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Management in vernetzten Versorgungsformen Band II: „Analyse von Netzwerken im Gesundheitswesen“ Seminararbeit der Studenten des FH Technikum Kärnten, Masterstudium Gesundheitsmanagement, Jahrgang 2010, Leiter: Dr. Wolfgang Moch, Jänner 2012

Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

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Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

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Page 1: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Management in vernetzten Versorgungsformen

Band II: „Analyse von Netzwerken im Gesundheitswesen“

Seminararbeit der Studenten des FH Technikum Kärnten, Masterstudium Gesundheitsmanagement, Jahrgang 2010, Leiter: Dr. Wolfgang Moch, Jänner 2012

Page 2: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

V o r w o r t Dieses weitere vorliegende Manuskript wurde wiederum in Form eines „Scrambled

Book“ von den Studierenden des nunmehr 3. Fachsemesters des 4.

Masterstudienganges „Gesundheitsmanagement“ erstellt.

Es versteht sich als Fortsetzung der im 2. Fachsemester stattgefundenen

Veranstaltung:

„Management in vernetzten Versorgungsformen“

und in Ergänzung zu den Arbeitsblättern des Seminars:

„Analyse von Netzwerken im Gesundheitswesen“

im Modul 11 – Netzwerksysteme -sowie der weitergehend dort bearbeiteten

wissenschaftlichen Textkonvolute und den Ergebnissen aus den Gruppenarbeiten

einer netzwerkbasierten Krankenhausstrukturanalyse als Praxisfallbeispiel.

Daraus ergibt sich, dass zum Beispiel die Zitierhinweise wie gehabt unterschiedlich

sind und zwangsläufig nicht einem einheitlichen Standard entsprechen, zumal die

jeweilige Arbeit Individualität selbstverständlich durch die persönliche, eigene Sicht

der Dinge erlangt.

Die im Seminar ausgeteilten Arbeitsblätter behandeln jeweils ein Unterthema, wie:

– Theorie und Definition sozialer Netzwerke

– Soziale und familiäre Netzwerke, soziale Unterstützung

– Formelle und informelle Netzwerke

– Laiensysteme

– Rechtsgrundlagen (Reformpool)

– Vernetzung verschiedener Versorgungssektoren

– Vernetzung innerhalb von Versorgungssektoren

– Organisations- und Netzwerkanalyse

und sollen künftig für Blendidlearning-Interessierte digital abrufbar sein.

Dies gilt auch für die zusätzlich ausgeteilten, verfassten, wissenschaftlichen

Textkonvolute, die der Zusammenführung der oben beschriebenen einzelnen

Page 3: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Unterthemata sowie der gedanklichen Verknüpfung und Weiterung des

Erfahrungshorizontes für dieses Themengebiet sowie als Quellengrundlage

bei weiteren Recherchen dienen sollen.

Die genaue Beschreibung der Lehrveranstaltung kann auch unter dem Rubrum

"Aktuelle Vorlesungen" des Studienbereiches Gesundheit und Pflege eingesehen

werden.

Nach nun erfolgter redaktioneller Überarbeitung sind die Arbeiten dieses Jahrganges

als 2. Ebook zum dargestellten Seminarthema zugänglich, sowohl als Grundlage für

Recherchen, als auch als sich permanent aufbauender Wissenspool zur Bedienung

für künftige Jahrgänge.

Eine Weiterung mit internationalem Bezug findet diese Arbeit durch den Beitrag

zweier italienischer Gaststudenten in englischer Sprache.

Dr. Wolfgang Moch

Page 4: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Impressum

A n a l y s e v o n N e t z w e r k e n i m G e s u n d h e i t s w e s e n

Projektdokumentation, realisiert von Studierenden, Lehrenden und der Studiengangsleitung des Fachbereichs Gesundheit und Pflege

für den Masterstudiengang Gesundheitsmanagement der Fachhochschule Kärnten.

R e d a k t i o n, L a y o u t & G e s t a l t u n g

Nedved Daniel, BSc Seidl Sabina, BA

V . I . S . d . P . Dr. Wolfgang Moch,

Page 5: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

INHALTSVERZEICHNIS

THEORIE UND DEFINITION SOZIALER NETZWERKE (DÖRFLER KERSTIN, BA) ............................. .................................................... 8

Einleitung .....................................................................................................................8

Definition .....................................................................................................................8

Geschichte der “Sozialen Netzwerke” ....................................................................... 11

Das theoretische Konzept des sozialen Netzwerks ................................................... 13

Funktionen sozialer Netzwerke.................................................................................. 14

Abbildungsverzeichnis ............................................................................................... 16

Literaturverzeichnis ................................................................................................... 17

THEORIE UND DEFINITION SOZIALER NETZWERKE (GASSER HEIDI, MA) ................................ ....................................................... 18

Einleitung ................................................................................................................... 18

Definition von des Begriffes „Soziales Netzwerk“ ...................................................... 19

Unterscheidungen von sozialen Netzwerken ............................................................. 20

Merkmale von sozialen Netzwerken .......................................................................... 22

Funktion von sozialen Netzwerken ............................................................................ 23

Methodische Überlegungen ....................................................................................... 25

Zusammenfasssung .................................................................................................. 25

Literatur ..................................................................................................................... 26

Internetquellen ........................................................................................................... 27

THEORIE UND DEFINITION SOZIALER NETZWERKE (SEIDL SABINA, BA) ................................ ........................................................ 28

Dimensionen der Netzwerk-Gesellschaft ................................................................... 28

Interorganisations-Netzwerke .................................................................................... 28

Beziehungs-Netzwerke .............................................................................................. 29

Daten-Netzwerke ....................................................................................................... 29

Die Macht der Daten-Netze ....................................................................................... 31

Mobiles Internet ......................................................................................................... 32

Datenpreisgeben im Internet ..................................................................................... 33

Steuerung und Manipulation von Individuen .............................................................. 33

Trendprognosen ........................................................................................................ 34

Wohin geht der Trend? .............................................................................................. 34

Die Verletzlichkeit der Echtzeit-Gesellschaft - Transformation der Gesellschaft ....... 35

Wie der Computer uns verändert (hat) ...................................................................... 36

Literaturverzeichnis: .................................................................................................. 37

THEORIE UND DEFINITION SOZIALER NETZWERKE (WEGSCHEIDER MICHAELA) ............................ ............................................. 38

Netzwerke.................................................................................................................. 38

Soziale Netzwerke ..................................................................................................... 39

Netzwerkforschung .................................................................................................... 39

Soziogramm .............................................................................................................. 40

Personale Netzwerke ................................................................................................ 40

Interorganisationale Netzwerke ................................................................................. 43

Policy-Netzwerke ....................................................................................................... 45

Literaturverzeichnis ................................................................................................... 48

SOZIALE UND FAMILIÄRE NETZWERKE, SOZIALE UNTERSTÜT ZUNG (IRNBERGER BERNADETTE, BA) ........................ .......................................... 49

Page 6: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Soziale Beziehungen ................................................................................................. 49

Formale Beziehungen versus informale Beziehungen .............................................. 50

Funktionen sozialer Beziehungen .............................................................................. 51

Beschreibung sozialer Beziehungen ......................................................................... 51

Starke und schwache Beziehungen .......................................................................... 53

System Familie .......................................................................................................... 54

Struktur von Netzwerken ........................................................................................... 56

Wichtige und funktionslose Netzwerkpersonen ......................................................... 58

Familiale Unterstützung ............................................................................................. 59

Fazit ........................................................................................................................... 60

Literatur ..................................................................................................................... 60

Weiterführende Literatur ............................................................................................ 61

SOZIALE UND FAMILIÄRE NETZWERKE, SOZIALE UNTERSTÜTZ UNG (DR. KAUFMANN EVA) ................................ .................................................... 62

Starke und schwache Beziehungen: ......................................................................... 63

Funktionen und Charakteristika von sozialen Netzwerken: ....................................... 66

Praktische Anwendbarkeit: ........................................................................................ 68

Literaturverzeichnis ................................................................................................... 70

SOZIALE UND FAMILIÄRE NETZWERKE, SOZIALE UNTERSTÜTZ UNG- (NEDVED DANIEL, BSC) .............................. ................................................... 72

Einleitung ................................................................................................................... 72

Familie- Definition des Begriffs .................................................................................. 73

Die Geschichte der Familie ....................................................................................... 74

Die Familie als Basis gesellschaftlicher Systeme ...................................................... 74

Ein Netzwerk im Wandel der Zeit .............................................................................. 75

Verwandtschaft- Definition des Begriffs ..................................................................... 76

Verwandtschaft als Normensystem ........................................................................... 77

Verwandtschaft gestern ............................................................................................. 78

Definition des Freundschaftsbegriffs ......................................................................... 78

Freundschaft als soziale Unterstützung ..................................................................... 79

Literaturverzeichnis ................................................................................................... 82

FORMAL AND INFORMAL NETWORK (STEFANIA SANTANGELO, FEDERICO VELTRI) ......................................................................................... 83

Introduction ................................................................................................................ 83

Social Network ........................................................................................................... 84

Social Network Analysis ............................................................................................ 85

Formal and informal Network..................................................................................... 86

Formal Network ......................................................................................................... 87

Disadvantage of formalizing ...................................................................................... 87

Create a formal network ............................................................................................ 88

Roles of formal network ............................................................................................. 88

Challenges................................................................................................................. 88

Informal Network ....................................................................................................... 89

Roles of individual in the network .............................................................................. 90

Informal Network in formal organization .................................................................... 91

Positive and Negative implications of informal networks for managers ..................... 91

An example: The informal network in job search activity ........................................... 92

Informal Network as a conflict preventive mechanism ............................................... 94

Benefits of formal and informal Networks .................................................................. 95

Page 7: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

REFERENCES .......................................................................................................... 97

FORMELLE UND INFORMELLE NETZWERKE (MANDL ANGELIKA, BA) .. 99

Unterscheidung formelle und informelle Netzwerke .................................................. 99

Was bedeutet Kommunikation? ............................................................................... 100

Wie sieht die Kommunikation überhaupt aus? ........................................................ 100

Kommunikation in einem dynamischen Unternehmen ............................................. 101

Kommunikation und Beziehungen ........................................................................... 102

Kommunikationswege in Netzwerken ...................................................................... 103

Strukturen der Netzwerke ........................................................................................ 104

Literaturverzeichnis ................................................................................................. 107

FORMELLE UND INFORMELLE NETZWERKE (SANTER SARAH, B A).... 108

Formelle Beziehungen ............................................................................................. 109

Informelle Beziehungen ........................................................................................... 110

Netzwerke................................................................................................................ 111

Gemeinschaftsportale .............................................................................................. 112

Literaturverzeichnis ................................................................................................. 118

LAIENSYSTEME (SLAPNIK BETTINA, MA) ................ ................................. 120

Einleitung ................................................................................................................. 120

Die traditionelle Patientenrolle ................................................................................. 120

Der Patient als Koproduzent von Gesundheit .......................................................... 120

Formeller und Informeller Bereich ........................................................................... 121

Die wachsende Bedeutung des Laiensystem .......................................................... 123

Gesundheit und Laiensystem .................................................................................. 123

Laienkonzepte von Gesundheit ............................................................................... 125

Informelle Gesundheitssysteme .............................................................................. 125

Fazit ......................................................................................................................... 127

Literaturverzeichnis: ................................................................................................ 127

Internet: ................................................................................................................... 128

RECHTSGRUNDLAGEN – REFORMPOOL (MARTINZ HANNES, BA) ...... 129

Einleitung ................................................................................................................. 129

Gesundheitsreform 2005 ......................................................................................... 130

Der Reformpool ....................................................................................................... 133

Stand der Reformpoolprojekte ................................................................................. 136

Fazit ......................................................................................................................... 137

Literaturverzeichnis ................................................................................................. 138

REFORMPOOL- BRÜCKE ZWISCHEN INTRA- UND EXTRAMURALEN BEREICH ODER NEUE KOSTENSTELLE IM GESUNDHEITSWESEN? (HINTEREGGER STEFAN, BA) .......................... ........................................... 140

Einleitung ................................................................................................................. 140

Das österreichische Gesundheitssystem ................................................................. 141

Reformpool .............................................................................................................. 142

Bereitschaft für Reformpool-Projekte ....................................................................... 145

Vergleich mit Deutschland ....................................................................................... 146

Resümee ................................................................................................................. 147

Literaturverzeichnis ................................................................................................. 148

VERNETZUNG VERSCHIEDENER VERSORGUNGSFORMEN (LICHTENBERGER DORIS, BSC) ........................ ......................................... 149

Hintergrund zur Thematik ........................................................................................ 149

Page 8: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Warum Vernetzungen sinnvoll sind ... ..................................................................... 151

Vernetzung verschiedener Versorgungsformen ...................................................... 151

Integrierte Versorgung ............................................................................................. 152

Zusammenfassung .................................................................................................. 158

Literaturverzeichnis ................................................................................................. 159

VERNETZUNG INNERHALB VON VERSORGUNGSSTRUKTUREN (PICHLER CHRISTINA, BA) ........................... ................................................ 160

Einleitung ................................................................................................................. 160

Ziel und Aufbau der Arbeit ....................................................................................... 160

Intraorganisationale Vernetzung .............................................................................. 160

Klinische Pfade als Form der intraorganisationalen Vernetzung ............................. 162

Der Nutzen von klinischen Pfaden ........................................................................... 163

Entwicklung und Implementierung von klinischen Pfaden – Erfolgskriterien, Barrieren und Mängel .............................................................................................................. 166

Zusammenfassung .................................................................................................. 169

Literatur: .................................................................................................................. 170

VERNETZUNG INNERHALB VON VERSORGUNGSSEKTOREN IN ÖSTERREICH (RADITSCHNIG SIGRID, BA) ............... ................................. 172

Einleitung ................................................................................................................. 172

Integrierter Versorgung ............................................................................................ 173

Herausforderungen an die Gesundheitssysteme..................................................... 173

Ziele einer integrierten Versorgung ......................................................................... 174

Grad der Umsetzung der integrierten Versorgung in Österreich ............................ 175

Schlussfolgerung ..................................................................................................... 176

Literaturverzeichnis ................................................................................................. 177

ORGANISATIONS- UND NETZWERKANALYSE (HOCKE VICTORIA, BSC)179

Definition: Netzwerk ................................................................................................. 179

Netzwerkanalyse ..................................................................................................... 180

Bedeutung ............................................................................................................... 180

Netzwerkanalyse in der Anwendung ....................................................................... 182

Praxisbeispiele ........................................................................................................ 185

Fazit ......................................................................................................................... 187

Literaturverzeichnis ................................................................................................. 188

Page 9: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Theorie und Definition sozialer Netzwerke (Dörfler Kerstin, BA)

Einleitung

Durch die Modernisierung und unsere funktional differenzierte Gesellschaft, ist es vor

allem durch Massenmedien erst möglich, den Kontakt zur Umwelt in vielen Bereichen

erst herzustellen. Vor allem aber politische Informationen werden durch

Massenkommunikation erst in die Öffentlichkeit gebracht. Die Massenmedien teilen

uns so zusagen mit, was im Moment wichtig ist und worüber es sich lohnt

nachzudenken. Nach Schätzungen erreichen über 75 Prozent der Massenmedien

nicht das Publikum, dabei spricht man von einer einheitlichen und überschaubaren

„Tagesordnung der öffentlichen Kommunikation“. Die Inhalte, die die Massenmedien

nach außen transportieren, werden sehr häufig zum Inhalt der interpersonalen

Kommunikation. Bei den interpersonalen Kommunikationsprozessen wird dabei auf

„kleine Öffentlichkeiten“ verwiesen, bei denen Menschen heterogener Herkunft eher

zufällig miteinander in Kommunikation treten. Das sind zum Beispiel Gespräche im

Bus oder im Zug, am Arbeitsplatz, in Gastronomiebetrieben usw. Häufig sind es

einfach Unbekannte, die miteinander zu bestimmten Themen kommunizieren. Diese

Eingrenzung interpersonaler Kommunikation nimmt den Anschein, den Kern dabei

nicht zu treffen, da diese Kommunikation auch mit Familienmitgliedern, Freunden,

Bekannten und Verwandten ausgeübt wird. Es wird also vielfach in Frage gestellt, ob

die sozialen Gruppen und Netzwerke die ihnen zugeschriebenen Funktionen im

Kommunikationsprozess noch erfüllen. Demnach sei die interpersonale

Kommunikation in ihrer Bedeutung überschätzt worden. (vgl. Schenk, 1995)

Definition

Den Begriff „soziales Netzwerk“ wurde von Barnes in den 50er Jahren geprägt und

fand Anklang im Bereich der Unterstützungsforschung. Vorher galt der Begriff eher

als eine Metapher, bevor er als Instrument für den Aufbau sozialer Gefüge diente.

Das soziale Netzwerk wird ab diesem Zeitpunkt zum Beispiel auch im Kontext von

Organisationen verwendet. (vgl. Röhrle, 1994)

Es entstand die erste Grobdefinition des sozialen Netzwerkes, die da lautet:

Page 10: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

„Soziale Netzwerke sind das Gesamt an sozialen Beziehungen zwischen einer

definierten Menge von Personen, Rollen oder Organisationen“ (Röhrle, 1994)

Umfassender wurden soziale Netzwerke von Mitchell (1996 zit. Nach Jannsen, 2003,

S. 43) definiert:

„A social network is a specific set of linkages among a defined set of persons, with

the additional property that the characteristics of these linkages as a whole may be

used to interpret the social behaviour of the persons involved.“

Virtuelle soziale Netzwerke warden von Boyd und Ellison (2007) wie folgt definiert:

„We define social network sites as web-based services that allow individuals to (1)

construct a public or semi-public profile within a bounded system, (2) articulate a list

of other users with whom they share a connection, and (3) view and traverse their list

of connections and those made by others within the system. The nature and

nomenclature of these connections may vary from site to site.“

Generell kann man sagen, dass soziale Netzwerke durch die Abwesenheit

klarer Grenzen gekennzeichnet sind. Der Ablauf ist eher zufällig und fließend

und nicht geplant oder steuerbar bzw. kontrollierbar. Anstatt eines

Steuerungszentrums entwickeln sie eine Vielzahl von Knoten, die in großer

Autonomie die wechselseitigen Verknüpfungen nutzen. Es ist schwierig, ihnen

einen klassischen Begriff zuzuordnen und dennoch sind sie nicht völlig

beliebig und unfassbar. (vgl. Boos, Exner & Heitger, 1992)

„Nicht alles, was irgendwie zusammenhängt, ist glei ch ein Netzwerk.“

(Boos, Exner & Heitger, 1992)

Merkmale, die soziale Netzwerke charakterisieren, sind:

• die Orientierung an einem Thema durch gemeinsame Intention

• die Person wird als Ganzes mit einbezogen und es besteht keine Möglichkeit

der Delegation an andere wie z.B. Stellvertreter (Personenorientierung); die

Netzwerke orientieren sich nicht an Rollen oder Funktionen;

• da es bei Netzwerken keine Rechte oder Pflichten gibt, besteht eine

Freiwilligkeit der Teilnahme;

Page 11: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

bei aktuellen Anlässen können Tauschmöglichkeiten realisiert werden, da

soziale Netzwerke auch durch eine auf dem Tauschprinzip beruhende

Beziehung charakterisiert sind; (vgl. Boos, Exner & Heitger, 1992)

In gewisser Weise können soziale Netzwerke mit einem Markt ohne örtliche

Gebundenheit verglichen werden, auf denen Personen, die ähnliche

Basisinteressen haben, kommunizieren können, ohne überhaupt voneinander

wissen zu müssen. Soziale Netzwerke können spontan aktiviert werden und

auch ebenso schnell wieder aufgelöst werden. (vgl. Boos, Exner & Heitger,

1992)

Um ein Netzwerk aber überhaupt aktivieren zu können, bedarf es einigen

Voraussetzungen: (siehe Abbildung 1)

Abbildung 1: Merkmale sozialer Netzwerke (modifizie rt nach Boos, Exner & Heitger, 1992)

Basisintentionen werden als gemeinsame Interessen von Personen definiert.

Beispiele dafür sind das Aufziehen von Kindern, die Verhinderung von

Atomkraftwerden oder die Weiterentwicklung eines neuen Theorieansatzes.

Beziehungspotenial Aktueller Anlass

Basisintention /erwartbarer reziproker Tausch

Beziehungspotenial

Page 12: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Damit ein soziales Netzwerk aber erst sichtbar werden kann, bedarf es einer

gemeinsamen Basisintention oder zumindest eines wahrscheinlich erscheinenden

reziproken Tausch (zumindest in der Zukunft), sowie den aktuellen Anlass.

Durch den aktuellen Anlass wird dann das verfügbare Beziehungspotential

aktiviert (z.B. die Beschaffung von Babysittern). Nur wenn dieser Anlass

ausreichend Reiz für andere bietet, wird das Netzwerk aufflackern. Entweder

erlischt das Netzwerk danach gleich wieder, oder es kommt in einen Potential-

oder Organisationszustand in z.B. eine Gruppe, ein Projekt oder Institution.

(vgl. Boos, Exner & Heitger, 1992)

Kurz zusammengefasst lässt sich sagen:

„Ein Netzwerk ist ein personenbezogenes Beziehungsg eflecht, welches auf

einem gemeinsamen Basisinteresse beruht und durch a ktuelle Anlässe

aktiviert und sichtbar wird.“

(vgl. Boos, Exner & Heitger, 1992)

Geschichte der “Sozialen Netzwerke”

In Zeiten des wirtschaftlichen Wandels ist es sehr schwierig geworden, flexible und

anpassungsfähige Organisationsformen in vielen Bereichen zu finden. Es wird

vermutet, dass genau diese Merkmale – flexibel und anpassungsfähig – Netzwerke

charakterisieren. Der Begriff der „Sozialen Netzwerke“ hat in der Begriffswelt eine

sehr hohe Verbreitung eingenommen, die ansonsten nicht allzu häufig zu

beobachten ist. Unsere Gesellschaft neigt immer mehr zur Individualisierung und

somit versuchen Netzwerke so genannte Auffangnetze zu schaffen, um

gesellschaftliche Informationen verbreiten zu können. Eigentlich war es ein

technischer Zusammenhang, aus dem sich der Begriff „soziales

Netzwerk“ entwickelte (lokale Radiostationen haben sich in den Nachkriegs-USA zu

Netzwerken zusammengeschlossen) und etablierte sich in vielen Bereichen als

Metapher (Computernetzwerke, Engineeringnetzwerke, Selbsthilfe-Netzwerke in und

gegen hierarchische Organisationen, usw.). Vor allem für die späte

Page 13: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Informationsgesellschaft schienen soziale Netzwerke gerade zu erschaffen (siehe

Abbildung 2): (vgl. Boos, Exner & Heitger, 1992)

Gesellschaftliche

Entwicklungsphasen

Späte

Industrie-

gesellschaft

Frühe Informations-

gesellschaft

Späte

Informations-

gesellschaft

Jeweils neu hinzu

kommender

relevanter

Organisationstypus

Hierarchie

Mehrdimensionale

Organisationsformen

(Matrix,

Projektmanagement..)

Netzwerke

Jeweils neu

hinzukommende

Kapitaformen

Ökonomisches

Kapital

Wissenskapital

Beziehungskapital

Abbildung 2: Die Gesellschaft als harmonisches Ganz es (modifiziert nach Boos, Exner &

Heitger, 1992)

Die spätere Informationsgesellschaft präferiert dann schnelle, gelungene und

qualitätsvolle Kommunikation. Wie organisiert der Einzelne sein Leben. Natürlich

stellt dies auch eine Frage für Organisationen dar. Es besteht stetiges Wachstum für

Orientierungs- und Integrationsbedarf. Die Entwicklungs- bzw. Lebenschancen sind

von Optionen, Wahlmöglichkeiten und von Verankerungen und sicheren Bezügen

abhängig. Somit können soziale Netzwerke Optionen öffnen und Verankerungen

ermöglichen. Im Grunde besteht ein Klärungsbedarf der Netzwerkmetapher im

Zusammenhang mit sozialen Systemen wie Familen, Unternehmen oder

Organisationen. (vgl. Boos, Exner & Heitger, 1992)

Page 14: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Das theoretische Konzept des sozialen Netzwerks

Die Funktionen des sozialen Netzwerks beinhalten sowohl kulturelle, als auch

strukturelle und funktionale Aspekte. Während die kulturellen Aspekte durch das

Zugehörigkeitsgefühl zur sozialen Identität des Individuums beitragen, bieten die

strukturellen und funktionellen Aspekte Hilfe und Unterstützung bei der

Bedürfnisbefriedigung von physischen, symbolischen und materiellen Dingen. Diese

Aspekte wurden in der zeitgenössischen Soziologie in zwei unterschiedliche

Bereiche unterteilt, welche die unterschiedlichen Traditionen in der Soziologie wieder

spiegeln. Dabei wird der Netz-Zusammenhang in intersubjektive, psycho-kulturelle

und strukturelle Aspekte und parallel dazu in formelle und informelle Funktionen

getrennt. Es besteht bei solchen Trennungen jedoch die Gefahr, dass die Einheit

eines sozialen Phänomens aus den Augen verloren wird und dadurch künstliche

Gegensätze geschaffen werden. (vgl. Hennig, 2006)

Soziale Netzwerke können danach unterschieden werden, ob diese primär der

sozialen Unterstützung und der Freundschaft dienen, oder ob es sich um

instrumentelle Beziehungen handelt, welche vor allem innerhalb von Organisationen

oder bzw. im beruflichen Kontext auftreten. Natürlich ist es aber auch möglich, dass

Beziehungen beide Aspekte beinhalten. Es spiegeln sich unterschiedliche Formen

sozialer Netzwerke wieder. So lassen sich – unter anderem – soziale Netzwerke in

ihrer Ausprägung auf den Dimensionen informell-formell, sowie privat-beruflich

unterscheiden (siehe Abbildung 3). Ein formell angesiedeltes Netzwerk wäre

beispielsweise eine Selbsthilfegruppe, da soziale Kontakte in einem formellen

Rahmen aufgebaut werden. Ein informelles soziales Netzwerk wären dann im

Gegenzug dazu die Kollegen, mit denen man in der Organisation interagiert, was

dem beruflichen Kontext zuzuordnen wäre. (vgl. Denison, 2006)

Page 15: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Abbildung 3: Darstellung möglicher sozialer Netzwer ke auf den Dimensionen formell-informell

und privat-beruflich (modifiziert nach Denison, 200 6)

Somit beziehen sich soziale Netzwerke – welche als wesentlicher Teil unseres

gesellschaftlichen Daseins gelten – auf Interaktionen mit sowohl funktionalem

Austausch, als auch mit emotionalen Bindungen. Diese Interaktionen sind alle

Situationen, in denen sich Menschen miteinander verbunden fühlen. Also ist die

Gesellschaft ein äußerst komplexes und vielschichtiges System von miteinander

verbundenen Handlungsräumen. (vgl. Hennig, 2006)

Funktionen sozialer Netzwerke

Netzwerke übernehmen in multikulturellen, zersplitterten Gesellschaften vielfältige

Funktionen ein. Sie bieten dem Einzelnen Orientierung und sichern

Einflussmöglichkeiten gerade dort, wo Organisationen und Institutionen an ihre

Grenzen stoßen. Gerade deswegen sind Netzwerke so aktuell. Netzwerke sind in

gewisser Weise die evolutionäre „Weiterentwicklung der Gruppe, da sie das Face-to-

Organisationsgrad

Bereich beruflich

informell

formell

privat

Unterstütz- ungsnetz-

werke (z.B. Familie)

Freundschafts-Netzwerke

berufliche Kontakte

außerhalb der Organisation (Networking)

informelle Netzwerke in Unter-nehmen

old boys networks

Lern- netz-werke

net-working

clubs

berufliche Vereinigungen

Selbsthilfe-gruppen

Page 16: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

face-Prinzip der Gruppe überwinden und die Möglichkeit eines „Weltdorfs“ entstehen

lassen.“ Netzwerke sind vor alle dort interessant, wo Menschen Lebensbrüche haben

(z.B. Studienbeginn, Jobwechsel, Scheidung, usw.)

Somit lassen sich Funktionen sozialer Netzwerke auf folgenden Ebenen beschreiben:

� gesellschaftliche Ebene:

Auf dieser Ebene dienen Netzwerke auf der einen Seite der sozialen Kontrolle

(Gleichgewichtigkeit der Austauschprozesse) und auf der anderen Seite der

Herausformung und Weiterentwicklung kollektiver Identitäten. Netzwerke

laufen über gesellschaftliche Funktionssysteme wie z.B. Recht, Wirtschaft,

Wissenschaft, Politik usw., in denen hohe Integrationspotentiale für z.B.

Netzwerke der Friedens-, Frauen-, und Umweltbewegung usw. liegen.

� organisatorische Ebene:

Die Netzwerke wirken grenzüberschreitend und kompensieren dadurch den

Nachteil einer strikten Grenzziehung zwischen Innen und Außen, indem Sie

unterschiedliche Organisationen wie z.B. Händlernetzwerke oder Netzwerke

alternativer Betriebe miteinander verknüpft. Grenzen in den Organisationen,

die durch Hierarchie geschaffen wurden, werden durch das Aufgreifen

organisatorisch (noch nicht) relevanter Themen überwunden. Außerdem

wirken diese Netzwerke entlastend für eventuell bestehende funktionale

Differenzierungen (Bürokratien).

� individuelle Ebene:

Hier übernehmen Netzwerke vielfältige Funktionen (z.B. emotionale

Unterstützung, Hilfe zur Leidverarbeitung, Vermittlung sozialer Kontakte,

Schaffung von Alternativen, Prüfung neuer Ideen, Vermittlung von praktischen

Hilfen, Orientierung oder Weiterentwicklungschancen). Sie gelten als

Kompromiss. Auf der einen Seite zwischen Zugehörigkeits- und

Einflussbedürfnissen –„Heimat“- und auf der anderen Seite die Autonomie.

Mann kann sagen, man kauft sich nicht nur Waren, sondern auch Optionen.

(vgl. Boos, Exner & Heitger, 1992)

Page 17: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Merkmale sozialer Netzwerke (modifiziert nach Boos, Exner & Heitger, 1992) Abbildung 2: Die Gesellschaft als harmonisches Ganzes (modifiziert nach Boos, Exner & Heitger, 1992) Abbildung 3 : Darstellung möglicher sozialer Netzwerke auf den Dimensionen formell-informell und privat-beruflich (modifiziert nach Denison, 2006)

Page 18: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Literaturverzeichnis

Boos, F., Exner, A. & Heitger, B. (1992). Soziale Netzwerke sind anders. aus:

Organisationsentwicklung, 1992, Nr. 1.

Boyd, Danah, Ellison, Nicole (2007), Social Network Sites: Definition, History, and

Scholarship. In: Journal of Computer-Mediated Communication, 13(1), Artikel 11.

http://jcmc.indiana.edu/vol13/issue1/boyd.ellison.html

Denison, K. (2006). Netzwerke als Form der Weiterbildung: Erfolgsfaktoren für den

individuellen Nutzen. Kassel: Unidruckerei der Universität Kassel.

Hennig, M. (2006). Individuen und ihre sozialen Beziehungen. Wiesbaden: VS Verlag

für Sozialwissenschaften.

Röhrle, B. (1994). Soziale Netzwerke und soziale Unterstützung. Weinheim:

Psychologie Verlags Union.

Schenk, M. (1995). Soziale Netzwerke und Massenmedien: Untersuchungen zum

Einfluß der persönlichen Kommunikation. Tübingen: Gulde Druck.

Page 19: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Theorie und Definition sozialer Netzwerke (Gasser Heidi, MA)

Einleitung

Der Mensch lebt nicht allein. Er ist kein Einzelgänger sondern braucht zum Leben

Beziehungen zu anderen Menschen um überleben zu können. Für jeden

Einzelnen von uns stellt sich die Frage, wie er oder sie sein Leben organisiert, d.h.

wie geht man mit sich selbst und anderen um. Ganz natürlich bilden sich dabei

soziale Netzwerke, die uns Menschen Halt und Sicherheit geben. Soziale

Netzwerke sind die Voraussetzung für ein erfolgreiches wirtschaftliches und

persönliches Leben. In den letzten Jahren und Jahrzehnten hat dieser Begriff

zunehmend an Bedeutung gewonnen. Aus einem ursprünglich technischen

Zusammenhang heraus hat sich dieser Begriff als leicht fassbare Metapher in

vielen Bereichen unseres Lebens etabliert (Computernetzwerke,

Engineeringnetzwerke, Selbsthilfenetzwerke, Gesundheitsförderungsnetzwerke,

Forschungsnetzwerke, Städtenetzwerke). In einer Gesellschaft, die immer mehr

zur Individualisierung neigt, scheinen diese Verbindungen Auffangnetze zu

schaffen, ohne die Voraussetzung einer allzu engen oder allzu verbindlichen

Bindung aneinander. Der Autonomiebedarf der Einzelnen und das

Anknüpfungsbedürfnis an andere geraten in eine zeitgemäße Balance (Lenz &

Nestmann, 2009). Die Breite und Multidisziplinarität des Begriffes bewirkt, dass

kaum eine Einigkeit darüber herrscht, was wirklich genau unter Netzwerken zu

verstehen ist und daher gibt es eine Vielzahl an Definitionen für den Begriff. Diese

Arbeit soll zeigen, dass es durch verschiedene Sichtweisen auch unzählige

Definitionen gibt. Bei näherer Betrachtung der Theorien hinter den Definitionen soll

ein umfassendes Bild des Begriffes „soziales Netzwerk“ gegeben werden.

Page 20: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Definition von des Begriffes „Soziales Netzwer k“

Der Netzwerkbegriff weist unterschiedliche historische Wurzeln auf. Zu nennen

sind hier insbesondere die Soziologie mit Georg Simmel, Leopold von Wiese,

Theodore Caplow und Paul F. Lazarsfeld sowie weitere Personen aus den

Bereichen der Sozialpsychologie und Sozialanthropologie. Von ihnen stammt

auch der Begriff „soziales Netzwerk“, sowie die erste Definition: „… a specific set

of linkages among a defined set of persons“ (Lenz & Nestmann, 2009, S. 76).

Wie in der Einleitung schon erwähnt, gibt es eine beträchtliche Menge an

Definitionen für den Begriff der sozialen Netzwerke. Im Folgenden werden nun

einige davon genannt:

Harro Kähler (1975) definiert den Netzwerkbegriff wie folgt: „Der Begriff des

sozialen Netzwerkes bezieht sich auf das Geflecht der sozialen Beziehungen, die

zwischen einer definierten Menge von einzelnen Einheiten, in der Regel

Individuen beobachtet werden können.“ Der Begriff soziales Netzwerk hat eine

weite Verbreitung in der Sozialen Arbeit gefunden, was durch seine vielseitige

Anwendbarkeit begründet ist. Er eignet sich für die theoretische Analyse, kann

aber auch zu diagnostischen Zwecken (Diagnose) oder zur Darstellung von

Unterstützungsstrukturen eingesetzt werden (Universität Hamburg, o.J.). Als

soziale Netzwerke bezeichnen Endruweit & Trommsdorff (1989) soziale

Beziehungen bzw. Beziehungsgeflechte von einer Menge sozialer Einheiten.

Soziale Einheiten wiederum sind einzelne Personen bzw. Individuen, Gruppen,

Organisationen oder auch Gesellschaften. Auch der betriebswirtschaftliche

Netzwerkbegriff geht auf die Soziologie zurück, wo der Begriff in den 30er Jahre

aufgetaucht ist und in Mode kam (Kröll, 2003). „Formal wird ein Netzwerk

definiert als ein Graph aus einer endlichen Menge Knoten und den Kanten

zwischen ihnen. Ein soziales Netzwerk ist dann ein Netzwerk, dessen Knoten

soziale Akteure (Personen, Gruppen) sind und dessen Kanten die Verhältnisse

der Akteure zueinander abbilden“ (Kecskes & Wolf, 1996, S. 34). Eine andere,

psychologisch geprägte Sichtweise, drückt Keul (1993) in einer anderen

Definition aus, wonach soziale Netzwerke als Systeme interpersonaler

Beziehungen zu sehen sind und es einen Zusammenhang zwischen sozialer

Page 21: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Unterstützung und sozialen Netzwerken gibt. Man kann also sagen, dass ein

soziales Netzwerk ein Beziehungsgeflecht bezeichnet. Gemeint ist damit, dass

sich Menschen mit anderen Menschen und Institutionen sowie Institutionen mit

anderen Institutionen verbinden. Menschen sind untereinander zum Beispiel

durch Beziehungen in der Familie und Verwandtschaft, aber auch mit der

Nachbarschaft und in der Arbeitswelt vernetzt (Universität Hamburg, o.J.). In

diesem Zusammenhang haben sich weitere Begriffe wie zum Beispiel

Netzwerkansatz, Netzwerkarbeit, Netzwerkförderung oder Netzwerkanalyse

entwickelt. Sozialarbeiter und Sozialpädagogen werden auch als Netzwerker

bezeichnet, wenn sie soziale Netze fördern und stützen. Eine letzte Definition

des Soziologen Ziegler (1984) beschreibt den Ablauf in Netzwerken wie folgt: „…

System von Transaktionen(…), in dem Ressourcen getauscht, Informationen

übertragen, Einfluss von Autorität ausgeübt, Unterstützung mobilisiert, (…),

Vertrauen aufgebaut oder durch Gemeinsamkeit Sentiments gestiftet

werden.“ (Ziegler, 1984, S. 435 zit. nach Kardoff, 1989, S. 35). Bei dieser Fülle

an Darlegungen kann frei nach Kappelhoff zusammenfassend gesagt werden,

dass das soziale Netzwerk ein nicht wegzudenkendes Element im sozialen

Zusammenleben darstellt. Auf der Grundlage von Beziehungen jeglicher Art und

Weise herrscht ein „Tauschsystem“, indem sich jeder bei Bedarf bedienen kann

um so einer Steuerungsproblematik entgegen zu wirken (Kappelhoff, 1999). Ein

Netzwerk ist also ein personenbezogenes Beziehungsgeflecht, welches auf

einem gemeinsamen Basisinteresse beruht und durch aktuelle Anlässe aktiviert

und sichtbar wird (Boos et al., 1992).

Unterscheidungen von sozialen Netzwerken

Wie in der Einleitung beschrieben gelten soziale Netzwerke als Systeme, die

Unterstützung in Situationen bieten, in denen man Hilfe braucht, bspw. in

Krisensituationen. Manchmal herrscht jedoch gar keine sichtbare Krise vor, es

bedarf lediglich eines Zuhörers oder eines Wortes der Motivation. Diese

praktische, emotionale und kognitive Unterstützung ist in verschiedenen

Bereichen verfügbar, jedoch lassen sich Netzwerke in drei Gruppen einteilen:

Page 22: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

• Primäre oder persönliche Netzwerke auf der Mikroebene: Familie

und Verwandtschaft, nachbarschaftliche Netzwerke und

freundschaftliche, das heißt selbst gewählte Netzwerke. Aber auch

altersspezifische, frauenspezifische oder arbeitsplatzspezifische

Netzwerke fallen darunter

• Sekundäre oder gesellschaftliche Netzwerke auf der Makroebene:

Zum Beispiel Handwerksbetriebe, Versicherungsunternehmen,

Kaufhäuser, Industriebetriebe und öffentliche Einrichtungen der

Infrastruktur wie zum Beispiel Kindergarten, Schule, Hochschule,

Soziale Dienste, Verkehrssysteme (Boos et al., 1992)

• Tertiäre Netzwerke auf der Mesoebene: Sie sind zwischen den

primären und sekundären Netzwerken angesiedelt und haben eine

vermittelnde Funktion. Selbsthilfegruppen, Bürgerinitiativen und

professionelle Dienstleistungen wie Krankenpflegedienste,

Gesundheitsberatung oder Einrichtungen der Sozialen Arbeit

(Galuske, 2002).

Im sekundären und tertiären Bereich ist die Arbeit der Sozialarbeiter und

Sozialpädagogen angesiedelt. Sie bemühen sich um Einfluss auf Netzwerke, um

sie für Menschen zugänglich zu machen, die dies aus eigener Kraft nicht oder

noch nicht schaffen. Durch Vernetzung der Sozialen Dienste mit

Selbsthilfegruppen, Verbänden und unterschiedlichen Fachleuten auf regionaler

und überregionaler Ebene kann das Dienstleistungsangebot insgesamt erhöht

und effektiver zugänglich gemacht werden

(Uni Hamburg, o.J.). Soziale Netzwerke haben lt. Boos et al. (1992) keine klaren

Grenzen untereinander. Diese verlaufen eher zufällig und fließend, sie sind nicht

geplant oder steuerbar. Soziale Netzwerke sind unabhängig von

Beeinflussungsformen und haben statt eines Steuerungszentrums eine Vielzahl

von Knoten, die in großer Selbstständigkeit die wechselseitigen Verknüpfungen

nutzen. Netzwerke sind nicht mit den klassischen Begriffen der

Organisationstheorie (z.B. Strukturen, Kompetenzen, Macht, Kontrollspannen,

Mitgliedschaft) zu erfassen, dennoch verfügen sie über eine eigene Autonomie,

d.h. nicht alles, was irgendwie zusammenhängt, ist gleich ein Netzwerk (Boos et

al., 1992).

Page 23: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Merkmale von sozialen Netzwerken

Merkmale die Netzwerke charakterisieren sind:

• die Intention oder Homogenität (gemeinsames Thema) (Barth, 1998)

• die Freiwilligkeit und die Reziprozität der Teilnahme (keine Rechte oder

Pflichten) (Röhrle, 1994)

• die Personenorientierung (eine bestimmte Person ist miteinbezogen;

Delegation ist nicht möglich) und

• das Tauschprinzip (erwartete Möglichkeit eines Tausches, die bei Bedarf

in Anspruch genommen wird) (Boos et al., 1992).

Man kann Netzwerke mit einem Markt ohne örtliche Gebundenheit vergleichen,

auf dem Personen mit ähnlichem Basisinteresse, die nicht alle voneinander

wissen, fallweise miteinander kooperieren. Netzwerke haben nicht nur keine

Grenzen, sie entziehen sich auch der Regelmäßigkeit (z.B. „Markttage“). Sie

können plötzlich aktiviert werden. Das vorhandene Beziehungspotential der

Netzwerkpartner und deren Vorstellung über ein gemeinsames Thema sind der

Grund dafür, dass Netzwerke entstehen können. Um aus dem Ruhezustand, in

dem Netzwerke sich vorwiegend befinden, aufzuwachen, bedarf es eines

aktuellen Anlasses, zu dem das Beziehungskapital dann aktiviert wird. Ein

Netzwerk entsteht dann, wenn folgende Voraussetzungen gegeben sind:

Basisintentionen sind gemeinsame Interessen, wie beispielsweise das Aufziehen

von Kleinkindern, die Weiterentwicklung eines neuen Theorieansatzes oder

Umweltschutz. Jeder Netzwerkpartner/In bringt nun etwas in die Beziehung ein,

z.B. Macht, Geld, Information, Emotion und wird so zum "Unternehmer seines

Beziehungskapitals". Das Paradoxe an Netzwerken ist, dass entferntere

Relationen im Netzwerk mehr Optionen, Informationen oder Chancen bringen als

Nahbeziehungen. Für das Sichtbarwerden eines Netzwerks ist allerdings die

gemeinsame Basisintention oder der wahrscheinlich erscheinende reziproke

Tausch (zumindest in der Zukunft) ein ebenso wichtiger Bestandteil wie der

aktuelle Anlass (Boos et al., 1992).

Page 24: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Funktion von sozialen Netzwerken

In Zeiten der Globalisierung und einer multikulturellen und gleichzeitig

individuellen Gesellschaft haben Netzwerke viele Funktionen. Einerseits geben

sie Orientierung da wo sie gebraucht wird, andererseits bieten Netzwerke auch

Einflussmöglichkeiten. Sie bieten Information, Tausch und Transfer von

Ressourcen und geben Hilfe, Orientierung und Unterstützung auf materieller,

kognitiver und emotionaler Basis (Nollert, 2006).

Netzwerke entwickeln ganz eigenständig eine Vielfalt an Gedanken und Ideen,

wenn Hierarchien den Anspruch geltend machen, die einzige Wahrheit zu sein.

Lt. Boos et al. (1992) sind Netzwerke die evolutionäre Weiterentwicklung der

Gruppe, da sie das Face- to- face-Prinzip der Gruppe überwinden und die

Möglichkeit eines "Weltdorfs" entstehen lassen. Netzwerke sind dann besonders

funktional, wenn turbulente und/ oder chaotische Zustände herrschen. In den

Netzwerken kann Neues leichter getestet werden, weil nichts den Charakter des

Dauerhaften hat. Deswegen sind Netzwerke auf der Ebene von Individuen dort

besonders interessant, wo es Lebensbrüche gibt (Studienbeginn, Jobwechsel,

Scheidung, Pension etc.).

Auf der Ebene von Organisationen sagen Boos et al. (1992) weiter, dass neue

Theorien, Produkte, revolutionäre Entwicklungen in der Regel außerhalb dieser

Organisationen entstanden sind und erst in erprobtem Zustand von diesen

aufgegriffen wurden. Selbst in den Fällen, wo Neues innerhalb einer

Organisation entstanden ist, ist fraglich, ob es nicht in einem Netzwerk, das quer

zur Organisation liegt, entwickelt wurde, welches sich später der

Organisationsöffentlichkeit bediente.

"Netze im hier beschriebenen Sinn erscheinen als etwas relativ

integrationistisches, relativ harmonisches, operieren nicht im Sinn von

Elimination von Fremdem und Widersprechendem, sondern im Sinn von

Einverleibung, Umfassung, Mitnehmen, Dulden von allem. Strukturen und

Konturen bilden fällt Netzwerken schwer. Wenn also die pyramidalen Strukturen

(Hierarchie etc.) überdeterminiert sind, sehr vieles verunmöglichen, so neigen

Netzwerke dazu, wenig Strukturen zu bilden und alles zu ermöglichen. Dazu

Page 25: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

erzeugen sie aber sehr hohe Eigenkomplexität in den Punkten - das ist, wenn

man so will, ihr Funktionsproblem" (Fischer- Kowalski, 1991, S. 178).

In Bezug auf die Unterscheidungen von Netzwerken lassen sich folgende

Funktionen sozialer Netzwerke herausarbeiten:

• Auf individueller Ebene (primäre Netzwerke) übernehmen Netzwerke vielfältige

Funktionen, wie z.B. emotionale Unterstützung, Hilfe zur Leidverarbeitung,

Vermittlung sozialer Kontakte, Schaffung von Alternativen, Prüfung neuer Ideen,

Vermittlung von praktischen Hilfen, Orientierung oder Weiterentwicklungs-

chancen. In gewisser Weise sind sie ein Kompromiss zwischen Zugehörigkeits-

und Einflussbedürfnissen ("Heimat") einerseits und Autonomie (sich für

Zukünftiges offen halten) andererseits.

• Auf gesellschaftlicher Ebene (Sekundäre Netzwerke) dienen Netzwerke

einerseits der sozialen Kontrolle (Gleichgewichtigkeit der Austauschprozesse),

andererseits der Herausformung und Weiterentwicklung kollektiver Identitäten.

Vor allem laufen Netzwerke quer über Funktionssysteme der Gesellschaft

(Recht, Wirtschaft, Wissenschaft, Politik etc.) und haben damit vor allem dort

Integrationspotentiale, wo die Eigenlogik auf der ganzen Linie nicht mehr

funktioniert (z.B. Netzwerke der Friedens-, Frauen-, Umweltbewegung).

• Auf organisatorischer Ebene (sekundäre und tertiäre Netzwerke) wirken sie

grenzüberschreitend und kompensieren so das Handicap einer klaren

Grenzziehung zwischen Innen und Außen durch die Verknüpfung verschiedener

Organisationen (z.B. Händlernetzwerk, Netzwerk alternativer Betriebe). Innerhalb

der Organisationen werden die durch die Hierarchie gesetzten Grenzen

überwunden, indem organisatorisch (noch nicht) relevante Themen aufgegriffen

werden. Darüber hinaus wirken Netzwerke entlastend für die bestehende

funktionale Differenzierung (Netzwerke in Bürokratien) (Boos et al., 1992).

Page 26: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Methodische Überlegungen

Wichtig für das Verständnis für die Methodik von sozialen Netzwerken ist eine

weitere Unterscheidung von Netzwerken: z.B. das informelle und formelle

Netzwerk (Ibarra, 1993). Ein formelles Netzwerk ist ein Netzwerk, das

„organisiert“ ist, d.h. ein Beziehungsgeflecht z.B. in einer Selbsthilfegruppe. Es

gibt einen Initiator/In und Mitglieder/Innen. Ein informelles Netzwerk ist aber

meist umfassender bei einer weniger starken Strukturierung, sowie einem stärker

sozialen Zweck dienlich (Ibarra, 1993). In der Folge ergeben sich partielle oder

totale Netzwerke, wobei aus praktischen Gründen wohl der Aufbau eines

partiellen Netzwerkes favorisiert wird. Bei partiellen Netzwerken ist die

Beziehung auf einen bestimmten Typus gerichtet, z.B. auf Freundschaften.

Totale Netzwerke hingegen umfassen Strukturen zwischen sozialen Einheiten

(Schenk, 1983).

Zusammenfasssung

Soziale Netzwerke und soziales Kapital haben einen großen Einfluss auf

unterschiedliche Aspekte des Lebens. Die Beobachtung, dass der

Netzwerkbegriff einerseits in den letzten Jahren innerhalb wie außerhalb der

Wissenschaften eine beispiellose Erfolgskarriere durchlaufen hat, er aber

andererseits gerade dadurch an begrifflicher Schärfe zu verlieren droht, liegt auf

der Hand. Blendet man die wissenschaftliche Sicht aus, so kann man sagen,

dass soziale Netzwerke aus dem gesellschaftlichen Leben nicht wegzudenken

sind. Was wären wir ohne Zuspruch von unseren engsten Familienmitgliedern

oder der besten Freundin? Was würden wir ohne die Nachbarin tun, die ab und

zu unseren Postkasten leert und die Blumen gießt, wenn wir in Urlaub sind?

Könnten wir uns ein Leben ohne den netten Kollegen vorstellen, der sich für ein

rauchfreies Büro beim Chef einsetzt? Oft denken Menschen zu abstrakt, wenn es

um solche für uns schon fast selbstverständlichen Dinge des Lebens geht. Das

in Kontakt treten mit unseren Mitmenschen bekommt eine neue Qualität auf der

Mikro-, Makro- und Mesoebene. Dabei ist es nicht wichtig, welche Methode

angewandt wird, sondern in wie weit wir uns mit unseren Netzwerken wohl fühlen.

Weiters ist es wichtig, viele Kontakte zu haben und auf die Qualität er Kontakte

Page 27: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

zu achten. Da wir Menschen jedoch praktisch sind, hegen wir eher Beziehungen

zu Menschen, die ähnliche Themen und Interessen haben und auch auf

informeller Ebene mit uns harmonieren. Dabei sind formelle Kontakte genauso

wichtig, wenn es um Fragen z.B. in der Arbeitswelt geht. Nach dem Motto: Man

muss die richtigen Leute kennen! Nur wenn ausreichende und viele

unterschiedliche Kontakte vorhanden sind, ist ein Netzwerk als stabil zu

bezeichnen. Man kann ja nie wissen, in welche Lage man einmal kommt und wer

einem dann helfen könnte?! Abschließend liegt mir noch am Herzen: Ein gutes

soziales Netzwerk kann niemals durch ein virtuelles Netzwerk ersetzt werden.

Die Qualität der Kontakte und das Face- to- face Prinzip ist die Voraussetzung

für persönlichen und wirtschaftlichen Erfolg.

Literatur

Boos, F., Exner, A., Heitger, B. (1992): Soziale Netzwerke sind anders. In: Organisationsentwicklung, Jahrgang 11, Nr.1, S. 54- 61. Fischer-Kowalski, M. (1991): Das pyramidale und das unbegrenzte Netz. In: Pellert, A. (Hrsg): Vernetzung und Widerspruch. Zur Neuorganisation von Wissenschaft. München, Profil, S. 165 – 194. Endruweit, G., Trommsdorff, G. (1989): Wörterbuch der Soziologie. München, dtv Verlag. Kähler, H. D. (1975): Das Konzept des sozialen Netzwerks: Eine Einführung in die Literatur. In: Zeitschrift für Soziologie, Heft 3. Galuske, M. (2002): Methoden der sozialen Arbeit: eine Einführung. Weinheim, München, Juventa Verlag. Ibarra, H. (1993): Network Centrality, Power, and Innovation Involvement: Determinants of Technical and Adminstrative Roles. Academy of Management Journal 36: S. 471- 501. Kappelhoff, P. (1999): Der Netzwerkansatz als konzeptueller Rahmen für eine Theorie interorganisationaler Netzwerke. In: Sydow, J., Windeler, A. (Hrsg.): Steuerung von Netzwerken. Opladen, S. 25- 27. Kecskes, R., Wolf, C. (1996): Konfession, Religion und soziale Netzwerke. Zur Bedeutung christlicher Religiosität in personalen Beziehungen. Opladen, Leske & Budrich. Keul, A. G. (1993): Soziales Netzwerk- System ohne Theorie. In: Laireiter A. (Hrsg.), Soziales Netzwerk und soziale Unterstützung: Konzepte, Methoden und Befunde, S. 45- 54. Göttingen, Huber.

Page 28: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Kröll A. M. (2003): Interorganisationale Netzwerke: Nutzung Sozialen Kapitals für Markteintrittsstrategien. Wiesbaden, DUV. Lenz, K., Nestmann, F. (Hrsg.) (2009): Handbuch Persönliche Beziehungen. Weinheim, Juventa Verlag. Röhrle, B. (1994): Soziale Netzwerke und soziale Unterstützung, Weinheim, Beltz Verlag. Schenk, M. (1983): Das Konzept des sozialen Netzwerks. In: Neidhardt, F. (Hrsg.): Gruppensoziologie. Perspektiven und Materialien. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Sonderheft 25, S. 88- 104. Opladen, Westdeutscher Verlag. Ziegler, R. (1984). Norm, Sanktion, Rolle. Eine strukturale Rekonstruktion soziologischer Begriffe. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Ausgabe 3, S. 433ff. [zit. nach Kardoff,1989]

Internetquellen

Nollert, M. (2006): Soziale Netzwerke. Theoretische Konzepte, Analyseinstrumente und empirische Befunde. Online in: http://www.suz.unizh.ch/nollert/soznetzwerke.pdf, [11.01.2012]. Universität Hamburg, (o.J.): Soziales Netzwerk. Online in: http://www.sign-lang.uni-hamburg.de/projekte/slex/seitendvd/konzepte/l53/l5385.htm, [11.01.2012]. Barth, S. (1998): Soziale Netzwerke und soziale Unterstützung. Online in: http://www.stephan-barth.de/Homepage-Aufsaetze/Soziale%20Unterstuetzung.pdf, [11.01.2012].

Page 29: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Theorie und Definition sozialer Netzwerke (Seidl Sabina, BA)

Dimensionen der Netzwerk-Gesellschaft Im 21. Jahrhundert scheint es eine Offline-Gesellschaft, wie beispielsweise

Postämter, Tageszeitungen und Funklöcher zu geben, welche sozusagen ein

Auslaufmodell sind. Man sagt, dass die sogenannte „Netzwerk Gesellschaft“ binnen

eines Jahrhunderts entstanden ist, welche Manuel Castells bereits im Jahr 1996 mit

jenem Begriff betitelte. Zwar fehlten ihm zu dieser Zeit konkrete Präzisierungen

dieser Gesellschaft, doch nannte er bereits wesentliche Inhalte, wie beispielsweise

die Trends, Dezentralisierung, Individualisierung, Flexibilisierung und Globalisierung.

Jene Kennzeichen lassen sich auch in anderen Definitionen von „Netzwerk-

Gesellschaften“ wie zum Beispiel bei Ulrich Beck (1986) finden. Diese Gesellschaft

prägt vor allem die technische Revolution des Internets, die die Transformation der

Gesellschaft in viele Bereiche anstößt und Prozesse ins Rollen bringt. Es ist jedoch

vor allem das Netzwerk, durch welches diese Gesellschaft geprägt wird, sei es nun

das „Unternehmens-Netzwerk“ oder die „virtuelle Gemeinschaft im Internet.“ Diese

Definition wird auch von anderen Ansätzen, die zur Charakterisierung von

beispielsweise Dienstleistung- Informations- oder Wissensgesellschaft verwendet

wird, akzeptiert (vgl. Weyer, 2011, S.3, zitiert nach Weingart, 2001, S.3f.).

Da es eine ganze Brandbreite von unterschiedlichen Facetten der Netzwerk-

Gesellschaft gibt, werden im Anschluss einige dieser verschiedenartigen Definitionen

beschrieben.

Interorganisations-Netzwerke

Interorganisations-Netzwerke sind grundsätzlich Teilbereiche von Netzwerk-

Gesellschaften. In jener Organisation arbeiten strategisch handelnde Akteure, die

Tätigkeiten koordinieren und Unsicherheiten bewältigen. Mittels dieser Gesellschaft

werden Leistungen erbracht, die ohne jenes Netzwerk überhaupt nicht möglich wäre.

Ein Beispiel für jene netzwerkförmige Kooperation ist die Entwicklung von Elektro-

Antrieben für Pkws. Diese Art von Netzwerken besteht aus einer überschaubaren

Anzahl von meist kooperativen Akteuren, deren Identität, klar vorgegeben und

Page 30: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

geklärt ist. Weitere Arbeiter werden ausgeschlossen, das heißt hier sind strategische

Interaktionen exklusiv. In dieser Sichtweise ist die Organisation also ein neuartiger

Modus der Handlungskoordination neben Markt und Hierarchie, der sich in nicht

stabilen Situationen besonders eignet, um am Markt bestehen zu können (vgl. Weyer,

2011, S.4).

Beziehungs-Netzwerke

In den Netzwerken des 21. Jahrhunderts existieren jedoch auch Beziehungs-

beziehungsweise Freundschafts-Netzwerke, die in einem stark zunehmenden

Ausmaß über elektronische Kommunikationsmittel, wie beispielsweise Facebook,

XING oder Twitter realisiert und genutzt werden. Durch die technische Neuheit

gewinnt diese Kommunikation zunehmend an Qualität weil auch eine Face to Face

Kommunikation gewährleistet ist. Dieses neuartige Netzwerk besteht aus einer

Vielzahl von meist individuellen Akteuren, deren Identität fast nie geklärt ist. Virtuelle

Communities werden mittels formalen Netzwerk-Analysen beobachtet und erforscht

(vgl. Weyer, 2011, S.4).

Daten-Netzwerke

Weiters haben sich in der Netzwerk-Gesellschaft auch Daten-Netzwerke

herauskristallisiert. Von diesen Netzwerken sagt man, dass es sich hier um

unsichtbare Spinnennetze handelt, welche zunehmend in unserer Gesellschaft

Infrastrukturen für unser Handeln bilden. Dieses „Gebilde“ gewinnen zunehmend an

Qualität, weil soziale Akteure in den verschiedensten Lebenslagen beobachtet,

analysiert und durch vielfältige Feedback-Mechanismen beeinflusst werden.

Ein derartiges System besteht aus latenten, oft erst durch externe Beobachter

herauskristallisierten, Verbindungen zwischen Akteuren und Ergebnissen. Diese

Relationen ermöglichen eine Dechiffrierung von unterschiedlichen Strukturen, welche

jedoch von den Akteuren im System nicht als diese verstanden und kommuniziert

werden. Diese Connections bilden eine wichtige Ressource, um die Steuerung

individueller Verhalten, jedoch auch die Steuerung des Gesamtsystems, darstellt.

Mittels derartigen Analysen lassen sich Verhaltensänderungen und Anomalien

identifizieren, was in der Verbrechensbekämpfung Anwendung findet. Bereits 1997

Page 31: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

hat Gene Rochlin in seiner Formel „Gefangen im Netz“ – „trapped in the net“ die

Gefahren der modernen Datenerhebung im Netz beschrieben. Auch hier kommt die

formale Netzwerk-Analyse zum Einsatz, welche jedoch mit einem noch moderneren

Netzwerk, welches Data-Mining genannt wird, verbunden sein kann (vgl. Weyer,

2011, S.4f.).

Übersicht über die verschiedenen Netzwerke

Interorganisations-

Netzwerke

Beziehungs-

Netzwerke

Daten-

Netzwerke

Komponenten korporative Akteure Individuen Daten,

Datenspuren

Anzahl geringe Zahl große Zahl große Zahl

Realität/

Virtualität

Real teils real,

teils virtuell

virtuelles Konstrukt

Status nicht anonym teils anonym vermeintlich

anonym

Mechanismus der

Vernetzung

strategische

Interaktion

Interaktion Formale Netzwerk-

Analyse

Abbildung 1: Dimensionen der Netzwerkgesellschaft (Weyer, 2011, S.5)

Diese tabellarische Aufstellung der drei unterschiedlichen Sichtweisen der Netzwerk-

Gesellschaft ist einer der ersten Versuche diese Drei miteinander zu vergleichen.

Mittels jener Darstellung wird deutlich, dass diese drei Netzwerke nicht auf einer

analytischen Ebene liegen und sich deshalb nicht innerhalb des theoretisch-

konzeptionellen Ansatzes vergleichen lassen. Somit lässt es sich auch erklären,

warum sich die sozialwissenschaftliche Netzwerkforschung schwer tut, diese

empirische Netzwerkvielfalt kategorisch zu erfassen und festzuhalten. Mittels dem

Buch von Weyer wird jedoch klar, dass auch neuartige Phänomene und

methodisches Repertoire der Soziologie bearbeitet werden um der Gesellschaft eine

grundlegende Einsicht der Strukturen zu geben. All jene beschriebenen Facetten

dienen der Bewältigung von Unsicherheit, zur Koordination der Handlungen, zur

Sozialintegration in schwierigen Zeiten in denen es einen Umbruch von Alt auf Neu

gibt (vgl. Weyer, 2011, S.5ff.).

Page 32: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

All jene Netzwerkgedanken die in dem Buch von Weyer niedergeschrieben sind, sind

Selbstbeschreibungen von Netzwerken, die seit dem Jahr 2000 gesammelt wurden.

Hier kann ganz klar festgestellt werden, dass sich die Wahrnehmung und Bedeutung

von Netzwerken stark gewandelt hat (vgl. Weyer, 2011, S.5ff.).

Die Macht der Daten-Netze

Hören Menschen den Begriff Netzwerk, so wird dieses gleich mit dem Netz der Netze,

dem Internet assoziiert. Man denkt unwillkürlich an Facebook und andere

Internetplattformen, welche einen Großteil unserer täglichen sozialen Kommunikation

mittels Freudschafts-Netzwerken beispielsweise, ersetzen. Hier ist jedoch wichtig zu

erwähnen, dass Facebook sehrwohl mehr ist als ein Poesiealbum, in welches

Freunde aus alten Schul- und Studienzeiten schreiben.

Die Kombination der Daten, die die Nutzer der sozialen Netzwerke produzieren geht

weit über dem hinaus was man bislang mit dem Aspekt „sozialen

Netzwerk“ verbunden hat.

Das Internet hat sich jedoch in den letzen Jahrzehnten merklich gewandelt. Das heißt

die einfache Plattform, die Usern das Wissen der Welt zur Verfügung stellt, wie es in

den 1990er Jahren definiert wurde, ist zu einem mächtigen Tool geworden, welches

Firmen wie Google und Facebook eine Unmenge von Daten zur Verfügung stellt,

welche ihnen zudem eine immense Machtposition einräumt, die weit über das

hinausgeht, was Georg Orwell in seine Buch „1984“ zusammengefasst hat (vgl.

Weyer, 2011, S.6ff., zitiert nach Negroponte, 1997; Evans/Wurster, 2000).

Kurz und bündig kann folgendes über Google und auf was die Macht basiert gesagt

werden:

o Zunächst muss die immense technische Infrastruktur des Internets betrachtet

werden. (gigantische Serverfarmen, die Google in den letzten Jahren enorm

ausgebaut hat)

o Die soziale Interaktion, die wir als „Googler“ nutzen, wenn wir den Google-

Service als Suchmaschine oder das E-Mail Programm nutzen.

Page 33: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

o Die zahlreichen ausgeklügelten methodischen Verfahren der Netzwerk-Analyse

die in Google stecken und seit der Entwicklung stetig perfektioniert und

ausgedehnt werden. (vgl. Weyer, 2011, S.6, zitiert nach, Surowiecki, 2005, S6f.)

Mobiles Internet

Das World Wide Web hat sich in den letzten Jahren so radikal verändert, die Daten

im Internet sind mobil geworden. Es ist zu einem drahtlosen

Mobilkommunikationssystem geworden, das es uns ermöglicht, Informationen per

Smart Phone an jedem nur erdenklichen Ort abzurufen. In vielen Museen kann man

beispielsweise Zusatzinformationen zu einem Künstler, dessen Kunstwerk man

gerade betrachtet, per Handy und Internet empfangen. Verfügt ein in Betracht

gezogenes Bild der Ausstellung auch noch über einen Barcode, so kann dieser

schnell und einfach mit dem Handy eingescannt werden und man erspart sich sogar

das lästige Eintippen. Vor allem Allergiker schätzen diese Innovation, wenn sie vor

dem Supermarktregal stehen und den Barcode eines beliebigen Produkts scannen

und sofort die darin enthaltenen Inhaltsstoffe auf Allergene prüfen.

Mittels smarter Objekte kann diese Option noch ausgeklügelter eingesetzt werden,

denn beim „electronic ticketing“ fällt das lästige Lösen von Fahrkarten am

Fahrkartenautomat weg, sofern das Lesegerät in Bus oder Bahn den elektronischen

Fahrschein erkennt. Dieser kann sowohl am Handy abgespeichert als auch in

Hardcopy gedruckt sein. Die Bezahlung kann mittels Nahfeld-Kommunikation

kontaktlos und bargeldlos über die Bühne gebracht werden (vgl. Weyer, 2011, S.7,

zitiert nach, Kurz/Rieger, 2009, S.31). Der neuste Schrei ist, dass jene Technologie

es teilweise sogar schon erlauben, das Portemonnaie mit der Chip-Karte

beziehungsweise das Smartphone in der Tasche zu lassen (vgl. Weyer, 2011, S.7).

Die Risiken jener Verfahren liegen in der großen Intransparenz der Prozesse, da

diese für den Nutzer nur äußerst schwer nachvollziehbar sind. Sowohl Problemen

des Datenschutzes als auch Datenspuren die derartige Transaktionen hinterlassen.

Mittels Satellitenortung via GPS sind sämtliche Informationen in Echtzeit verfügbar,

wodurch man sich beispielsweise lange Reiseplanungen sparen kann. Man steht

beispielsweise am Brandenburger Tor, schießt ein Foto und schickt dies per Handy

Page 34: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

an Google. Binnen Sekunden erhält man essentielle Information, wodurch der Faktor

Zeit keine Rolle mehr spielt (vlg. Weyer, 2011, S.7).

Datenpreisgeben im Internet

Werden Informationen im World Wide Web abgerufen gibt jedes Individuum während

des Abrufens persönliche Daten von sich preis. Nicht nur über Interessen und

Absichten sondern auch über den Standort und die Verbindungsdaten der Personen

mit denen per Telefon oder SMS kommuniziert werden (vgl. Weyer, 2011, S.8, zitiert

nach, Bredow et al., 2010). In der Vorratsdatenspeicherung in Deutschland werden

die Daten für sechs Monate gespeichert. Bei Festnetzanschlüssen sind die Standorte

der Geräte ohnedies bekannt, bei mobilen Geräten erfolgt die Lokalisierung mittels

Funkzellen, welche wie ein Raster über die Landkarte gelegt sind (vgl. Weyer, 2011,

S.8).

Steuerung und Manipulation von Individuen

Durch das Wissen über Verhaltensmuster von Individuen und die Position in

Netzwerken können jener Person zielgerichtet Interventionen zugesendet werden.

Dies reicht von der passenden Werbung bis hin zu präventiven Eingriffen, wie

beispielsweise die Vermeidung von Straftaten. Denn mittels der genauen Kenntnisse

der Verhaltensweisen eine Person lassen sich sogenannte Persönlichkeitsprofile

erstellen, die es möglich machen über personalisierte und individuelle Daten zu

verfügen. Hiermit geht der Traum jeder Werbebranche, zielgerichtet Werbung

betreiben zu können, in Erfüllung und man entfernt sich vom blinden Marketing. Wer

also gerne Pizza isst, wird auf sein Smartphone Werbung einer Pizzeria bekommen

und dazu einen Stadtplan auf welchem diese eingezeichnet ist (vgl. Weyer, 2011,

S.12). Das mobile Internet besitzt demnach ein großes Potential zur Steuerung und

Manipulation von Einzelpersonen (vgl. Weyer, 2011, S.12, zitiert nach Maurer et al.

2007, S.162). Aufgrund des technischen Fortschritts wird unser Wissen immer mehr

von Informationen geprägt, die wir von dem Großen Medium, World Wide Web

bekommen. Die Gesellschaft überlässt diesem oft, naiver Weise, private

Informationen, mittels welchen die großen Unternehmen ihre Macht zeigen und das

Individuum manipuliert wird (vlg. Weyer, 2011, S13).

Page 35: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Trendprognosen

Was an dieser Stelle noch erwähnt werden muss sind Zukunfts- beziehungsweise

Trendprognosen, die über bestimmte Gesellschaften oder Regionen getroffen

werden können. Google Trends ist beispielsweise ein solches Tool, mittels welchem

dies gemacht werden kann.

So hat man beispielsweise im Jahr 2008 in der Region Mid-Atlantic einen

Grippetrend, welcher aufgrund des deutlichen Anstiegs der Suchanfragen zu dieser

Thematik, feststellen können. Hiermit werden Verläufe von Grippeepidemien relativ

zuverlässig vorausprognostiziert. Während Google Trends im Jahr 2008 bereits eine

Epidemie vorhersagte, konnte das Center for Disease Control and Prevention (CDC)

noch keine Angaben zu dieser Problematik machen. Sie erreichte erst Wochen

später diese Nachricht, wodurch Google Trends eine präzise Trendprognose

nachgewiesen werden konnte. Die Leistungsfähigkeit dieses Instruments übertrifft

somit traditionelle Verfahren der staatlichen Gesundheitsbehörde. Dies liegt daran,

das jene Behörden nicht mit Echtzeit-Daten hantieren, sondern ihre Informationen

aus der Vergangenheit beziehen (vgl. Weyer, 2011, S15).

Wohin geht der Trend?

Das 1950/1960er Jahr war die Zeit der Großrechner, in welcher der Computer ein

Instrument der zentralen Planung und hierarchischen Steuerung war. Erst in den

1970/80er Jahre gab es die „Personal Computer“ die zur elektronischen Befreiung

des Rechenzentrums zählten. Mittels vernetzter Rechner war es möglich Prozesse

zu kontrollieren und koordinieren. Starre mechanische Organisationen waren somit

ein stückweit abgeschaffen (vgl. Weyer, 2011, S. 22ff.).

„Die Transformation von Unternehmen und Industrie, die der Computer ausgelöst hat,

hat dem Anschein nach den Trend Richtung Dezentralisierung sowie einer

Reduzierung sichtbarer Hierarchien und formaler Strukturen autoritärer Kontrolle

fortgesetzt, obwohl sie ihn effektiv und strukturell umgekehrt hat.“ (ebd.)

(Weyer, 2011, S.23)

Page 36: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Die Verletzlichkeit der Echtzeit-Gesellschaft - Tra nsformation der Gesellschaft

Nachdem sich innovative, leistungsfähige Technologien, welche elektronische

Netzwerke genannt wurden, in den letzen Jahrzehnten entwickelt hatten, unterzog

sich sowohl die Arbeitswelt als auch die private Lebenswelt der Individuen einer

fundamentalen Transformation. Der Traum der Wissensgesellschaften, mittels

Mausklick sämtliche Informationen abrufen zu können, hat sich somit bewahrheitet

(vgl. Weyer, 2011, S29). Heutzutage gibt es fast keinen gesellschaftlichen Bereich

mehr, in dem es keine elektronischen Netzwerke gibt. Denken wir nur einmal an die

Ticketbuchung via Smartphone, die geschäftlichen Transaktionen mittels

elektronischer Abwicklung, die vernetzte Kriegsführung und die kreative

Kommunikation und Kooperation von diversen Communities (vgl. Weyer, 2011, S29,

zitiert nach Kaufmann 2006; Traubert, 2008).

Ein Ausfall jenes Instruments würde zu einer Katastrophe sowohl im Zugverkehr als

auch in der Exportwirtschaft führen (vgl. Weyer, 2011, zitiert nach Kurz, 2010).

Aus der oben geschilderte Situation macht bereits deutlich in welch einer großen

Abhängigkeit wir uns begeben. Von dieser Abhängigkeit zum IT-System und der

damit geschaffenen Verletzlichkeit der Gesellschaft hat Gene Rochlin bereits 1997

plakativ mittels seiner Formal „trapped in the net“ aufmerksam berichtet. Aus der

anfänglichen Euphorie resultieren schön langsam auch die Risiken und Gefahren die

dieses Medium in sich trägt. Das Ausmaß und die Tragweiter dieser negativen

Aspekte sind jedoch noch nicht bekannt beziehungsweise werden sie von der

Gesellschaft bis dato unterschätzt (vgl. Weyer, 2011, S 30, zitiert nach Neogroponte

1997, Carr 2009).

Wichtig ist hier noch zu erwähnen, dass sich die Verletzlichkeit sowohl auf der

individuellen als auch auf die System Ebenen manifestiert (vgl. Weyer, 2011, S30).

Page 37: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Wie der Computer uns verändert (hat)

Klar ist, dass der Computer, beziehungsweise das Internet unsere

Kommunikationspraktiken und den Umgang mit Wissen nachhaltig verändert hat.

Das Leben und Arbeiten im World Wide Web ist für die meisten Menschen

mittlerweile etwas völlig normales, das tägliche Brot beziehungsweise schlichtweg

selbstverständlich. E-Mails, Bilder, Fotos, Freunde, Einkäufe, Musik, Filme,

Nachrichten uvm. alle diese Dinge findet man im Netz. Ein kurzfristiger Ausfall

bedeutet bei der Mehrheit der Menschen eine Katastrophe, weil wichtige Daten

verloren gegangen sein können oder weil man schlicht und einfach nicht erreichbar

ist. Stellt man sich vor, dass sich Intelligenz zunehmend ins Netz verlagert, kann man

sich nur die Frage stellen, wie es mit den menschlichen Fähigkeiten in Zukunft

aussehen wird und wie beispielsweise Probleme gelöst werden?

Anfänglich sah man das Netz noch als Kompetenzerweiterung, doch nach und nach

scheint es, dass menschliche Fähigkeiten verkümmern, weil die Netze bei jedem

Klick intelligenter werden (vlg. Weyer, 2011, S31).

Einer Studie nach zu Folge sind sich Hirnforscher und Psychologen einig, dass jede

praktische und kognitive Tätigkeit die Strukturen in unserem Gehirn verändert, da

sich neuartige Verknüpfungen der Synapsen bilden (vgl. Weyer, 2011, S31, zitiert

nach Korte 2010).

Manfred Spitzer (2010) verweist darauf, dass es einen negativen Zusammenhang

zwischen der Medien-Nutzung (TV, PC) und der Schulbildung gibt. Laut einer Studie

haben Schüler die einen Computer in ihrem Zimmer haben nachweislich schlechter

Noten, als jene Kids die über diesen „Luxus“ nicht verfügen.

Folgende Faktoren werden diesbezüglich angeführt beziehungsweise dafür

verantwortlich gemacht:

o Reizüberflutung

o Internet als Kollektivgedächtnis (Auslagerung von Wissen in ein „externes

Gehirn“)

o Such-Strategie (Kids verlieren die Fähigkeit systematisch nach Dingen zu

recherchieren)

o Kollektive Intelligenz (Verlagerung der Urteilsbildung)

Page 38: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

o Zeitersparnis vs. Zeitvergeudung

o Individuelle Allzuständigkeit (in vielen Bereichen brauchte es früher noch

Experten, wie beispielsweise Fotostudios, was mittlerweile selbst gemacht

wird)

(vgl. Weyer, 2011, S31f.)

Literaturverzeichnis: Weyer, J. (2011). Soziale Netzwerke. Konzepte und Methoden der

sozialwissenschaftlichen Netzwerkforschung. München: Oldenbourg

Wissenschaftsverlag GmbH

Page 39: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Theorie und Definition sozialer Netzwerke (Wegscheider Michaela)

Netzwerke

Abb. 1: Netzwerksysteme1

Anderes beschrieben, besteht ein Netzwerk aus einer Vielzahl von Kontaktsysteme,

die durch die Verknüpfung von sozialen Systemen stabilisierte, produzierte Kontakte

hervorrufen. Ein vollständiger Überblick der beteiligten Systeme kann jedoch niemals

gewährleistet werden.2 Holzer sieht ein Netzwerk als Systeme- in- einer-Umwelt:

„Das Netzwerk ist dann eine auf das jeweilige System bezogene Repräsentation und

Reduktion dieser überschaubaren Komplexität der sozialen Umwelt: Unter den

besonderen Gesichtspunkt des Netzwerks wird diese Umwelt beobachtet als

Systeme-in-einer-Umwelt.“ 2

1 Netzwerksystem (2011, [online])

2 Holzer (2000, S. 157)

„Als Netzwerke werden Systeme

bezeichnet, deren zugrunde liegende

Struktur sich mathematisch als Graph

modellieren lässt und die über

Mechanismen zu ihrer Organisation

verfügen. Der Graph besteht aus einer

Menge von Elementen (Knoten), die

mittels Verbindungen (Kanten)

miteinander verbunden sind. Ein

geschlossener Zug aus Kanten und

Knoten heißt Masche. Dass der Großteil

der Knoten zu einer oder mehreren

Maschen gehört, ist das eigentliche

Kennzeichen eines Netzwerks gegenüber

anderen Typen von Strukturen.“ 2

Page 40: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Soziale Netzwerke Kähler (1975) definiert „Der Begriff des sozialen Netzwerks bezieht sich auf das

Geflecht der – in der Regel: sozialen – Beziehungen, die zwischen einer definierten

Menge von einzelnen Einheiten – in der Regel: Individuen – beobachtet werden

können“. In der Regel weist darauf hin, dass in der Netzwerkforschung nicht nur

soziale Beziehungen von Einzelpersonen, sondern auch von sozialen Einheiten

analysiert werden. Die Netzwerkanalyse repräsentiert das Kernstück des

Netzwerkansatzes. 3 Mit dem Thema Soziale Netzwerke beschäftigen sich die

Anthropologie und Ethnologie, die Soziologie, die Ökonomie, die

Politikwissenschaften, die Psychologie, die Kommunikationswissenschaften, aber

auch die Geschichtswissensschaft oder sogar die Medizin. Die Besonderheit in der

Netzwerkforschung ist in den Blick auf die Gesamtheit der sozialen Beziehungen und

in der Kontextgebundenheit zu finden. Zusätzlich zu den einzelnen Beziehungen

analysiert die Netzwerkforschung die Relationen zwischen den verschiedenen

Beziehungen in einem Netzwerk und die Bedeutung der Strukturmerkmale des

Netzwerks und der sozialen Beziehungen für die soziale Integration. Beispielsweise

zeichnen sich dichte Netzwerke, in denen viele Personen in Kontakt zu einander

stehen, durch schnellen Informationsfluss und effektive Normdurchsetzung aus, im

Gegensatz dazu bieten weniger dichte soziale Netzwerke einen höheren sozialen

Rückhalt und gleichzeitig jedoch größere soziale Kontrolle. 4

Netzwerkforschung Mit dem Thema Soziale Netzwerke beschäftigen sich die Anthropologie und

Ethnologie, die Soziologie, die Ökonomie, die Politikwissenschaften, die Psychologie,

die Kommunikationswissenschaften, aber auch die Geschichtswissensschaft oder

sogar die Medizin. Die Besonderheit in der Netzwerkforschung ist in den Blick auf die

Gesamtheit der sozialen Beziehungen und in der Kontextgebundenheit zu finden.

Zusätzlich zu den einzelnen Beziehungen analysiert die Netzwerkforschung die

Relationen zwischen den verschiedenen Beziehungen in einem Netzwerk und die

Bedeutung der Strukturmerkmale des Netzwerks und der sozialen Beziehungen für

die soziale Integration. Beispielsweise zeichnen sich dichte Netzwerke, in denen 3 Laireiter (2009, S. 76)

4 Hollstein (2000, S. 91)

Page 41: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

viele Personen in Kontakt zu einander stehen, durch schnellen Informationsfluss und

effektive Normdurchsetzung aus, im Gegensatz dazu bieten weniger dichte soziale

Netzwerke einen höheren sozialen Rückhalt und gleichzeitig jedoch größere soziale

Kontrolle. 5

Soziogramm

Abb. 2: Soziogramm Kleingruppe 6

Im folgenden Abschnitt wird detailiert auf die personale Netzwerke, die interorgan-

isationale Netzwerke und die Policy-Netzwerke eingegangen.

Personale Netzwerke Zusätzlich zur Erfassung der relevanten Netzwerkmitglieder einer Person ist es für

die Netzwerkanalysen wichtig Netzwerke hinsichtlich ihres Aufbaus und ihrer

Zusammensetzung zu betrachten. Generell werden personale Netzwerke auf vier

Ebenen analysiert, nämlich der strukturellen, interaktionalen, funktionalen und

evaluativen. 7

In der Abbildung 3 sind die wichtigsten strukturellen Parameter dargestellt und

werden in Größen-, Vernetzungs- und Strukturparameter unterteilt.

5 Hollstein (2000, S. 91)

6 Soziogramm (2011, [online])

7 Laireiter (2009, S. 83)

Für die Darstellung von Beziehungen in einer Gruppe

wurde die Methode des Soziogramm von Jacob Levy

Moreno entwickelt. Auf der Grundlage von Daten, die in

einer soziometrischen Erhebung erfasst wurden,

werden die Beziehungen Beispielsweise mit Pfeilen

dargestellt (siehe Abb. 2). Häufig wird eine Analyse der

Beziehungen zwischen Abteilungen und deren

Individuen in Form eines Soziogrammes dargestellt,

um Arbeitsabläufe zu optimieren. 6

Page 42: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Strukturparameter Beschreibung

Größenparameter: ���� Größe/Range

� Anzahl der im Netzwerk enthalten Akteure/Alteri

Vernetzungsparameter: ���� Konnektivität/

Verbundenheit � Dichte/Kohäsion

� Anzahl der Verbindungen/Beziehungen im Netzwerk

� Ausmaß der relativen Verbundenheit des Gesamtnetzwerkes

Relationale Struktur:

���� Cliquen � Cluster

� Sektoren/Segmente

� Regionen/Gruppen höchster Verbundenheit (jedes Mitglied ist mit jedem verbunden; Dichte = 1.0)

� Regionen/Gruppen dichterer Verbindungen zwischen den Akteuren, jedoch geringer als in Cliquen

� Gruppen identischer Rollen im Netzwerk (Arbeitsbereich, Nachbarschaft, Verwandtschaft, Familie, Freundeskreis etc.)

Abb. 3: Strukturelle Parameter egozentrierter Netzwerbeschreibung 8 Bei dem interaktionalen Parameter in Abbildung 4 werden die Richtung der

Beziehungen, die Symmetrie, die Beziehungsintensität und die Merkmale der

Frequenz, die Dauer und die Entfernung der Bezugspersonen berücksichtigt. Daraus

werden wiederum Merkmale der Beziehung sowie des Netzwerkes analysiert.

Interaktionale Parameter

Beschreibung

���� Direktionalität/Richtung

� Richtung der Beziehung, des Austausches, der Interaktion etc.

���� Reziprozität � Symmetrie im Austausch, der Beziehung etc.

���� Beziehungsrolle � Soziale/ interpersonale Rolle der Beziehung (Freund, Nachbar etc.)

���� Uni- vs. Multiplexität � Ausmaß des Inhalts des Austauschs/ der Arten von Beziehungen etc.

���� Intensität � Ausmaß des Austauschs/ der Nähe/Bindung/Interaktion etc. ( z.B. emotionale Intensität, quantitative Intensität des Austauschs)

���� Frequenz � Häufigkeit des Austauschs, des Kontakts, von

8 Eigene Darstellung in Anlehnung an Laireiter (2009, S. 83)

Page 43: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Transaktion etc.

���� „strong tie“ vs. „weak tie“

� Intensive/ hochfrequente vs. wenig intensive/niedrig frequente Beziehung

���� Homogenität vs. Heterogenität

� Psychologische/ soziale Ähnlichkeit von Netzwerkmitgliedern

���� Dauer/ Stabilität � Länge des Bestehens eines Kontaktes/ einer Beziehung

���� Entfernung � Regionale Distanz zwischen den Akteuren

���� Verteilung/Distribution

� Geographische Verteilung des Netzwerkes

���� Erreichbarkeit � Akteure geringer geographischer Entfernung/ leichte Erreichbarkeit

Abb. 4: Interaktionale Parameter egozentrierter Netzwerbeschreibung 9 In der Abbildung 5 werden bei den Inhaltlich-funktionale Parametern neben der

sozialen Unterstützung auch weitere Inhalte und Funktionen von Beziehungen

betrachtet, beispielsweise die Vermittlung von Werten und Normalen, die Kontrolle

und Regulation von Verhalten sowie negative/belastende Aspekte. Bei den

evaluativen Parametern werden als häufige Variablen die Zufriedenheit und die

Angemessenheit der Beziehung, des Kontaktes oder der Unterstützung analysiert.

Inhaltlich-funktionale Parameter

Kommunikation/Kontakte/ Interaktion

���� Geselligkeit

Austausch

���� Information � Geld

� Arbeit und Leistungen � Güter � Immaterielles (Liebe, Anerkennung, Zuwendung, Status, etc.)

� Emotionaler Rückhalt � Sichtweisen und Einschätzung

Normen/ Werte

Kontrolle/ Regulation � Macht

Belastung

9 Eigene Darstellung in Anlehnung an Laireiter (2009, S. 83)

Page 44: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

���� Konflikte � Abwertung � Ausgrenzung

� Kränkungen

Subjektiven-evaluative Parameter

���� Wichtigkeit

� Zufriedenheit � Angemessenheit

Abb. 5: Inhaltliche-funktionale und subjektive-evaluative Parameter egozentrische Netzwerkbeschreibung 10

Interorganisationale Netzwerke Im Zentrum des interorganisationalen Netzwerks steht das einzelne Unternehmen,

welches das Netzwerk zur Erreichung seines strategischen Ziel nutzt. Das soziale

Kapital des einzelnen Unternehmens ergibt sich hauptsächlich aus dem kollektiven

Kapital des Netzwerks. Aus diesem Grund werden zwei Analyseebenen

unterschieden: Das einzelne Unternehmen als einzelner Akteur mit einer konkreten

Position im Netzwerk kann die Strukturen beeinflussen. Und das Netzwerk als

Kollektiv aus den verschiedenen untereinander verbunden Unternehmen. Das Ziel

eines interorganisationalen Netzwerkes liegt in der Koordination wirtschaftlicher

Aktivitäten und der Maximierung des Kapitals. Während bei den einzelnen

Unternehmen der Erwerb von physischen Kapital vom finanziellen Gewinn im

Zentrum steht, geht es im Kollektiv gesehen um die Realisierung des Sozialen

Kapitals, das sich aber wiederum im zusätzlichen Gewinn für die Netzwerkakteure

niederschlägt.11

Eine Organisation kann aus institutionalen, instrumentalen und funktionalen

Sichtweise hinsichtlich der diversen organisatorischen Zusammenhänge analysiert

werden. Die institutionale Sicht versteht die Organisation als menschliches Kontrakt

zur Sinngebung, die instrumentale Sicht fokussiert sich auf die zweckgerichteten

Organisationstrukturen und die funktionale Sicht fasst die Organisation als Tätigkeit

zur Komplexitätsreduktion zusammen .12

Die Betrachtung des Netzwerkes der Organisation aus der instrumentalen Sicht

durch die Sozialen Netzwerkanalyse setzt sich daher mit den Strukturen aus

10

Eigene Darstellung in Anlehnung an Laireiter (2009, S. 84) 11

Kröll (2003, S. 129) 12

Kröll (2003, S. 131)

Page 45: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

einander und geht davon aus, dass die Organisationsstrukturen zielführend und

zweckmäßig gestaltet werden können. Die Netzwerkstrukturen bilden das Mittel zum

Zweck.13

Ausgehend von der institutionalen Sicht stehen die Eigenschaften der Organisation

als zielgerichtetes soziales System im Vordergrund. Im Kontext mit dem Begriff

Soziales Kapital wird haben Begriffe wie Macht, Vertrauen oder Kultur eine zentrale

Stellung bei der institutionalen Sichtweise. 13

In Rahmen der funktionalen Sichtweise geht es um die Gestaltbarkeit von

Netzwerken hinsichtlich des Sozialen Kapitals und der strategischen Nutzung von

Netzwerken, dabei soll der einzelne Akteur im Netzwerk als Einflussfaktor angesehen

werden. 14

Die Abbildung 6 zeigt die drei aus der Organisationstheorie stammenden Sichtweisen

auf Netzwerke, sowie die kritischen Themen, Konzepte und Fragen, die im

Zusammenhang mit der Sozialen Netzwerkanalyse auftauchen:

Definition Kritische Themen Netzwerk

Konzepte

Fragen

Institutionale Sicht

Das Netzwerk ist eine Organisation

= zielorientiertes soziales System mit einer formalen Struktur

� Zielsetzung (Macht)

� Kultur (Stabilität, Vertrauen)

� Grenzen der Netz-Werkorganisationen

� Structual Hole

� Zentralität

� Clique

� Strukturelle Äquivalenz

� Was fördert den Zusammenhalt des Netzwerks?

� Inwiefern handelt es beim interorganisationalen Netzwerk um eine abgrenzbare Einheit?

Funktionale Sicht

Das Netzwerk wird organisiert

= Strukturierung (Organisation)

� Management

� Strukturelle Trägheit

� Pfad-Anhängigkeit

� Strong/Weak � Ties

� Zentralität

� Grenzen

� Inwiefern kann das fokale Unternehmen die Struktur seines egozentrischen Netzwerks beeinflussen und gestalten?

Instrumenta = System � Formale � � Welche

13

Kröll (2003, S. 132) 14

Kröll (2003, S. 133)

Page 46: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

le Sicht

Das Netzwerk hat eine Organisation

formalisierter Regeln

(Mittel/Werkzeug um ein bestimmtes Ziel zu erreichen

Struktur

- relationale Struktur

- distributionale Struktur

Ausdehnung

� Zentralisation

� Dichte

� Kern- Peripherie

Netzwerkstrukturen fördern/unterstützen ein strategisches Ziel (z.B. Markteintritt)

Abb. 6: Drei Sichtweisen auf das interorganisationale Netzwerk als Organisation15

Policy-Netzwerke

Policy-Netzwerke werden seit einigen Jahren in den Politikwissenschaften immer

populärer. Die Begründung des Anstiegs von Policy-Netzwerken ist in der

Notwendigkeit für das staatliche Handelns zu suchen. Die Tradition der staatlichen

Autonomie in Außenbeziehungen und die staatliche Machtmonopolstellung in den

Binnenbeziehungen können daher nicht mehr aufrecht erhalten werden. Durch die

Teilnahme am Netzwerksystem kommt es zu einer funktionalen Differenzierung,

einer steigende Organisierung und einer Komplexität moderner Gesellschaften, das

führt zu einem Verlust der Inneren Souveränität des Staates.16

„Staatliche Steuerung kann unter solchen Bedingungen nicht mehr über

‚souveräne‘ Entscheidungen und Befehle erfolgen; sie muss sich

‚weicherer‘ Techniken bedienen: verhandeln, positive Anreize bieten, anregen,

moderieren und koordinieren.“ 17

Zusätzlich kommt es auf Grund der transnationalen Verflechtungen und

Interdependenzen zu einem Verlust der Souveränität des Nationalstaats nach außen.

Die Verteilung der staatlichen Kompetenzen und Ressourcen erfolgen über mehrere

Handlungsebenen, die sich oberhalb und unterhalb des Nationalstaates befinden.

Hier ist auch der Grund zu finden, warum sich die Politikwissenschaft vermehrt mit

der Policy-Netzwerkanalyse auseinandersetzt. Die traditionelle, klare Trennung von

Staat und Gesellschaft sowie der Staat als höchstes gesellschaftliches

Kontrollzentrum können nicht mehr aufrecht erhalten werden. 18

15

Eigene Darstellung in Anlehnung an Kröll (2003, S. 133) 16

Knill (2000, S. 111) 17

Grande (1993, zitiert nach Knill, 2000, S. 111)

Page 47: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

„Policy-Netzwerke werden danach als in einzelnen Politiksektoren bestehende

Verhandlungssysteme zwischen staatlichen und privaten Akteure verstanden, welche

durch Institutionen sowie eingeschliffene Verhaltensmuster und Tauschprozesse

zwischen den Akteuren einen gewissen Grad an interaktiver und struktureller

Stabilität erlangen.“18

Die beteiligten Akteure in einen Netzwerk können Institutionen, Organisationen,

Gruppen und Individuen, als Mitglieder von Organisationen sein, die in Relationen

auf Grund eines gemeinsamen Interesses an einem bestimmten Politikinhalt zu

einander treten. Policy-Netzwerke werden entweder nach dem Beziehungsmuster

zwischen staatlichen und gesellschaftlichen Akteuren betrachtet oder als

Erscheinungsform politischer Steuerung. 19

Die Klassifizierung von Policy-Netzwerken wird nach Jordan und Schubert (1992) in

Form Beziehungsmustern zwischen staatlichen und gesellschaftlichen Akteuren

durch konkrete Merkmale und minimal über abstrakte Begriffe begutachtet. Bei

dieser Typologie stehen drei Dimensionen in Vordergrund:

• der Grad der Institutionalisierung (stabil oder instabil)

• der Reichweite (sektoral oder sektorübergreifend)

• die Anzahl der involvierten Akteure (begrenzt oder offen).20

Werden Policy-Netzwerke als Erscheinungsform moderner Steuerung angesehen,

ergibt sich daraus eine spezifische Interaktionsform, nämlich die nicht-hierarchische

Selbstkoordination. Bei dieser Koordinationsform werden staatliche und private

Akteure bei der Gestaltung und Umsetzung der Politik auf gleiche Weise mit

eingezogen. Daraus folgt eine Veränderung des Beziehungsgeflechts zwischen Staat

und Gesellschaft.21

„An die Stelle hierarchischer Intervention des Staates in die Gesellschaft treten

Tauschprozesse, in denen staatliche und private Akteure als gleichrangige Akteure

kooperieren und verhandeln.“22

Die Entwicklung von Policy-Netzwerken wird von gesellschaftlichen Akteuren initiiert,

um am politischen Prozess beteiligen zu können und vom Staat auf die Expertise und

die Ressourcen privater Akteure bei der Lösung von politischen Problemen

18

Knill (2000, S. 111) 19

Knill (2000, S. 114f.) 20

Knill (2000, S. 116) 21

Knill (2000, S. 117) 22

Knill (2000, S. 117)

Page 48: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

zurückgreifen zu können. Zusätzlich wird die Akzeptanz von politischen

Entscheidungen durch die Netzwerkgestaltung erhöht.22

Page 49: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Literaturverzeichnis Hollstein, B. (2008). Strukturen, Akteure, Wechselwirkungen. Georg Simmels Beiträge zur Netzwerkforschung. In C. Stegbauer, Netzwerkanalyse und Netzwerktheorie. Ein neues Paradigma in den Sozialwissenschaften (S. 91 - 104). Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften.

Holzer, B. (2008). Netzwerk und Systeme. Zum Verhältnis von Vernetzung und Differnzierung. In C. Stegbauer, Netzwerkanalyse und Netzwerktheorie. Ein neues Paradigma in den Sozialwissenschaften (S. 155 - 164). Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften.

Jansen, D. (2006). Einführung in die Netzwerkanalyse. Grundlagen, Methoden, Forschungsbeispiele (3., überarbeitete Ausg.). Wiesbaden: Verlag der Sozialwissenschaften.

Knill, C. (2000). Policy-Netzwerke. Analytisches Konzept und Erscheinungsform moderner Politiksteuerung. In Soziale Netzwerke. Konzepte und Methoden der sozialwissenschaftlichen Netzwerkforschung (S. 111 - 134). München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag.

Kröll, A. (2003). Interorganisationale Netzwerke. Nutzung Sozialen Kapitals für Markteintrittstragien. Wiesbaden: Deutscher Universitäts-Verlag.

Laireiter, A. (2009). Soziales Netzwerk und soziale Unterstützung. In K. Lenz, & F. Nestmann, Handbuch Persönliche Beziehungen (S. 75 - 100). Weinheim: Juventa.

o. A. (2011). Netzwerksysteme. Abgerufen am 14. 12 2011 von http://www.zoonpoliticon.ch/blog/10399/10399/

o. A. (2011). Netzwerk. Abgerufen am 14. 12 2011 von http://de.wikipedia.org/ wiki/Netzwerk

o. A. (2011). Soziogramm. Abgerufen am 15. 12 2011 von http://de.wikipedia.org/ wiki/Soziogramm

Page 50: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Soziale und familiäre Netzwerke, soziale Unterstützung (Irnberger Bernadette, BA) Menschen werden von Geburt an durch persönliche Beziehungen innerhalb der

eigenen Familie und Verwandten aber auch durch jene zu FreundInnen, KollegInnen

und NachbarInnen geprägt (vgl. Kim 2001, 15). Gesamt gesehen bezeichnen diese

sozialen Beziehungen das soziale Netzwerk einer Person (vgl. Weyers 2007, 32).

Unterstützungsleistungen sowohl praktischer als auch emotionaler Art bauen

wesentlich auf solchen Beziehungsnetzwerken auf (vgl. Suter et al. 1997, 204).

Die Netzwerkforschung hat ihren Ursprung in den 1940er Jahren. Seit den 1970er

Jahren legen die Sozialwissenschaften ihren Fokus auf dieses Forschungsgebiet,

welche in engem Zusammenhang mit der sich verändernden Gesellschaft steht. Sich

verändernde Familienstrukturen, Lebensgestaltungsspielräume sowie zunehmende

Mobilität spielen dabei eine wesentliche Rolle. Im Laufe der letzten 40 Jahre

unterlagen soziale Netzwerke großer Veränderungen und weisen nunmehr weniger

Homogenität und Konstanz auf. Traditionelle Bindungen werden ergänzt durch

vielfältige soziale Beziehungen (vgl. Bunzendahl et al. 2004, 82).

Soziale Beziehungen Weber (1980) versteht die soziale Beziehung als „ein seinem Sinngehalt nach

aufeinander und gegenseitig eingestelltes und dadurch orientiertes Sichtverhalten

mehrerer“ (zit. n. Baas 2008, 149). Tatsächliches, beobachtbares Sozialverhalten

steht im Vordergrund (vgl. Baas 2008, 149). Zu den Merkmalen sozialer

Beziehungen sind ein Mindestmaß an Dauerhaftigkeit, Interaktion sowie gegenseitige

Erwartungen und Gefühle zu zählen und finden einerseits auf einer objektiven und

andererseits auf einer subjektiven Ebene statt. Unabhängig von ihrer Wirksamkeit

bezeichnen soziale Interaktionen zwischen zwei oder mehreren Personen, die sich in

ihrem Handeln aufeinander beziehen, die objektive Ebene sozialer Beziehungen.

Wiederkehrende verbale oder nonverbale Interaktionen beschreiben

Interaktionsepisoden die ein Interaktionsmuster darstellen. Die subjektive Ebene

beschreibt wiederum die individuelle Vorstellung einer Person über die Beziehung zu

einer anderen Person. Dabei müssen sich die jeweiligen Vorstellungen weder

zwangsläufig decken noch denselben Zufriedenheitsgrad bewirken. Zwischen den

beiden Ebenen besteht ein zweifacher Zusammenhang. Das wiederholte kognitive

Erlebe von Interaktionsketten prägt die Beteiligten dahingehend als dass sie anhand

Page 51: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

der Erfahrungen hinsichtlich der Verläufe und Ergebnisse das Verhalten des Anderen

erklärbar und vorhersagbar machen und somit Einfluss auf das eigene Verhalten in

Interaktionen, wie es beispielsweise der Streit zwischen Geschwistern darstellt,

haben. In der Ausgestaltung von Beziehungen sind drei Aspekte wesentlich:

• Ziele der AkteurInnen

Welche Ziele verfolgt eine Person? Welche Bedürfnisse stehen im

Hintergrund?

• Persönlichkeiten der AkteurInnen

Wesentlich dabei ist der individuelle Entwicklungsstand der unterschiedliche

Variationen bedingen kann.

• Soziale Rollen der AkteurInnen

Beziehungen unterliegen den wechselseitigen Rollenerwartungen (Eltern,

Kinder, Geschwister) (vgl. Hofer et al. 2002, 7ff.).

Formale Beziehungen versus informale Beziehungen Als formal werden jene Beziehungen bezeichnet, die beruhend auf

Zweckverbindungen oder rational motivierten Werten zwischen Parteien in einem

institutionellen Umfeld stattfinden (z.B. Arbeitsumfeld). Eine Teilnahme an solchen

Netzwerken erfordert lediglich Kenntniss über die Rollenverhältnisse der

Organisation, die Interaktionspartner sind prinzipiell austauschbar. Im Gegensatz

dazu beschreiben informale, persönliche Beziehungen Netzwerke zwischen

einzigartigen Individuen die durch ein subjektiv empfundenes

Zusammengehörigkeitsgefühl der Beteiligten geprägt sind. Geprägt von einer starken

gegenseitigen Abhängigkeit variieren die Wechselbeziehungen in ihrer Stärke,

Häufigkeit und Unterschiedlichkeit und bestehen über einen längeren Zeitraum.

Beginnen die Interakteure auf individuelle Eigenheiten und Bedürfnisse des

Gegenübers einzugehen so verlieren diese Individuen das Prädikat der

Austauschbarkeit.

Eine klare Abgrenzung zwischen den idealtypisch dargestellten Beziehungsformen

ist in der Realität jedoch nicht möglich. Persönliche wie dauerhafte,

institutionalisierte Beziehungen unterliegen Normen und Vorschriften. Verbleiben

Personen über einen längeren Zeitraum in derselben Institution so werden diese ihre

individuellen Präferenzen und Verhaltensweisen ebenso einbringen. Der Sinngehalt

Page 52: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

von sozialen Beziehungen kann sich somit im Zeitverlauf verändern (vgl. Weyers

2007, 32f.).

Funktionen sozialer Beziehungen Erst die Funktionen sozialer Beziehungen lassen diese für die Beteiligten bedeutsam

werden (vgl. Hofer 2002, 10). Als Funktionen bzw. Inhalte sozialer Unterstützung

gelten dabei im Wesentlichen:

• Konkrete Unterstützungsleistungen (z.B. materielle Leistungen)

• emotionaler Beistand (z.B. Vermittlung von Geborgenheit) und die

• kognitive Unterstützung (z.B. Vermittlung des Gefühls der Zugehörigkeit zu

einem sozialen Netzwerk und die grundsätzliche Bereitschaft zur

Unterstützung) (vgl. Baas 2008, 149f.).

Kontinuität und Wandel, beide Faktoren zeichnen soziale Beziehungen aus.

Interaktionsmuster (humorvoll, widersprüchlich, neckisch, lästern,...) erhalten

einerseits die Kontinuität von Beziehungen und stellen andererseits Quellen für

Erneuerung und Veränderung dar. Jedes Ereignis erfordert eine individuelle

Interpretation, ein gemeinschaftlicher Konsens unterstützt folglich fortlaufende

Veränderung (vgl. Hofer 2002, 12). Gegensätze und Spannungen innerhalb sozialer

Strukturen wie auch hinsichtlich von Emotionen und Motivation begründen

Ambivalenzen. Vor allem intergenerationale Beziehungen befinden sich laufend auf

einem Kontinuum zwischen Kontinuität und Wandel, Selbständigkeit und Dependenz,

Normen und Opportunitäten, Pflichten und persönlichen Interessen wodurch

egozentrierte, persönliche und externe Spannungen Herausforderungen

zwischenmenschlicher Beziehungen sind (vgl. Brandt 2009, 19).

Altersunabhängig sind nahe soziale Beziehungen, wie jene unter Familienmitgliedern,

jedoch Grundlage für die unmittelbare Lebensbewältigung. Soziale Kompetenz und

Persönlichkeit wird durch den Interaktionismus innerhalb von sozialen Netzwerken

entwickelt und Beziehungen bestätigt (vgl. Hofer 2002, 12).

Beschreibung sozialer Beziehungen Zur Beschreibung sozialer Beziehungen können drei Dimensionen herangezogen

werden:

• Reziprozität/Komplementarität

Page 53: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Gleichartige Verhaltensmuster wie gegenseitiges Helfen oder der

Meinungsaustausch bezeichnen Reziprozität, während unterschiedliche

jedoch aufeinander bezogene Aktivitäten wie beispielsweise Ratsuchen-

Ratgeben auf die Komplementarität einer Beziehung hinweisen.

• Kohäsion

Sie zielt auf das Ausmaß der emotionalen Bindung zwischen Menschen ab.

Man unterscheidet in diesem Zusammenhang auch Familien die enge

Beziehungen aufweisen und Familien die gekennzeichnet sind durch

schwache Verbindungen, einen hohen Grad an gegenseitiger Unabhängigkeit

und somit durch interne Distanz und Offenheit gegenüber externen

Netzwerken.

• Adaptabilität

In wie fern können soziale Netzwerke auf situative und sich verändernde

Gegebenheiten reagieren? Ist es ihnen möglich Machtstrukturen,

Rollenverständnisse und Regeln anzupassen?

Die Dimensionen „Kohäsion“ und „Adaptabilität“ sind dabei als unabhängige

Bewertungsmaßstäbe zu sehen (vgl. Hofer et al. 2002, 9f.).

Beziehungen zwischen Großeltern, Eltern, Kindern und Enkelkindern können

bezüglich familial-verwandtschaftlicher und historisch-gesellschaftlicher

Generationen aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden: negative oder

positive Interdependenz und Independenz/Unabhängigkeit. Dabei gilt zu klären, in

welcher Form Jung und Alt verbunden sind und wie sich diese Beziehungen

darstellen – solidarisch, konfliktbehaftet oder nahe der Auflösung. Konflikt und

Harmonie stellen dabei Dimensionen dar, die durchaus parallel bestehen können.

Man stelle sich die Situation des in der Studienzeit unterstützten Kindes vor, das

dadurch elterlicherseits einen Leistungsdruck erfährt. Dieser Druck kann sich in

Konflikten mit den Eltern wiederspiegeln und somit die Eltern-Kind-Beziehung negativ

beeinflussen.

Beziehungsnetzwerke die auf Solidarität beruhen sind nicht zwangsläufig harmonisch.

Mit steigenden Erwartungen an enge Bezugspersonen erhöht sich auch die

Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Spannungen und Konfliktsituationen.

Solidarität als „Prinzip gegenseitiger sozialer Hilfe und wechselseitigen sozialen

Page 54: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Austauschs“ (Szydlik 2000 zit n. Brandt 2009, 20) beinhaltet somit zwei

Dimensionen: Harmonie und Konflikt. Betrachtet man das Netzwerk Familie aus der

Solidaritätsperspektive so zeigt sich ein mehrdimensionales, latentes Konstrukt.

Schlüsselaspekt familialer bzw. intergenerationaler Solidarität ist der Austausch von

Zeit, wobei Hilfe in diesem Modell ein Oberbegriff für alltägliche, haushälterische

Unterstützungsleistungen und in Abgrenzung zu Pflegeleistungen zu sehen (vgl.

Brandt 2009, 19f.).

Quelle: modifizierte Darstellung nach Brandt 2009, 20.

„Je sicherer und besser die Bindung, desto eher wird ein Kind im Erwachsenenalter

die Betreuung der bedürftigen Eltern übernehmen. Zuneigung und emotionale Motive

sind demnach wichtige Faktoren, die intergenerationale Unterstützung

mitbestimmen“ (Brandt 2009, 21). Im Gegensatz zu Freundschafts-, Bekanntschafts-,

KollegInnen- oder Nachbarschaftsbeziehungen sind familiale Beziehungen

vorwiegend langfristig und verlässlich. Die Ausgeglichenheit der gegenseitig

erbrachten Hilfsleistungen steht dabei wesentlich weniger im Zentrum des Interesses

(vgl. Brandt 2009, 23).

Starke und schwache Beziehungen Der zeitliche Aufwand, die emotionale Intensität und das wechselseitiges Vertrauen

sowie Hilfe stellen jene Komponenten dar anhand derer die Stärke einer Beziehung

bemessen werden kann. Sind diese Komponenten vorhanden so wird von einer

starken Beziehung gesprochen. Beziehungen die diese nicht aufweisen werden als

Solidarität

affektiv (Zusammengehörigkeitsgefühl)

funktional (geben und nehmen von ...)

assoziativ (gemeinsame Aktivitäten)

Geld Zeit Raum

Hilfe Pflege

Abbildung 4: Formen intergenerationaler Solidarität

Page 55: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

schwach bezeichnet. Akteure die durch starke Beziehungen verbunden sind, auch

Clique genannt, sind zwar intern sehr verwachsen, grenzen sich nach außen jedoch

ab und sind folglich schlecht in das Gesamtnetz eingebunden. Verbindungen

zwischen Teilnetzwerken im Gesamtnetz werden von da her über schwache

Beziehungen hergestellt.

Schwache Beziehungen weisen wiederum einen höheren Grad an Heterogenität auf.

Im Vergleich zu Cliquen kommt es zwischen AkteurInnen mit schwachen

Beziehungen zu einer geringeren Interaktionshäufigkeit. Auch die soziale Ähnlichkeit

ist in dieser Gruppe weniger gegeben. Sogenannte Brückenbeziehungen spielen

hierbei eine wichtige Rolle. Sie ermöglichen den Aufbau von Verknüpfungen

zwischen einer Person und anderen Netzwerken. Schwache Beziehungen schließen

diese Brückenbeziehungen mit ein. Sie vermögen die Verknüpfung zwischen der

Sozialstruktur und eröffnen Individuen den Zugang zu entfernten Informations- und

Hilfsquellen anderer Sozialsysteme und stellen somit Brücken für die

sozialstrukturelle Integration dar. Vor allem im Bezug auf die Jobsuche wurden

dahingehend diverse Studien (Granovetter 1973, Lin et al. 1981, Preisendörfer et al.

1988, Bian 1997) durchgeführt die zu unterschiedlichen Ergebnissen führten. Kim

(2001) kommt in der Folge zu dem Schluss, dass die Beziehungsformen immer im

Zusammenhang mit gesellschaftlichen Hintergründen betrachtet werden müssen und

aufgrund dessen große Unterschiede aufweisen können. Sie ist der Überzeugung

dass unter bestimmten Umständen auch starke Beziehungen diese Brückenfunktion

erfüllen können (vgl. ebd. 49f.).

System Familie Familie kann als ein offenes, dynamisches System bezeichnet werden. Unter

innerfamilialen Beziehungen kann eine Einheit verstanden werden die aus

dyadischen, triadischen, usw. Subsystemen besteht. Das fortlaufende Streben nach

Gleichgewicht zur Systemerhaltung dient der Sicherung der Stabilität in den

Beziehungen. Neben dem Merkmal der Kontinuität ist auch die Dynamik als ein

wichtiger Faktor anzusehen (vgl. Hofer 2002, 12). Lebenslange Solidarität ist ein

Merkmal das Familien in besonderem Maße auszeichnet (vgl. Rosenbraum 2008, 87).

Beispielsweise durch die Geburt eines Kindes kommt es unweigerlich zu einer

Transformation der innerfamilialen Strukturen. Auch einzelne Familienmitglieder

unterliegen vielfältiger Einflüsse (Freunde, Arbeit, ...) und sind in ständiger

Entwicklung begriffen. Es entsteht somit ein Prozess gegenseitiger Einflussnahme

Page 56: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

(vgl. Hofer et al. 2002, 13). Als außerordentlich kritische wirkt sich die Trennung von

einem/einer PartnerIn auf Personen aus. Dazu ist auch der Tod des/der PartnerIn zu

sehen. PartnerInnen und Kinder stellen die wichtigsten Ressourcen für Menschen

dar. Insofern hat das Ausscheiden oder auch die Absenz eines/einer PartnerIn große

Auswirkungen auf die Netzwerkzusammensetzung (vgl. Baas 2008, 151).

Eingeordnet in über- und nebengeordnete Systeme grenzt sich die Familie zeitgleich

von anderen ab.

Quelle: Hofer et al. 2002, 14

Abbildung 5: Ökopsychologisches Strukturmodell der Familienmitglieder

Page 57: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Das Mikrosystem einer Person bezeichnet jene Umwelt mit der sie in engem und

fortlaufendem Kontakt steht. Mesosysteme bezeichnen wiederum

Wechselbeziehungen zwischen zwei Mikrosystemen (z.B. Familie und Beruf).

Systeme mit denen die Personen nicht direkt interagieren, von denen sie jedoch

beeinflusst werden stellen sogenannte Exosysteme dar (z.B. Freunde der Kinder)

und Makrosysteme subsummieren geographische, politische, wirtschaftliche, soziale

sowie kulturelle Gegebenheiten.

Zwar können aus diesem Denkansatz keine konkreten Aussagen gemacht werden,

dennoch stellt die systemische Betrachtung einen wichtigen Anhaltspunkt für die

Netzwerkforschung dar (vgl. Hofer et al. 2002, 13f.).

Struktur von Netzwerken „Ein Netzwerk ist ein personenbezogenes Beziehungsgeflecht, welches auf einem

gemeinsamen Basisinteresse beruht und durch aktuelle Anlässe aktiviert und

sichtbar wird“ (Boos et al. 1992, 5).

Netzwerke von Familien sind weitgehend intergenerational. Beziehungen zu

Verwandten wie Geschwister oder SchwägerInnen weisen eine geringere Relevanz

auf. Beziehungsnetzwerke konzentrieren sich stärker auf Familienangehörige und

finden in Freundschaften ihre Erweiterung. Verwandtschaftsbeziehungen werden

allerdings vermehrt von Verwitwen Personen als Ressource genutzt, wenn sie selbst

über keine Familie mehr verfügen (vgl. Rosenbraum et al. 2008, 86f.).

Auf der Datengrundlage aus dem Familiensurvey Deutschland welches in drei Wellen

(1988, 1994 und 2000) durchgeführt wurde, setzte sich Baas (2008) mit dieser

Thematik auseinander. Er kam zu dem Ergebnis, dass Netzwerke von Singles

zeitverlaufsunabhängig im Vergleich zu jenen von Personen die eine Partnerschaft

führten, unabhängig ob diese in einem gemeinsamen Haushalt leben oder

verheiratet sind, wesentlich kleiner sind. Unterscheidet sich die

Gesamtnetzwerkgröße bei partnerschaftlichen Lebensformen kaum, so existieren bei

Single-Netzwerken teils beträchtliche Unterschiede. Genauer betrachtet zeigt sich,

dass sich Netzwerke von Singles ohne partnerschaftliche Erfahrung sowie jene von

Singles die sich von einem nichtehelichen Partner getrennt haben im Zeitverlauf

etwas verkleinern. Dem entgegen vergrößern sich Netzwerke von Personen nach der

Page 58: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Trennung des/der EhepartnerIn. Zeitlich nahezu unbeeinflusst bleiben Netzwerke vor

allem in ehelichen und nichtehelichen Lebensgemeinschaften (vgl. ebd. 160).

Familienzyklisch kommt es fortlaufend zu Veränderungen, beispielsweise durch den

Auszug von Kindern oder den Tod der Eltern und Schwiegereltern. Diese

Veränderungen werden jedoch kompensiert z.B. durch den Zuwachs der Kinder (und

Schwiegerkindern) die folglich außerhalb des eigenen Haushaltes leben, und durch

Angehörige der jüngeren Generation (z.B. Enkelkinder). Die

Netzwerkvergrößerungen bei geschiedenen Singles ist auf die zunehmende

Bedeutung von Freunden, zurückzuführen (vgl. Baas 2008, 166f.).

Auf Basis der Daten aus dem Microscensus Sonderprogramm der Statistik Austria

(2001) analysierten Pflegerl et al. (2007) „Familienbeziehungen und Soziale

Sicherheit in Österreich“. Demnach verfügen ÖsterreicherInnen durchschnittlich über

ein familiales Netzwerk von durchschnittlich sieben Personen (Frauen: 7,2; Männer:

6,8), wobei Menschen in ländlichen Gegenden über ein beträchtlich größeres Netz

verfügen. Ein Extremvergleich zwischen sehr ländlichen Gegenden und der

Hauptstadt Wien zeigt große Diskrepanzen.

Tabelle 1: Vergleich der familialen Netzgrößen - Wien und ländliche Gegend in

Österreich

Netzgröße

Frauen

Netzgröße

Männer Durchschnitt

Wien 5,8 5,7 5,75

ländliche Gegend 8,1 7,4 7,75

Quelle: vgl. Pflegerl et al. (2007), 85; eigene Darstellung.

Nur 4% der ÖsterreicherInnen haben auf keine lebenden Verwandten ersten oder

zweiten Grades mehr. Auch hier zeigen sich starke Unterschiede bezüglich der

Wohnumgebung - in städtischen Bereichen verfügen Personen über ein wesentlich

kleineres Netz als in bäuerlich dominierten.

Kinder im Alter zwischen null und vier Jahren (42%) wie sehr alte Menschen über 85

Jahren (39%) leben häufig in Haushalten mit vier oder mehr Generationen

zusammen. 92% der Kinder und Jugendlichen bis zu einem Alter von 15 Haren leben

zumindest mit einem ihrer Elternteile im gemeinsamen Haushalt. Ziehen Kinder von

Zuhause aus zeigt sich eine Zunahme der geographischen Distanz. Eine von 10

Personen im Alter zwischen 30 und 40 Jahren lebt in einer mehr als sechsstündigen

Page 59: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Fahrdistanz zur/zum Mutter bzw. Vater. 63% dieser Personengruppe leben

gemeinsam oder in naher Umgebung zu den Eltern (bis zu einer Fahrzeit von ½ Std.).

Nur 19% leben in einer geographischen Distanz von mehr als einer Stunde

Entfernung. Die Analyse zeigte, dass sich diese Verhältnisse mit zunehmendem Alter

nur kaum verändern. Allerdings kann auch hier ein großer Unterschied zwischen

ländlicher und städtischer Wohnumgebung festgestellt werden. 14% der in Wien

ansässigen Personen leben in sechsstündiger Entfernung zu ihren Eltern, jedoch nur

1% derer die in sehr ländlichen Gegenden wohnhaft sind. Mit einem Anteil von 15%

leben weitaus weniger WienerInnen im nahen räumlichen Umfeld zu ihren Großeltern

denn dies Personen in ländlichen Gegenden tun (45%) (vgl. Pflegerl et al. 2007,

85ff.).

Wichtige und funktionslose Netzwerkpersonen Wichtige Netzwerkpersonen können wie folgt kategorisiert werden:

• Kernfamilie: der Partner und eigene Kinder bzw. Kinder des Partners im

eigenen Haushalt

• Eltern außerhalb des eigenen Haushaltes

• Eltern im eigenen Haushalt

• Kinder: eigene Kinder, Schwiegersöhne oder -töchter, Pflegekinder oder

• Kinder des Partners außerhalb des eigenen Haushaltes

• Eigene Generation - hauptsächlich eigene Geschwister

• Jüngere Generation - zumeist eigene Enkel bzw. von dem/der PartnerIn

• Freunde

• Sonstige Personen wie ArbeitskollegInnen, Bekannte aus Vereinen und

NachbarInnen.

Während die Kernfamilie und Kinder die wichtigsten Ressourcen darstellen, nehmen

sämtliche andere eine untergeordnete Rollenfunktion ein. Zusammen mit den Eltern

außerhalb des eigenen Haushaltes stellt die Kernfamilie mit 70% den überwiegenden

Teil des Netzwerks Verheirateter dar. Ein Vergleich zu Personen in

Lebensgemeinschaften zeigt, dass in deren Netzwerken Freunde eine ähnlich

wichtige Rolle einnehmen wie die der Kernfamilie.

Als funktionslose Netzwerkpersonen sind haushaltsferne Eltern wie Kinder sowie

Angehörige der eigenen Generation zu zählen. Mit starken Schwankungen zwischen

Page 60: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

den Lebensformen nimmt jener Netzwerkteil in konkreten Situationen Ressourcen

aus anderen Personenkreisen in Anspruch (vgl. Baas 2008, 162f.).

Familiale Unterstützung Die Möglichkeit in Bedarfssituationen, unabhängig des Ausmaßes, auf ein soziales

Netzwerk zurückgreifen zu können ist für jeden Menschen von großer Bedeutung.

Unterstützungsleistungen können vielschichtige Natur aufweisen:

• Emotionale Unterstützung, Beratung

• Unterstützung bei Erziehung bzw. Pflege und Haushalt

• Finanzielle Unterstützung

Der weitaus größte Teil der Unterstützungsleistungen wird von Frauen erbracht. Im

Zentrum steht die Mutter, die das System am Laufen hält und selbst ihren

Anverwandten tatkräftig zur Seite steht. Vor allem in emotionalen Belangen oder bei

Pflegebedarf stellen weibliche Bezugspersonen die Hauptansprechpartner dar.

Intergenerationale Unterstützungsleistungen werden zumeist nach dem sogenannten

„top-down-System“, also von der Ursprungsfamilie an deren Nachkommen erbracht.

Dies betrifft vorwiegend finanzielle, aber auch die Unterstützung bei der

Kindererziehung (z.B. Babysitten) oder im Haushalt sowie in geringerem Ausmaß die

emotionale oder beratende Unterstützung wo Freunde oder Verwandte der gleichen

Generation (z.B. Schwester) eine wichtigere Rolle einnehmen. Es ist die elterliche

Generation die den Hauptteil an Unterstützung leistet (vgl. Pflegerl 2007, 92ff.).

Differenziert nach Unterstützungsleistungen kann aber festgestellt werden, dass

bezugnehmend auf finanzielle Leistungen diese eher von der älteren an die jüngere

Generation geleistet werden. Umgekehrt verhält es sich bei den Hilfeleistungen die

demnach häufiger von Kindern und Enkelkindern erbracht werden. Die räumliche

Nähe ist dabei einer der ausschlaggebenden Faktoren für die Häufigkeit der

intergenerationalen Unterstützung. Umso näher Eltern bei ihren Kindern wohnen

desto häufiger kommt es zu Hilfsleistungen.

Zudem, betrachtet man den Bereich der extramuralen Pflege, so muss festgestellt

werden, dass ältere Menschen mit 80% zum größten Teil von ihren Angehörigen

(davon 80% Frauen) gepflegt welche emotionale und haushälterische Unterstützung

inkludiert. Die enge Mutter-Tochter-Beziehung ist dabei grundlegend. Nichts desto

trotz darf nicht außer Acht gelassen werden, dass wiederum 80% der pflegenden

Page 61: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Frauen durch ihre Partner finanzielle Unterstützung erfahren da sie selbst zumeist

keiner beruflichen Tätigkeit nachgehen (vgl. Rosenbaum et al. 2008, 89f.).

Fazit Die Familie als wichtigste Ressource in allen Lebenslagen ist unverzichtbar. Aber

auch die Pflege von Freundschaften ist grundlegend für das emotionale

Gleichgewicht. Die Gegenseitigkeit der Unterstützung und nicht unbedingt die

Ausgewogenheit dieser ist dabei ausschlaggebend.

Literatur Baas, Stephan (2008): Soziale Netzwerke verschiedener Lebensformen im Längs- schnitt – Kontinuität oder Wandel? In: Bien, Walter / Marbach, Jan H. (Hrsg.): Familiale Beziehungen, Familienalltag und soziale Netzwerke. Ergebnisse der drei Wellen des Familiensurvey. VS Verlag für Sozialwissenschaften: Wiesba- den. S 120-147.

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Pflegerl, Johannes / Geserick, Christine (2007): Kinship and Social Security in Aus- tria. A social history for the 20th century. Studien Verlag: Innsbruck.

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Suter, Christian / Meyer, Peter C. (1997): Soziale Unterstützung, soziale Belastungen und Gesundheit bei leicht hilfebedürftigen Betagten. In: Soz.-Präventivmedizin 42:204-215. Weyers, Simone (2007): Soziale Ungleichheit, soziale Beziehungen und Gesund- heitsverhalten. Ergebnisse einer medizinsoziologischen Studie im Ruhrgebiet. LIT-Verlag: Berlin.

Page 62: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

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Granovetter, M.S. (1973): The Streng hof Weak Ties. American Journal of Sociology 78:1360-1380.

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Statistik Austria / BMASK (Hrsg.) (2001): Familienstrukturen und Familienbildung. Ergeb

Page 63: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Soziale und familiäre Netzwerke, soziale Unterstütz ung (Dr. Kaufmann Eva)

Im Wörterbuch der Gebrüder Grimm findet sich unter dem Begriff „Netz“ lediglich

„[…] ein aus weiten Maschen bestehendes Gestrick“ (Grimm, 1854, Band 13, S.

635)- eine weitaus abstraktere Definition zeigt sich in der soziologischen

Netzwerktheorie: „A social network consists of a finite set or sets of actors and the

relation or relations defined on them.“ (Wasserman und Faust 1994, S. 20) Die

Netzwerkanalyse entstand in den Vierziger- und Fünfzigerjahren in der

Sozialanthropologie, der Soziologe Barry Wellman übertrug das Konzept 1978/79 in

die Gemeindesoziologie. Die Einheit der Netzwerkanalyse ist nicht das Verhalten von

sondern vielmehr die soziale Beziehung zwischen Menschen. (Schenk, 1995, S. 3f)

Lt. Boos, Exner und Heitger(1992) haben Netzwerke Gemeinsamkeiten, die sie

charakterisieren: die gemeinsame Intention, Freiwilligkeit, Tauschmöglichkeit,

Personenorientierung sowie Unmöglichkeit der Delegation an andere. (keine

Rollenorientierung) Damit widersprechen Sie in einigen Punkten Kardoff et al., Pellert,

Portes und Burmeister auch dahingehend, dass soziale Netzwerke im Gegensatz

zu sozialen Systemen keine klaren Grenzen aufweisen. Im Weiteren wird jedoch auf

die bei Deindl (2005) erörterte Definition , die sehr wohl Grenzen und Ausgrenzung

zulässt, Bezug genommen. Neben der Netzwerkdefinition muss daher natürlich auch

das Soziale System begrifflich abgegrenzt werden:“Ein soziales System kommt

zustande, wenn immer ein autopoietischer Kommunikationszusammenhang entsteht

und sich durch Einschränkung der geeigneten Kommunikation gegen eine Umwelt

abgrenzt. Soziale Systeme bestehen demnach nicht aus Menschen, auch nicht aus

Handlungen, sondern aus Kommunikationen“ ( Luhmann, 1986 , 269.) Wie in der

unten angeführten Tabelle dargestellt, ist der Begriff „Netzwerk“ und damit auch das

soziale Netzwerk der späten Informationsgesellschaft zuordenbar. Auf die beliebten

„social networks“ des WWW, wie z.B. facebook©, wird im vorliegenden Artikel

aufgrund fehlender Charakteristika für „echte“ soziale Netzwerke nicht eingegangen,

der Begriff „social media“ scheint den Begriff aus meiner Sicht genauer zu definieren.

Page 64: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

In sozialen Netzwerken können sich unterschiedliche Strukturen bilden, davon sind

nur einige herausgegriffen:

Starke und schwache Beziehungen: „The strength of a tie is a (probably linear) combination of the amount of time, the

emotional intensity, the intimacy (mutual confiding), and the reciprocal services which

characterize the tie“ (Granovetter 1973, AJS, Vol. 78, No. 6, S. 1361) Menschen

versprechen sich – bewusst oder unbewusst einen Nutzen durch das Errichten und

Aufrechterhalten sozialer Netze. Dabei sind jedoch nicht nur die starken, sondern

auch die schwachen Beziehungen- durch ihre Brückenfunktion- von grösster

Wichtigkeit. Brücken können Informationen aus anderen Netzwerkbereichen zur

Verfügung stellen , starke Beziehungen sind eher auf das nähere Umfeld gerichtet.

(vgl. Soziale Beziehungen & Gesellschaft-Proseminar Sommersemester 2005 –

Schenk // Soziale Netzwerke)

Page 65: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

In diesem Rahmen lässt sich zusätzlich eine Unterscheidung in Bezug auf das

Geschlecht darstellen (vgl. Analyse von Netzwerken im Gesundheitswesen;

Modul 11 –Netzwerksysteme; Dr. Wolfgang Moch; Vorlesung FH Kärnten)

Page 66: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Eine Unterscheidung von Netzwerken ist möglich auf den Ebenen:

1. Netzwerktypen

• Gesamtnetzwerk (whole network): alle Beziehungen zwischen einem

abgegrenzten Satz von Akteuren

• Ego-zentriertes Netzwerk: alle Beziehungen aus der Perspektive des

Einzelnen

Abbildung 6: http://magazin.unternehmerweb.at/index.php/2011/04/28/von-der-

netzwerktheorie-zum-networking/

2. Sozialstruktur

• Mikroebene: Familie-Individuum.»But direct observation does reveal to us that

these human beings are connected by a complex network of social relations. I use

the term ‚social structure‘ to denote this network of actually existingrelations.«

(Radcliffe-Brown 1959, S. 190)

• Makroebene: Gesellschaft, Gliederung in Klassen und Schichten, Verteilung von

Ressourcen(z.B. Bildung, Prestige, Einkommen,Sozialkapital) eines Akteurs

3. Primäre, sekundäre und tertiäre Netzwerke :

a. Primäres Netzwerk: informelle private Beziehungen: Familie,

Verwandtschaft,

Nachbarschaft und Freunde

b. Sekundäres Netzwerk: global-gesellschaftliche Netzwerke, wie z.B.

Arbeitsplatz,

marktwirtschaftlich und öffentlich institutionelle Netzwerke( Bullinger; Nowak

1998: 83)

c. Tertiäres (intermediäres)Netzwerk: zwischen den primären und

sekundären Netzwerken angesiedelt Verbindung zwischen Informellen und

Beziehungen untereinander- Netzwerk 2. Ordnung

Bezugspersonen von „Ego“-Netzwerk 1. Ordnung

Page 67: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

formellen Netzwerken, z.b. Selbsthilfegruppen (Gehrmann, Müller, &

Säuberlich, 2008),

Funktionen und Charakteristika von sozialen Netzwer ken: Funktionen, die Soziale Netzwerke erfüllen sind Information, Tausch und Transfer

von Ressourcen, sowie soziale Unterstützung (materiell, kognitiv, emotional).

Charakteristika sind Grösse (N = Zahl der Akteure),Dichte(realisierte

Relationen ),Zentralisation: z.B. Degree, Relationsverdichtungen (Cliquen)sowie

Stabilität der Relationen bzw. in Bezug auf die Akteure in Netzwerken Zentralität (z.B.

Degree, Betweenness) (Michael Nollert, Vorlesung, Universitäten Freiburg i. Ue.

und Zürich)

Die „strongest ties“ einer Person sind im Normalfall das Netzwerk Familie bzw. das

der Partnerschaft. Das Entscheidende Kriterium des zweitgenannten ist das

Zusammenwohnen- damit ist ein Zurückgreifen zu jedem Zeitpunkt

möglich.(emotionale Nähe). Kinder stellen ebenfalls eine starke Beziehung dar, sie

sind Mitglieder der Kernfamilie. Gegenseitiges Helfen je nach Lebensabschnitt ist

aufgrund der Nähe möglich, entscheidend ist die Anzahl der eigenen Kinder .Die

Verwandtschaft ist v.a. dann ein wichtiges Netzwerk, wenn die Verbindung stark ist-

ein Indikator ist die Häufigkeit der Treffen. Nach der Familie( in manchen Fällen

vielleicht vor dieser)stehen die Freunde, von diesen erhält man soziale Anerkennung

außerhalb der Familie. – operationalisierbar durch die Anzahl der engen Freunde.

Emotional weiter entfernt sind Nachbarn, trotzdem ist die Nachbarschaft täglich in der

Umgebung und ist somit schnell mobilisierbar( Operationalisierbar durch Häufigkeit

der informellen Kontakte); Arbeitskollegen stellen das nächste Netzwerk dar, nicht

zuletzt weil durch die Zeit, die am Arbeitsplatz verbracht wird, Kontakte entstehen.

Nicht in Zusammenhang mit den genannten Netzwerken steht z.B. die Arbeit in

einem Verein („ehrenamtlich“), wo es um eigene Interessen geht. (Deindl, 2005)

Auch wenn der Begriff „Netzwerk“ zur damaligen Zeit noch nicht geprägt war zeigte

Mary Richmond (What is social case work? , New York: Russell Sage Foundation,

1925) schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Ressourcenstärke des sozialen

Netzwerkes auf- und auch, dass dieses deutlich über die Verwandtschaft

hinausreicht.(S.Abb.2)

Page 68: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

·

Abbildung 7: aus : Mary Richmond; Social Diagnosis,

1917(aus:Budde&Früchtel 2005)

Lt .Robert D. Putnam, der v.a. die Makroebene in den Vordergrund stellt, ist neben

Bildung, Disziplin und Ehrgeiz das soziale Kapital ein wichtiger Erfolgsfaktor.

Feedback und Beziehungen sind notwendig, um schwierige Situationen zu

bewältigen. Hat man selbst hohes soziales Kapital, versteht man die

Wechselwirkungen zwischen eigenem und dem Wohlergehen anderer besser. Auch

kollektive Probleme können so gelöst werden, dies ist nur über ein Netzwerk zu

erreichen, das soziale Normen einhält. Lt. Putnam ist soziales Kapital messbar- lt.

seinen Studien (durchgeführt in den USA) sind in Staaten mit hohem sozialen Kapital

bei Kindern sowohl die Lebensbedingungen als auch die Gesundheit ,

Ausbildungsqualität, Wirtschaftswachstum, Sicherheit und soziale Gerechtigkeit

höher, auch die niedrigere Sterblichkeit seigt eine Korrelation mit dem

Sozialkapitalindex. (Budde & Früchtel, 2005)

Durch die soziale Unterstützung entwickelt sich soziales Kapital welches als wichtige

Handlungsressource von (Diewald, Lüdicke, & Lang, 2006, S. 1)Individuen gilt.

Soziales Kapital verbindet Netzwerk- und Kapitaltheorie, ist nicht veräußerlich und

wird durch Normen- oder Gruppenmitgliederverlust vermindert, wobei das Ego das

Sozialkapital durch „Beziehungsarbeit“ innerhalb einer Gruppe erhöhen kann.

(Bourdieu 1983 in (Deindl, 2005)).

Stärken jedes Mitgliedes der Familie

Ressourcen von Verwandten/Freunden

Ressourcen von Nachbarn, Vermietern, Ärzten…

Ressourcen von Lehrern, Polizei, Parks…

R. von Kirchengemeinde, Selbsthilfegruppen…

Ressourcen von Sozialamt KH…

Page 69: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Nach Nan Lin kann man aus sozialen Beziehungen vier Arten von Gewinn erzielen-

sei es auf der Macro- wie auch auf der Microebene:

1. Informationsfluss – schneller und effektiver Austausch von Informationen in

Netzwerken; Informationen sind nur für Mitglieder des Netzwerkes verfügbar.

2. Einfluss – Verbesserung der Erfolgschancen , z. B. im Beruf durch „Einlegen

eines guten Wortes“(„Putting in a word“) durch ein Netzwerkmitglied- v.a. durch

eine „weak-tie“, - die , lt. Granovetter für diese Art der Hilfestellung am wichtigsten

ist.

3. Soziales Zeugnis.: Das „ego“ kann auf die Anzahl der „Alteri“ zurückgreifen, zeigt

damit seine soziale Kompetenz

4. Die Verstärkung von „identity and recognition“ (Deindl, 2005)

Neben positiven Auswirkungen des sozialen Kapitals wie Hilfestellungen im Beruf oder

im privaten Bereich kann soziales Kapital auch negative Eigenschaften haben. Ein

Beispiel dafür sind kriminelle Gruppierungen, die durch strenge Normen ihr

Sozialkapital erhöhen.(positives Gruppenkapital, negatives Gesellschaftliches

Kapital) Doch nicht nur diese Extremform von sozialem Kapital ist negativ- auch

durch den Ausschluss von Menschen aus Netzwerken bzw. starkem

Konformitätsdruck und Zugangsbeschränkungen kommt es zu negativen Anteilen,

wobei die positiven gesellschaftlichen Auswirkungen erhalten bleiben. (Portes 1998

in Deindl, 2005)

Praktische Anwendbarkeit: Die Netzwerkanalyse wird z.B. in der sozialraumorientierten sozialen Arbeit

angewendet und unterstützt Klienten bei der Entwicklung von nachhaltigen

Lösungen. dabei muss die Lösung an die Kompetenzen der Menschen selbst oder

an deren Netzwerkressourcen angeknüpft werden .Dabei sind anlassspezifische oder

- unspezifische Ecomaps bzw.Genogramme zielführende Methoden.

1. Ecomaps: zuerst „Erinnern“ an Personen, die dem formellen und informellen

Netzwerk zugehörig sind- mögliche Fragen:

• Wer sind Deine Freunde in der Schule oder in der Nachbarschaft?

• Wen informieren Sie bei wichtigen Ereignissen wie Schwangerschaft

oder Heirat?

• Wen fragen Sie wenn Sie Rat brauchen?

Page 70: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

• Wenn es Ihnen gut / schlecht geht, was tun Sie, zu wem gehen Sie

dann?

• Zu wem haben Sie zwar keinen Kontakt mehr, würden aber gerne

wieder welchen haben? u.s.w. (aus: (Budde & Früchtel, 2005, S. 10)

Dann wird jede gefundene Person mittels Ressourcenfindern betrachtet- diese

helfen die Potenziale der einzelnen Bezugspersonen hinsichtlich

Unterstützung aufzuzeigen.(Wohnort, Beruf, Krisen, Erfolge…), wodurch neue

Lösungen klar gemacht werden.

2. Genogramme als Ressourcenfinder:

Dabei wird systematisch den Verwandtschaftslinien nachgegangen, um das

familiäre Netzwerk zu durchleuchten – dabei können neue Quellen der

Unterstützung gefunden werden. (Budde & Früchtel, 2005, S. 11f)

Lt. Nestmann (1989) sind die Ansatzpunkte Netzwerkorientierter Intervention

1. Verbesserung der Unterstützung und Versorgung in den existierenden

alltäglichen sozialen Netzwerken

2. Entwicklung und Förderung von Unterstützungsbezügen: Neuschaffung

künstlicher Netzwerke(„Selbsthilfegruppen“).

3. Ausweitung größerer sozialer Beziehungssysteme über die Verbreitung von

netzwerkförderlichen Einstellungen, Klimata und Voraussetzungen

4. Anknüpfungspunkt im Rahmen von Erziehung, Bildung und Beratung von

Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen und alten Menschen: besseres

Erkennen vorhandener Ressourcen sozialer Unterstützungen , Schaffen

derselben und Unterstützen anderer

5. Stärkung der Netzwerkorientierung professioneller Versorgungssysteme in der

Gemeinde

6. "linkage" :Verknüpfung professioneller und nicht-professioneller Netzwerke und

Unterstützungsressourcen,

7. Sozialökologische Fundierung und Sicherung von sozialen Netzwerken und

sozialen Unterstützungen

8. Stützung der UnterstützerInnen

(vgl. G. Gerhardter 2001 )

Page 71: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

„Ein Netzwerk ist ein personenbezogenes Beziehungsg eflecht, welches auf einem

gemeinsamen Basisinteresse beruht und durch aktuell e Anlässe aktiviert und

sichtbar wird.“ (Boos, Exner, & Heitger, 1992)

Literaturverzeichnis Boos, F., Exner, A., & Heitger, B. (11 1992). Soziale Netzwerke sind anders.

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Gerhardter, G.: Netzwerkorientierung in der Sozialarbeit .Eine überblicksartige

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Grimm, J. u. (1854, Band 13). Deutsches Wörterbuch. Leipzig.

Luhmann, Ökologische Kommunikation. Opladen: Westdeutscher Verlag, 1. Auflage

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Page 72: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Wasserman } ,S., Faust,K.; Social network analysis: methods and applications;

Cambridge University Press, 1994

Page 73: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Soziale und familiäre Netzwerke, soziale Unterstütz ung- (Nedved Daniel, BSc)

Einleitung Das Individuum ist in seinem Dasein einer ständigen Umgebung von Netzwerken

unterstellt. In der heutigen Zeit assoziiert man diesen Ausdruck natürlich mit sozialen

Netzwerken aus der virtuellen Welt. Man nennt sie „Social Network“. Jedoch gibt es

auch in der „normalen“ Welt gut bzw. weniger gut funktionierende Netzwerke, welche

im Gegensatz zu dem vorher erwähnten auch existieren bzw. funktionieren können,

wenn die Internetverbindung aussetzt und welche man verbal „Liken“ kann oder nicht.

Familien, Verwandtschaften, Freundschaften usw. sind die Netzwerke der realen

Welt. Es sind Netzwerke, auf welche das Individuum seit Beginn an angewiesen ist,

und es sind dies Netzwerke, welchen das Kind von Anfang an ausgesetzt ist.

Sie sind ubiquitär und es gibt tatsächlich keinen Bereich in der Gesellschaft, in denen

sie keine Rolle spielen. Neben den vorher erwähnten Netzwerken, kann man den

Begriff noch ausweiten. Man kann in diesem Kontext noch

Wirtschaftförderungsnetzwerke, Wissenschafts- oder Gesundheitsnetzwerke,

Frauennetzwerke, Antidiskriminierungsnetzwerke, sowie auch problematisch

geltende Netzwerke, wie Schleuser- und kriminelle Beschaffungsnetzwerke

betrachten. Es gibt aber auch Netzwerke, deren Aufbau nicht sozial geschieht,

sondern wiederkehrend zum Zweck erklärt werden. Das sind solche, die positiv

konnotiert sind und politisch, ökonomisch, rechtlich aber auch wissenschaftlich als

förderungswürdig gelten. (Tacke, 2006)

Bevor es hier zu einer komplexen Betrachtungsweise kommen soll und unzählige

Begriffe bearbeitet sowie verschachtelte Strukturen analysiert werden, möchte ich

mich auf die sozialen Netzwerke, bzw. die soziale Unterstützung der Familie,

Freundschaft/ Bekanntschaft sowie Verwandtschaft fokussieren.

Page 74: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Familie- Definition des Begriffs Beginnend mit der Familie soll vorab der Begriff erklärt werden. Der Brock Haus (Der

Brock Haus, 2009) erklärt diesen nämlich als: „die, 1) i. d. R. das Elternpaar mit den

unselbststän1digen Kindern als Einheit des Haushaltes. Rechtlich gibt es keinen

feststehenden Begriff der F., meist versteht man darunter die Ehegatten mit ihren

Kindern. Verfassungsrechtlich ist sie durch Art. 6 GG geschützt. – 2) Gruppe,

umfasst nah verwandte Gattungen.“

Vielleicht scheint die Definition aus Anthony Giddens´ Buch „ Soziologie“ konkreter.

Hier wird die Familie nämlich als eine Gruppe durch verwandtschaftliche

Beziehungen direkt miteinander verbundener Personen, wobei die erwachsenen

Mitglieder die Sorge für die Kinder übernehmen, verstanden. (Giddens, 1999)

Jedoch sind in der Soziologie vor allem zwei Aspekte von Familie bedeutsam. Diese

korrespondieren nämlich mit der Mikro- sowie der Makroebene der Gesellschaft.

Wenn jede einzelne Familie eine besondere Form einer sozialen Gruppe darstellt,

spricht man von der Mikroebene. Betrachtet man dies aus der Makroperspektive, so

ist die Familie als eine Institution der Gesellschaft charakterisierbar. Durch die

Familiensoziologin Rosemarie Nave- Herz sind Familien folgend gekennzeichnet

(Johanna Huinik, 2007):

1. Durch ihre „biologisch- soziale Doppelnatur“. Darunter versteht man zum einen

die Übernahme der Reproduktions- und Sozialisationsfunktion und zum

anderen die kulturell variablen gesellschaftlichen Funktionen.

2. Die Generationendifferenzierung, sprich Urgroßeltern, Großeltern, Eltern,

Kinder,

3. ..sowie ein spezifisches Kooperations- und Solidaritätsverhältnis, welches

ihren Mitgliedern die einzelnen spezifischen Rollen zuweist. (Johanna Huinik,

2007)

Page 75: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Die Geschichte der Familie Verschanzen wir uns doch ein Stück tiefer in diese Materie und versuchen die

Betrachtungsweise der Familie durch einen Blick in die Vergangenheit, auszuweiten.

Die Familie bildete seit der Antike als kleinste soziale Einheit den Ausgangspunkt

zahlreicher Staats- und Gesellschaftstheorien, und war zudem der unmittelbare

Bezugspunkt der individuellen Lebenswelten. So war die Familie der zentrale Anker,

um dem Einzelnen seine Position in der Gesellschaft zu vermitteln. Das Individuum

erfuhr hier eine entsprechende Sozialisation sowie die Einübung grundlegender

Werte, Normen und Handlungsdispositionen. In der ständischen Gesellschaft wurde

diese Funktion grundsätzlich in allen Schichten erfüllt. Eine besonders wichtige Rolle

spielte hingegen im Adel die Aufrechterhaltung und die Symbolisierung seiner

Familientradition. Hier konnte sich die „Familie“ als emotionalisierte

Lebensgemeinschaft der Ehepartner und der Kinder analytisch vom gesamten

„Adelshaus“, unterscheiden. (Kreutzmann, 2008). Die Kernfamilie war für lange Zeit

der wichtigste Typus. In der prämodernen Zeit überstieg die Haushaltsgröße jene, die

wir heute beobachten können, jedoch war der Unterschied nicht allzu deutlich

ausgeprägt. So betrug in England die durchschnittliche Haushaltsgröße im 17., 18.

Und 19. Jahrhundert, 4,75 Personen. Im Vergleich dazu beträgt diese heute 3,04

Personen. Kinder beteiligten sich ab einem Lebensalter von sieben oder acht Jahren

bei der elterlichen Land- bzw. Handarbeit. War dies nicht der Fall oder fehlten die

nötigen Ressourcen, zogen sie schon sehr früh von dannen, um in fremden

Haushalten zu arbeiten oder eine Lehre zu absolvieren. Die Eltern wurden danach

meist nur selten oder gar nicht mehr gesehen. (Giddens, 1999)

Die Familie als Basis gesellschaftlicher Systeme

Heute erscheint die Familie in gesellschaftstheoretischer Perspektive zwar als

Funktionssystem, jedoch sei zu berücksichtigen, dass es anders als die anderen ist.

Besonders scheint in diesem Kontext, dass ihr makrosystematischer Charakter nicht

durch Organisationsstrukturen vermittelt ist, dieser jedoch gesellschaftsweit

institutionalisierte Sinndeutungen unmittelbar mit der interaktiven Ebene von

Kleingruppen und sozialen Netzwerken verknüpft. Die Familie ist schließlich der

institutionelle Ort von Privatheit, während sich die übrigen gesellschaftlichen

Page 76: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Teilsysteme im öffentlichen Raum konstituieren. Als exklusive Leistung sei der

Familie die Verknüpfung von Fortpflanzung und Primärsozialisation an zu erkennen.

Interessant sei jedoch, dass sich erst im 20. Jahrhundert der eigenständige

Normkomplex, verantwortete Elternschaft mit hoher Verbindlichkeit ausdifferenziert

hat. Wie wichtig die Familie auch für andere soziale Netzwerke bzw.

gesellschaftlicher Systeme ist, zeigt die Tatsache, dass gerade diese den Auftrag hat,

den personellen Nachwuchs für diese Systeme zu sichern und deren personelle

Umwelt zu reproduzieren. Als Basis gilt schließlich die Qualität dieses Nachwuchses,

welche letztendlich für die Leistungsfähigkeit aller gesellschaftlichen Teilsysteme,

verantwortlich ist. Die Qualität hängt im Gegensatz zur Quantität nicht ausschließlich

von familialen Leistungen ab, nein vielmehr sind es Funktionssysteme wie Familie,

Bildung, Massenkommunikation usw. Primärbeziehungen, welche sich einer

teilsystematischen Determination entziehen, jedoch deren Sinngehalte in selektiver

Weise in der Regel mittransportieren, sind eine zentrale Einflussgröße. Die

theoretische Verknüpfung individueller und die kollektiver Wohlfahrt sind folgen des

zentralen Sachverhaltes der Qualität und Quantität des personellen Nachwuchses. In

diesem Kontext wird von einem kollektivem Sachverhalt, der jedes gesellschaftliche

Teilsystem betrifft und es gleichzeitig übergreift, ausgegangen. Traditionelle

Bindungen wie z. B beruflicher oder weltanschaulicher Art verlieren heute vermehrt

an Bedeutung, was als Folge einer Gesellschaft, in welcher kein Teilsystem seinen

Nachwuchs mehr für sich monopolisieren kann. So sind alle in dieser Gesellschaft

sich existierende Einrichtungen, wohl oder übel auf die in der Familie

nachwachsenden Generationen, sowie dessen Größe und Qualität, angewiesen.

(Kaufmann, 2005)

Ein Netzwerk im Wandel der Zeit

Im Kontext der Fragestellung nach dem sozialen Netzwerken einer Person und derer

Konstellation konnte die These der „isolierten Kernfamilie“ (Parsons) widerlegt

werden. Man geht in der heutigen Zeit eher von der „multilokalen

Mehrgenerationenfamilie“ aus, was im wesentlichen die Tatsache näher bringt, dass

es zwischen den Generationen umfangreiche, aber vor allem über den Haushalt

hinaus gehende Beziehungen gibt. Es kristallisiert sich jedoch ein Trend zur

„nichtkonventionellen Lebensformen“, was zu bedeuten hat, dass es eine Präferenz

Page 77: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

von nichtverheirateten Paaren, nicht zusammenlebenden Paaren,

gleichgeschlechtlichen Paaren oder Personen ohne Partnerschaft, gibt. Im Bezug auf

die Größe und Zusammensetzung bzw. die Veränderung der Netzwerke im

Zeitverlauf, wird das Spektrum vor allem auf die gerontologische Forschung gerichtet.

Vor allem bildet die Frage der Unterstützung im höheren Erwachsenenalter einen

zentralen Aspekt. In diesem Zusammenhang ist vor allem das Modell der

hierarchischen Kompensation bekannt geworden, in dem davon ausgegangen wird,

dass die Kompensation fehlender sozialer Unterstützung einer gewissen Art von

Hierarchie von Präferenzen für bestimmte Unterstützungspersonen folgt. Im

mittleren oder jüngeren Erwachsenenalter wird auf die Stabilität oder Dynamik von

Netzwerken jedoch wenig Aufmerksamkeit geschenkt. (Baas, 2008)

Die finale Betrachtung lässt jedoch die Tatsache nicht aus den Augen, dass

Familienhaushalte und deren Vernetzungen ein zentraler Ort der wechselseitigen

Hilfe und sozialen Anerkennung sowie der Regeneration von Humanvermögen sind.

(Kaufmann, 2005)

Verwandtschaft- Definition des Begriffs

Die Verwandtschaft unterscheidet sich nicht sehr von der Familie selbst. Giddens

(Giddens, 1999) deklariert diesen Begriff wie folgt: „Unter Verwandtschaft versteht

man Verbindungen zwischen Einzelpersonen, die entweder auf Heirat oder im Falle

der Blutsverwandtschaft auf gemeinsamer Abstammung beruhen (Mutter, Vater,

Nachkommen, Großeltern etc.)“

Ebenso wird die Verwandtschaft als besonders dauerhafte Beziehung, welche sich

deshalb als Grundlage multipler Netzwerkbeziehungen, vor allem dann wenn andere

Beziehungen zeitlich beschränkt bzw. versetzt gepflegt werden, definiert. (Pfister,

2008)

Page 78: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Verwandtschaft als Normensystem

Der Begriff „ Verwandschaft“ wird als sozialwissenschaftliches System verstanden,

welches auf Strukturen sozialer Normen basiert. Diese sind letztendlich diejenigen,

welche die soziale Institution schließlich ausmacht. Dabei sei jedoch zu beachten,

dass die jeweilige Ausformung der sozialen Normen, von der Verwandtschaft

abhängig ist, und dass sich diese von Familie zur Familie bzw. von Verwandtschaft

zu Verwandtschaft stark unterscheiden. Was jedoch jedem verwandtschaftlichem

Zyklus zugrunde liegt, ist die Erfahrung von Geburt, Schwangerschaft und Tod. Dies

sind die Faktoren, welche als Voraussetzung für das System sozialer Normen (in

diesem Fall für das verwandtschaftliche System) angesehen werden. So definiert die

Geburt eines Kindes den Beginn eines Lebens sowie den Beginn der Zugehörigkeit

zu einer Verwandtschaft. Es gibt aber generell zwei Kanäle, über welche man sich zu

einer Verwandtschaft zugehörig fühlen kann. Zum einen über die gerade

angesprochene Geburt zum anderen über die Ehe bzw. Verpartnerung im

allgemeinem Sinne, was schon Giddens zu verstehen gab. Jedoch soll dies nun

näher betrachtet werden. Vor allem kann man die Verwandtschaft aufgrund von

Geburt noch in die Bereiche Deszendenz oder Filiation selektieren. Bei der zweiten

Art der Verwandtschaft, derjenigen der Eheschließung bzw. Verpartnerung spricht

man ebenso entweder von Allianz oder Affinalverwandtschaft. Um den im

verwandtschaftlichen System verknüpften Individuen die Identität beizumessen,

muss man grundsätzlich den jeweiligen Verwandtschaftsnormen Folge leisten. Die

verwandtschaftlichen Normen sorgen in der Regel für eine Unterscheidung zwischen

dem „uns“ und „ihnen“. Somit markieren diese die Grenze zwischen Menschen und

definieren zudem, was das Spezifische an den jeweiligen Normen der

Verwandtschaft ist. (Kirchmeier, 2010)

Page 79: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Verwandtschaft gestern

Nach wie vor gibt es in der Verwandtschaft noch die Rolle der/ des Patin/ Paten.

Diese bürgen nämlich für den Täufling vor Gott u. der Gemeinde. Diese rituelle

Stellung wurde in der alten Kirche als Verwandtschaftsverhältnis, aus dem

seinerseits Erwartungen und Ansprüche folgten, begründet. Im Jahr 1563 reduzierte

das Tridentium die Patenzahl auf 2, was je einen pro Geschlecht aufgeteilt wurde.

Vor allem in der vormodernen Gesellschaft galt Patenschaft als Klientelverhältnis

zwischen dem Paten (bzw. Mann der Patin) und dem Kind bzw. seinem Elternteil. Es

wurden Zugänge zu Bildungsmöglichkeiten geschafft und es wurde in der Not

geholfen. Im Gegenzug erwartete man sich politische und anderweitige

Unterstützung. Vor allem galt die Regel, dass die Patin/ der Pate der Oberschicht

angehörten. Wenn jemand häufig als Patin/ Pate war Teil des Sozialprestiges.

(Pfister, 2008)

Claude Lévi Strauss verwendet in den elementaren Formen der Gesellschaft Begriffe

wie Inzestverbot (verbotene Grade). Dieser beinhaltet den Ausschluss von Willkür,

worunter die individuellen Belieben hinsichtlich Sexualkontakte verstanden werden.

Unter Endogamie wird die Heirat zwischen der Verwandtschaft gesprochen. So

können Endogamiegebote die Heirat in bestimmten (Verwandtschafts-) Kreisen

vorschreiben bzw. diese für sozial erwünscht deklarieren. Subsumiert man diesen

Begriff schließlich noch in parilineare Endogmie, versteht man darunter die

Geschwister-, Parallelcousinenheirat. Vor allem diente dies als Besitzwahrung,

demnach dieser im Besitz einer bestimmten Gruppe/ eines bestimmten Systems

verblieb. (Pfister, 2008)

Definition des Freundschaftsbegriffs Die Definition dieses Begriffs lässt sich nur schwer spezifizieren. Abhängig von der

jeweiligen Fachrichtung (z. B Persönlichkeitspsychologie, Ethnologie,

Sozialpsychologie, oder Soziologie), werden unterschiedliche Aspekte von

Freundschaften unter die Lupe genommen. Sowohl in der wissenschaftlichen

Literatur, als auch in der Alltagssprache bezeichnet dieser Begriff sehr

unterschiedliche zwischenmenschliche Beziehungen. Angefangen von emotional

engen, bis hin zu losen, meist aktivitätsbezogenen Beziehungen, findet hier vieles

Page 80: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

seinen Platz. In einem Zitat von Donelson und Gullahorn findet die Schwierigkeit

dieser Definition ihren Ausdruck (Kolip, 1993):

„ Mit Freundschaften ist es wie mit dem Jazz, wenn du sie erst definieren musst, wirst

du sie nie verstehen“23

Freundschaft als soziale Unterstützung

In der entwicklungspsychologischen Literatur wird der Aufbau von Freundschaften zu

Gleichaltrigen als eine wichtige Entwicklungsaufgabe erfasst. Freundschaften, bzw.

die Gruppe der Gleichaltrigen sog. peer- groups gewinnt bei Jugendlichen

zunehmend an Bedeutung. Neben der Schule und Ausbildungsplatz, sowie dem

Netzwerk der Familie, wird dieser Gruppe eine wichtige Sozialfunkton zugesprochen.

Vor allem für die Bewältigung entwicklungsspezifischer Aufgaben, wird dieser eine

zentrale Bedeutung zugesprochen. Vor allem in der Entwicklung von Identität dienen

Freundschaften zu Gleichaltrigen als Mittel zum Zweck. Nach Erik Erikson sieht die

menschliche Entwicklung notwendigerweise als eine Summe von inneren und

äußeren Konflikten. Er teilt sein epigenetisches Modell der

Persönlichkeitsentwicklung in acht Stadien auf, wobei das 5. Stadium

„Adoleszenz“ vor allem aufgrund der starken körperlichen Veränderung und der

Überflutung mit neuen Impulsen durch ein Gefühl des Identitätsverlustes

gekennzeichnet ist. Vor allem in dieser Phase helfen sich nach Erikson die

Jugendlichen gegenseitig durch Cliquenbildung. Diese deklariert er jedoch lediglich

als externen Pol einer an sich normalen Entwicklung, die eine Identitätsfindung zum

Ziel hat. Vor allem aber auch im Prozess der wachsenden Ablösung vom Elternhaus,

sind es die Gleichaltrigen, die zunehmend an Bedeutung gewinnen. Diese bilden

zum einen das Feld, in dem neue Verhaltensweisen erprobt werden und

Wertvorstellungen vermittelt werden, und zum anderen bieten sie Schutz und

emotionale Unterstützung und leisten somit ihren Beitrag zur Problembewältigung.

Auch der Zusammenhang zwischen dem psychosozialem Wohlbefinden und

Freundschaften, wurde für das Jugendalter ebenfalls gut bestätigt. Interessant

scheint hier vor allem die Tatsache, dass das Vorhandensein eines besten Freundes/

23

„It may be true of friendship as it is of jazz. If you need a definition for it, you`ll never understand ist.“

(Donelson & Gullahorn 1977, zitiert nach Dickens & Perlman 1981, S. 91)

Page 81: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

einer besten Freundin wichtiger ist, als die Popularität in der Gleichaltrigengruppe.

Nach Beendigung der Schulzeit gewinnt diese neben den Bereichen Freundschaft,

Sexualität, Kultur, Mode und Politik, auch bei der Lösung neuer Probleme an

Wichtigkeit. (Kolip, 1993)

Soziale Unterstützung ist ein Bereich, welcher von Freunden geleistet werden muss.

Freundinnen und Freunde sind in der Tat eine wichtige Quelle für soziale

Unterstützung. Studien belegen, dass sozial isolierte Personen häufiger unter

gesundheitlichen Störungen leiden, als diejenigen die eine Freundschaft pflegen. Vor

allem, um jetzt wieder das Spektrum auf die Jugendlichen zu richten, treten bei 14-

bis 16 jährigen Schüler/innen/n, erhöhte psychosomatische Symptome auf, wenn sie

keine Freunde oder Freundinnen haben. (Kolip, 1993)

Bei erwachsenen Freundes- und Geschwisterpaaren untersuchte Auhagen das

individuelle Verhalten. So wurden von 18 gleichgeschlechtliche Freundinnen/

Freundespaare sowie von 9 Brüder und Schwesternpaaren die persönlichen,

schriftlichen, telefonischen und gedanklichen Kontakte protokolliert. Hier kam man

vor allem der Frage nach, wie sich das Geben und das Nehmen von instrumenteller

und psychologischer Unterstützung verteilt. Es zeigte sich schließlich ein deutlicher

Unterschied zwischen Freundes- und Geschwisterpaaren. Freundinnen- und

Freundespaare geben und erhalten häufiger psychologische (emotionale)

Unterstützung, während Geschwister vergleichsweise häufiger instrumentelle

Unterstützung austauschten. Wobei auch hier ein Unterschied zwischen den

Geschlechtern erkennbar war: Die Frauenpaare tauschten dabei deutlich mehr

emotionale Unterstützung als Männerpaare. (Kolip, 1993)

Resümierend kann festgehalten werden, dass es vor allem im Jugendalter eine

wichtige Aufgabe ist, Freundschaftsbeziehungen aufzubauen. Neben der Aufgabe,

emotionale Unterstützung zu leisten, ergibt sich vor allem die Möglichkeit des

Ausprobierens und Erwerbes erwachsenen Rollenverhaltens. Es lassen sich sowohl

alters-, als auch geschlechtsspezifische Muster identifizieren. Am Anfang kommt es

zu gleichgeschlechtlichen Gruppen, die miteinander in Kontakt treten und sich

anschließend vermischen. Jedoch lösen sich diese im Erwachsenenalter in

gemischtgeschlechtliche Gruppen zugunsten von Paarbeziehungen auf. Mädchen

besprechen im Gegensatz zu den Jungen häufiger ihre Probleme mit Mitgliedern aus

Page 82: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

dem Freundeskreis, was vor allem ein entscheidender Faktor sein kann, der die

Problembewältigung der Mädchen im Jugendalter erleichtert. (Kolip, 1993)

Ein Netzwerk bringt einen wesentlichen Beitrag zur Erhaltung und Förderung der

Gesundheit

- Frauen während der Schwangerschaft, sind in dieser Zeit einer hohen Anzahl

von Stressoren ausgesetzt � durch eine soziale Unterstützung kommt es

seltener zur Komplikationen

- Ebenfalls ist das psychische Wohlbefinden junger Mütter nach der

Schwangerschaft besser, wenn sie auf ein Netzwerk zurück greifen können.

- Witwen, welche in der Phase der intensiven Trauerarbeit ein dichtes,

homogenes Netzwerk aufweisen können, bewältigen den Verlust ihres

Partners leichter.

- Nach einem Herzinfarkt haben Sozialbeziehungen einen positiven Einfluss

auf die Genesung.

- Die Mortalitätsrate in Personengruppen ohne sozialer Unterstützung sind

höher, als bei anderen.

- Psychische Erkrankungen, deren Auftreten und deren Verlauf wird wesentlich

von sozialen Netzwerken beeinflusst.

- Es besteht ein eindeutiger Zusammenhang zwischen sozialer Unterstützung

und gesundheitlicher Beeinträchtigung.

Page 83: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Literaturverzeichnis Baas, S. (2008). Soziale Netzwerke verschiedener Lebensformen im Längschnitt- Kontinuität oder Wandel? In J. H. Walter Bein, Familiale Beziehungen, Familienalltag und soziale Netzweke. Ergebnisse der drei Wellen des Familiensurverys (S. 148-149). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften/ GWV Fachverlage GmbH.

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Page 84: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Formal and Informal Network (Stefania Santangelo, Federico Veltri)

Introduction

The man is a social animal. (Aristotle)

The socialization is important because without it there is not life. Personal identity,

role of family, friendship and professional, do not exist for the man if not in a social

context.

Living needs belong to a group, to a community, to a population.

If we try to make a scheme of our life (family, workplace, school, relatives, friends,

hospital, ect..) we can have a lot of ties connected by a net.

An organization is a complex structure where the success depends on the

ability to gain competitive advantage and moreover on the information flows inside

the organization.

Inside the organization the work process and the activities are managed trough the

informal and formal relationship.

The informal roles are important in the decision-making process and they have an

impact on performance in the individual level and in the organizational network level

(Stefani et al., 2011).

The term Social Network is used to describe a social structure determined by

such interactions. A Social Network can be used to study relationship between

individuals, groups, and organizations.

The sociologist Ziegler defines the Social Network as “is therefore a system of

exchange transactions (...), resources, transmission of information, support, building

coalitions, coordinating activities, construction of trust donated by the feeling of

community.”

Page 85: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Social Network

Emile Durkjeim and Ferdinand Tönnies developed the theory of social network

at the end of XIX century. In 1930s Jacob Moreno analysing the interaction in social

group like class and working group.

A Social Network is hold together by a set of social actors and relationship definedby

these set of actors. These actors are associated by interest, and by the willingness to

cooperate and share the idea and information.

The Network is a relationship framework between actors that are an important social

form. This relationship framework can explain the behaviours from the people who

composed it.

The Social Network is composed by the subjects (units), the ties. The ties can be

individuals, groups, places, and institutions. This relationship can be represented

graphically. If we analyze the contents of the relationship, we can identify some

networks that can be support networks, informal network, formal network,family

network, network with interpersonal relationship.There are to main ways to represent

a Social Network: with a binary matrix or a graph.

The study method of social network, the social network analysis was used as

theoretical and methodological instruments for studying a lot of process.

Page 86: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Social Network Analysis

Social Network Analysis is a theoretical and methodological perspective that focus on

analysing social network. It has two main features: the idea of a society considered

as a plot of all human relationship (this plot is the focal topic of the analysis) and is a

perspective with a methodological and technical structure. This analysis was

developed by two groups of researchers. The first one is represented by the

anthropological school of Manchester in the early ‘40s. This group focus on the

process “in situation”. The second group of researchers was in Harvard during the

‘70s and they focused on the networks’ shape and not on the networks’ contents. In

their opinion the social relationship shape entails the contents.

Page 87: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Formal and informal Network

An informal network arises naturally: in fact this kind of network refers to friends,

family, relatives, ect.. Nevertheless, formal networksare related to work or planned

events,such as a workshop or a meeting. Usually, the formal networks are imposed

by the top, for example in a company there are formal networks when there are

hierarchy or bureaucracy.

Most organization starts with using informal network. They can continue using it or

they can turn to a formal network. Anyway a little level of formalization is needed

especially in the business organization (Korschin P et al.).

Informal network can cut formal process in order to overcome an obstacle, but

informal networks can stop communication and damage the a company plan.

Krackhardt compare the formal network to a skeleton and the informal network to a

nervous system. A formal network can be used to anticipate “normal” problems, but

when there is an unexpected problem an informal organization is more efficient

(Krackhardt et al., 1993). In fact a skeleton is strong but rigid, a nervous system is

fragile yet flexible. Moreover the nervous system is only felt and without subdivisions

in contrast to a skeleton (Han 1983).

In general we can affirm that the formal network is normative and informal network

has a descriptive property (Jensen 1995).

Formal and informal social networks have also different roles and meanings in

different societies.

A study have analyze the informal and formal networks in former socialist countries.

In these countries formal networks are less popular. Moreover, the country with

economic instability, corruption, have an high developed level of informal network.In

fact in the Soviet period people used connections in order to reach resources in

conditions of poverty.

Page 88: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Formal Network

Formalization is defined by Robbins as “the establishment of rules and procedures

for the operation of the organization”. All groups have a social structure that

organizes the relationship between the members. In fact the formalization helps to

create regularity and permanency in the organization. Usually formalization have:

basic rules, person who have the authority in order to make decisions for all the

organization, criteria for membership, meetings and other ways to communicate.

There are some reason to choose the formalization:in fact is impossible to

insure a thing in the long run. For that reason formalizing a network makes it more

real and create a sense of belonging among the members. Moreover, a formal

network used in a business context allowto achieve the aims more than an informal

network (Korschin P et al.).

Disadvantage of formalizing

Formalizing an organization entails some problems. The rules can be adverse for

potential participant. To keep a formal organization efficient occur time, money and

resource. For that reason the small business managers do not like formalization; for

them it results useless.

Page 89: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Create a formal network

A formal network requires measurement, process where every member of the

organization is involved. A network’s structure needs the stability between efficiency

and effectiveness. If there is a increasing of the members, the volume of organization

and administrative work will increase too. In this phase is important to have a good

coordination who assign responsibilities. In this role is important to have an expert

hired for that purpose (Nelson 2004).

Roles of formal network

To works correctly networks need to have dedicates roles. The most important are

network owners and network facilitator. Network owners facilitate interaction between

members, stimulate the creation of news idea, help members to accomplish the goals

of the organization. A network owner is more a natural leader than a boss. He has

not coordinate all process but just provides some input. The network owner is

responsible for organize the infrastructure, build program and make members

professional. Moreover, the network owner is chosen by the top if the organization,

anyway he has to be respected inside the organization.

Network facilitator is required by a formal network to organize meeting, calls,

manage best practices and connects members to each others. The network facilitator

could be elected by the members of network.

Challenges

A successful formal networks have to take a chance. Three possible challenges are:

rigidity, elitisms and demands on time.

The first challenge come out when network are overly focused on a set topic and this

cause to overlook emerging opportunities. The elitism happen when the network is

overcome by a group of expert and a new members cannot join the network.

In the demand sometimes, the members are involved into many interactions or

events.

Page 90: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Informal Network

In 1949 Mayo affirms: “In every department that continues to operate, the workers

have – whether aware of it or not – formed themselves into a group with appropriate

customs, duties, routines, even rituals; and management succeeds (or fails) in

proportion as it is accepted without reservation by the group as authority and leader”.

An informal network has four main contents:

• Affect

• Political

• Production

• Cultural

Affect means friendship, trust and intimate relations. Political refers to influence,

power and authority. Whereas production is related to the exchange of technical and

instrumental knowledge.Cultural means communication and flow of information.

Identify and defining the informal networks is a hard task.

The informal network existfor different reasons. Individuals are human being in a

formal workplace too. This means that people wants relations. Baker (1981) and Han

(1983) have found some of the functions of those informal organization related to the

psyche:

• Affiliation needs: a person want to join in a network of friendship and

support, after this the person lose a part of him individuality.

• Identify and self-esteem: if a person belong to a group,he develops an

individual sense of identity.

• Social reality: informal network offers the opportunity to express and

share feelings and emotions, reducing stress.

• Defence mechanism: belonging to a group enhance a defence

mechanism to reduce the uncertainty perceived by the members.

• Risk reduction: a group of individuals feel less risk than an individual.

Moreover, there are reason related to the practice:

Need to know: the informal network exist for the exchange of information.

Greasing the rusty wheels: individuals help each other in order to have favours in the

future.

Political manoeuvring: Gain advantage using information as instruments of influence.

Page 91: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

An informal social network can also increase the engagement and influence

performance. A smart company must not ignore the existence of informal network

and use only the formal way. When a company redesigned the organization have to

pay attention to use at best the informal network:

Identify existing informal networks: first is to know if the network already exist. In fact

networks have different form. The top management can use the network analysis to

identify the networks.

Provide them with just enough structure: an informal network needs to have a clear

accountability and management oversight.

Encourage new networks: if there are modifications, maybe, network not exist

anymore, so the top management has to encourage collaboration and interaction

between people.

Roles of individual in the network

The Players of a informal network are nodes who keep network alive by their links

with nodes. From pass literature we have five player roles in the informal network

(Davenport 1998).This five roles are central connectors, boundary-spanners,

gatekeepers, bridges and experts.

Central connectors are people who have frequently contacts with others in a local

setting. This persons have superior local knowledge and identification capabilities.

They can identify what knowledge seekers are looking for. When they have identify it

they connect knowledge seekers to people who can give them what they want.

Boundary-spanners connect a local network to other networks outside. They

constantly looking for new knowledge and they have a wide know-how, not restricted

on a local environment. Their knowledge allow them to communicate with the others

networks; usually they can speak more than a language and it is important to

communicate with the international people.

Gatekeepers control knowledge that enters into or lives a network.For example a

gatekeeper controls the flow of information. They protect local networks from the

problems that can come from the outside, they are responsible for update knowledge

by examination and screenings. Like central connectors they work well within local

areas in a setting with homogeneous knowledge.

Page 92: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Bridges connect people who do not share common background, skills of all

experiences. They speak a lot of languages and they can understand know-how in

different context, they also connect people who have opposite opinions. The bridges

serve also like mediator in the conflicts. A bridge has to have great communication

skills.

Experts have a deep knowledge of types of products, subject of process and a lot of

experiences. Usually they stay in the organization for a long time. They learn from the

experiences and they identifying and extracting knowledge in this manner.

Informal Network in formal organization

Is important to understand that both formal and informal can exist together, in the

literature there are some evidences that they can coexist (Monge, Eisenberg 1987

and Groat 1997). There are disagreement about what happen when they interact. At

the first is important to not simplify between formal is good and informal is bad. In fact

some authors have argued that the interaction cannot be distinguished only formal

and informal, because the situation is too complex (Ibarra 1992).Other authors,

instead, have overstating the importance of the informal network.Reif has shown that

informal network does not have a great influence as often suggested. Is important to

say that informal and formal network are not mutually exclusive.

Positive and Negative implications of informal netw orks for managers

Is important to know that the managers are involved themselves in the informal

networks. It creates different problems but also advantages. The informal network

develop a natural hierarchy this might be a test for a future manager. Usually the

person on the top is the person in the centre of the interactions. A problems that can

be happen, is the false rumours. Often a false rumour can damages the credibility of

the communication within the organization. With the informal network the managers

can gather information and identify unexpected problems. Other two problems are

the conflictsrelated to the loyalties and group-thinking: a group of individuals can

develop their or norms that could be generate differences with the other groups.

Moreover, an informal network can create a resistance to management.

Page 93: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Six myths about informal networks

Myths about informal networks How to overcome them

(1): to build better networks, we

have to communicate more;

To build better networks, focus

on who knows what

(2): everyone should be connected

to everyone else

People should be connected when

a strategic payoff is likely

(3): we can’t do much to aid

informal network

Informal networks can be

changed by changing the

organizational context

(4): how people fit into networks is

a matter of personality

How people fit into networks is a

matter of intentional behaviour

(5): central people who have

become bottlenecks should make

themselves more accessible

Central people who have become

bottlenecks should shift burdens

for providing information and

making decisions to others in the

network

(6): I already know what is going on

in my network

Those who are most adamant in

asserting that they know their

network are usually the farthest

off bas

Informal network and management of tacit knowledge.Nakamori Lab

An example: The informal network in job search acti vity

Another possible use of informal network is in the job search activity (Pistaferri 1999).

The literature regarding the relationship between the informal job search methods

and the labour market outcomes suggest us that the informal network bridge the gap

between entrepreneurs willing to hire new personnel and workers willing to supply

labour services. In the economic science informal practice means a market

inefficiency. A similar argument can be applied to the labour market as well. In fact a

perfect market would employs the workers with a “matching” criteria. For that reason

Page 94: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

the informal network have to be used only to correct possible labour market

imperfection. Nevertheless, as show by a EUROSTAT report (EUROSTAT 2011) the

68% find a job using informal networks. Germany is the country that use less informal

network, 40,2%, Greece use more, 92,2%.

Another study (Semple et al. 2002) demonstrate as the informal support network has

a great impact on the career.

This study distinguished the impact of informal network of career support on young

people in three ways: interventions, implicit assumptions and unplanned influences.

The intervention is an help that come from the parents that wants a career

development . The parents can use encouragement, raising aspirations, practical

assistance and contacts and involvement in the careers guidance process.

Implicit assumptions come usually from the family. This type of influence happen in a

particular context of values and expectations. An example can be the acceptability of

particular routes like training or university. Another way used is to share the work’s

values.

The last way is the unplanned influence. In this case the young people receive

influence from television, media, stimulated ideas about jobs, (for example medic,

lawyer etc..).The study demonstrate also that where the informal network is weak

there is a negative consequence on the career.

Table 1: Characteristics of Informal and Formal Structures

Informal structures Formal organizations

Grassroots orientation Top-down orientation

Spontaneously created Deliberately created

Constantly evolving Enduring (unless deliberately altered)

Dynamic and responsive Static and prescriptive

Fairly flat and fluid structure – flexible and Hierarchical structure – based on

Page 95: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

loose division of labour and specialization

People as individuals People as bearers of roles and

responsibilities

Relationships may be undefined Relationship structures well-defined

Bound by trust and reciprocity Bound by rules, process and order

Complex and hard to define Simple and easy to explain

Useful for rapidly changing circumstances

that are not well understood – adaptability

Useful for constant and well-known

situations – consistency

The characteristics in Table 1 are based on informal organizations composed of a

social structure that determines how people work together in practice. That structure

encompasses the norms, behaviours and personal and professional connections and

interactions shared by individuals within an organization or cluster of organizations. It

comprises social networks and personal relationships that are dynamic in nature and

evolve with the changing dynamics between and within a variety of organizations. As

a result, informal organizations are more responsive than the structure formal

organizations allow, and have the capacity to foster innovation, bring people together

to collaboratively solve problems and create opportunities for change within formal

structures.

Informal Network as a conflict preventive mechanism

One of the main reason why informal network are useful to prevent conflict is for the

presents of norm system. Without it an informal network cannot exist. If in a network

the members have the same shared values they have also the same conception of

legitimacy and power. Consequence of understanding legitimacy and power is to

understand the social moral and cultural aspects of the conflict. Is essential to

Page 96: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

prevent and manage the conflict. The conflict is also dependent by the parties, how

they construct their interest and attitudes. The shared values entail the same vision of

the problem and with the common perception, the conflict will be facilitated. In an

informal network that share the same members it will be easy to understand a

conflict, the causes and how it works. In order to strengthen the capabilities of

potential conflicting parties to resolve the disputes peacefully before they escalate,

it is essential to know how legitimacy and power is created and how it

changes. This is important since if the preventive measures, direct or

structural, are not considered legitimate by all parties, or if they are not

powerful enough, they will not be effective. Increased understanding of how

underlying norm systems are created and changes is in itself a structural mean to

prevent potential disputes from escalating. If the actors share the same norm

systems, or at least have an understanding of the others' norm system, the

escalation of the conflict will have to be the result of an active decision rather than a

misunderstanding. Shared norm systems will also help to regressively reduce the

underlying tensions that cause these issues and disputes. In short, informal

networks help making conflict prevention a possible policy choice, as well as

they hinder misunderstandings to cause an escalation of the conflict

(Weissmann2005).

Benefits of formal and informal Networks

Networks and liaison with organisations is usually carried out on two main levels:

• formal (official) level

• informallevel

The first is the , which usually involves letters, orders, enquiries, tenders, etc and

each organisation has formal policies and procedures that specify the process.The

second usually runs as general conversation (phone or face-face) or a light hearted

email. Care needs to be taken with emails so as to avoid unintended offense or

misinterpretation.

Page 97: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

The informal method should be utilised on a regular basis, as this breaks down

barriers and creates rapport. In the future handling of emergency situations this

rapport can open avenues and formal networking may follow. Also, use of the formal

processes will occur as contacts within organisations recognise each other. People

must be aware of which is the appropriate level of communication required in a given

situation.

Page 98: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

REFERENCES

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2. Farris, G. F. (1979). The Informal Organization in Strategy Decision-Making.

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13. Davenport, T.H. and Prusak, L. (1998). Working Knowledge: How

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Boston, MA.

Page 100: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Formelle und informelle Netzwerke (Mandl Angelika, BA) Netzwerk als Begriff ist in den letzten Jahren inflationär angestiegen. Menschen

finden sich zu einem Netzwerk zusammen. Dies passiert häufig bei Meetings,

Konferenzen und Online-Plattformen. Online-Plattformen wie Facebook oder Xing

haben eine Transparenz in Bezug auf Plattformen. Es gibt zwei Gesellschaften. Als

erstes die Netzwerkgesellschaft und als zweites die Wissensgesellschaft. Der Trend

tendiert eher zur Netzwerkgesellschaft (vgl. Pircher 2010, 211). In einer Organisation

wird als erstes ein Kollege im Unternehmen bei einer Frage kontaktiert und so wird

der Wissensstand zwischen den Menschen in einer Organisation ausgetauscht. Es

entstehen neben den formalen Hierarchien so genannte informelle Netzwerke. Diese

Netzwerke spiegeln die Funktion, die Struktur, wie Menschen in einer Organisation

miteinander kommunizieren und auch miteinander arbeiten wieder. Gleichzeitig wird

auch transparent, wie sich das Wissen in einem Unternehmen verteilt (vgl. Pircher

2010, 212).

Unterscheidung formelle und informelle Netzwerke

Formelle Organisationen sind Organisationen, die das Ergebnis aus einem

bewussten Handeln erzielen. Dabei wird die Struktur mit ihren Substellen

zusammengefasst. Diese Stellen funktionieren durch eine Ablauforganisation. Dabei

ist geregelt, wer welche Arbeitsabläufe durchführt.

Im Gegensatz dazu läuft bei der Informellen Organisation, neben der offiziellen

Struktur zusätzlich noch eine zweite Struktur. Dabei spielt das menschliche Verhalten

eine wesentliche Rolle. Entscheidungen werden stark von dieser Struktur beeinflusst.

Der Grund dieser informellen Struktur sind Bedürfnisse und Vorstellungen des

Mitarbeiters. Beispiele für diese informellen Netzwerke sind: informelle Gruppen,

informelle Kommunikation, informelle Normen, informelle Führer.

Bei den informellen Gruppen sind aufgrund der gemeinsamen sozialen Faktoren, wie

Alter, Herkunft und gemeinsame Interessen Grund für Tischgruppen, Plaudergruppen,

die Zusammenkunft in den Raucherecken und Anhänger einer Fußballmannschaft

(vgl. http://www.ibim.de/pl+orga/2-5.htm, [02.01.2012).

Bei den informellen Kommunikationen handelt es sich um die Gespräche, welche die

persönlichen Informationen treffen und Gespräche, welche zwar das Unternehmen

betreffen, aber auch außerhalb bei den vorgegebenen Kommunikationswegen weiter

Page 101: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

besprochen werden. Bei den informellen Normen spielen die Verhaltensrollen der

Mitglieder eine Rolle. Dabei wird das Verhalten sowohl in der formellen als auch in

der informellen Struktur geregelt. Beispiele dafür sind die Regelung der Arbeit, wer

was in der Organisation und informell macht z.B. ein anderer verrichtet diese Arbeit,

da er sie auch früher schon gemacht hat.

In Bezug auf die Informellen Führer werden die Mitarbeiter herangezogen, die eine

hohe fachliche Kompetenz aufweisen und langjährige Erfahrung haben. Diese

Mitarbeiter haben eine besondere Autorität im Unternehmen. Diese Personen

können eine integrierende und stabilisierende Autorität einnehmen. Dabei kommt es

auch in manchen Fällen zu Konflikten mit dem formellen Führer (vgl.

http://www.ibim.de/pl+orga/2-5.htm, [02.01.2012). Deshalb ist die Kommunikation im

Unternehmen von großer Bedeutung. Aber dabei stellt sich folgende Frage:

Was bedeutet Kommunikation? Von Paul Watzlawick stammt folgendes Zitat: „Man kann nicht nicht

kommunizieren“ http://www.enjoyliving.at/geistseele-magazin/soziale_kompetenz/wir-

verstehen-uns-.html, (01.12.2011]). Dabei setzt Watzlawick die Kommunikation mit

dem Verhalten auf eine Ebene und meint, dass es immer eine Kommunikation gibt,

auch wenn nichts gesprochen wird. Das passiert durch das Verhalten. Jedes

Verhalten hat seine eigene Bedeutung und auch einen kommunikativen Charakter.

Es wird etwas mitgeteilt und gibt dem Empfänger eine Botschaft entweder durch

Handeln, Nichthandeln, Sprechen oder Schweigen (vgl.

http://www.enjoyliving.at/geistseele-magazin/soziale_kompetenz/wir-verstehen-uns-

.html, (01.12.2011]).

Wie sieht die Kommunikation überhaupt aus? Es gibt mindestens zwei Akteure. Diese tauschen sich über ein Thema in einer für

beide bestimmten Umgangsform aus. Dieser Austausch erfolgt über Schrift, gesagte

Wörter, Mimik, Gestik oder Bilder. Die Form des Austausches kann entweder direkt

über Präsenz oder indirekt über die Möglichkeit der Medien erfolgen. Beide Akteure

interpretieren die Sprache, die Schrift, den Ausdruck und das Erscheinungsbild.

Während des Kommunikationsaustausches versuchen beide Partner die Botschaft zu

verstehen. Vorgeschichten, Raum, Zeit, Interesse, Machtanlagen, sowie den Anlass

Page 102: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

selbst spielen eine erhebliche Rolle, wie der Kommunikationsprozess abläuft. Ein

weiterer wichtiger Aspekt sind die Kompetenzen, welche im Rahmen der

dynamischen Organisation vorhanden sein müssen. Der Einsatz der Medien darf in

diesem Zusammenhang keine behindernde Rolle spielen, aber auch der ständige

Wechsel beim Umgang mit den verschiedenen Prozessen darf keine erschwerende

Rolle spielen. Dies zeigt von Fach- und Methodenkompetenz und zeigt auch die

Selbstkompetenz und die Sozialkompetenz (vgl. http://www.enjoyliving.at/geistseele-

magazin/soziale_kompetenz/wir-verstehen-uns-.html, (01.12.2011]).

Kommunikation in einem dynamischen Unternehmen

Ein Erfolg eines Unternehmens hängt stark von der Kommunikation ab. Deshalb ist

die Kommunikation zwischen den Beteiligten, sowohl intern als auch extern von

großer Bedeutung. Die modernen Kommunikations- und Informationstechnologien

sollen den Mitarbeitern helfen, die Kommunikation bzw. auch das alltägliche Tun zu

erleichtern. Dazu benötigt man aber auch die Kompetenz mit Medien umzugehen.

Welche Neuheiten bzw. Besonderheiten gibt es überhaupt bei den Netzwerken (vgl.

Internet). Der Trend geht dahin, dass Netzwerke dynamisch und flexibel sein müssen.

Netzwerke werden häufig mit Projekten verbunden und dadurch ändern sich auch die

Zusammenarbeit und die Kommunikation (vgl. Ackermann 2007).

Weitere Trendentwicklungen sind Fusionierungen von Betrieben, sowie temporäre

Teamarbeit, Reorganisierungen von Betrieben und Prozessoptimierungen. Eine

Organisation galt als stabil, hierarchisch strukturiert und als geschlossen. Heutzutage

werden Organisationen in verschiedene Gruppen, wie Profit und Nonprofit –

Organisationen unterteilt, sowie in modulare, virtuelle Organisationen und auch

Kooperationsgeflechte gelten als Organisation. Bei diesen verschiedenen

Organisationsformen ist die Kommunikation zwischen den einzelnen Organisationen

von Wichtigkeit, da die Qualität der Beziehungen durch die Kommunikation gesteigert

werden kann. Wichtig dabei sind die Informations- und Kommunikationstechnologien.

Sie erleichtern die Kommunikation zwischen den einzelnen Unternehmen. Diese

Verbindungen zwischen den Unternehmern sind häufig zeitlich begrenzt. (vgl.

http://www.community-of-knowledge.de/beitrag/gestaltung-von-kommunikation-in-

dynamischen-organisationen-und-netzwerken/ S 2, [22.12.11]).

Page 103: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Kommunikation und Beziehungen

Kommunikation funktioniert besser, wenn man sich gegenseitig kennt und auch die

Vorlieben, Eigenheiten und Werte des anderen kennt und schätzt. Es entsteht eine

Vertrauensbasis, welche das Zusammenarbeiten deutlich erleichtert und die bei

Fehlern bzw. auch bei Konflikten hilfreich sein kann, damit eine Lösung gefunden

bzw. ein Konflikt beseitigt werden kann. Bei dem längeren Zusammenarbeiten

werden bestimmte Handlungsabläufe zur Routine und das so genannte Hand in

Hand arbeiten funktioniert einwandfrei. Gemeinsame Erfahrungen können für das

Lernen in der Organisation beitragen und fördern sowohl bei formellen als auch bei

informellen Situationen das Wachstum sowie die Individualität und die Kollegialität.

Dies fördert nicht nur das Wissen im Prozess, sondern auch die Interaktion und somit

auch die Innovation (vgl. http://www.community-of-knowledge.de/beitrag/gestaltung-

von-kommunikation-in-dynamischen-organisationen-und-netzwerken/ [22.12.2011]).

Faktoren, die Mitarbeiter haben müssen, um eine Idealsituation in der Berufswelt in

Bezug auf die Kommunikation herzustellen sind Zusammenarbeit, Vertrauen,

Umgangsformen und sowohl persönliche, als auch soziale Kompetenz (vgl. Pardon

2006, 105 ff).

Die Frage, die sich weiters stellt ist, was brauchen die Mitarbeiter als Akteure in einer

dynamischen Organisation?

Strategische und situative Professionalität: Diese gibt Klarheit über die Position

und die Rolle in der Organisation selbst. Somit ist das Handlungsfeld klar und die

Beziehungen können ausgebaut und Projekte geplant und durchgeführt werden (vgl.

http://www.community-of-knowledge.de/beitrag/gestaltung-von-kommunikation-in-

dynamischen-organisationen-und-netzwerken/ [22.12.11]).

Einstellung: Die Einstellung der Mitarbeiter spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Das

Selbst-Bewusstsein eines jeden wird in der Haltung, in der Einstellung, bei seinen

Werten und bei der Motivation sichtbar. Dabei kommt es darauf an, wie die

grundsätzliche Einstellung zu Beziehungen bzw. zum Zusammenarbeiten jenes

einzelnen ist und so kann auch die Zusammenarbeit bzw. die Umsetzung in der

Organisation gefördert oder gehemmt werden (vgl. http://www.community-of-

knowledge.de/beitrag/gestaltung-von-kommunikation-in-dynamischen-

organisationen-und-netzwerken/ [22.12.11]).

Page 104: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Interpretatives Lernen: Durch den dynamischen Prozess im Unternehmen wird das

interpretative Lernen gefördert und die Arbeitsweise in den Gruppen wird durch

Reflexion, Feedback und erneutem Bearbeiten ständig weiterentwickelt. Die

Veränderungen zur starren Organisation liegt darin, dass das Verstehen des

Vorhabens von Bedeutung ist. Natürlich fördert dies auch die Beziehung zu den

Geschäftspartnern und die Zusammenarbeit.

Verständigungssicherung . In einer dynamischen Organisation können diese nur

dann eingesetzt werden, wenn persönliche Präsenz, fehlende Routine, Konzentration

auf elektronischen bzw. schriftlichen Austausch vorhanden sind oder eine face-to-

face Kommunikation bietet reichhaltigen Kontakt (vgl. http://www.community-of-

knowledge.de/beitrag/gestaltung-von-kommunikation-in-dynamischen-

organisationen-und-netzwerken/ [22.12.11]).

Kommunikationswege in Netzwerken

Es gibt drei Wege der Kommunikation, die Abwärts-, die Aufwärts- und die

Horizontalkommunikation.

Die Abwärtskommunikation, auch Top-down-Kommunikation genannt wird in

einem Unternehmen am häufigsten verwendet. Diese Kommunikation erfolgt so,

dass die Mitarbeiter einer Organisation Anweisungen, Instruktionen von einer

höheren Position erhalten. Des weiteren wird den Mitarbeitern das Vorhaben des

Unternehmens erklärt, sowie Pläne und die Entwicklung präsentiert. Durch Aus- und

Weiterbildung werden Mitarbeiter dazu angeleitet bestimmte Kompetenzen zu

erwerben und diese danach auch in dem Unternehmen einzusetzen. Das

Management entscheidet und begründet die Entscheidung (vgl. Oberhofer 2008, 47

ff.).

Medien, welche in diesem Zusammenhang verwendet werden sind: Rundschreiben,

Jahresberichte, Newsletter, Filme und Präsentationen. Feedback wird in dieser Form

der Kommunikation nicht gelebt.

Probleme die bei dieser Art der Kommunikation auftauchen sind: das so genannte

Herrschaftswissen: das heißt, dass Informationen zurückgehalten werden. Die

Verzerrung der Information durch Missverständnisse oder durch persönliche Motive.

Vorteile die diese Methode mit sich bringt sind, wenn Mitarbeiter direkt einen Brief

bzw. eine Information vom Management bekommen, so ist diese Botschaft klar und

es entstehen dabei keine Missverständnisse (vgl. Oberhofer 2008, 47 ff.).

Page 105: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Bei der Aufwärtskommunikation oder auch noch Bottum-up-Kommunikaion

genannt, ist die Form der Kommunikation, die von unten nach oben funktioniert. Der

Vorteil dieser Art der Kommunikation ist es, die Wünsche, Erwartungen,

Informationen von Mitarbeitern werden so zur Geschäftsleitung, sowie zum

Vorgesetzten transportiert. Ziel dieser Kommunikationsform ist es auch, dass

Probleme direkt zum Vorgesetzten gelangen und bei Entscheidungsfragen dort

gelöst werden können. Ein weiterer Vorteil ist auch, dass Vorschläge und

Innovationen direkt zum Management gebracht werden können. Lösungsvorschläge

und Erfahrungen der Mitarbeiter können effizient genützt werden. Aber auch

Meinung, Einstellungen und Gefühle spielen bei der neuen Zielsetzung, sowie bei

der Unternehmensstrategie eine wichtige Rolle und können dabei einfließen.

Instrumente, die bei dieser Form der Kommunikation eingesetzt werden sind:

Mitarbeiterbefragung, Vorgesetztenbeurteilung, Beschwerdemanagement und

betriebliches Vorschlagswesen (vgl. Oberhofer 2008, 47 ff.).

Von den Medien wird hier häufig, Briefe, Mitarbeitergespräche, Telefon, Workshops,

Seminare für Kommunikation eingesetzt, aber auch das Intranet und der E-

Mailverkehr haben hier ihre Berechtigung. Ob diese Kommunikationsform gut

funktioniert hängt von der Beziehung zwischen den Mitarbeitern und dem

Vorgesetzten ab. Ob eine so genannte Open-door-Politik in dem Unternehmen

herrscht, hängt vom Vertrauen in der Beziehung zwischen den beiden ab.

In Bezug auf die Horizontalkommunikation, auch noch In-between-Kommunikation

meint man jene Kommunikationsebene, die sich weder noch in die Aufwärts- noch in

die Abwärtskommunikation einordnen lässt. Dabei ist die Kommunikation in den

Berufsgruppen, in derselben Hierarchie gemeint. Diese Form der Kommunikation

spielt bei der Entscheidungsfindung, sowie bei der Koordination, Abstimmung,

Problemlösung und in der sozio-emotionalen Unterstützung eines Kollegen eine

wichtige Rolle.

Instrumente, welche bei dieser Form der Kommunikation eingesetzt werden sind:

Intranet, Meeting, E-Mail, abteilungsübergreifende Meetings und Besprechungen,

sowie informelle Gespräche (vgl. Oberhofer 2008, 47 ff.).

Strukturen der Netzwerke Es gibt unterschiedliche Formen, welche die Struktur eines Netzwerkes auflisten

kann. Dazu gehören: Sternstruktur, Kettenstruktur, Y-Struktur, die Kreis-Struktur und

die Vollstruktur. Folgende Strukturen kommunizieren auf unterschiedliche Art und

Page 106: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Weise. Bei der Sternstruktur kommunizieren die Mitarbeiter der Organisation nur mit

der zentralen Position. Die Mitarbeiter selbst haben keine Option sich direkt

untereinander auszutauschen. Diese Art der Strukturform wird auch noch als

Vorgesetztenstruktur bezeichnet. Diese Form eignet sich gut für Übermittlung von

Entscheidungs-, Durchführungs- und Kontrollinformationen, da dabei nur ein Weg

möglich ist (vgl.Byers 1997, S 46 in Mast 2006, 226). Ein Beispiel dafür ist der

Kontakt aus der Sicht des Vorgesetzten zu einem Kunden, auf der anderen Seite

zum Lieferanten und auf einer anderen Seite zur Außenstelle A, B und C.

Bei der Kettenstruktur handelt es sich um eine lineare Form. Dabei sind die

Mitglieder des Unternehmens linear angeordnet. Die Kommunikation läuft von A zu B

und von B zu C, usw.. Bei dieser Struktur gibt es keinen Kontakt untereinander.

Langfristig besteht die Gefahr, dass Informationen verloren gehen und auch verzerrt

werden. Diese Form der Kommunikation ist eine typische vom Vorgesetzten zu

seinen Mitarbeitern über alle Führungsebenen (vgl. Byers 1997 42 ff. in Mast 2006, S

227).

Die Y-Struktur teilt die Kommunikationswege nach dem Aufbrechen in zwei Teile.

Diese teilt sich auf und kann in zwei unterschiedliche Beziehungen aufbrechen. Ein

Beispiel davon ist, wenn in einem Unternehmen die fachliche und funktionale

Führung getrennt gehalten werden. Dabei spielen bewusst zwei unterschiedliche

Kommunikationsnetzwerke eine wichtige Rolle (vgl. Byers 1997, S. 42 ff in Mast 2006,

227).

Abb. 1.: Modifiziert nach Byers 1997 in Mast 2006, 226

Abb. 3.: Modifiziert nach Byers 1997 in Mast 2006, 226

Abb. 2.: Modifiziert nach Byers 1997 in Mast 2006, 226

Page 107: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Anhand der Kreisstruktur ist erkennbar, dass direkt mit den

Kommunikationsnachbarn eine Verbindung herrscht. Der Informationsaustausch

funktioniert nur mit den Nachbarn, aber ansonsten mit keinem des Kreises. Beispiele

dafür sind Vertreter, welche von jemanden anderen hören, wer die Botschaft

weitervermittelt hat (vgl. Byers 1997, S 42 ff. in Mast 2006, 227).

Eine weitere Struktur ist die so genannte Vollstruktur. Diese wird auch noch als Form

der offenen Kommunikation gesehen. Dabei kann jedes Mitglied des Unternehmens

mit jedem anderen kommunizieren. In diesem System gibt es zahlreiche

Kommunikationspartner und auch soziale, sowie persönliche Kontakte, die nach

Belieben intensiviert werden können. Der Nachteil dieses

Kommunikationsnetzwerkes ist die Zeitintensität, welche benötigt werden kann, um

an die richtigen Informationen zu kommen. Die Anwendung dieses Systems findet

man bei Problemlösungen oder Brainstormings (vgl. Byers 1997, 46 ff. in Mast 2006,

228). Natürlich gehen die Kommunikationswege in beide Richtungen.

Abb. 4 Modifiziert nach Byers 1997 in Mast 2006, S 228

Abb. 5.: Vgl. Byers 1997 S 46 ff. in Mast 2006, S 228

Page 108: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Netzwerke in einem Unternehmen können unterschiedlicher Natur sein, wichtig bei

allen Netzwerken ist die Kommunikation. Jedes Netzwerk zeigt Vorteile und

Nachteile. Wichtig dabei ist, die Kommunikation zwischen den einzelnen Netzwerken.

Ob dies eine Aufwärts-, Abwärts- oder Horizontalkommunikation ist, ist nicht von

Bedeutung. Die Qualität der Kommunikation wird von der Art der

Kommunikationsform zwar beeinflusst, aber jeder Mitarbeiter kann trotzdem die

Qualität der Kommunikation in einem Unternehmen steigern.

Literaturverzeichnis

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Page 109: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Formelle und informelle Netzwerke (Santer Sarah, BA)

„Beziehungen sind alles. Alles im Universum existiert nur, weil es in Beziehung zu

allem anderen steht. Nichts existiert isoliert. Wir müssen aufhören so zu tun, als

wären wir Individuen, die es allein schaffen.“ (Margaret J. Wheatley)

Netzwerke sind ein Geflecht aus sozialen Beziehungen. Sie sind gekennzeichnet von

strukturierten Prozessen des Informationsaustausches, können als Hilfeleistung

angesehen werden die auf Gegenseitigkeit beruhen und als Ressourcen die für die

Mobilisierung von Bedeutsamkeit sind (vgl. Feltz und Koppke, 2004, S. 138).

Durch die Verbreitung von interaktiven neuen Medien die die breite Masse

ansprechen, dringen diese Netzwerke immer häufiger in den heterogenen Kontext

hinein und finden dort Anwendung (vgl. Feltz und Koppke, 2004, S. 138).

Die Bedeutung von beruflichen und sozialen Netzwerken im

Zusammenhang mit der Arbeitswelt nimmt stetig zu.

Möglicherweise liegt eine der Ursachen in der aktuell sehr

schnelllebigen, dynamischen und unsicheren Zeit in der sich

die Gesellschaft gerade befindet. Alles ist von enormer

Schnelligkeit geprägt, die Technik schreitet immens voran und

der Mensch muss sich an die gegebenen Veränderungen anpassen so gut wie es

ihm nur möglich ist – und sehr häufig ist dies ein schwieriger Weg – weshalb man

sich beispielsweise in der Arbeitswelt wieder verstärkt unterschiedliche Beziehungen

knüpft, um sich dadurch eventuell gegenseitig zu stützen (vgl. Schmich, 2011, S. 44).

Auch der Faktor der eigenen Arbeitsplatzsicherheit spielt mit eine Rolle sich wieder

verstärkt mit Netzwerken zu beschäftigen. Denn in der heutigen Zeit ist die Sicherheit

eines Arbeitsplatzes nirgendwo mehr vollkommen gegeben; viel zu schnell besteht

die Möglichkeit eines raschen Austrittes aus der Arbeitswelt (vgl. Schmich, 2011, S.

44).

Wenn man heute von Netzwerken redet, möchte man damit sehr häufig

unterschiedliche Kontaktaufnahmen und –geschichten beschreiben. Es geht

beispielsweise um die Chancen von Netzwerken sowohl auf formeller als auch

informeller Basis (vgl. Holzer, 2006, S. 8 f).

Page 110: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

In den folgenden Ausführungen spielen vor allem die im Zusammenhang mit der

Arbeitswelt existierenden formellen und informellen Netzwerke eine Rolle.

Im beruflichen Alltag gibt es ein klares Erscheinungsbild über das Vorhandensein

von formellen und informellen Netzwerken, die sich durch bestimmte Merkmale

wesentlich voneinander unterscheiden und doch beide auf wesentliche Art essenziell

wichtig sind.

Formelle Beziehungen

Formelle Beziehungen weisen das Charakteristikum auf, dass hierbei meistens

mehrere Unternehmungen mit eine Rolle spielen, im Gegensatz zu informellen

Netzwerken. Das bedeutet das bei den formellen Netzwerken für den

Unternehmensinhaber bzw. die Führungsebene sowohl persönliche Motive von

Bedeutung sind, jedoch aber auch wirtschaftliche Aspekte, wie etwa Kennzahlen aus

der Einnahmen- und Ausgabenpolitik. Demzufolge sind es die formellen

Beziehungen, die darauf angewiesen sind, dass eine hohe Beteiligungsanzahl

vorhanden ist, um eine Zusammenarbeit mit anderen Unternehmungen überhaupt

erst möglich machen zu können (vgl. Grimm, 2004, S. 189).

Bei der Formung von formellen Beziehungen zu anderen Unternehmen ist es ein

wichtiges Ziel seine eigenen Vorstellungen zu kennen und nach diesen zu agieren.

Somit spielt es auch eine entscheidende Rolle sich schlussendlich Partner zu suchen,

die zu den eigenen Netzwerkzielen passen. Als Partner gilt hierbei sowohl ein

Stakeholder als auch ein Zielkunde der eigenen Unternehmung. Ein Augenmerk

hierbei sollte auch auf die einzunehmende Rolle der Partner gelegt werden, sprich ob

die Partner eine aktive Rolle für das eigene Unternehmen einnehmen, oder eher als

ein passiver Zuhörer agieren (vgl. Grimm, 2004, S. 189).

Entscheidet man sich an einem formellen Netzwerk teilzunehmen, muss man darauf

achten ob mit diesem Eintritt auch Gebühren in Verbindung stehen, wie etwa

Eintrittsgebühren, um sich als reales Mitglied outen zu dürfen. In wie weit hier

Kosten- und Nutzen-Verhältnis zum Tragen kommen, muss jede Unternehmung für

sich selbst entscheiden (vgl. Grimm, 2004, S. 189).

Formelle Beziehungen gliedern sich in die organisationale Struktur einer

Unternehmung ein und charakterisieren vor allem das Verhältnis zwischen Kollegen

und Kolleginnen, die gemeinsames Arbeiten verbindet, die Beziehung zwischen

Page 111: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Mitarbeitern und Vorgesetzen, sowie auch das Verhältnis zwischen den

verschiedenen Organisationen und den Angehörigen der Kunden (vgl. Brink, Ernst-

Auch & Faber, 2011, S. 311).

Formelle Beziehungen zählen zu den offensichtlichen Netzwerken, das heißt man

kann sich leicht Informationen über sie einholen, wie beispielsweise durch die nähere

Betrachtung der Internetseite einer Unternehmung oder durch das Lesen diverser

Broschüren und Folder die von dem Unternehmen herausgegeben werden.

Vorrangiger Zweck von formellen Netzwerken ist das Vorhandensein von

gemeinsamen Zielen, gemeinsam an Prozessen und Aufgabengebieten zu arbeiten,

diese zu optimieren und zu gestalten.

Unternehmungen von heute leben vor, dass jedoch nicht nur die formellen

Beziehungen in einem Unternehmen von Bedeutung sind, sondern auch zunehmend

die informellen Netzwerke an Gewicht gewinnen. Demzufolge bedienen sich bereits

einige Unternehmungen informeller Netzwerke, um diese innerhalb des Betriebes

sinnvoll zu nutzen und einzusetzen (vgl. Brink, Ernst-Auch & Faber, 2011, S. 311).

Informelle Beziehungen

Die informellen Beziehungen sind grundsätzlich nach außen hin nicht erkennbar.

Sie ergeben sich unabhängig vom Unternehmenskontext, das heißt außerhalb von

organisationalen Strukturen. Informelle, soziale Beziehungen gehören zum

Grundkonzept eines jeden Netzwerkes und weisen eine breit gefächerte Definition

auf, da sie sehr vielfältig zu interpretieren sind. Man versteht darunter beispielsweise

gesellige Beziehungen unter Bekannten bzw. Freunden, es gehören jedoch auch e-

Mail Kontakte bzw. Briefbekanntschaften, die eventuell noch nie einer persönlichen

Begegnung entsprachen, dazu, wie ebenfalls die Beziehung unter Arbeitskollegen

(vgl. Holzer, 2006, S. 9).

Diese Beziehungen verbindet mehr, als rein der Arbeitskontext und Kommunikation

findet hierbei auch außerhalb der Unternehmung statt. Das bedeutet das Mitarbeiter

die eine gewisse Sympathie zueinander aufweisen, gut miteinander auskommen und

sich verstehen, die eventuell auch Gemeinsamkeiten verbindet, sich häufig zu einer

produktiven und harmonischen Gruppe zusammenschließen und gemeinsam

erfolgreich an einem Ziel arbeiten (vgl. Brink, Ernst-Auch & Faber, 2011, S. 311).

Page 112: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Ob dieser Kontakt, den die Mitarbeiter untereinander führen jedoch von Dauer ist

oder eher mehr auf Zeit angelegt, dass entscheiden die jeweiligen Individuen ganz

speziell für sich. Im Allgemeinen kommt es jedoch zum Aufbau von persönlichen als

auch unpersönlichen Beziehungen, die entweder von einer wiederholten oder jedoch

von einer eher sporadischen Kontaktaufnahme geprägt sind (vgl. Holzer, 2006, S. 9).

Für Unternehmungen ist vor allem der Kontext von häufiger existierenden Kontakten

von Interesse. Das heißt nicht, dass es nicht wertvoll erscheint sich auch mit

gelegentlichen Beziehungen zu beschäftigen, ein Netzwerk beginnt jedoch vor allem

erst dann zu entstehen, wenn sich dabei „ein mehr oder weniger stabiles und vor

allem erwartbares Beziehungsmuster herauskristallisiert.“ (Holzer, 2006, S. 9).

Für jedes Unternehmen ist es essentiell wichtig die informellen

Kommunikationsstrukturen zu (er)kennen, um diese schlussendlich effizient und

äußerst nutzenstiftend einzusetzen.

Dahingehend wird ein Unternehmen, das ein gutes Arbeitsklima und motivierte,

engagierte Mitarbeiter in deren Betrieb haben möchte, sich verstärkt mit der

Thematik der formellen und im Speziellen den informellen Netzwerken in deren

Unternehmensbereich beschäftigen. Es ist für ein Unternehmen wichtig zu wissen,

welche Personen gut miteinander arbeiten können, denn somit wird gewährleistet,

dass die Ziele die zu verfolgen sind, auch adäquat und erfolgswirksam erfüllt werden

(vgl. Brink, Ernst-Auch & Faber, 2011, S. 311).

Netzwerke

Netzwerke sind grundsätzlich überall in unserer Gesellschaft zu finden. Vor allem

seit der Vielzahl an technischen Möglichkeiten globaler Vernetzung ist es uns auf

unterschiedlichsten Wegen möglich mit Menschen in Kontakt zu treten und mit ihnen

zu kommunizieren.

Dadurch hat sich das Bild der Arbeitswelt um einiges gedreht und erlangte einen

völlig neuen Stellenwert. Heutzutage ist es möglich mit Personen aus aller Welt in

Verbindung zu treten und mit ihnen zu arbeiten. Somit etablierte sich unsere

Gesellschaft zu einer „Netzwerkgesellschaft“, der eine breite Fläche an Möglichkeiten

der Kommunikation zur Verfügung steht.

Page 113: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Die Wissenschaft fordert eine verstärke Vernetzung zwischen einzelnen Strukturen

und die Verwendung von Netzwerksystemen. Das Vorhandensein und der Gebrauch

von diversen Netzwerkaktivitäten wird von potenziellen Mitarbeitern die sich in ein

Unternehmen integrieren möchten beinahe schon wie selbstverständlich

vorausgesetzt (vgl. Holzer, 2006, S. 5).

Gemeinschaftsportale

Gemeinschaftsportale, Online-Kontaktnetzwerke bzw. Online Community sind

Ausprägungen von informellen und formellen Beziehungen die in den letzten Jahren

enorm an Ansehen und Bedeutung gewonnen haben.

Eine Online Community ist „eine Gruppe von Menschen, die eine gemeinsame

Affinität teilen, dessen Aufrechterhaltung jedoch nicht abhängig von physischer

Interaktion oder einem gemeinsamen Standort ist.“ (Barnatt, 1998; zitiert nach

Messerschmidt, Berger und Skiera, 2010, S. 97)

Diese Netzwerkgemeinschaften charakterisieren die Vorstufe von sozialen

Beziehungen. Durch gewisse Netzwerkverbindungen entstehen solche

Gemeinschaftsprotale die ein bestimmtes Thema verfolgen, in denen man sich

austauscht, miteinander diskutiert und in Kontakt treten kann. Immer mehr

Unternehmungen setzen auf Online Communities und gebrauchen diese als ein

Marketinginstrument (vgl. Jooss, Egger, Hinterholzer, und Bretbacher, 2011, S. 297).

Wenn sich ein Unternehmen dazu entschließt eine Online Community zu errichten,

dann muss es sich darüber im Klaren sein sich ständig mit dieser Plattform

beschäftigen zu müssen. Denn Online-Plattformen leben davon, dass tagtäglich

neue Themen gepostet und der Öffentlichkeit als Diskussionsmöglichkeit angeboten

werden. Via Chats, Foren und/oder dem Instant-Messenger ist es den Menschen die

dieser Community beitreten möglich, sich gegenseitig auszutauschen und deren

Wissen Preis zu geben bzw. deren Meinung Kund zu tun (vgl. Dittler, Kindt, und

Schwarz, 2007, S. 8).

Somit stellen Online-Communities eine Erneuerung sozialer Systeme dar, die es

bisher in dem Vorhandensein von Netzwerken noch nicht gegeben hat (vgl. Dittler,

Kindt, und Schwarz, 2007, S. 8).

Page 114: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Jedes Individuum kann frei entscheiden ob es einer Online-Community beitreten

möchte oder nicht. Sollte es sich dafür entscheiden, kann es seine eigene

persönliche Profilseite erstellen und Angaben anführen, die es der Öffentlichkeit

gerne Preis geben möchte. Es ist dem User möglich durch das Erstellen einer

Profilseite auch Profilseiten anderer Community-User einzusehen und somit

Informationen über sie zu bekommen. Wenn man gerne mit jemanden näher in

Kontakt treten möchte, so kann man dies ohne weiteres per Mausklick tun – und

somit entstehen soziale webbasierte Netzwerke. (vgl. Messerschmidt et al., 2010, S.

97)

Zu Beginn der Entstehung von Online-Communities waren es vorrangig

Unternehmen die eine dieser Plattformen eröffneten, um somit auf sich aufmerksam

zu machen bzw. bestimmte Themenbereiche zu posten. Das heißt es waren

vorwiegend nur Konsumenten oder Interessenten die sich

solch einer Community anschlossen. Myspace

beispielsweise wurde gegründet weil es den Schwerpunkt

bei Musikern hatte und StudiVZ und Facebook stellten

grundsätzlich Plattformen für Studenten dar. Als sich jedoch

auch andere, nicht studierende Personen anmeldeten,

einfach weil sie Bekannte in ihren Freundeskreis hatten die Studenten sind, wurde

diese Community weiter eröffnet und somit für jedermann zugänglich.

Sehr viele weitere Plattformen, auch ohne definierte Zielgruppe, kamen auf den

Markt, wie zum Beispiel Wer-kennt-wen und fanden in der Gesellschaft Anklang. Sie

profitierten von der Neugier und dem Bedürfnis der Kunden sich in soziale

webbasierte Netzwerke zu integrieren, um einen Austausch mit anderen Personen

über das Internet zu wagen (vgl. Messerschmidt et al., 2010, S. 97)

Heutzutage könnte man sich ein Leben ohne soziale Netzwerke nicht mehr vorstellen.

Eine Vielzahl der Erdbewohner ist Mitglied in nicht nur einer Online-Community und

tauscht sich tagtäglich mit Menschen auf der ganzen Welt aus.

Dahingehend hat auch der Schutz der Privatsphäre an Bedeutung gewonnen. Somit

ist es jedem User selbst überlassen welche Informationen er über sich selbst gerne

angeben und der Öffentlichkeit zeigen möchte. Hierzu gibt es diverse

Einstellungsoptionen, die ein User individuell gebrauchen kann. Außerdem ist es

dem Benutzer möglich Einschränkungen zu treffen, beispielsweise wer welche

Page 115: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Informationen sehen darf und für wen sie „unsichtbar“ bleiben sollen. Der Konsument

kann „Gruppen“ bilden, Freundeslisten und Fotoalben erstellen (vgl. Messerschmidt

et al., 2010, S. 100).

Folgende Grafik erläutert die unterschiedlichen Funktionen von Online-Communities

genauer und unterteilt sie in sechs Gruppen. Die Reihenfolge zeigt einen typischen

Verlauf auf, der jedoch nicht unbedingt eingehalten werden muss.

Abbildung 8: Funktionalitätsgruppen in Online-Commu nities (Messerschmidt et al., 2010, S. 101)

Betrachtet man sich beispielsweise facebook , als einen Gebrauch von den

unterschiedlichsten Online-Communities, näher so zeigt sich folgendes Bild:

Facebook existiert seit ungefähr fünf Jahren und nimmt heute bereits einen festen

Bestandteil im Leben bzw. Alltag von Millionen von Personen ein. 2011 verzeichnete

die Internetplattform über 500 Millionen aktive User, wovon die Hälfte tagtäglich

eingeloggt ist (vgl. http://derstandard.at/1293370568242/Grafik-Der-Facebook-

Wahnsinn-in-Zahlen, Zugriff am 28.12.2011).

Beleuchtet man wie Millionen von Nutzern mit facebook umgehen, so erhält man

erstaunliche Daten. Die höchste Benutzerzahl scheint in den USA auf, wo bereits

rund 70 % dieser Online-Community beigetreten sind. Laut statistischen Angaben

sind mehr als 30 % der User über 35 Jahre alt und 28 % der Facebook-Nutzer gehen

via Smartphone oder Notebook online bevor sie morgens aufstehen. Gleich nach

dem Aufwachen gehen rund 48 % der zwischen 18 und 34-jährigen in facebook

online. (vgl. http://derstandard.at/1293370568242/Grafik-Der-Facebook-Wahnsinn-in-

Zahlen, Zugriff am 28.12.2011).

Page 116: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Im Jahr 2010 war das Schlagwort facebook mit 2,11 % der am häufigsten gesuchte

Begriff im World Wide Web. Aus der Untersuchung geht weiteres hervor, dass bereits

mehr Menschen via facebook miteinander „sprechen“, als sie es im realen

alltäglichen Leben tun (vgl. http://derstandard.at/1293370568242/Grafik-Der-

Facebook-Wahnsinn-in-Zahlen, Zugriff am 28.12.2011).

Wenn man sich genauer betrachtet was alles auf facebook passiert, erläutert die

Studie hierzu folgende Zahlen: Alle 20 Minuten werden um die eine Million Links

geteilt, ungefähr 1,6 Millionen Mal auf die Pinnwand von Freunden eine Nachricht

hinterlassen, 1,8 Millionen Updates des eigenen Status gemacht, circa 2 Millionen

Freundschaftsanfragen ausgesendet, ungefähr 1,5 Millionen Einladungen zu

diversen Events an Freunde und Co verschickt, 1,3 Millionen User auf Fotos markiert

und 10 Millionen Kommentare verfasst (vgl.

http://derstandard.at/1293370568242/Grafik-Der-Facebook-Wahnsinn-in-Zahlen,

Zugriff am 28.12.2011).

Betrachtet man sich das Bild von facebook in Deutschland genauer, so hängt

facebook alle anderen Social Netzwork-Konkurrenten deutlich ab. 47 % der

deutschen Internetnutzer sind facebook-User (vgl. http://www.media-

spectrum.de/Nachrichten/100/3182/Facebook-haengt-Social-Network-Konkurrenz-

ab.html, Zugriff am 28.12.2011).

Folgende Grafik erläutert die Top-10 der Online-Communities in Deutschland

genauer:

Page 117: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Abbildung 9: Die Top 10 der Online-Communities

Facebook, Twitter und Co. nehmen somit schon sehr häufig einen bedeutenden

Stellenwert im Leben von Community-Usern ein. Es ist jedoch Vorsicht geboten,

denn diese neuen Medien sind zwar praktisch in der Anwendung und stehen meist

relativ rasch zur Verfügung, haben jedoch auch ihre Schattenseiten (vgl.

http://www.ak-tirol.com/online/facebook-twitter-co-

55601.html?mode=711&STARTJAHR=2008, Zugriff am 29.12.2011).

Gemeinschaftsportale bieten zwar eine optimale Möglichkeit für Unternehmungen

bestimmte Produkte oder Marken in den Köpfen von unterschiedlichen

Personengruppen zu verankern und dadurch auf sich aufmerksam zu machen, sie

stellen jedoch auch eine Gefahr für die im Unternehmen beschäftigten Personen dar,

wenn sich beispielsweise das Unternehmen Informationen via Online Plattformen

über deren Mitarbeiter einholt oder sich dieser Communities bedient, um sich vorab

ein Bild über potenzielle Bewerber zu verschaffen. Daher sollte unbedingt darauf

Wert gelegt werden, sich genau zu überlegen, welche Meldungen, Fotos, etc. man

der Öffentlichkeit Preis gibt (vgl.

http://www.wienerzeitung.at/nachrichten/wirtschaft/oesterreich/399116_Facebook-

Twitter-und-Co-am-Arbeitsplatz.html, Zugriff am 29.12.2011).

Sehr viele Unternehmungen haben diese Gemeinschaftsportale noch nicht gebloggt

oder machen es mit Absicht nicht, um zu analysieren wie häufig Mitarbeiter

Facebook, Twitter und Co. nicht wiederstehen können und sich während der

Arbeitszeit einloggen.

Page 118: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Gemeinschaftsportale stellen ein rasches Medium dar, in dem man schnell und

einfach Informationen in das World Wide Web stellen kann, so wie beispielsweise

Statusmeldungen posten die den aktuellen Job, Arbeitskollegen, den Vorgesetzten,

etc. betreffen – wobei sehr behutsam vorgegangen werden muss – denn wenn man

zu unüberlegt und zu unvorsichtig diverse Meldungen hineinstellt, könnte dies

unangenehme Folgen mit sich bringen (vgl. http://www.ak-tirol.com/online/facebook-

twitter-co-55601.html?mode=711&STARTJAHR=2008, Zugriff am 29.12.2011).

Häufig vergessen Mitarbeiter zum Beispiel dass die jeweilige Unternehmung bei der

sie beschäftigt sind ebenfalls ein Mitglied dieser Community sein könnte und

begehen einen großen Fauxpas wenn sie gegebenenfalls Geschäfts- und

Betriebsgeheimnisse öffentlich posten, oder über das Image der Firma sprechen (vgl.

http://www.wienerzeitung.at/nachrichten/wirtschaft/oesterreich/399116_Facebook-

Twitter-und-Co-am-Arbeitsplatz.html, Zugriff am 29.12.2011).

Page 119: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Literaturverzeichnis

Brink, A., Ernst-Auch, U. & Faber, M. (2011). MLP Berufs- und Karriere-Planer

Wirtschaft 2011/2012: Für Studenten und Hochschulabsolventen. 14. Auflage.

Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH: Gabler Verlag.

Dittler, U., Kindt, M. & Schwarz, Ch. (2007). Online-Cummunities als soziale Systeme.

Wikis, Weblogs und Social Software im E-Learning. Münster: Waxmann Verlag

GmbH

Feltz, N. und Koppke, J. (2004). Netzwerke. Formen. Wissen. Vernetzungs- und

Abgrenzungsdynamiken der Frauen- und Geschlechterforschung. Münster: LIT

Verlag.

Grimm, S. (2004). Marketing für High-Tech-Unternehmen. Wie Sie Markt- und

Technologiezyklen strategisch nutzen und beeinflussen. Wiesbaden:

Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler/GWV Fachverlage GmbH.

Holzer, B. (2006). Netzwerke. Sichten. Soziologische Themen. Bielefeld: transcript

Verlag.

Jooss, M., Egger, R., Hinterholzer, T. & Bretbacher, M. (2011). Handbuch neuer

Medien im Tourismus. Wien: LIT Verlag GmbH & Co. KG.

Messerschmidt, C.M., Berger, S.C. & Skiera, B. (2010). Web 2.0 im Retail Banking.

Einsatzmöglichkeiten, Praxisbeispiele und empirische Nutzeranalyse. Wiesbaden:

Gabler Verlag.

Schmich, D.L. (2011). Erfolgreicher Karrierestart. Die besten Initiativstrategien für

Hochschulabsolventen im verdeckten Stellenmarkt. Wiesbaden: Gabler Verlag,

Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH.

Page 120: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Internetlinks:

http://www.media-spectrum.de/Nachrichten/100/3182/Facebook-haengt-Social-

Network-Konkurrenz-ab.html, Zugriff am 28.12.2011

http://derstandard.at/1293370568242/Grafik-Der-Facebook-Wahnsinn-in-Zahlen,

Zugriff am 28.12.2011

http://www.ak-tirol.com/online/facebook-twitter-co-

55601.html?mode=711&STARTJAHR=2008, Zugriff am 29.12.2011

http://www.wienerzeitung.at/nachrichten/wirtschaft/oesterreich/399116_Facebook-

Twitter-und-Co-am-Arbeitsplatz.html, Zugriff am 29.12.2011

Page 121: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Laiensysteme (Slapnik Bettina, MA)

Einleitung Das Laiensystem wird dargestellt als persönliches, nichtmedizinisches Beratungs- u.

Behandlungssystem, für gesundheitliche Ratschläge. Dazu zählen z.B.

krankheitserfahrene Freunde, Verwandte, Familienmitglieder, aber auch andere

Netzwerke wie Drogerien, Fitness-Center, Saunen, Bücher zur Gesundheitspflege,

zu „alternativen“ Heilmethoden u. a. (vgl.

http://www.imedo.de/medizinlexikon/laiensystem, 27.11.2011).

Die traditionelle Patientenrolle „Die älteste Beziehungsdefinition zwischen Patienten und Professionellen im

Gesundheitswesen, und hier vor allem zwischen Arzt und Patient, ist im

„benevolenten Paternalismus“ zu sehen, in dem der Arzt durch sein Wissensmonopol

die ausschließliche Entscheidungsmacht über Indikation und Intervention erhält,

während sich der Patient diesen Entscheidungen als erduldender, unmündiger und

passiv leidender Kranker zu fügen hat“(Dierks & Schwartz 2003, 317).

Der Patient als Koproduzent von Gesundheit „ Der Patient übernimmt in diesem Rollenmodell als „beteiligter Experte“ durch seine

Mitwirkung am Prozeß der medizinischen Dienstleistung selbst aktiv Leistungen, und

trägt durch seine Mitarbeit wesentlich zur Prozeß- und Ergebnisqualität des

Leistungsgeschehens bei“ (Dierks & Schwartz 2003, 317).

Das Potential der Laien bzw. der Patienten stellt eine große soziale, politische und

auch ökonomische Ressource für das Gesundheitssystem dar. Denn, „ein modernes

Gesundheitssystem kommt ohne eine aktive Mitwirkung der Leistungsadressaten,

also der Laien bzw. Patienten, nicht aus“ (Trojan 2003, 321).

Nachfolgend einige Hintergründe:

Page 122: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

• Die Zunahme chronischer und psychischer Erkrankungen welche ein „Leben

mit der Krankheit“ erfordern,

• Unzufriedenheit mit dem bestehenden Strukturen des Gesundheitssystems,

• die finanzielle Situation der Bürger bzw. der Patienten,

• und die veränderten Wünsche, Einstellungen und Erwartungen der jeweiligen

Patienten.

Das sogenannte Laiensystem für die Medizin hat seinen Ursprung in der

medizinsoziologischen Literatur im Bewältigungsverhalten (Coping) des einzelnen

Patienten sowie seiner sozialen Unterstützung.

In diesem Fall wird der Laie als sogenannter Akteur erkannt, während er im Vorfeld

nur als passiv Leidender dargestellt wurde. Ende der 70iger Jahre entstand durch

Badura das System der dualen Gesundheitssicherung. Dual deshalb, da durch

dieses System neben den schon bestehenden Makrostrukturen der öffentlichen

Gesundheitsversorgung auch ein zweites System auf der Mikroebene entstand.

Nämlich das der gegenseitigen und ehrenamtlichen Hilfe. Demzufolge werden im

sogenannten Laiensystem Gesundheitsleistungen ohne die Beteiligung des Staates

erbracht.

Formeller und Informeller Bereich Im informellen Bereich sind Selbsthilfegruppen sowie der Haushalt und deren

primäre Netzwerke der Unterstützung und Hilfe angesiedelt. Im zweiten Bereich dem

sogenannten Non- Profit Bereich befinden sich staatliche oder kommunale

Versorgungseinheiten. Und im dritten Bereich befindet sich neben dem Haushalt mit

all seinen Netzwerken auch der Markt- Sektor. Die Bedarfsdeckung an

gesundheitlichen Leistungen kann nun in jedem dieser drei eben genannten

Bereiche erfolgen, wobei jeder seine eigenen Vorteile mit sich bringt. Die staatliche

Versorgung ist beispielsweise sicher und auch flächendeckend, wobei der informelle

Bereich in Form von sozialer Unterstützung die größere emotionale Nähe und

Geborgenheit mit sich bringt.

Neben psychosozialen Aspekten bspw. in der Kommunikation zwischen Arzt und

Patient spielt auch die Patientenautonomie eine immer größer werdende Rolle. Dabei

wünschen sich Patienten vor allem:

Page 123: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

• eine eher partnerschaftliche Beziehung zum Arzt,

• sie wollen als Mensch behandelt werden,

• sie wollen als Experten für ihren eigenen Körper angesehen werden

• und sie wollen ernst genommen werden.

Somit zeigt sich also seitens der Patienten ein starker Wunsch nach mehr Autonomie

und Mitsprache. Die individuelle Vorsorge zeigt sich vor allem in den nachfolgenden

Bereichen sehr stark:

• Entspannung

• Fitness

• Alkohol und Nikotinverzicht

• Größere Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen wie bspw. Massagen

oder ganze Kuraufenthalte

• Disziplin im Alltag

Abb. 1: Das Laiensystem als Teil des sog. Dritten Sektors: Trojan 2003, 323.

Um dieses schier unendliche Potenzial der Laien zu fördern bedarf es gezielter

Maßnahmen im Bereich der Selbsthilfe und Netzwerkförderung. D.h. es erscheint als

sehr sinnvoll den Bereich der Selbsthilfebereitschaft zu unterstützen und weiter zu

entwickeln. Vor allem im Bereich der Pflege durch die Angehörigen (vgl. Trojan

2003).

Page 124: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Die wachsende Bedeutung des Laiensystem In der heutigen Zeit kommt die Gesundheitsversorgung gar nicht mehr ohne die

Eigenverantwortung der Patienten bzw. Laien aus. D.h. der Einfluss von Selbsthilfe

und Eigenverantwortung und das professionelle Gesundheitssystem ergänzen

einander positiv. Denn ein überaus großer Anteil von Krankheiten wird im

Laiensystem, also durch Selbsthilfe behandelt und auch bewältigt. Aber auch die

psychosoziale Versorgung stößt sehr schnell an ihre Grenzen wenn sie den Laien,

also den Patienten und seine Umgebung nicht mit ein bezieht (vgl. Borgetto & Trojan

2007).

Darüber hinaus steigt der Bedarf an Versorgungsleistung aufgrund von chronischen

Erkrankungen und oder Behinderungen immer weiter an. Auch die demografische

Altersentwicklung unserer Gesellschaft sowie die sinkende Leistungsfähigkeit

sozialer Netzwerke in der Familie, Nachbarschaft oder im Freundeskreis tragen nicht

unwesentlich dazu bei (vgl. Borgetto et al. 2011).

Gesundheit und Laiensystem Durch die ständige Wissensanreicherung im Bereich von Wissenschaft und

Forschung bildeten sich in unserer Gesellschaft auch zwei voneinander getrennte

Vorstellungen bzw. Erfahrungswelten im Hinblick auf Gesundheit und Krankheit. Zum

einen gibt es die Laienwelt, welche in meist überlieferten Kategorien denkt und zum

anderen gibt es die professionelle Welt der Medizin. Eine Vielzahl wissenschaftlicher

Studien belegt jedoch, dass der größte Teil der Erkrankungen im Laiensystem, also

unter Ausschluss von Experten bewältigt wird. Das Laiensystem fungiert also als eine

Art Filtersystem zu professioneller medizinscher Unterstützung und Hilfe (vgl.

Hörmann 2006).

Gründe für die Neubewertung und Wiederentdeckung der Selbsthilfe:

• Leistungsmängel im Bereich des Systems der Gesundheitsversorgung,

• die Finanzierungsprobleme des Gesundheitssystems,

• sinkende Akzeptanz der professionellen Dienstleistungsgewährung

• und Probleme im Bereich der Steuerung der Gesundheitspolitik.

Page 125: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Aus diesen Schwachpunkten heraus kam es zu Trends wie Ökonomisierung,

Verrechtlichung, Bürokratisierung sowie zur Überprofessionalisierung des gesamten

Gesundheitssystems.

In Anbetracht dessen, wird bspw. in Deutschland immer wieder versucht anhand von

sogenannten Public Health Projekten eine „Beteiligung von Patienten an der

Versorgungsgestaltung“ herbei zu führen. Vordergründig geht es dabei um die

Beziehung zwischen Laien und Experten im Bereich der Gesundheitsversorgung und

darum gegebenenfalls Handlungs- und Gestaltungsspielräume zu entwickeln.

Weiters natürlich auch hierbei wieder um die „Chancen der Selbsthilfe in den

verschiedenen Kontexten der Versorgung“ besser zu nutzen.

Damit stellen Selbsthilfe sowie Netzwerkförderung Kernelemente der Strategie der

Gesundheitsförderung und Prävention dar. Zudem zeigten epidemiologische Studien,

dass unter Einbindung der Mitglieder verschiedener Netzwerke mit einer geringeren

Krankheitshäufigkeit sowie einer höheren Lebenserwartung zu rechnen ist. Heut zu

Tage wird genau aus diesem Grund auch von „sozialem Kapital“ gesprochen.

Beispielsweise aufgrund dessen, dass in sozialen Netzwerken Vertrauen und

Normen sowie die gegenseitige Hilfe eine überaus große Rolle spielen. Die

Beteiligung der Bürger als sogenannte Laien in der Gesundheitsversorgung wächst

somit stetig.

Am wichtigsten hierbei ist jedoch, dass durch gesundheitliches Vorsorgeverhalten

Krankheiten vermieden werden können und durch verbesserte Kommunikation wird

der informierte Patient so zu sagen zum Partner in der weiteren Behandlung oder

Therapie.

Denn aufgrund seines eigenen „Mittuns“ gestalten sich Therapie sowie Rehabilitation

meist erfolgreicher. Darüber hinaus entlasten pflegende Angehörige oder

ehrenamtliche Helfer in Form von Selbsthilfegruppen den Staat in nicht unerheblicher

Weise. Vor allem Selbsthilfegruppen, denn sie aktivieren Bereiche der gegenseitigen

Hilfe. Somit kann unter diesen Aspekten von einer starken Patienten- und

Bürgerbeteiligung am gesamten Gesundheitswesen gesprochen werden (vgl. Trojan

2011).

Page 126: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Das medizinsoziologische Modell der Patientenkarriere stellt fest: „ehe ein Patient

zum Arzt kommt, hat er seine Selbstdiagnose gestellt, ob eine bestimmte

Empfindung oder ein Ereignis als Symptom aufzufassen ist. Er hat einige

Entscheidungen im Rahmen des Laiensystems getroffen, und erst am Ende einer

Vielzahl verschiedener Schritte steht der Gang zum Arzt“ (Troschke 1998, 552). Dies

bestätigt wiederum, dass nicht alle Beschwerden sofort in Zusammenhang mit einer

Konsultation des Arztes einhergehen, sie werden vielmehr vorab im System oder

Netzwerk der Laien behandelt. Sei es durch Hausmittel oder frei zugängliche

Arzneimittel aus der Apotheke. Angaben zu Folge erscheint diese Methode der

Selbstbehandlung in über 90% der Fälle erfolgversprechend zu sein (vgl. Troschke

1998).

Laienkonzepte von Gesundheit Hinter diesem Begriff, versteckt sich die persönliche Auffassung sowie die jeweilige

Definition von Gesundheit und persönliche Sichtweisen in Bezug auf die Ursachen

und Bedingungen im Kontext zu Gesundheit. Diese werden auch als „subjektive

Theorien“ der Gesundheit bezeichnet. Die Wichtigkeit solcher Konzepte wird in

nachfolgenden Gründen dargestellt:

• Sie befassen sich mit globalen Vorstellungen wie Gesundheit entsteht, bzw.

aufrechterhalten bleibt. Besonders im Hinblick auf die Eigenverantwortung.

• Die Vorstellungen des Laien in Bezug auf seine eigene Möglichkeiten und

Erfolgsaussichten hinsichtlich Prävention, entscheiden auch maßgeblich ob

bestimmte Präventionsmaßnahmen von Experten auch Anklang finden.

Informelle Gesundheitssysteme Bei primären sowie sekundären Gesundheitssystemen handelt es sich somit um

sogenannte informelle bzw. Laiensysteme oder Netzwerke, während tertiäre

Netzwerke eher formellen Charakter haben.

Primäre Netzwerke bestehen aus Familie, Verwandtschaft, Freunden, Bekannten,

Nachbarschaft, Schule oder Arbeitsstätte sowie auch aus informellen Kleingruppen

wie bspw. Selbsthilfegruppen oder Freizeitgruppen.

Page 127: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Sekundäre Netzwerke wiederrum bestehen aus frei zugänglichen Einrichtungen oder

Initiativen wie Vereinen und Organisationen mit sozialpädagogischen Hintergrund,

Gewerkschaften oder Umweltschutzverbänden.

Somit gehören zu primären Netzwerken wie eben erwähnt auch

Gesundheitsselbsthilfegruppen, welche vorrangig durch folgende Merkmale

charakterisiert werden können:

• Es gibt Betroffenheit unter den Beteiligten aufgrund eines gemeinsamen

Problems,

• eher geringe bzw. keine Mitwirkung professioneller Helfer,

• sie sind nicht auf Gewinn ausgerichtet,

• sie verfolgen ein gemeinsames Ziel, nämlich das der Selbst- oder

Fremdveränderung

• und in Bezug auf ihre Arbeitsweise, arbeiten Selbsthilfegruppen mit

Augenmerk auf Gleichberechtigung und gegenseitiger Hilfe.

Ihr Arbeitsspektrum gliedert sich in nachfolgende Punkte:

• krankheitsbezogenen Selbsthilfegruppen, hierbei geht es vordergründig um

die gemeinsame Bewältigung bspw. chronischer Krankheiten oder

Behinderungen,

• lebensphasenorientierten Zusammenschlüssen bei denen es vorwiegend um

die Bewältigung psychischer und sozialer Probleme geht,

• präventive Zusammenschlüsse zur Veränderung des Gesundheitsverhaltens,

• und Zusammenschlüsse um Umweltschutz zu fördern, bspw. gegen

Mülldeponien oder Kernkraftwerke.

Eine Untersuchung des Robert Koch Instituts kam zu dem Ergebnis, dass es allein in

Deutschland ca. 70.000- 100.000 Selbsthilfegruppen mit insgesamt ca. 3 Millionen

Mitwirkenden gibt. Dies wiederrum ist zurück zu führen auf Faktoren wie den Anstieg

von chronischen und psychischen Erkrankungen oder die strukturelle Veränderung in

familiären Beziehungen (vgl. Wallner 2006).

Page 128: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Fazit „Die Rollen von Nutzern im Gesundheitswesen bewegen sich im Spannungsfeld

zwischen Paternalismus und Autonomie, zwischen Sozialstaat und freiem Markt,

zwischen Ausschluß und Partizipation, zwischen Passivität und Engagement,

zwischen Nicht- Wissen und Expertenschaft, zwischen Verschleierung und

Transparenz und nicht zuletzt zwischen Ignoranz und Unterstützung“ (Dierks &

Schwartz 2003, 320).

Literaturverzeichnis:

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Page 130: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Rechtsgrundlagen – Reformpool (Martinz Hannes, BA)

Einleitung Österreich weist mit einer Gesundheitsausgabenquote von 10,3% des

Bruttoinlandsprodukts die fünfthöchste Quote unter den OECD- Ländern auf (2007).

Vor allem die Spitalslastigkeit des Gesundheitswesens stellt hier ein Hindernis zur

Erreichung der Ausgewogenheit zwischen Mitteleinsatz und gesundheitsbezogenen

Leistungsergebnissen dar: die Pro- Kopf-Ausgaben der stationären Versorgung

lagen um mehr als 35% und die Bettendichte um rund 50% über dem EU-15

Durchschnitt (Habl & Bachner, 2010). Auch der Bettenumschlag (Stationäre

Patienten je Bett) ist in Österreich vergleichsweise hoch (47 Patienten pro Akutbett

im Jahr 2005, der EU-Schnitt liegt bei 40), woraus eine niedrige Verweildauer

resultiert. Als Hintergrund der kurzen Verweildauer wird das System der

leistungsorientierten Krankenanstaltenfinanzierung (LKF) diskutiert, welches den

Anreiz gibt, Patienten nicht länger als medizinisch notwendig im Krankenhaus zu

belassen. An sich wäre dies nach Ansicht von Czypionka, Kraus und Röhrling

(2008a) produktivitätssteigernd, allerdings liegt Österreich mit seiner Bettendichte

von 778 Betten pro 100.000 Einwohner im europäischen Spitzenfeld, d.h. unsere im

EU- Vergleich überdurchschnittlich zahlreichen Spitalsbetten sind auch noch gut

ausgelastet: „Die Kombination von überdurchschnittlicher Bettenausstattung und

überdurchschnittlicher Umschlagsrate resultiert in einer enorm hohen

Spitalsnutzung“ (Czypionka et al., 2008a, S. 3). So schrieb der Rechnungshof in

seinem Tätigkeitsbericht 2001: „Mit einer Angleichung der Bettendichte in Österreich

an den europäischen Durchschnitt könnten 16 900 Akutbetten eingespart und 2,9

Mrd EUR aus dem stationären in den ambulanten und niedergelassenen Bereich

umgeschichtet werden. Allerdings wären hiezu die strukturellen Voraussetzungen in

anderen Sektoren des Gesundheitswesens zu schaffen“ (Rechnungshof, 2002, S.

20). Das bedeutet mit anderen Worten, dass Mittel, welche im Spitalsbereich

gebunden sind, nicht einfach umgeschichtet werden können, ohne dass eine

dementsprechende Strukturanpassung erfolgt. Dabei muss hier auf den extramuralen

Bereich verwiesen werden, welcher nicht nur für sich selbst Einsparungspotentiale

besitzt, sondern auch insgesamt – nach entsprechendem Umbau des

Gesundheitswesens – den Schlüssel für Einsparungen im Gesundheitswesen

Page 131: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

darstellen soll. Die Effizienz einzelner Sektoren zu erhöhen – und zwar bei

gleichbleibender Qualität – stellt dabei eine wichtige Maßnahme dar, um mit den zur

Verfügung stehenden Steuermitteln und Beiträgen sparsam umzugehen. Die

Kombination der Nutzung von betriebswirtschaftlichen Einsparungspotentialen in

Krankenhäusern und eine Verschiebung von Leistungen in den ambulanten Bereich,

kann nach Czypionka, Kraus, Riedel, Röhrling und Schnabl (2007) im primären

Versorgungssektor dazu beitragen, dass teure Krankenhausleistungen erst gar nicht

in Anspruch genommen werden. Nach Ansicht der Autoren kommt der Integration der

Versorgung eine zentrale Bedeutung zu, zumal sie maximale allokative Effizienz

ermöglicht. Dazu sind Investitionen in indikationsspezifische sowie

indikationsunspezifische Formen einer integrierten Versorgung vonnöten, welche in

Österreich bereits z.B. im Rahmen von Reformpoolprojekten entwickelt wurden.

Dieser Reformpool, welcher auf die Gesundheitsreform 2005 zurückgeht, soll im

vorliegenden Artikel beschrieben werden.

Gesundheitsreform 2005 Ausgangspunkt des Reformpools ist die Gesundheitsreform 2005: Zur Sicherstellung

der Finanzierbarkeit des Österreichischen Gesundheitswesens sollte die

Gesundheitsversorgung besser abgestimmt und sektorenübergreifend geplant,

finanziert und gesteuert werden (Benesch, 2008). Um die Steigerung der Ausgaben

zu dämpfen, musste zwei wesentlichen Schwächen des österreichischen

Gesundheitswesens gegengesteuert werden: zum einen der fehlenden,

ganzheitlichen sektoren- und regionenübergreifenden Planung, zum Anderen dem

dualen Finanzierungssystem ohne Möglichkeit des Ausgleichs. „Das österreichische

Gesundheitswesen ist seit Jahrzehnten durch eine strikte Trennung der beiden

Sektoren (intramuraler und extramuraler Bereich) gekennzeichnet. Dieser Dualismus

hat dazu geführt, dass es nicht nur keine Abstimmung zwischen diesen beiden

Bereichen gibt, sondern dass sie zueinander in einem Konkurrenzverhältnis

stehen“ (Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend [BMGFJ], kein

Datum, S. 1).

Im Rahmen der Finanzausgleichsverhandlungen kam es 2005 zu einer Einigung

zwischen Bund und Ländern und wurde als Vereinbarung gemäß 15a B-VG

(Bundesverfassungsgesetz) über die Organisation und Finanzierung des

Gesundheitswesens (im Folgenden 15a- Vereinbarung) fixiert. Angestrebt wurde

Page 132: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

damit eine engere Zusammenarbeit zwischen Sozialversicherung und Länder sowie

die stärkere Einbindung weiterer Akteure des Gesundheitswesens wie beispielsweise

KA- Träger, Ärztekammer, Patientenvertretung etc. (BMGFJ, kein Datum). Die

Vereinbarung hatte eine Laufzeit von 2005 bis 2008 und wurde in der Folge von

2008 bis 2013 im Nationalrat weiter verlängert. Im Wesentlichen waren mit der

Reform folgende Zielsetzungen verbunden (Bundesministerium für Gesundheit

[BMG], kein Datum):

• Überwindung der strikten Trennung der einzelnen Sektoren des

Gesundheitswesens und Erreichung einer besseren Abstimmung in der

Planung, Steuerung und Finanzierung des gesamten Gesundheitswesens

• Längerfristige Sicherstellung der Finanzierbarkeit des österreichischen

Gesundheitswesens durch Maßnahmen zur Kostendämpfung und

Effizienzsteigerung bzw. Steuerung im Gesundheitswesen

• Unterstützung von Vorsorgemaßnahmen und flächendeckende Sicherung und

Verbesserung der Qualität im österreichischen Gesundheitswesen

Die 15a- Vereinbarung ist Grundlage für die Verankerung von Ansätzen, welche die

Koordination und Zusammenarbeit der Akteure im Gesundheitswesen verbessern

soll (BMG, 2010). Mit dem Ziel, eine Gesamtverantwortung der

Gebietskörperschaften und der Sozialversicherungen für die Finanzierung der

Gesundheitsversorgung wahrzunehmen, wurden Landesgesundheitsfonds mit

Gesundheitsplattformen auf Länderebene und eine Bundesgesundheitsagentur mit

der Bundesgesundheitskommission zur Planung und Steuerung des gesamten

Gesundheitswesens (intra- und extramural) eingerichtet (BMG, kein Datum).

Dabei sind in der Bundesgesundheitskommission der Bund, die Bundesländer, die

Sozialversicherung, Interessensvertreter der Städte und Gemeinden, der

konfessionellen Krankenanstalten, der Patientenvertretungen und der

Österreichischen Ärztekammer sowie einigen weiteren Institutionen vertreten.

Geführt werden die Geschäfte der Bundesgesundheitsagentur vom

Bundesministerium für Gesundheit. Als Ziel der Koordinierungsaktivitäten zwischen

den Akteuren im Gesundheitswesen wird dabei die Sicherstellung eines hohen

Leistungsniveaus verbunden mit einem bestmöglichen Mitteleinsatz angeführt (BMG,

2010).

Auf Länderebene haben die Landesgesundheitsfonds etwaige Vorgaben und

Grundsätze der Bundesgesundheitsagentur näher zu spezifizieren. Sie finanzieren

Page 133: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

den laufenden Betrieb von Krankenhäusern mit Öffentlichkeitsrecht nach dem

System der leistungsorientierten Krankenanstaltenfinanzierung (LKF). Sie werden

dabei aus Mitteln des Bundes, des Landes und der Gemeinden, sowie aus Beiträgen

der Sozialversicherung gespeist (BMGFJ, 2008; Kärntner Gesundheitsfonds [KGF],

2008). Die Sozialversicherungen führen dabei einen, an die Beitragsentwicklung

angepassten, Pauschalbetrag an die Landesgesundheitsfonds ab. Dadurch sind alle

Spitalsleistungen für krankenversicherte Personen abgegolten. Allerdings führt diese

Konstruktion auch dazu, dass den Sozialversicherungen die Mitsprache in

Spitalsangelegenheiten weitgehend entzogen ist (Czypionka et al., 2008a). Neben

den Mitteln der Sozialversicherung fließen auch private Mittel in die Finanzierung ein,

wie etwa aus Kostenbeiträgen oder privaten Krankenversicherungen. Allerdings ist

die leistungsorientierte Abrechnung über das LKF- System nicht kostendeckend

ausgestaltet und daher ist es den Fonds- Spitälern meist nicht möglich, positiv zu

bilanzieren (Czypionka, Kraus, & Röhrling, 2008b). „Die dadurch entstehende

Finanzierungslücke der Spitäler oder auch ‚Betriebsabgang‘ genannt, muss i.d.R.

vom Spitalseigentümer (z.B. Land, Gemeinde, Ordensgemeinschaft) gedeckt

werden“ (ebd., S. 2). Investitions- und Erhaltungskosten sind in der Regel von den

jeweiligen Krankenanstaltenträgern selbst zu tragen (Potocnik, 2006), auf Ansuchen

der Spitäler und nach Beschluss der in der Gesundheitsplattform gewährt der

Landesgesundheitsfonds jedoch Investitionszuschüsse (Czypionka et al., 2008b).

In den Landesgesundheitsplattformen sind Vertreter des jeweiligen Landes, die

Träger der Sozialversicherungen (ohne Stimmrecht), der Ärztekammer, der

Interessensvertretungen der Städte und Gemeinden und der Krankenanstaltenträger

repräsentiert (ebd.). Die Aufgaben der Landesgesundheitsplattformen bestehen aus

drei Kernbereichen (BMG, kein Datum):

1. Der Kernbereich intramural setzt sich aus den Aufgaben der bestehenden

Landesfonds und jener neuen Aufgaben zusammen, die in den

ausschließlichen Krankenanstaltenbereich fallen.

2. Der Kernbereich extramural setzt sich aus den Aufgaben zusammen, die

ausschließlich den niedergelassenen Bereich betreffen.

3. Der Kooperationsbereich umfasst die zwischen dem extramuralen und dem

intramuralen Bereich abzustimmenden Aufgaben. Dabei muss zwischen Land

und den jeweiligen Sozialversicherungsträgern Einvernehmen hergestellt

werden.

Page 134: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Ein zentrales Planungsinstrument für die österreichweite Leistungsangebotsplanung

sind der Österreichische Strukturplan Gesundheit (ÖSG) und die Regionalen

Strukturpläne der Länder, welche sich der sektorübergreifenden Ressourcenplanung

widmen. Als weitere Planungsinstrumente werden die zwischen den Ärztekammern

und den jeweiligen Sozialversicherungsträgern abgeschlossenen Stellenpläne für

Vertragsärzte genannt (BMG, 2010).

Der Reformpool Im Zuge der angesprochenen Gesundheitsreform 2005 kam es zur Definition des

Kooperationsbereichs innerhalb der Landesgesundheitsfonds, der diejenigen

Aufgaben umfasst, welche zwischen dem intra- und extramuralen Bereich

abzustimmen sind. Der Begriff „Reformpool“ ist die Bezeichnung des

Finanzierungstopfs für eben diesen Überschneidungsbereich (Czypionka & Röhrling,

2009). Während der ursprünglichen Laufzeit der Vereinbarung war geregelt, dass

Mittel für den Kooperationsbereich (=Reformpool) für Leistungsverschiebungen intra-

und extramuralen Bereich in den Landesgesundheitsfonds vorzusehen sind. Das

Hauptaugenmerk des Reformpools lag in der Förderung von gemeinsamen

Strukturveränderungen und Projekten – den so genannten „Reformpoolprojekten“ –

von Sozialversicherungsträgern und Ländern. Profitieren sollten dadurch beide. Im

Fall von Leistungsverschiebungen hatten dafür zusätzlich Mittel zur Verfügung zu

stehen – damit sollte es gelingen, die ambulante Versorgung auszubauen, aber auch

die tagesklinische bzw. ambulante Versorgung im stationären Bereich

weiterzuentwickeln.

Auch sollten nach ursprünglichen Vereinbarung in den Landesgesundheitsfonds für

die Jahre 2005 und 2006 jährlich 1% der Mittel für den intra- und extramuralen

Bereich für den Kooperationsbereich vorgehalten werden, für die Jahre 2007 und

2008 waren 2% vorgesehen. Im Unterschied zu 2005 wurde in der aktuellen

Vereinbarung das klar festgelegte Mittelausmaß gestrichen. Geregelt ist dies in Art 1

Abs 1 Z 2 der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Organisation und

Finanzierung des Gesundheitswesens24.

Ebenso wurden im Zuge der aktuellen Vereinbarung eine Weiterentwicklung sowie

der Ausbau des Kooperationsbereichs beschlossen (Czypionka & Röhrling, 2009):

waren zuvor, wie oben erwähnt, primär Projekte zu fördern, welche

24

idF BGBl. I Nr. 105/2008

Page 135: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Leistungsverschiebungen zwischen intra- und extramuralem Bereich zu Folge hatten,

so können nun nach der aktuellen Vereinbarung auch Projekte der integrierten

Versorgung bzw. Pilotprojekte zur sektorübergreifenden Finanzierung des

ambulanten Bereichs durchgeführt werden. Projekte, die bereits während der

Laufzeit der ursprünglichen Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG (BGBl. I Nr.

73/2005) beschlossen wurden, werden ebenso weiter gefördert. Geregelt wird dies in

den „Leitlinien für den Kooperationsbereich (Reformpool)“ der

Bundesgesundheitsagentur, welche erstmals Mitte 2005 publiziert und 2008

aktualisiert wurden (Czypionka & Röhrling, 2009). In ihnen finden sich die Aufgaben

und Ziele des Kooperationsbereichs, Typen und Eignung von Projekten als

Reformpoolprojekt, Bestimmungen zu Dokumentation und Erstellung eines

Evaluierungskonzepts sowie zur Institutionalisierung eines regelmäßigen

Informationsaustausches (Bundesgesundheitsagentur, 2008). Aufgabe des

Kooperationsbereichs ist demnach die Förderung der oben angeführten Projekte. Als

Ziele werden in den Leitlinien sowohl die Erhöhung der Effektivität des

Gesundheitswesens (Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung, Erhöhung der

Patientenorientierung, Qualitätsverbesserung, Verminderung von Zugangsbarrieren)

als auch eine Erhöhung der Effizienz des Gesundheitswesens bezeichnet. Die

Erreichung eines gesamtwirtschaftlichen Nutzens sowohl für Land als auch für

Sozialversicherung wird explizit als Ziel genannt. Dabei sollen Reformpoolprojekte

nachhaltig und auf andere vergleichbare Regionen übertragbar sein sowie und, wenn

sie allfällige Leistungsverschiebungen zur Folge haben, diese nach dem Prinzip

„Geld folgt Leistung“ ermöglichen.

Die Eignung eines Projekts als Reformpoolprojekt wird dabei anhand der folgenden

Kriterien festgelegt (Bundesgesundheitsagentur, 2008):

• Eine Einigung auf diese Vorhaben durch das jeweilige Land und die

Sozialversicherung erfolgt im Voraus.

• Es ergeben sich Vorteile für das Land und die Sozialversicherung durch diese

Vorhaben (Effizienzkriterium).

• Sollten mit dem Projekt keine Mehrkosten verbunden sein, ist ein Nutzens

bzw. keine Verschlechterung in der Versorgung für die Patientinnen und

Patienten (Versorgungskriterium, Qualitätskriterium) sicherzustellen.

• Die Mengen- und kostenmäßige Bewertbarkeit des Status-Quo und des

Status-Post (Evaluierbarkeit) ist gegeben.

Page 136: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

• Ebenso sind Menge und Kosten an voraussichtlich verschiebbarem Potenzial

zu behandeln. Dazu ist die Möglichkeit eines kalkulatorischen Nachweises

vom bisherigen und neuen Leistungserbringer (Mess- und Bewertbarkeit)

erforderlich.

• Die Gesamthöhe der notwendigen Finanzmittel für die Vorhaben

(einschließlich der Projektabwicklung) ist anzugeben.

• Die Möglichkeit der Nachnutzung oder Reduktion der Ressourcen beim

abgebenden Leistungserbringer wird behandelt ebenso

• die Fristigkeit des Vorhabens, d.h. Beginn und Abschluss bzw. Dauer des

Vorhabens.

• Die weitere Vorgangsweise nach Beendigung des Vorhabens (Nachhaltigkeit)

wird dargestellt.

• Die projektbegleitenden Qualitätssicherungsmaßnahmen sind zu beschreiben.

• Das Projekt enthält eine Darstellung der gemeinsamen Vorgangsweise für den

finanziellen Ausgleich der allfälligen Leistungsverschiebungen zwischen Land

und Sozialversicherungen (Prinzip „Geld folgt Leistung“) sowie der Aufteilung

des durch die Leistungsverschiebung erzielten finanziellen Gesamtnutzens

(Prinzip „Teilung des Gewinns/Verlustes“).

Für alle Vorhaben, die Leistungsverschiebungen zur Folge haben, sind in den

Landesgesundheitsplattformen im Vorhinein Dokumentationsgrundlagen zu

vereinbaren und auch die Methode für die kalkulatorische und qualitative Bewertung

abgestimmt werden. Dabei soll nach Möglichkeit auch eine überregionale

Vergleichbarkeit berücksichtigt werden. Ebenso ist für jedes Projekt ein

Evaluierungskonzept zu erstellen. Dieses hat folgende Punkte zu enthalten

(Bundesgesundheitsagentur, 2008, S. 5):

• Datenquellen und Definitionen für die Evaluierung

• Methodik der Evaluierung

• Definition von Qualitätsindikatoren

• Bewertung der Zielerreichung und der wesentlichen Einflussfaktoren

• Abschätzung der langfristigen Effekte und Darstellung einer allfälligen

Übergangsfinanzierung

• Bekanntgabe der Evaluierungsintervalle

Page 137: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Für die Evaluierung kann auch auf eine unabhängige externe Begleitung

zurückgegriffen werden. Nach Abschluss jedes Vorhabens ist ein

Evaluierungsbericht zu erstellen. Nach Art 31 Abs 5 der Vereinbarung gemäß 15a

B-VG haben die Landesgesundheitsfonds regelmäßig der

Bundesgesundheitsagentur über vereinbarte und durchgeführte Projekte des

Kooperationsbereichs sowie über den Erfolg dieser Maßnahmen zu berichten. Dazu

werden von dieser durch die Arbeitsgruppe für Strukturveränderungen

Mindeststandards für die Dokumentation und eine einheitliche Berichtstruktur für die

laufende Berichtserstattung erarbeitet sowie die zentrale Dokumentation aller

Projekte und der Erfahrungsaustausch über Projekte und deren Evaluierung

durchgeführt (Bundesgesundheitsagentur, 2008).

Außer den Leitlinien der Bundesgesundheitsagentur existieren in fünf Bundesländern

(Kärnten, Niederösterreich, Oberösterreich, Tirol und Wien) noch zusätzliche

Richtlinien für den Reformpool, welche von den Landesgesundheitsfonds erlassen

wurden. Darin werden landesspezifische Sonderregelungen für die Einreichung von

Projekten bzw. den Projektablauf definiert (Czypionka & Röhrling, 2009).

Stand der Reformpoolprojekte Die ersten Beschlussfassungen für Projekte des Reformpools erfolgten in den

jeweiligen Gesundheitsplattformen im Jahr 2006 in Kärnten, Niederösterreich,

Oberösterreich und der Steiermark. Im Jahr 2007 wurden in vier weiteren

Bundesländern Projekte beschlossen, ehe auch Vorarlberg, als letztes Bundesland

im Oktober 2007, den Beschluss zu zwei Projekten fasste. Im Jahr 2009 gab es

insgesamt 43 beschlossene Projekte. Die Mehrheit dieser Projekte beschäftigt sich

mit integrierter Versorgung: „Dabei handelt es sich vor allem um Disease-

Management-Programme (DMP) für Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 (alle

Bundesländer), Projekte zur Versorgung von Schlaganfallpatienten (Oberösterreich,

Steiermark, Tirol, Wien), von Patienten mit koronarer Herzkrankheit (Niederösterreich,

Steiermark) oder nephrologischen Erkrankungen (Steiermark)“ (Czypionka &

Röhrling, 2009, S. 5). Ebenso gibt es Projekte, welche sich mit Entlassungs-/

Nahtstellen-/ Case- und Caremanagement beschäftigen. Ein einziges Pilotprojekt

setzt sich mit der sektorenübergreifenden Finanzierung des ambulanten Bereichs

auseinander (Steiermark – MR Institut Stolzalpe). Nach anfänglichen

Startschwierigkeiten (2005 startete nur ein einziges Projekt, 2006 waren es 13),

Page 138: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

wurde 2007 das aktivste Jahr mit 26 Beschlüssen erreicht (ebd.). 2008 wurden nur

mehr neun Projekte beschlossen. Derzeit sind insgesamt 41 Projekte am Laufen.

Von diesen liegt für fünf ein Konzept vor, von 29 ist die Durchführung bereits

genehmigt und bei sieben Projekten wird der Abschluss- und Evaluierungsbericht

erstellt. Bis dato wurden 17 Projekte abgeschlossen, wovon sieben in die

Regelfinanzierung übernommen wurden, vier Projekte wurden bisher eingestellt

(Bundesministerium für Gesundheit, 2011).

Fazit Insgesamt betrachtet scheint nach Ansicht von Czypionka und Röhrling offenbar das

Effizienzkriterium eine untergeordnete Rolle zu spielen, wodurch „auf Kostenseite nur

wenig Bewegung zu erwarten sein wird“ (S. 16). Dadurch wird, nach Ansicht der

Autoren, das zentrale Ziel, nämlich die Erhöhung der allokativen Effizienz, durch die

derzeitige Ausgestaltung des Reformpools nicht erreicht. So stehen bei einigen

Projekten nicht eine mögliche Kostenersparnis im Mittelpunkt, sondern primär eine

Qualitäts- und Versorgungsverbesserung. „Grundsätzlich ist der Versuch, bei

Unterversorgung Verbesserungen zu schaffen, durchaus sinnvoll. Allerdings besteht

die Gefahr, dass anders als konzipiert Reformpool-Mittel nicht zur Steigerung der

allokativen Effizienz eingesetzt werden, weil für Projekte, in denen Einsparungen

nicht angedacht sind, die Beteiligten leichter zu gewinnen sind“ (S. 9). Auf der

anderen Seite kann es aber auch dazu kommen, dass insgesamt nur recht wenige

Reformpool-Projekte durchgeführt oder dafür Mittel zu Verfügung gestellt werden,

wenn für die Zahler keine monetären Vorteile erkennbar sind. Ein hauptsächliches

Problem des Reformpools wird grundsätzlich in seiner Anreizstruktur gesehen, zumal

für die Kostenträger die Projekte Zusatzbelastungen zum laufenden Budget

darstellen, was zu einer niedrigeren Dotierung führt. Daneben haben teilweise Land

und Sozialversicherung gegenläufige Interessen, was die Gefahr des Scheiterns von

insgesamt sinnvollen Projekten nach sich ziehen kann. Dennoch, so das Fazit der

Autoren, scheinen einige sehr interessante Projekte im Rahmen des Reformpools

entstanden zu sein.

Page 139: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

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Page 141: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Reformpool- Brücke zwischen intra- und extramuralen Bereich oder neue Kostenstelle im Gesundheitswesen? (Hinteregger Stefan, BA)

Einleitung

Die Zunahme der Standardisierung von Patientenbehandlungen, die Steigerung der

Qualität und Effizienz im Gesundheitssystem und die umfassenden strukturellen

Gesetzesänderungen der letzten Jahre führten zum Trend kooperativer Netzwerke.

In der Vergangenheit konnte aufgrund der sektoralen Isolierung ambulanter,

stationärer, rehabilitativer und pflegerischer Versorgung Behandlungsdiskontinuitäten

beobachtet werden, was vielfach eine Über-, Unter- und Fehlversorgungen zur Folge

hatte (Georg, 2007; Sydow, 2006).

Auch in Österreich wurde dieser Trend erkannt. In der letzten

Gesundheitsstrukturreform 2005 wurde folglich beschlossen, dass in der Zukunft

Kooperationsarbeiten der intra- und extramuralen Bereiche forciert werden sollten.

Um eine gute Zusammenarbeit der Sektoren des Gesundheitsbereiches zu

ermöglichen, wurde der Reformpool ins Leben gerufen.

Projektpartner eines Reformpools kommen daher aus verschiedenen

Zuständigkeitsbereichen eines Gesundheitssystems, welche ihre eigenen Welten mit

individuellen Normen, Werten, Zielen, Strategien und Spielregeln darstellen.

Während eines Projektes stoßen diese zwei Welten immer wieder aufeinander

(Wesenauer, 2007). Folglich prallen mannigfaltige Interessen aufeinander und die

Umsetzung von Projektzielen gestaltet sich oft schwierig. Ziele von Reformpool-

Projekten müssen die Erhöhung der Effektivität und der Effizienz des

Page 142: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Gesundheitswesens und die Erreichung eines gesamtwirtschaftlichen Nutzens

sowohl für Land als auch für die Sozialversicherung sein (Granig et al. 2011).

Dieser Teil der Zusammenführung von Netzwerksystemen beschäftigt sich intensiv

mit dem österreichischen Reformpool. Um aber auch die Schwierigkeiten einer

gemeinesamen Profession im Gesundheitswesen zu verstehen, wird am Anfang die

Konstellationen im österreichischen Gesundheitssystem - speziell des intra- und

extramuralen Bereiches - beleuchtet.

Das österreichische Gesundheitssystem

Im österreichischen Gesundheitswesen herrscht seit Jahrzehnten eine strikte

Trennung des intramuralen und extramuralen Bereiches. Dieser Dualismus führt

nicht nur dazu, dass es kaum Abstimmungen zwischen den beiden Sektoren gibt,

sondern er führt auch dazu, dass die beiden Bereiche sogar zueinander in einem

Konkurrenzverhältnis stehen. Durch die divergenten Interessen, hat sich auch die

Angebotsdichte auseinanderentwickelt und führte laut Bundesministerium für

Gesundheit (2005) zu folgenden Schwachpunkten:

• Doppelgleisigkeiten in der Versorgung

• Hohe Dichte an Großgeräten und Krankenanstaltenbetten

• Anreize, medizinische Leistungen aus Finanzierungs- und

Kostenüberlegungen von einem Bereich in den anderen zu verschieben

• Gesamtwirtschaftlich ineffizientes Verhalten

Die Finanzierung der beiden Sektoren erfolgt anhand eines dualen

Finanzierungsystems. Somit besteht eine getrennte Kostenträgerschaft zwischen

intra- und extramuralen Bereich. Im intramuralen Sektor sind die SV-Beiträge fixiert

und unabhängig von einer Leistungsausweitung. Resultierende Abgänge sind durch

Landes- bzw. Gemeindemittel zu tragen. Der extramurale Bereich wird dagegen

ausschließlich durch SV-Mittel finanziert (Granig et al. 2011).

An diesen Systemgrenzen entstehen konkrete Problemlagen, welche vielfach

negative Konsequenzen auf Leistungen, Qualität und auf die Effizienz bei der

Leistungserbringung mit sich bringen (Wesenauer, 2007). Folglich kommt es häufig

zu einer Schnittstellenproblematik zwischen diesen beiden Sektoren. Es herrschen

strukturelle Differenzen, womit eine ganzheitliche Sektoren und Regionen

übergreifende Planung und Steuerung erschwert wird (Granig et al. 2011).

Grundsätzlich entstehen Probleme dort, wo Systemgrenzen zu überwinden sind. Im

Gesundheitswesen betrifft das vorrangig Grenzen zwischen intra- und extramuralen

Page 143: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Bereich (Wesenauer, 2007). Aus Sicht der Systemtheorie ist dieses

„Phänomen“ durchaus erklärbar. Ein System bezeichnet „einen ganzheitlichen

Zusammenhang von Teilen, deren Beziehungen untereinander quantitativ intensiver

und qualitativ produktiver sind als ihre Beziehungen zu anderen Elementen. Diese

Unterschiedlichkeit der Beziehung konstituiert eine Systemgrenze, die System und

Umwelt des Systems trennt“ (Willke, 1993. S. 282).

Um diese Risiken zu entschärfen, wurde im Zuge der Gesundheitsreform 2005

zwischen Bund und Ländern eine Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG

abgeschlossen, welche eine engere Zusammenarbeit von Sozialversicherung und

Ländern fördert und weitere Akteure im Gesundheitswesen, stärker als in der

Vergangenheit, in die gesundheitspolitischen Entscheidungsprozesse mit einbezieht

(Bundesministerium für Gesundheit, 2005).

Zusätzlich kam es zur Definition des Kooperationsbereichs innerhalb der

Landesgesundheitsfonds, welcher jene Aufgaben umfasst, die zwischen dem intra-

und extramuralen Bereich abzustimmen sind – der Finanzierungstopf für diesen

Überschneidungsbereich wird als „Reformpool“ bezeichnet (Czypionka, 2009).

Reformpool

Um Projekte und Ideen im

Gesundheitswesen finanziell und

Strukturell zu unterstützen, wurde im

Jahr 2005 im Zuge der

Gesundheitsstrukturreform der

Reformpool beschlossen (Granig et al.

2011). Kernaufgabe des Reformpools ist

die Förderung von gemeinsam durch

Sozialversicherungsträger und Ländern

vereinbarten Strukturveränderungen und

Projekten, den sogenannten Reformpool-

Projekten (Czypionka, 2009).

Page 144: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Bei Reformpool-Projekte ist das intramurale Subsystem

aufgefordert, gemeinsam mit dem extramuralen Subsystem,

Leistungsverschiebungen zwischen den angesprochenen

Sektoren umzusetzen und eine Win-Win-Situation zu schaffen.

Zu Beginn verfolgte der Reformpool das Ziel, durch eine

„integrierte Versorgung“ die Effektivität und Effizienz des

Gesamtsystems „Gesundheitswesen“ zu erhöhen (Wesenauer,

2007; Czypionka, 2009).

Heute liegen die allgemeine Ziele von Reformpoolprojekten in

der Steigerung der Effektivität des Gesundheitswesens

(Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung, Erhöhung der Patientenorientierung,

Qualitätsverbesserung, Verminderung von Zugangsbarrieren), die Effizienz des

Gesundheitswesens zu intensivieren und die Erreichung eines

gesamtwirtschaftlichen Nutzens für das Land und die Sozialversicherung

(Budesgesundheitsagentur, 2008).

Reformpoolprojekte sollen aber nicht nur das Ziel der Leistungsverschiebungen

zwischen dem intramuralen und extramuralen Bereich zur Folge haben, sondern

auch Pilotprojekte zur sektorenübergreifenden Finanzierung des ambulanten

Bereichs ermöglichen. Des Weiteren sollen Projekte der integrierten Versorgung

(Disease-Management-Projekte) über die Reformpools initiiert und gefördert werden,

wobei die Versorgung von Diabetes- und Schlaganfallpatienten, koronare

Herzkrankheiten und nephrologischen Erkrankungen im Vordergrund stehen.

(Bundesministerium für Gesundheit, 2005). Darüber hinaus sollen auch Projekte, die

sich mit Entlassungs-/Nahtstellen-/Case- und Caremanagement auseinander setzten,

forciert werden. (Czypionka, 2009).

Reformpool-Projekte sollen nachhaltig und auf andere vergleichbare Regionen

transferierbar sein. Wenn sie allfällige Leistungsverschiebungen zur Folge haben,

sollen diese nach dem Prinzip „Geld folgt Leistung“ ermöglich werden

(Budesgesundheitsagentur, 2008).

Projekte des Reformpools entsprechen in der Regel jener einer Projektorganisation.

Dabei werden Parallelorganisationen im Rahmen von Projekten eingerichtet, die zur

Erarbeitung neuer Vorgehensweisen dienen, bis das neue System in eine

Regelorganisation übergehen kann. Was Reformpool-Projekte von anderen

Projekten unterscheidet, ist dass die Projektpartner aus zwei gleichrangig

nebeneinander stehenden Systemen kommen. Keiner der Projektpartner ist

berechtigt, über Weisung den jeweils anderen Projektpartner zu „überstimmen“.

Page 145: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Entscheidungen müssen daher kooperativ getroffen werden, was gewisse

Anforderungen an die Projektkultur, Projektkommunikation und an die

Projektsteuerung stellt (Wesenauer, 2007).

Vertrauen ist daher eine wesentliche Grundlage jeder kooperativen Vorgehensweise.

Verträge können dabei nur einen Rahmen bilden. Detailvereinbarungen vorab sind in

den meisten Fällen nicht möglich. Dies bedeutet aber auch, dass in

Kooperationsprojekten die eigene Macht ein Stück weit aufgegeben werden muss

und die Zusammenarbeit und die gemeinsame Verantwortung dagegen in den

Vordergrund gerückt werden müssen. Ziele sollen dabei als Orientierungsrichtlinie für

alle Aktivitäten im Reformpool-Projekt dienen. Für eine erfolgreiche Zusammenarbeit

ist es wesentlich, dass beide Projektpartner die Projektziele mittragen. Die ersten

gemeinsamen Schritte in Reformpool-Projekten sollten daher die gemeinsame

Formulierung von Vision und Zielen bilden (Wesenauer, 2007).

In den Anfangsjahren 2005 und 2006 des Reformpools wurden Geldmittel in der

Höhe von mindestens einem Prozent des Gesamtbedarfs für den intra- und

extramuralen Bereich bereitgehalten, in den darauffolgenden Jahren wurde der Anteil

auf mindestens zwei Prozent der Gesamtmittel erhöht. Bei geplanten Projekten ist

natürlich zu hinterfragen, ob diese die Anforderungen eines reformpoolfinanzierten

Projekts erfüllen. In Hinblick auf allokative Effizienz würde es genügen, wenn der

Saldo im extra- und intramuralen Bereich eine Einsparung ergibt, auch wenn in dem

einen oder anderen Bereich zusätzliche Kosten anfallen (Czypionka, 2009). Laut den

Leitlinien für den Kooperationsbereich (Reformpool) der Budesgesundheitsagentur

(2008) haben Reformpool-Projekte in ihrer Definition folgende Punkte zu behandeln

und zu begründen:

• Einigung im Voraus durch das jeweilige Land und SV

• Vorteile für das Land und SV (Effizienzkriterium)

• Sicherstellung eines Nutzens bzw. keine Verschlechterung in der Versorgung

für die Patienten (Versorgungskriterium, Qualitätskriterium)

• Mengen- und kostenmäßige Bewertbarkeit des Status-Quo und des Status-

Post (Evaluierbarkeit)

• Menge und Kosten an voraussichtlich verschiebbarem Potenzial sowie

Möglichkeit des kalkulatorischen Nachweises vom bisherigen und neuen

Leistungserbringer (Mess- und Bewertbarkeit)

• Gesamthöhe der notwendigen Finanzmittel

• Möglichkeit der Nachnutzung oder Reduktion der Ressourcen beim

abgebenden Leistungserbringer

• Fristigkeit des Vorhabens

Page 146: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

• Darstellung der weiteren Vorgangsweise nach Beendigung (Nachhaltigkeit)

• Beschreibung der projektbegleitenden Qualitätssicherungsmaßnahmen

• Darstellung der gemeinsamen Vorgangsweise für den finanziellen Ausgleich

der allfälligen Leistungsverschiebungen zwischen Land und SV (Geld folgt

Leistung) sowie der Aufteilung des durch die Leistungsverschiebung erzielten

finanziellen Gesamtnutzens (Teilung des Gewinns/Verlustes)

Reformpool-Projekte sollen aber von Anfang an alle möglichen Einflussfaktoren

bewerten und nicht nur jene der unmittelbaren Financiers von

Gesundheitsdienstleistungen. Folglich müssen auch jene Einflussfaktoren, die die

Patienten und die Gesellschaft im Allgemeinen betreffen können, beachtet werden.

Dabei ist es unumgängliche, eine Gewichtung der Einflussfaktoren vorzunehmen,

weil diese auch aus gesellschafts- und verteilungspolitischer Sicht wesentlich sind

(Granig et al. 2011).

Bereitschaft für Reformpool-Projekte

Seit der Einführung des Reformpools im Jahre 2005 erfolgt auf den

unterschiedlichsten Ebenen und Bereichen des

österreichischen Gesundheitssystems eine mehr oder

weniger lebhafte Diskussion über die Sinnhaftigkeit und

den angestrebten Nutzen dieses Instruments. Derzeit

zeigen Untersuchungen (Czypionka, 2009) ein sehr

differenziertes Bild des Reformpools. Nach zögerlichem

Beginn in den Anfangsjahren 2005 (ein Projekt) und

2006 (13 Projekte), konnte 2007 mit 26

Projektbeschlüssen ein Aufschwung erkannt werden,

der aber wieder abflaute. Im Jahr 2008 wurden lediglich

neun Projekte in Österreich beschlossen. Eine

Gegenüberstellung der ursprünglich maximal zur

Verfügung stehenden finanziellen Reformpool-Mittel pro Jahr (ein Prozent der intra-

und extramuralen Ausgaben) zeigen, dass österreichweit lediglich rund 16 Prozent

der möglichen Gelder ausgeschöpft wurden. Zusammen mit der wirtschaftlichen

Entwicklung ist anzunehmen, dass die Reformpool-Aktivität in den nächsten Jahren

eher stagniert. Dies ist umso bedauerlicher, da Ansätze dringend benötigt werden,

um Effizienzreserven im Gesundheitswesen zu heben.

In den letzten Jahren befanden sich einige „interessante Projekte“ in Abwicklung

oder wurden bereits abgeschlossen. Erfreulich ist auch, dass Projekte entstanden

Page 147: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

sind, welche vielfach die verlangte Transparenz in der Verwendung öffentlicher Mittel

von den Landesgesundheitsfonds aufzeigten (Czypionka, 2009).

Insgesamt spielt aber das Effizienzkriterium eine untergeordnete Rolle, sodass auf

Kostenseite nur wenig Bewegung besteht. Das zentrale Ziel, die allokative Effizienz

zu erhöhen, wurde durch den Reformpool in seiner derzeitigen Ausgestaltung bisher

nicht erreicht. Zu wenige Überlegungen finden auch in Hinblick auf die Übernahme in

die Regelfinanzierung statt. Der Evaluierung und dem Projektcontrolling wird

zusätzlich zu wenig Augenmerk geschenkt (Czypionka, 2009).

Die größten Probleme des Reformpools werden in der Anreizstruktur für die

Teilnehmer erkannt: Für Kostenträger stellen die Projekte Zusatzbelastungen zum

laufenden Budget dar. Hinzu kommt, dass Land und Sozialversicherung teilweise

gegenläufige Interessen haben, sodass sinnvolle Projekte am mangelnden Interesse

der einen oder anderen Seite scheitern können. Für die Leistungsanbieter wiederum

besteht eher ein Interesse an Projekten, die in Richtung höheren

Ressourcenverbrauchs gehen (Czypionka, 2009).

Das deutsche System der Anschubfinanzierung zur integrierten Versorgung mit

dedizierten Mitteln könnte in diesem Bereich als Vorbild für eine sinnvolle „Reform

des Reformpools“ dienen.

Vergleich mit Deutschland

1989/90 gab es in Deutschland einen

ersten Anlauf zur

sektorenübergreifenden Versorgung,

der allerdings an unüberbrückbaren

Differenzen der Stakeholder,

insbesondere der Ärzte und der Deutschen

Krankenhausgesellschaft, scheiterte. 1993 wurden zunächst

„nur“ Teilbereiche wie die vor- und nachstationäre Behandlung sowie ambulantes

Operieren im Krankenhaus klarer geregelt. Im Jahr 1995 forderte der damalige

Sachverständigenrat umfassendere Maßnahmen zur Verbesserung der Koordination

und Integration der Versorgung. Im Rahmen der Gesundheitsreform 2000 wurde

daher versucht, dieser Forderung nachzukommen, indem die Gesetzgebung zur

integrierten Versorgung beschlossen wurde. Mit der Gesundheitsreform 2004 wurde

die Einbeziehung der Kassenärztlichen Vereinigungen aufgehoben und das System

der Anschubfinanzierung geschaffen. Jede Krankenkasse konnte zur Förderung der

integrierten Versorgung jeweils Finanzmittel in Höhe von einem Prozent der

Page 148: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Gesamtvergütung ambulanter und stationärer Leistungen pro Jahr einbehalten und

über integrierte Versorgungsverträge ausschütten. Seit die gesetzlich verankerte

Anschubfinanzierung zur Verfügung stand, stieg auch das Interesse der Akteure im

Gesundheitswesen, Projekte umsetzen stark an (Czypionka, 2009).

Die Dotierungsvorgabe des Reformpools ähnelt dem deutschen System der

Anschubfinanzierung. Allerdings sind die Anreize in Deutschland unterschiedlich.

Zum Einen liegen die Mittel sowohl für den extra- als auch den intramuralen Bereich

bei den Kassen, es gibt also nicht zwei getrennte Finanziers, die von Projekten in

unterschiedlichem Maße betroffen sein können und daher unterschiedliche

Interessen verfolgen. Zweitens haben die Kassen das Recht, diese Mittel aus den

herkömmlichen Verträgen zu kürzen. Niedergelassene Ärzte als auch Spitäler waren

also durch die deutsche Anschubfinanzierung dazu angehalten, das „verlorene“ Geld

durch Ausarbeitung und Teilnahme an integrierten Versorgungsverträgen wieder

„hereinzuholen“, ein Mechanismus, der in Österreich nicht greifen kann (Czypionka,

2009).

Resümee

Zusammenfassend ist der Reformpool ein

effektives und innovatives Instrument zur

Netzwerkbildung im Gesundheitswesen.

Zusätzlich werden die

Kooperationsarbeiten zwischen den intra-

und extramuralen Subsystemen gefördert.

Es sei hier aber angebracht zu erwähnen,

dass in der Zukunft Bereiche des

Reformpools noch verbessert werden

müssen, um den Anreiz für alle Interessensgruppen für Reformpool-Projekte zu

erhöhen.

Wesenauer (2007) beschreibt ein Reformpool-Projekt als eine Brücke zwischen zwei

Welten mit dem Ziel, diese Welten an einem konkreten Punkt dauerhaft so zu

verbinden, dass dies Vorteile für Patienten und Projektpartner bringt.

Um auch in der Zukunft viele Brücken im Gesundheitswesen bauen zu können,

bedarf es qualitativer Projekte, auf gutem Fundament. Reformpool-Projekte sichern

alleine nicht das österreichische Gesundheitssystem, können aber ein nachhaltiges

„Puzzle“ für ein effizientes Gesundheitssystem sein.

Page 149: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Literaturverzeichnis

Budesgesundheitsagentur. (2008). Leitlinien für den Kooperationsbereich (Reformpool). Wien: Budesministerium für Gesund, Familie und Jugend.

Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend. (2005). Reformen aufgrund der Vereinbarung gemäß Art. 15 a B-VG über die Organisation und Finanzierung des Gesundheitswesens 2008–2013. Wien.

Czypionka, T. R. (2009). Wie viel Reform ist im Reformpool? Wien. Beilage zur Fachzeitschrift Soziale Sicherheit. Hrsg. Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger; Download unter: http://www.ihs.ac.at/departments/fin/HealthEcon/watch/hsw09_2d.pdf (letzter Zugriff: 8.12.2011).

Georg, A. (2007). Kooperationsnetz in der Gesundheitswirtschaft. In: Becker, T.; Dammer, I.; Howaldt, J.; Killich, S. & Loose, A. (2007). Netzwerkmanagement. Berlin: Springer.

Granig, P. & Nefiodow, L. (2011). Gesundheitswirtschaft-Wachstumssmotor im 21. Jahrhundert. Wiesbaden: Gabler Verlag.

Sydow, J. (2006). Netzwerkberatung – Aufgaben, Ansätze, Instrumente. In: Sydow,J. & Manning, S. (2006). Netzwerke beraten. Wiesbaden: Gabler Verlag.

Wesenauer, A. (2007). Steuerung von Reformpool-Projekten - Systemgrenzen erfolgreich überwinden. Soziale Sicherheit, 10.

Willke, H. (1993). Systhemtheorie. (4. Auflage). Stuttgart: G. Fischer.

Page 150: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Vernetzung verschiedener Versorgungsformen (Lichtenberger Doris, BSc)

„Allen freiwilligen Kooperationen geht die Einsicht voraus, dass die gemeinsame

Leistungsfähigkeit größer ist als die Summe der Einzelleistungen (Synergie) und damit

geeignet, eine bessere Wettbewerbsposition zu erreichen.“

(Arno Georg, 2005)

In Anbetracht des obigen Zitats lässt sich wohl das zusammenfassen, was auch in

der recherchierten Literatur immer wieder offenkundig geworden ist: Für

Unternehmen in denen das Bewusstsein vorherrscht, dass die Zusammenarbeit mit

anderen Firmen auch dem eigenen Erfolg dient, wird es sich in der heutigen Zeit,

welche sich durch raschen Wandel und ständige Veränderung auszeichnet, als

weitaus einfacher erweisen die eigene Markt- und Wettbewerbsposition zu sichern.

Wie darauf geschlossen werden kann, wirdnun im folgenden Beitrag aufgezeigt.

Anhand aussagekräftiger Beispiele aus dem Gesundheitsbereich wird dargelegt wie

bestimmte Vernetzungen dazu beitragen könn(t)en sich positiv für einzelne

AkteurInnen (Krankenhäuser, niedergelassene Arztpraxen, PatientInnen)

auszuwirken. Es gibt bereits eine beträchtliche Anzahl an Möglichkeiten und

praktischen Beispielen das Gesundheitssystem allein durch spezielle Vernetzungen

der unterschiedlichen Versorgungsformen sowohl effizienter als auch effektiver zu

gestalten. Zukunftsmusik? Von wegen ...

Hintergrund zur Thematik Um einen ganzheitlichen Bezug zur Thematik zu ermöglichen, ist es wichtig in einem

ersten Schritt den Rahmen in welchem diese Vernetzungen eingebettet sein können,

festzulegen. Als Grundgerüst des Aufbaues dieser Arbeit und der möglichen

Vernetzungen dient die so genannte Versorgungsforschung. Diese lässt sich

folgendermaßen definieren: „Die Versorgungsforschung ist ein interdisziplinäres

Arbeitsgebiet, das mit wissenschaftlichen Methoden die Versorgung der Bevölkerung

mit Maßnahmen, die auf den Erhalt und die Förderung der Gesundheit und die

Page 151: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Vermeidung und Bekämpfung von Krankheit und Behinderung gerichtet sind,

evaluiert und neue Versorgungskonzepte entwickelt und implementiert.“25

Im Sinne der Versorgungsforschung, jene wissenschaftliche Disziplin welche als ein

Teilsystem der Gesundheitssystemforschung gesehen wird, lässt sich eine

Unterscheidung des Gesundheitssystems in Mikro-, Meso- und Makroebene

vornehmen. Diese Einteilung wird nicht von allen sich mit diesem Themengebiet

beschäftigenden AutorInnen einheitlich vorgenommen, stimmt aber größtenteils mit

der herrschenden Definition der Versorgungsforschung überein. Jene Aufgaben

denen sich diese Disziplin widmet sind: die vorherrschende Versorgungssituation zu

analysieren und zu beschreiben, darauf aufbauend die

Versorgungskonzeptentwicklung zu forcieren, neue Versorgungskonzepte bezüglich

ihrer Implementierung und Wissenschaftlichkeit zu begleiten und die Evaluierung

unterschiedlicher Versorgungskonzepte (alte sowie neue), welche im medizinischen

Alltag zur Anwendung kommen. 26 Anhand der folgenden Grafiken sollen die

unterschiedlichen Ebenen der Gesundheitssystemforschung dargestellt werden:

Quelle: Unterschiedliche Ebenen des Gesundheitssystems, eigene Darstellung in Anlehnung an Borgetto 2011, S. 293;

25Borgetto, 2011, S. 293. 26Borgetto, 2011, S. 293f.

Makroebene Mikroebene Mesoebene

Sozialversicherung

Bundespolitik Gesundheitssystem

Krankenhäuser

Neue Versorgungsformen

Niedergelassene Praxen

Krankenkassen

Handlungen & Interaktionen (von PatientInnen, ÄrztInnen, DGKS/P, ...)

Interventionen, Maßnahmen, Gesundheitstechnologien

Gesellschaft

Page 152: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Warum Vernetzungen sinnvoll sind ... Netzwerke, Verbindungen zwischen Unternehmen bzw. zwischen Unternehmen und

deren Umwelt, werden zunehmend als Quelle (Erhalt und Ausbau) der

Wettbewerbsfähigkeit verstanden. Demnach ist es heutzutage nicht mehr möglich

sich diesem Trend zu entziehen, wenn die Ziele eines Unternehmens Kostensenkung,

Erhöhung strategischer Flexibilität, gesteigerte Qualität und das Nützen von

Zeitvorteilen sind. Aber auch Kooperationen im Bereich Forschung und Entwicklung

scheinen vor dem Hintergrund der Erhöhung der eigenen Innovationsfähigkeit

sinnvoll zu sein. 27 Dabei ist stets zu beachten, dass ein so genanntes „gutes

Netzwerken“,welches sich dadurch auszeichnetgut auf Gespräche mit möglichen

Netzwerkpartnern vorbereitet zu sein sowie ein klares Ziel vor Augen zu haben, ein

Antriebsfaktor für die NetzwerkpartnerInnen oder Netzwerkparteien darstellen kann.

„Schlechtes Netzwerken“ hingegen kann sich allerdings als frustrierend

erweisen.28Die Basis für gutes Netzwerken entsteht indem jeder der am Netzwerk

beteiligten Parteien die Kooperation mit den anderen NetzwerkpartnerInnen auch ein

eigenes Anliegen, im Sinne eines internen Unternehmensziels, ist.

Weitet man die ebenbeschriebene betriebswirtschaftliche Betrachtung auf das

Gesundheitswesen aus, so zeigt sich, dass auch hier der Bedarf nach Vernetzung

unterschiedlicher Versorgungsformen besteht.Wie Georg, 2005, betont, werden

durch die gegenwärtig herrschende sektorale Abschottung der ambulanten,

stationären, rehabilitativen und pflegerischen Versorgungsformen bedeutende

Effektivitäts- und Effizienzpotenziale außer Acht gelassen. Dies hat beispielsweise

zur Folge, dass es sich als schwierig gestaltet das oftmalige Ziel dieser Institutionen,

nämlich die Steigerung der Lebensqualität (im Sinne von körperlichem, geistigen und

sozialen Wohlbefinden29) der PatientInnen, zu erreichen.

Vernetzung verschiedener Versorgungsformen Im Gesundheitsbereich lassen sich drei unterschiedliche Arten von Netzwerken

unterscheiden: Horizontale, vertikale und diagonale Kooperationen. So zeichnen sich

beispielsweise horizontale Kooperationen dadurch aus, dass sie sich auf derselben

Versorgungs- bzw. Marktstufe befinden. Eine Vernetzung zwischen zwei Arztpraxen

27Zobolski, 2009, S. 261f. 28 Navarro, 2011, S. 59f. 29Gabler Wirtschaftslexikon, o.J., o.S.

Page 153: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

könnte somit als horizontale Kooperation gelten. Dies bringt beispielsweise einen

speziellen Nutzen hinsichtlichder gemeinsamenAnschaffung und

Verwendungmedizinischer Geräte. Vertikale Kooperationen verknüpfen

unterschiedliche Versorgungsstufen miteinander. Dies bedeutet, dass diese Art von

Vernetzung etwa zwischen niedergelassenen ÄrztInnen und dem Krankenhaus

bestehen kann. Der Vorteil einer solchen Vernetzung besteht darin, dass

beispielsweise Versorgungsprozesse optimiert werden können und darüber hinaus

integrierte Versorgungsleistungen angeboten werden können. Die diagonalen

Kooperationen , werden aus Gründen der branchenübergreifenden Zusammenarbeit

als solche bezeichnet. Diese Art von Vernetzung zeichnet sich dadurch aus, dass

etwa das Wissen verschiedener Branchen dazu genutzt wird neue Produkte und

Dienstleistungen zu entwickeln. Ein Beispiel im Hinblick auf den Gesundheitsbereich

wäre die interdisziplinäre Zusammenarbeit, zBzwischen ÄrztInnen und

MedizintechnikerInnen.30

Auf Basis dieser Unterscheidung soll im Folgenden auf die in der Literatur immer

wieder aufgegriffenen neuen Versorgungsformen eingegangen werden. Speziell im

Hinblick auf die Thematik der „Vernetzung verschiedener

Versorgungsformen“ geraten diese in den Blickpunkt des Interesses. Zunächst soll

näher auf die Idee der „Integrierten Versorgung“ eingegangen werden, um daraus

dann speziellere Programme wie etwa „Praxisnetz - Organisationen“, das

„Hausarztmodell“sowie auch das derzeit aufstrebende „Case

Management“abzuleiten.

Integrierte Versorgung Die Integrierte Versorgung verfolgt das Ziel den PatientInnen eine koordinierte und

abgestimmte Behandlung bzw. Versorgung anzubieten. Sie stellt somit ein

allumfassendes, ganzheitliches Disease-Management-Programm dar, welches alle

am Prozess beteiligten Sektoren miteinbezieht.31Damit soll ermöglicht werden, dass

sich PatientInnennicht länger mit einer aufwendigen Recherche bezüglich

derAuswahl und Koordination ihrer Therapien auseinandersetzen müssen. Ein

reibungsloses Ineinandergreifen zwischen stationärer Versorgung, ambulanter

30Georg, 2005, S. 181f. 31Klinghuber&Kümmerle, 2008, S. 84;Skudlik et al., 2009, S. 722.

Page 154: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Behandlung oder beim Übergang in Rehabilitationsmaßnahmen soll damit

gewährleistet werden. Dies setzt voraus, dass Haus- und FachärztInnen, aber auch

ärztliche und nichtärztliche LeistungserbringerInnen sowie der ambulante und

stationäre Bereich und eventuell auch Apotheken möglichst koordiniert

zusammenarbeiten. Vorteile einer solchen Vernetzung schlagen sich darin nieder,

dass eine schnellere und aufeinander abgestimmte medizinische Leistung erbracht

werden kann. Lange Krankheitszeiten können dadurch gesenkt bzw. kurze

Liegezeiten forciert werden. Eine Verringerung des Medikamentenverbrauchs und

die Vermeidung von Doppeluntersuchungen sowie eine allgemeine Senkung der

Behandlungskosten sind weitere Vorteile die sich hinsichtlich dieser

Versorgungsform ergeben.32

Eine Ausprägung der integrierten Versorgung lässt sich beispielsweise in so

genannten Praxisnetz – Organisationen erkennen. Diese sind sehr vielfältig in ihren

Strukturen und eine einheitliche Definition hinsichtlich eines Praxisnetzes ist kaum zu

formulieren. Aspekte die diese Art der Organisation allerdings gut beschreiben sind,

dass es sich um eine bedeutende Kooperations- und Netzwerkform handelt die zur

Unterstützung der integrierten Versorgung dient und, dass sie ein weites Spektrum

an Kooperationsgemeinschaft abdecken können. So kann eine Praxisnetz –

Organisation vom losen Zusammentreffen einzelner ÄrztInnen bis hin zu

professionell durchorganisierten Unternehmen reichen. Eine spezielle Eigenschaft

dieser Organisationsform ist also, dass es sich dabei um eine sich ständig neu zu

erfindende handelt. Ihnen gemein ist allerdings der Zweck miteinander in einer

verbindlichen und strukturierten Zusammenarbeit die PatientInnenversorgung einer

Region zu verbessern. Dies wird durch eine enge Kooperation und Kommunikation

intensiviert. Solch eine Vernetzung traditioneller Einzelpraxen gewinnt deshalb immer

mehr an Bedeutung, weil sie den Anforderungen der heutigen Zeit umso mehr

gewachsen zu sein scheint. Im gemeinsamen ÄrztInnenteam wird versucht den

alltäglichen Versorgungsherausforderungen zu strotzen. Effektivitäts- und

Effizienzsteigerungen stehen dabei hoch im Kurs und stellen nicht zu verachtende

Komponenten in der „Gesundheitsversorgung von Heute“ dar. Nicht zu vergessen ist

auch der Aspekt der eigenen Existenzsicherung welcher mithilfe dieser Praxisnetze

32Klinghuber&Kümmerle, 2008, S. 84.

Page 155: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

berücksichtigt werden kann.33 Weitere Ziele dieser Organisationsform stellen sich,

folgendermaßen (graphisch dargestellt) dar:

Quelle: Vernetzung von Einzelpraxen, eigene Darstellung in Anlehnung an Schicker, 2008.

Ein weiteres Modell, das im Sinne neuer Versorgungsformen vermehrt in den

Blickpunkt des Interesses gerät, stellt das so genannte „Hausarztmodell“ dar. Ein

zentraler Aspekt dabei ist, dass in diesem denHausärztInnen vermehrt die Rolle der

„Lotsen“ zukommt. Das bedeutet, dass ihre Aufgabe vor allem darin bestehtdie

PatientInnen durch das komplexe Gesundheitssystem zu leiten.34Er/Sie agiert als

eine Art Gatekeeper bzw. steht exakt an der Schnittstelle zwischen PatientIn und

Netzwerk. Ihm/Ihr kommt somit die Rolle des Steuerers hinsichtlich

PatientInnenkarriere und nachgelagerter Leistungserbringung zu. Diese

ArtHausärztIn versteht sich folglich als „KoordinationsärztIn“ der/die genau weiß,

dass es ihm/ihr obliegt, die PatientInnen selbst zu behandeln bzw. an andere

qualifizierte ÄrztInnen weiter zu verweisen. Dies alles soll natürlich auf einer

ganzheitlichen, für PatientInnen optimalen und qualitativ hochwertigenmedizinischen

Leistungserbringung basieren.Dieses Modell zielt allgemein vor allem darauf ab, die

33Schicker, 2008, S. 22ff. 34Gaß, 2003, S. 129.

Einzelpraxis

Einzelpraxis

Einzelpraxis

Ziele: • Individualziele der Einzelpraxen als Basis des Netzwerkziels • Steigerung der Lebensqualität der beteiligten ÄrztInnen durch zB Arbeitsteilung, ... • Finanzielle Vorteile zB gemeinsame Investitionen, Geräteanschaffung • Existenzsicherung • Steigerung der Effektivität und der Effizienz • Steigerung der Qualität der medizinischen Versorgung • Steigerung des PatientInnennutzens • Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Einzelpraxen

Praxisnetz – Organisationen: vom losen Zusammentreffen einzelner ÄrztInnen bis zu professionell organisierten Organisationen

Page 156: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

im Gesundheitsbereich vorhandenen sektoralen Grenzen aufzuweichen und einen

adäquaten Informationsfluss zwischen den beteiligten PatientInnen sowie den

LeistungserbringerInnen sicher zu stellen. Eine der Hauptaufgaben der

HausärztInnen wird folglich die Sammlung, Bündelung und Verknüpfung der

erhaltenen Informationen sein, um daraufhin einen auf diesen Informationen

aufbauenden, darauf abgestimmten Behandlungsplan ab- und einzuleiten.35

Anhand der folgenden Grafik soll vereinfacht dargestellt werden, wie dieses Modell in

etwa aufgebaut ist und wie es funktioniert:

Quelle: Hausarztmodell, eigene Darstellung in Anlehnung an Schicker, 2008, S. 31.

Das Prinzip des so genannte „Case Managements“ ist zumindest hinsichtlich der

Koordination einzelner AkteurInnen im Gesundheitswesen den beiden zuvor

beschriebenen Modellen gar nicht so unähnlich. Anders als die „Praxisnetz –

Organisationen“ und das „Hausarztmodell“ stellt „Case Management“ jenes

sektorenverknüpfendes Glied dar, welches seinen Ausgangspunkt im Bereich der

Pflege bzw. derSozialen Dienstefindet.Zunächst ist an dieser Stelle allerdings

anzumerken, dass es sich bei dem Begriff „Case Management“ keinesfalls um ein

völlig neues Konzept bzw. Modell handelt, denn in den USA existiert es bereits seit

den 1970er Jahren. Gut 20 Jahre später drang dieses Konzept dann auch nach

Deutschland und Österreich durch.36 Was dieser Begriff „Case Management“ nun

35 Schicker, 2008, S. 30f. 36Klie, 2011, S. 499f.

Patient Hausarzt Facharzt B

Krankenhaus

Facharzt A

Leistungserstellung

Leistungserstellung

Erstkontakt

Rückmeldung

Rückmeldung

Überweisung

Page 157: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

genau beinhaltet hält Klie, 2011,folgendermaßenfest: „Case Management“ beinhaltet

an sich keine eigenen Betreuungs- und Therapieangebote,sondern kann als eine Art

Vernetzungs- und Kooperationsmaßnahme beschrieben werden.

„Seine Kunst liegt vielmehr darin, die Prozesse und Angebote zu

organisieren, mit denen der Klient oder sein Umfeld später auch

eigenständig umgehen kann. Damit obliegt es dem Case Management,

die Rahmenbedingungen für die richtige Auswahl, die zeitliche

Organisation und die notwendige Verknüpfungen der bestimmten

Maßnahmen in Kooperation mit allen Beteiligten herzustellen, diese zu

kommunizieren und ihre Umsetzung zu überwachen.“37

In diesem Zitat werden die Kernelemente des „Case Managements“ deutlich. Vor

allem die Organisation der im Krankheitsfall notwendigen Prozesse und Angebote

zwischen den beteiligten AkteurInnenist ein bedeutendes Merkmal. Hinzu kommt laut

Klie, 2011, der Aspekt die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass der/die

PatientIn in der Lage ist diesen organisierten Prozessen später selber nachzugehen.

Der/Die Case ManagerIn hat folglich also auch die Aufgabe dafür zu sorgen, dass

die Rahmenbedingungen kommuniziert und überwacht werden. Die Ziele die dabei in

den Vordergrund treten sind stabile wie auch vernetzte Versorgungsstrukturen für die

einzelnenPatientInnen zu schaffen bzw. zu entwickeln oder aber auch zu optimieren.

Der/die Case ManagerIn verfügt folglich über verschiedene Rollen die er/sie im Sinne

einer adäquaten PatientInnenbetreuung vereinen muss. Ein Beispiel dafür ist etwa

die Rolle des/der BrokerIn. Dabei geht es vor allem darum als neutraler Vermittler

zwischen Ressourcensystem und den KlientInnen aufzutreten. Es wird darauf

abgezielt ein für die Bedürfnisse der KundInnenmöglichst passendes

Versorgungspaketanbieten zu können. Eine umfassende Kenntnis über vorhandene

Angebote ist dafür selbstverständlich Voraussetzung. Eine weitere wichtige Rolle die

der/die Case ManagerIn bekleidet ist die des/der „GatekeeperIn“. Damit ist in diesem

Zusammenhang gemeint, dass er bzw. sie die richtigen, notwendigen und

vorhandenen Ressourcen möglichst gerecht zuteilt. Damit aber noch nicht genug,

denn eine weitere bedeutende Funktion des/der Case ManagerIn umfasst den

Bereich des „Social Supports“. Dies heißt konkret, dass der/die Case ManagerIn die

37 Klie, 2011, S. 500.

Page 158: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

KlientInnen in Situationen plötzlich auftretender Krisen, beispielsweise durch die

Organisation notwendiger Erstmaßnahmen,besonders unterstützt.38

Die folgende Grafik soll das Prinzip des Case Managements noch einmal

zusammenfassend veranschaulichen.

Quelle: Aufgaben im Case Management, eigene Darstellung in Anlehnung an Klie, 2011.

Weiters festzuhalten ist, dass das Case Management im eigentlichen Sinne auf

einzelne Individualfälle angewendet wird. Im Sinne des so genannten „Care

Managements“ können jedochaus diesen Einzelfällen, optimale

Versorgungsstrukturen für eine Vielzahl von PatientInnen abgeleitet, bzw. entwickelt

werden.39

38Klie, 2011, S. 500f. 39Klie, 2011, S. 500.

Aufgabengebiet eines/er Case ManagerIn: 1) GatekeeperIn, Kommunikation und Überwachung der organisierten Prozesse, BrokerIn, Social Support; 2) Organisation und zeitliche Abstimmung notwendiger Prozesse, Verknüpfung notwendiger Maßnahmen,vernetzte Versorgungsstrukturen schaffen; 3) Rahmenbedingungen so gestalten, dass es den PatientInnen möglich ist sich selbständig im Umfeld zurecht zu finden;

2 1

3

Case ManagerIn PatientIn

Page 159: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Zusammenfassung Auf Basis der erlangten Informationen sowie der drei konkreten Ausprägungen der

häufig in der Literatur aufgegriffenen „Integrierten Versorgung“,scheint es durchaus

sinnvoll zu sein, neue Formen der Gesundheitsversorgung zu fördern und zu nutzen.

Es zeigt sich, dass diese Vernetzung zwischen den verschiedenen

Versorgungsformen nicht nur Vorteile für die einzelnen PatientInnenbringt, sondern

auch die anderen an der Versorgung beteiligten AkteurInnen wie etwa ÄrztInnen

sowie auch Krankenhäuser dadurch Effektivitäts- und Effizienzpotenziale eröffnen

können. Mit dem Fokus auf eine ganzheitlichen PatientInnenbetreuung bei

gleichzeitiger Kostendämpfung können sich solche Modelle und Konzepte bereits

jetzt und in näherer Zukunft als äußerst hilfreich gestalten.

Zu berücksichtigen gibt es allerdings den Aspekt, dass die integrierte Versorgung

teilweise für sich in Anspruch nimmt eine Art von gesteuerter Gesundheitsversorgung

zu forcieren.In den USA beispielsweise existieren bereits seit ca 40 Jahren so

genannte „Managed Care“ Programme. Diese geben den PatientInnen genaue

Vorgaben hinsichtlich Versorgungsweg und Leistungsinanspruchnahme. Die

Umsetzung dieser Programme übernehmen in den USA die so genannten HMOs

(HealthMaintainanceOrganizations), welche auch auf Gewinn ausgerichtet sein

können und sich allgemeiner Methoden der Managementlehre bedienen

dürfen. 40 Unschwer zu erkennen ist also jener Aspekt, dass solch eine

PatientInnensteuerung auch Teil einer Unternehmensstrategie werden kann und

daher immer wieder, beispielsweise im Hinblick auf die ethische Korrektheit,kritisch

hinterfragt werden muss.Sofern diese Modelle aber keine versteckte Rationierung

von Versorgungsleistungen zum Ziel haben und hohe medizinische

Versorgungsqualität anstreben,kann ihnen angesichts der zahlreichen bereits

aufgezeigten Vorteile für die am Gesundheitswesen beteiligten AkteurInnen, wenig

entgegengesetzt werden.

40Amelung, Mühlbacher &Krauth, 2011, o. S.

Page 160: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Literaturverzeichnis

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Page 161: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Vernetzung innerhalb von Versorgungsstrukturen (Pichler Christina, BA)

Einleitung

Krankenhäuser sehen sich heutzutage zunehmend mit vielfältigen

Herausforderungen konfrontiert. Sie sind mit einem steigenden Kostendruck und

wachsenden Wettbewerb aufgrund gesundheitspolitischer Vorgaben konfrontiert.

Krankenhäuser müssen sich daher in einem Spannungsfeld zwischen

Wirtschaftlichkeit und bedarfsgerechter Gesundheitsversorgung oft neu orientieren.

Die sich verändernden Rahmenbedingungen erfordern eine zeitnahe Reaktion der

Kliniken. Die Voraussetzung für die Bewältigung der immer komplexer werdenden

Anforderungen an Krankenhäuser bildet eine prozessorientierte

Leistungserstellung , die eine stärkere Vernetzung der einzelnen Subsysteme

des Krankenhauses erfordert (Greiling& Quint, 2010, S. 752 f.). Die Entwicklung und

Implementierung von klinischen Pfaden kann dazu einen wesentlichen Beitrag leisten

(Roeder, 2003, S. 599 f.).

Ziel und Aufbau der Arbeit

Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, intraorganisationale Vernetzung am Beispiel

von klinischen Pfaden im Krankenhaus aufzuzeigen.

Dabei wird zunächst kurz auf das Konzept und die Voraussetzungen

intraorganisationaler Vernetzung eingegangen. Anschließend wird das Instrument

der klinischen Pfade als Form einer intraorganisationaler Vernetzung im

Krankenhaus genauer betrachtet. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der Analyse

des Nutzens, den eine solche Vernetzung für das Krankenhaus als Organisation und

für die Patienten hat. Dazu wird die derzeitige empirische Evidenz hinsichtlich der

Wirksamkeit von klinischen Pfaden aufgezeigt. Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit

liegt darauf, Erfolgskriterien und Barrieren bei der Entwicklung und Einführung von

klinischen Pfaden zu identifizieren.

Intraorganisationale Vernetzung

Die heutige Wettbewerbslandschaft stellt Unternehmen hinsichtlich ihrer Lern- und

Erneuerungsfähigkeit vor neue Herausforderungen. Die Weiterentwicklung von

Page 162: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Strukturen, Prozessen und Unternehmenskultur gewinnt in diesem Zusammenhang

zunehmend an Bedeutung (Rüegg-Stürm & Young, 2000, S 187).

Die Steuerung eines solchen Wandlungsprozesses ist vor dem Hintergrund der

hohen Komplexität von Organisationen jedoch nicht einfach zu bewerkstelligen. Eine

Voraussetzung für eine erfolgreiche Steuerung von organisationalem Wandel bildet

eine stärkere Vernetzung innerhalb des Unternehmens. Diese zielt darauf ab,

zunächst bestehende Prozesse und Strukturen zu identifizieren und analysieren um

sie in weiterer Folge verändern bzw. optimieren zu können. Intraorganisationale

Vernetzung nimmt also eine bedeutende Rolle im Rahmen der Steuerung von

komplexen Systemen, wie sie Unternehmen darstellen, ein (Rüegg-Stürm & Young,

2000, S. 188 f.)

Das Konzept der Vernetzung beruht auf system- und evolutionstheoretischen

Grundlagen, wobei v.a. komplexitätstheoretische Denkfiguren auf Organisations- und

Managementtheorien übertragen werden (Kappelhoff, 2000, S. 347 ff.).

Voraussetzung aller Formen der Steuerung durch intraorganisationale Vernetzung ist

eine gute Qualität der organisationalen Kommunikation, denn was nicht Inhalt der

organisationalen Kommunikation ist, existiert für ein Unternehmen schlichtweg nicht.

Eine qualitativ hochwertige Kommunikation ist jedoch nicht nur Voraussetzung,

sondern kann gleichzeitig auch eine positive Folge intraorganisationaler Vernetzung

sein, da sie durch gesteigerte Interaktionspotenziale auf Organisationsebene dazu

beiträgt, dass Stimuli von außen in die betriebliche Kommunikation integriert werden

(Rüegg-Stürm & Young, 2000, S. 191 f.).

Eine weitere Voraussetzung für intraorganisationale Vernetzung stellten

partnerschaftliche Formen der Zusammenarbeit und Führung dar. Dadurch können

Wissen, Kompetenz und Motivation der einzelnen Subsysteme und Personen optimal

zum Tragen kommen und damit einen Nutzen für das Unternehmen stiften.

Außerdem ist es notwendig, die betreffenden Personen als „prinzipiell

gleichberechtigte Akteure“ (Hilse et al., 1990, zitiert nach Rüegg-Stürm & Young,

2000, S. 192) zu behandeln und mit Entscheidungskompetenzen auszustatten. Das

bedeutet, dass Verantwortlichkeiten nicht mehr rein zentralistisch ausgerichtet

werden sollen (Rüegg-Stürm &Young, 2000, S. 192 ff.).

Teamorientierte Arbeitsformen unter Einbeziehung aller am (z.B. Leistungs-)Prozess

beteiligten Entitäten, Dezentralisierung von Entscheidungskompetenzen und ein

Page 163: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Fokus auf Kommunikationsprozesse bilden also die Kernelemente

intraorganisationaler Vernetzung. Im Folgenden soll anhand des Instruments der

klinischen Pfade näher auf diese Art der Vernetzung eingegangen werden.

Klinische Pfade als Form der intraorganisationalen Vernetzung

Systematischem Prozessmanagement und Prozessoptimierung kommt in

Krankenhäusern eine immer größere Bedeutung zu. Voraussetzung dafür ist eine

Vernetzung der unterschiedlichen Subsysteme eines Krankenhauses und einer

übersichtlichen Erfassung und Skizzierung von Prozessabläufen. Das Instrument der

klinischen Behandlungspfade kann dazu einen wesentlichen Beitrag leisten

(Romeyke& Stummer, 2010, S. 3 f.).

In der Fachliteratur existiert eine umfangreiche Terminologie im Zusammenhang mit

dem Konzept der klinischen Pfade. Für die vorliegende Arbeit soll eine Definition

verwendet werden, die im Rahmen einer umfassenden Literaturanalyse mit 263

inkludierten Fachaufsätzen entwickelt wurde: „A clinicalpathwayis a

methodforthepatient-caremanagementof a well-definedgroupofpatientsduring a well-

definedperiodof time. A clinical pathway explicitly states the goal and key elements of

care based on EBM guidelines, best practice and patient expectations by facilitating

the communication, coordinating roles and sequencing the activities of the

multidisciplinary care team, patients and their relatives, by documenting, monitoring

and evaluating variances, and by providing the necessary resources and outcomes.

The aim of a clinical pathway is to improve the quality of care, reduce risks, increase

patient satisfaction and increase the efficiency in the use of resources” (De Bleser et

al., 2006, S. 562).

Anhand dieser Definition werden die Kernelemente von klinischen Pfaden ersichtlich:

Es gibt einen Bezug zu einer bestimmten Patientengruppe sowie zu einem

spezifischen Diagnose- und Therapierahmen. Außerdem stehen die

Interprofessionalität und die Multidisziplinaritätim Vordergrund, d.h. eine Vernetzung

von allen am Diagnose- bzw. Behandlungsprozess beteiligten Professionen sowie

einer Einbindung von Angehörigen des Patienten. Klinische Pfade stellen daher nicht

nur eine Form intraorganisationaler Vernetzung dar, sondern müssen auch Elemente

einer Vernetzung nach außen beinhalten. Hervorzuheben ist außerdem, dass eine

solche Vernetzung immer den Patienten mit seinen individuellen Bedürfnissen in den

Mittelpunkt rücken muss.

Page 164: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

An dieser Stelle soll noch eine Studie von Vanhaechtet al. (2006) angeführt werden,

die darüber Aufschluss gibt, was Personen, die in Pfadentwicklung und -

implementierung involviert sind, als Hauptcharakteristika von klinischen Pfaden

ansehen. Die Studie wurde im Auftrag der European PathwayAssociation

durchgeführt. Dafür wurden Personen aus 23 Ländern befragt (Vanhaecht et al.,

2006, S. 28 ff.). Die Top-5-Charakteristika sind in

Abbildung 1010 Top-5-Charakteristika von klinischen Pfaden

Text

1. Verbesserung der Behandlungsqualität

Top 5 Charakterisierung

von Klinischen Pfaden

2.Verbesserung von evidenzbasierter Behandlung

3. Multidisziplinäre Verwendung

4. Steigerung der Effizienz der Behandlung

5. Kommunikationstool für Health Professionals

Quelle: Eigene Darstellung nach Vanhaecht et al., 2006, S. 30 f.

Der Charakter der Vernetzung ist hierbei v.a. am Charakteristikum der

multidisziplinären Verwendung sowie am Charakteristikum als Kommunikationstool

für Health Professionals erkennbar.

Der Nutzen von klinischen Pfaden

Mit der Einführung klinischer Pfade werden folgende Ziele verfolgt:

Qualitätssicherung, kontinuierliche Qualitätsverbesserung der medizinischen

Versorgung, Risikoreduktion, Erhöhung der Patientenzufriedenheit und Erhöhung der

Effektivität (De Bleser et al., 2006, S. 562).

Da mit einer intraorganisationalen Vernetzung v.a. in Krankenhäusern mit ihrer doch

sehr starken intrasektoralen Trennung zumindest zu Beginn auch höhere Kosten

einhergehen (Evans-Lacko, Jarrett, McCrone&Thornicroft, 2010, S. 2), muss in der

Page 165: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

jeweiligen Organisation eine Kosten-Nutzen-Abwägung getroffen werden. Vor allem

aber muss der Nutzen empirisch überprüft sein. An dieser Stelle soll daher die

Evidenz hinsichtlich der Wirksamkeit bzw. des Nutzens klinischer Pfade aufgezeigt

werden.

Um diese Frage zu beantworten, werden an dieser Stelle ein systematisches

Literature-Review des Ludwig Boltzmann Institutes für Health Technology

Assessment (2006) sowie ein Cochrane-Review von Rotter et al. (2010)

herangezogen.

Das Review des Ludwig Boltzmann Institutes evaluierte klinische Pfade anhand

dreier Parameter (Ludwig Boltzmann Institut für Health Technology Assessment 2006,

S. 15):

• Verbesserung der Versorgungsqualität

• Optimierung der Sicherheit

• Sicherstellung eines effizienten Ressourceneinsatzes

Die Ergebnisse der Analyse werden im Folgenden zusammenfassend dargestellt.

Verbesserung der Versorgungsqualität: Im überwiegenden Teil der Studien (75

Prozent), die Versorgungsqualität als Outcomeparameter verwendeten, war diese bei

der Anwendung von klinischen Pfaden besser, bei 19 Prozent der Studien konnte

kein Unterschied festgestellt werden und lediglich bei 4 Prozent der Studien wurden

durch den Einsatz von klinischen Pfaden schlechtere Ergebnisse erzielt (Ludwig

Boltzmann Institut für Health Technology Assessment 2006, S. 25 f.).

Optimierung der Sicherheit: In Bezug auf die Sicherheit erschienen in 33 Prozent

der Studien klinische Pfade sicherer als Kontrollen, bei 65 Prozent der Studien

konnte hingegen kein Unterschied bzgl. der Sicherheit festgestellt werden. Nur zwei

Studien wiesen schlechtere Sicherheitsdaten auf (Ludwig Boltzmann Institut für

Health Technology Assessment 2006, S. 26).

Sicherstellung eines effizienten Ressourceneinsatze s: Die eindeutigsten Effekte

erzielen klinische Pfade nach dem vorliegenden Review in Bezug auf den

Ressourceneinsatz. So führte der Einsatz von klinischen Pfaden in 81 Prozent der

Studien zu einem geringeren Ressourceneinsatz. 14 Prozent der Studien wiesen

keinen diesbezüglichen Unterschied auf, bei 3 Prozent führten klinische Pfade zu

Page 166: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

einem höheren Ressourcenverbrauch und bei 2 Prozent war das Ergebnis unklar

(Ludwig Boltzmann Institut für Health Technology Assessment 2006, S. 26).

Anhand der Ergebnisse des Reviews lässt sich also durchaus ein positiver Effekt

von klinischen Pfaden auf die definierten Zielgröße n ableiten. Zusätzlich zur

Evaluierung der Wirksamkeit geben die Autoren des Reviews Empfehlungen zur

zukünftigen Ausrichtung und Anwendung von klinischen Pfaden. So wird darauf

hingewiesen, dass klinische Pfade zunehmend im Sinne der integrierten Versorgung

auch sektorenübergreifend eingesetzt werden sollen (Ludwig Boltzmann Institut für

Health Technology Assessment, 2006, S. 38). Klinische Pfade können daher auch

zur interorganisationalen Vernetzung im Gesundheitswesen eingesetzt werden.

Darauf soll jedoch in dieser Arbeit nicht näher eingegangen werden.

Die Studie von Rotter et al. (2010) stellt eine Meta-Analyse dar und wurde von der

CochraneCollaboration publiziert.Vorrangiges Ziel der Studie war die Messung der

Wirksamkeit von klinischen Pfaden hinsichtlich der gesundheitsberuflichen Arbeit,

patientenorientierten Ergebnissen, durchschnittlicher Aufenthaltsdauer sowie

Krankenhauskosten (Rotter et al., 2010, S. 3).

Die in den Studien am häufigsten gemessene Outcomevariabel stellt die

Aufenthaltsdauer dar. In 11 von 20 relevanten Studien konnte eine statistisch

signifikante Reduktion der Aufenthaltsdauer festgestellt werden. Für die Meta-

Analyse konnte aufgrund der Inkonsistenz der Daten jedoch keine definitive

allgemeine Aussage bezüglich einer Verringerung der Aufenthaltsdauer durch

klinische Pfade getroffen werden, obwohl ein solcher Effekt nach Ansicht der Autoren

sehr wahrscheinlich ist (Rotter et al., 2010, S. 41).

Eine definitive Aussage kann jedoch hinsichtlich der Komplikationsrate getroffen

werden. So weisen Patienten, bei denen klinische Pfade angewendet wurden,

deutlich geringere Komplikationsraten als Patienten mit üblichem Behandlungsablauf

auf (Rotter et al., 2010, S. 43).

In Bezug auf die medizinische Dokumentation konnten ebenfalls positive Effekte von

klinischen Pfaden nachgewiesen werden. So führen klinische Pfade statistisch

signifikant zu einer verbesserten Dokumentation im Krankenhaus (Rotter et al., 2010,

S. 44).

Page 167: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Die Analyse der Effekte von klinischen Pfaden auf die Krankenhauskosten stellte sich

aufgrund statistischer und methodologischer Inkonsistenzen sehr schwierig heraus.

Dennoch konnten die Autoren den Schluss ziehen, dass durch den Einsatz von

klinischen Pfaden erhebliche Kostenvorteile für das Krankenhaus generiert werden

können (Rotter et al., 2010, S. 44).

Durch die Meta-Analyse konnte gezeigt werden, dass die Anwendung von klinischen

Pfaden mit niedrigeren Komplikationsraten sowie einer verbesserten medizinischen

Dokumentation einhergehen. Darüber hinaus wurden Anzeichen für eine Reduktion

der Aufenthaltsdauer sowie eine Kostenreduktion festgestellt. Klinische Pfade stellen

demnach ein wertvolles Instrument im Rahmen eines ergebnisorien tierten

Prozessmanagements dar (Rotter u.a. 2010, S. 48 f.).

Entwicklung und Implementierung von klinischen Pfad en – Erfolgskriterien, Barrieren und Mängel

Die Entwicklung von klinischen Pfaden sollte als schrittweiser Prozess erfolgen, der

am PDCA-Zyklus (Plan-Do-Check-Act-Zyklus) ausgerichtet ist. Die Planungsphase

ist dabei die wichtigste und zeitintensivste Phase (Spath, 1997, S. 37).

Im Folgenden soll aufgezeigt werden, was bei der Entwicklung und Umsetzung

klinischer Pfade beachtet werden sollte, welche Erfolgskriterien also bei dieser Form

der intraorganisationalen Vernetzung im Krankenhaus ausschlaggebend sind.

Bei der Entwicklung ist v.a. darauf zu achten, dass die Vertreter aller

verantwortlichen Berufsgruppen und Disziplinen mit einbezogen werden. Dabei soll

sowohl auf deren Erfahrung und bisherigen Einsatzbereiche, als auch auf deren

Teamfähigkeit Rücksicht genommen werden. Außerdem ist eine Barrieanalyse schon

in der Planungsphase wichtig, um förderliche und hinderliche Faktoren der

Einführung zu identifizieren. Vor der Implementierung des Pfades sollte ein Konsens

aller mit einbezogenen Personengruppen erreicht werden. Erst dann ist eine

Einführung des klinischen Pfades auch erfolgsversprechend. Außerdem sollte in den

Planungsprozess die Sichtweise des Patienten integriert werden (Dick, Sitter, Lind,

Wege-Heuser & Kopp, 2006, S. 12 ff.).

Ein weiteres Erfolgskriterium ist die Bewusstseinsschaffung für die konsequente

Dokumentation des klinischen Pfades, um Abweichungen zu identifizieren und diese

im Sinne eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses mit einzubeziehen (Hunter

&Segrott, 2008, S. 615).

Page 168: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Alle Mitarbeiter müssen hinsichtlich des Umgangs mit dem Pfad geschult werden und

die notwendigen Informationen, Checklisten und Formulare müssen für jeden

Involvierten zu jeder Zeit (bspw. über das Intranet) zugänglich sein (Dick et al., 2006,

S. 16). Bei der Implementierung eines klinischen Pfades müssen also vorher auch

die Kommunikationswege im Krankenhaus analysiert und gegebenenfalls angepasst

bzw. optimiert werden. Es muss über die Kommunikationswege im Krankenhaus

außerdem möglich sein, regelmäßig neue Erkenntnisse weiterzugeben und diese in

den Pfad zu integrieren (Hellmann, 2002, S. 45).

Zusammenfassend lassen sich also Interdisziplinarität, transparente Kommunikation,

Patientenorientierung und ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess als Kriterien

einer erfolgreichen Pfadeinführung nennen.

Im Entwicklungs- und Umsetzungsprozess von klinischen Pfaden können jedoch

auch zahlreiche Barrieren auftreten, welche die Einführung erschweren oder sogar

verhindern können. Folgende Problembereiche konnten anhand der Literatur

identifiziert werden (Kirschner, Witzleb, Eberlein-Gonska, Krummauer& Günther,

2007, S. 518 ff.; Uzark, 2003, S. 138; Lanska, 1998, S. 155 f.; Evans-Lacko et al.,

2010, S. 2 ff.):

• Hoher Schulungsaufwand der Mitarbeiter

• Mangelnde kollaborative und multidisziplinäre Herangehensweise

• Fehlende Unterstützung durch das Management

• Fehlende bzw. mangelhafte Formulierung von Zielen bezüglich der

Versorgungsqualität und der Kosten

• Unzureichende Personalressourcen

• Unrealistischer Zeitrahmen in Bezug auf die Einführung

• Fehlende Überzeugung von Seiten der Ärzteschaft

• Negative Einstellung des klinischen Personals gegenüber der

Standardisierung von Leistungen

• Gefühl der Auferlegung von außen und der Gefährdung der medizinischen

Autonomie

Uzark (2003, S. 138) nennt außerdem das Fehlen eines so genannten

„Pathwaycoordinator“ als ein potenzielles Hindernis. Dies macht deutlich, wie wichtig

Page 169: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

das Management bzw. die Führung von intraorganisationalen Vernetzungsprozessen

ist.

In der bereits erwähnten internationalen Studie von Vanhaecht et al. (2006) wurde

außerdem die Frage nach Ansätzen der Entwicklung und Implementierung von

klinischen Pfaden gestellt. Daraus werden ebenfalls Problembereiche und Mängel

bei der Einführung von klinischen Pfaden ersichtlich. Beispielsweise wurde der

Entwicklung der Pfade durch ein multidisziplinäres Team zwar eine hohe Bedeutung

zugesprochen, dies wurde jedoch in vielen Fällen nicht oder nur teilweise umgesetzt.

So wurden das Pflegepersonal und die ärztliche Belegschaft sehr häufig bei der

Entwicklung von klinischen Pfaden beteiligt, allerdings wurden in den meisten Fällen

nicht alle relevanten Health Professionals mit einbezogen. Das

Krankenhausmanagement war gar nur bei 48 Prozent der entwickelten Pfade

beteiligt. Auch die mangelnde Patientenorientierung wird an dieser Stelle sichtbar: In

nur 26 Prozent aller Fälle wurden Patienten in die Entwicklung von klinischen Pfaden

mit einbezogen (Vanhaechtet al., 2006, S. 32).

Insgesamt kann also festgestellt werden, dass Vernetzung durch klinische Pfade

zwar stattfindet, dass aber eine verbesserte Einbindung aller am Leistungsprozess

beteiligten Personengruppen erfolgen muss.

Page 170: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Zusammenfassung

Sich ständig verändernde Rahmenbedingungen führen dazu, dass sich

Unternehmen einem kontinuierlichen Wandlungsprozess unterwerfen müssen. Dabei

gewinnt intraorganisationale Vernetzung zunehmend an Bedeutung, da durch die

gesteigerte organisationale Interaktion Reize der Umwelt schneller in die

betriebsinternen Kommunikationsabläufe aufgenommen werden.

Ein Schlüsselelement der intraorganisationalen Vernetzung ist die Ausrichtung auf

Prozesse, die zunächst identifiziert und analysiert werden müssen, um sie

anschließend optimieren zu können.

Am Beispiel von klinischen Pfaden wurde in der Arbeit eine Form der

intraorganisationalen Vernetzung betrachtet. Dabei zeigte sich, dass diese für das

Unternehmen Krankenhaus einen hohen Nutzen durch eine Verbesserung der

Qualität der Versorgung, eine Erhöhung der Patientensicherheit sowie einen

verbesserten Ressourceneinsatz stiften können. Allerdings konnten auch Mängel im

derzeitigen Einsatz von klinischen Pfaden aufgezeigt werden. Vielfach werden

relevante Personengruppen nicht in die Entwicklung und Implementierung von

Pfaden mit einbezogen, v.a. eine mangelnde Integration des Managements konnte

festgestellt werden.

Zusammenfassend kann jedoch gesagt werden, dass intraorganisationale

Vernetzung einen wesentlichen Beitrag zum Erfolg von Organisationen leisten kann.

Dazu braucht es jedoch in Zukunft eine verstärkte Einbeziehung wirklich aller

relevanten Entitäten.

Page 171: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

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Page 173: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Vernetzung innerhalb von Versorgungssektoren in Österreich (Raditschnig Sigrid, BA)

Einleitung Das österreichische Gesundheitssystem sieht sich – wie die meisten westlichen

Gesundheitssysteme – mit immer komplexeren Aufgaben konfrontiert. Bedingt durch

die demographischen Veränderungen die westliche Zivilisationsgesellschaften

betreffen, steigt die Anzahl der älteren Einwohner unseres Landes an.

Damit einhergehen werden voraussichtlich die Faktoren Verlust sozialer Netzwerke

und Multimorbidität. So werden für das Jahr 2020, bei einer Gesamtbevölkerung von

ca. 8.75 Mio, ca. 65% allein stehende Frauen über 75 Jahren prognostiziert, in

Summe ca. 496.000 Personen, wovon ca. 37% in Single-Haushalten leben werden.

(vgl. Statistik Austria, 2007). Bei den über 85jährigen Personen verfügen ca. 22%

über keine verwandtschaftlichen Netzwerke mehr, wobei zumindest ca. 40% der über

70jährigen Personen zumindest 1x wöchentlich Kontakt zu ihren Nachbarn halten.

Dadurch, dass weiterhin viele ältere Personen den Verbleib in gewohnter Umgebung

– die oft nicht altersgerecht ausgerichtet ist – dem Umzug in stationäre Einrichtungen

vorziehen, ist auch nicht mit Abnahme der Sturzhäufigkeit und den damit

verbundenen Folgen für Behandlung und Betreuung der Verletzten zu rechnen.

Ein weiteres Charakteristikum der gesundheitlichen Beeinträchtigungen ist das

Auftreten von erhöhter Multimorbidität mit fortschreitendem Alter, was wiederum eine

größere Herausforderung an ein funktionierendes Gesundheitssystem stellt. So

weisen 30% der über 80jährigen Personen sieben oder mehr diagnostizierbare

körperliche Beeinträchtigungen auf (vgl. BMASK, 2009), die je nach Art und

Schweregrad unterschiedliche Versorgungsformen und daher die Betreuung durch

Angehörige der verschiedensten Berufsgruppen benötigen.

In Ergänzung dazu hat sich der Personalstand allein in den österreichischen

Krankenanstalten seit 1980 mehr als verdoppelt und die Gesundheitsausgaben

gesamt sind von 8,3% im Jahr 1990 auf 11% des BIP im Jahr 2009 gestiegen. (vgl.

Statistik Austria, 2011). 2010 wurden ca. 200.000 Personen im Gesundheits- und

Sozialwesen beschäftigt (vgl. BMG, 2010). und im Jahr 2008 arbeiteten zusätzlich ca.

228.000 Personen als Freiwillige Helfer in Österreich (vgl. Statistik Austria 2008).

Schon im Jahr 2002 erbrachten mehr als 425.000 Personen informelle

Pflegeleistungen an Nachbarn oder Angehörigen. (vgl. BMASK, 2009).

Page 174: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Als weiterer zu beachtender Punkt gilt der Umstand, dass PatientInnen immer öfter

vorab Informationen über Krankheitsbilder und mögliche Therapien entweder selbst

rechercherieren oder von den behandelnden Personen einfordern. Aber auch seitens

der Leistungserbringer wird im Zuge der Spezialisierung und Technisierung der

Medizin und Pflege immer mehr an Informationen zu verarbeiten sein.

All diese Entwicklungen bedingen, dass sich das österreichische Gesundheitssystem

auf neue Kooperations- und Vernetzungsstrategien für eine effiziente und effektive

Nutzung der vorhandenen Ressourcen einstellen muss.

Integrierter Versorgung Als mögliche Antwort auf die oben gestellten Herausforderungen sehen

Gesundheitsexperten die integrierte Versorgung, die je nach Autor unterschiedlich

definiert werden kann. So sehen Gröne und Garcia-Barbero die Aufgaben von

integrierter Versorgung im Zusammenführen und Optimieren aller relevanten

Einflussfaktoren wie Leistungserbringung und Koordination der Lesitungserbringer,

Management der beteiligten Organisationen, Qualität der Leistungen und

Patientenzufriedenheit (vgl. Gröne et al. 2001), andere Autoren fokussieren eher den

Aspekt der Optimierung von Effizienz und Effektivität (vgl. Brown et al. 2001) und die

WHO stellt den holistischen Ansatz und die Stärkung der persönlichen Kompetenz in

den Vordergrund (vgl. WHO, 2002).

Herausforderungen an die Gesundheitssysteme Zusätzlich zu den unterschiedlichen Definitionen von integrierter Versorgung gelten

für die einzelnen Gesundheitssysteme unterschiedliche Rahmenbedingungen für die

Umsetzung von integrierter Versorgung. Steuerfinanzierte Gesundheitssystemen wie

etwa der NHS in Großbritannien erleichtern durch die Finanzierung aus einem Topf

und die vorgegebene Versorgungskette durch das Gatekeeper System

Kooperationen zwischen den beteiligten Berufsgruppen und Organisationen, da die

Kompetenzen klarer abgegrenzt sind und der Effekt von Angebotsinduzierter

Nachfrage geringer ist. In den nach Bismarck organisierten Gesundheitssystemen,

wie etwa Deutschland und Österreich ist gerade diese Koordination zwischen den

beteiligten Berufsgruppen und Kammern eine Barriere die durch gesetzliche

Vorgaben geregelt werden muss. Deutschland begann im Jahr 2000 erste

gesetzliche Vorgaben im SGB V zu verankern, seit 2007 ist auch die Pflegevorsorge

in die gesetzlichen Vorgaben mit einbezogen (vgl. Bohle, 2008). In Österreich wurde

Page 175: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

2005 bundesweit für die einzelnen Bundesländer im Zuge der 15a Vereinbarung eine

integrierte Gesundheitsstrukturplanung unter anderen mit Nahtstellenmanagement

und Aufbau einer Gesundheitstelematik sowie sektorübergreifender Abstimmung zur

Qualitätssteigerung einer flächendeckenden Gesundheitsversorgung genehmigt und

vereinbart.

Unter Artikel 5, Nahtstellenmanagement wurde die Bundesgesundheitsagentur mit

der Errichtung von Rahmenbedingungen zur Gewährleistung eines

patientInnenorientierten, effizienten und effektiven Betreuungsverlaufes beauftragt.

(vgl. RIS, 2005).

Das heißt Integrierte Versorgung kann sich nur als Prozess auch zwischen den

Strukturen der Makro- (Gesetzgebung) und der Mikro- (leistungserbringende

Einzelpersonen) Ebene verstehen.

So sieht der Österreichische Strukturplan Gesundheit (ÖSG) 2010 auch vor, die

Betrachtungsweise der Versorgungspfade weg von der isolierten Sichtweise der

Krankenanstalten hin zu einer komplexen Betrachtung des gesamten in einer Region

vorhandenen Versorgungsstrukturen zu ändern. In Zuge dessen wird hier auf die

Bedeutung von Komplementär-Einrichtungen im teilstationären und ambulanten

sowie Einrichtungen des Sozialbereiches hingewiesen. (vgl. ÖSG 2010).

Ziele einer integrierten Versorgung Wie schon weiter oben beschrieben sind die individuellen Lebenswelten der

Patienten stark unterschiedlich und daher spezifisch in den

Entscheidungsfindungsprozess mit einzubeziehen, um die Partizipation der Patienten

im Sinne der Salutogenese zu stärken. Das bedingt, dass alle am

Behandlungsprozess beteiligten Professionen am Entwicklungsprozess teilnehmen.

Dies kann nur durch Kooperations- und Kommunikationsbereitschaft, sowie klare

Kompetenzverteilung gelingen. Zur Stärkung der Kommunikation bedarf es im

optimalen Falle einer allen Beteiligten zugänglichen digitalen Kommunikation mit

vorgegebenen Prozessen zur Weitergabe der Dokumente.

Die gemeinsam beschlossenen Dienstleistungen müssen innerhalb der betroffenen

Sektoren, also stationärer und niedergelassener Bereich – vernetzt und koordiniert

werden. Was wiederum klare gesetzliche Vorgaben über den Abrechnungsmodus,

aber auch gegenseitiges Vertrauen und Respekt der Leistungserbringer

Page 176: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

untereinander bedingt. Integrierte Versorgung muss sich als kontinuierlichen Prozess

mit Bereitschaft zur Weiterentwicklung sehen. Und abschließend: alle beschlossen

Entscheidungen orientieren sich vordergründig am Wohl des Patienten (vgl. Bühler,

2006).

Grad der Umsetzung der integrierten Versorgung in Österreich 2008 vereinbarten die neun österreichischen Bundesländer im Zuge der 2005

beschlossenen Umsetzung einer integrierten Versorgung eine Intensivierung der

erforderlichen strukturverändernden Maßnahmen sowie eine Erweiterung des

Kooperationsbereiches mit verbindlicher Berichterstattung zur Überprüfung des

Grades der Umsetzung (vgl. RIS, 2008).

Dieser ist im Versorgungsplan des ÖSG 2010 wie folgt erfasst.

Abbildung 11: BMG, 2010: ÖSG 2010, S.2

Die schon 2005 im Bundesgesetzblatt zur Integrierten Versorgung vorgesehene

elektronische Patientenakte ELGA konnte bis 2012 nicht umgesetzt werden, laut

Medienberichten scheitert dies vor allem an den Einwänden der Ärztekammer, die

Page 177: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

befürchtet, dass PatientInnen Informationen von dafür nicht qualifizierten Personen

eingesehen werden könnten. (vgl. Initiative ELGA, 2012). Wobei dieser Punkt nur

einen Teilbereich der Problematik der nicht lückenlosen Kommunikation abbildet. Für

das Gesundheitssystem fallen durch Doppelbefundungen oder Übermedikation

zusätzliche Kosten an, für die PatientInnen oft zeitliche und auch körperliche

Belastungen.

Die Grad der Umsetzung des 2005 beschlossenen Nahtstellenmanagements stellt

sich im Jahr 2008 in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich dar. In

einigen Landeskrankenhäusern wurden vereinzelt Pilotprojekte mit definierten

Ansprechpartnern durchgeführt. Allerdings scheint es so, dass selbst innerhalb

dieser Krankenanstalten die Kompetenzen nicht klar getrennt waren und

PatientInnen von unterschiedlichen Stellen unterschiedliche Informationen bekamen.

Hier könnten einheitliche Standards in Form von Checklisten und Qualitätskriterien

im Sinne der PatientInnenorientierung Abhilfe schaffen (vgl. Ninaus-Meznik, 2008).

Über Projekte, die eine weiterführende, durchgängige Behandlung dokumentieren

konnte keine Literatur rechercheriert werden.

Schlussfolgerung Der Gesetzgeber in Österreich scheint sich der Notwendigkeit einer integrierten

Versorgung bewusst zu sein, und setzte daher die ersten Schritte zur Bildung von

den dafür notwendigen gesetzlichen Rahmenbedingungen. Doch durch die 15a

Vereinbarungen mit den einzelnen Bundesländern, die Finanzierung und

Durchführungskompetenzen regeln, kommt es zu keiner österreichweiten Umsetzung

der beschlossenen Maßnahmen. Unterschiedliche Finanzierungsarten und starke

Kammern scheinen diese zu verlangsamen. Daher kann nicht von einer wie anfangs

definierten integrierten Versorgung in Österreich ausgegangen werden.

Page 178: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Literaturverzeichnis

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Page 180: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Organisations- und Netzwerkanalyse (Hocke Victoria, BSc)

Definition: Netzwerk Zu nächst ist einmal festzuhalten, dass es keine einheitliche und von der

Wissenschaft akzeptierte Definition gibt. Da heutzutage die kleinsten

kommunikativen Phänomene bereits als Netzwerk betrachtet werden (können) (Vgl.

Lembke/ Vyborny, 2006).

Der Begriff soziales Netzwerk bezeichnet ein Beziehungsgeflecht, das in der

kleinsten betrachtbaren Einheit Menschen mit anderen Menschen verbindet (Familie,

Verwandtschaft, Kollegen etc.). Aber auch Menschen und Organisationen, sowie

Organisationen untereinander weißen soziale Netzwerke auf (vgl. Uni Hamburg).

Für soziale Netzwerke gelten folgende Unterscheidungen (vgl. Uni Hamburg):

• primäre oder persönliche Netzwerke. Hiermit sind Netzwerke in der Familie

und Verwandtschaft, nachbarschaftliche Netzwerke und freundschaftliche, das

heißt selbst gewählte Netzwerke gemeint. Aber auch altersspezifische,

frauenspezifische oder arbeitsplatzspezifische Netzwerke fallen darunter;

• sekundäre oder gesellschaftliche Netzwerke. Hierzu gehören institutionelle

Netzwerke wie zum Beispiel Handwerksbetriebe, Versicherungsunternehmen,

Kaufhäuser, Industriebetriebe und öffentliche Einrichtungen der Infrastruktur

wie zum Beispiel Kindergarten, Schule, Hochschule, Soziale Dienste,

Verkehrssysteme;

• tertiäre Netzwerke. Sie sind zwischen den primären und sekundären

Netzwerken angesiedelt und haben eine vermittelnde Funktion. Es handelt

sich hierbei um Gruppen der Selbsthilfe, Bürgerinitiativen und um

professionelle Dienstleistungen wie Krankenpflegedienste,

Gesundheitsberatung oder Einrichtungen der Sozialen Arbeit.

Soziale Netzwerke bieten praktische, emotionale und kognitive Unterstützung in

Belastungs- und Krise}nsituationen.

Page 181: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Netzwerkanalyse

Bedeutung Netzwerke bestehen schon seit langer Zeit, in der immer schnelllebigeren und

komplexeren Welt wird die Unterstützung durch andere jedoch immer wichtiger und

der Aufbau von Netzwerken bestimmt nicht nur mehr unser privates Umfeld. Auch in

der Arbeitswelt ist es sinnvoll sich auf Netzwerke verlassen zu können. In fast allen

sozialen und didaktischen Arbeitsbereichen werden Kooperation und Vernetzung

hohe Bedeutung für Lösungen und Strukturprobleme beigemessen. Der Sinn von

Netzwerken leitet sich dabei von den verschiedenen Einsatzgebieten ab, weißt aber

bei näherer Betrachtung in jedem Bereich ähnliche Ziele auf (vgl. Jütte, 2002).

Vernetzung …

• … bildet eine organisatorische Antwort auf die Komplexität des Lebens- und

Bedarfslagen bestimmter Zielgruppen.

• … erhöht Effizienz und Effektivität, durch die Zusammenarbeit und das

aufeinander abgestimmte Vorgehen.

• … dient der Sicherstellung von Qualität.

• … zielt auf Synergien und die damit verbundenen Synergieeffekte.

• … zielt auf eine verbesserte Kommunikation zwischen den einzelnen Akteuren

ab und führt zu einem gemeinsamen Planungsprozess zur Sicherstellung und

Abstimmung der Arbeitsaufgaben. (vgl. Jütte, 2002)

In den letzten Jahren wurde die Anwendung von Netzwerken immer bedeutender,

die Frage nach dem Nutzenpotenzial dieser Netze wird auch von Organisation immer

häufiger gestellt. So hat sich in der empirischen Sozialforschung ein eigenes Feld auf

getan, das sich zur Aufgabe gemacht hat Netze und damit soziale Beziehungen und

ihre Folgen zu analysieren und zu bewerten – die soziale Netzwerkanalyse (vgl. Jütte,

2002).

Dabei sind die untersuchten Felder recht unterschiedlich, so untersucht die

psychologische Netzwerkforschung Netzwerke hinsichtlich ihrer

Unterstützungsfunktion bei der Krisenbewältigung. Die politikfeldwissenschaftliche

Netzwerkforschung analysiert Prozesse in der Politik. Die betriebswirtschaftliche

Netzwerkanalyse beschäftigt sich mit der Analyse von Unternehmensnetzwerken und

den Netzwerken innerhalb der Organisation und soll hier näher dargestellt werden

(vgl. Jütte, 2002).

Page 182: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Für Organisationen bildet die Netzwerkanalyse ein wichtiges Instrument zur

Verbesserung von Strukturen und somit für die Optimierung von Arbeitsprozessen.

Zusehens zeigt sich, dass Netzwerke im Vergleich zu standardisierten

Arbeitsprozessen an Bedeutung gewinnen. Neben den offiziellen und formalen

Prozessen, die transparent im Unternehmen verankert sind, sind die tatsächlichen

Abläufe meist ungewiss. Wer arbeitet mit wem zusammen und holt Hilfe und Rat ein?

Wer kann mit wem am besten arbeiten und erzielt so größere Erfolge? (vgl. Zenk,

2009)

Die Antworten auf diese Frage können helfen unsichtbare Strukturen im

Arbeitsprozess sichtbar zu machen und diese dann zur Effizienzsteigerung zu nutzen.

Besonders bei Outsourcing-Prozessen und Fusionen großer Unternehmen können

versteckte Netzwerke schnell zu einem Problem werden. Setzt man hier richtig an

und nutzt das Wissen um Netzwerke, können Unternehmensstrategien erfolgreicher

umgesetzt und die Leistungsfähigkeit der MitarbeiterInnen verstärkt genutzt werden

(vgl. Zenk, 2009).

„Wissenschaftliche Studien belegen, dass eine entsprechende interne Vernetzung

nachhaltigen Einfluss auf die Produktivität, das Lernen und die Innovationsfähigkeit

einer Organisation hat, ebenso wie „ausgewogene” externe Unternehmensnetzwerke

(Behrend 2005).“ (vgl. Zenk, 2009)

Ein Weg die unsichtbaren Netzwerke sichtbar zu machen bildet die

organisationsbezogene Netzwerkanalyse (ONA). Im Gegensatz zu dem

Organigramm eines Unternehmens bilden die sozialen Beziehungen, gelebte

Arbeitskultur und Wissensressourcen der ArbeitnehmerInnen ein definierteres

Konstrukt (vgl. Zenk, 2009).

Page 183: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Netzwerkanalyse in der Anwendung

Ein einzelnes Netzwerk alleine erlaubt noch keine generelle Aussage über bestimmte

Mitarbeiter oder Gruppierungen. Deswegen ist bei einer Netzwerkanalyse als erster

Schritt die Frage der konkreten Aufgabenstellung, die Auswahl der Gruppe der zu

analysierenden Akteure sowie die Art der Beziehungen zu klären. Je genauer die

Problemstellung und die damit verknüpfte Strategie erfasst werden, desto effektiver

können die Analysen für die Optimierung abgeleitet werden.

Bei der Analyse sind sieben Schritte von großer Bedeutung (siehe hierzu Zink

(2009)):

1. Zielsetzung

2. Festlegung der Zielgruppen

3. Auswahl der Methoden

4. Visualisierung der Netzwerke

5. Berechnung der Kerngrößen

6. Feedback

7. Umsetzung der Maßnahmen

Diese sollen im Folgenden kurz erläutert werden.

1. Zielsetzung

Die erste Phase beginnt mit einer zusammen erarbeiteten Zielsetzung. Welche

Situationen und Fragen sollen beleuchtet werden? Wo können Analysen helfen

Verbesserungen erkenntlich zu machen.

„Dabei werden besonders Strukturen und Prozesse betrachtet, die funktionale,

geographische, hierarchische oder auch organisatorische Grenzen überschreiten, da

gerade an diesen Übergängen sozio-kulturelle Netzwerke oftmals fragmentiert

sind.“(vgl. Zink, 2009)

Page 184: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Sinnvoll ist es bereits in der ersten Phase eine genaue Vorgehensweise mit der

Organisation abzusprechen und diese im Hinblick auf rechtliche Vorschriften

absegnen zu lassen.

2. Festlegung der Zielgruppen

Als nächstes werden die Zielgruppen identifiziert und die Entscheidung darüber

getroffen welche Akteure betrachtet werden sollen (z.B. eine Abteilung, die gesamte

Organisation oder nur bestimmte Typen wie Manager oder neue Mitarbeiter). Dabei

werden auch die speziellen Funktionen und die dazugehörigen Kompetenzen erfasst,

die die zu untersuchenden Akteure innehaben

3. Auswahl der Methoden

„Im Anschluss erfolgen die Auswahl geeigneter Analysemethoden und -tools sowie

die Erstellung einer spezifischen Ablaufplanung. Die Tatsache, dass die Erhebung

der Daten nicht anonym erfolgen kann, stellt entsprechend hohe Anforderungen an

die Vorbereitung und Durchführung einer Netzwerkanalyse. So müssen im Vorfeld

mit allen Beteiligten klare Regelungen, […] getroffen werden.“ (Zink, 2009)

Die Methoden die bei der Analyse häufig verwendet werden sind Fragebögen, die in

kurzer Zeit ausgefüllt werden können, selektive Interviews aber auch Textanalysen

von Dokumenten die im Arbeitsprozess im Umlauf sind. Die Auswahl der Methoden

muss dabei wie in allen Forschungsbereichen zur Beantwortung der Frage sinnvoll

sein (vgl. Zink 2009).

4. Visualisierung der Netzwerke

In Phase vier werden dann alle gesammelten Daten mit Hilfe von spezieller Software

in Netzwerkdiagrammen visualisiert. Die Darstellung hilft konkrete Beziehungen

sichtbar zu machen und kritisch zu hinterfragen. Zu dem kann man den Ist-Zustand

mit dem Soll-Zustand abgleiche und dadurch Ungleichgewichte aufdecken (vgl. Zink,

2009).

Bei unterschiedlichen Fragestellungen können die Visualisierungen dann auch

miteinander verglichen werden und können so helfen ein tatsächliches

Gesamtnetzwerk darzustellen. Zudem könnte man auch die Veränderungen der

Netzwerke ablichten, indem man die Analyse zu unterschiedlichen Zeitpunkten

Page 185: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

wiederholt und kann so Einblicke sichtbar machen die sich hinter einem

Organigramm versteckt bleiben (vgl. Zink 2009).

5. Berechnung der Kerngrößen

„Um die erhobenen Netzwerke noch genauer zu messen, werden speziell entwickelte

Kenngrößen berechnet. Die zusätzliche Berechnung aussagekräftiger Indikatoren

gibt den Verantwortlichen die Möglichkeit, standardisierte Netzwerkmaße objektiver

bewerten zu können. Die Ergebnisse werden im Anschluss sowohl mit dem

Auftraggeber als auch mit Arbeitnehmervertretern bzgl. Detaillierungsgrad und

Umfang der Ergebnisdokumentation und -kommunikation abgestimmt.

Vor allem bei größeren Netzwerken oder beim Vergleich von Netzwerken ist es

hilfreich, neben Visualisierungen standardisierte Kenngrößen für ein besseres

Controlling zu ermitteln.

So wird beispielsweise untersucht, welche Akteure eher Informationen einholen (z.B.

neue Mitarbeiter) und welche Akteure eher Informationen zu Verfügung stellen (z.B.

Experten).“ (Zink 2009)

6. Feedback

In der vorletzten Phase werden Teilergebnisse mit den Verantwortlichen besprochen,

dabei sollen „wesentliche Aspekte hervorgehoben und erläutert werden um den

Betroffenen eine bestmögliche Orientierung zu bieten“(Zink, 2009).

Zudem kann das Analyse-Team um Feedback bitten um Prozesse weiter zu

optimieren und Risiken aufzudecken (z.B. Warum nahmen wenige der Angestellten

an den Fragen teil etc.)

Aber auch die MitarbeiterInnen können mit den Ergebnissen arbeiten und Vorschläge

zur optimalen Nutzung machen, was „Aspekte wie Teamentwicklung, kollektives

Lernen und innovatives Problemlösen nachhaltig fördert“ kann (Zink, 2009).

Die Ergebnisse und darauf basierende Maßnahmenvorschläge werden dann

gesammelt und der Organisation vorgelegt.

7. Umsetzung der Maßnahmen

In der letzten Phase werden, wenn gewünscht, die Maßnahmen in Begleitung des

Netzwerkanalyse-Teams umgesetzt. Dafür empfiehlt es sich ein

„Veränderungsmanagement“ zu positionieren, vielleicht in Zusammenarbeit mit dem

Page 186: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Qualitäts-/ Risikomanagement. Die erreichten Zielen sollten dann nach gewisser Zeit

überprüft werden und sicherzustellen das Maßnahmen umgesetzt und sinnvoll sind.

Praxisbeispiele Praxisbeispiel 1

Frage: Wie tauschen Studenten innerhalb einer Lehrveranstaltung Wissen aus und

wie arbeiten sie zusammen?

In einem Workshop bearbeiten und besprechen Studenten Fallstudien gemeinsam.

Am Ende des Seminars beantworten die Studenten einen Fragebogen zum Seminar

und bewerten darin die einzelnen Teilnehmer und deren Seminarbeiträge. Dieser

Fragebogen wird anschließend mit Hilfe der sozialen Netzwerkanalyse ausgewertet.

Beispielhaft soll auf zwei Fragen dieses Fragebogens eingegangen werden, die

erstens die fachliche und zweitens die persönliche Dimension des Workshops im

Fokus des Interesses hatten:

1. Folgende Teilnehmer haben die besten Inputs gegeben. Ich nominiere: …

2. Mit folgenden Personen würde ich in einem nächsten Workshop besonders

gerne zusammenarbeiten. Ich nominiere: …

Insgesamt nehmen 19 Studenten an der Befragung teil. 13 von ihnen haben den

Fragebogen beantwortet (68,4%).

Durch die Visualisierung der Antworten kann gezeigt werden, wessen Input am

meisten geschätzt wurde bzw. mit wem jemand einen weiteren Workshop besuchen

möchte. Konkret helfen Visualisierungen in diesem Beispiel, fachliche und soziale

Dimensionen abzubilden. Mittels Farben, Formen und Größenunterschieden können

weitere Informationen zu einzelnen Akteuren, wie Geschlecht oder Anzahl der

Nominierung gegeben werden.

Mit Hilfe der Netzwerkanalyse können Organisationen demnach besonders

einflussreiche Mitarbeiter gezielt identifizieren.

Quelle: Lembke, Gerald / Vyborny, Michael (2006): Soziale Netzwerkanalyse. Aus Wissensmanagement – Das Magazin

Page 187: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Praxisbeispiel 2

In Abbildung 1 wird beispielhaft ein Vergleich zwischen der hierarchischen Ordnung

(links) und dem informellen Informationsfluss (rechts) in einem verteilten

Produktentwicklungsteam gezeigt. Jedes Teammitglied wurde gefragt: “An wen

wenden Sie sich, um Informationen zu erhalten, die für ihre Arbeit wichtig

sind?“ Durch die Visualisierung werden auf einen Blick die tatsächlichen

Informationsflüsse erfassbar. Die einzelnen Teammitglieder werden durch Quadrate

repräsentiert, die Pfeile zeigen die Richtung der Kommunikation an. Die

unterschiedlichen Farben der Quadrate verdeutlichen die Zugehörigkeit der

Personen zu den Organisationsbereichen Produktion, Marketing und Forschung &

Entwicklung (F&E).

Anhand der Visualisierungen können Organisationen das Informationsnetzwerk überprüfen und Verbesserungen angehen. Vielleicht besetzen sie ineffiziente Stellen neu oder beschäftigen in neuen Projekten andere MitarbeiterInnen. Welche Lehren aus der Analyse gezogen werden, bleibt dann dem Unternehmen überlassen.

Quelle: Zenk, Lukas (2009): Soziale Netzwerkanalyse in Organisationen/ Versteckte Risiken und Potentiale erkennen.

Abbildung 1: Gegenüberstellung Organigramm und tatsächlicher Informationsfluss (Quelle: Zenk (2009))

Page 188: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Fazit Netzwerkanalysen bieten in der heutigen Zeit ein einfaches Instrument um

unsichtbare Abläufe in Unternehmen sichtbar zu machen.

Mit Hilfe der Analyse können Prozesse verbessert und optimiert werden, wenn die

Ergebnisse richtig gedeutet werden und Maßnahmen ordentlich geplant und

umgesetzt werden.

Dabei sollte aber darauf geachtet werden sich nicht „zu Tode“ zu analysieren,

sondern sich auf bestimmte Prozesse einzuschränken und seine Fragen an/ über

das System spezifisch zu stellen.

Die Netzwerkanalyse ist zwar ein Instrument das vielfältig eingesetzt werden kann

(Untersuchung von großen bis sehr kleinen Gruppen/ soziale, politische,

organisationelle Abläufe etc.) sollte aber nicht überstrapaziert werden.

Mit der richtigen Planung bildet es ein einfaches Instrument um Netzwerke zu

analysieren und zu visualisieren.

Page 189: Analyse von Netzwerken in Gesundheitssystemen

Literaturverzeichnis

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Unter: http://gerald-lembke.de/media/pdf/Soziale%20Netzwerk%20Analyse%20und%

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Zenk, Lukas (2009): Soziale Netzwerkanalyse in Organisationen/ Versteckte Risiken

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Unter: http://www.inso.tuwien.ac.at/uploads/media/Zenk_Behrend_2010preprint_Soz

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