sondern auch bei unmittelbaren

Herkunftsangaben. Zweifel bestehen insb dann, wenn der Verkehr im konkreten Fall der

Angabe keine Aussage zur geographischen Herkunft des Produktes entnimmt. 115

Den Maßstab bildet dabei die Auffassung des normal informierten, angemessen

aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers.116

Nicht abschließend geklärt

ist die Fragestellung, ob der Schutz als geographische Herkunftsangabe auch bei

unbekannten Angaben in Betracht kommen kann. Richtigerweise wäre diese Frage aber

nicht beim Begriff der geographischen Herkunftsangabe an sich, sondern bei dem

Tatbestandsmerkmal der Irreführung anzusiedeln. Ist eine geographische Herkunftsangabe

unbekannt, wird kein beachtlicher Teil des Verkehrs annehmen, dass das Produkt gerade

112

Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG35

§ 5 Rn 4.203 (2017). 113

§ 126 Abs 1 dMarkenG. 114

Ingerl/Rohnke, Markengesetz3 § 126 Rn 1 (2010).

115 BGH 12.03.1971, I ZR 115/69 (Bocksbeutelflasche) = GRUR 1971, 313 (315) = DB 1971, 1412 = MDR

1971, 559. 116

EuGH 25.01.2007, C‑48/05, Rz 23 (Adam Opel) = MR-Int 2006, 187 = ecolex 2007/127, 268 = ÖBl-LS

2007/87, 67 = wbl 2007/73, 181 = ecolex 2007, 693 (Koppensteiner) = ZER 2007/30, 139 = ecolex 2007,

873 (Koppensteiner).

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aus diesem Ort oder Gebiet stammt. In weiterer Folge mangelt es dann auch an der

Irreführungseignung. Darüber hinaus ist die Verkehrsauffassung auch von Bedeutung

dafür, wie ein geographisches Gebiet abgegrenzt wird. Die Verkehrsauffassung entscheidet

darüber, welche Herkunft bei Produkten, die aus mehreren Bestandteilen bestehen oder in

mehreren Verarbeitungsschritten gefertigt werden, als maßgeblich angesehen wird. Diese

Frage ergibt sich zB im Hinblick auf die Herkunft des Rohmaterials oder von einzelnen

Produktbestandteilen. 117

2.3.3.2 Der Schutz vor Irreführung über Merkmale von zentraler Bedeutung gem

§ 5 Abs 1 Z 1 dUWG

Nach § 5 Abs 1 Z 1 dUWG sind bei der Beurteilung der Frage, ob eine geschäftliche

Handlung irreführend ist, insb in ihr enthaltene Angaben über die geografische Herkunft zu

berücksichtigen. Demnach sind irreführende Angaben über die geografische Herkunft einer

Ware unlauter und können unter weiteren Voraussetzungen wettbewerbsrechtliche

Ansprüche auslösen. 118

§ 5 Abs 1 dUWG bleibt anwendbar, solange der Schutz nach §§ 126 ff dMarkenG nicht

eingreift. Das ist insb der Fall bei der Verwendung nicht mehr existierender Ortsangaben,

bei der Verwendung von scheingeografischen Angaben und wenn keine Nutzung für

Waren vorliegt. Wird der Ortsname nicht mehr verwendet, liegt auch keine Angabe über

die geografische Herkunft mehr vor. Scheingeographische Angaben sind Angaben, die

vom Verkehr nicht als Fantasiebezeichnungen, sondern zu Unrecht als geografische

Herkunftsangaben verstanden werden. Wird eine geografische Herkunftsangabe nicht für

Waren benutzt, sondern in anderer Weise, zB als Unternehmenskennzeichen, ist § 5 Abs 1

dUWG anwendbar, weil dieser Fall von § 127 dMarkenG nicht erfasst wird. Dann ist ua

die Frage zu klären, ob die Verwendung als Unternehmenskennzeichen irreführend ist. 119

Solange geographische Herkunftsangaben nur über das wettbewerbsrechtliche

Irreführungsverbot geschützt waren, gab es Einigkeit darüber, dass die wettbewerbliche

Relevanz einer Herkunftsangabe idR nicht bestritten werden kann. In Herkunftsangaben

wurde generell ein werbliches Kennzeichnungsmerkmal gesehen, das der Herstellung einer

Beziehung zwischen dem Produkt einerseits sowie Güte- und Preisvorstellungen der

117

Ingerl/Rohnke, Markengesetz3 § 126 Rn 2.

118 Bornkamm in UWG

35 § 5, Rn 4.202.

119 Bornkamm in UWG

35 §, 5 Rn 4.204 f.

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Verbraucher andererseits dient und das schon allein deshalb ein bedeutsamer

Informationsträger für die Kaufentscheidung des Verbrauchers ist. 120

Durch die Ausgestaltung der §§ 126 ff dMarkenG wird die Anwendbarkeit der §§ 3, 5

dUWG auf geographische Herkunftsangaben extrem eingeschränkt. Die Regelungen des

dUWG sind grds nur subsidiär anzuwenden. Dadurch ergeben sich aber keine Nachteile in

Bezug auf das Schutzniveau, weil der Schutz geographischer Herkunftsangaben in §§ 126

ff dMarkenG als wettbewerbsrechtlicher Schutz vor Irreführung ausgestaltet.

2.4 Zwischenfazit

Für den Schutz von geographischen Herkunftsangaben gibt es sowohl völker-, als auch

europarechtliche und nationale Rechtsgrundlagen.

Auf völkerrechtlicher Ebene kommen folgende Rechtsquellen für einen Schutz von

geographischen Herkunftsangaben in Betracht: die PVÜ, das MHA, das LUA und das

TRIPS-Abkommen. Österreich ist der PVÜ beigetreten und diese ist daher auch

anwendbar. „Made in Austria“ wird als einfache Herkunftsangabe auch vom

Anwendungsbereich der PVÜ erfasst. Aufgrund des sehr weiten Anwendungsbereiches

sind mE sowohl irreführende Angaben am Erzeugnis oder dessen Verpackung, als auch die

irreführende Werbung erfasst und geschützt. Die Regelungen über die Beschlagnahme

nach Art 10 iVm Art 9 PVÜ sind mE aber nur in Bezug auf am Produkt oder der

Verpackung verwendete Herkunftsangaben anwendbar und erstrecken sich nicht auf die

Verwendung in der Werbung. Da Österreich dem MHA nicht beigetreten ist, ist eine

Anwendung ausgeschlossen. Aber auch in Deutschland, das dem MHA beigetreten ist, ist

dessen praktische Bedeutung sehr gering. Die Bezeichnung „Made in Austria“ kann mE

grds als Herkunftsangabe iSd Art 1 MHA verstanden werden, weil der Schutzbereich der

MHA eher weit gefasst ist. Das MHA gewährt einen Schutz vor Irreführung durch die

falsche Verwendung von geographischen Herkunftsangaben. Davon ist jede Benutzung im

geschäftlichen Verkehr erfasst. Daraus ergibt sich mE, dass sowohl die Warenmarkierung,

als auch die Werbung mit „Made in Austria“ vom Schutz erfasst sind. Die Rechtsfolgen

der Beschlagnahme betreffen mE, nach Betrachtung des Wortlauts des Art 1 MHA, aber

120

Bornkamm in UWG35

§, 5 Rn 2.183 f.

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nur die Angaben am Produkt oder der Produktverpackung. Das LUA ist in Österreich nicht

anwendbar, das Österreich diesem nicht beigetreten ist. Das LUA beschränkt seinen Schutz

auf jene Ursprungsbezeichnungen beschränkt, bei denen ein Erzeugnis seine Qualität und

seine Eigenschaften ausdrücklich oder überwiegend den geografischen Verhältnissen eines

bestimmten Gebietes verdankt. Deshalb ist „Made in Austria“ mE nicht vom

Anwendungsbereich des Art 2 LUA umfasst. Österreich ist Vertragsstaat des TRIPS-

Abkommens und dieses ist daher auch anwendbar. Da das TRIPS-Abkommen

Herkunftsangaben gegen irreführenden Gebrauch allgemein schützt, sind mE vom Schutz

sowohl die Verwendung am Produkt und dessen Verpackung, als auch die Verwendung in

der Werbung davon erfasst. Jedoch ist der Anwendungsbereich des Art 22 Abs 1 TRIPS

eng auszulegen und „Made in Austria“ ist mE nicht davon erfasst, weil der Zusammenhang

zwischen der Qualität, den Eigenschaften und dem Ruf eines Produkts mit dessen Herkunft

grds fehlt.

Das Primärrecht der EU enthält keine Regelungen zu geografischen Herkunftsangaben. Im

Sekundärrecht finden sich einige Vorschriften zur Verwendung von Herkunftsangaben,

diese beziehen sich in erster Linie jedoch nur auf Lebensmittel und Agrarerzeugnisse. Die

Bestimmungen des UZK sind für „Made in Austria“ mE nicht unmittelbar einschlägig,

weil ihnen in erster Linie zolltarifrechtliche Bedeutung zukommt. Die Anwendbarkeit des

UZK schließt idR schon eine Irreführung der beteiligten Verkehrskreise aus, weil es sich

bei den Regelungen des UZK um reine Deklarierungsvorschriften zu Zwecken des

Zollrechts handelt. Sie liefern aber mE einen möglichen Lösungsansatz, wie Kriterien für

eine Herkunftsbestimmung aussehen könnten.

Bisher wurde es weder auf völkerrechtlicher Ebene, noch auf unionsrechtlicher Ebene

geschafft, den Schutz von geographischen Herkunftsangaben zufriedenstellend zu regeln.

Ein wesentlicher Grund dafür stellt die mangelnde Einigkeit der Vertrags- bzw.

Mitgliedsstaaten dar. Geographische Herkunftsangaben sind aber in allen Mitgliedsstaaten

der EU im Rahmen des Irreführungsverbots der Art 6, 7 RL-UGP geschützt. Zudem gibt es

in einigen Mitgliedsstaaten (zB Frankreich, Italien und Portugal) einen zT umfassenden

Schutz von Ursprungsbezeichnungen im Bereich der Lebensmittel und Agrarprodukt.

Auf nationaler Ebene gestaltet sich der Schutz in Österreich wie folgt. Das MarkenschutzG

ist für die Verwendung von „Made in Austria“ nicht einschlägig, weil es bloß ein absolutes

Eintragungshindernis für Hoheitszeichen enthält und „Made in Austria“ mE darunter nicht

subsumierbar ist. Eine wesentliche Rechtsgrundlage für die Verwendung von „Made in

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Austria“ stellt § 2 UWG dar. ME stellt die Verwendung von „Made in Austria“, sowohl im

Rahmen der Warenmarkierung am Produkt selbst oder der Produktverpackung, als auch

die Werbung damit, eine Geschäftspraktik iSd § 1 Abs 4 Z 2 UWG dar. Daher sind mE

beide Fälle als Geschäftspraktik auch der Irreführung nach § 2 UWG zugänglich. Die

Bestimmung des § 2 Abs 1 UWG ist für „Made in Austria“ mE aber nur dann einschlägig,

wenn der Tatbestand der Irreführung erfüllt ist. Die vorliegende Geschäftspraktik

(Warenmarkierung oder Werbung) muss also entweder unwahre Angaben beinhaltet oder

sonst zur Täuschung geeignet ist. Außerdem muss der Verbraucher dadurch zu einer

geschäftlichen Entscheidung veranlasst worden sein, die er andernfalls nicht getroffen

hätte. Diese Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Das Vorliegen der genannten

Voraussetzungen ist zudem grds in jedem Einzelfall gesondert zu prüfen. Es kommt hier

nicht auf das bloße Verwenden einer geographischen Herkunftsangabe an. Die

maßgebliche Rechtsgrundlage, die auch im Rahmen der österreichischen Judikatur zur

Beurteilung herangezogen wird, ist der Irreführungstatbestand des § 2 UWG.

In Deutschland ist der Schutz geografischer Herkunftsangaben primär in den §§ 126 ff

dMarkenG geregelt, die als wettbewerbsrechtlicher Schutz vor Irreführung ausgestaltet

sind. Daneben besteht ein subsidiärer Schutz nach § 5 Abs 1 dUWG.

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35

3 Geografische Herkunftsangaben

Ein wesentlicher Begriff, mit dem sich diese Diplomarbeit, insb im Rahmen der

Rechtsgrundlagen, beschäftigt, ist der der geographischen Herkunftsangabe. Eine

Herkunftsangabe ist per definitionem eine direkte oder indirekte Angabe über die

geographische Herkunft eines Erzeugnisses. Der Schutz von geographischen Angaben ist

in allen Mitgliedsstaaten der EU durch Vorschriften gewährleistet, welche eine falsche

oder irreführende Verwendung unterbinden. Entsprechende Regelungen finden sich in

Gesetzen gegen unlauteren Wettbewerb oder in Regelungen betreffend den

Verbraucherschutz. In beiden Fällen ist das maßgebliche Kriterium für die

Unterschutzstellung der Gesichtspunkt, dass die Verbraucher in die Irre geführt werden. 121

Es stellen sich hierbei die folgenden Fragen, die in weiterer Folge in diesem Kapitel näher

behandelt werden: Was ist eine geographischen Herkunftsangabe und welche Arten gibt

es? Wie kann der Verbraucher mit ihnen in die Irre geführt werden? Wo kann „Made in

Austria“ dabei eingeordnet werden?

3.1 Tatbestandmerkmale der geographischen Angaben

Geografische Angaben bezeichnen „einen Namen, der zur Bezeichnung eines Erzeugnisses

verwendet wird, dessen Ursprung in einem bestimmten Ort, in einer bestimmten Gegend

oder in einem bestimmten Land liegt, dessen Qualität, Ansehen oder andere Eigenschaften

wesentlich auf diesen geografischen Ursprung zurückzuführen ist und bei dem wenigstens

einer der Produktionsschritte in dem abgegrenzten geografischen Gebiet erfolgt“. 122

Bei der geografischen Angabe genügt es folglich, dass das Erzeugnis in dem

namensgebenden Gebiet verarbeitet worden ist, das Grunderzeugnis kann aber grds auch

aus einem anderen Gebiet stammen. 123

Geographische Herkunftsangaben können sich auf

jede Art von Produkt beziehen, wobei hinsichtlich der gesetzlichen Regelungen va

Vorschriften für die Herkunftskennzeichnung von Weinen, Agrarprodukten und

Lebensmitteln dominieren. Aber auch handwerkliche Erzeugnisse bestimmter Herkunft

sind nicht weniger berühmt. Als Beispiele sind hier Schweizer Uhren, Solinger Messer,

121

Beier, IIC 1994, 1 (14). 122

Art 5 Abs 2 VO (EU) 1151/2012. 123

<https://www.bmlfuw.gv.at/land/lebensmittel/qs-lebensmittel/lebensmittelqualitaet/herkunft-

spezialitaetenschutz/Herkunftsschutz.html> (08.01.2017).

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Meißner Porzellan oder Brüsseler Spitze zu nennen. Die Herkunftsangabe ist ein wichtiges

Kennzeichnungsmittel für Waren und dient einer Individualisierung der Ware. Sie stellt

eine Beziehung zwischen der Ware einerseits und den Qualitäts- und Preisvorstellungen

des angesprochenen Verkehrs andererseits her. 124

3.2 Arten von Herkunftsangaben

Die rechtliche Terminologie betreffend, sind geografische Herkunftsangaben sowohl in

internationalen Abkommen, als auch in europäischen und nationalen Rechtsvorschriften

uneinheitlich. Der Terminus Herkunftsangabe wird allgemein als Oberbegriff für

verschiedene Arten von Angaben über die Herkunft oder den Ursprung verstanden. Es

lassen sich in der rechtlichen Auseinandersetzung die folgenden Begriffe unterscheiden:

Ursprungsbezeichnungen, einfache und qualifizierte Herkunftsangaben sowie unmittelbare

und mittelbare Herkunftsangaben. Des Weiteren sind auch scheingeografische

Bezeichnungen und Fantasiebezeichnungen, sowie die Zulässigkeit der Verwendung

entlokalisierender Zusätze zu berücksichtigen. 125

3.2.1 Ursprungsbezeichnungen

Eine Ursprungsbezeichnung bezeichnet „einen Namen, der zur Bezeichnung eines

Erzeugnisses verwendet wird, dessen Ursprung in einem bestimmten Ort, in einer

bestimmten Gegend oder, in Ausnahmefällen, in einem bestimmten Land liegt, das seine

Güte oder Eigenschaften überwiegend oder ausschließlich den geografischen

Verhältnissen einschließlich der natürlichen und menschlichen Einflüsse verdankt und

dessen Produktionsschritte alle in dem abgegrenzten geografischen Gebiet erfolgen“ 126

.

Es müssen also alle Erzeugungsschritte, vom Rohstoff bis zum fertigen Endprodukt, in

dem festgelegten Gebiet erfolgen. 127

Eine zentrale Rolle kommt den

Ursprungsbezeichnungen in der VO (EU) 1151/2012, dem LUA sowie in den

Rechtssystemen Frankreichs, Italiens und Portugals zu. In der deutschen Rechtssprache

124

Omsels, Geografische Herkunftsangaben, 1, Rn 1. 125

Omsels, Geografische Herkunftsangaben, 7, Rn 11. 126

Art 5 Abs 1 VO (EU) 1151/2012. 127

<https://www.bmlfuw.gv.at/land/lebensmittel/qs-lebensmittel/lebensmittelqualitaet/herkunft-

spezialitaetenschutz/Herkunftsschutz.html> (08.01.2017).

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werden Ursprungsbezeichnungen vereinzelt mit qualifizierten Herkunftsangaben

gleichgestellt. 128

3.2.2 Einfache Herkunftsangaben

Einfache Herkunftsangaben bezeichnen die Herkunft eines Produktes aus einem Ort, einem

Land, einer Gegend oder einer Region. Einfache Herkunftsangaben setzen nicht voraus,

dass zwischen der Herkunft und dem Produkt ein objektivierbarer Zusammenhang besteht

oder mit der Herkunft eine besondere Qualitätsvorstellung verbunden wird. Die Aussage

kann sich auf eine bloße Herkunftsbeziehung beschränken, deshalb wird sie auch als

qualitätsneutrale Herkunftsangabe bezeichnet. 129

Die objektiven, spezifischen

Eigenschaften, die ein Produkt bestimmter Herkunft von gleichartigen Produkten anderer

Herkunft unterscheidet, ist also nicht Voraussetzung für den Schutz als einfache

Herkunftsangabe. Es spielt auch keine Rolle, ob ein Produkt bestimmter Herkunft an einem

anderen Ort und mit demselben Arbeitsergebnis ebenso gut hergestellt werden kann.

Einfache Herkunftsbezeichnungen können grds von allen Unternehmen für jene Produkte

benutzt werden, die aus dem bezeichneten Gebiet, Ort oder Land stammen. Die

Verwendung ist aber dann untersagt, wenn es an der genannten Beziehung fehlt und daraus

eine Irreführungsgefahr resultiert. 130

3.2.3 Qualifizierte Herkunftsangaben

Qualifizierte Herkunftsangaben bezeichnen die Herkunft einer Ware aus einem Ort, einem

Land, einer Gegend oder einer Region, wobei mit der Angabe auch eine bestimmte

Qualität und Beschaffenheit des Produktes verbunden wird. Sie kommen va bei Produkten

vor, die aus ortsgebundenen Naturstoffen bestehen, wie zB Lebensmittel, Agrarerzeugnisse

oder Tabakwaren. 131

Qualifizierte Herkunftsangaben verknüpfen bestimmte

Produkteigenschaften kausal mit ihrer geographischen Herkunft, zB wenn der Charakter

eines Weines auf eine bestimmte Lage zurückzuführen ist oder sich die besonderen

handwerklichen Fähigkeiten eines ortsansässigen Herstellers in seinen Produkten

128

Omsels, Geografische Herkunftsangaben, 7, Rn 12. 129

Omsels, Geografische Herkunftsangaben, 7 f, Rn 13. 130

Marx, Deutsches, europäisches und internationales Markenrecht2 (2007) 107f, Rn 303.

131 Omsels, Geografische Herkunftsangaben, 8, Rn 14.

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wiederspiegelt. Dem französischen Recht folgend, entsprechen qualifizierte

Herkunftsangaben in etwa den Ursprungsangaben. Die rechtmäßige Benutzung setzt neben

der geografischen Herkunft des Produkts auch das Vorliegen einer bestimmten Qualität

voraus. Qualifizierte geografische Herkunftsangaben stehen damit einem ortsansässigen

Unternehmen dann nicht zur Verfügung, wenn das Produkt zwar aus dem bezeichneten Ort

stammt, im Hinblick auf die Qualität, die mit der Herkunftsangabe verknüpft wird, die

Erwartungen der Verbraucher aber nicht erfüllen kann. 132

3.2.4 Unmittelbare Herkunftsangaben

Unmittelbare Herkunftsangaben sind der Name eines Ortes, eines Gebiets, einer Gegend,

eines Landes oder auch eines ganzen Kontinents, wobei auch Stadtteile oder Bezirke

umfasst sind. Neben der bestehenden offiziellen Bezeichnung kommen hier auch veraltete

oder unpräzise Bezeichnungen in Betracht. Sie bezeichnen die Herkunft eines Produktes

unmittelbar, zB Nürnberger Lebkuchen, Roquefort oder Prosciutto di Parma. Unmittelbare

Herkunftsangaben können zudem auch einfache Herkunftsangaben, qualifizierte

Herkunftsangaben oder Ursprungsbezeichnungen sein. 133

Die Aussage über die Herkunft

kann mittels Adjektiv (zB Gmundner Keramik), mittels Substantiv (zB Roquefort), oder

auch durch eine Wortverbindung (zB Muranoglas) verwendet werden. Der Schutz setzt

nicht voraus, dass dem Verkehr ein Ort mit diesem Namen bekannt ist, es genügt, dass der

angegebene Ort nicht wegen seiner Eigenart oder der Besonderheit der Ware als

Produktionsstätte ausscheidet. Wenn das Publikum aber den Begriff nicht einmal als

geographischen Begriff versteht, weil der Ortsname unbekannt ist, scheidet der Schutz als

geografische Herkunftsangabe jedenfalls aus. 134

3.2.5 Mittelbare Herkunftsangaben

Mittelbare Herkunftsangaben sind alle Bezeichnungen, Kennzeichnungen, Symbole,

Bilder, Aufmachungen oder Ausstattungen, die nicht unmittelbar einen Ort oder eine

Gegend bezeichnen, aber anderweitig für eine bestimmte geografische Herkunft stehen.

Das Vorliegen einer mittelbaren Herkunftsangabe kann sich uU erst aus der Verwendung

132

Marx, Deutsches, europäisches und internationales Markenrecht2 108, Rn 304.

133 Omsels, Geografische Herkunftsangaben, 8, Rn 15.

134 Marx, Deutsches, europäisches und internationales Markenrecht

2 110, Rn 309f.

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von mehreren Merkmalen ergeben, die einzeln noch nicht bzw nicht mit der nötigen

Eindeutigkeit auf eine bestimmte Herkunft hinweisen. 135

Mittelbare Herkunftsangaben

werden daher eher als Hinweis auf eine bestimmte geografische Herkunft verstanden, weil

sich die Herkunftsaussage in diesen Fällen oft erst aus einem bewussten oder unbewussten

gedanklichen Schluss ergibt. Maßgeblich für das Vorliegen einer assoziativen

geografischen Herkunftsaussage ist deshalb jedenfalls die Verkehrsauffassung eines

durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers. 136

Herkunftshinweise stellen typischerweise die Verwendung einer fremden Sprache und bzw

oder der dazugehörigen Landesfarben bei der Bezeichnung und Verpackung eines

Produktes, die Benutzung von Wappen, Flaggen, Symbolen, Namen oder die Abbildung

berühmter Persönlichkeiten, die Darstellung von Wahrzeichen oder Monumenten, von

Trachten und Landschaften dar. Auch eine Top-Level-Domain137

kann eine

Herkunftsvorstellung auslösen. In erster Linie entscheiden aber die konkrete Verwendung

und deren Kontext darüber, ob ein Zeichen als Herkunftshinweis verstanden wird. Die

Verwendung von französischer Sprache und Landesfarben für Parfüme und Weine ist zB

in besonderem Maß geeignet, eine französische Herkunft zu suggerieren. 138

Als Beispiele

für mittelbare Herkunftsangaben sind die Bocksbeutelflasche139

für einen Wein aus

Franken oder die Farbkombination Rot-Weiß-Grün für Produkte aus Italien zu nennen.140

Der OGH hat in einer Entscheidung aus dem Jahr 1960 bei der Bezeichnung von

Schlüpfern mit britischen Flaggen und der Verwendung englischer Wörter eine mittelbare

Herkunftsangabe angenommen.141

Es ist hier aber klar hervorzuheben, dass durch die

zunehmende Globalisierung die Wirkung fremder Sprachen als Herkunftshinweis immer

mehr nachlässt. 142

135

Omsels, Geografische Herkunftsangaben, 9, Rn 16. 136

Marx, Deutsches, europäisches und internationales Markenrecht2 110, Rn 312.

137 Anm: Bei der Top-Level-Domain handelt es sich um einen Bestandteil einer Internetadresse. Im

Konkreten geht es hierbei um die sog geografischen oder landesbezogenen Country Code Top-Level-

Domains. Diese ist für Deutschland „*.de“ und für Österreich „*.at“. 138

Marx, Deutsches, europäisches und internationales Markenrecht2 110, Rn 311 f.

139 BGH 12.03.1971, I ZR 115/69.

140 Omsels, Geografische Herkunftsangaben, 9, Rn 16.

141 RIS-Justiz RS0078459.

142 Marx, Deutsches, europäisches und internationales Markenrecht

2 110, Rn 312.

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3.2.6 Scheingeografische Bezeichnungen und Fantasiebezeichnungen

Da Zeichen grds jede Bedeutung haben können, können sie einerseits als Hinweis auf eine

geographische Herkunft verstanden werden, aber andererseits müssen sie trotzdem nicht

auf eine konkrete Herkunft des Produktes hinweisen. Dies ist dann der Fall, wenn die

konkrete Bezeichnung vom Publikum, ungeachtet der tatsächlichen oder wörtlichen

Aussage, nicht als geographische Herkunft verstanden wird. Dient die Verwendung einer

Ortsbezeichnung ausschließlich dazu, Qualität oder Exklusivität vorzutäuschen (zB

Hollywood Duftschaumbad), handelt es sich ebenfalls um eine scheingeographische

Bezeichnung. Eine Fantasieangabe liegt hingegen vor, wenn der verwendete Ortsname gar

nicht existiert (zB Sun Land) oder so allgemein gehalten ist, dass damit auf eine Vielzahl

von Orten oder Regionen hingewiesen werden könnte (zB Klosterbrauerei, regionales

Produkt) und damit keine konkrete geographische Herkunft bezeichnet. 143

3.2.7 Die Verwendung entlokalisierender Zusätze

Entlokalisierende Zusätze sind Zusätze, die klarstellen welche Herkunft ein Produkt

tatsächlich hat. Durch deren Verwendung kann eine Irreführung grds vermieden werden,

sie müssen aber jedenfalls deutlich genug sein. 144

Eine Herkunftsaussage kann durch die

Beifügung entlokalisierender Zusätze somit nicht in jedem Fall neutralisiert werden. Im

Geschäftsverkehr werden geographische Angaben gerne mit einem klarstellenden Hinweis

(zB Nürnberger Bratwürste, hergestellt in Hamburg) berichtigt oder mittels einem Zusatz

(zB nach Nürnberger Art) entschärft. Hier ist aber jedenfalls klarzustellen, dass, allein

durch die Verwendung von Zusätzen, der Irreführungsschutz keinesfalls entfällt, es kommt

vielmehr darauf an, ob trotz entlokalisierender Zusätze eine Irreführungsgefahr gegeben

ist. Wesentlich ist, dass der Verbraucher mit zwei gegensätzlichen Aussagen konfrontiert

ist, die für sich alleine schon geeignet sind, ihn zu verwirren. Außerdem schenkt ein

Verbraucher einer geographischen Herkunftsangabe idR mehr Aufmerksamkeit, als einem

bloßen Hinweis oder Zusatz auf den tatsächlichen Produktionsort. 145

Grds ist es also

möglich, die Irreführungsgefahr über die geographische Herkunft durch entlokalisierende

Zusätze zu beseitigen. Der Beurteilungsmaßstab, ob durch die Verwendung

entlokalisierender Zusätze eine Irreführung ausgeschlossen ist, ist streng anzulegen, weil

143

Marx, Deutsches, europäisches und internationales Markenrecht2 112, Rn 316 f.

144 Kraft/Steinmair, UWG. Praxiskommentar, 68, Rz 45.

145 Marx, Deutsches, europäisches und internationales Markenrecht

2 113, Rn 318 ff.

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der Durchschnittsverbraucher diese Zusätze meistens nur flüchtig betrachtet und daher

übersieht. Aus Zwecken des Verbraucherschutzes sind auch an die Deutlichkeit und die

Unübersehbarkeit von entlokalisierenden Zusätzen strenge Anforderungen zu stellen. 146

3.3 Abgrenzungen

Der Unterschied zwischen Ursprungsbezeichnung und geographischer Herkunftsangabe

liegt in einer bestehenden Verbindung zwischen dem Produkt und dessen Herkunftsgebiet.

Bei den Ursprungsbezeichnungen liegt die engste Verbindung zwischen dem Produkt und

dessen Herkunft vor. Die Qualität oder Eigenschaften des Produktes müssen ausschließlich

oder überwiegend auf das geographische Gebiet zurückzuführen sein, aus dem sie

stammen und alle Produktionsschritte müssen auch in diesem Gebiet stattfinden. Bei einer

geographischen Herkunftsangabe hingegen genügt es, wenn die Qualität, der Ruf oder

bestimmte Eigenschaften des Produktes im Wesentlichen auf dessen geographische

Herkunft zurückgeführt werden können. Zudem müssen nicht alle Produktionsschritte in

diesem Gebiet erfolgen, es genügt wenn wenigstens ein Produktionsschritt dort erfolgt. 147

Die geographische Herkunftsangabe weist auf die Herkunft eines Produktes aus einem

bestimmten Ort oder einer bestimmten Gegend hin. Bei der Marke handelt es sich um eine

rein betriebliche Herkunftsangabe. Im Gegensatz zur geographischen Herkunftsangabe

weist die Marke auf die Herkunft eines Produktes aus einem bestimmten Betrieb hin. Aus

einer geographischen Herkunftsangabe kann eine Marke entstehen, wenn diese für einen

einzelnen Betrieb so bedeutend geworden ist, dass bei den angesprochenen

Verkehrskreisen die verwendete Marke weniger oder gar nicht mehr für den benannten Ort

steht, sondern in erster Linie für den Betrieb. Beispiele dafür sind die Ortsnamen

Ravensburger für Spiele oder Nokia für Mobiltelefone. 148

Auch bei Serienzeichen handelt es sich nicht um geographische Herkunftsangaben. Als

Serienzeichen werden bspw Städtenamen für einzelne Modelle einer Produktserie

verwendet (zB bei Möbelserien die Modellbezeichnungen Rom, Tokyo oder Sydney). Des

Weiteren liegt auch keine geographische Herkunftsangabe vor, wenn zB für ein PKW-

146

RIS-Justiz RS0078437. 147

Stangl, Herkunftsschutz gibt es nicht nebenbei. Überlegungen auf dem Weg zu einer geschützten

Herkunftsangabe für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel. Woher die Köstlichkeiten kommen, ipCompetence

2015 H13, 24 (25). 148

Omsels, Geografische Herkunftsangaben, 10, Rn 19.

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Modell der Name einer Insel (zB Ford Capri, Seat Ibiza, Opel Ascona) oder wenn für

Schreibwaren der Name Mont Blanc verwendet wird. Serienzeichen, bei denen einzelne

Modelle mit geografischen Begriffen benannt werden, sind keine geografischen

Herkunftsangaben, weil sie nicht auf eine geografische Herkunft hinweisen sollen. 149

3.4 Irreführung durch Angaben über die geographische Herkunft

Der Verbraucher kann gem § 2 Abs 1 Z 2 UWG mit Angaben über wesentliche

Produktmerkmale, insb mit Angaben über die geographische Herkunft, in die Irre geführt

werden. Geographische Angaben sind wettbewerbsrechtlich insb deshalb von Relevanz,

weil aus einer bestimmten Herkunft oft auch auf eine bestimmte Qualität und

Eigenschaften des Produktes geschlossen wird. Dabei muss aber nicht unmittelbar auf die

Herkunft aus einem bestimmten Land oder einem bestimmten Gebiet hingewiesen werden,

eine Täuschung kann auch mit mittelbaren Herkunftsangaben erfolgen. 150

In weiterer

Folge werden daher die folgenden Möglichkeiten der Irreführung erläutert: die Irreführung

durch die Verwendung von geografischen Herkunftsangaben, die Irreführung durch die

Verwendung von fremder Sprache und Irreführung durch die Verwendung von

Landesfarben, Flaggen oder Wappen.

3.4.1 Irreführung durch die Verwendung von geografischen Herkunftsangaben

Unter § 2 Abs 1 Z 2 UWG fallen Irreführungen, die wesentliche Merkmale des Produktes

betreffen. In Art 6 Abs 1 RL-UGP werden die wesentlichen Merkmale eines Produkts

beispielhaft angeführt. Die wesentlichen Merkmale gem Art 6 Abs 1 lit b RL-UGP sind

„Verfügbarkeit, Vorteile, Risiken, Ausführung, Zusammensetzung, Zubehör, Kundendienst

und Beschwerdeverfahren, Verfahren und Zeitpunkt der Herstellung oder Erbringung,

Lieferung, Zwecktauglichkeit, Verwendung, Menge, Beschaffenheit, geografische oder

kommerzielle Herkunft oder die von der Verwendung zu erwartenden Ergebnisse oder die

Ergebnisse und wesentlichen Merkmale von Tests oder Untersuchungen, denen das

Produkt unterzogen wurde“151

. Im Rahmen der Umsetzung der RL-UGP hat der

österreichische Gesetzgeber bewusst darauf verzichtet diese beispielhafte Aufzählung zu

149

Omsels, Geografische Herkunftsangaben, 11, Rn 21. 150

Kraft/Steinmair, UWG. Praxiskommentar, 68, Rz 44. 151

Art 6 Abs 1 lit b RL-UGP.

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übernehmen,152

da sich nach seiner Ansicht die angeführten Punkte ohnehin unter den

Begriff der Merkmale des Produktes subsumieren lassen. 153

Somit sind auch Angaben

über die geographische Herkunft eines Produktes, weil sie wesentliche Merkmale

darstellen, grds dazu geeignet Irreführungen zu verursachen. Geographische Angaben sind

wettbewerbsrechtlich insb dann von Relevanz, wenn aus einer bestimmten Herkunft auf

eine bestimmte Qualität und Beschaffenheit des Produktes geschlossen wird. 154

Eine als

Kennzeichen verwendete Herkunftsangabe ist in hohem Maße dazu geeignet, eine Ware zu

individualisieren, insb Güte- und Preisvorstellungen zu erwecken, und ist deshalb für die

Kaufentscheidung des Verbrauchers bedeutsam und bestimmend. Für die Relevanz der

Irreführung genügt dabei schon, dass die Bezugnahme auf eine geographische Herkunft

geeignet ist, einen nicht unerheblichen Teil der umworbenen Verbraucher bei seiner

Auswahlüberlegung irgendwie zu beeinflussen. Ob eine Irreführung dabei im Einzelfall

tatsächlich erreicht wird, ist unerheblich, vielmehr genügt die bloße Gefahr einer

Täuschung. 155

Auch durch eine mittelbare Herkunftsangabe kann vom Verkehr gedanklich

eine bestimmte geographische Herkunft verknüpft werden, die den flüchtigen

Durchschnittsverbraucher zu einer falschen Herkunftsvorstellung verleiten kann. 156

3.4.2 Irreführung durch die Verwendung von fremder Sprache

Aus der Bezeichnung eines Produktes in der Sprache eines fremden Landes schließt der

Verkehr idR auf die Herkunft des Produktes aus diesem Land. Das gilt insb dann, wenn

das ausländische Erzeugnis im Verkehr besonders geschätzt wird und das Publikum daher

großen Wert darauf legt, dass das Produkt aus einem bestimmten Land stammt. 157

Es ist

hierbei der Ansicht Zemanns zu folgen, dass „aufgrund der vermehrten Verwendung von

Begriffen aus fremden Sprachen (insbesondere Englisch) in der Umgangssprache und der

fortschreitenden Globalisierung/Internationalisierung davon auszugehen [ist], dass

heutzutage die (angemessen gut unterrichteten und angemessen aufmerksamen und

kritischen) Verbraucher weniger geneigt sind, bloß aufgrund der Verwendung (von

Worten) einer bestimmten Sprache zur Bezeichnung einer Ware auf eine entsprechende

152

ErlRV 144 BlgNR XXIII. GP, 5;

<https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIII/I/I_00144/fname_080045.pdf> (08.01.2017). 153

Kraft/Steinmair, UWG. Praxiskommentar, 66, Rz 35. 154

Kraft/Steinmair, UWG. Praxiskommentar, 68, Rz 44. 155

RIS-Justiz RS0078411. 156

RIS-Justiz RS0078423. 157

RIS-Justiz RS0078444.

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Herkunft zu schließen.“ Die Verwendung einer bestimmten Sprache auf einem Etikett ist

per se nicht dazu geeignet, dass der Verbraucher daraus auf die Herkunft aus einem

bestimmten Land schließt, in dem diese Sprache gesprochen wird. Vielmehr deutet die

verwendete Sprache eher darauf hin, dass ein bestimmtes Erzeugnis in einem Land

vertrieben werden soll, in dem die verwendete Sprache gesprochen wird. Es kommt daher

vielmehr auf den Gesamteindruck an, der erzeugt wird.158

Eine Irreführung durch die

Verwendung von Sprache liegt ua vor, wenn zB auf einem Etikett für einen in Österreich

hergestellten Whiskey die Worte „Saunders“, „Gaylord International“ „golden&mild“,

„blended“ oder „Gold-Star“ verwendet werden.159

Durch die Verwendung dieser Worte

schließen die inländischen Verkehrskreise gedanklich auf eine Herkunft aus dem

angloamerikanischen Raum, also auf typische Herstellungsländer von Whiskey. 160

3.4.3 Irreführung durch die Verwendung von Landesfarben, Flaggen oder Wappen

Nach der Rsp des OGH kann man, aufgrund der bloßen Verwendung von Landesfarben

oder Flaggen alleine, nicht auf eine geographische Herkunftsbezeichnung schließen.161

Weisen die verwendeten Landesfarben aber auf ein bevorzugtes Herkunftsland des

Produktes hin, kann uU von einer Herkunftsbezeichnung ausgegangen werden. Als

Beispiel ist hier die Verwendung der ungarischen Landesfarben auf der Verpackung von

Ungarischer Salami zu nennen, obwohl diese aus Österreich stammte. Es liegt hier eine

Irreführung vor, weil es sich bei Ungarn um ein bevorzugtes Herkunftsland bei Salami

handelt. 162

Aber auch durch die Verwendung von Wappen kann eine geographische

Bezugnahme hergestellt werden, die zur Irreführung geeignet ist. So wurde zB die

Verwendung von Zeichen, deren Gesamteindruck von Wappen österreichischer

Gebietskörperschaften erweckt wurde, für die Kennzeichnung von Lodenstoffen aus Italien

als mittelbarer Hinweis auf einen österreichischen Warenursprung angesehen.163

164

158

RIS-Justiz RS0078470. 159

RIS-Justiz RS0078434. 160

Zemann, ipCompetence 2015 H 13, 10 (16). 161

RIS-Justiz RS0078389. 162

RIS-Justiz RS0078389. 163

OGH 19.10.1999, 4 Ob 272/99 z, 5. 164

Zemann, ipCompetence 2015 H 13, 10 (17).

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3.5 Zwischenfazit

Der Terminus Herkunftsangabe wird allgemein als Oberbegriff für verschiedene Arten von

Angaben über die Herkunft verstanden, wobei die Bedeutung nicht allgemein verbindlich

definiert ist. Es lassen sich in der rechtlichen Auseinandersetzung daher grds die folgenden

Begriffe unterscheiden: Ursprungsbezeichnungen, einfache und qualifizierte

Herkunftsangaben sowie mittelbare und unmittelbare Herkunftsangaben. Bei „Made in

Austria“ handelt es sich mE um eine einfache Herkunftsangabe, weil zwischen der

Herkunft und dem Produkt selbst grds kein objektivierbarer Zusammenhang besteht und

mit der Herkunft außerdem auch keine besonderen Qualitätsvorstellungen verbunden

werden. Es handelt sich bei „Made in Austria“ mE außerdem um eine unmittelbare

Herkunftsangabe, weil damit die Herkunft aus einem bestimmten Land (Österreich) direkt

genannt wird. Bei „Made in Austria“ handelt es sich daher mE um eine einfache und

unmittelbare Herkunftsangabe.

Der Verbraucher kann mit Angaben über die geographische Herkunft in die Irre geführt

werden. Dies kann sowohl durch mittelbare, als auch durch unmittelbare Herkunftsangaben

erfolgen. Dabei kann eine Irreführung durch die Verwendung von geografischen

Herkunftsangaben selbst, eine Irreführung durch die Verwendung von fremder Sprache

oder eine Irreführung durch die Verwendung von Landesfarben, Flaggen oder Wappen

vorliegen. In Betracht kommt mE dabei eine Irreführung durch die Verwendung einer

geographischen Herkunftsangabe per se, weil „Made in Austria“ eindeutig auf die

Herkunft aus Österreich hinweist. Eine Irreführung durch die Verwendung von fremder

Sprache kommt mE eher nicht in Betracht, weil die Verwendung der deutschen Sprache

(zB „Hergestellt in Österreich“ oder „Produziert in Österreich“) naheliegender wäre. Eine

Verwendung von Landesfarben, Flaggen oder Wappen kann uU dann vorliegen, wenn

zusätzlich die österreichischen Landesfarben rot-weiß-rot oder die österreichische Flagge

oder Wappen verwendet werden.

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4 Judikatur

Im Rahmen der Beurteilung der Rechtsgrundlagen hat sich ergeben, dass die maßgebliche

Rechtsgrundlage für die Verwendung von „Made in Austria“ das Irreführungsverbot des

§ 2 UWG ist. Das kumulative Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 UWG ist jedoch von

den Gerichten grds in jedem Einzelfall gesondert zu prüfen. In diesem Kapitel wird

deshalb zunächst die österreichische Judikatur zu § 2 UWG im Zusammenhang mit der

geographischen Herkunft näher erläutert. Bisher gibt es keine konkrete Entscheidung des

OGH, die sich mit der Verwendung von „Made in Austria“ beschäftigt. In weiterer Folge

wird daher die deutsche Judikatur zu „Made in Germany“ näher erläutert. Auch wenn es in

Deutschland noch keine klare Judikaturlinie gibt, haben sich die deutschen Gerichte aller

Instanzen in den letzten Jahren vermehrt mit möglichen Kriterien für eine zulässige

Verwendung von „Made in Germany“ beschäftigt.

4.1 Österreichische Judikatur

Die österreichische Judikatur musste sich im Konkreten noch nicht mit der Verwendung

von „Made in Austria“ befassen, daher fehlt auch Judikatur zu deren Zulässigkeit. 165

Zudem gibt es, bezugnehmend auf die Analyse der Rechtsgrundlagen, keine konkreten

Voraussetzungen, wann die Verwendung von „Made in Austria“ grds zulässig ist. Im

Rahmen der Judikatur des OGH finden sich aber drei Entscheidungen mit zumindest

teilweisem Bezug zum Thema Warenmarkierung bzw Bewerbung mit Herkunftsangaben.

Dabei handelt es sich um die folgenden Entscheidungen: 4 Ob 402/78 des OGH vom

05.12.1978 (UNI-DIM-Isolierkamine), 4 Ob 272/99z des OGH vom 19.10.1999 (Tiroler

Loden) und 4 Ob 42/08t des OGH vom 08.04.2008 (W.-Klaviere)166

. Im Folgenden wird

näher auf jede einzelne Entscheidung eingegangen, wobei insb der Sachverhalt und die

Entscheidungsgründe des OGH dargestellt werden, und jeweils die Bedeutung der

einzelnen Entscheidungen für die Verwendung von „Made in Austria“ näher analysiert

wird.

165

Zemann, ipCompetence 2015 H 13, 10 (18). 166

OGH 08.04.2008, 4Ob42/08t (W.-Klaviere) = wbl 2008,344/164 - wbl 2008/164 = ÖBl-LS 2008/109 =

ÖBl-LS 2008/110 = ÖBl-LS 2008/111 = ÖBl-LS 2008/112 = MR 2008,257 (Korn) = ÖBl 2008/56 S 276

(Gamerith) - ÖBl 2008,276 (Gamerith) = ecolex 2008/314 S 838 (Tonninger) - ecolex 2008,838 (Tonninger)

= HS 39.182 = HS 39.183.

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4.1.1 OGH 05.12.1978, 4 Ob 402/78 (UNI-DIM-Isolierkamine)

4.1.1.1 Sachverhalt

Die Bekl betreibt ein Unternehmen, das den sog „U-Isolierkamin“ erzeugt und vertreibt.

Dieser Kamin besteht aus drei selbstständigen Bauteilen: einem Innenrohr, einer

Dämmschicht und einer Ummantelung. Die Bekl hat ein Prospekt unter der Bezeichnung

„Planungsunterlagen“ auf den Markt gebracht. Darin wirbt die Bekl wie folgt: „Unser

Produkt, der U-Isolierkamin, ist ein Qualitätserzeugnis österreichischer Firmen, das den

behördlichen Vorschriften voll und ganz entspricht und sich in der Baupraxis bestens

bewährt hat.“ Des Weiteren findet sich auf dem Prospekt ein rot-weiß-rotes

A-Qualitätssymbol mit dem Beisatz „Ein Qualitätserzeugnis österreichischer Firmen“.

Die Kl begehrt mittels eV, der Bekl die Bewerbung ihres Produktes als

„Qualitätserzeugnis österreichischer Firmen“ zu untersagen. Die Kl stützt sich einerseits

auf § 2 UWG und andererseits auf die Behauptung, dass die Isoliermatten und oder die

Schamotterohre, der von der Bekl vertriebenen Kamine, in Deutschland hergestellt worden

sind. Dagegen wendet die Bekl ein, dass sie ihre Erzeugnisse zur Gänze in Österreich

hergestellt hat. Sie hat Bestandteile aus Deutschland nur ein einziges Mal für eine

Sonderanfertigung verwendet. Außerdem wendet die Bekl ein, dass auch dann von einem

österreichischen Erzeugnis gesprochen werden kann, wenn die verwendeten Rohstoffe

oder Halbfabrikate aus dem Ausland stammen. 167

Erstgericht war in der vorliegenden Rechtssache das LG Salzburg168

und Rekursgericht

war das OLG Linz169

. Das ErstG erließ die von der Kl beantragte eV. Das RekG hob

diesen Beschluss des ErstG auf und hat die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an

dieses zurückverwiesen. 170

Maßgebliche Rechtsgrundlage für die materiell rechtliche

Beurteilung war der Irreführungstatbestand des § 2 UWG. Die Kl stützte ihr

Klagebegehren auf den Unterlassungsanspruch nach § 14 UWG. 171

167

Aus der Spruchpraxis, ÖBl 1979, 126. 168

LG Salzburg, 2 Cg 126/78. 169

OLG Linz, 2 R 116/78. 170

ÖBl 1979, 126. 171

ÖBl 1979, 126 (126).

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4.1.1.2 Entscheidungsgründe des OGH

Nach Ansicht des OGH verstößt die Bezugnahme auf eine geographische Herkunft gegen

§ 2 UWG, „wenn sie bei einem nicht ganz unerheblichen Teil der umworbenen Abnehmer

einen nicht den Tatsachen entsprechenden Eindruck erweckt und dieser geeignet ist, den

angesprochenen Interessenten bei seiner Auswahlüberlegung irgendwie zugunsten des

Angebotes zu beeinflussen“172

. Bei der Herkunft des Erzeugnisses oder der Herkunft von

einzelnen Bestandteilen kommt es nicht auf rechtliche oder technische

Qualifikationsmerkmale an. Maßgebliches Beurteilungskriterium ist hingegen die

Vorstellung der angesprochenen Verkehrskreise, wobei dieser gegenüber objektivierten

Warengruppen stets der Vorrang zukommt. 173

Die Verwendung einer

Herkunftsbezeichnung ist jedenfalls dann zur Irreführung geeignet, wenn beim

angesprochenen Verkehrskreis ein Eindruck erweckt wird, der nicht den Tatsachen

entspricht „und dieser Eindruck geeignet ist, den angesprochenen Interessenten bei seiner

Auswahlüberlegung irgendwie zugunsten des Angebotes zu beeinflussen“.174

Daher müssen

unabhängig von einer rechtlichen oder technischen Qualifikation alle Bestandteile auch

tatsächlich die angegebene Herkunft aufweisen. Als weitere Beurteilungskriterien kommen

noch die Art des Produktes, die Vorstellungen der Verbraucher über die Art und

Bedeutung einzelner Produktbestandteile für das Gesamtprodukt und ihre übliche

Beschaffung (eigenes Erzeugnis oder Zulieferung) hinzu. Nach Ansicht des OGH gelangt

der Verkehr zu der Auffassung, dass alle drei Bestandteile von österreichischen Firmen

erzeugt werden, wenn ein Produkt wie der Isolierkamin als „Qualitätserzeugnis

österreichischer Firmen“ vorgestellt wird.175

Va der Hinweis auf eine Mehrzahl

„österreichischer Firmen“ kann dahingehend verstanden werden, dass der Kamin als

Ganzes und alle besonders hervorgehobenen Bestandteile von österreichischen

Unternehmen bezogen werden. Da dies zumindest in einigen Fällen nicht den Tatsachen

entsprochen hat, verstößt die Ankündigung der Bekl gegen § 2 UWG. 176

Der OGH sah die Rekurse beider Parteien als nicht gerechtfertigt an und kam daher zu

folgendem Ergebnis: Ob die Bezugnahme auf eine Herkunft den Tatsachen entspricht, ist

nicht nach der rechtlichen oder technischen Qualifikation (zB nach Zollvorschriften) zu

beurteilen, sondern die Vorstellung des Verkehrs ist maßgeblich. Unabhängig von

172

RIS-Justiz RS0078393. 173

RIS-Justiz RS0078442. 174

RIS-Justiz RS0078393. 175

RIS-Justiz RS0078448. 176

ÖBl 1979, 126, (127 f).

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rechtlichen oder technischen Qualifikationen müssen alle Produktbestandteile, von denen

die angesprochenen Verbraucher eine bestimmte angegebene Herkunft erwarten oder

annehmen, auch tatsächlich von dort stammen. 177

Die Herkunftsangabe wurde im konkreten Sachverhalt im Rahmen einer Prospektwerbung

benutzt. Dabei handelt es sich mE um eine Geschäftspraktik iSd § 1 Abs 4 Z 2 UWG, weil

sie eine Angabe bzw Mitteilung über die Herkunft des Produktes ist. Die Kamine der Bekl

wurden von ihr als „Qualitätserzeugnis österreichischer Firmen“ beworben. Ob diese

Bezugnahme auf die Herkunft den Tatsachen entspricht, hängt dabei maßgeblich von der

Verkehrsanschauung ab. Nach Ansicht des OGH ist davon auszugehen, dass alle

Produktbestandteile des Kamins, von denen die angesprochenen Verbraucher die

angegebene Herkunft erwarten oder annehmen, auch tatsächlich von dort stammen müssen.

Aus dem konkreten Sachverhalt ergibt sich, dass der Kamin aus drei selbstständigen

Bestandteilen besteht, dabei werden zur Beurteilung der Herkunft die Produktionsstätten

der drei Bestandteile herangezogen. ME kann die Entscheidung aus dem Jahr 1978 nur

bedingt für eine aktuelle Beurteilung in Bezug auf die Verwendung von „Made in Austria“

herangezogen werden. Für Produkte, die aus einigen wenigen Bestandteilen bestehen, kann

die Entscheidung mE zur Beurteilung herangezogen werden. Kein Verbraucher geht mE

nach heute noch davon aus, dass jedes einzelne Bestandteil eines Erzeugnisses, das aus

einer Vielzahl von Einzelteilen besteht, zB ein Auto, komplett im Inland produziert wird.

Zudem war es zum Zeitpunkt der Entscheidung auch noch nicht üblich, dass Unternehmen

ihre Produktbestandteile weltweit produzieren oder produzieren lassen. Insofern ist die

aktuelle Praxis der Unternehmen bei der Produktion von Erzeugnissen, die auch die

Verbraucher im Wesentlichen kennen, mE im Zusammenhang mit der

Verkehrsanschauung zu beachten. Im Wesentlichen nimmt der OGH in dieser

Entscheidung auf die geographische Herkunftsangabe an sich nicht näher Bezug und setzt

sich nur näher mit der Vorstellung der angesprochenen Verkehrskreise und einer

Irreführung dieser auseinander. Für die Verwendung von „Made in Austria“ ergibt sich

daraus mE nur, dass die Verwendung jedenfalls solange zulässig ist, solange kein

Verbraucher damit in die Irre geführt wird. Meiner Ansicht nach lassen sich aus der

Entscheidung darüber hinaus keine Kriterien für eine zulässige Verwendung von „Made in

Austria“ ableiten.

177

Zemann, ipCompetence 2015 H 13, 10 (18).

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50

4.1.2 OGH 19.10.1999, 4 Ob 272/99z (Tiroler Loden)

4.1.2.1 Sachverhalt

Die Kl erzeugt in ihrem Unternehmen in Innsbruck Lodenstoffe, die weltweit exportiert

werden. Sie kennzeichnet ihre Erzeugnisse, mit Etiketten, „bei denen der Stoffgrund in

schwarzer, die Schriftzüge in gelber und der Adler in roter Farbe gehalten sind“. Diese

Etiketten haben folgendes Aussehen:

178

Auch die Bekl erzeugt Lodenstoffe, die sie in Italien herstellt und ebenfalls weltweit

vertreibt. Die Erzeugnisse der Bekl sind mit folgenden Etiketten gekennzeichnet: „Das

Emblem I, darstellend einen Adler, weist einen silbrig-grauen Untergrund auf, die

Schriftzüge sind in gelber Farbe gehalten, wobei die Buchstaben „mtt“ zusätzlich noch in

schwarz nachgefahren sind. Der Adler ist schwarz, das im Adler befindliche Wappen weist

die Farben rot-weiß-rot auf. Das Emblem II hat die Grundfarbe schwarz, die Schriftzüge

sind rot, der Halbkreis mit der weißen stilisierten Brücke hat einen roten Untergrund.“

179

Emblem I Emblem II

178

Rechtsprechung, ÖBl 2000, 168 (169 f). 179

ÖBl 2000, 168 (170).

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51

Die Bekl hat das Emblem I von November 1994 bis Oktober 1997 verwendet. Sie hat beim

italienischen Handelsministerium darum angesucht ihr Zeichen als Marke eintragen zu

lassen, wobei dieses Ansuchen zurückgewiesen wurde. Daraufhin braucht die Bekl die

noch vorhandenen Bestände an Etiketten auf und seitdem werden keine dieser Etiketten

mehr verwendet. Auch zum Zeitpunkt der Einbringung der Klage hat sie keine Produkte,

die mit diesem Zeichen versehen waren, mehr vertrieben. Seit 1976 ist das Emblem II der

Bekl in Italien als Marke registriert. Sie verwendet dieses Zeichen sowohl zur

Produktkennzeichnung, als auch als Firmenlogo in allen Ländern, in denen ihre Loden-,

Kaschmir- und Wollprodukte vertrieben werden. Die Bekl beliefert hier in erster Linie

Händler und keine Endverbraucher. Des Weiteren enthalten die ausgestellten Rechnungen

einen Hinweis darauf, dass die Lodenstoffe in Italien produziert werden.

Die Kl hat eine eV zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs Verfügung

beantragt. Die Kl argumentiert, dass die Bekl beim abgesprochenen Verkehrskreis durch

die angebrachten Etiketten den Eindruck erweckt, bei den Lodenstoffen handelt es sich um

österreichische Erzeugnisse. Da die Bekl keine Genehmigung zum Anbringen der Wappen

hat, ist die Kennzeichnung der Produkte zur Irreführung geeignet und widerspricht

überdies den gesetzlichen Verboten. Die Bekl hat die Abweisung des Sicherungsantrags

beantragt. Sie verwendet das Emblem I nicht mehr, daher mangelt es an der

Wiederholungsgefahr. Das Emblem II ist eine geschützte Marke, die sie aufgrund der

Eintragung auch verwenden darf. Die Bekl hat außerdem sowohl auf den Verpackungen

und Mustern, als auch auf ihren Rechnungen ausreichend auf die italienische Herkunft

ihrer Erzeugnisse hingewiesen. Dadurch ist auch eine allfällige Irreführungsgefahr

beseitigt. 180

Erstgericht war in der vorliegenden Rechtssache das LG Innsbruck181

, Rekursgericht war

das OLG Innsbruck182

. Das ErstG erließ eine eV, die das RekG abänderte. 183

Maßgebliche

Rechtsgrundlage für die materiell rechtliche Beurteilung war der Irreführungstatbestand

des § 2 UWG. Die Kl stützte ihr Klagebegehren auf den Unterlassungsanspruch nach § 14

UWG. 184

180

OGH 19.10.1999, 4 Ob 272/99z, 1 f. 181

LG Innsbruck 08.02.1999, 12 Cg 64/98m-15. 182

OLG Innsbruck 06.08.1999, 4 R 70/99x-21. 183

OGH 19.10.1999, 4 Ob 272/99z, 1. 184

OGH 19.10.1999, 4 Ob 272/99z, 4 f.

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52

4.1.2.2 Entscheidungsgründe des OGH

Wenn auf die Herkunft von Erzeugnissen Bezug genommen wird, kann dies auf

unterschiedliche Weise geschehen, zB durch die Verwendung von Herkunftssymbolen

verschiedenster Art, wie etwa Wappen. Der Gesamteindruck auf den Emblemen der Bekl

wird durch die Wappen österreichischer Gebietskörperschaften maßgeblich mitbestimmt.

Deshalb liegt eine mittelbare Angabe über den inländischen Ursprung der damit

gekennzeichneten Erzeugnisse vor. Daher ist die Täuschungseignung grds gegeben. Für die

Relevanz der Irreführung reicht es nach Ansicht des OGH „dabei schon aus, dass die

Bezugnahme auf die geographische Herkunft geeignet ist, einen nicht unerheblichen Teil

der umworbenen Abnehmer bei seiner Auswahlüberlegung irgendwie zu beeinflussen. Ob

die Irreführung dabei im Einzelfall tatsächlich bewirkt wird, ist unerheblich; es genügt die

bloße Gefahr einer Täuschung“185

. Außerdem spielt es im konkreten Sachverhalt keine

Rolle, ob das Emblem II in Italien als Marke eingetragen ist, weil ein nationales

Irreführungsverbot auch gegenüber in anderen Mitgliedstaaten eingetragenen Marken

wirkt.186

Es ist aber grds möglich, die Irreführungsgefahr über die Herkunft durch

entlokalisierende Zusätze zu beseitigen. Da der flüchtige Durchschnittsverbraucher solche

Zusätze aber meist leicht übersieht, ist bei der Beurteilung, ob sie eine Irreführung

ausschließen können, ein strenger Maßstab anzulegen. Dabei sind sowohl an die

Deutlichkeit, als auch an die Unübersehbarkeit solcher Zusätze strenge Anforderungen zu

stellen. 187

Der verwendete Zusatz „MADE FOR AUSTRIA“ fördert nach Ansicht des

OGH geradezu die Irreführung. Nach Auffassung des OGH ist auch die

Wiederholungsgefahr nicht beseitigt, wobei bei deren Annahme nicht zu eng vorgegangen

werden darf. Sie ist nach stRsp des OGH grds schon bei einem einmaligen

Wettbewerbsverstoß zu bejahen, weil eine Partei, die gegen das Gesetz verstößt, auch in

Zukunft dazu geneigt sein wird. 188

Der Revisionsrekurs beim OGH war daher nicht erfolgreich und der OGH kam zu

folgendem Ergebnis: Die Verwendung des Zusatzes „MADE FOR AUSTRIA“ fördert

geradezu die Gefahr einer Irreführung. Die Erzeugnisse der Bekl sind offenbar vollständig

in Italien hergestellt worden. Die Irreführung der Verbraucher wurde primär dadurch

begründet, dass die verwendeten Wappen auf die Herkunft aus Österreich schließen lassen.

185

RIS-Justiz RS0078411. 186

EuGH 26.11.1996, C-313/94 = WBl 1997, 17 = ZER 1997/211, 60 = ÖBl 1997, 205 = ÖBl 1997, 204 =

WBl 1997, 8. 187

RIS-Justiz RS0078437. 188

OGH 19.10.1999, 4 Ob 272/99z, 4 ff.

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53

Die Herkunftsangabe wurde im konkreten Sachverhalt direkt am Produkt, auf den

Einnähetiketten des Kleidungsstücks, verwendet. Dabei handelt es sich mE um eine

Geschäftspraktik iSd § 1 Abs 4 Z 2 UWG, weil sie eine Erklärung bzw Mitteilung über die

Herkunft des Produktes darstellt. Der OGH prüfte auch hier wiederum in erster Linie die

Irreführungseignung und die Verkehrsanschauung. Außerdem nimmt er auch in diesem

Sachverhalt nicht näher auf die geographische Herkunftsangabe an sich Bezug. Nach

Ansicht Zemanns stellt sich die Frage, ob angesichts der Worte „MADE FOR AUSTRIA“

nicht eher auf einen Herstellungsort im Ausland zu schließen ist und dieses Zeichen darauf

hindeutet, dass diese Produkte eben nur für den österreichische Markt bestimmt sind.189

ME ist hier der Ansicht des OGH zu folgen, weil der flüchtige Durchschnittsverbraucher in

erster Linie das Wort „Austria“ sehen wird und „Made for“ keine nähere Beachtung

schenken wird. Für die Verwendung von „Made in Austria“ ergibt sich aus dieser

Entscheidung mE wiederum nur, dass die Verwendung jedenfalls solange zulässig ist,

solange keine Irreführung verwirklicht wird. Meiner Ansicht nach lassen sich aus der

Entscheidung auch hier wiederum keine Kriterien für eine zulässige Verwendung von

„Made in Austria“ entnehmen.

4.1.3 OGH 08.04.2008, 4 Ob 42/08t (W.-Klaviere)

4.1.3.1 Sachverhalt

Die Bekl betreibt ein Familienunternehmen und vertreibt neben Fremdmarken auch

Klaviere der Eigenmarke „W.-Klaviere“. Zumindest zwei Modelle dieser Eigenmarke

wurden als Auftragsproduktion von einem chinesischen Unternehmen produziert und nicht

von der Bekl selbst. In den Garantiescheinen, die im Verkaufslokal zur Entnahme und

Einsicht auflagen, hat die Bekl diese Klaviere auch als von ihr hergestellt bezeichnet. Die

Käufer erhielten die Garantiescheine erst nach Abschluss der Kaufverträge. Auch einem

Testkäufer wurde mitgeteilt, dass es sich um eine Eigenmarke handelt, dabei wurde aber

auf den chinesischen Ursprung nicht hingewiesen.

Zur Sicherung ihres Anspruchs beantragte die Kl, der Bekl zu untersagen, „in

Werbemitteln, insb in Garantiescheinen, die Behauptung sowie sinngleiche Behauptungen

zu verbreiten, dass die von ihr unter der Bezeichnung W.-Klaviere vertriebenen Klaviere

189

Zemann, ipCompetence 2015 H 13, 10 (18).

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54

von der Beklagten selbst und in Österreich hergestellt werden, wenn nicht tatsächlich alle,

unter der Bezeichnung W.-Klaviere, vertriebenen Klaviere von ihr selbst und in Österreich

hergestellt werden“. Die Angaben in den Garantiescheinen sind irreführend, weil die

Klaviere nicht von der Bekl in Österreich, sondern in China hergestellt werden. Die Bekl

wendete dagegen ein, dass die Herstellung in China nach ihren Plänen und unter ihrer

Aufsicht erfolgt. Weder in den Garantiescheinen, noch in Werbemitteln der Bekl wird

behauptet, dass die Instrumente in Österreich hergestellt wurden. Die Kunden wurden auch

vor Abschluss des Kaufvertrages über die Kooperation mit dem chinesischen

Partnerunternehmen informiert. Außerdem ist auf den Instrumenten selbst ein Hinweis auf

die Kooperation angebracht. 190

Das Handelsgericht Wien191

war in der vorliegenden Rechtssache Erstgericht,

Rekursgericht war das OLG Wien192

. Das ErstG wies den Sicherungsantrag ab. Das RekG

bestätigte die Entscheidung des ErstG. 193

Maßgebliche Rechtsgrundlage für die materiell

rechtliche Beurteilung war der Irreführungstatbestand des § 2 UWG. Die Kl stützte ihr

Klagebegehren auf den Unterlassungsanspruch nach § 14 UWG. 194

4.1.3.2 Entscheidungsgründe des OGH

Der OGH hat entschieden, dass der Revisionsrekurs zulässig und teilweise berechtigt ist.

Der angefochtene Beschluss wird teils bestätigt und teils abgeändert. 195

Im Rahmen dieser

Entscheidung hat sich der OGH umfassend mit der Rechtslage vor und nach der UWG-

Novelle 2007 auseinandergesetzt, weil die Entscheidungsgrundlage der Vorinstanzen

§ 2 UWG vor in Kraft treten der Novelle war. 196

Nach der Rsp des OGH ist für den

konkreten Sachverhalt sowohl die alte Rechtslage als auch die neue Rechtslage

maßgebend. Im Ergebnis ist der Unterlassungsanspruch aber nur dann zu bejahen, wenn

das beanstandete Verhalten sowohl gegen die alte als auch die neue Rechtslage verstößt. 197

Eine Geschäftspraktik gilt als irreführend iSd § 2 UWG, „wenn sie unrichtige Angaben

enthält oder sonst geeignet ist, einen Marktteilnehmer in Bezug auf das Produkt über einen

190

OGH 08.04.2008, 4 Ob 42/08t, 3 ff. 191

Handelsgericht Wien 30.01.2007, 39 Cg 123/06s-5. 192

OLG Wien 30.11.2007, 1 R 120/07k-9. 193

OGH 08.04.2008, 4 Ob 42/08t, 5 f. 194

OGH 08.04.2008, 4 Ob 42/08t, 7, 16. 195

OGH 08.04.2008, 4 Ob 42/08t, 2. 196

OGH 08.04.2008, 4 Ob 42/08t, 7 f. 197

RIS-Justiz RS0106868; RIS-Justiz RS0123158.

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55

oder mehrere der in § 2 Abs 1 Z 1 bis 7 UWG genannten Punkte derart zu täuschen, dass

dieser veranlasst wird, eine geschäftliche Entscheidung zu treffen, die er andernfalls nicht

getroffen hätte“. Unter Bezugnahme auf die richtlinienkonforme Auslegung des § 2 UWG,

ergibt sich, dass auf den durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher der

angesprochenen Gruppen iSd bisherigen Rsp abzustellen ist. In Art 6 Abs 1 lit b RL-UGP

sind ua das Verfahren und der Zeitpunkt der Herstellung, sowie die geographische oder

kommerzielle Herkunft als Beispiele für wesentliche Merkmale des Produkts aufgezählt.

Im Zusammenhang mit der richtlinienkonformen Auslegung ergibt sich daraus, dass auch

unrichtige Angaben über die Herstellung zur Irreführung geeignet sind. Ein

durchschnittlich informierter und verständiger Verbraucher wird aus der Angabe der

Eigenherstellung nicht ableiten, dass die Produktion ausschließlich im Inland erfolgt ist.198

Im heutigen Wirtschaftsleben ist es durchaus üblich, dass ein Unternehmen über

Produktionsstätten im Ausland verfügt. Die Bekl hat dabei ausdrücklich behauptet,

Herstellerin der Klaviere zu sein. Diese Behauptung ist nicht damit vereinbar, dass für sie

ein anderes Unternehmen die Klaviere gefertigt hat, weil unter Herstellung idR mehr

verstanden wird als nur Planung und Kontrolle.199

Es ist ohne Bedeutung, ob alle

wesentlichen Produktionsschritte in jedem Einzelfall vorgenommen wurden. Entscheidend

ist vielmehr, dass regelmäßig Erzeugnisse hergestellt werden.200

Auch wenn der

durchschnittliche Verbraucher annimmt, dass der Hersteller einzelne Bestandteile zukauft,

wird er dennoch nicht davon ausgehen, dass der Zusammenbau der Teile, als wesentlicher

Produktionsschritt, durch ein anderes Unternehmen erfolgt. Va bei typischerweise

hochwertigen Produkten, wie im vorliegenden Fall bei Klavieren, wird der angesprochene

Verbraucherkreis die Behauptung der Eigenherstellung idR auch als Ankündigung

besonderer Qualität verstehen. Bei der Fertigung eines Klaviers liegt diese Qualität

unzweifelhaft, neben der Planung und Auswahl der Materialien, auch im Zusammenbau

der Einzelteile.

Der OGH ist der Auffassung, dass es irrelevant ist, ob auf die Kooperation mit dem

chinesischen Unternehmen hingewiesen wird, weil in den Garantiescheinen als solche

unrichtige Angaben enthalten sind. Die Behauptung der Bekl, die Klaviere selbst

hergestellt zu haben, „ist geeignet, einen durchschnittlichen Kaufinteressenten zu einer

wirtschaftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er sonst nicht getroffen hätte“. Der

198

RIS-Justiz RS0123293. 199

RIS-Justiz RS0078422 (T3). 200

RIS-Justiz RS0078422.

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56

OGH erwägt weiters, dass die Behauptung der Bekl den Eindruck besonderer Qualität

erweckt. Bei der Behauptung der Eigenherstellung hat es sich somit um eine irreführende

Angabe iSd § 2 UWG idF vor der UWG-Novelle 2007 gehandelt und sie ist auch eine

irreführende Geschäftspraktik iSd § 2 Abs 1 Z 2 UWG idgF.201

Daher ist die Bekl zur

Unterlassung dieser Behauptung verpflichtet. Hinsichtlich der von der Bekl

nachgewiesenermaßen nicht aufgestellten Behauptung einer Herstellung in Österreich,

besteht mangels Begehungsgefahr kein Unterlassungsanspruch. 202

Der OGH kam daher zu folgendem Ergebnis: Die behauptete Eigenherstellung impliziert

keine Produktion im Inland. Kern des Begriffs Herstellung ist der Zusammenbau der

Klaviere und nicht allein die Planung und Kontrolle. Im heutigen Wirtschaftsleben ist es

aber durchaus üblich, dass ein Unternehmen über Produktionsstätten im Ausland verfügt.

Die Bekl hat aber ausdrücklich behauptet, Herstellerin der Klaviere zu sein. Diese

Behauptung ist jedenfalls nicht damit vereinbar, dass die Klaviere von einem anderen

Unternehmen gefertigt wurden.

Die Klaviere wurden in den Garantiescheinen als Eigenproduktion beworben, dabei

handelt es sich mE um eine Geschäftspraktik iSd § 1 Abs 4 Z 2 UWG, weil sie eine

Erklärung über die betriebliche Herkunft des Produktes darstellt. Aus dem Sachverhalt

lässt sich mE jedoch nicht ableiten, dass die Bekl auch mit einer Produktion in Österreich

werben würde. Dies behauptet lediglich die Kl. Eine Eigenherstellung ergibt aber noch

keine Produktion in Österreich. Auf eine geographische Herkunft des Erzeugnisses wird in

der Entscheidung daher auch nicht ausführlicher eingegangen. Insofern hat diese

Entscheidung des OGH mE für die Verwendung von „Made in Austria“ keine Bedeutung.

201

RIS-Justiz RS0078422 (T4). 202

OGH 08.04.2008, 4 Ob 42/08t, 7 ff.

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57

4.1.4 Zwischenfazit zur österreichischen Judikatur

Betrachtet man insb die Entscheidung UNI-DIM-Isolierkamine, so muss nach Ansicht

Zemanns, übertragen auf die Bezeichnung „Made in Austria“, „zumindest der Großteil,

wenn nicht sogar alle jener Produktionsschritte, die für die Qualität des Erzeugnisses

maßgebend ist, in Österreich erfolgen“203

. Da dieser Beurteilung jedoch eine Entscheidung

aus dem Jahr 1978 zu Grunde liegt, sollten mE die mittlerweile wirtschaftlich immer

stärker vernetzten Arbeitsprozesse, va in Bezug auf die Arbeitsteilung, auch entsprechend

berücksichtigt und als Teil der Beurteilung herangezogen werden. Aus der

Gesamtbetrachtung der österreichischen Judikatur ergeben sich mE keine Kriterien, wann

die Verwendung von „Made in Austria“ jedenfalls zulässig wäre. Der OGH prüft grds

jeden Einzelfall gesondert anhand des Irreführungstatbestands des § 2 UWG. Er setzt sich

dabei in erster Linie näher mit der Verkehrsanschauung und der Irreführungseignung nach

§ 2 UWG auseinander. Insofern besteht eine klare Judikaturlinie nur hinsichtlich der

Anwendung des § 2 UWG. Auf die konkrete Herkunft und die Herkunftsangaben als

solches geht der OGH in keiner seiner Entscheidungen näher ein. Außerdem klassifiziert er

auch den Begriff der Herkunftsangaben nicht näher. Für die Verwendung von „Made in

Austria“ ergibt sich daraus mE nur, dass die Verwendung jedenfalls solange zulässig ist,

solange kein Verbraucher damit in die Irre geführt wird. Meiner Ansicht nach lassen sich

aus diesen Entscheidungen darüber hinaus keine Kriterien für eine zulässige Verwendung

von „Made in Austria“ ableiten. Somit ist mE auch nach Betrachtung der Judikatur des

OGH grds jeder Einzelfall gesondert einer (in erster Linie) wettbewerbsrechtlichen

Prüfung zu unterziehen.

Da sich aus der Betrachtung der österreichischen Judikatur keine Kriterien entnehmen

lassen, wann die Verwendung von „Made in Austria“ grds zulässig wäre, wird in weiterer

Folge die deutsche Judikatur zu „Made in Germany“ zur Beurteilung herangezogen.

203

Zemann, ipCompetence 2015 H 13, 10 (18).

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58

4.2 Judikatur in Deutschland

Auch in Deutschland gibt es bezüglich den Voraussetzungen, wann eine Kennzeichnung

mit „Made in Germany“ zulässig ist, keine expliziten gesetzlichen Regelungen. In

Deutschland hat sich die Judikatur aber bereits im Jahr 1973 mit dem Thema „Hergestellt

in Deutschland“ bzw „Made in Germany“ im Grundsatzurteil „Ski-Sicherheitsbindung“

beschäftigt. 204

Auch wenn es in der deutschen Judikatur (noch) keine gefestigte Rsp dazu

gibt, weil es nur vereinzelte Entscheidungen dazu gibt, beschäftigten sich die deutschen

Gerichte aller Instanzen in den letzten Jahren näher mit möglichen Kriterien für eine

korrekte Verwendung von „Made in Germany“. 205

Im Rahmen der Analyse werden zuerst

das Grundsatzurteil „Ski-Sicherheitsbindung“206

des BGH aus 1973 und eine aktuelle

Entscheidung des BGH zu „Kondome - Made in Germany“ aus dem Jahr 2014207

analysiert. In diesem Zusammenhang werden auch drei Entscheidungen deutscher OLG

kurz analysiert. In weiterer Folge liegt das Hauptaugenmerk der Analyse auf den

herkunftsbegründenden Kriterien, die in der deutschen Judikatur im Laufe der Zeit

entwickelt wurden und in der Instanzrechtsprechung oft im Rahmen der Urteilsbegründung

erwähnt werden.

4.2.1 Grundsatzurteil Ski-Sicherheitsbindung

4.2.1.1 Sachverhalt

Die Parteien produzieren Ski-Sicherheitsbindungen. Die Bekl hat dafür eine französische

Lizenz. Im Februar 1970 bewarb die Bekl ihre Bindung mit den Worten „Ess-Nevada, ein

deutsches Spitzenerzeugnis“. Die Kl erachtete diese Bewerbung als irreführend, weil die

Bekl eine, mit ausländischer Lizenz erzeugte, Ski-Sicherheitsbindung nicht als „deutsches

Erzeugnis“ bezeichnen darf und weil sie, in Anbetracht von Warentests, auch kein

Spitzenerzeugnis herstellt. Die Bekl ist hingegen der Meinung, dass ihre Ski-

204

Slopek, Schwarz, rot, bunt. Wie „deutsch“ muss ein Produkt „Made in Germany“ sein? Kriterien für die

rechtlich zulässige Werbung mit dem Qualitätsmerkmal, GRUR-Prax 2011, 291 (291). 205

Dück, Kriterien für eine geografisch korrekte Benutzung von „Made in Germany“, GRUR 2013, 576

(577). 206

BGH 23.03.1973, I ZR 33/72 (Ski-Sicherheitsbindung) = GRUR 1973, 594. 207

BGH 27.11.2014, I ZR 16/14 (Kondome - Made in Germany) = GRUR-RR 2015, 209 = GRUR-Prax

2015, 130.

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59

Sicherheitsbindungen sehr wohl zur Spitzengruppe in Deutschland zu zählen ist und beruft

sich auf durchgeführte Tests sowie Bestätigungen. 208

4.2.1.2 Entscheidungsgründe des BGH

Nach Ansicht des BGH geht der Verkehr, bei einem als deutsches Erzeugnis vertriebenen

Produkt, im Allgemeinen davon aus, „dass es bei der Herstellung eines solchen deutschen

Erzeugnisses an einer nennenswerten ausländischen Beteiligung fehlt, die Ware vielmehr

von der Konzeption bis zur technisch-fabrikatorischen Fertigstellung von Deutschen

stammt und in Deutschland gefertigt ist.“209

. Bezugnehmend darauf besteht die Frage, ob

die Verkehrserwartung auch noch dann erfüllt wird, wenn ausländische Bestandteile in

dem, als deutsches Erzeugnis beworbenen, Produkt enthalten sind. Der BGH vertritt dabei

die Ansicht, dass es davon abhängt, „ob die Eigenschaften oder Bestandteile der Ware, die

in den Augen des Publikums deren Wert ausmachen, auf einer deutschen oder einer

ausländischen Leistung beruhen“210

. Die deutsche oder ausländische Herkunft jener

Eigenschaften oder Bestandteile des Produkts muss allerdings Voraussetzung für die

Kaufüberlegungen der Interessenten sein. Aus dem Urteil lässt sich nicht ableiten, dass ein

Produkt, das den Herkunftshinweis „Made in Germany“ trägt, auch zur Gänze in

Deutschland produziert werden muss. Werden Erzeugnisse in verschiedenen

Produktionsstufen und Herstellungsorten gefertigt, ist für ihre Herkunft maßgeblich

„welche Herstellungsprozesse der Ware diejenige Eigenschaft geben, deretwegen sie im

Verkehr besonders geschätzt wird“211

. Der eigentliche Herstellungsvorgang hatte keine

Auslandsbeziehung, diese hatte nur die zugrunde liegende Konstruktionsidee. Die Angabe

„deutsches Erzeugnis“ impliziert jedoch nicht, dass die „inländische Herstellung auch auf

einer deutschen Konstruktionsidee beruhe“212

. Daher ist es für die Verwendung des

Herkunftshinweises „Made in Germany“ ausreichend, dass der zentrale

Produktionsvorgang, bei dem das Produkt nach Ansicht des Verkehrs seine wesentlichen

Bestandteile bzw Eigenschaften erhält, im Inland stattfindet. 213

208

BGH 23.03.1973 I ZR 33/72 „Ski-Sicherheitsbindung“, GRUR 1973, 594 (594). 209

GRUR 1973, 594 (595). 210

GRUR 1973, 594 (595). 211

GRUR 1973, 594 (597). 212

GRUR 1973, 594 (598). 213

Slopek, GRUR-Prax 2011, 291 (291).

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60

4.2.2 Entscheidung Kondome - Made in Germany

4.2.2.1 Sachverhalt

Die Bekl vertreibt Kondome und bezieht entsprechend vorgeformte Erzeugnisse aus

Naturkautschuklatex aus dem Ausland. Im deutschen Werk der Bekl werden die Rohlinge,

sofern sie als feuchte Kondome vertrieben werden sollen, nur noch befeuchtet und einzeln

in Siegelpackungen eingeschweißt. Die Verpackungen mit den vorgeschriebenen

Kennzeichnungen bedruckt und die einzelnen Siegelpackungen werden zusammen mit

Gebrauchsanweisungen in Faltschachteln verpackt und verschlossen. Die Bekl führt

chargenmäßige, stichprobenartige Qualitätskontrollen auf Dichtigkeit und Reißfestigkeit

nach den deutschen DIN-Vorschriften durch. Im Internet bewirbt die Bekl ihre Produkte

mit „Kondome - Made in Germany“. Nach Ansicht der Kl liegt mit dieser Angabe über

den Produktionsort eine Irreführung vor. Dagegen wendete die Bekl ein, dass ihre

Erzeugnisse erst durch die Siegelung und die Qualitätskontrolle in Deutschland als

Kondome verkehrsfähig werden. Das Landgericht hat die Bekl zur Unterlassung verurteilt.

Die dagegen gerichtete Berufung der Bekl blieb erfolglos. Auch nach Ansicht des

Berufungsgerichts ist die Angabe „Kondome - Made in Germany“ irreführend, weil sie

beim Verbraucher den unzutreffenden Eindruck erweckt, dass die Produkte in Deutschland

hergestellt worden sind. Tatsächlich finden in Deutschland aber nur noch die Verpackung

und die Qualitätskontrollen statt. 214

4.2.2.2 Entscheidungsgründe des BGH

Nach Ansicht des OGH ist den Verbrauchern das Phänomen der internationalen

Arbeitsteilung bekannt und erwartet grds nicht, dass sämtliche Produktionsprozesse in

einem Land stattfinden. Es ist ihm allerdings auch bekannt, dass industriell gefertigte

Erzeugnisse ihre Qualität und Eigenschaften idR allein oder zumindest überwiegend der

Qualität und Art ihrer Verarbeitung verdanken. Bei Industrieprodukten bezieht er Verkehr

Herkunftsangaben grds „auf denjenigen Ort der Herstellung der Ware, an dem das

Industrieerzeugnis seine für die Verkehrsvorstellung maßgebende Qualität und

charakteristischen Eigenschaften erhält“. Demzufolge müssen für die Richtigkeit der

Herkunftsangabe „Made in Germany“ diese Leistungen auch in Deutschland erbracht

werden. Diese Beurteilungsgrundsätze sind auch im Rahmen einer wettbewerbsrechtlichen

214

BGH 27.11.2014, I ZR 16/14, 2 f.

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Beurteilung maßgeblich. Deshalb kommt der BGH zu dem Ergebnis, dass die wesentlichen

Eigenschaften der Dichtigkeit und Reißfestigkeit bereits bei der Fertigung des Produkts im

Ausland entstehen und die Chargenprüfungen nur eine nachträgliche Kontrolle darstellen.

In seiner Begründung beschäftigt sich der BGH auch explizit mit dem Zollkodex der EU

und kommt zu dem Ergebnis, dass den Maßstäben des Unionszollrechts „keine

entschiedene Bedeutung für den Irreführungscharakter der Angabe „Made in Germany“

zukommen, weil dafür auf das Begriffsverständnis der angesprochenen Verkehrskreise

abzustellen ist“. Die Angabe „Made in Germany“ wird vereinzelt mit der Qualität und

Zuverlässigkeit des gekennzeichneten Produktes „als Garantie der Einhaltung deutscher

Qualitätsstandards, etwa durch die Gewährleistung von Qualitätssicherungsmechanismen

oder deutschen Produktsicherheitsvorschriften, angesehen“. Allerding hat dies nichts mehr

mit der Wendung „Made in Germany“ bzw. „Hergestellt in Deutschland“ zu tun, weil

damit idR die Herstellung selbst gemeint ist. 215

Daher wurde die Aussage „Made in

Germany“ im vorliegenden Fall als irreführend angesehen, weil aus Sicht des Verbrauchers

die wesentlichen Eigenschaften des Produktes bereits während dessen Fertigung im

Ausland entstanden sind. 216

4.2.3 Ausgewählte Entscheidungen deutscher OLG zu „Made in Germany“

4.2.3.1 OLG Stuttgart 10.11.1995, 2 U 124/95217

(Staubsauger)

4.2.3.1.1 Sachverhalt

Die Parteien vertreiben Luft- und Raumreinigungsgeräte, die als Filter Leitungswasser

verwenden. Die Kl hat eine eV erwirkt. Sie stützte sich dabei auf die Behauptung, die

Staubsauger der Bekl werden in Japan hergestellt. In der Bedienungsanleitung wurde das

Produkt mit der Angabe „Produkt der Firma P“ mit Sitz in Deutschland bezeichnet und

am Staubsauger befand sich ein Warenanhänger mit der Aufschrift „P-Germany“. Mit der

eV wurde der Bekl untersagt, ihre Staubsauger mit einem Warenanhänger mit der

Aufschrift „P-Germany“ in Verkehr zu bringen. 218

215

BGH 27.11.2014, I ZR 16/14, 6 ff. 216

Zemann, ipCompetence 2015 H 13, 10 (20). 217

OLG Stuttgart 10.11.1995, 2 U 124/95 = BeckRS 9998, 278 = LSK 1996, 130089 = NJWE-WettbR 1996,

53. 218

BeckRS 9998, 278.

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62

4.2.3.1.2 Entscheidungsgründe des OLG Stuttgart

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem OLG Stuttgart hat sich die Bekl dazu

verpflichtet, „es zu unterlassen, den Staubsauger der genannten Marke zusammen mit dem

beanstandeten Warenanhänger zu vertreiben“. Daraufhin kamen die Parteien überein, den

Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt zu erklären. Das OLG begründete seine

Entscheidung wie folgt. Wie dem Verkehr bekannt ist, stellen viele Firmen ihre industriell

gefertigten Produkte nicht selbst her, sondern lassen diese auch durch Firmen im Ausland

herstellen. Daher ist nach Ansicht des OLG die Angabe „Produkt der Firma P“ mit Sitz in

Deutschland auch dann nicht irreführend, wenn das Gerät vollständig in Japan hergestellt

werden würde. Dann müsste es aber einen Hinweis auf die Produktion in Japan geben. Im

vorliegenden Sachverhalt kann die jedoch nicht verlangt werden, weil die Herstellung nicht

vollständig in Japan erfolgt ist. Zudem ist es auch nicht üblich, dass Bestandteile eines

Industrieproduktes mit einem Hinweis über ihre Herkunft versehen werden. Die Angabe

„P-Germany“ am Warenanhänger ist grds auch nicht dazu geeignet, bei einem nicht

unerheblichen Teil der Adressaten iSv „Made in Germany“ zu wirken. Die Bezeichnung

„Germany“ hat diese Bedeutung nur dann, wenn die Bezeichnung „unmittelbar auf der

Ware oder auf ihrer Verpackung angebracht ist“. Nach Ansicht des OLG liegt es nahe, die

Angabe „P-Germany“ auf die angegebene Firmenbezeichnung „P-“ zu beziehen und nicht

auf die Ware selbst, die mit dem Anhänger versehenen ist. Eine Irreführung mit der

Angabe „Germany“ iSv „Made in Germany“ würde auch nur dann vorliegen, wenn viele

wesentliche Teile des Staubsaugers aus Japan stammen. Es ist auch allgemein bekannt,

dass Industrieprodukte wegen der internationalen Arbeitsteilung oft Teile enthalten, die aus

dem Ausland bezogen werden. Entscheidend für eine Verwendung von „Made in

Germany“ ist, ob die Konstruktion und die Endfertigung in Deutschland stattgefunden

haben. Zudem müssen „die Leistungen in Deutschland erbracht worden sein, die für jene

Eigenschaften der Ware ausschlaggebend sind, die für die Wertschätzung des Verkehrs im

Vordergrund stehen“. 219

219

BeckRS 9998, 278.

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4.2.3.2 OLG Düsseldorf 05.04.2011, I-20 U 110/10220

(Bestecke)

4.2.3.2.1 Sachverhalt

Kl war die Wettbewerbszentrale. Sie richtete ihre Klage gegen die Bewerbung eines

Bestecksets. Auf der Produktverpackung befand sich eine schwarz-rot-goldene Flagge mit

dem Hinweis „Produziert in Deutschland“. In der Packung wurde ein Produkteinleger

beigelegt mit der Überschrift: „Herzlichen Glückwunsch zum Erwerb dieses hochwertigen

Bestecks MADE IN GERMANY“. Die Gabeln, Löffel und Kaffeelöffel wurden in

Deutschland hergestellt. Die Rohmesser wurden in China mit Maschinen, die in

Deutschland hergestellt wurden, geschmiedet sowie geschliffen. In Deutschland wurden

die Messer nur noch poliert und in Verkehr gebracht. Das LG erließ eine eV, die der Bekl

untersagte, die Bestecksets mit dem Hinweis „Produziert in Deutschland“ zu

kennzeichnen. 221

4.2.3.2.2 Entscheidungsgründe des OLG Düsseldorf

Ob die Verwendung der deutschen Flagge und die zusätzliche Angabe „Produziert in

Deutschland“ irreführend ist, hängt nach § 127 dMArkenG von der Verkehrsauffassung

ab. Eine Irreführung liegt grds dann vor, wenn die Bekl bei den Bestecksets das

Herstellungsland in besonderem Maße hervorhebt, insb durch die Angabe „Produziert in

Deutschland“ oder „Made in Germany“. Dadurch wird beim Verbraucher der Eindruck

erweckt, dass sämtliche Teile des damit beworbenen Bestecksets in Deutschland

hergestellt werden. Dabei kommt es weder auf die Vorschriften des Zollkodex, noch auf

die Vorgaben der deutschen Industrie- und Handelskammer an. Für die Beurteilung der

Irreführung ist nur die Erwartung der Verbraucher maßgeblich. UU kann eine

Erwartungshaltung zwar von einer entsprechenden Praxis geprägt werden. Dies verneinte

das OLG im vorliegenden Fall jedoch, weil bei Besteck die Herkunft aus Deutschland als

maßgebliches Kaufkriterium der Verbraucher angesehen wird. Eine Werbung mit

„Produziert in Deutschland“ ist hier also nicht zulässig, weil wesentliche

Produktionsschritte im Ausland erfolgten.222

220

OLG Düsseldorf 05.04.2011, I-20 U 110/10, 4 = BeckRS 2011, 13055 = GRUR-Prax 2011, 280 = LSK

2011, 290355 = WRP 2011, 939. 221

BeckRS 2011, 13055. 222

BeckRS 2011, 13055.

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4.2.3.3 OLG Köln 13.06.2014 - I-6 U 156/13223

(Schmiedekolben)

4.2.3.3.1 Sachverhalt

Beide Parteien vertreiben Autoersatzteile. Die Kl als Händlerin im Internet. Die Bekl stellt

Schmiedekolben her. Ein Mitbewerber beider Parteien und Kunde der Bekl, Herr N, bot

über eine Auktion einen „Schmiedekolben Modell W 2,8L 2,9L, 3,0L Saugmotor“, der von

der Bekl hergestellt wurde, mit der Angabe „Hersteller: X, Made in Germany“, zum

Verkauf an. Nachdem die Kl erfahren hat, dass der angebotene Kolben in Italien

geschmiedet wird, leitete sie ein Verfahren mit folgender Begründung ein: „Der

beworbene Schmiedekolben sei in Italien geschmiedet und mithin nicht in Deutschland

hergestellt worden. Im Übrigen sei die Unterlassungserklärung, die sich auf alle Kolben

der Beklagten beziehe, zu unbestimmt. Sie, die Klägerin, wisse nicht, ob die Beklagte auch

Kolben produziere, auf die die Bezeichnung „Made in Germany“ zutreffe, sie habe sich in

ihrer Vertragsstrafe-Forderung auf den konkret beworbenen Kolben beschränkt.“ Die

Bekl verwendet ihrer Ansicht nach die Bezeichnung „Made in Germany“ zu Recht, weil

sowohl die Konstruktion, als auch die für die Qualität ausschlaggebenden Arbeiten am

Kolben in Deutschland stattfinden. Das LG hat die Klage mit der Begründung abgewiesen,

dass mit Werbung mit „Made in Germany“ für den Schmiedekolben keine Täuschung über

die geographische Herkunft vorliegt, weil „ca 90 % des Produktionsschöpfungsprozesses -

und damit mehr als für die aus Art 24 […] Zollkodex folgende Indizwirkung erforderliche

Quote - in Deutschland stattfinden“. Außerdem ist nach Ansicht des LG die Leistung

ausschlaggebend, „die für die Wertschätzung des angesprochenen Verkehrs im

Vordergrund stehe“. Im Fall des Schmiedekolbens ist für die Wertschätzung das in

Deutschland hergestellte Endprodukt maßgeblich und nicht der in Italien geschmiedete

Rohling. 224

4.2.3.3.2 Entscheidungsgründe des OLG Köln

Nach Ansicht des OLG Köln stellt die Zahlungsaufforderung an Herrn N eine unzulässige

geschäftliche Handlung iSd § 3 UWG dar. Nach Betrachtung der Rsp und Literatur ist es

für die Bezeichnung „Made in Germany“ nicht erforderlich, dass ein Erzeugnis zu 100 %

in Deutschland hergestellt wird. Es genügt im Wesentlichen, wenn der zentrale

223

OLG Köln 13.06.2014, I-6 U 156/13 = NJW-RR 2015, 361 = GRUR-RR 2015, 7.

224

OLG Köln 13.06.2014, I-6 U 156/13, Rn 4ff.

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Produktionsvorgang, bei dem das Erzeugnis die „aus Verkehrssicht wesentlichen

Bestandteile oder bestimmenden Eigenschaften erhält“, in Deutschland stattfindet oder aus

einer deutschen Leistung hervorgeht. Das OLG Köln stellt fest, dass es „zunächst auf die

Verkehrsauffassung der durch das Verkaufsangebot angesprochenen Interessenten“

ankommt. Im Fall des Schmiedekolbens sind das „vor allem Fachleute wie Kfz-Hersteller,

-Fachhändler und -Werkstätten, aber auch technisch interessierte Laien“. Nach Ansicht

des OLG Köln werden aber weder ein Fachmann, noch ein Laie, dem Schmiedevorgang im

Speziellen eine entscheidende wertbildende Eigenschaft zuschreiben, nur weil das

Erzeugnis als Schmiedekolben, anstatt als Gusskolben bezeichnet wird. Denn bei beiden

Kolbenarten sind „die Verarbeitungsschritte nach dem Schmieden bzw Gießen des Rohling

bis zum fertigen Produkt weitgehend gleich“. Zudem ist es, nach Betrachtung der Rsp und

Literatur, für die Bezeichnung „Made in Germany“ nicht erforderlich, dass ein Erzeugnis

zu 100 % in Deutschland hergestellt wird. Es genügt im Wesentlichen, wenn der zentrale

Produktionsvorgang, bei dem das Erzeugnis die „aus Verkehrssicht wesentlichen

Bestandteile oder bestimmenden Eigenschaften erhält“, in Deutschland stattfindet oder aus

einer deutschen Leistung hervorgeht. Die angesprochenen Interessenten schätzen den

Schmiedekolben hauptsächlich wegen der Eigenschaften, die auf deutschen Leistungen

beruhen. Folglich ist nach Ansicht des OLG „im konkreten Einzelfall unter

Berücksichtigung der Gesamtumstände, weder unter Heranziehung der quantitativen, noch

der qualitativen Beurteilungskriterien“ eine Irreführung feststellbar. 225

4.2.4 Kriterien für eine zulässige Verwendung von „Made in Germany“

Es gibt derzeit keine einschlägigen gesetzlichen Regelungen und keine gefestigte Rsp

dazu, unter welchen Voraussetzungen die Verwendung von „Made in Germany“ als

Angabe am Produkt oder der -verpackung und in der Werbung zulässig ist. In den letzten

Jahren beschäftigte sich die deutsche Judikatur - wie oben ersichtlich - aber zunehmend

mit möglichen herkunftsbegründenden Kriterien für geografische Herkunftsangaben und

mit der korrekten und zulässigen Verwendung von „Made in Germany“. 226

Nach der Rsp

der deutschen Gerichte werden die folgenden Kriterien als Anhaltspunkte für eine

Herkunftsbegründung betrachtet: die Verkehrsanschauung, die Herkunft von

Produktbestandteilen, die zeitliche Abfolge der Verarbeitung, die wesentlichen

225

OLG Köln 13.06.2014, I-6 U 156/13, Rn 29ff. 226

Dück, GRUR 2013, 576 (577).

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66

Verarbeitungsschritte und die Wertschöpfung. 227

Im Folgenden werden die einzelnen

Kriterien, unter Heranziehung der einschlägigen Judikatur, näher erläutert.

4.2.4.1 Die Verkehrsanschauung

Nach § 127 Abs 1 dMarkenG ist vorgesehen, dass geographische Herkunftsangaben nicht

für Produkte verwendet werden dürfe, „die nicht aus dem Ort, der Gegend, dem Gebiet

oder dem Land stammen, das durch die geographische Herkunftsangabe bezeichnet wird,

wenn bei der Benutzung solcher Namen, Angaben oder Zeichen für Waren oder

Dienstleistungen anderer Herkunft eine Gefahr der Irreführung über die geographische

Herkunft besteht“ 228

. Da darin auf die Irreführungsgefahr explizit Bezug genommen wird,

gehen die deutschen Gerichte davon aus, dass die Verkehrsauffassung bei der Beurteilung

zu berücksichtigen ist. Im Konkreten ist auf die Auffassung des durchschnittlich

informierten, verständigen und hinreichend aufmerksamen Verbrauchers des

angesprochenen Personenkreises abzustellen. 229

Bereits in der Grundsatzentscheidung Ski-

Sicherheitsbindung ist der BGH der Ansicht, dass die Qualifikation als deutsches

Erzeugnis von den Eigenschaften bzw Bestandteilen des Produktes aus einer inländischen

Leistung abhängt, „die in den Augen des Publikums deren Wert ausmachen“. Die

Auffassung des BGH, dass die Verkehrsauffassung bei der Beurteilung der zulässigen

Verwendung von „Made in Germany“ zu berücksichtigen ist, wurde auch bereits in der

Rsp entsprechend gefestigt.230

Nach Ansicht des OLG Düsseldorf kommt es in erster Linie

auf die Erwartungen der Verbraucher und nicht auf objektive Regelungen an.231

Auch das

OLG Köln stellt fest, dass es „zunächst auf die Verkehrsauffassung der durch das

Verkaufsangebot angesprochenen Interessenten“ ankommt. Im Fall des Schmiedekolbens

sind das „vor allem Fachleute wie Kfz-Hersteller, -Fachhändler und -Werkstätten, aber

auch technisch interessierte Laien“. 232

Die Verbraucher haben nach Ansicht Dücks allerdings hinsichtlich „Made in Germany“

keine konkreten Vorstellungen. Angesichts der Unmenge an verschiedenen Produkten ist

es praktisch kaum vorstellbar, dass es einen allgemeingültigen Maßstab für die

227

Dück, GRUR 2013, 576 (576 ff). 228

§ 127 Abs 1 dMarkenG. 229

Dück, GRUR 2013, 576 (577). 230

BGH 27.11.2014, I ZR 16/14; OLG Düsseldorf 05.04.2011, I-20 U 110/10; OLG Stuttgart 10.11.1995,

2 U 124/95; LG Stuttgart 27.02.2003, 35 O 170/02. 231

OLG Düsseldorf 05.04.2011, I-20 U 110/10, 4. 232

OLG Köln 13.06.2014, I-6 U 156/13, Rn 34f.

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67

Verkehrserwartung gibt. IdF kommt es grds immer zu Einzelfallentscheidungen durch die

Gerichte. Diese Einzelfallentscheidungen führen, sowohl für die Unternehmen, als auch für

die Konsumenten, zu Rechtsunsicherheit, weshalb nach Ansicht Dücks durch den

deutschen Gesetzgeber eine Zuordnung mittels objektiver Kriterien in Erwägung gezogen

werden sollte. 233

4.2.4.2 Die Herkunft von Produktbestandteilen

Keinerlei Probleme bei der Kennzeichnung mit „Made in Germany“ ergeben sich, wenn

alle Produktbestandteile aus Deutschland stammen. Außerdem sollte es jedenfalls

ausreichend sein, wenn die (technischen) Hauptbestandteile des Produktes in Deutschland

hergestellt wurden. Dementsprechend hat das OLG Stuttgart entschieden, dass „ein

industrielles Erzeugnis, auch wenn einzelne Teile oder gar Baugruppen im Ausland

zugekauft worden sind, die Bezeichnung „Made in Germany” führen darf, sofern die

Leistung, welche für die Eigenschaften der Ware nach handelsüblicher Auffassung im

Vordergrund stehen, in Deutschland erbracht worden sind“ 234

. Durch die zunehmend

komplexer werdenden technischen Produktionsschritte bedarf es weiterer

Konkretisierungen, wann es sich bei einem Produktbestandteil um eine Haupt-, Neben-

oder (gleichrangige) Teilkomponente handelt. 235

Bei unbearbeiteten Rohstoffen bzw Naturprodukten ist der Ursprungsort des Erzeugnisses

der Herkunftsort. Bei bearbeiteten Naturprodukten ist entweder der Bearbeitungsort für die

Herkunft ausschlaggebend oder es erfolgt eine Abwägung zwischen der Bedeutung des

Naturproduktes und des Bearbeitungsvorganges selbst. Bei Industrieprodukten ist auf den

Wert des industriellen Erzeugnisses abzustellen. Dieser Wert entsteht aber nicht durch den

Ursprungsort der verarbeiteten oder unbearbeiteten Rohstoffe, sondern erst durch den

Verarbeitungsprozess selbst. Daher ist bei industriellen Erzeugnissen der Herkunftsort

immer der Ort, an dem die Produkte tatsächlich hergestellt werden. Da industrielle

Produkte „Made in Germany“ nahezu immer in Deutschland produziert werden, spielt die

Herkunft der Rohstoffe keine Rolle. 236

233

Dück, GRUR 2013, 576 (577). 234

OLG Stuttgart 10.11.1995, 2 U 124/95. 235

Gündling, „Made in Germany”. Geografische Herkunftsbezeichnung zwischen Qualitätsnachweis und

Etikettenschwindel, GRUR 2007, 921 (923). 236

Dück, GRUR 2013, 576 (577 f).

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Halbfertigerzeugnisse bzw Halbfabrikate werden, anders als Rohstoffe, bereits einer

Bearbeitung im Rahmen eines industriellen Arbeitsprozesses unterzogen. Aufgrund dieser

Bearbeitung ist die Bedeutung der Verarbeitungsschritte für die Herstellung des

Endproduktes zu berücksichtigen. 237

Bei einem in Italien gepressten Kolbenrohling zB

handelt es sich nach Ansicht des OLG Köln um ein Halbfabrikat, das seine Eigenschaften

erst durch eine aufwändige Weiterverarbeitung in Deutschland erhält. Die

Weiterverarbeitung des Rohlings übersteigt auch in zeitlicher und personeller Hinsicht das

Herstellen der Rohlinge. Zudem übersteigt der Verkaufswert des Kolbens den Wert des

Rohlings - nach Feststellungen des Sachverständigen - um das 20-fache. 238

Das OLG

Düsseldorf hat in einem ebenfalls anschaulichen Beispiel dargelegt, dass der Verkehr bei

Industrieprodukten, wie hier Bestecksets, davon ausgeht, „dass die Behauptung

„Produziert in Deutschland“ voraussetzt, dass alle wesentlichen Herstellungsschritte in

Deutschland erfolgt sind“. Weiter kommt das OLG Düsseldorf zu folgendem Ergebnis:

„Würde es nur um das Design gehen, wäre der Begriff „produziert“ ebenso wie „made“

falsch. Die Messer werden aber zu einem ganz erheblichen Teil in China hergestellt. Sie

werden - auch wenn dies ein wichtiger Produktionsschritt sein mag - in Deutschland

lediglich poliert. Damit besteht hinsichtlich der Messer aufgrund der Angaben auf der

Packung und dem sie aufnehmenden Hinweis auf dem beigelegten Hinweisblatt die

Erwartung, dass jedenfalls alle wesentlichen Herstellungsschritte in Deutschland erfolgt

sind, die jedoch nicht gerechtfertigt ist, da jedenfalls grundlegende und zumindest

ebenfalls bedeutende Herstellungsschritte in China erfolgt sind“. 239

Da die

Bearbeitungsschritte von Halbfertigerzeugnissen von wesentlicher Bedeutung für das

Endprodukt sein können, ist deren Herkunft auch für die Bestimmung der Herkunft des

Endproduktes relevant. Aus dem Urteil des OLG Düsseldorf kann dies ebenfalls abgeleitet

werden, weil es auf den Begriff der Wesentlichkeit Bezug nimmt, in concreto auf

„wichtige Produktionsschritte“ und „wesentliche Herstellungsschritte“. 240

Mit seiner Entscheidung zu „Kondome - Made in Germany“ bestätigt der BGH seine

bisherige Rsp und die neuere Instanzrechtsprechung betreffend die Verkehrsanschauung

und die Herkunft von Produktbestandteilen. 241

Der BGH ist dabei folgender Ansicht: „Für

die Beurteilung, welcher Aussagegehalt einer Herkunftsangabe wie „Made in Germany“

237

Dück, GRUR 2013, 576 (578). 238

OLG Köln 13.06.2014, I-6 U 156/13, Rn 49. 239

OLG Düsseldorf 05.04.2011, I-20 U 110/10, 5. 240

Dück, GRUR 2013, 576 (578). 241

Heim, „Made in Germany“ bezieht sich nur auf Herstellungsprozess, GRUR-Prax 2015, 130.

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aus Sicht des Verkehrs zukommt, hat die Rechtsprechung Kriterien entwickelt, die auch im

Schrifttum herangezogen werden“. Das Berufungsgericht hat diese nach Ansicht des BGH

auch ausreichend berücksichtigt. Nach Ansicht des BGH „ist es für die Richtigkeit der

Angabe „Made in Germany“ notwendig, aber auch ausreichend, dass die Leistungen in

Deutschland erbracht worden sind, durch die das zu produzierende Industrieerzeugnis

seine aus Sicht des Verkehrs im Vordergrund stehenden qualitätsrelevanten Bestandteile

oder wesentlichen produktspezifischen Eigenschaften erhält“. Ausgehend von diesen

Gründen, sind die aus Sicht des Verbrauchers wesentlichen Eigenschaften, wie Dichtigkeit

und Reißfestigkeit der Kondome, bereits während der Herstellung im Ausland entstanden

und nicht erst in Deutschland. 242

4.2.4.3 Die zeitliche Abfolge der Verarbeitung

Die Verarbeitung erfolgt idR durch die aufeinanderfolgenden Schritte der Planung, des

Designs, der Fertigung von Einzelteilen und der Endmontage. Materiell ist der

Produktionsprozess maßgebend für die Herkunft eines Erzeugnisses, dh die Planung oder

Verpackung in Deutschland allein ist nicht ausreichend. 243

Bei der Planung handelt es sich um den Entwurf bzw die geistige Erschaffung und stellt

auf eine geistige Vorarbeit ab, die Basis für den Produktionsvorgang ist. Nach neuerer

Ansicht des BGH ist es ausreichend für die Kennzeichnung mit „Made in Germany“, wenn

jene Leistungen in Deutschland erfolgt sind, „die für jene Eigenschaften der Ware

ausschlaggebend sind, welche für die Wertschätzung des Verkehrs im Vordergrund stehen

bzw wenn alle wesentlichen Herstellungsschritte in Deutschland erfolgt sind“. Da in erster

Linie der Produktionsprozess herkunftsbegründend ist, welcher der Planung idR

nachgelagert ist, ist die Planung allein zur Herkunftsbegründung nicht ausreichend und

daher als Zuordnungskriterium für „Made in Germany“ grds außer Acht zu lassen.

Das Design dient dazu, den ideellen in einen materiellen Entwurf und in weiterer Folge in

eine formgebende und funktionale Gestaltgebung überzuführen. Mit der Ausführung eines

Designs geht die Planung grds in die Herstellung über. Der BGH vertritt in seinem

Grundsatzurteil Ski-Sicherheitsbindung die Ansicht, dass zu differenzieren ist, ob der

Verbraucher „auf die Konstruktion oder auf die technische Verarbeitung“ mehr Wert legt.

242

BGH 27.11.2014, I ZR 16/14, 6 ff; OLG Hamm 13.03.2014, 4 U 121/13 = PharmR 2014, 363. 243

Gündling, GRUR 2007, 921 (923).

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Nach Ansicht des OLG Düsseldorf erwartet der Konsument bei Industrieprodukten, dass

der Hinweis „Produziert in Deutschland“ auch bedeutet, dass alle wesentlichen

Produktionsschritte in Deutschland erfolgt sind. Zwar ist das Erstellen des Designs bereits

eine ausführende Tätigkeit, aber es stellt eindeutig noch keine produzierende oder

herstellende Tätigkeit dar. 244

In einer Umfrage verbinden 85% der Befragten mit „Made in Germany“, dass sowohl die

Entwicklung (Know-how oder Technologie) als auch die Herstellung eines Produktes in

Deutschland erfolgen. Wenn nach einer Reihenfolge untereinander gefragt wird, geben

jeweils 44% der Befragten der Entwicklung bzw der Produktion den Vorrang. Selbst der

BGH hat sich schon mit der Schwierigkeit der Wechselbeziehungen von Know-how und

Fertigung auseinandergesetzt. Der BGH argumentierte in seiner Begründung wie folgt:

„Dabei geht man aber im Allgemeinen mehr oder weniger bewusst auch davon aus, dass

es bei der Herstellung eines solchen deutschen Erzeugnisses an einer nennenswerten

ausländischen Beteiligung fehlt, die Ware vielmehr von der Konzeption bis zur technisch-

fabrikatorischen Fertigstellung von Deutschen stammt und in Deutschland gefertigt ist.

Wird nun ein solches Erzeugnis unter Verwendung ausländischer Lizenzen hergestellt, so

lässt sich nicht allgemein sagen, ob es von den angesprochenen Verkehrskreisen

gleichwohl als deutsches Erzeugnis in diesem Sinne angesehen wird“245

. Dabei ist ua auch

das OLG Düsseldorf der Ansicht, dass, obwohl deutsche Maschinen (also das Know-how)

verwendet werden, um Messer im Ausland herzustellen, dadurch keine deutsche Herkunft

begründet wird. Für die Herkunftskennzeichnung mit „Made in Germany“ kommt es

vielmehr auf die Produktionsleistung und das dahinterstehende Know-how an. Die

Nutzung von ausländischem Know-how schließt aber die Verwendung von „Made in

Germany“ für in Deutschland hergestellte Produkte nicht grds aus. E contrario kann aber

deutsches Know-how alleine keine deutsche Herkunft begründen. 246

Bei der Fertigung von Einzelteilen handelt es sich eindeutig um eine Art der Produktion.

Erfolgt die Fertigung ausschließlich in einem Land, ist die Herkunft unstrittig. Da es in

einer globalisierten Welt aber kaum noch Erzeugnisse gibt, die in nur einem Land

vollständig produziert werden, ist die Herkunft bei Produktbestandteilen aus bzw

Produktionsschritten in mehreren Ländern fraglich. Nach Ansicht des OLG Stuttgart darf

aber auch bei einzelnen im Ausland hergestellten Bestandteilen die Bezeichnung „Made in

244

Dück, GRUR 2013, 576 (578 f). 245

BGH 23.03.1973, I ZR 33/72, GRUR 1973, 594 (595). 246

Dück, GRUR 2013, 576 (579).

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Germany“ verwendet werden, wenn „die Leistungen in Deutschland erbracht worden sind,

die für jene Eigenschaften der Ware ausschlaggebend sind, die für die Wertschätzung des

Verkehrs im Vordergrund stehen“ 247

. Wenn wesentliche Bestandteile des Produktes aber

nicht aus Deutschland stammen, dann wurde die wertbestimmende Leistung nicht in

Deutschland erbracht. Dementsprechend hat das LG Stuttgart in der Rechtssache

Multimedia-PC entschieden, dass eine Irreführung vorliegt, weil „wesentliche Bestandteile

wie Graphikkarte, Festplatte, DVD-ROM-Laufwerk, Diskettenlaufwerk, Mainboard und

Brenner nicht in Deutschland gefertigt worden sind“ 248

. 249

Bei der Endmontage handelt es sich leidglich um einen letzten Schritt zur Fertigung des

Endproduktes, der nicht herkunftsbegründend ist. Sie ist kein eigenständiger

Produktionsschritt, weil sowohl eine neue Herstellungsstufe als auch die Wesentlichkeit

strittig sind. Nach Ansicht des LG Stuttgarts hat die Bekl durch den Begriff „Made in

Germany“ falsche Vorstellungen beim Verbraucher erweckt, weil in Deutschland lediglich

„die Konzeption des Computers, die Auswahl der Komponenten und die

Qualitätskontrolle“250

stattgefunden hat. 251

4.2.4.4 Die wesentlichen Verarbeitungsschritte

Bei der Wesentlichkeit der Verarbeitungsschritte kann einerseits darauf abgestellt werden,

dass eine rein quantitativ bezifferbare Anzahl von Verarbeitungsschritten in Deutschland

durchgeführt wird. Andererseits kann das Augenmerk auch auf die Qualität bei der

Verarbeitung gerichtet werden, sodass der Ort maßgeblich ist, an dem das Produkt seine

wesentlichen Eigenschaften erhalten hat. 252

4.2.4.4.1 Die quantitative Zuordnung

Es ergeben sich Probleme dabei, das Kriterium der wesentlichen Verarbeitung anhand

einer quantitativ bezifferten Anzahl von Produktionsschritten zu konkretisieren, wenn in

Deutschland nur unwesentliche, zahlenmäßig aber überwiegende Produktionsschritte

247

OLG Stuttgart 10.11.1995, 2 U 124/95, BeckRS 9998, 278. 248

LG Stuttgart 27.02.2003, 35 O 170/02, BeckRS 2012, 4888. 249

Dück, GRUR 2013, 576 (579). 250

LG Stuttgart 27.02.2003, 35 O 170/02, BeckRS 2012, 4888. 251

Dück, GRUR 2013, 576 (579 f). 252

Gündling, GRUR 2007, 921 (923).

Page 81: „Made in Austria“ bei Industrieprodukten: Analyse der … · 2019. 1. 21. · AZK Zollkodex der Europäischen Gemeinschaften (Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober

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vorgenommen werden. Das OLG Düsseldorf erteilte aber der ausschließlich quantitativen

Zuordnung eine Absage, mit der Begründung, dass bei einem Besteckset ein Hinweis mit

„Made in Germany“ nicht gerechtfertigt ist, wenn im Inland nur 75% (18 von 24

Besteckteilen) hergestellt werden. In der Begründung führt das OLG Düsseldorf dazu

näher aus, dass der Verbraucher unter „Made in Germany“ auch eine vollständige

Herstellung in Deutschland versteht. Daher schließt bereits die Herstellung der Messer im

Ausland eine Kennzeichnung damit aus. Eine quantitative Zuordnung kann daher nur im

Zusammenhang mit einer qualitativen Zuordnung relevant sein. 253

4.2.4.4.2 Die qualitative Zuordnung

Nach Ansicht des OLG Köln ist es für die Bezeichnung „Made in Germany“ (nach Rsp

und Literatur) nicht erforderlich, dass das Erzeugnis zu 100 % in Deutschland hergestellt

wird. Es genügt im Wesentlichen, wenn der zentrale Produktionsvorgang, bei dem das

Erzeugnis die „aus Verkehrssicht wesentlichen Bestandteile oder bestimmenden

Eigenschaften erhält“, in Deutschland stattfindet oder aus einer deutschen Leistung

hervorgeht. 254

Wie das OLG Düsseldorf entschieden hat, kann der Verbraucher bei der

herausgehobenen Angabe der Herkunft aus Deutschland erwarten, dass dies „auf alle Teile

des Bestecks und nicht nur auf den überwiegenden Teil zutrifft. Es kommt dabei noch nicht

einmal auf den Umstand an, dass die Qualitätserwartungen gerade bei Messern ansetzen

dürften, sich auf die Messer also ein ganz erheblicher, über die weiteren Besteckteile

hinausgehender, Anteil an der Qualitätserwartung bezieht“. 255

In der deutschen Literatur findet sich der Vorschlag, aus diesem Grund § 950 BGB zur

Beurteilung der qualitativen Zuordnung heranzuziehen. In § 950 BGB findet sich eine

Wertung dafür, wann auf Basis einer bestimmten Wirtschaftsleistung eine neue

eigentumsrechtliche Zuordnung vorzunehmen ist. 256

Gem § 950 Abs 1 S 1 BGB wird

durch die „Verarbeitung oder Umbildung eines oder mehrerer Stoffe eine neue bewegliche

Sache hergestellt“. Für den Eigentumsübergang ist es erforderlich, dass der Wert der

Verarbeitung oder Umbildung nicht niedriger ist, als der Wert der verarbeiteten Stoffe. Für

eine analoge Anwendung des § 950 BGB spricht, dass erstens auf die Entstehung einer

253

Dück, GRUR 2013, 576 (580). 254

OLG Köln 13.06.2014, I-6 U 156/13, Rn 32. 255

OLG Düsseldorf 05.04.2011, I-20 U 110/10, 5. 256

Gündling, GRUR 2007, 921 (923).

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neuen Sache Bezug genommen wird und zweitens das Wertverhältnis anhand der

wirtschaftlichen Betrachtung auszulegen ist. Die Entstehung einer neuen Sache erfolgt idR

dadurch, dass eine höhere Verarbeitungsstufe erreicht wird und der Ausgangsstoff

wesentlich verändert wird. Jedoch ist eine kumulative Übernahme der Maßstäbe von § 950

BGB nach Ansicht Dücks abzulehnen, weil „ungeachtet der Wertkomponente Fälle

denkbar sind, in denen ein Produkt ausweislich der Verarbeitungsprozesse seine größte

Wertschöpfung in Deutschland erfährt, der letzte, die technische Eigenart begründende

Schritt jedoch im Ausland durchgeführt wird und der Wertungsparameter der „Neuheit“

im Sinne der Zusammenfügung eines aus Verkehrssicht „neuen“ Produkts in Deutschland

negativ wäre“. 257

4.2.4.5 Der Wertschöpfungsanteil

Die Wertschöpfungszahlen stammen ursprünglich aus den Zollvorschriften der EU. Im

Rahmen einer wettbewerbsrechtlichen Beurteilung kann der Wertschöpfungsanteil nur als

Indiz dienen. Da die Auslegung der Zollvorschriften eher formell auf den letzten

wesentlichen Herstellungsschritt abstellt und die Auslegung der wettbewerbsrechtlichen

Regelungen materiell auf das Ursprungsland der Produktqualität abstellt, kommt es dabei

zu widersprüchlichen Ergebnissen. Die Wertschöpfungsquote ergibt sich aus dem

Verhältnis von dem Wert aufgrund der Montagevorgänge zu dem Ab-Werk-Preis, wobei

sich eine konkrete Berechnung der Wertgrößen im Einzelnen aus dem Zollrecht ergibt.

Die Industrie- und Handelskammern empfehlen in der Praxis, dass ein

Wertschöpfungsanteil von zumindest 45% in Deutschland erforderlich ist, um eine

Herkunftskennzeichnung mit „Made in Germany“ zu rechtfertigen. Betrachtet man den

Wertschöpfungsanteil isoliert, müsste dieser aber jedenfalls bei 50% liegen. Da die

Bewertung einzelfallbezogen und nicht schematisch zu erfolgen hat, könnte im konkreten

Einzelfall aber auch ein Wertschöpfungsanteil von unter 40% ausreichend sein. Dies ist

bspw dann der Fall, wenn andere Faktoren wie der zeitliche Abschluss der Produktion,

namensrelevante Fertigungen, Bauteile, welche für die abschließende Zweckbestimmung

entscheidend sind, oder (technische) Hauptkomponenten aus Deutschland hinzukommen.

Die genannten Größen sind aber eher als Richtwerte anzusetzen. Betrachtet man den

wirtschaftlichen Kontext, ist jedenfalls davon auszugehen, dass bei einem

257

Dück, GRUR 2013, 576 (580 f).

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Wertschöpfungsanteil von unter 40% die Herkunftskennzeichnung mit „Made in

Germany“ unzutreffend ist. 258

4.2.5 Zwischenfazit zur deutschen Judikatur

Im Rahmen der deutschen Judikatur, sowohl des BGH als auch der OLG und LG, gibt es in

den letzten Jahren eine vermehrte Auseinandersetzung mit der zulässigen Verwendung der

Angabe „Made in Germany“. Der BGH hat in der Grundsatzentscheidung

Ski-Sicherheitsbindung aus 1973 bereits einige Kriterien für die Zulässigkeit der Angabe

„deutsches Erzeugnis“ entwickelt. Dennoch ist hervorzuheben, dass es auch in

Deutschland bis dato keine gefestigte Rsp dazu gibt, wann eine Kennzeichnung mit „Made

in Germany“ jedenfalls zulässig ist. In den letzten Jahren entwickelte die deutsche

Judikatur aber vermehrt Kriterien für die korrekte und zulässige Verwendung von

geografischen Herkunftsangaben. Anders als in Österreich gibt es eine vergleichsweise

„blühende“ Instanzjudikatur zur Verwendung von „Made in Germany“, wobei die

Instanzgerichte im Wesentlichen den Ansichten und der Judikatur des BGH folgen. Auch

die deutschen Gerichte prüfen die Zulässigkeit der Verwendung von „Made in Germany“

grds nach dem Tatbestand der Irreführung. Da auf die Irreführungsgefahr in § 127 Abs 1

dMarkenG explizit Bezug genommen wird, gehen die deutschen Gerichte davon aus, dass

die Verkehrsauffassung bei der Beurteilung jedenfalls zu berücksichtigen ist. Nach der Rsp

der deutschen Gerichte werden folgende Kriterien als Anhaltspunkte für eine

Herkunftsbegründung betrachtet: die Verkehrsanschauung, die Herkunft von

Produktbestandteilen, die zeitliche Abfolge der Verarbeitung, die wesentlichen

Verarbeitungsschritte und die Wertschöpfung. Diese Ansicht wurde auch bereits in der Rsp

entsprechend gefestigt. Wesentliche Beurteilungskriterien der Gerichte für die Zulässigkeit

der Angabe „Made in Germany“ sind die Verkehrsanschauung, die Herkunft der

verwendeten Produktbestandteile und die Wesentlichkeit der Verarbeitungsschritte. Alle

anderen Kriterien werden allenfalls als zusätzliche Anhaltspunkt im Rahmen der

Beurteilung herangezogen, wobei zT auch die zollrechtlichen Vorschriften der EU als

weitere Indizien im Rahmen der Urteilsbegründung herangezogen werden.

258

Gündling, GRUR 2007, 921 (924 f).

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5 Conclusio

Im Rahmen dieser Diplomarbeit waren die folgenden drei Fragenblöcke zu klären:

Welche konkreten Rechtsgrundlagen kommen für einen Schutz geographischer

Herkunftsangaben in Betracht und wie sieht es mit deren Anwendbarkeit in Bezug

auf die Verwendung von „Made in Austria“ aus?

Was sind geographische Herkunftsangaben, wie kann mit Ihnen in die Irre geführt

werden und wie kann „Made in Austria“ dabei eingeordnet werden?

Wie beurteilt der OGH - unter Heranziehung von drei Judikaten - die Zulässigkeit

der Verwendung der geographischen Herkunft und welches Fazit ergibt sich daraus

für „Made in Austria“? Wie beurteilen - im Vergleich dazu - die deutschen Gerichte

die Zulässigkeit der Verwendung von „Made in Germany“?

Um die Frage zu klären, welche konkreten Rechtsgrundlagen für die zulässige

Verwendung von „Made in Austria“ in Betracht kommen, wurden sowohl völkerrechtlich,

europarechtliche als auch nationale Rechtsgrundlagen herangezogen. Im Folgenden

werden die möglichen Rechtsgrundlagen für einen Schutz geographischer Angaben mit

einem Fazit zu „Made in Austria“ nochmals überblicksmäßig dargestellt.

Auf völkerrechtlicher Ebene kommen die PVÜ, das MHA, das LUA und das TRIPS-

Abkommen für einen Schutz von geographischen Herkunftsangaben in Betracht. Die PVÜ

ist in Österreich aufgrund dessen Beitritts grds anwendbar. „Made in Austria“ wird als

einfache Herkunftsangabe auch vom Anwendungsbereich der PVÜ erfasst. Zudem sind

aufgrund des sehr weiten Anwendungsbereiches mE irreführende Angaben am Erzeugnis

oder dessen Verpackung und die irreführende Werbung erfasst. Jedoch ist der Rechtsschutz

sehr gering. In der österreichischen Rsp findet die PVÜ keine Beachtung. Das MHA und

das LUA sind in Österreich nicht anwendbar, weil Österreich beiden Abkommen nicht

beigetreten ist. Das TRIPS-Abkommens ist grds anwendbar, weil Österreich diesem

beigetreten ist. Es ist mE auf „Made in Austria“ aber nicht anwendbar, weil der

Zusammenhang zwischen der Qualität, den Eigenschaften und dem Ruf eines Produkts mit

dessen Herkunft fehlt.

Das Primärrecht der EU enthält keine Regelungen zu geografischen Herkunftsangaben und

auch im Sekundärrecht finden sich nur Vorschriften bezüglich Lebensmitteln und

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Agrarerzeugnissen. Die Bestimmungen des UZK sind für „Made in Austria“ mE nicht

unmittelbar einschlägig, weil ihnen in erster Linie zolltarifrechtliche Bedeutung zukommt.

Sie liefern aber mE mit dem Blick auf die letzte wesentliche und wirtschaftlich

gerechtfertigte Be- oder Verarbeitung und die Herstellung eines neuen Erzeugnisses oder

dem Erreichen einer bedeutenden Herstellungsstufe einen möglichen Lösungsansatz, wie

Kriterien für eine Herkunftsbestimmung aussehen könnten.

Bisher wurde es weder auf völkerrechtlicher Ebene, noch auf unionsrechtlicher Ebene

geschafft, den Schutz von geographischen Herkunftsangaben zufriedenstellend zu regeln.

Ein wesentlicher Grund dafür stellt die mangelnde Einigkeit der Vertrags- bzw.

Mitgliedsstaaten dar.

Auf nationaler österreichischer Ebene ist die maßgebliche Rechtsgrundlage für die

Verwendung von „Made in Austria“ § 2 UWG. ME stellt die Verwendung von „Made in

Austria“, sowohl im Rahmen der Warenmarkierung am Produkt oder dessen Verpackung,

als auch die Werbung damit, eine Geschäftspraktik iSd § 1 Abs 4 Z 2 UWG dar. Daher

sind mE beide Fälle als Geschäftspraktik auch der Irreführung nach § 2 UWG zugänglich.

Die Bestimmung des § 2 Abs 1 UWG ist für die Verwendung von „Made in Austria“ mE

aber nur dann einschlägig, wenn der Tatbestand der Irreführung erfüllt ist. Es kommt hier

also nicht auf das bloße Verwenden einer geographischen Herkunftsangabe an. Die

vorliegende Geschäftspraktik (Warenmarkierung oder Werbung) muss hingegen entweder

unwahre Angaben enthalten oder sonst zur Täuschung geeignet sein. Dabei ist die

Verkehrsanschauung ein wesentliches Beurteilungskriterium. Außerdem muss der

Verbraucher durch das Verwenden einer geographischen Herkunftsangabe zu einer

geschäftlichen Entscheidung veranlasst worden sein, die er andernfalls nicht getroffen

hätte. Diese Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Das Vorliegen der genannten

Voraussetzungen ist zudem grds in jedem Einzelfall gesondert zu prüfen.

In Deutschland hingegen ist der Schutz geografischer Herkunftsangaben primär in den §§

126 ff dMarkenG geregelt, die als wettbewerbsrechtlicher Schutz vor Irreführung

ausgestaltet sind. Daneben besteht ein subsidiärer Schutz nach § 5 Abs 1 dUWG.

Da im Rahmen der Rechtsgrundlagen vielfach der Begriff der Herkunftsangaben und

Ursprungsbezeichnung verwendet wird, war in weiterer Folge zu klären, was

geographische Herkunftsangaben sind, welche Arten es gibt und was für eine

Herkunftsangabe „Made in Austria“ ist. Zudem wurde die Frage behandelt, wie mit

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geographischen Herkunftsangaben und insb „Made in Austria“ eine Irreführung

verwirklicht werden kann. Der Terminus Herkunftsangabe wird allgemein als Oberbegriff

für verschiedene Arten von Angaben über die Herkunft verstanden. Im Rahmen der

Herkunftsangaben lassen sich folgende Arten unterscheiden: Ursprungsbezeichnungen,

einfache und qualifizierte Herkunftsangaben sowie mittelbare und unmittelbare

Herkunftsangaben. Bei „Made in Austria“ handelt es sich mE um eine einfache

Herkunftsangabe, weil zwischen der Herkunft und dem Produkt selbst grds kein

objektivierbarer Zusammenhang besteht und mit der Herkunft keine besonderen

Qualitätsvorstellungen verbunden werden. Es handelt sich bei „Made in Austria“ mE auch

um eine unmittelbare Herkunftsangabe, weil damit die Herkunft aus einem bestimmten

Land (Österreich) direkt genannt wird. „Made in Austria“ ist daher mE eine einfache und

unmittelbare Herkunftsangabe. Der Verbraucher kann gem § 2 Abs 1 Z 2 UWG mit

Angaben über wesentliche Produktmerkmale, insb mit Angaben über die geographische

Herkunft, in die Irre geführt werden. In Betracht kommt mE dabei eine Irreführung durch

die Verwendung einer geographischen Herkunftsangabe per se, weil „Made in Austria“

eindeutig auf die Herkunft aus Österreich hinweist. Eine Irreführung durch die

Verwendung von fremder Sprache kommt mE eher nicht in Betracht, weil die Verwendung

der deutschen Sprache (zB „Hergestellt in Österreich“ oder „Produziert in Österreich“)

naheliegender wäre. Eine Irreführung durch die Verwendung von Landesfarben, Flaggen

oder Wappen kann uU dann vorliegen, wenn zusätzlich zur Angabe „Made in Austria“ die

österreichischen Landesfarben rot-weiß-rot, die österreichische Flagge oder Wappen

verwendet werden.

Nach der Analyse der Rechtsgrundlagen und dem Begriff der geographischen

Herkunftsangaben stellt sich nunmehr die Frage, wie der Schutz von geographischen

Herkunftsangaben in Bezug auf die Irreführung nach § 2 UWG im Rahmen der

österreichischen Judikatur betrachtet wird. Da es keine einschlägige Judikatur zu „Made in

Austria“ gibt, wurden drei Entscheidungen mit Bezug zur Irreführung mit der

geographischen Herkunft herangezogen. Betrachtet man insb die Entscheidung UNI-DIM-

Isolierkamine, so muss nach Ansicht Zemanns, übertragen auf die Bezeichnung „Made in

Austria“, „zumindest der Großteil, wenn nicht sogar alle jener Produktionsschritte, die für

die Qualität des Erzeugnisses maßgebend ist, in Österreich erfolgen“259

. Da dieser

Beurteilung jedoch eine Entscheidung aus dem Jahr 1978 zu Grunde liegt, sollten mE die

mittlerweile wirtschaftlich immer stärker vernetzten Arbeitsprozesse, va in Bezug auf die

259

Zemann, ipCompetence 2015 H 13, 10 (18).

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Arbeitsteilung, auch entsprechend berücksichtigt und als Teil der Beurteilung

herangezogen werden. Aus der Gesamtbetrachtung der drei österreichischen Judikate

ergeben sich mE keine Kriterien, wann die Verwendung von „Made in Austria“ jedenfalls

zulässig wäre. Der OGH prüft grds jeden Einzelfall gesondert anhand des

Irreführungstatbestands des § 2 UWG. Er setzt sich dabei in erster Linie näher mit der

Verkehrsanschauung und der Irreführungseignung auseinander. Insofern besteht eine klare

Judikaturlinie nur hinsichtlich der Anwendung des § 2 UWG. Auf die konkrete Herkunft

und die Herkunftsangaben als solches geht der OGH in keiner seiner Entscheidungen näher

ein. Außerdem klassifiziert er auch den Begriff der Herkunftsangaben nicht näher. Für die

Verwendung von „Made in Austria“ ergibt sich daraus mE nur, dass die Verwendung

jedenfalls solange zulässig ist, solange kein Verbraucher damit in die Irre geführt wird.

Meiner Ansicht nach lassen sich aus diesen Entscheidungen darüber hinaus keine Kriterien

für eine zulässige Verwendung von „Made in Austria“ ableiten.

Da es in Österreich zur Verwendung von „Made in Austria“ keine einschlägige Instanz-

oder höchstgerichtliche Judikatur gibt, wurde in weiterer Folge die Judikatur der deutschen

Gerichte zu „Made in Germany“ zur Beurteilung herangezogen. Im Rahmen der deutschen

Judikatur, sowohl des BGH als auch der OLG und LG, gibt es in den letzten Jahren eine

vermehrte Auseinandersetzung mit der zulässigen Verwendung der Angabe „Made in

Germany“. Der BGH hat in der Grundsatzentscheidung Ski-Sicherheitsbindung aus 1973

bereits einige Kriterien für die Zulässigkeit der Angabe „deutsches Erzeugnis“ entwickelt.

Dennoch ist hervorzuheben, dass es auch in Deutschland bis dato keine gefestigte Rsp dazu

gibt, wann eine Kennzeichnung mit „Made in Germany“ jedenfalls zulässig ist. In den

letzten Jahren entwickelte die deutsche Judikatur aber vermehrt Kriterien für die korrekte

und zulässige Benutzung von geografischen Herkunftsangaben. Anders als in Österreich

gibt es eine vergleichsweise „blühende“ Instanzjudikatur zur Verwendung von „Made in

Germany“, wobei die Instanzgerichte im Wesentlichen den Ansichten und der Judikatur

des BGH folgen. Auch die deutschen Gerichte prüfen die Zulässigkeit der Verwendung

von „Made in Germany“ grds nach dem Tatbestand der Irreführung iSd § 5 dUWG. Da auf

die Irreführungsgefahr in § 127 Abs 1 dMarkenG explizit Bezug genommen wird, gehen

die deutschen Gerichte davon aus, dass die Verkehrsauffassung bei der Beurteilung

jedenfalls zu berücksichtigen ist. Nach der Rsp der deutschen Gerichte werden daher

folgende Kriterien als Anhaltspunkte für eine Herkunftsbegründung betrachtet: die

Verkehrsanschauung, die Herkunft von Produktbestandteilen, die zeitliche Abfolge der

Verarbeitung, die wesentlichen Verarbeitungsschritte und die Wertschöpfung. Diese

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Ansicht wurde auch bereits in der Rsp entsprechend gefestigt. Wesentliche

Beurteilungskriterien der Gerichte für die Zulässigkeit der Angabe „Made in Germany“

sind die Verkehrsanschauung, die Herkunft der verwendeten Produktbestandteile und die

Wesentlichkeit der Verarbeitungsschritte. Alle anderen Kriterien werden allenfalls als

zusätzliche Anhaltspunkt im Rahmen der Beurteilung herangezogen, wobei zT auch die

zollrechtlichen Vorschriften der EU als weitere Indizien herangezogen werden.

Zusammenfassend komme ich im Rahmen dieser Diplomarbeit daher zu folgendem

Ergebnis: „Made in Austria“ darf mE nach aktueller Rechtslage solange verwendet

werden, solange kein Verbraucher damit in die Irre geführt wird. Dabei handelt es sich

aber immer um Einzelfallentscheidungen. Maßgebliche Rechtsgrundlage für die

Beurteilung ist dementsprechend § 2 UWG. Bei „Made in Austria“ handelt es sich mE um

eine einfache und unmittelbare Herkunftsangabe. Die Herkunft ist dabei ein wesentliches

Produktmerkmal iSv § 2 Abs 1 Z 2 UWG iVm Art 6 Abs 1 lit b RL-UGP. Bis dato gibt es

jedoch noch keine Entscheidung des OGH zu „Made in Austria“. Auch in Deutschland

stellt sich die Rechtslage ähnlich dar und die deutschen Gerichte beurteilen die

Zulässigkeit der Verwendung von „Made in Germany“ ebenfalls anhand des

Irreführungstatbestands (§§ 126 ff dMarkenG, subsidiär §§3, 5 dUWG), wobei auch die

deutschen Gerichte immer einzelfallbezogen entscheiden.

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VII

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Rechtsgrundlagen und Erläuterungen

Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (in Kraft

getreten am 01.01.1995)

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 - UWG

geändert wird (UWG-Novelle 2007) BGBl I 79/2007 idgF

Delegierte Verordnung (EU) 2015/2446 der Kommission vom 28. Juli 2015 zur Ergänzung

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zuletzt geändert durch Gesetz vom 17.02.2016 (BGBl I S 233) mWv 24.02.2016 (dUWG)

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IX

Lissaboner Abkommen über den Schutz von Ursprungsbezeichnungen und ihre

internationale Registrierung vom 31.10.1958

Madrider Abkommen über die Unterdrückung falscher oder irreführender

Herkunftsangaben vom 14.04.1891

Markengesetz vom 25.10.1994 (BGBl I S 3082; 1995 I S 156; 1996 I S 682), das zuletzt

durch Artikel 4 des Gesetzes vom 04.04.2016 (BGBl I S 558) geändert worden ist - Gesetz

über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen (Markengesetz) idgF

(dMarkenG)

Markenschutzgesetz 1970, BGBl 260/1970 idgF

Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums vom 20. März

1883 (in Kraft getreten am 18.08.1973)

Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.05.2005 über

unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen

Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates,

der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des

Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des

Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) ABl L 2005/149

Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9.

Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union, ABl L 269/1

Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des

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Internetquellen

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130962

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http://www.europarl.europa.eu/news/de/news-room/20140411IPR43453/bessere-

produktsicherheit-parlament-macht-made-in-kennzeichnung-zur-pflicht

Page 92: „Made in Austria“ bei Industrieprodukten: Analyse der … · 2019. 1. 21. · AZK Zollkodex der Europäischen Gemeinschaften (Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober

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http://www.handelsblatt.com/politik/international/made-in-eu-drueckt-bei-label-pflicht-

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er=10002271

http://www.wipo.int/treaties/en/ip/madrid/summary_madrid_source.html

http://www.wipo.int/treaties/en/ActResults.jsp?act_id=9

http://www.wipo.int/treaties/en/ShowResults.jsp?treaty_id=2

http://www.wipo.int/treaties/en/ShowResults.jsp?lang=en&treaty_id=3

http://www.wipo.int/treaties/en/ShowResults.jsp?lang=en&treaty_id=10

http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/trips-abkommen.html

http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/zollkodex-zk.html

https://www.wko.at/Content.Node/service/aussenwirtschaft/fhp/Ursprung/Made_in_....htm

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XI

Judikaturverzeichnis

Europäische Judikatur

EuGH 25.04.1985, 207/83 (Kommission/ Vereinigtes Königreich)

EuGH 13.12.1989, C-26/88 (Brother International GmbH)

EuGH 26.11.1996, C-313/94 = WBl 1997, 17 = ZER 1997/211, 60 = ÖBl 1997, 205 = ÖBl

1997, 204 = WBl 1997, 8

EuGH 25.01.2007, C‑48/05, Rz 23 (Adam Opel) = MR-Int 2006, 187 = ecolex 2007/127,

268 = ÖBl-LS 2007/87, 67 = wbl 2007/73, 181 = ecolex 2007, 693 (Koppensteiner) = ZER

2007/30, 139 = ecolex 2007, 873 (Koppensteiner)

EuGH 14.06.2007, C-56/06 (Euro Tex Textilverwertung GmbH)

EuGH 11.02.2010, C-373/08 (Hoesch Metals and Alloys GmbH)

Österreichische Judikatur

OGH 14.09.1971, 4 Ob 348/71 (Ungarische Salami II) = ÖBl 1972, 12 = SZ 44/128 =

GRUR Int 1972, 336

OGH 05.12.1978, 4 Ob 402/78 (UNI-DIM-Isolierkamine) = ÖBl 1979, 126

OGH 16.06.1987, 4 Ob 347/87 (Whisky Saunders) = ÖBl 1988, 102 = MR 1988, 63 (dort

falsch mit 4 Ob 34/87 zitiert) = SZ 60/109 = wbl 1987, 304 = GRUR Int 1988, 946

OGH 19.10.1999, 4 Ob 272/99 z (Tiroler Loden) = ÖBl 2000, 168 = wbl 2000/86, 139 =

GRUR Int 2000, 1025

OGH 08.04.2008, 4Ob42/08t (W.-Klaviere) = wbl 2008,344/164 - wbl 2008/164 = ÖBl-LS

2008/109 = ÖBl-LS 2008/110 = ÖBl-LS 2008/111 = ÖBl-LS 2008/112 = MR 2008,257

(Korn) = ÖBl 2008/56 S 276 (Gamerith) - ÖBl 2008,276 (Gamerith) = ecolex 2008/314 S

838 (Tonninger) - ecolex 2008,838 (Tonninger) = HS 39.182 = HS 39.183

RIS-Justiz RS0078389

RIS-Justiz RS0078393

RIS-Justiz RS0078411

RIS-Justiz RS0078422

RIS-Justiz RS0078423

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XII

RIS-Justiz RS0078434

RIS-Justiz RS0078437

RIS-Justiz RS0078442

RIS-Justiz RS0078444

RIS-Justiz RS0078448

RIS-Justiz RS0078459

RIS-Justiz RS0078470

RIS-Justiz RS0106868

RIS-Justiz RS0123158

RIS-Justiz RS0123293

Deutsche Judikatur

BGH 12.03.1971, I ZR 115/69 (Bocksbeutelflasche) = GRUR 1971, 313 (315) = DB 1971,

1412 = MDR 1971, 559

BGH 23.03.1973, I ZR 33/72 (Ski-Sicherheitsbindung) = GRUR 1973, 594

BGH 27.11.2014, I ZR 16/14 (Kondome - Made in Germany) = GRUR-RR 2015, 209 =

GRUR-Prax 2015, 130

OLG Düsseldorf 05.04.2011, I-20 U 110/10, 4 = GRUR-Prax 2011, 280 = WRP 2011, 939

OLG Hamm 13.03.2014, 4 U 121/13 = PharmR 2014, 363

OLG Köln 13.06.2014, I-6 U 156/13 = NJW-RR 2015, 361 = GRUR-RR 2015, 7

OLG Stuttgart 10.11.1995, 2 U 124/95, BeckRS 9998, 278 = NJWE-WettbR 1996, 53

LG Stuttgart 27.02.2003, 35 O 170/02, BeckRS 2012, 4888