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Amos - Prophet Der Gerechtigkeit

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Amos gilt als Prophet der Gerechtigkeit

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Amos - Prophet der Gerechtigkeit

Amos, der älteste der Schriftpropheten, gilt als Prophet der Gerechtigkeit.Wie komme ich gerade auf ihn?Wie die meisten wissen, habe ich drei Jahre in Dortmund-Brackel am Knappschafts-krankenhaus gearbeitet. In dieser Zeit bin ich nicht nur Mitglied des BVB geworden,sondern ich bin auch auf die Kommende in Brackel aufmerksam geworden. Die Kom-mende ist das Sozialinstitut des Erzbistums Paderborn. Dieses Haus engagiert sich fürdie Kernbotschaft der Katholischen Soziallehre - für die Vision Gerechtigkeit.Das Institut gibt auch die Zeitschrift „Amosinternational“ heraus. Der Namensgeber derZeitschrift ist der alttestamentliche Prophet Amos, dessen leidenschaftliches Engage-ment für soziale Gerechtigkeit noch heute fasziniert.Seine Vision: „Das Recht ströme wie Wasser, die Gerechtigkeit wie ein nie versiegenderBach (Am 5,24)“Bevor ich auf Amos näher eingehe, möchte ich auf Reinhard Marx verweisen, dem Erz-bischof von München und Freising und ehemaligem Rektor der Kommende.Ich zitiere aus seinem Buch „Das Kapital“:„Ein gerechte Gesellschaft ist (deshalb) eine sehr komplexe Herausforderung - vorallem für diejenigen, die die Institutionen gestalten und durch Gesetze die Rahmenbe-dingungen setzen...Der Kirchenvater Augustinus hat das schon vor rund 1600 Jahrensehr schön auf den Punkt gebracht, als er schrieb: Was anderes sind also Reiche,wenn ihnen Gerechtigkeit fehlt, als große Räuberbanden? Sind doch auch Räuberban-den nichts anderes als kleine Reiche. Auch das ist eine Schar von Menschen, die unterBefehl eines Anführers steht, sich unter Verabredung zu einer Gemeinschaft zusam-menschließt und nach fester Übereinkunft die Beute teilt. Wenn dies üble Gebilde durchZuzug verkommener Menschen so ins Große wächst, dass Ortschaften besetzt, Nieder-lassungen gegründet, Städte erobert, Völker unterworfen werden, nimmt es ohne wei-teres den Namen Reich an, den ihm offenkundig nicht etwa hingeschwundene Habgier,sondern erlangte Straflosigkeit erwirbt. Treffend und wahrheitsgemäß war darum dieAntwort, die einst ein aufgegriffener Seeräuber Alexander dem Großen gab. Denn alsder König den Mann fragte, was ihm einfalle, dass er das Meer unsicher mache, erwi-derte er mit freimütigem Trotz: Und was fällt dir ein, dass du das Erdreich unsichermachst? Freilich, weil ich‘s mit einem kleinen Fahrzeug tue, heiße ich Räuber. Du tust‘smit einer großen Flotte und heißt Imperator.“Aber jetzt zu meinem eigentlichen Vortrag, den ich, um ein Verständnis für Amos zugewinnen, so gliedern möchte:

1. Eine kurze Geschichte des alten Israels 2. Was ist ein Prophet?3. Religiöse und soziale Umwälzungen im alten Israel4. Amos - Der Prophet der Gerechtigkeit.

1. Der Stämmeverband Israel hob sich von den umliegenden Völkern durch seinenexklusiven Glauben an den Gott Jahwe ab. Das hatte ua zur Folge, dass Israel keinen

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König besaß, denn zunächst galt Jahwe selbst als der König des Volkes. Das Vertrauenauf ihn zu setzen - und nicht auf einen König - galt es auch dann, wenn eine militärischeBedrohung nahte. Spontan wurden immer wieder neue Heerführer gefunden, die denStämmeverband in den Kriegen quasi stellvertretend für Jahwe führten. Ende des 11. Jhds v Chr nahmen die Angriffe der umliegenden Völker zu, besondersdie Philister bedrängten die Israeliten sehr. Erst ein Mann Namens Saul konnte dasBlatt militärisch wenden und die Philister für längere Zeit vertreiben. Er wurde daraufhinetwa um 1000 v Chr zum König gewählt. Saul konnte 20 Jahre erfolgreich regieren,danach, so sagen die biblischen Berichte, gehorchte er Gott nicht mehr, der ihn darauf-hin verwarf und ihm nichts mehr gelingen ließ. In seiner Verzweiflung brachte er sichselber um.Sein ehemaliger Waffenträger David, der sich im Streit von Saul getrennt hatte und sichals Söldner auf der Flucht vor dem König durchschlug, wurde von den Südstämmen zuseinem Nachfolger gewählt. Die Nordstämme wählten einen Sohn Sauls zum König.Dieser kam jedoch bald um und auch die Nordstämme wählten David als König. Es gabnun ein Südreich Juda und ein Nordreich Israel, die in Personalunion regiert wurden.David eroberte nun den Stadtstaat Jerusalem und machte diesen, der weder zu Judanoch zu Israel gehörte, zu seiner neuen Hauptstadt. Sein Sohn Salomo wurde sein Nachfolger. Unter ihm erlebte Israel eine wirtschaftlicheund kulturelle Blüte. Er erbaute ua den ersten Tempel in Jerusalem. Salomo vernachläs-sigte jedoch die Klärung der Thronfolge, so überwarfen sich beide Reichsteile. Es kamzur Reichsteilung von 926 v Chr. Das Nordreich Israel hatte sich entschieden, Jerobeam I (926-907 v Chr) als NachfolgerSalomos zu wählen. Das System des Wahlkönigtums führte immer wieder zu Proble-men bei der Nachfolgeregelung - so starben von neunzehn Königen des Nordreichsallein acht gewaltsam. Ein weiteres Problem - das Staatsheiligtum stand in Juda, inJerusalem. So ließ dann schon Jerobeam I die alten Heiligtümer Bet-El und Dan zuStaatsheiligtümern erklären und hier je ein goldenes Stierbild aufstellen.Nachdem es unter Jerobeam II (787-747) noch einmal zu einer wirtschaftlichen undpolitischen Blüte gekommen war, eroberten dann die Assyrer 722 v Chr Israel.Das Südreich existierte weiter als tributpflichtiger Vasallenstaat Assyriens, dessenMacht sich in der zweiten Hälfte des 7. Jhds dem Ende zu neigte. Nach einer kurzenUnabhängigkeitszeit geriet Juda unter ägyptische Herrschaft, die durch die Oberherr-schaft Babylons abgelöst wurde. Von dieser Herrschaft wollte sich der judäische KönigJojakim befreien. Babylon zog daraufhin gegen Juda und belagerte 598 v Chr Jerusa-lem. Jojachim, der seinem verstorbene Vater Jojakim auf den Thron gefolgt war, ergabsich am 16. März 597. Die Babylonier plünderten den Tempel und den Königspalast undführten den König gemeinsam mit seinen Angehörigen, Mitgliedern der Oberschicht undTeilen der Priesterschaft in die Verbannung. Der dann von Babylon eingesetzte Vasal-lenkönig Zedekia probte aber auch den Aufstand und kündigte die Vasallenzahlungenauf. Nebukadnezar beantwortete diesen Abfall durch einen erneuten Feldzug gegenJuda. Jerusalem wurde am 29. Juli 587 v Chr durch die babylonischen Truppen erobert.Etwa einen Monat später begann die Plünderung und totale Zerstörung Jerusalems. Die

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Stadt wurde dem Erdboden gleich gemacht und der Rest der Oberschicht nach Babylonins Exil geführt.

2. Im heutigen Sprachgebrauch des Alltags verstehen wir unter einem Propheten einenMenschen, der im Besitz außerordentlichen oder übernatürlichen Wissens zukünftigeEreignisse voraussagt. Die Auffassung von den Propheten als den Vorausverkündernzukünftiger Ereignisse bedarf, wenn von der Bibel die Rede ist, einer Ergänzung, denndie Propheten sind doch etwas anderes als nur bessere, etwa durch Gott berufene undbeglaubigte Wahrsager. Was die Propheten und die Prophetie eigentlich ihrem Wesennach sind, ist gar nicht so leicht in eine prägnante Definition zu fassen.Am besten zitiert man die Sprache, mit der im AT von den Propheten gesprochen wird,um annähernd zu erfassen, was gemeint ist. Ein Prophet ist zB ein „Sprecher“ Jahwes. Man spricht auch von einem „Seher“. Daswas der „Seher“ sieht, wird im AT als „Gesicht, Vision“ bezeichnet. Als „Seher“ verkün-det der Prophet einen „Seherspruch“, bei dem er selbst mit eigenen Worten beschreibtwas Gott ihn hat sehen lassen. Als „Sprecher“ oder „Rufer“ verkündet er mit der Einlei-tungsformel „So hat Jahwe gesprochen“ einen „Botenspruch“, in dem er Jahwes eigeneWorte in der Ich-Formulierung lediglich so zu wiederholen vorgibt, wie er sie „gehört“hat. Mit dem Begriff „Prophet“ verband man aber auch die Vorstellung von einem auffallen-den oder gar absonderlichen Benehmen - „verrückt sein, den Verrückten spielen“. Sonennt Kg 4, 9 einen Propheten einen „Verrückten“ (mesugga). Das auffällige Verhaltenkonnte verschiedene Grade haben, angefangen von wilder Raserei, in der sich derBetreffende die Kleider vom Leibe reißt und schließlich vor Erschöpfung in tiefeBewußtlosigkeit fällt über ausgesprochene Exstase oder mystische Verzückung.

3. Unter den Königen David (etwa 1012-973 v Chr) und Salomo (72-932 v Chr) hattesich ein tiefgreifender Wandel in den religiösen, sozialen, wirtschaftlichen und politi-schen Zuständen Israels vollzogen. So führte der Einbau des im Sinaibund nicht vor-gesehenen Königtums in die israelitische Bundesordnung zur Gefährdung der Jahwere-ligion, obwohl zunächst der König als Repräsentant Jahwes die vielen Stämme zu einer gemeinsamen politischen Kraft formen konnte. Bald zeigte sich aber, dass dieErfordernisse eines nach Großmachtgeltung strebenden Staates zu militärischen, orga-nisatorischen, wirtschaftlichen und sozialen Umwälzungen größten Ausmaßes führten,auf die das kaum vom Nomadentum zum Kleinbauerntum übergegangene Volk nichtvorbereitet war. Macht, Besitz, soziale Geltung konzentrierten sich in zu kurzer Zeit aufeine relativ kleine Oberschicht, während die breite Masse des Volkes in Rechtsunsi-cherheit und wirtschaftlicher Abhängigkeit versank. Die Bedürfnisse des Reiches erfor-derten Geld und Arbeitskraft, die durch immer höhere Steuern und Frondienste aufge-bracht werden mußten. Diese Entwicklung mußte die schärfste Reaktion der Gruppen erregen, die sich alsHüter der altisraelitischen Bundesordnung betrachteten. Dazu gehörten der alte Stammesadl, die am Beduinenideal festhaltenden Nomadenund Halbnomaden und die Jahwe treu ergebenen Propheten. Allerdings blieb die pro-

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phetische Bewegung von der allgemeinen Entwicklung nicht unberührt. Es kam zur radi-kalen Trennung zwischen solchen Propheten oder ganzen Prophetengemeinschaften,die im Dienste des Hofes standen oder mit Reichsheiligtümern verbunden waren unddenen, die sich dem Zeitgeist entschlossen entgegenstemmten.

4. Amos lebte um 750 v Chr. Er stammte aus der im Südreich Juda gelegenen OrtschaftTekoa, ca 825 m über dem Meeresspiegel , gut 15 km südlich von Jerusalem, imHochland von Juda, an der Grenze zwischen dem Kulturland und der judäischen Wüs-te. Von Beruf war Amos Hirt und Maulbeerfeigenzüchter und ein wohl eher finanziellunabhängiger Herdenbesitzer. In der bekannten Auseinandersetzung mit Amazjah, demOberpriester von Bet-El, verteidigt sich Amos gegen den Vorwurf, ein Berusprophet bzwMitglied einer Prophetengilde zu sein und betont demgegenüber seine göttliche Beru-fung. Von Gottes unwiderstehlichem Ruf getroffen (Amos vergleicht diesen Ruf mit demGebrüll eines Löwen) wurde er ins benachbarte Nordreich Israel gesandt, wo er um 760v Chr vor allem am Reichsheiligtum Bet-El und in der Hauptstadt Samaria als Prophetauftrat. Der Prophet hat es schwer, gehört zu werden, obwohl er in dramatischen Worten dasStrafgericht Gottes über Israel und die Völker ankündigt. Seine harsche Botschaftscheint nicht in seine Zeit und Umgebung zu passen. Denn das Nordreich befindet sichin einer wirtschaftlichen Blütezeit. Es kontrolliert die Handelswege zwischen Assur undÄgypten, und auf den ersten Blick scheint das ganze Land eine Phase des Auf-schwungs und des Wohlstands zu erleben. An den religiösen Heiligtümern werden auf-wendige Opfer dargebracht, sodass die Selbstzufriedenheit auch den religiösen Bereichmit einschließt. Das Ganze hat allerdings eine Kehrseite: Die Armen und Schwachen werden unter-drückt, „zermalmt“ (Am 4,1) von den Wohlhabenden - wie der Prophet sich ausdrückt -,die Herrschenden nutzen ihre Macht aus, um die Landbevölkerung durch hohe Abga-ben auszupressen, in der Verwaltung und vor Gericht herrschen Korruption, überhöhteZinsen verschärfen die Zwangslage der Bedürftigen, eine leichtlebige Oberschichtergeht sich in hemmungsloser Erwerbs- und Genusssucht. Sie alle übersehen allzugerne die Not der Armen, während sie sich - so Amos - „in Betten aus Elfenbein“ räkeln,den „Wein kübelweise“ trinken und sich „mit dem feinsten Öl“ salben (Am 6,4 ff). Er pre-digt dagegen das Strafgericht Gottes, der sich durch einen noch so aufwändigen Kultnicht besänftigen lasse, solange nicht Gerechtigkeit einkehre.Wie könnte man Menschenverachtung mehr geiseln als mit den Worten von Amos2,6-8:So hat Jahwe gesprochen:Wegen der drei Verbrechen von Israelund wegen der vier kann ich es nicht zurücknehmen:weil sie den Aufrechten um Geldes willen verkaufenund den Armen wegen eines Paares Sandalen;die da noch im Staub der Erde die Geringsten auf den Kopf tretenund den Weg der Bedürftigen beugen;ein Mann und sein Vater gehen zum gleichen Mädchen,

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um meinen heiligen Namen zu entweihen;auf gepfändeten Kleidern strecken sie sich ausneben jedem Altar,und Wein von Bußgeldern trinken sie in ihrem Gotteshaus.

Wie könnte man mehr eine planmäßige, mehrstufige Strategie enthüllen, mittels dererMenschen für Menschen zur verfügbaren Ware zur Steigerung des eigenen Reichtumswerden, als mit Am 8,4-6:Höret dies, die ihr den Armen zertretetund die Bedürftigen im Land beseitigen wollt. Ihr denkt:Wann ist der Neumond vorbei, daß wir Getreide verkaufen,wann der Sabbat, daß wir Korn feilbieten,damit wir das Epha verkleinern, den Schekel vergrößernund die trügerische Waage verbiegen,um die Geringen für Geld zu kaufenund den Armen wegen eines Paares Sandalen?

Kaum überraschend: Der Prophet ist schon bald als Störenfried gebrandmarkt, er wirdausgewiesen, abgeschoben, verbannt aus Israel. Keine 25 Jahre später haben sichseine düsteren Weissagungen erfüllt: Israels Reichtum ist zerstört, das Land von denAssyrern erobert, große Teile der Bevölkerung sind verschleppt.

Im Kern seiner Botschaft ist Amos gleichwohl kein Untergangsprophet In das Zentrumseiner Predigt stellt er mit knappen und klaren Worten eine positive Vision, die Leitideeeiner zukunftsfähigen Gesellschaft, der alles andere unterzuordnen sei: Das Rechtströme wie Wasser, die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach (Am 5,24). DasBegriffspaar Recht und Gerechtigkeit ist im AT häufiger zu finden, vor allem bei Jesajaund in den Psalmen. Es bezeichnet sowohl eine gesellschaftliche Ordnung, die niemen-den unterdrückt und auch dem Schwachen zu seinem Recht verhilft, als auch das kon-krete Tun und Lassen zugunsten der Gemeinschaft. Dazu gehört die unabhängigeAutorität, die den Unschuldigen in sein Recht setzt oder den Frieden wieder herstellt inbeschädigten Beziehungen, aber auch das solidarische Handeln füreinander oderzugunsten des Gemeinwohls.

Am Ende meines Vortrages ein Sprung in die Gegenwart. Ernst Fehr ist einer der ein-flussreichsten Wirtschaftswissenschaftler. Vor kurzem gibt er im Interview mit demZEITMagazin auf die Frage “Wann zerbricht eine Gesellschaft an ihrer Ungerechtig-keit?“ folgende Antwort:Wenn sie an ihrer eigenen Ideologie scheitert. Das Problem ist nicht die Ungleichheit ansich, sondern ob Sie diese rechtfertigen können. Bei uns wurde sie durch Leistung legi-timiert. Jahrzehntelang haben die Menschen gehört, dass belohnt wird, wer besondershart arbeitet oder besondere Fähigkeiten hat, also der Gesellschaft nützt. Nun aber

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stellt sich heraus, dass gewisse Spitzenmanager ihre riesigen Einkommen kaum wegenihrer vortrefflichen Leistung bezogen. So etwas kann das Selbstverständnis einer gan-zen Gesellschaft erschüttern. Wir stecken nicht nur in einer wirtschaftlichen, sondernviel mehr noch in einer moralischen Krise.