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Analysis 3 ur Technische Mathematik August 2011 Michael Kaltenb ¨ ack

Analysis 3funkana/skripten/ANA_III...13.1 Lebesgue vs. Riemann Wir wollen am Anfang den im ersten Studienjahr kennengelernten Riemannschen In-tegralbegriff dem ku¨rzlich in der Maßtheorie

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  • Analysis 3

    für Technische Mathematik

    August 2011

    Michael Kaltenbäck

  • Inhaltsverzeichnis

    13 Lebesguesche Integration 113.1 Lebesgue vs. Riemann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113.2 Satz von Fubini und das Lebesgue-Maß inRd . . . . . . . . . . . . . 1013.3 Lp-Räume, Faltung, etc. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

    14 Integraltransformationen 3114.1 Fouriertransformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .3114.2 Laplacetransformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

    15 Transformationsregel, Mannigfaltigkeiten 4715.1 Transformationsformel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4715.2 Mannigfaltigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5815.3 Fortsetzung von Einbettungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .6515.4 Differenzierbare Funktionen auf Mannigfaltigkeiten . . . . . . . .. . 7015.5 Integration über Mannigfaltigkeiten . . . . . . . . . . . . .. . . . . 7215.6 Tangentialräume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8715.7 Stetiger Normalvektor und Gebiete mit orientierbaremRand . . . . . 8815.8 Integralsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9615.9 Poissonsche Darstellung harmonischer Funktionen . . .. . . . . . . 10515.10Stokesscher Integralsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . 109

    16 Komplexe Maße 11316.1 Variation eines Maßes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11316.2 Satz von Radon-Nikodym . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11716.3 Zerlegungensätze nach Hahn bzw. Lebesgue . . . . . . . . . .. . . . 12316.4 Dualraum vomLp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12616.5 Verteilungsfunktionen und Maße aufR . . . . . . . . . . . . . . . . . 13016.6 Absolute Stetigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13816.7 Ableitung fast überall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .141

    17 Maße auf topologischen Räumen 14717.1 Reguläre Maße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14717.2 Rieszscher Darstellungssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . 15617.3 Der Dualraum desC0(X) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164

    Literaturverzeichnis 173

    Index 174

    i

  • ii INHALTSVERZEICHNIS

  • Kapitel 13

    Lebesguesche Integration

    13.1 Lebesgue vs. Riemann

    Wir wollen am Anfang den im ersten Studienjahr kennengelernten Riemannschen In-tegralbegriff dem kürzlich in der Maßtheorie erlernten Lebesgueschen Integral ge-genüberstellen.

    Dazu sei kurz an die Definition des letzteren erinnert. Wir werden uns dabei so-weit wie möglich an die Notation aus dem Maßtheorie Skriptum ([W]), insbesondereKapitel 11, halten. Sei (Ω,A, µ) ein Maßraum, alsoΩ eine nichtleere Menge,A eineσ-Algebra aufΩ undµ : A→ [0,+∞] ein Maß.

    BezeichnetE die Menge aller nichtnegativen Treppenfunktionen, alsof ∈ E ⇔

    f =n∑

    i=1

    αi1Ai mit αi ∈ R+ ∪ {0}, Ai ∈ A, i = 1, . . . , n, (13.1)

    so ist∫

    f dµ als∑n

    i=1αiµ(Ai) (∈ R+ ∪ {0,+∞}) eindeutig, also unabhängig von derDarstellung (13.1) vonf , definiert.

    Für jede Funktionf : Ω → [0,+∞], die als punktweiser Grenzwert von einermonoton wachsenden Folge (fn)n∈N von Funktionen ausE geschrieben werden kann,ist aus der Maßtheorie bekannt, dass

    limn→∞

    ∫fn dµ =:

    ∫f dµ (13.2)

    nicht von der speziellen Folgefn abhängt. Also ist das Integral über solche Funktionenf eindeutig durch (13.2) definiert. Die Menge aller nichtnegativen Funktionen, die alspunktweiser Grenzwert von monoton wachsenden Folgen (fn)n∈N von Funktionen ausEgeschrieben werden können, stimmt mit der Menge aller [0,+∞]-wertigen,messbarenFunktionenüberein. Dabei sei erinnert, dass eine Funktionf : Ω → R ∪ {−∞,+∞}messbar heißt (genauerA − B messbar), wenn das Urbildf −1(B) aller MengenB ∈ B(Borelmengen) in A liegt.B ist dabei die von allen halboffenen Intervallen (a, b] erzeugteσ-Algebra aufR,

    undB die vonB, sowie{−∞} und{+∞} erzeugteσ-Algebra aufR∪ {−∞,+∞} (=: R).Mit L (L) sei die Vervollständigung vonB (B) bezüglich des Lebesgueschen Maßesλbezeichnet (siehe Kapitel 6 und 8 in [W]). Also istL die kleinsteσ-Algebra, dieB undalle Teilmengen vonB-Nullmengen enthält.

    1

  • 2 KAPITEL 13. LEBESGUESCHE INTEGRATION

    Eine messbare Funktionf : Ω→ R heißt nun integrierbar, wenn∫| f | dµ im obigen

    Sinne endlich ist. Da die Definition (13.2) offensichtlich monoton vonf abhängt, dh.f1, f2 : Ω → [0,+∞], f1 ≤ f2 ⇒

    ∫f1 dµ ≤

    ∫f2 dµ, ist eine messbare Funktion

    f : Ω → R sicherlich dann integrierbar, wennf eine integrierbare Majorante ghat,d.h. es eine messbare Funktiong ≥ 0 gibt mit

    ∫g dµ < +∞ undg ≥ | f |.

    Setzt manf+ = max(f , 0) und f− = max(− f , 0), so sind mit∫| f | dµ auch

    ∫f+ dµ∫

    f− dµ endlich. Das Integral überf ist dann definiert als∫

    f+ dµ −∫

    f− dµ.Wir werden nun auch das Integral von komplexwertigen Funktionen definieren:

    13.1.1 Definition. Sei f : Ω→ C. Dann heißtf messbar, wenn Ref und Im f messbarsind.

    Eine messbare Funktionf heißtintegrierbar, wenn Ref und Im f es sind, und mandefiniert ∫

    f dµ :=∫

    Re f dµ + i∫

    Im f dµ.

    13.1.2 Fakta.

    1. Da die BorelmengenB2 aufC ≃ R2 mit B⊗B übereinstimmen, und daf : Ω→R2 genau dann messbar ist, wenn die Komponentenfunktionenes sind, sehen wir,dassf messbar im Sinne von Definition 13.1.1 ist, wennf A-B2 messbar ist.

    2. Man überprüft durch Anwendung der bekannten EigenschaftenR-wertiger mess-barer Funktion leicht, dass mitf undg auch| f |, α f , f g, f +g messbar sind, wobeiα ∈ C.Ist f (x) immer ungleich Null, so ist wegen der Stetigkeit und der damit verbun-denenB2-B2 Messbarkeit vonz 7→ 1z aufC \ {0} die Funktion

    1f auch messbar.

    3. Wegen|Re f |, | Im f | ≤ | f | ≤ |Re f | + | Im f | ist ein messbaresf genau dannintegrierbar, wenn

    ∫| f | dµ < ∞. Dabei gilt

    ∣∣∣∣∣∫

    f dµ∣∣∣∣∣ ≤

    ∫| f | dµ.

    Diese Ungleichung zeigt man zunächst leicht für Treppenfunktionen, und allge-mein durch Approximation von unten von (Ref )± und (Im f )± durch Treppen-funktionen.

    4. Das Integral ist linear (α, β ∈ C):∫

    (α f + βg) dµ = α∫

    f dµ + β∫

    g dµ.

    5. Es gilt∫

    f dµ =∫

    f dµ.

    6. Aus Definition 13.1.1 schließt man sofort, dass die bekannten Sätze wie etwa’Satz von der beschränkten Konvergenz’ auch für komplexwertige Funktionengelten.

  • 13.1. LEBESGUE VS. RIEMANN 3

    7. Ein nützlicher Sachverhalt bei der Integration von komplexwertigen Funktionenist der, dass die Funktion log :C \ {0} → C definiert durch

    z= reiφ 7→ ln r + iφ,

    messbar ist, wenn man z.B. festlegt, dass der Winkelφ aus [0, 2π) ist.

    Diese Feststellung ermöglicht uns nämlich eine messbareFunktion f alsr(x) exp(iφ(x)) mit messbaren Funktionenr : Ω → [0,+∞] undφ : Ω → [0, 2π)zu schreiben. Dabei istf genau dann integrierbar, wenn| f | = r integrierbar ist.

    13.1.3 Bemerkung.Genauso wie Funktionenf : Ω → C � R2 kann man Funktionenf : Ω→ Rn für irgendeinn ≥ 2 betrachten. Die Messbarkeit bzw. Integrierbarkeit wirdentsprechend den komplexwertigen Funktionen komponentenweise definiert. Es geltendabei ganz ähnliche Fakten wie in Fakta 13.1.2.

    Es ist nicht überraschend, dass der Lebesguesche Integralbegriff eine Erweiterungdes Riemannschen ist.

    13.1.4 Satz. Sei f : [a, b] → R eine beschränkte Funktion. Dann ist f genaudann Riemann-integrierbar, wenn die Menge D der Unstetigkeitsstellen von f eineLebesgue-Nullmenge ist (d.h. D∈ L, λ(D) = 0). f ist in diesem FalleL-B messbarund Lebesgue-integrierbar, wobei der Wert der beiden Typenvon Integralen überein-stimmt.

    Beweis. Zunächst seif : [a, b] → R beschränkt, aber sonst beliebig. Wie aus (8.3)bekannt, gilt

    infZ∈Z

    (O(Z) − U(Z)) = infZ∈Z

    O(Z) − supZ∈Z

    U(Z) =

    b−∫

    a

    f dx−b∫

    −a

    f dx, (13.3)

    wobei O(Z) (U(Z)) die Obersumme (Untersumme) zur ZerlegungZ des Intervalls[a, b] der Funktionf bezeichne. Sei (Zk)k∈N eine Folge von Zerlegungen, sodass

    limk→∞

    (O(Zk) − U(Zk)

    )= infZ∈Z

    (O(Z) − U(Z)). (13.4)

    Die Elemente vonZk wollen wir mit ξk,0 < · · · < ξk,n(Zk) bezeichnen. DaO(Z)−U(Z)monoton fallend vonZ abhängt, können wir die Folge so wählen, dass für die Feinheit

    max{ξk,1 − ξk,0, . . . , ξk,n(Zk) − ξk,n(Zk)−1} <1k

    (13.5)

    gilt und dassZk+1 ⊇ Zk. Wegen limk→∞O(Zk) ≥b−∫

    a

    f dx und limk→∞U(Zk) ≤b∫−a

    f dx

    folgt aus (13.3) und (13.4), dass sogar

    limk→∞

    O(Zk) =

    b−∫

    a

    f dx, limk→∞

    U(Zk) =b∫

    −a

    f dx. (13.6)

  • 4 KAPITEL 13. LEBESGUESCHE INTEGRATION

    Wir definierengk, hk : [a, b] → R

    gk(x) :=n(Zk)∑

    j=1

    inft∈[ξk, j−1,ξk, j ]

    f (t) · 1[ξk, j−1,ξk, j )(x) + f (b)1{b}(x),

    hk(x) :=n(Zk)∑

    j=1

    supt∈[ξk, j−1,ξk, j ]

    f (t) · 1[ξk, j−1,ξk, j )(x),+ f (b)1{b}(x).

    und sehen, dassgk ≤ f ≤ hk und dassU(Zk) =∫

    gk dλ sowieO(Zk) =∫

    hk dλ.Aus der Monotonie der Zerlegungsfolge (Zk)k∈N folgert man leicht, dass die Folge

    (gk)k∈N ((hk)k∈N) monoton wachsend (fallend) ist. Außerdem sind wegen|gk|, |hk| ≤‖ f ‖∞ diese Funktionenfolgen beschränkt. Also existiert überall g := limk→∞ gk undh := limk→∞ hk. g undh sind Borel-messbar, und es giltg ≤ f ≤ h. Aus dem Satz vonder beschränkten Konvergenz zusammen mit (13.6) folgt

    [a,b]

    h dλ = limk→∞

    [a,b]

    hk dλ = limk→∞

    O(Zk) =

    b−∫

    a

    f dx, (13.7)

    [a,b]

    g dλ = limk→∞

    [a,b]

    gk dλ = limk→∞

    U(Zk) =b∫

    −a

    f dx.

    Insbesondere

    [a,b]

    |h− g| dλ =∫

    [a,b]

    (h− g) dλ =

    b−∫

    a

    f dx−b∫

    −a

    f dx.

    Also ist f Riemann-integrierbar genau dann, wenng = h λ-f.ü..Wir setzenM =

    ⋃j∈NZ j und bemerken, dassM abzählbar und somit eine Null-

    menge ist. Nun seit ∈ [a, b] \ M so, dassg(t) = h(t). Ist ǫ > 0, so wählek ∈ N, sodasshk(t) − gk(t) < ǫ. Da t < M ⊇ Zk, gibt es einδ > 0, sodass (t − δ, t + δ) ∩ Zk = ∅.Insbesondere folgthk(t) = hk(s), gk(t) = gk(s) für s ∈ (t − δ, t + δ), und somit für solcheswegengk ≤ f ≤ hk

    −ǫ < gk(t) − hk(t) = gk(t) − hk(s) ≤ f (t) − f (s) ≤ hk(t) − gk(s) = hk(t) − gk(t) < ǫ.

    Also ist f stetig beit.Ist umgekehrtf stetig beit ∈ [a, b), so gibt es zuǫ > 0 einδ > 0 mit | f (t)− f (s)| < ǫ

    wenn nurs ∈ (t−δ, t+δ). Wählek so groß, dass1k < δ. Dann gilt für dasjenige Intervall[ξk, j−1, ξk, j), in demt liegt, dass wegen (13.5) [ξk, j−1, ξk, j] ganz in (t− δ, t+ δ) enthalten.Es folgt

    gk(t) = infs∈[ξk, j−1,ξk, j ]

    f (s) ≥ f (t) − ǫ, hk(t) = sups∈[ξk, j−1,ξk, j ]

    f (s) ≤ f (t) + ǫ,

    und daher 0≤ h(t) − g(t) ≤ hk(t) − gk(t) ≤ 2ǫ. Daǫ beliebig war, folgth(t) − g(t) = 0.Insgesamt stimmen die Stetigkeitspunkte vonf in [a, b] \ M mit {t ∈ [a, b] \ M :

    h(t) = g(t)} überein. Also ist die Menge der Unstetigkeitspunkte vonf genau dann eineλ-Nullmenge, wennf Riemann-integrierbar ist.

  • 13.1. LEBESGUE VS. RIEMANN 5

    Ist die Riemann-Integrierbarkeit vonf gegeben, so stimmtg mit h bis auf eineBorelmenge von Lebesguemaß Null überein. Wegeng ≤ f ≤ h stimmt f mit g bzw.h außerhalb von einer NullmengeN ∈ L überein. f ist daherL-B messbar, wobeiaus (13.7) folgt, dass das Riemannsche Integral vonf dem Lebesgueschen Integralgleicht.

    13.1.5 Bemerkung.Durch Betrachtung der Komponentenfunktion überzeugt mansichleicht, dass Satz 13.1.4 auch fürC-wertige Funktionen gilt.

    Auch uneigentliche Riemann-Integrale kann man als Lebesguesche Integrale inter-pretieren.

    13.1.6 Satz.Sei I⊆ R ein Intervall1 und sei f : I → R(C) Riemann-integrierbar überjedes kompakte Teilintervall von I. Dann ist f genau dann über I integrierbar, wennf absolut uneigentlich Riemann-integrierbar ist, d.h.| f | ist uneigentlich Riemann-integrierbar über I.

    Beweis. Seiena < b, a, b ∈ R die Intervallränder vonI , und seien (an)n∈N, (bn)n∈NFolgen inI mit an < bn, die monoton fallend bzw. wachsend gegena bzw. b konver-gieren, wobei im Fallea ∈ I immeran = a und im Falleb ∈ I immerbn = b. Dann giltf = limn→∞ 1[an,bn] f , und f ist wegen der vorausgesetzten Riemann-IntegrierbarkeitL-Bmessbar. Aus dem Satz von der monotonen Konvergenz erhaltenwir

    limn→∞

    bn∫

    an

    | f (x)| dx= limn→∞

    [an,bn]

    | f | dλ =∫

    I

    | f | dλ (∈ R).

    Also ist f integrierbar, d.h.∫| f | dλ < +∞, genau dann, wenn obiger Limes existiert,

    d.h. wennf absolut uneigentlich integrierbar ist. In diesem Fall ist wegen dem Satzvon der beschränkten Konvergenz

    I

    f dλ = limn→∞

    [an,bn]

    f dλ = limn→∞

    bn∫

    an

    f (x) dx=

    b∫

    a

    f (x) dx.

    13.1.7 Beispiel.Ein klassisches Beispiel eines Integrales, das zwar als uneigentlichesRiemann-Integral, aber nicht als Lebesgue-Integral existiert ist

    +∞∫

    1

    sinπtt

    dt.

    Wir haben nämlich in Beispiel 8.6.2 die Konvergenz von limβ→∞∫ β1

    sinπtt dt nach-

    gerechnet, aber wir haben auch gesehen, dass das uneigentliche Riemann-Integral∫+∞

    1| sinπt|

    t dt nicht konvergiert. Nach Satz 13.1.6 existiert das Integralnicht im Sin-ne von Lebesgue.

    1Insbesondere kannI unbeschränkt sein.

  • 6 KAPITEL 13. LEBESGUESCHE INTEGRATION

    Eine sehr nützliche Tatsache, die einem die Verwendung vonLebesgue-Integralengegenüber der von Riemann-Integralen schmackhaft macht,ist die viel einfacher zuhandhabende Vertauschung von Grenzwerten und Integralen (vgl. z.B. Korollar 8.7.6).

    13.1.8 Lemma. Sei (Ω,A, µ) ein Maßraum,(T, d) ein metrischer Raum, t0 ∈ T undf : T ×Ω→ R(C) eine Funktion, sodass

    � x 7→ f (t, x) ist für alle t ∈ T integrierbar,

    � t 7→ f (t, x) ist stetig in t0 für fast alle x∈ Ω,

    � es gibt eine Umgebung Uδ(t0) von t0 und eine aufΩ integrierbare Funktion g:Ω→ [0,+∞], sodass für alle t∈ Uδ(t0) gilt: | f (t, .)| ≤ g f.ü.2.

    Dann ist die Funktion F(t) :=∫Ω

    f (t, .) dµ bei t0 stetig.

    Beweis.Konvergiere (tn)n∈N in T gegent0. Ab einem Indexn0 ist tn ∈ Uδ(t0). Ist N dieVereinigung der Ausnahmenullmengen aus der zweiten und dritten Voraussetzung zuden Funktionenf (t0, .) sowie f (tn0 , .), f (tn0+1, .), . . . , so folgtµ(N) = 0. Fürn ≥ n0 undx ∈ Ω \ N gilt | f (tn, x) − f (t0, x)| ≤ 2g(x) und limn→∞ | f (tn, x) − f (t0, x)| = 0. Wegendem Satz von der beschränkten Konvergenz folgt

    |F(t0) − F(tn)| =∣∣∣∣∣∫ (

    f (tn, .) − f (t0, .))

    dµ∣∣∣∣∣ ≤

    ∫| f (tn, .) − f (t0, .)| dµ

    n→∞−→ 0. (13.8)

    13.1.9 Bemerkung.Aus dem rechten Teil von (13.8) folgt, dass sogart 7→ f (t, .) alsAbbildung vonT in den BanachraumL1(Ω,A, µ) stetig beit0 ist.

    Eine verwandte Problemstellung behandelt folgendes Lemma:

    13.1.10 Lemma.Sei(Ω,A, µ) ein Maßraum, I⊆ R ein Intervall, t0 ∈ I undf : I ×Ω→ R(C) eine Funktion, sodass

    � x 7→ f (t, x) ist für alle t ∈ I integrierbar,

    � t 7→ f (t, x) ist differenzierbar in t0 für fast alle x∈ Ω,

    � es gibt eine Umgebung(t0−δ, t0+δ) von t0 und eine aufΩ integrierbare Funktiong : Ω→ R, sodass für alle t∈ (t0 − δ, t0 + δ) gilt:

    ∣∣∣∣ f (t,.)− f (t0,.)t−t0∣∣∣∣ ≤ g f.ü..

    Die beiden letzten Punkte sind insbesondere erfüllt, wennes einδ > 0, eine integrier-bare Funktion g : Ω → R und eine feste Nullmenge N∈ A gibt, sodass für allet ∈ (t0 − δ, t0 + δ) und alle x∈ Ω \ N der Ausdruck∂ f∂t (t, x) existiert und

    ∣∣∣∣∣∂ f∂t

    (t, x)∣∣∣∣∣ ≤ g(x). (13.9)

    Dann ist die Funktion F(t) :=∫Ω

    f (t, .) dµ bei t0 differenzierbar und es gilt3

    F′(t0) =∫

    ∂ f∂t

    (t0, .) dµ.

    2Man beachte, dass die Ausnahmenullmenge i.A. vont abhängt.3Man beachte, dass der Integrand insbesondere messbar ist, und dass er genau genommen mit∂ f

    ∂t (t0, .)überall ausgenommen einer Nullmenge übereinstimmt.

  • 13.1. LEBESGUE VS. RIEMANN 7

    Beweis. Indem wir f in Real- und Imaginärteil zerlegen, können wir uns auf reellwer-tige Funktionen beschränken.

    Konvergiere (tn)n∈N in I gegent0. Ab einem Index isttn ∈ (t0− δ, t0+ δ). Für solchen und allex ∈ Ω \ N mit µ(N) = 0 gilt

    ∣∣∣∣ f (tn,x)− f (t0,x)tn−t0∣∣∣∣ ≤ g(x) und limn→∞ f (tn,x)− f (t0,x)tn−t0 =

    ∂ f∂t (t0, x). Insbesondere ist letztere Funktion messbar.N ist dabei wieder die abzählbareVereinigung der Ausnahmenullmengen ähnlich wie im Beweisvon Lemma 13.1.8.

    Wegen dem Satz von der beschränkten Konvergenz gilt

    F(t0) − F(tn)t0 − tn

    =

    ∫f (tn, .) − f (t0, .)

    tn − t0dµ

    n→∞−→∫

    ∂ f∂t

    (t0, x) dµ.

    Ist (13.9) erfüllt, so folgt aus dem Mittelwertsatz∣∣∣∣ f (tn,x)− f (t0,x)tn−t0

    ∣∣∣∣ =∣∣∣∣ ∂ f∂t (sn, x)

    ∣∣∣∣ ≤ g(x), x ∈Ω \ N mit einemsn, das zwischentn undt0 liegt 4.

    Obwohl viele Hörer zum Zeitpunkt der Vorlesung noch keine Funktionentheoriegehört haben, wollen wir der Vollständigkeit halber ein Analogon des letzten Resultatesfür holomorphe Funktionen bringen.

    13.1.11 Lemma.Sei(Ω,A, µ) ein Maßraum, G⊆ C offen und f : G × Ω → C eineFunktion, sodass

    � x 7→ f (z, x) ist für alle z∈ G integrierbar,

    � z 7→ f (z, x) ist holomorph für alle x∈ Ω \ N mit einer festen Nullmenge N∈ A,

    � zu jeder kompakten Menge K⊆ G gibt es eine aufΩ integrierbare FunktiongK : Ω→ R, sodass für alle z∈ K und x∈ Ω \ N gilt: | f (z, x)| ≤ gK(x).

    Dann ist die Funktion F(z) :=∫Ω

    f (z, .) dµ holomorph auf G, und∂n f∂zn (z, .) ist integrier-

    bar für alle z∈ G und n∈ N, sodass

    F(n)(z) =∫

    ∂n f∂zn

    (z, .) dµ. (13.10)

    Beweis. Ist K2r (z0) ⊆ G, so gibt es nach Voraussetzung eingz0,r , sodass| f (z, x)| ≤gz0,r (x), z ∈ K2r (z0), x ∈ Ω \ N. Für z,w ∈ Kr (z0) gilt nach der Cauchyschen Integral-formel5

    ∣∣∣∣∣f (z, x) − f (w, x)

    z− w

    ∣∣∣∣∣ =

    ∣∣∣∣∣∣∣∣∣1

    2πi

    ∂K2r (z0)

    f (ζ, x)(ζ − z)(ζ − w) dζ

    ∣∣∣∣∣∣∣∣∣≤ 2

    rgz0,r(x).

    Wird für z = w obiger Differenzenquotient als∂ f∂z (z, x) interpretiert, so gilt diese

    Abschätzung auch wennz= w.Ist K ⊆ G kompakt, so wird sie von endlich vielen Kreise der FormUr (z0), wobei

    z0 ∈ K undK2r (z0) ⊆ G, überdeckt. Nimmt man das MaximumhK(x) der entsprechen-den Funktionen2r gz0,r(x), so folgt

    ∣∣∣∣ f (z,x)− f (w,x)z−w∣∣∣∣ ≤ hK(x), z ∈ K, x ∈ Ω \N. Insbesondere

    erfüllt ∂ f∂z genauso, wief die dritte Voraussetzung.

    4sn hängt i.A. vonx ab. Das ist der Grund dafür, dass man in (13.9) eine feste Ausnahmemenge benötigt.5∂K2r (z0) ist ein stetiger Weg, der den Rand{z : |z− z0| = 2r} von K2r (z0) im mathematisch positiven

    Sinn durchläuft.

  • 8 KAPITEL 13. LEBESGUESCHE INTEGRATION

    Ist nun (zn)n∈N eine gegen einz ∈ G konvergent Folge mit oBdA.zn ∈ K := Kr (z) ⊆G, so folgt aus

    ∣∣∣∣ f (zn,x)− f (z,x)zn−z∣∣∣∣ ≤ hK(x) und f (zn,x)− f (z,x)zn−z →

    ∂ f∂z (z, x) für x ∈ Ω \ N wegen

    dem Satz von der beschränkten Konvergenz, dass∂ f∂z (z, x) überΩ integrierbar ist, wobei

    F(zn) − F(z)zn − z

    =

    ∫f (zn, x) − f (z, x)

    zn − zdµ

    n→∞−→∫

    ∂ f∂z

    (z, .) dµ.

    Also existiertF′(z). Nun erfüllt auch∂ f∂z dieselben drei wie anf gestellten Vorausset-

    zungen. Induktiv zeigt man nun (13.10) für allen ∈ N.❑

    13.1.12 Bemerkung.Betrachte man den Maßraum (N,P(N), ξ), wobei ξ das Zählmaß ist, so gilt für eine Folgea(n) ∈C, n ∈ N, und für einN ∈ N

    N∑

    n=1

    |a(n)| =∫

    {1,...,N}

    |a(n)| dξ(n) =∫

    N

    1{1,...,N}(n) · |a(n)| dξ(n).

    Für N → ∞ konvergiert die Funktionenfolge1{1,...,N} · |a(.)| punktweise und monoton wachsend gegen die Funktion|a(.)|.Nach dem Satz von der monotonen Konvergenz gilt

    ∞∑

    n=1

    |a(n)| = limN→∞

    N∑

    n=1

    |a(n)| = limN→∞

    N

    1{1,...,N}(n) · |a(n)| dξ(n) =∫

    N

    |a(n)| dξ(n) (∈ [0,+∞]).

    Also konvergiert∑∞

    n=1 a(n) absolut genau dann, wennn 7→ a(n) überN nachξ integrierbar ist. In diesem Fall folgt aus demSatz von der beschränkten Konvergenz

    ∞∑

    n=1

    a(n) = limN→∞

    N∑

    n=1

    a(n) = limN→∞

    N

    1{1,...,N}(n) · a(n) dξ(n) =∫

    N

    a(n) dξ(n) (∈ R),

    da die Funktionenfolge1{1,...,N} · a(.) punktweise gegen die Funktiona(.) konvergiert.

    13.1.13 Beispiel.Wir betrachten fürt ∈ [−1, 1) die Funktion

    F(t) :=∞∑

    n=1

    ln(1− t

    n2

    ).

    Für t ≤ 0 gilt wegen ln(x) ≤ x− 1, x > 0,

    0 ≤ ln(1− t

    n2

    )≤ ln

    (1+

    1n2

    )≤ 1

    n2,

    und fürt ∈ (0, 1) gilt wennn > 1∣∣∣∣∣ln

    (1− t

    n2

    )∣∣∣∣∣ = − ln(1− t

    n2

    )= ln

    1

    1− tn2= ln

    1+t

    n2

    1− tn2

    ≤t

    n2

    1− tn2≤ 2

    n2.

    Also ist F(t) für alle t ∈ [−1, 1) absolut konvergent. Da eine komplexwertige Reihe∑∞n=1 a(n) genau dann absolut konvergiert, wenn die Funktiona : N → C nach dem

    Zählmaßξ : P(N)→ [0,+∞] integrierbar ist, gilt

    F(t) = ln(1− t) +∫

    n∈N\{1}

    ln(1− t

    n2

    )dξ(n),

  • 13.1. LEBESGUE VS. RIEMANN 9

    wobei wir gerade gezeigt haben, dass der Betrag des Integranden sich durchg(n) :=2n2 unabhängig vont nach oben abschätzen lässt. Da

    ∑∞n=2

    2n2 konvergiert und damit∫

    n∈N\{1}2n2 dξ(n) < +∞, kann man Lemma 13.1.8 anwenden, und erhält die Stetigkeit

    in jedem Punktt0 ∈ [−1, 1).Man beachte, dass man wegen

    ∣∣∣∣ln(1− tn2

    )∣∣∣∣ ≤ g(n), n > 1, t ∈ [−1, 1), die Stetigkeitvon F(t) auch aus dem Weierstraß Kriterium Korollar 6.7.4 zusammenmit Korollar6.6.13 erhält. In der Tat bedeutet das Weierstraß Kriterium nichts anderes, als die Exis-tenz einer integrierbaren Majorant für den Maßraum (N,P(N), ξ).

    13.1.14 Beispiel.Als Beispiel dafür, wie einfach im Vergleich zum Riemann-Integraldie Voraussetzungen für die Vertauschung von z.B. Integral und Differentiation zu über-prüfen sind, betrachte man dieGammafunktion(t > 0)

    Γ(t) =

    +∞∫

    0

    e−xxt−1 dx, (13.11)

    als uneigentliches Riemann-Integral. Seit ∈ [α, β] ⊆ (0,+∞). Man überzeugt sichleicht, dass|e−xxt−1| ≤ g(x), t ∈ [α, β], x ∈ (0,+∞), wobei mit einem geeignetenM > 0

    g(x) =

    {xα−1 , falls x ∈ (0, 1]Me−

    x2 , falls x ∈ (1,+∞) .

    Da das uneigentliche Riemann-Integral∫+∞

    0g(x) dx existiert, istg auch im Lebesgue-

    schen Sinne integrierbar (Satz 13.1.6). Somit existiert auch das Integral in (13.11). AusLemma 13.1.8 ersieht man unmittelbar, dassΓ(t) auf [α, β], und wegen der Beliebigkeitvonα, β, auch auf (0,+∞) stetig ist.

    Nun gilt ∂ f∂t e−xxt−1 = (log x)e−xxt−1, t ∈ (0,+∞). Der Betrag dieser Funktion lässt

    sich durch die ebenfalls integrierbare Funktion| log x|g(x) abschätzen. Deshalb könnenwir Lemma 13.1.10 anwenden, und sehenΓ′(t) =

    ∫+∞

    0(log x)e−xxt−1 dx. Wiederholen

    wir obige Schlussweise, so sieht man

    Γ(k)(t) =

    +∞∫

    0

    (log x)ke−xxt−1 dx, k ∈ N ∪ {0}. (13.12)

    Aus log(1+ x) ≤ x für x > −1 folgt (1 − xn)n1(0,n) ≤ e−x, und damit istg(x) eineintegrierbare Majorante der Folgext−1(1 − xn)n1(0,n)(x), die punktweise gegene−xxt−1konvergiert. Wegen dem Satz von der beschränkten Konvergenz folgt dieGrenzwert-darstellungderΓ-Funktion:

    Γ(t) = limn→∞

    n∫

    0

    xt−1(1− x

    n

    )ndx= lim

    n→∞

    ntn!t(t + 1) . . . (t + n)

    . (13.13)

    Dabei erhält man die letzte Gleichheit durch wiederholte partielle Integration.Mit Hilfe von Lemma 13.1.11 können wir in ganz analoger Schlussweise zeigen,

    dass fürz ∈ Cmit Rez> 0 die FunktionΓ(z) holomorph ist, dass die Ableitung nachzsich wie in (13.12) berechnet, und dass auch (13.13) gilt. Wegen|xz| = xRez kann mannämlich dieselbe Majoranteg(x) verwenden.

  • 10 KAPITEL 13. LEBESGUESCHE INTEGRATION

    Die unten Folgende Ungleichung von Jensen findet in der Analysis an verschiedenen Stellen Anwendungen. In ihrtreten konvexe Funktionen auf, dh. Funktionenϕ : I → R auf einem IntervallI ⊆ R, sodass

    ϕ((1− λ)ξ + λη) ≤ (1− λ)ϕ(ξ) + λϕ(η),

    für alle ξ, η ∈ I undλ ∈ [0, 1]. Man sieht elementar, dass diese Bedingung zu

    ϕ(t) − ϕ(ξ1)t − ξ1

    ≤ ϕ(ξ2) − ϕ(t)ξ2 − t

    (13.14)

    für alle ξ1, ξ2, t ∈ I mit ξ1 < t < ξ2, äquivalent ist. Aus dieser Gleichung folgt unmittelbar die Stetigkeit vonϕ.

    13.1.15 Lemma. Sei(Ω,A, µ) ein Maßraum mitµ(Ω) = 1, dh.µ ist ein Wahrscheinlichkeitsmaß. Weiters seien I⊆ R einIntervall, f : Ω→ R integrierbar mit Werten in I, und seiϕ : I → R konvex. Dann gilt dieJensensche Ungleichung

    ϕ( ∫

    f dµ)≤

    (ϕ ◦ f ) dµ (∈ (−∞,+∞]) . (13.15)

    Beweis.Aus f (x) ∈ I zusammen mit der Tatsache, dass Integrale von Funktionen> 0 über Mengen mit Maß> 0 immer> 0sind, folgtt :=

    ∫Ω

    f dµ ∈ I . Sei

    β := supξ1∈I∩(−∞,t)

    ϕ(t) − ϕ(ξ1)t − ξ1

    .

    Aus (13.14) folgtβ ≤ ϕ(ξ2)−ϕ(t)ξ2−t

    für alle ξ2 ∈ I ∩ (t,+∞) und aus der Definition vonβ folgt β ≥ϕ(ξ1)−ϕ(t)

    t−ξ1für alle ξ1 ∈

    I ∩ (−∞, t). Umformen ergibt in jedem Fall (ξ ∈ I \ {t})

    0 ≤ ϕ(ξ) − ϕ(t) + (t − ξ)β,

    wobei diese Gleichung sogar fürt = ξ gilt. Insbesondere gilt

    0 ≤ ϕ( f (x)) − ϕ(t) + (t − f (x))β, x ∈ Ω.

    Wegen der Stetigkeit vonϕ ist ϕ ◦ f sicherA-B-messbar und daher können wir die Funktion vonx auf der rechten Seiteintegrieren und erhalten

    0 ≤∫

    (ϕ( f (x)) − ϕ(t) + (t − f (x))β) dµ (∈ [0,+∞]).

    Ist das Integral auf der rechten Seite inR, so folgt aus der Integrierbarkeit von−ϕ(t) + (t − f (x))β - es gilt ja

    ((t − f (x))β − ϕ(t)) dµ = −ϕ(∫

    f dµ) ∈ R,

    dass auchϕ ◦ f integrierbar ist, und aus der Linearität von Integralen folgt (13.15).Ist das Integral auf der rechten Seite oben aber+∞, so kann wegen der Linearität von Integralenϕ ◦ f auch nicht

    integrierbar sein, wobei aber∫Ω

    (ϕ ◦ f ) dµ = +∞. In diesem Fall gilt auch (13.15).❑

    13.2 Satz von Fubini und das Lebesgue-Maß inRd

    Zunächst wollen wir denSatz von Fubiniwie aus der Maßtheorie bekannt wiedergeben,siehe [W], Kapitel 19. Die komplexwertige Version folgt sofort aus der reellen, wennman Definition 13.1.1 und Fakta 13.1.2 beachtet.

    13.2.1 Satz.Seien(Ω,A, µ) und (Υ,E, ν) zwei Maßräume mitσ-endlichen Maßenµundν. Ω×Υ sei mit derσ-AlgebraA ⊗E versehen, undµ⊗ ν : A ×E das Produktmaßvonµ undν (siehe [W], Kapitel 19). Ist h: Ω × Υ→ R (C) messbar, so gilt

  • 13.2. SATZ VON FUBINI UND DAS LEBESGUE-MASS INRD 11

    (i) Hat h Werte in[0,+∞], so sind

    s 7→∫

    Υ

    h(s, t) dν(t), t 7→∫

    h(s, t) dµ(s)

    messbar auf(Ω,A) bzw.(Υ,E) mit Werten in[0,+∞], sodass

    Υ

    h(s, t) dν(t)

    dµ(s) =∫

    Υ

    h(s, t) dµ(s)

    dν(t) =∫

    Ω×Υ

    h d(µ⊗ν) (∈ [0,+∞]).

    (ii ) h : Ω × Υ→ R (C) ist integrierbar, dh.∫|h| d(µ ⊗ ν) < +∞, genau dann, wenn

    Υ

    |h(s, t)| dν(t)

    dµ(s) < +∞,

    bzw. genau dann, wenn

    Υ

    |h(s, t)| dµ(s)

    dν(t) < +∞.

    (iii ) Ist h integrierbar, so existiert auch∫

    h(s, t) dν(t) für alle s außerhalb einer Null-menge S∈ A, sowie

    ∫h(s, t) dν(s) für alle t außerhalb einer Nullmenge T∈ E,

    und es gilt∫

    Ω×Υ

    h d(µ ⊗ ν)∫

    Sc

    Υ

    h(s, t) dν(t) dµ(s) =∫

    Tc

    h(s, t) dµ(s) dν(t).

    Wir betrachten dieσ-AlgebraBd aller Borelmengen aufRd, welche per definitio-nem die von der MengeId allerd-dimensionaler halboffenen Rechtecke bzw. Intervalle(vgl. [W], Kapitel 8)

    R= (a1, b1] × · · · × (ad, bd], a1, . . . , ad, b1, . . . , bd ∈ R, (13.16)

    erzeugt wird, dh. die kleinsteσ-Algebra aufRd, die alle diese Rechtecke enthält. Ausder Maßtheorie ([W], Kapitel 9) ist bekannt, dassBd mit der Produktσ-Algebra derBorelmengen auf dend Komponenten vonRd übereinstimmt.

    Entsprechend ist dasd-dimensionale Lebesguemaßλd das Produktmaß der eindi-mensionalen Lebesguemaße auf den Komponenten (vgl. [W], Kapitel 19). Das Maßeiner BorelmengeM ⊆ Rd = Rd1 × Rd2 kann man wegen dem dem Satz von Fubinidurch

    λd(M) =∫

    Rd1

    λd2(Mx) dλd1(x) (13.17)

    berechnen, wobeiMx = {y ∈ Rd2 : (x, y) ∈ M}.Ist insbesondereM von der Bauart

    M = {(x, y) ∈ Rd+1 = Rd × R : 0 < y < f (x)}

  • 12 KAPITEL 13. LEBESGUESCHE INTEGRATION

    mit einer messbaren Funktionf : Rd → [0,+∞), so ist M ∈ Bd+1, da ja M =⋃0≤q∈Q f

    −1(q,+∞) × (0, q). Ausλ(Mx) = f (x) folgt dann

    λd+1(M) =∫

    Rd

    f (x) dλd(x).

    Im Falle vond = 1 und einer Riemann-integrierbaren Funktionf (mit 0 außerhalbseines kompakten Definitionsintervalls fortgesetzt) sehen wir damit, dass die aus derAnalysis II bekannte Interpretation des Riemann-Integrals als Fläche unter dem Funk-tionsgraphen im Sinne der Maßtheorie eine korrekte ist.

    13.2.2 Beispiel.Sein,m, D ⊆ Rn, D ∈ Bn und f : D → Rm messbar. Man betrachteden Graph

    Γ( f ) := {(x, f (x)) ∈ Rn × Rm : x ∈ D}.

    Als Nullstellenmenge der aufRn×Rm messbaren Funktion (x, y) 7→ y− f (x) liegt dieserin Bm+n, wobeiλm+n

    (Γ( f )

    )= 0, wie man leicht aus (13.17) folgert.

    13.2.3 Beispiel.Wir definieren dieBetafunktion B: (0,+∞)2→ R durch

    B(x, y) =

    1∫

    0

    tx−1(1− t)y−1 dt

    als absolut konvergentes uneigentliches Riemann-Integral. Diese Funktion steht in ei-nem engen Zusammenhang zur Gammafunktion:

    Γ(x)Γ(y) =

    +∞∫

    0

    +∞∫

    0

    tx−1uy−1e−t−udu

    dt =+∞∫

    0

    +∞∫

    t

    tx−1(v− t)y−1e−vdv

    dt =

    R

    1(0,+∞)(t)

    R

    1(t,+∞)(v)tx−1(v− t)y−1e−v dλ(v)

    dλ(t) =

    R2

    1M(t, v)tx−1(v− t)y−1e−v dλ2(t, v)

    mit M = {(t, v) ∈ R2 : v > t > 0}. Die zweite Gleichheit folgt durch die einfacheSubstitutionu = v − t, die dritte ist die Interpretation des uneigentlichen Riemann-Integrals als Lebesgue-Integral (vgl. Satz 13.1.6) und dievierte folgt wegen1(0,+∞)(t) ·1(t,+∞)(v) = 1M(t, v) aus dem Satz von Fubini, Satz 13.2.1, wenn wir beachten, dassder Integrand aufgrund der StetigkeitB2-messbar und nichtnegativ ist. Wendet manden Satz von Fubini nochmals mit umgekehrter Integrationsreihenfolge an, so erhältman

    Γ(x)Γ(y) =

    +∞∫

    0

    v∫

    0

    tx−1(v− t)y−1 dt

    e−vdv=

    +∞∫

    0

    1∫

    0

    wx−1(1− w)y−1 dw

    vx+y−1e−v dv= B(x, y)Γ(x+ y).

  • 13.2. SATZ VON FUBINI UND DAS LEBESGUE-MASS INRD 13

    Also

    B(x, y) =Γ(x)Γ(y)Γ(x+ y)

    . (13.18)

    Wegen|tx| = tRex lässt sichB(x, y) auch fürx, y ∈ C,Rex,Rey > 0 definieren. DieGleichung (13.18) gilt auch in diesem Fall.

    13.2.4 Beispiel.Ein weiteres Beispiel für eine Anwendung des Satzes von Fubini isteine maßtheoretische Rechtfertigung, warum man bei absolut konvergenten Doppelrei-hen die Summationsreihenfolge vertauschen kann (vgl. Satz3.9.10).

    Ist nämlichξ : P(N) → [0,+∞] das Zählmaß auf der Potenzmenge vonN, so isteine jede Funktions : N × N → C messbar und im Falle ihrer Integrierbarkeit6 folgtwegen dem Satz von Fubini

    ∞∑

    i=1

    ∞∑

    j=1

    s(i, j) =∫

    N

    N

    s(i, j) dξ(i)dξ( j) =∫

    N

    N

    s(i, j) dξ( j)dξ(i) =∞∑

    i=1

    ∞∑

    j=1

    s(i, j).

    Wir wollen noch bemerken, dass diese Gleichheit nach Fubiniauch besteht, wenn mandie Voraussetzung der Integrierbarkeit durch die der Nichtnegativität der Summandenersetzt. Letztere Vertauschbarkeit lässt sich auch mit Hilfe des Lemmas über die ite-rierten Suprema nachweisen.

    Ehe wir als Beispiel den Inhalt derd-dimensionalen Einheitskugel berechnen, wol-len wir noch einige wichtige Eigenschaften des Lebesgue-Maßes zeigen.

    13.2.5 Lemma. Ist a ∈ Rd, so gilt B∈ Bd ⇔ B+ a ∈ Bd, wobeiλd(B) = λd(B+ a).Also ist das Lebesgue-Maßtranslationsinvariant.

    Beweis.Zunächst sindx 7→ x+a und ihre Inversex 7→ x−a stetig, und damit messbar.Somit gilt B ∈ Bd ⇔ B+ a ∈ Bd.

    Für d-dimensionalen Rechtecke der Form (13.16) giltλd(R) =∏d

    j=1(b j − a j). Nunist B 7→ λd(a+ B) ein Maß aufBd, das fürR ∈ Id augenscheinlichλd(a+ R) = λd(R)erfüllt. Nach dem Eindeutigkeitssatz für die Fortsetzung von Maßen (vgl. [W], Kapitel5) stimmen diese Maße auf ganzBd überein.

    Mit obiger Eigenschaft ist das Lebesgue-Maß fast eindeutigbestimmt.

    13.2.6 Lemma. Ist µ ein aufBd translationsinvariantes Maß, das auf beschränktenMengen endlich ist, so giltµ = cλd für ein c≥ 0.

    Beweis. Da jedesd-dimensionale Rechteck (13.16) als Vereinigung abzählbar vielerRechtecke der FormR= ( k12n ,

    l12n ] × · · · × (

    kd2n ,

    ld2n ], n ∈ N, k j , l j ∈ Z, geschrieben werden

    kann, wirdBd auch von der Menge all dieser Rechtecke erzeugt. Nun gilt wegen derInvarianz

    µ(R) = µ

    k j≤mj

  • 14 KAPITEL 13. LEBESGUESCHE INTEGRATION

    DieseÜberlegungen gelten natürlich auch für das translationsinvariante Lebesgue-maß, wobeiλd

    ((0, 1]d

    )= 1. Also gilt wieder für allgemeine dyadische RechteckeR

    µ(R) = µ((0, 1]d

    )2−dn

    d∏

    j=1

    (l j − k j) = µ((0, 1]d

    )· λd(R).

    Aus dem Eindeutigkeitssatz (vgl. [W], Kapitel 5) folgtµ = cλd mit c = µ((0, 1]d

    ).

    13.2.7 Lemma. Sei T : x 7→ Ax + b eine bijektive affine Abbildung aufRd. AlsoA ∈ GL(d,R), b ∈ Rd. Dann sind T und T−1 messbar und es gilt (B∈ Bd)

    λd(T(B)

    )= | detA| · λd(B).

    Beweis.Die Messbarkeit folgt aus der Stetigkeit vonT bzw.T−1 (vgl. [W], Kapitel 8).Wegen Lemma 13.2.5 können wir uns auf lineare Abbildungen beschränken:A = T.

    Zunächst sieht man leicht, dassµ : B 7→ λd(A(B)

    ), B ∈ Bd ein Maß ist. Außerdem

    ist wegen der Linearität und der Translationsinvarianz von λd

    µ(a+ B) = λd(A(a) + A(B)

    )= λd

    (A(B)

    )= µ(B).

    Nach Lemma 13.2.6 istµ(B) = cλ(B). Wir zeigen nun, dassc = | detA|. Ist A eineDiagonalmatrixA = diag(a1, . . . , ad) mit a j > 0, so folgt

    λd(A((0, 1]d

    ))= λd

    ((0, a1] × · · · × (0, ad]

    )=

    d∏

    j=1

    a j = detA · λd((0, 1]d

    ).

    Also gilt in diesem Fallec = detA. Ist A eine orthogonale Matrix, so gilt wegen

    λd(A({x ∈ Rd : ‖x‖2 ≤ 1})

    )= λd

    ({x ∈ Rd : ‖x‖2 ≤ 1}

    )

    c = 1 = | detA|.Für ein allgemeines invertierbaresA ist AA∗ eine positiv definite Matrix, und wegen

    dem Spektralsatz aus der Linearen Algebra durch eine orthogonale MatrixV diagonali-sierbar, d.h.AA∗ = VD2V∗ mit einer DiagonalmatrixD mit positiven Einträgen. Setzenwir W = D−1V∗A, so folgtWW∗ = D−1V∗AA∗VD−1 = I und A = VDW. Also ist Worthogonal und wegen den obigen Spezialfällen gilt

    λd(A(B)

    )= λd

    (VDW(B)

    )= λd

    (DW(B)

    )= detD · λd

    (W(B)

    )= detD · λd(B).

    Nun ist aber (detD)2 = detD2 = detAA∗ = (detA)2, und somitc = detD = | detA|.❑

    13.2.8 Bemerkung.Sei nunT : x 7→ Ax+ b affin so, dass die MatrixA singulär ist,dh. detA = 0. Also istA(Rd) ein echter linearer Teilraum vonRd. Also ist VA(Rd) =Rd1 × {0} für ein d1 < d und eine geeignete lineare BijektionV : Rd → Rd.

    Wegen Beispiel 13.2.2 und Lemma 13.2.7 giltλd(A(Rd)

    )= 0. Somit gilt

    λd(T(B)

    )= 0 = | detA| · λd(B),

    für alle B ∈ Bd, wobeiT(B) i.A. nur in Ld liegt.Insbesondere haben alle echten affinen Unterräume vonRd Lebesguemaß Null.

  • 13.2. SATZ VON FUBINI UND DAS LEBESGUE-MASS INRD 15

    13.2.9 Bemerkung.Die Aussagen in Lemma 13.2.5 und Lemma 13.2.7 gelten auch fürB ∈ Ld, da diese Aussagen für Borel-Nullmengen und somit auch für alle Teilmengenvon Borel-Nullmengen gelten.

    13.2.10 Beispiel.Ist KdR(0) = {x ∈ Rd : ‖x‖2 ≤ R}, so gilt

    λd(KdR(0)

    )=

    (2π)d2

    d(d−2)·····2Rd , falls d gerade

    2(2π)d−1

    2

    d(d−2)·····1Rd , falls d ungerade

    (13.19)

    Für d = 1 istλd(K1R(0)

    )= λ

    ([−R,R]) = 2R. Angenommen wir haben obige Formel für

    d ≥ 1 verifiziert. Fürx ∈ R, |x| ≤ Rgilt(Kd+1R (0)

    )x = {y ∈ Rd : (x, y) ∈ Kd+1R (0)} = {y ∈ Rd : ‖y‖22 ≤ R2 − x2} =

    Kd√R2−x2

    (0) =√

    R2 − x2 Kd1(0).

    Lemma 13.2.7 angewandt aufT = diag(√

    R2 − x2, . . . ,√

    R2 − x2) ∈ Rd×d ergibtλd

    ((Kd+1R (0))x

    )=

    (√R2 − x2

    )dλd

    (Kd1(0)

    ). Für |x| > R gilt (Kd+1R (0))x = ∅. Gemäß

    (13.17) folgt

    λd+1(Kd+1R (0)

    )=

    R

    λd((Kd+1R (0))x

    )dλ(x) =

    [−R,R]

    (√R2 − x2

    )dλd

    (Kd1(0)

    )dλ(x).

    Betrachten wir das als Riemann-Integral und substituierenx = Rcost, so ist das weitergleich

    λd(Kd1(0)

    )2Rd+1

    π2∫

    0

    sind+1 t dt.

    Das Integral lässt sich mit Hilfe sukzessiver partieller Integration berechnen:

    π2∫

    0

    sind+1 t dt =

    d(d−2)·····1(d+1)(d−1)·····2 ·

    π2 , falls d ungerade

    d(d−2)·····2(d+1)(d−1)·····1 , falls d gerade

    Zusammen mit der vorausgesetzten Formel (13.19) fürd folgt nun (13.19) fürd + 1.

    Für das nächste Korollar und später auch benötigen wir folgenden Satz aus derMaßtheorie, siehe [W], Kapitel 7 und 17.

    13.2.11 Satz.Sei (Ω,A, µ) ein Maßraum und(Υ,E) eine Menge versehen mit einerσ-Algebra, und sei T: Ω → Υ messbar. Weiters seiµT : E → [0,+∞] definiert durchµT (B) := µ

    (T−1(B)

    ).

    Dann istµT ein Maß. Weiters ist eine messbare Funktion f: Υ → R genau dannbezüglichµT integrierbar, wenn f◦ T : Ω→ R es bezüglichµ ist. In diesem Falle gilt

    f ◦ T dµ =∫

    Υ

    f dµT .

    Die entsprechende Aussage gilt für komplexwertige Funktionen f .

  • 16 KAPITEL 13. LEBESGUESCHE INTEGRATION

    13.2.12 Korollar. Sei T : x 7→ Ax + b eine bijektive affine Abbildung aufRd undf : Rd → R (C) messbar. Dann ist f genau dann bezüglichλd integrierbar, wenn f◦Tbezüglichλd integrierbar ist. In diesem Falle gilt

    ∫f dλd = | detA| ·

    ∫f ◦ T dλd. (13.20)

    Beweis. Zunächst sindT und T−1 beide affin, somit stetig und daher messbar. Dasdurch λT

    −1

    d (B) := λd((T−1)−1(B)

    )= λd

    (T(B)

    )definierte Maß stimmt nach Lemma

    13.2.7 mit| detA| · λd überein. Aus Satz 13.2.11 folgt somit

    | detA| ·∫

    g dλd =∫

    g dλT−1

    d =

    ∫g ◦ T−1 dλd.

    Mit g = f ◦ T folgt dann die zu beweisende Transformationsformel.❑

    Wir werden dieses Resultat später auf beliebige DiffeomorphismenT ausdehnen,siehe Satz 15.1.3.

    13.3 Lp-Räume, Faltung, etc.

    Ist (Ω,A, µ) ein Maßraum, so wurde in der Maßtheorie gezeigt (vgl. [W], Kapitel 13),dass fürp ∈ [1,+∞) die MengeLp(Ω,A, µ,R)7 aller reellwertigen, messbaren Funk-tionen f : Ω→ R, sodass| f |p integrierbar ist, versehen mit der Norm

    ‖ f ‖p =

    | f |p dµ

    1p

    (13.21)

    ein vollständiger normierter Raum über dem Skalarkörper R, d.h. ein Banachraum ist.Es wurde auch in der Maßtheorie gezeigt, dassL∞(Ω,A, µ,R), also alle reellwerti-

    gen Funktionen aufΩ, die außerhalb einer Nullmenge beschränkt sind, versehenmit

    ‖ f ‖∞ = inf{η ≥ 0 : µ{x : | f (x)| > η} = 0},

    ein Banachraum ist.Die Sprechweise, dassLp, p ∈ [1,+∞], ein Banachraum ist, ist etwas schlampig,

    da ja Funktionen, die fast überall Null sind, Norm Null haben. Genauer müsste mansagen, dassLp/{ f ∈ Lp : ‖ f ‖p = 0} ein Banachraum ist. Wir betrachten aber dennochLp als Banachraum, indem wir Funktionenf , g identifizieren, die sich nur auf einerNullmenge unterscheiden, oder äquivalent, die‖ f − g‖p = 0 erfüllen.

    Man kann auch die MengeLp(Ω,A, µ,C) aller komplexwertigen, integrierbarenFunktionen betrachten, sodass| f | ∈ Lp(Ω,A, µ,R), und auch diese Menge mit derNorm ‖.‖p versehen. Wir identifizieren wieder Funktionen, die sich nur auf einer Null-menge unterscheiden.

    (Lp(Ω,A, µ,C), ‖.‖p) ist auch ein normierter Raum, denn aus‖ f ‖p = 0 folgt, dass| f |p und daher auchf fast überall Null ist.‖α f ‖p = |α|·‖ f ‖p, α ∈ C, sieht man unmittel-bar. Die Dreiecksungleichung folgt wegen der Tatsache, dass sie für reelle Funktionengilt, aus

    ‖ f + g‖p ≤ ‖ | f | + |g| ‖p ≤ ‖ f ‖p + ‖g‖p.7Wenn klar ist, um welchen Maßraum und ob es sich um reellwertige oder komplexwertige Funktionen

    handelt, dann schreibt man oft nurLp(Ω) oderLp.

  • 13.3. LP-RÄUME, FALTUNG, ETC. 17

    Die Vollständigkeit kann man wie im Reellen beweisen. Wir gehen aber etwas andersvor.

    13.3.1 Lemma. (Lp(Ω,A, µ,C), ‖.‖p) ist ein Banachraum.

    Beweis. Zunächst betrachten wirLp(Ω,A, µ,C) als normierten Raum über den Ska-larkörperR. Für die Vollständigkeit von‖.‖p macht das keinen Unterschied.

    Wegen|Re f |, | Im f | ≤ | f | und wegen der Dreiecksungleichung gilt (p < +∞)

    12

    |Re f |p dµ

    1p

    +

    | Im f |p dµ

    1p≤

    | f |p dµ

    1p

    |Re f |p dµ

    1p

    +

    | Im f |p dµ

    1p

    .

    Definieren wir die rechte Seite als|‖ f ‖|p, so sieht man sofort, dass|‖.‖|p eine Normauf Lp(Ω,A, µ,C), betrachtet als Vektoraum überR, ist. Obige Ungleichung zeigt dieÄquivalenz der Normen‖.‖p und |‖.‖|p. Ähnlich sieht man, dass‖.‖∞ äquivalent zu|‖ f ‖|∞ = ‖Re f ‖∞ + ‖ Im f ‖∞ ist.

    In jedem Fall sieht man, dass (fn)n∈N bezüglich|‖.‖|p genau dann eine Cauchy Fol-ge bzw. eine gegenf konvergente Folge ist, wenn (Refn)n∈N und (Im fn)n∈N CauchyFolgen bzw. gegen Ref und Im f konvergente Folgen sind, und zwar im Banachraum(Lp(Ω,A, µ,R), ‖.‖p).

    Daraus folgt unmittelbar die Vollständigkeit von (Lp(Ω,A, µ,C), |‖.‖|p) und damitdie von (Lp(Ω,A, µ,C), ‖.‖p).

    13.3.2 Bemerkung.Der BanachraumLp(Ω,A, µ,C) umfasst den BanachraumLp(Ω,A, µ,R). Also ist zweiter ein abgeschlossenen Unterraum vonLp(Ω,A, µ,C),wenn wir beide Räume über den SkalarkörperR betrachten.

    Dabei ist zu bemerken, dassf genau dann inLp(Ω,A, µ,C) liegt, falls Ref undIm f in Lp(Ω,A, µ,R) liegen, wie man leicht aus derÄquivalenz der Normen im Beweisvon Lemma 13.3.1 ableiten kann.

    13.3.3 Lemma.Die MengeT

  • 18 KAPITEL 13. LEBESGUESCHE INTEGRATION

    Sei nun f ∈ Lp(Ω,A, µ,R). Wie in [W], Kapitel 11, sieht man, dass die Folge(gn)n∈N von reellwertigen und messbaren Treppenfunktionen definiert durch

    gn := −n · 1 f−1(−∞,−n] +−1∑

    j=−n2n+1

    j2n· 1 f−1( j−12n , j2n ] +

    n2n−1∑

    j=1

    j2n· 1 f−1[ j2n , j+12n ) + n · 1 f−1[n,+∞)

    den Sachverhalt

    max(gn, 0)ր max(f , 0), −min(gn, 0)ր −min( f , 0), |gn| ≤ | f |.

    erfüllt. Falls p < +∞, so gilt |gn|p ≤ | f |p. Also sind diegn integrierbar, dh.gn ∈ T

  • 13.3. LP-RÄUME, FALTUNG, ETC. 19

    Daǫ beliebig war, lässt sichf durch Funktionen erwähnten Typs approximieren, und daT

  • 20 KAPITEL 13. LEBESGUESCHE INTEGRATION

    R− s

    R− t

    Abbildung 13.1: Veranschaulichung von (R− s) △ (R− t).

    Wegen (R− s) △ (R− t) = ((R− s) \ ((R− s) ∩ (R− t)))∪̇((R− t) \ ((R− s) ∩ (R− t)))haben wir

    ‖ fs − ft‖pp =∫

    Rd

    |1R−s− 1R−t| dλd = λd((R− s) △ (R− t)) =

    λd((R− s) \ ((R− s) ∩ (R− t))) + λd

    ((R− t) \ ((R− s) ∩ (R− t))) =

    λd(R− s) + λd(R− t) − 2λd((R− s) ∩ (R− t)).

    Wegen der Translationsinvarianz und wegen

    (R− s+ t) ∩ R=

    d�

    j=1

    (a j − sj + t j , b j − sj + t j ] ∩

    d

    j=1

    (a j, b j]

    =

    d�

    j=1

    (max(a j, a j − sj + t j),min(b j , b j − sj + t j)

    ]

    folgt für |t j − sj | < (b j − a j), j = 1, . . . , d,

    ‖ fs − ft‖pp = 2λd(R) − 2λd((R− s+ t) ∩ R) =

    2d∏

    j=1

    (b j − a j) − 2d∏

    j=1

    (min(b j, b j − sj + t j) −max(a j, a j − sj + t j)) =

    2d∏

    j=1

    (b j − a j) − 2d∏

    j=1

    (b j − a j − |t j − sj |).

    Somit ist ‖ fs − ft‖pp beliebig klein, wenn nur‖t − s‖∞ hinreichend klein ist. Also istt 7→ ft gleichmäßig stetig.

    Ist f =∑n

    j=1α j · 1Rj eine Linearkombination von derartigen CharakteristischenFunktionen, so istft =

    ∑nj=1α j · (1Rj )t eine Linearkombination vonLp(Rd,Bd, λd)-

    wertigen Funktionen und damit selber stetig, vgl. Korollar9.1.3.Ist nun f ∈ Lp(Rd,Bd, λd) beliebig, so wissen wir aus Bemerkung 13.3.5, dass es

    eine Folgegn von Treppenfunktionen der Form (13.24) gibt, die bezüglich ‖.‖p gegenf konvergiert, dh.‖ f − gn‖ → 0. Wegen‖ ft − (gn)t‖p = ‖ f − gn‖ konvergiert die Folge

    10Also gilt ‖ ft‖p = ‖ f ‖p.

  • 13.3. LP-RÄUME, FALTUNG, ETC. 21

    von stetigen Funktionent 7→ (gn)t gleichmäßig gegent 7→ ft. Also gleichmäßigerGrenzwert von stetigen Funktionen ist letztere auch stetig, vgl. Korollar 6.6.13.

    Die gleichmäßige Stetigkeit vont 7→ ft folgt schließlich wegen‖ fs − ft‖p =‖ f − ft−s‖p aus der Stetigkeit vont 7→ ft bei 0∈ Rd.

    Wir wollen nun auf dem Banachraum (L1(Rd,Bd, λd,C), ‖.‖1) eine multiplikativeStruktur einführen. Dazu seienf , g : Rd → C zunächst messbar.

    Die Funktionen (x, y) 7→ x − y und (x, y) 7→ y sind stetig als Funktionen vonR2dnachRd. Also sind sie auchB2d − Bd messbar, und damit sind auch die Zusammen-setzungen (x, y) 7→ f (x − y) und (x, y) 7→ g(y) beideB2d − B messbar. Daraus folgtschließlich die Messbarkeit von

    (x, y) 7→ f (x− y)g(y). (13.25)

    Sind f , g ∈ L1(Rd), so gilt nach dem Satz von Fubini Satz 13.2.1 und der Tatsache, dassλd translationsinvariant ist,

    R2d

    | f (x− y)g(y)| dλ2d(x, y) =∫

    Rd

    Rd

    | f (x− y)| dλd(x)|g(y)| dλd(y) = (13.26)

    ‖ f ‖1∫

    Rd

    |g(y)| dλd(y) = ‖ f ‖1‖g‖1.

    Somit ist die Funktion in (13.25) aufR2d integrierbar, und nach dem Satz von Fubiniist für λd-fast allex ∈ Rd, also für allex außerhalb von einerλd-NullmengeA, dieFunktiony 7→ f (x− y)g(y) integrierbar.

    13.3.7 Definition. Für f , g ∈ L1(Rd) sei f ∗ g : Rd → C definiert durch

    f ∗ g(x) =

    Rd

    f (x− y)g(y) dλd(y) für x ∈ Rd \ A

    0 für x ∈ A

    Man bezeichnetf ∗ g alsFaltungvon f undg.

    Ebenfalls gemäß dem Satz von Fubini istf ∗ g : Rd → C integrierbar, wobei mit(13.26)

    ‖ f ∗ g‖1 ≤∫

    Rd

    Rd

    | f (x− y)g(y)| dλd(y)dλd(x) = ‖ f ‖1‖g‖1.

    Ändert manf oderg auf einer Nullmenge, so bleibtf ∗ g unverändert. Also hängt dieFaltung nur von den Restklassen inL1(Rd) ab, und stellt somit eine Abbildung

    ∗ : L1(Rd) × L1(Rd)→ L1(Rd)

    dar. Diese ist bilinear11 (a, b ∈ C, f1, f2, g ∈ L1(Rd)):

    (a f1 + b f2) ∗ g(x) =∫

    Rd

    (a f1(x− y) + b f2(x− y))g(y) dλd(y) =

    11Die Bilinearität wird auch als Distributivität in beidenArgumenten bezeichnet.

  • 22 KAPITEL 13. LEBESGUESCHE INTEGRATION

    a∫

    Rd

    f1(x− y)g(y) dλd(y) + b∫

    Rd

    f2(x− y)g(y) dλd(y) = a( f1 ∗ g)(x) + b( f2 ∗ g)(x)

    und zwar für allex ∈ Rd bis auf eine Nullmenge, nämlich die Vereinigung der Ausnah-memengen für die Bildung von (a f1 + b f2) ∗ g, f1 ∗ g und f2 ∗ g.

    Da es für die Elemente ausL1(Rd) auf Nullmengen nicht ankommt, gilt (a f1 +b f2) ∗g = a( f1 ∗g)+b( f2∗g) in L1(Rd). Die Linearität im zweiten Argument sieht mangenauso.

    Die Faltung ist auch assoziativ, d.h. (f ∗ g) ∗ h = f ∗ (g ∗ h). Wegen der Bilinea-rität und Bemerkung 13.3.2 genügt es das nur fürf , g, h ≥ 0 nachzuweisen. Das hatden Vorteil, dass man den Satz von Fubini anwenden kann, ob das Integral jetzt end-lich ist oder nicht. Aus der Translationsinvarianz vonλd folgt für x ∈ Rd bis auf dieAusnahmemengen für (f ∗ g) ∗ h und f ∗ (g ∗ h):

    ( f ∗ g) ∗ h(x) =∫

    Rd

    ( f ∗ g)(x− y)h(y) dλd(y) =∫

    Rd

    Rd

    f (x− y− z)g(z)h(y) dλd(z)dλd(y) =

    Rd

    Rd

    f (x− z)g(z− y)h(y) dλd(z)dλd(y) =

    Rd

    f (x− z)∫

    Rd

    g(z− y)h(y) dλd(y) dλd(z) = f ∗ (g ∗ h)(x).

    13.3.8 Bemerkung.Sind f , g ∈ L1(Rd) undM1,M2 ⊆ Rd so, dassf (x) = 0 für x < M1undg(x) = 0 für x < M2. Dann gilt f ∗ g(x) = 0 für x < M1 + M2 Es gilt nämlich

    f (x− y)g(y) = 1M1(x− y)1M2(y) · f (x− y)g(y) = 1(x−M1)∩M2(y) · f (x− y)g(y).

    Also folgt ausf ∗ g(x) , 0 insbesondere (x−M1) ∩M2 , ∅. Letzteres bedeutet genau,dass es einm2 ∈ M2 und einm1 ∈ M1 mit m2 = x − m1 gibt, bzw. äquivalent dazu,dassx = m1 + m2 für gewissem1 ∈ M1, m2 ∈ M2. Das ist aber genau die Aussagex ∈ M1 + M2.

    13.3.9 Definition. Ist (X, ‖.‖) ein Banachraum und• : X × X → X eine bilineare undassoziative Abbildung, die‖x• y‖ ≤ ‖x‖ · ‖y‖ erfüllt, so heißt (X, •, ‖.‖) Banachalgebra.

    Ist • sogar kommutativ, so spricht man von einerkommutativen Banachalgebra.

    Oben haben wir gesehen, dass (L1(Rd), ∗, ‖.‖1) eine Banachalgebra ist. Sie ist sogarkommutativ, wie man aus Korollar 13.2.12 herleitet:

    f ∗ g(x) =∫

    Rd

    f (x− y)g(y) dλd(y) =∫

    Rd

    g(x− y) f (y) dλd(y) = g ∗ f (x).

    Unsere Banachalgebra hat zwar kein Einselement12, aber sogenannteapproximativeEinheiten:

    13.3.10 Lemma.Sei(kn)n∈N eine Folge aus L1(Rd) mit kompakten Trägernsupp(kn)13, sodass‖kn‖1 = 1, kn ≥ 0 und sodass der maximale Abstand vonsupp(kn) zu0, alsoder maximale Betrag, gegen Null für n→ ∞ konvergiert.

    12D.h. eine in der Banachalgebra mite• x = x • e= x für alle x aus der Banachalgebra.13Der Trägereiner komplexwertigen Funktionk ist der Abschluss vonk−1({0}c)

  • 13.3. LP-RÄUME, FALTUNG, ETC. 23

    Dann gilt für alle f ∈ L1(Rd)

    limn→∞‖ f − f ∗ kn‖1 = 0.

    Beweis.Wegen∫

    kn dλd = ‖kn‖1 = 1 und dem Satz von Fubini folgt

    ‖ f − f ∗ kn‖1 =∫

    Rd

    ∣∣∣∣∣∣∣∣∣

    Rd

    kn(y)(f (x) − f (x− y)) dλd(y)

    ∣∣∣∣∣∣∣∣∣dλd(x) ≤

    supp(kn)

    kn(y)∫

    Rd

    | f (x) − f (x− y)| dλd(x) dλd(y) ≤ supy∈supp(kn)

    ‖ f − f−y‖1 · ‖kn‖1.

    Nun gilt nach Voraussetzung und Korollar 13.3.6, dass dieser Ausdruck fürn → ∞gegen Null geht.

    13.3.11 Fakta.Seienf , g : Rd → Cmessbar, undm ∈ N.

    1. Für f , g ∈ L2(Rd) gilt wegen∫Rd| f (x − y)|2 dλd(y) =

    ∫Rd| f (y)|2 dλd(y) (siehe

    Korollar 13.2.12) und wegen der Cauchy-Schwarzsche Ungleichung14

    Rd

    | f (x− y)g(y)| dλd(y) ≤ ‖ f ‖2 ‖g‖2 < +∞.

    Somit ist f ∗ g(x) :=∫Rd

    f (x− y)g(y) dλd(y) für alle x ∈ Rd definiert, und erfüllt

    | f ∗ g(x)| ≤∫

    Rd

    | f (x− y)g(y)| dλd(y) ≤ ‖ f ‖2 · ‖g‖2, (13.27)

    also f ∗g ∈ L∞(Rd) mit ‖ f ∗g‖∞ ≤ ‖ f ‖2 · ‖g‖2. Wegen Korollar 13.2.12 gilt dabeif ∗ g = g ∗ f .Liegen f , g sogar inL1(Rd) ∩ L2(Rd), so stimmt diese Definition der Faltungmit der von weiter oben überein, wobeif ∗ g überall und nicht nur außerhalbeiner Nullmenge als Faltungsintegral geschrieben werden kann. Zudem gilt hierf ∗ g ∈ L1(Rd) ∩ L∞(Rd).

    2. Sind wiederf , g ∈ L2(Rd), so folgt fürx1, x2 ∈ Rd aus Korollar 13.2.12

    | f ∗ g(x1) − f ∗ g(x2)| ≤∫

    Rd

    | f (x1 − y) − f (x2 − y)| · |g(y)| dλd(y) ≤

    Rd

    | f (y+ (x1 − x2)) − f (y)|2 dλd(y)

    12

    ‖g‖2 = ‖ fx1−x2 − f ‖2 ‖g‖2.

    Wegen Korollar 13.3.6 wird dieser Ausdruck kleinerǫ > 0, wenn nur‖x1 − x2‖hinreichend klein ist. Also istf ∗ g gleichmäßig stetig.

    14Man beachte, dass diese Ungleichung auch besagt, dass wenn die rechte Seite endlich ist, es auch dielinke Seite ist.

  • 24 KAPITEL 13. LEBESGUESCHE INTEGRATION

    3. Ist g ∈ L1(Rd) und f ∈ L∞(Rd), so folgt wegen| f (x − y)g(y)| ≤ ‖ f ‖∞ |g(y)|die Integrierbarkeit vonf (x − y)g(y) für alle x ∈ Rd. Setzen wir f ∗ g(x) :=∫Rd

    f (x− y)g(y) dλd(y), wo gilt

    | f ∗ g(x)| ≤∫

    Rd

    | f (x− y)g(y)| dλd(y) ≤ ‖ f ‖∞ · ‖g‖1, (13.28)

    also‖ f ∗ g‖∞ ≤ ‖ f ‖∞ · ‖g‖1. Wegen Korollar 13.2.12 gilt dabeif ∗ g = g ∗ f .Liegt f sogar inL1(Rd) ∩ L∞(Rd), so gilt klarerweisef ∗ g ∈ L1(Rd) ∩ L∞(Rd).

    4. Ist wiederg ∈ L1(Rd) und f ∈ L∞(Rd), so folgt für x1, x2 ∈ Rd aus Korollar13.2.12

    | f ∗ g(x1) − f ∗ g(x2)| ≤∫

    Rd

    | f (y)g(x1 − y) − f (y)g(x2 − y)| dλd(y) ≤ (13.29)

    ‖ f ‖∞∫

    Rd

    |g(x1 − y) − g(x2 − y)| dλd(y) = ‖ f ‖∞∫

    Rd

    |g(y− (x1 − x2)) − g(y)| dλd(y).

    Wegen Korollar 13.3.6 wird dieser Ausdruck kleinerǫ, wenn nur‖x1 − x2‖ hin-reichend klein ist. Also istf ∗ g gleichmäßig stetig.

    5. Ist g ∈ L1(Rd) und f ∈ L∞(Rd) partiell differenzierbar aufRd, sodass alle parti-ellen Ableitungen∂ f

    ∂x j, j = 1, . . . , d, auch inL∞(Rd) liegen15, so gilt

    ∣∣∣∣∣∣∂ f (x− y)g(y)

    ∂x j

    ∣∣∣∣∣∣ ≤ |g(y)| ·∥∥∥∥∥∥∂ f∂x j

    ∥∥∥∥∥∥∞.

    Also folgt aus Lemma 13.1.10 fürj = 1, . . . , d undx ∈ Rd

    ∂( f ∗ g)∂x j

    (x) =∂ f∂x j∗ g(x). (13.30)

    6. Wendet man die letzte Tatsache wiederholt an, so erhält man, dass wenng ∈L1(Rd) und f ∈ L∞(Rd) zumindestm-mal partiell differenzierbar aufRd ist, so-dass alle partiellen Ableitungen

    ∂k f∂xl1 . . . ∂xlk

    , l1, . . . , lk ∈ {1, . . . , d},

    mit k ≤ m in L∞(Rd) liegen, auchf ∗ g zumindestm-mal differenzierbar ist,wobei

    ∂k( f ∗ g)∂xl1 . . . ∂xlk

    (x) =∂k f

    ∂xl1 . . . ∂xlk∗ g(x) (13.31)

    für l1, . . . , lk ∈ {1, . . . , d} undk ≤ m.15Ist f : D → R (C) für ein offenesD ⊆ Rd messbar und partiell differenzierbar, und setzt manf zB. mit

    0 außerhalb vonD fort, so ist ∂ f∂x j

    (x) für x ∈ D der punktweise Grenzwert der Folgef (x+1n )− f (x)1n

    und damit

    auch messbar.

  • 13.3. LP-RÄUME, FALTUNG, ETC. 25

    7. Ist g ∈ L1(Rd) und f zumindestm-mal stetig partiell differenzierbar und hatfeinen kompakten Träger, so habenf und auch alle partiellen Ableitungen vonfeinen kompakten Träger und sind daher beschränkt. Also gilt in dem Fall immer

    (13.31), wobei wegenf , ∂k f

    ∂xl1 ...∂xlk∈ L1(Rd)∩L∞(Rd) auchf ∗g und die partiellen

    Ableitungen davon inL1(Rd) ∩ L∞(Rd) liegen.

    13.3.12 Beispiel.Sei f , g : R2 → R definiert durch

    f

    (x1x2

    ):= exp(−|x1| − |x2|), g

    (x1x2

    ):= sin(x1 + x2).

    Man überzeugt sich leicht, dassf ∈ L1(R2) undg ∈ L∞(R2) aberg < L1(R2). Nun gilt(siehe Fakta 13.3.11)

    f ∗ g(x1x2

    )= g ∗ f

    (x1x2

    )=

    R2

    sin(x1 − y1 + x2 − y2) exp(−|y1| − |y2|) dλ2(y1y2

    )

    Wegen sin(x1− y1+ x2− y2) = sin(x1− y1) cos(x2− y2)+ cos(x1− y1) sin(x2− y2) folgtaus dem Satz von Fubini

    f ∗ g(x1x2

    )=

    R

    exp(−|y1|) sin(x1 − y1) dλ(y1) ·∫

    R

    exp(−|y2|) cos(x2 − y2) dλ(y2)+

    +

    R

    exp(−|y1|) cos(x1 − y1) dλ(y1) ·∫

    R

    exp(−|y2|) sin(x2 − y2) dλ(y2)

    Nun gilt wegen cos(x − t) + cos(x + t) = 2 cosxcost und, weil exp(−t)(sint − cost)Stammfunktion von 2 exp(−t) cost ist,

    R

    exp(−|t|) cos(x− t) dλ(t) =+∞∫

    0

    exp(−t)( cos(x− t) + cos(x+ t)) dt = cosx ,

    und wegen sin(x− t) + sin(x+ t) = 2 sinxcost∫

    R

    exp(−|t|) sin(x− t) dλ(t) =+∞∫

    0

    exp(−t)( sin(x− t) + sin(x+ t)) dt = sinx .

    Also folgt

    f ∗ g(x1x2

    )= (sinx1) · (cosx2) + (cosx1) · (sinx2) = sin(x1 + x2) = g

    (x1x2

    ).

    13.3.13 Beispiel.

    0 1 2 3 4

    12

    1

    gMan betrachteg : R → [0,+∞) mitg(ξ) = 0, ξ ≤ 0, g(ξ) = e−

    1ξ . Bekann-

    terweise istg eineC∞ Funktion;

  • 26 KAPITEL 13. LEBESGUESCHE INTEGRATION

    genauso wie die Funktion

    0 1

    1 ff (ξ) =

    g(ξ)g(ξ) + g(1− ξ)

    die nur Werte in [0, 1] annimmt, wobeif (ξ) = 1, ξ ≥ 1 und f (ξ) = 0, ξ ≤ 0. DieFunktion

    0−2 −1 1 2

    1

    h

    h(ξ) = f (ξ + 2) f (2− ξ) (13.32)

    ist nunC∞, erfüllt 0 ≤ h(ξ) ≤ 1, ξ ∈ R, sowieh([−1, 1]) = {1} undh(R \ (−2, 2)) = {0}.Setzen wirc :=

    ∫K2(0)

    h(‖y‖22) dλd(y), so ist die Funktion (δ > 0)

    kδ(x) :=1

    c δdh

    ‖x‖22δ2

    als Zusammensetzung vonC∞-Funktionen selberC∞ vonRd nachR, nimmt aufKδ(0)den Wert 1c δd an, und hat einen Träger, der inK2δ(0) enthalten ist.

    0−2 −1 1 2

    c

    2c

    3c

    k1

    k12

    k13

    Abbildung 13.2: Veranschaulichung vonkδ im FalleRd = R.

    Für j = 1, . . . , d gilt∂kδ∂x j

    (x) =2x j

    c δd+2h′

    ‖x‖22δ2

    .

    Aus Korollar 13.2.12 folgt

    ‖kδ‖1 =1

    c δd

    Rd

    1K2δ(0)(y) h

    (‖1δ

    y‖22)

    dλd(y) =1

    c δdδd

    K2(0)

    h(‖y‖22) dλd(y) = 1,

  • 13.3. LP-RÄUME, FALTUNG, ETC. 27

    sowie

    ‖∂kδ∂x j‖1 =

    2c δd+1

    Rd

    1K2δ(0)(y)

    ∣∣∣∣∣∣y jδ

    h′(‖1δ

    y‖22)∣∣∣∣∣∣ dλd(y) =

    2c δd+1

    δd∫

    K2(0)

    |y j | |h′(‖y‖22)| dλd(y) =Cδ

    für eine geeignete KonstanteC ≥ 0. Wir sehen insbesondere, dass(k1n

    )n∈N eine Folge

    ausL1(Rd) ist, die die Voraussetzungen von Lemma 13.3.10 erfüllt, und die dazu nochC∞ ist.

    Sei nunB ⊆ Rd, B ∈ Bd beschränkt. Wir wollen die offensichtlich nichtnegative Funk-tion kδ ∗ 1B studieren.

    Wegen der letzten Aussage von Fakta 13.3.11 liegt diese Funktion in L1(Rd) ∩L∞(Rd), wobei wegen (13.28)

    0 ≤ kδ ∗ 1B(x) ≤ 1, x ∈ Rd, (13.33)

    und gemäß (13.31) auch inC∞(Rd), wobei (siehe (13.30) und (13.28))

    ∣∣∣∣∣∣∂(kδ ∗ 1B)

    ∂x j(x)

    ∣∣∣∣∣∣ =∣∣∣∣∣∣∂kδ∂x j∗ 1B(x)

    ∣∣∣∣∣∣ ≤∥∥∥∥∥∥∂kδ∂x j

    ∥∥∥∥∥∥1

    =Cδ. (13.34)

    Für einx ∈ Rd gilt wegenkδ(x− y) = 0 für y < x− K2δ(0) = x+ K2δ(0) = K2δ(x)

    kδ ∗ 1B(x) =∫

    B

    kδ(x− y) dλd(y) =∫

    B∩K2δ(x)

    kδ(x− y) dλd(y).

    Ist K2δ(x) ⊆ B, so folgt mit Korollar 13.2.12

    kδ ∗ 1B(x) =∫

    K2δ(x)

    kδ(x− y) dλd(y) =∫

    K2δ(0)

    kδ(y) dλd(y) = ‖kδ‖1 = 1. (13.35)

    Liegt x im InnerenB◦ von B, dh. in der größten inB enthaltenen offenen Menge(siehe Bemerkung 12.2.11), so giltU2ρ(x) ⊆ B für ein ρ > 0. Es folgt für alle0 < δ < ρ sicherlichK2δ(x) ⊆ B, und daherkδ ∗ 1B(x) = 1. Insbesondere gilt

    limδց0

    kδ ∗ 1B(x) = 1.

    Gilt B ∩ K2δ(x) = ∅ bzw. äquivalent dazux < B − K2δ(0) = B + K2δ(0) (sieheBemerkung 13.3.8), so istkδ ∗ 1B(x) = 0. Insbesondere gilt

    suppkδ ∗ 1B ⊆ B+ K2δ(0), (13.36)

    wobei die rechte und daher auch die linke Seite beschränkt und daher kompaktist.

  • 28 KAPITEL 13. LEBESGUESCHE INTEGRATION

    Liegt x im Inneren (Bc)◦ (= Bc) von Bc, dh. in der größten inBc enthaltenen

    offenen Menge, so giltU2ρ(x) ⊆ Bc für ein ρ > 0. Für alle 0< δ < ρ folgtK2δ(x) ⊆ Bc bzw. B∩ K2δ(x) = ∅, und daherkδ ∗ 1B(x) = 0. Insbesondere gilt

    limδց0

    kδ ∗ 1B(x) = 0.

    Mit den soeben behandelten Funktionen kann man erstaunlichviel anstellen.Zunächst verwenden wir diese im Beweis der folgenden Aussage.

    13.3.14 Korollar. Der Vektorraum C∞00(Rd) aller komplexwertigen, unendlich oft diffe-

    renzierbaren Funktionen mit kompakten Träger ist dicht inLp(Rd) für alle p ∈ [0,+∞).Beweis.Da stetige Funktionen mit kompakten Träger beschränkt sind, folgt ihre Inte-grierbarkeit, und daherC∞00(R

    d) ⊆ Lp(Rd).Seikδ wie in Beispiel 13.3.13, und seif = 1R, wobeiR = (a1, b1] × · · · × (ad, bd]

    eind-dimensionales halboffenes Rechteck wie in (13.16) ist.Wir wissen aus Beispiel 13.3.13, dass

    (k1

    n∗ 1R

    )n∈N eine Folge von Funktionen aus

    C∞00(Rd) ist, die alle beschränkt durch eins sind. Außerdem verschwinden alle außerhalb

    vonR+ K2(0).Auf R◦ = (a1, b1)× · · ·× (ad, bd) konvergiertk1

    n∗1R(x) punktweise gegen Eins, und

    auf (Rc)◦ =([a1, b1]×· · ·× [ad, bd]

    )c punktweise gegen Null. Da [a1, b1]×· · ·× [ad, bd] \(a1, b1) × · · · × (ad, bd) eineλd-Nullmenge ist16, konvergiert|1R− k1

    n∗ 1R| punktweise

    fast überall gegen Null. Also folgt aus dem Satz von der beschränkten Konvergenz

    ‖1R − k1n∗ 1R‖pp =

    R+K2(0)

    |1R− k1n∗ 1R|p dλd

    n→∞−→ 0.

    Ist f =∑n

    j=1α j1Rj von der Form (13.24), so folgt

    ‖ f − k1n∗ f ‖p ≤

    n∑

    j=1

    α j ‖1Rj − k1n ∗ 1Rj‖pn→∞−→ 0.

    Also enthält der AbschlussC∞00(Rd) von C∞00(R

    d) in Lp(Rd) alle Funktionen der Form(13.24). Die MengeF aller dieser Funktionen ist aber gemäß Bemerkung 13.3.5 dichtin Lp(Rd). Also folgt

    Lp(Rd) = F ⊆ C∞00 = C∞00 ⊆ Lp(Rd).

    Folgendes Resultat wirkt zunächst etwas glanzlos, stelltsich aber oft als sehr nütz-lich heraus.

    13.3.15 Lemma.Sei K⊆ Rd kompakt und Vj, j ∈ J, eine offeneÜberdeckung von K.Dann gibt es endlich viele Funktionenγ1, . . . , γn ∈ C∞00(Rd) mit Werten in[0, 1], sodassfür k = 1, . . . , n immersuppγk ∈ V j(k) für ein j(k) ∈ J, und sodass

    n∑

    k=1

    γk(x) ∈ [0, 1], für x ∈ Rd, undn∑

    k=1

    γk(x) = 1, für x ∈ K. (13.37)

    Die Funktionenγk nennt man eineglatte Zerlegung der Eins.16Diese Menge ist in einer endlichen Vereinigung von echten affinen Unterräumen enthalten und daher

    vomλd-Maß Null, vgl. Bemerkung 13.2.8.

  • 13.3. LP-RÄUME, FALTUNG, ETC. 29

    Beweis. Zu jedemx ∈ K gibt es einj(x) ∈ J mit x ∈ V j(x). Nun seiδx > 0 so klein,dass die abgeschlossene KugelK3δx(x) mit Radius 3δx bezüglich der‖.‖2-Norm umxganz inV j(x) enthalten ist.

    Wegen der Kompaktheit vonK gilt K ⊆ Uδx1 (x1) ∪ · · · ∪ Uδxn (xn) für gewissex1, . . . , xn ∈ K. . Wir setzenA1 := U2δx1 (x1) und fürk = 2, . . . , n,

    Ak := U2δxk (xk) \(U2δx1 (x1) ∪ · · · ∪ U2δxk−1 (xk−1)

    ).

    Ist δ := 12 ·min{δxk : k = 1, . . . , n}, so gilt offensichtlich

    Ak + K2δ(0) ⊆ U2δxk (xk) + K2δ(0) ⊆ K3δx(xk) ⊆ V j(xk) =: V j(k).

    Ist kδ die C∞-Funktion aufRd aus Beispiel 13.3.13, so haben wir in (13.36) nachge-rechnet, dass daher der Träger derC∞-Funktionγk := kδ ∗ 1Ak in V j(k) enthalten ist.Nun gilt wegen (13.33) in Beispiel 13.3.13

    n∑

    k=1

    γk(x) =n∑

    k=1

    kδ ∗ 1Ak(x) = kδ ∗( n∑

    k=1

    1Ak)(x) = kδ ∗ 1A(x) ∈ [0, 1],

    wobeiA := A1∪̇ . . . ∪̇An = U2δx1 (x1) ∪ · · · ∪ U2δxn (xn). Außerdem folgt aus

    K + K2δ(0) ⊆(Uδx1 (x1) ∪ · · · ∪ Uδxn (xn)) + K2δ(0)

    ⊆ U2δx1 (x1) ∪ · · · ∪ U2δxn (xn) = A1∪̇ . . . ∪̇An =: A.

    zusammen mit (13.35) in Beispiel 13.3.13, dasskδ ∗ 1A(x) = 1, wenn nurx ∈ K.❑

    Schließlich wollen wir noch ein spezielle Approximation behandeln einer gegebe-nen Funktion behandeln, die wir später benötigen werden.Dazu setzen wir fürL ⊆ Rd

    Kδ(L) := {x ∈ Rd : d(x, L) ≤ δ}, Uδ(L) := {x ∈ Rd : d(x, L) < δ}, (13.38)

    wobeid(x, L) := inf{d(x, y) : y ∈ L} mit d(x, y) = ‖x − y‖2. Wegen der Stetigkeit vonx 7→ d(x, L) ist Kδ(L) abgeschlossen undUδ(L) offen inRd, siehe Lemma 11.2.11.Mit L sind klarerweise auchKδ(L) und Uδ(L) beschränkt. Also istKδ(L) dann sogarkompakt.

    13.3.16 Lemma.Sei K⊆ Rd kompakt und L⊆ K nichtleer. Weiters sei f: K → R (C)eine Funktion. Fürδ > 0 betrachte die Funktion

    fδ :=(1− kδ ∗ 1K3δ(L)

    )f .

    Dann giltsuppfδ ⊆ suppf \ Uδ(L) ⊆ suppf \ L (13.39)

    und| f − fδ| ≤ | f | · kδ ∗ 1K3δ(L) ≤ | f | · 1K5δ(L), (13.40)

    Für alle x ∈ K \ L gilt punktweise

    limδց0

    fδ(x) = f (x). (13.41)

  • 30 KAPITEL 13. LEBESGUESCHE INTEGRATION

    Beweis. Für x ∈ Kδ(L) gilt K2δ(x) ⊆ K3δ(L) und daherkδ ∗ 1K3δ(L)(x) = 1, siehe(13.35). Somit verschwindetfδ auf Uδ(L) ⊆ Kδ(L), also suppfδ ⊆ Uδ(L)c. WegenL ⊆ K δ

    2(L) ⊆ Uδ(L) gilt auch suppfδ ⊆ L

    c. Somit haben wir (13.39) gezeigt.

    Aus 0≤ kδ ∗ 1K3δ(L) ≤ 1 (siehe (13.33)) folgt sofort| f − fδ| ≤ | f | · kδ ∗ 1K3δ(L) ≤ 1.Vor (13.36) haben wir gesehen, dasskδ ∗ 1K3δ(L)(x) = 0, wennx < K3δ(L) + K2δ(0).WegenK3δ(L) + K2δ(0) ⊆ K5δ(L) folgt somit (13.40).

    Für x ∈ K \ L gilt d(x, L) > 0 (siehe Lemma 11.2.11). Wählt manδ > 0 so klein,dassd(x, L) > 5δ, dh. dassx < K5δ(L), so folgt aus (13.40), dassfδ(x) = f (x). Somitgilt (13.41).

  • Kapitel 14

    Integraltransformationen

    14.1 Fouriertransformation

    Ist f ∈ L1(R) und ζ ∈ R, so gilt wegen| f (ξ) exp(−iξζ)| = | f (ξ)|, dass auchξ 7→f (ξ) exp(−iξζ) zu L1(R) gehört.

    14.1.1 Definition. Für f ∈ L1(R) sei dieFouriertransformiertef̂ : R → C von fdefiniert durch

    f̂ (ζ) =1√

    R

    f (ξ) exp(−iξζ) dλ(ξ).

    Wir zeigen zunächst einige einfache Eigenschaften. Dazu sei an den RaumC0(R)aller komplexwertigen, beschränkten, stetigen und im unendlichen verschwindenen1

    Funktionen erinnert (vgl. Korollar 12.10.8).Wir betrachtenC0(R) als Unterraum des RaumesC(R) aller komplexwertigen, be-

    schränkten und stetigen Funktionen und versehen letzteren mit der Supremumsnorm‖ f ‖∞ = sup{| f (t)| : t ∈ R}. Wir wissen aus Beispiel 9.1.12, dass (C(R), ‖.‖∞) ein Ba-nachraum ist.

    C0(R) ist nun inC(R) abgeschlossen und somit selbst ein Banachraum. Um daseinzusehen, sei (fn) eine Folge inC0(R), die bzgl.‖.‖∞, also gleichmäßig gegenf ∈C(R) konvergiert. Nach Lemma 8.7.1 gilt

    lim|t|→+∞

    f (t) = lim|t|→+∞

    limn→∞

    fn(t) = limn→∞

    lim|t|→+∞

    fn(t) = 0.

    Also ist f ∈ C0(R).Wir wollen noch bemerken, dass (C0(R), ·, ‖.‖∞) mit der punktweisen Multiplikati-

    on sogar eine Banachalgebra ist.

    14.1.2 Proposition.Sei f ∈ L1(R) und a, b ∈ C, r, t ∈ R, r , 0. Dann gilt

    1. Ist auch g∈ L1(R), so gilt ̂(a f + bg) = af̂ + bĝ.

    2. f̂ ∈ C0(R) mit ‖ f̂ ‖∞ ≤ 1√2π ‖ f ‖1.

    3. Ist auch g∈ L1(R), so gilt f̂ ∗ g =√

    2π f̂ · ĝ.1D.h. lim|t|→+∞ f (t) = 0.

    31

  • 32 KAPITEL 14. INTEGRALTRANSFORMATIONEN

    4. Mit ft(ξ) = f (ξ+t), ξ ∈ R folgt ft ∈ L1(R), ‖ ft‖1 = ‖ f ‖1 und f̂t(ζ) = exp(itζ) f̂ (ζ).

    5. Mit g(ξ) = exp(itξ) f (ξ), ξ ∈ R, folgt g∈ L1(R), ‖g‖1 = ‖ f ‖1 undĝ(ζ) = f̂ (ζ− t).

    6. Mit g(ξ) = |r | f (rξ), ξ ∈ R, folgt g∈ L1(R), ‖g‖1 = ‖ f ‖1 undĝ(ζ) = f̂ ( 1r ζ).

    7. Mit g(ξ) = f (−ξ), ξ ∈ R, folgt g∈ L1(R), ‖g‖1 = ‖ f ‖1 undĝ(ζ) = f̂ (ζ).

    8. Ist g(ξ) = −iξ f (ξ), ξ ∈ R und g∈ L1(R), so folgtĝ(ζ) = f̂ ′(ζ).

    9. Sei f∈ C1(R), sodass f, g := f ′ ∈ L1(R). Dann folgtlim |ξ|→+∞ f (ξ) = 0 und

    ĝ(ζ) = iζ f̂ (ζ).

    Beweis.

    1. Folgt unmittelbar aus der Linearität des Integrals.

    2. Aus| f (ξ) exp(−iξζ)| = | f (ξ)| folgt

    | f̂ (ζ)| ≤ 1√2π

    R

    | f (ξ)| dλ(ξ) = 1√2π‖ f ‖1.

    Da (ζ, ξ) 7→ f (ξ) exp(−iξζ) stetig und gleichmäßig durch| f (ξ)| beschränkt ist,folgt aus Lemma 13.1.8, dasŝf (ζ) stetig und beschränkt ist.

    Für−∞ < c < d < +∞ undζ , 0 gilt

    1̂(c,d](ζ) =1√

    d∫

    c

    exp(−iξζ) dξ = i√2πζ

    (exp(−idζ) − exp(−icζ)).

    Für |ζ | → +∞ konvergiert diese Funktion gegen Null. Die lineare Hülle allerdieser Funktionen liegt also inC0(R).

    Da der RaumM aller Treppenfunktionen der Form∑nj=1α j1(c j ,dj ], mit der li-nearen Hülle aller Funktionen der Bauart1(c,d] übereinstimmt, sehen wir, dassf ∈ M ⇒ f̂ ∈ C0(R).Gemäß Bemerkung 13.3.5 und Korollar 13.3.4 istM dicht in L1(R). Außerdemhaben wir oben gerade gezeigt, dass ˆ :L1(R) → C(R) eine lineare und be-schränkte und somit stetige Abbildung ist. Es folgt (vgl. Satz 12.3.5)

    L̂1(R) = M̂ ⊆ M̂ ⊆ C0(R) = C0(R).

    3. g ∈ L1(R), so gilt (siehe Korollar 13.2.12)

    f̂ ∗ g(ζ) = 1√2π

    R

    R

    f (ξ − η)g(η) dλ(η) exp(−iξζ) dλ(ξ) =

    1√

    R

    R

    f (ξ−η) exp(− i(ξ−η)ζ) dλ(ξ) g(η) exp(−iηζ) dλ(η) =√

    2π f̂ (ζ)ĝ(ζ).

  • 14.1. FOURIERTRANSFORMATION 33

    4. ft ∈ L1(R) mit ‖ ft‖1 = ‖ f ‖1 folgt aus Korollar 13.3.6. Weiters gilt

    f̂t(ζ) =1√

    R

    f (ξ + t) exp(−iξζ) dλ(ξ) =

    1√

    R

    f (ξ) exp( − i(ξ − t)ζ) dλ(ξ) = exp(itζ) f̂ (ζ). (14.1)

    5. Ist g(ξ) = exp(itξ) f (ξ), ξ ∈ R, so prüft man wieder unmittelbar nach, dassg ∈ L1(R), ‖g‖1 = ‖ f ‖1.

    ĝ(ζ) =1√

    R

    f (ξ) exp(itξ) exp(−iξζ) dλ(ξ) =

    1√

    R

    f (ξ) exp( − iξ(ζ − t)) dλ(ξ) = f̂ (ζ − t). (14.2)

    6. Ist g(ξ) = r f (rξ), ξ ∈ R, so folgt aus Korollar 13.2.12 mitT : ξ 7→ ξr , dassg ∈ L1(R), ‖g‖1 = ‖ f ‖1 und

    ĝ(ζ) =1√

    R

    |r | f (rξ) exp(−iξζ) dλ(ξ) =

    1√

    R

    f (ξ) exp(−iξ ζr

    ) dλ(ξ) = f̂ (1rζ). (14.3)

    7. Istg(ξ) = f (−ξ), ξ ∈ R, so folgtg ∈ L1(R), ‖g‖1 = ‖ f ‖1 und

    ĝ(ζ) =1√

    R

    f (−ξ) exp(−iξζ) dλ(ξ) =∫

    R

    f (−ξ) exp(iξζ) dλ(ξ) = f̂ (ζ).

    8. Ist g(ξ) = −iξ f (ξ), ξ ∈ R und g ∈ L1(R), so ist ∂∂ζ

    f (ξ) exp(−iξζ) =g(ξ) exp(−iξζ) vom Betrag her durch|g(ξ)| gleichmäßig inζ beschränkt. NachLemma 13.1.10 gilt

    f̂ ′(ζ) =1√

    R

    f (ξ)(−i)ξ exp(−iξζ) dλ(ξ) = ĝ(ζ).

    9. Wegen Satz 13.1.6 istf ′ uneigentlich Riemann-integrierbar, und somit

    f (x) = f (0)+

    x∫

    0

    f ′(t) dtx→±∞−→ f (0)+

    ±∞∫

    0

    f ′(t) dt.

    Also existieren die Limites limx→±∞ f (x). Diese Grenzwerte müssen aber ver-schwinden, da sonstf nicht integrierbar wäre. Durch partielle Integration erhal-ten wir

    N∫

    −N

    f ′(t) exp(−itζ) dt = (exp(−itζ) f (t))∣∣∣∣∣N

    t=−N+ iζ

    N∫

    −N

    f (t) exp(−itζ) dt.

  • 34 KAPITEL 14. INTEGRALTRANSFORMATIONEN

    Lassen wirN gegen+∞ gehen, so folgt nach dem eben hergeleiteten Grenzver-halten vonf (t) die behauptete Gleichheit.

    14.1.3 Bemerkung.Die vorletzte Behauptung in der letzten Proposition besagt, dassumso schnellerf im unendlichen gegen Null konvergiert, desto öfter istf̂ ableitbar.Insbesondere sind die Fouriertransformierten vonf ’s mit kompakten TrägerK beliebigoft ableitbar.

    In der Tat ist f̂ für einen kompakten Träger supp(f ) sogar auf ganzC fortsetzbar,da ja

    f̂ (ζ) =1√

    K

    f (ξ) exp(−iξζ) dλ(ξ)

    für alle ζ ∈ C integrierbar ist. Wir können hier Lemma 13.1.11 anwenden und sehen,dassζ 7→ f̂ (ζ) auf ganzC holomorph ist, d.h.̂f ist eineganze Funktion.

    14.1.4 Beispiel.

    Ist f = 1[0,1], rechnet man elementar nach, dass

    f̂ (ζ) =1√

    1∫

    0

    exp(−iξζ) dξ = i√2πζ

    (exp(−iζ) − 1).

    Um die Fouriertransformierte vong(t) = t · 1[0,1](t) = i(−i)t · 1[0,1](t) zu bestim-men, verwenden wir Proposition 14.1.2, (8):

    ĝ(ζ) = i ̂[(−i)t · 1[0,1](t)](ζ) = iddζ

    1̂[0,1](ζ) = −1√

    (−i) exp(−iζ)ζ − exp(−iζ) + 1ζ2

    .

    Entsprechend ist die Fouriertransformierte vontk · 1[0,1](t) die Funktionik d

    k

    dζki√2πζ

    (exp(−iζ) − 1).

    14.1.5 Beispiel.Wir wollen die Fouriertransformierte von

    0−1 1

    √2π

    f

    f (ξ) =√

    2π max(1− |ξ|, 0)

    berechnen, die offensichtlich integrierbar mit‖ f ‖1 =√

    2π ist. Wir zerlegen exp(−iξζ)in Real- und Imaginärteil, dh. exp(−iξζ) = cos(ξζ) − i sin(ξζ). Da für festesζ ∈ R dieFunktionξ 7→ f (ξ) sin(ξζ) ungerade ist, verschwindet das Integral darüber. Also gilt

    f̂ (ζ) =∫

    [−1,1]

    (1−|ξ|) exp(−iξζ) dλ(ξ) =1∫

    −1

    (1−|x|) cos(xζ) dx= 21∫

    0

    (1− x) cos(xζ) dx=

  • 14.1. FOURIERTRANSFORMATION 35

    (1− x)sin(xζ)ζ

    ∣∣∣∣∣1

    0+

    1∫

    0

    sin(xζ)ζ

    dx=2ζ2

    (1− cos(ζ)) =sin ζ2ζ

    2

    2

    .

    0−3π −2π −π π 2π 3π

    12

    1

    Diese Funktion liegt auch inL1(R), und hat damit auch eine Fouriertransformierte:

    ˆ̂f (ζ) =2√

    R

    1− cos(ξ)ξ2

    exp(−iξζ) dλ(ξ). (14.4)

    Wir zerlegen wieder exp(−iξζ) in Real- und Imaginärteil. Daξ 7→ (cos(ξ)−1)ξ2

    i sin(ξζ) eineungerade Funktion ist, verschwindet das Integral darüber, und (14.4) stimmt übereinmit

    2√

    R

    1− cos(ξ)ξ2

    cos(ξζ) dλ(ξ) =

    1√

    R

    1ξ2

    (2(cos(ξζ) − 1) − ( cos(ξ(ζ + 1))− 1) − ( cos(ξ(ζ − 1))− 1)

    )dλ(ξ).

    Für ζ < {−1, 0, 1} stimmt das überein mit

    1√

    R

    2|ζ |2( cos(ξζ) − 1)

    (ξζ)2dλ(ξ) −

    R

    |ζ + 1|2( cos(ξ(ζ + 1))− 1)

    (ξ(ζ + 1))2dλ(ξ)

    −∫

    R

    |ζ − 1|2( cos(ξ(ζ − 1))− 1)

    (ξ(ζ − 1))2 dλ(ξ)

    .

    Mit Korollar 13.2.12 gleicht das dem Ausdruck

    1√

    R

    2|ζ |( cos(η) − 1)

    η2dλ(η) −

    R

    |ζ + 1|( cos(η) − 1)

    η2dλ(η)

    −∫

    R

    |ζ − 1|( cos(η) − 1)

    η2dλ(η)

    =

    (2|ζ | − |ζ + 1| − |ζ − 1|) · 1√2π

    R

    cos(η) − 1η2

    dλ(η) =

    (2|ζ | − |ζ + 1| − |ζ − 1|) · 1√2π· (−π),

  • 36 KAPITEL 14. INTEGRALTRANSFORMATIONEN

    da man mit partieller Integration erhält, dass (vgl. Beispiel 8.7.11)

    +∞∫

    0

    1− cos(x)x2

    dx=

    +∞∫

    0

    sinxx

    dx=π

    2.

    Außerdem zeigt man leicht durch Fallunterscheidung, dass

    − (2|ζ | − |ζ + 1| − |ζ − 1|) =

    0 , |ζ | > 12(1− ζ) , ζ ∈ (0, 1)2(1+ ζ) , ζ ∈ (−1, 0)

    Also giltˆ̂f (ζ) =

    √2π max(1− |ζ |, 0) = f (ζ), ζ < {−1, 0, 1}.

    Wegen der Stetigkeit von̂̂f und f stimmen diese Funktionen auf ganzR überein.

    14.1.6 Beispiel.Sei f (ξ) =√

    2π max(1− |ξ|, 0) die Funktion aus Beispiel 14.1.5 undsei

    g(ξ) =∞∑

    n=0

    12n

    f (ξ − 2n) =∞∑

    n=0

    12n

    f−2n(ξ).

    Da f (ξ − 2n) außerhalb von (2n − 1, 2n + 1) verschwindet, ist für ein festesξ ∈ Rhöchstens ein Summand vong(ξ) ungleich Null. Insbesondere konvergiert obige Funk-tionenreihe punktweise. Nun folgt mit dem Satz von der monotonen Konvergenz

    ‖g‖1 =∞∑

    n=0

    12n

    R

    f (ξ − 2n)(ξ) dλ(ξ) =∞∑

    n=0

    12n√

    2π = 2√

    2π.

    Wegen

    ‖g−N∑

    n=0

    12n

    f−2n‖1 = ‖∞∑

    n=N+1

    12n

    f (ξ − 2n)(ξ)‖1 =∞∑

    n=N+1

    12n√

    2π =12N√

    konvergiert die FolgesN(ξ) der Partialsummen inL1(R) bzgl.‖.‖1 gegeng. Wegen Pro-position 14.1.2, (2), konvergiert daher die Folge (siehe Proposition 14.1.2, (4), sowieBeispiel 14.1.5)

    ŝN(ζ) =N∑

    n=0

    12n

    f̂−2n(ζ) =N∑

    n=0

    12n

    exp(−i2nζ) f̂ (ζ) = 2ζ2

    (1− cos(ζ)) ·1−

    (exp(−i2ζ)

    2

    )N+1

    1− exp(−i2ζ)2

    der Fouriertransformierten der Partialsummen bzgl.‖.‖∞, dh. gleichmäßig im Banach-raumC0(R) gegen ˆg(ζ). Also gilt

    ĝ(ζ) =2ζ2

    (1− cos(ζ)) 11− exp(−i2ζ)2

    .

  • 14.1. FOURIERTRANSFORMATION 37

    14.1.7 Bemerkung.Setzen wirm := 1√2πλ und |‖.‖|1 := 1√2π ‖.‖1, so stimmtL

    1(R,B, λ)

    mit L1(R,B,m) als Vektorraum überein. Klarerweise ist|‖.‖|1 die 1-Norm, die zum Maßm gehört, und|‖.‖|1 ist äquivalent zu‖.‖1.

    Weiters überprüft man leicht, dass (L1(R), ⋆, |‖.‖|1), wobei f ⋆ g = 1√2π f ∗ g, eben-falls eine Banachalgebra ist. Die Fouriertransformation schreibt sich jetzt als

    f̂ (ζ) =∫

    R

    f (ξ) exp(−iξζ) dm(ξ),

    und aus Proposition 14.1.2, (1),(2), folgt, dassf 7→ f̂ eine beschränkte lineare Ab-bildung mit Abbildungsnorm≤ 1 von (L1(R), |‖.‖|1) nach (C0, ‖.‖∞) ist. Darüber hin-aus folgt aus Proposition 14.1.2, (3), dass diese Abbildungsogar mit den multipli-kativen Strukturen verträglich ist. Also ist die Fouriertransformation ein beschränkterBanachalgebren-Homomorphismus von (L1(R), ⋆, |‖.‖|1) nach (C0, ·, ‖.‖∞).

    14.1.8 Beispiel.Die Funktion f (t) = exp(− t22 ) liegt in L1(R) mit ‖ f ‖1 =√

    2π, sieheBeispiel 8.7.10. Wie man aus Lemma 13.1.10 leicht folgert, ist die komplexwertigeFunktion

    F(x) :=∫

    R

    e−t2

    2 +itx dλ(t), x ∈ R,

    stetig differenzierbar und erfülltF′(x) + xF(x) = 0, x ∈ R. Löst man diese Differen-tialgleichung und beachtet, dassF(0) = ‖ f ‖1 =

    √2π, so folgtF(x) =

    √2πexp(− x22 ).

    Also folgt

    f̂ (ζ) =1√

    R

    e−t2

    2 exp(−itζ) dλ(t) = 1√2π

    F(−ζ) = exp(−ζ2

    2) = f (ζ).

    14.1.9 Bemerkung.In Lemma 13.3.10 haben wir gesehen, dassL1(R) eine approximative Einheit zulässt. Nun werden wirsehen, dass es eine Einheite im Sinne vonf ∗ e= f für alle f nicht gibt.

    In der Tat gilt für f (t) = exp(− t22 ), dassf̂ = f . Aus f ∗ e = f würde√

    2π f̂ · ê = f̂ ∈ C0(R) folgen, was wiederumê= 1√

    2πzur Folge hätte. Nun ist aber diese Funktion nicht inC0(R) im Widerspruch zu Proposition 14.1.2, (2).

    Die schlagende Eigenschaft der Fouriertransformation ist, dass sie fast involuto-risch ist, d.h. dass sie zweimal auf eine Funktion angewandt- falls das möglich ist -fast die Funktion ergibt, mit der man gestartet ist.

    14.1.10 Satz.Ist f ∈ L1(R) so, dass aucĥf ∈ L1(R), so gilt ˆ̂f (ξ) = f (−ξ) für fast alleξ ∈ R.

    Beweis.Wir setzenkn(ξ) =

    √2π max(n− n2|ξ|, 0),

    und sehen wegenkn(ξ) = nk1(nξ) aus Beispiel 14.1.5 und Proposition 14.1.2, (6), dass

    k̂n(ζ) =

    sin ζ2n

    ζ

    2n

    2

    , ˆ̂kn = kn,

    und|k̂n(ζ)| ≤ 1, k̂n(ζ)

    n→∞−→ 1.

  • 38 KAPITEL 14. INTEGRALTRANSFORMATIONEN

    Somit folgtk̂n f̂ ∈ L1(R), wobei wegen dem Satz von der beschränkten Konvergenz

    ‖k̂n f̂ − f̂ ‖1 =∫

    R

    | f̂ | · |k̂n − 1| dλn→∞−→ 0.

    Wegen Proposition 14.1.2, (2), und der Tatsache, dass eine lineare Abbildung genau

    dann stetig ist, wenn sie beschränkt ist, gilt somit̂k̂n f̂ (ξ) → ˆ̂f (ξ) im BanachraumC0(R), also gleichmäßig.

    Andererseits folgt aus dem Satz von Fubini und ausˆ̂kn(η) = kn(η) = kn(−η),

    ̂̂kn f̂ (ξ) =1√

    R

    k̂n(ζ) f̂ (ζ) exp(−iξζ) dλ(ζ) =

    12π

    R

    k̂n(ζ) exp(−iξζ)∫

    R

    f (η) exp(−iηζ) dλ(η) dλ(ζ) =

    12π

    R

    f (η)∫

    R

    k̂n(ζ) exp( − i(ξ + η)ζ) dλ(ζ) dλ(η) =

    1√

    R

    f (η)ˆ̂kn(ξ + η) dλ(η) =1√

    2πkn ∗ f (−ξ).

    Nun erfüllt aber 1√2π

    kn die Voraussetzungen von Lemma 13.3.10. Alsôk̂n f̂ (ξ)→ f (−ξ)in L1(R). Insbesondere gilt für ein festesN > 0

    ∥∥∥∥∥̂̂kn f̂ |[−N,N] − f (−.)|[−N,N]

    ∥∥∥∥∥1=

    [−N,N]

    |̂̂kn f̂ (ξ) − f (−ξ)| dλ(ξ) ≤∥∥∥∥∥̂̂kn f̂ − f (−.)

    ∥∥∥∥∥1

    n→∞−→ 0.

    Andererseits gilt wegen der gleichmäßigen Konvergenz von̂̂kn f̂ gegen ˆ̂f , dass∥∥∥∥∥̂̂kn f̂ |[−N,N] − ˆ̂f |[−N,N]

    ∥∥∥∥∥1≤ 2N

    ∥∥∥∥∥̂̂kn f̂ |[−N,N] − ˆ̂f |[−N,N]

    ∥∥∥∥∥∞n→∞−→ 0.

    Somit muss ˆ̂f |[−N,N] mit f (−.)|[−N,N] als Element vonL1[−N,N], d.h. bis auf einenλ-Nullmenge übereinstimmen. DaN beliebig ist, folgt die Aussage.

    Aus Satz 14.1.10 erkennen wir nun auch, warum bei der Definition der Fourier-transformation die Konstante1√

    2πauftaucht. Ohne dieser Konstante wäre nämlich nicht

    ˆ̂f (ξ) = f (−ξ).

    14.1.11 Korollar. Die Fouriertransformation ist injektiv. Sind also f, g ∈ L1(R) mitf , g als Elemente von L1(R), so folgt f̂ , ĝ.

    Beweis.Wäre nämlichf̂ = ĝ, so wärenf − g und f̂ − ĝ = ̂( f − g) = 0 beide inL1(R).Also müsste nach Satz 14.1.10̂̂( f − g) = 0̂ = 0 gleich (f − g)(−.) sein.

    14.1.12 Beispiel.

  • 14.1. FOURIERTRANSFORMATION 39

    Fürn ∈ N∪ {0} liegt die Funktiontn · exp(− t22 ) in L1(R). Um das einzusehen, seizunächst bemerkt, dass für|t| > 2

    |tn| · exp(− t2

    2) ≤ |tn| · exp(−|t|) = |tn| · exp(−|t|

    2) · exp(−|t|

    2). (14.5)

    Aus der Regel von Regel von de L’Hospital Korollar 7.2.14 folgert man, dasslim |t|→+∞ |tn| · exp(− |t|2 ) = 0. Also gilt |tn| · exp(−

    |t|2 ) ≤ 1 außerhalb eines be-

    stimmten kompakten Intervalls [−K,K], und wegen (14.5) isttn · exp(− t22 ) überR\[−K,K] nach dem Lebesgue-Maß integrierbar. Auf [−K,K] ist diese Funktionstetig und daher beschränkt. Somit isttn·exp(− t22 ) auch über [−K,K] integrierbar.

    Wir behaupten, dass für jedes Polynomp ∈ C[t] mit Grad kleiner oder gleichn ∈ N ∪ {0} die Fouriertransformierte der Funktionp(t) · exp(− t22 ) auch von derFormq(ζ) · exp(− ζ

    2

    2 ) mit einem Polynomq ∈ C[ζ] mit Grad kleiner oder gleichn ist.

    Für n = 0 folgt diese Behauptung sofort aus Beispiel 14.1.8. Angenommen siegilt für Polynomep(t) vom Grad kleiner oder gleichn. Sei nunp(t) vom Gradkleiner oder gleichn + 1. Wir schreiben es alsp(t) = a0 + t p̃(t) für ein a0 ∈ Cund einem Polynom ˜p(t) vom Grad kleiner oder gleichn. Aus Proposition 14.1.2folgt

    ̂[p(t) · exp(− t

    2

    2)](ζ) = a0

    ̂[exp(− t

    2

    2)](ζ) + i

    ddζ

    ̂[ p̃(t) · exp(− t

    2

    2)](ζ).

    Wegen der Induktionsvoraussetzung stimmt das mit

    a0 exp(−ζ2

    2) + i

    (q̃(ζ) · exp(−ζ

    2

    2))′=

    a0 exp(−ζ2

    2)+iq̃′(ζ)·exp(−ζ

    2

    2)−iζq̃(ζ)·exp(−ζ

    2

    2) =

    (a0+iq̃

    ′(ζ)−iζq̃(ζ))·exp(−ζ2

    2).

    überein, wobei ˜q(ζ) ein Polynom vom Grad kleiner oder gleichn ist. Da danna0 + iq̃′(ζ) − iζq̃(ζ) ein Polynom vom Grad kleiner oder gleichn+ 1 ist, habenwir durch vollständige Induktion die Behauptung gezeigt.

    Offensichtlich ist der Funktionenraum

    Pn := {p(t) · exp(−t2

    2) : p(t) ∈ C[t], degp(t) < n}

    ein linearer Teilraum vonL1(R) von der Dimensionn. Wi