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Prof. Dr. H. Garcke, D. Depner WS 2009/10NWF I - Mathematik 18.11.2009Universitat Regensburg
Analysis III
Verbesserung der Zusatzaufgabe von Ubungsblatt 4
ZusatzaufgabeWir definieren die Cantormenge C ⊂ [0, 1] wie folgt. Zunachst definieren wir eine Folge vonTeilmengen Cn von R. C0 sei das Einheitsintervall. Aus C0 entfernen wir das offene Teilintervallder Lange 1
3 mit Mittelpunkt 12 und definieren C1 als die Vereinigung der verbliebenen Interval-
le I1,1 und I1,2. Die Mengen Cn werden nun rekursiv definiert. Haben wir Cn als Vereinigungder Intervalle In,1, . . . , In,2n erhalten, so entfernen wir aus den Intervallen In,j die offenen In-tervalle 1
3In,j , deren Mittelpunkte mit denen von In,j ubereinstimmen und erhalten die MengeCn+1 als Vereinigung der verbleibenden Intervalle In+1,1, . . . , In+1,2n+1 . Nun heißt C :=
⋂∞n=1Cn
Cantormenge. Zeigen Sie, dass C eine Lebesgue-Nullmenge ist.Fur einen Wurfel W ⊂ Rd sei jeweils r(W ) ≥ 0 die Kantenlange von W . Fur eine Menge A ⊂ Rd,s ≥ 0 und ε > 0 setzt man
Hsε(A) := inf{
∞∑j=1
r(Wj)s |A ⊂∞⋃
j=1
Wj mit Wurfeln Wj mit r(Wj) < ε} .
Dann setzt man Hs(A) := limε→0Hsε(A) und erhalt mit Hs eine σ-subadditive und monotone
Abbildung auf P(Rd) (dies ist nicht zu zeigen). Zeigen Sie:
(i) Zu jedem A ⊂ Rd gibt es ein h ∈ [0,∞], so dass Hs(A) = ∞ fur s < h und Hs(A) = 0fur s > h. Diese Zahl dimH(A) := h heißt die Hausdorff-Dimension von A. (Hinweis:Betrachten Sie zunachst A = W ein Wurfel.)
(ii) Die Cantormenge C hat Hausdorff-Dimension dimH(C) = log 2log 3 .
Beweis: Wir zeigen zunachst L1(C) = 0.C ist als Schnitt uber eine Vereinigung von Intervallen naturlich Borelmenge, daher ist
(L1)∗ (C) =
L1(C). Wir zeigen per Induktion uber n:
L1(Cn) =(
23
)n
.
n = 0: L1([0, 1]) = 1 =(
23
)0.n→ n+ 1: Sei Cn =
⋃2n
j=1 In,j und Cn+1 =⋃2n+1
j=1 In+1,j . Die Intervalle In+1,j und In+1,j+1 furungerades j enstehen nach Konstruktion aus einem In,l durch die disjunkte Zerlegung
In,l = In+1,j ∪ J ∪ In+1,j+1
in drei gleichlange Intervalle, wobei J das mittlere offene Drittel von In,j ist. Daher ist
L1(In+1,j) = L1(In+1,j+1) =12· 2
3· L1(In,l) =
13· L1(In,l) .
Die Vereinigung dieser 2n+1 Intervalle In+1,j hat dann die Lange
L1(Cn+1) = L1(2n+1⋃j=1
In+1,j) =2n+1∑j=1
L1(In+1,j) = 2n+1 · 13· L1(In,l) ,
wobei hier zu beachten ist, dass alle In,l dieselbe Lange haben. Dann kann man weiterschließen
L1(Cn+1) =23·
2n∑l=1
L1(In,l) =23· L1(Cn) =
23·(
23
)n
,
wobei im letzten Schritt die Induktionsvoraussetzung ausgenutzt wurde.Fur C =
⋂∞n=1Cn gilt dann L1(C) = lim
n→∞L1(Cn) = lim
n→∞
(23
)n = 0.
BemerkungIm weiteren Verlauf wird die Aussage gebraucht, dass C kompakt ist. Dies folgt, da Cn als endli-che Vereinigung uber abgeschlossene Intervalle abgeschlossen ist und dann auch der abzahlbareSchnitt uber Cn wieder abgeschlossen ist. Außerdem ist C als Teilmenge von [0, 1] beschrankt,daher also insgesamt kompakt.
Zeigen wir nun die Behauptung (i) uber die Existenz der Hausdorff-Dimension. Genauer ist zuzeigen
∀A ⊂ Rd ∃h ∈ [0,∞] so dass Hs(A) ={
0 fur s < h ,∞ fur s > h .
Dann setzen wir dimHA := h. Beachte, dass der Wert von Hh(A) zunachst nicht bekannt ist.Wir beweisen diesen Teil (i) zunachst im Spezialfall von A = W ein Wurfel der Kantenlange 1im Rd und vermuten dass in diesem Fall die Hausdorff-Dimension gleich der Raumdimension dist.Beh.: dimHW = d erfullt die Aussage (i).Dazu: Sei zunachst s > d.Sei ε > 0 beliebig und m ∈ N mit 1
m < ε. Unterteile W in md gleichgroße Teilwurfel Wj
der Kantenlange r(Wj) = 1m . Betrachte dann in der Definition von Hs
ε die Folge der WurfelW1, . . . ,Wmd , ∅, ∅, . . . und berechne
∞∑j=1
r(Wj)s =md∑j=1
r(Wj)s =md∑j=1
(1m
)s
= md−s =1
ms−d< εs−d (beachte s > d) .
Daraus erhalt man
Hsε(W ) = inf
∞∑
j=1
r(Wj)s | . . .
≤ εs−d
und schließlich
Hs(W ) = limε↘0Hs
ε(W ) = limε↘0
εs−d = 0 .
Sei umgekehrt s < d:Wir machen zunachst folgende Beobachtung: Fur jede Uberdeckung W ⊂
⋃∞j=1Wj mit r(Wj) <
ε gilt∑∞
j=1 r(Wj)d ≥ 1.Dies folgt mit r(Wj)d = Ld(Wj) und Eigenschaften des Maßes durch
∞∑j=1
r(Wj)d =∞∑
j=1
Ld(Wj) ≥ Ld(W ) = 1 .
Fur s < d folgt mit J := {j ∈ N | r(Wj) > 0}:∞∑
j=1
r(Wj)s =∑j∈J
r(Wj)s =∑j∈J
r(Wj)d ·(
1r(Wj)
)d−s
r(Wj)<ε
≥∑j∈J
r(Wj)d ·(
1ε
)d−s
=(
1ε
)d−s
·∞∑
j=1
r(Wj)d
︸ ︷︷ ︸≥1
≥(
1ε
)d−s
.
Daraus erhalten wir Hsε(W ) ≥
(1ε
)n−s und daher
Hs(W ) = limε↘0Hs
ε(W ) ≥ limε↘0
(1ε
)n−s
=∞ .
Damit ist der Fall eines Wurfels behandelt und wir konnen uns mit dieser Beweisidee an einebeliebige Menge A ⊂ Rd wagen. Wir zeigen folgende Behauptungen:
(I) Ist Ht(A) <∞ und s > t, so ist Hs(A) = 0.
(II) Ist Ht(A) > 0 und s < t, so ist Hs(A) =∞.
Das bedeutet, dass das Hausdorffmaß an einer bestimmten Stelle von ∞ auf 0 herunterspringt,und die Behauptung (i) folgt dann mit
h := sup{s ∈ [0,∞] |Hs(A) =∞} = inf{s ∈ [0,∞] |Hs(A) = 0} ∈ [0,∞]} ,
wobei wir hier die Konvention sup ∅ = 0 und inf ∅ =∞ benutzen.
VorbemerkungMan sieht leicht dass fur festes t die Abbildung (0, 1) → R≥0, ε 7→ Ht
ε(A) monoton fallend ist,also ε1 < ε2 ⇒ Ht
ε1(A) ≥ Ht
ε2(A)).
Dies liegt daran, dass bei Htε2
(A) das Infimum uber eine großere Menge gebildet wird und dahernur kleiner werden kann.
zu (I):Sei also Ht(A) = limε↘0Ht
ε(A) <∞, somit gilt nach Vorbemerkung:
∃C > 0 mit Htε(A) ≤ C fur alle ε > 0 .
Nach Definition bedeutet das ausgeschrieben
Htε(A) = inf
∞∑
j=1
r(Wj)t |A ⊂∞⋃
j=1
Wj , r(Wj) ≤ ε
≤ C .
Zu ε > 0 finden wir dann nach Definition des Infimums Wurfel W εj mit A ⊂
⋃∞j=1W
εj und
r(W εj ) ≤ ε, so dass
∞∑j=1
r(W εj )t ≤ C + 1 .
(Im Vergleich zu obigen Spezialfall A = W ein Wurfel kann man hier also keine endliche Wahlder Wj mehr treffen.)Nun gilt fur s > t:
∞∑j=1
r(W εj )s =
∞∑j=1
r(W εj )t · r(W ε
j )s−t ≤ εs−t ·∞∑
j=1
r(W εj )t ≤ εs−t · (C + 1) .
Damit hat man Hsε(A) ≤ εs−t · (C + 1) und daher auch
Hs(A) ≤ limε↘0
εs−t · (C + 1) = 0 .
zu (II):Gelte jetzt Ht(A) = limε↘0Ht
ε(A) > 0 und sei s < t. Nach der Vorbemerkung gilt dann fur alleε > 0 dass Ht
ε(A) ≥ ξ > 0 fur ein ξ > 0. Nach Definition von Htε(A) gilt dann fur alle Wurfel
Wj mit A ⊂⋃∞
j=1Wj und r(Wj) ≤ ε, dass
∞∑j=1
r(Wj)t ≥ ξ > 0 .
(Dies ersetzt die Ungleichung∑∞
j=1 r(Wj)d ≥ 1 im Spezialfall A = W ein Wurfel.)Dann ist fur s < t mit J := {j ∈ N | r(Wj) > 0}:
∞∑j=1
r(Wj)s =∑j∈J
r(Wj)s =∑j∈J
r(Wj)t ·(
1r(Wj)
)t−s r(Wj)≤ε
≥∑j∈J
r(Wj)t ·(
1ε
)t−s
=∞∑
j=1
r(Wj)t ·(
1ε
)t−s
≥ ξ ·(
1ε
)t−s
.
Daher gilt dann Hsε(A) ≥ ξ ·
(1ε
)t−s und somit
Hs(A) ≤ limε↘0
ξ ·(
1ε
)t−s
=∞ .
Damit ist Teil (i) gezeigt. Nun zeigen wir fur die Cantormenge C:Beh.: dimHC = log2
log 3 .
Bew.: Wir zeigen fur h = log 2log 3 die Ungleichungen
12≤ Hh(C) ≤ 1 .
Aus der ersten Ungleichung folgt mit (II), dass Hs(C) =∞ fur alle s < h und daher dimHC ≥ h.Aus der zweiten Ungleichung folgt mit (I), dass Hs(C) = 0 fur alle s > h und daher dimHC ≤ h.
zu Hh(C) ≤ 1:
Es ist C =⋂∞
k=1Ck mit Ck =⋃2k
j=1 Ik,j disjunkte Vereinigung von 2k Intervallen (=1-dim.
Wurfeln) mit Kantenlange r(Ik,j) = 13k . Fur die Uberdeckung C ⊂ Ck =
⋃2k
j=1 Ik,j gilt also mit3h = 2:
Hh1
3k(C) ≤
2k∑j=1
r(Ik,j)h = 2k ·(
13k
)h
=(
23h
)k
= 1 .
Dann ist Hh(C) ≤ limk→∞Hh1
3k
(C) ≤ 1.
zu Hh(C) ≥ 12 :
Sei ε > 0 und C ⊂⋃∞
j=1Wj eine Wurfeluberdeckung mit r(Wj) ≤ ε. Wir wollen zeigen:
∞∑j=1
r(Wj)h ≥ 12. (1)
Daraus folgt dann Hhε (C) ≥ 1
2 und daher Hh(C) = limε↘0Hhε (C) ≥ 1
2 .
Zunachst wollen wir uns durch einen Kompaktheitsschluss auf endlich viele Wj beschranken.Dazu mussen wir zuerst die Wj zu offenen Mengen “aufblasen”. Mit m(Wj) der Mittelpunktvon Wj setzen wir dazu
Wj :=
[(1 +
12j
) 1h
(Wj −m(Wj)) +m(Wj)
]◦,
wobei das ◦ das Innere einer Menge bezeichnet. Dann ist r(Wj) =(1 + 1
2j
) 1h · r(Wj) =: ε und
∞∑j=1
r(Wj)h <∞∑
j=1
r(Wj)h + εh .
Falls wir also die Beh. (1) fur Wj zeigen konnen, so folgt im Limes ε→ 0 (was aquivalent ist zuε→ 0) noch Hh(C) ≥ 1
2 , was wir eigentlich brauchen.Nun ist aber C ⊂
⋃∞j=1 Wj eine offene Uberdeckung einer kompakten Menge, also existieren
endlich viele W1, . . . ,WN , so dass C ⊂⋃N
j=1Wj .
Wegen∑∞
j=1 r(Wj)h ≥∑N
j=1 r(Wj)h genugt es schließlich fur (1) die Ungleichung
N∑j=1
r(Wj)h ≥ 12
(2)
zu zeigen. Nun lassen wir das ˜ wieder weg und konnen wegen r(Wj) = r(Wj) annehmen, dassdie Wj abgeschlossen sind. (Dann gilt naturlich immer noch r(Wj) ≤ ε und C ⊂
⋃Nj=1Wj , wegen
der letzten Inklusion konnten wir ubrigens beim Kompaktheitsschluss nicht einfach ubergehenauf offene Mengen.)Wir zeigen also fur abgeschlossene Intervalle Wj mit r(Wj) ≤ ε fur j = 1, . . . , N und C ⊂⋃N
j=1Wj , dass gilt:
N∑j=1
r(Wj)h ≥ 12. (3)
Fur jedes j wahle k = k(j) ∈ N mit(13
)k+1
≤ r(Wj) <
(13
)k
. (4)
(r(Wj) < 13 bekommt man durch Wahl von kleinem ε immer hin.)
Dann kann Wj hochstens ein Intervall von Ck =⋃2k
l=1 Ik,l schneiden, da der Abstand der Inter-valle Ik,l mindestens 1
3k betragt.Zw.beh.: Fur i ≥ k schneidet Wj hochstens 2i−k Intervalle von Ci.Zw.bew.: durch Induktion.i=k siehe oben.i→ i+ 1 Sei Ci+1 =
⋃2i+1
l=1 Ii+1,l und Ci =⋃2i
l=1 Ii,l, wobei fur ungerades l das Ii+1,l und Ii+1,l+1
aus einem Ii,l0 durch Drittelung entstehen. Falls also Wj das Intervall Ii,l0 schneidet, so schneidetes im nachsten Schritt hochstens die beiden Intervalle Ii+1,l und Ii+1,l+1. Nach Induktion hatman dann hochstens
2 · 2i−k = 2i+1−k
Schnitte von Wj mit Intervallen von Ci+1. Damit ist die Zwischenbehauptung bewiesen.
Nun gilt mit 3h = 2 und Ungleichung (4) folgende Ungleichung:
2i−k = 2i · 3−hk ≤ 2i · 3h · r(Wj)h . (5)
Wahle nun i so groß, dass
13i+1
≤ r(Wj) fur alle j = 1, . . . , N .
Die Vereinigung⋃N
j=1Wj schneidet alle 2i Intervalle von Ci der Lange 13i , sonst konnte
⋃Nj=1Wj
nicht C uberdecken. (Falls ein Intervall Ii,l nicht geschnitten wurde, so insbesondere kein Rand-punkt von Ii,l, diese gehoren aber zu C.)Beachte: Es wird nicht behauptet, dass Ci ⊂
⋃Nj=1Wj .
Ohne Einschrankung sei außerdem i > k(j) fur alle j = 1, . . . , N . Nach obiger Zwischenbehaup-tung gilt dann
2i−k(j) ≥ #{Intervalle aus Ci, die von Wj geschnitten werden}
und daher auch
N∑j=1
2i−k(j) ≥ #{Intervalle aus Ci, die von⋃N
j=1Wj geschnitten werden} ,
wobei die rechte Seite nach obiger Aussage 2i betragt. Es gilt also
2i ≤N∑
j=1
2i−k(j)(5)
≤N∑
j=1
2i · 3h · r(Wj)h
und damit schließlich
N∑j=1
r(Wj)h ≥ 3−h =12.
�
BemerkungMit mehr Aufwand kann fur h = log 2
log 3 sogar gezeigt werden, dass Hh(C) = 1.