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ANC-System mit dem JACK Audio Connection Kit Ralf Kiran Schulz, Markus Glugla, Lukas Lindemann-Sperfeld Technische Universit¨at Berlin, Institut f¨ ur Berufliche Bildung und Arbeitslehre, Email: [email protected] Einleitung Ein Mess-, Steuer- und Regelsystem (MSR-System) im Forschungs- und Entwicklungsbereich (FuE-Bereich) be- dingt die konzeptionelle Ausrichtung der Forschung. Die rasante Entwicklung der Computer -Technik hin zu schnellen und leistungsf¨ ahigen Personal Computer s (PCs) und hochwertiger PC-Peripherie verst¨ arkt die ¨ Uberlegung, Consumer -Technik auch im FuE-Bereich einzusetzen. Professionelle Sound -Karten beinhalten lei- stungsstarke Analog Digital Converter (ADC) bzw. Digi- tal Analog Converter (DAC), die kombiniert mit moder- nen PCs hervorragend im Bereich der Akustik einsetzbar sind. Allgemeine Anforderungen an ein MSR-System, wie Sta- bilit¨ at, Flexibilit¨ at, Wirtschaftlichkeit, Integrierbarkeit und Benutzerfreundlichkeit k¨ onnen mit der Kombination aus PC und Sound -Karte gleichermaßen erf¨ ullt werden. Die Kommunikation des PCs mit der Sound -Karte kann mit dem JACK Audio Connection Kit (JACK) realisiert werden, da es eine Vielzahl notwendiger Aufgaben auto- matisch erledigt. Das JACK erm¨ oglicht als erweiterba- re Software die Bearbeitung detaillierter Fragestellungen aus unserem Forschungsbereich. Forschungsthema Untersucht wird die Nutzbarkeit des magnetoelastischen Effekts bzw. der Magnetostriktion zur aktiven Schall- und Schwingungsminderung. Beim magnetoelastischen Effekt zeigen ferromagnetische Materialien durch Ein- wirkung einer mechanischen Spannung σ eine ¨ Anderung der magnetischen Flussdichte B, wobei σ B gilt. Der umgekehrte Effekt - eine ¨ Anderung der magneti- schen Flussdichte f¨ uhrt zu einer ¨ Anderung der mecha- nischen Spannung im ferromagnetischen Material - ist als Magnetostriktion bekannt. Anders als bei Sensoren bzw. Aktuatoren, die den magnetoelastischen Effekt bzw. die Magnetostriktion im Kernbereich des Sensors bzw. Aktuators anwenden, nutzen die von uns entwickelten Magneto-Adaptronic Transducer s (MATs) die magneti- schen Eigenschaften des schwingungsbelasteten Objekts selbst aus. Die sich aus diesem Konzept ergebenden Sen- soren bzw. Aktuatoren zeichnen sich durch eine einfache Bauweise aus (siehe Abb. 1) und sind dadurch an das Testobjekt besser anpassbar. MATs tangieren stark den Bereich der Adaptronik. Der Einsatzbereich von MATs zur Active Noise Con- trol (ANC) kann dabei auf Bereiche ausgeweitet werden, die mit klassischen Sensor-Aktuator-Konzepten, bspw. piezobasierten, gar nicht oder nur schwer zug¨ anglich sind, wie rotierende schwingungsbehaftete Objekte. Aus diesem Grunde erfasst unsere Arbeitsgruppe die Effizi- Abbildung 1: MATs in verschiedene Formen und Gr¨ oßen, Material Vacoperm enz derartiger Sensoren im praktischen Einsatz. Hierbei konnten zwei Vorgehensweisen formuliert werden: Einer- seits m¨ ussen vorhandene Regelalgorithmen an die neuen Bedingungen angepasst werden, anderseits erfordert die Bearbeitung großer Parameterfelder eine automatisierte Messung. JACK Audio Connection Kit Der Name JACK ist ein rekursives Akronym. Es stammt aus dem Audio- und Musikbereich im Linux-Umfeld und arbeitet mit der Advanced Linux Sound Architecture (ALSA) zusammen. G¨ angige Distributionen enthalten das JACK gut vorkonfiguriert und den graphischen Kon- figurationshelfer QjackCtl, so dass eine sofortige Nut- zung erfolgen kann. Das JACK ist konsequent auf gerin- ge Latenz und Echtzeit ausgelegt. Das gut dokumentierte Application Programming Interface (API) erm¨ oglicht das ugige Erstellen eigener JACK-Clients. Neben den realen Hardware -Ports onnen virtuelle Ports beliebig erzeugt werden, die als Ein- und Ausg¨ ange f¨ ur das zu erzeugende Modul zur Verf¨ ugung stehen [2]. Um das JACK-Projekt sind etwa 170 offizielle Appli- kationen entstanden, die teilweise starken Bezug zum FuE-Bereich aufweisen. Andere Arbeitsgruppen verwen- den das JACK ebenfalls zum Signal Processing und art- verwandter Themenbereiche [3, 4, 5]. Unsere Nutzung des JACKs ist stark an die konkrete Sachlage angepasst, und er¨ offnet einen Einblick in dessen Leistungsf¨ ahigkeit. Testobjekte, Algorithmen und Simulation Der experimentelle Aufbau erm¨ oglicht den Austausch des ferromagnetischen Testobjekts gegen einen akustischen Kanal, um schnell auf etwaige Fragestellungen reagieren zu k¨ onnen. Der akustische Kanal ist als gut dokumen- tiertes Untersuchungsobjekt perfekt dazu geeignet, ver- gleichende Messungen zur Effizienz der Regelalgorithmen durchzuf¨ uhren, was durch ein einfaches Umstecken der DAGA 2010 - Berlin 751

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ANC-System mit dem JACK Audio Connection Kit

Ralf Kiran Schulz, Markus Glugla, Lukas Lindemann-SperfeldTechnische Universitat Berlin, Institut fur Berufliche Bildung und Arbeitslehre, Email: [email protected]

Einleitung

Ein Mess-, Steuer- und Regelsystem (MSR-System) imForschungs- und Entwicklungsbereich (FuE-Bereich) be-dingt die konzeptionelle Ausrichtung der Forschung.Die rasante Entwicklung der Computer -Technik hinzu schnellen und leistungsfahigen Personal Computers(PCs) und hochwertiger PC-Peripherie verstarkt dieUberlegung, Consumer -Technik auch im FuE-Bereicheinzusetzen. Professionelle Sound -Karten beinhalten lei-stungsstarke Analog Digital Converter (ADC) bzw. Digi-tal Analog Converter (DAC), die kombiniert mit moder-nen PCs hervorragend im Bereich der Akustik einsetzbarsind.

Allgemeine Anforderungen an ein MSR-System, wie Sta-bilitat, Flexibilitat, Wirtschaftlichkeit, Integrierbarkeitund Benutzerfreundlichkeit konnen mit der Kombinationaus PC und Sound -Karte gleichermaßen erfullt werden.Die Kommunikation des PCs mit der Sound -Karte kannmit dem JACK Audio Connection Kit (JACK) realisiertwerden, da es eine Vielzahl notwendiger Aufgaben auto-matisch erledigt. Das JACK ermoglicht als erweiterba-re Software die Bearbeitung detaillierter Fragestellungenaus unserem Forschungsbereich.

Forschungsthema

Untersucht wird die Nutzbarkeit des magnetoelastischenEffekts bzw. der Magnetostriktion zur aktiven Schall-und Schwingungsminderung. Beim magnetoelastischenEffekt zeigen ferromagnetische Materialien durch Ein-wirkung einer mechanischen Spannung σ eine Anderungder magnetischen Flussdichte B, wobei σ ∝ B gilt.Der umgekehrte Effekt - eine Anderung der magneti-schen Flussdichte fuhrt zu einer Anderung der mecha-nischen Spannung im ferromagnetischen Material - istals Magnetostriktion bekannt. Anders als bei Sensorenbzw. Aktuatoren, die den magnetoelastischen Effekt bzw.die Magnetostriktion im Kernbereich des Sensors bzw.Aktuators anwenden, nutzen die von uns entwickeltenMagneto-Adaptronic Transducers (MATs) die magneti-schen Eigenschaften des schwingungsbelasteten Objektsselbst aus. Die sich aus diesem Konzept ergebenden Sen-soren bzw. Aktuatoren zeichnen sich durch eine einfacheBauweise aus (siehe Abb. 1) und sind dadurch an dasTestobjekt besser anpassbar. MATs tangieren stark denBereich der Adaptronik.

Der Einsatzbereich von MATs zur Active Noise Con-trol (ANC) kann dabei auf Bereiche ausgeweitet werden,die mit klassischen Sensor-Aktuator-Konzepten, bspw.piezobasierten, gar nicht oder nur schwer zuganglichsind, wie rotierende schwingungsbehaftete Objekte. Ausdiesem Grunde erfasst unsere Arbeitsgruppe die Effizi-

Abbildung 1: MATs in verschiedene Formen und Großen,Material Vacoperm

enz derartiger Sensoren im praktischen Einsatz. Hierbeikonnten zwei Vorgehensweisen formuliert werden: Einer-seits mussen vorhandene Regelalgorithmen an die neuenBedingungen angepasst werden, anderseits erfordert dieBearbeitung großer Parameterfelder eine automatisierteMessung.

JACK Audio Connection Kit

Der Name JACK ist ein rekursives Akronym. Es stammtaus dem Audio- und Musikbereich im Linux-Umfeld undarbeitet mit der Advanced Linux Sound Architecture(ALSA) zusammen. Gangige Distributionen enthaltendas JACK gut vorkonfiguriert und den graphischen Kon-figurationshelfer QjackCtl, so dass eine sofortige Nut-zung erfolgen kann. Das JACK ist konsequent auf gerin-ge Latenz und Echtzeit ausgelegt. Das gut dokumentierteApplication Programming Interface (API) ermoglicht daszugige Erstellen eigener JACK-Clients. Neben den realenHardware-Ports konnen virtuelle Ports beliebig erzeugtwerden, die als Ein- und Ausgange fur das zu erzeugendeModul zur Verfugung stehen [2].

Um das JACK-Projekt sind etwa 170 offizielle Appli-kationen entstanden, die teilweise starken Bezug zumFuE-Bereich aufweisen. Andere Arbeitsgruppen verwen-den das JACK ebenfalls zum Signal Processing und art-verwandter Themenbereiche [3, 4, 5]. Unsere Nutzung desJACKs ist stark an die konkrete Sachlage angepasst, underoffnet einen Einblick in dessen Leistungsfahigkeit.

Testobjekte, Algorithmen und Simulation

Der experimentelle Aufbau ermoglicht den Austausch desferromagnetischen Testobjekts gegen einen akustischenKanal, um schnell auf etwaige Fragestellungen reagierenzu konnen. Der akustische Kanal ist als gut dokumen-tiertes Untersuchungsobjekt perfekt dazu geeignet, ver-gleichende Messungen zur Effizienz der Regelalgorithmendurchzufuhren, was durch ein einfaches Umstecken der

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Verkabelung erreichbar ist [6].

Anderseits kann das Verhalten des Testobjekts durch denzugigen Austausch des Regelalgorithmus verglichen wer-den. Dies wird durch das JACK wesentlich erleichtert:Vorab individuell angepasste einkompilierte Algorithmenkonnen nach Belieben per Tastendruck aktiviert werden.

Selbst das reale Testobjekt kann wie jegliche Peripherie,bspw. die Larmquelle, durch JACK-Clients nachgebildetwerden. Daraus ergibt sich eine Simulationsumgebung,die sich mit wenigen Handgriffen an der Realitat veri-fizieren lasst. Weiterhin konnen mehrere JACK-Serverauf separaten PCs auf virtuelle Ressourcen in Form vonJACK-Clients zugreifen und so weitere Konfigurationenbearbeiten und neue Algorithmen erproben.

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Abbildung 2: Konzeption der Messautomatisierung

Wesentliche Bereiche der Messungen mussen automati-siert sein, um den maximal moglichen Rahmen der Mes-szeit auszuschopfen. Der JACK-Client wurde uber Libra-ries netzwerkfahig ausgestaltet, sodass dieser mit einemMessserver, der alle Messeinstellungen veranlasst, kom-muniziert. Der Messserver steuert Start und Ende einerTeilmessung, nimmt Messwerte entgegen und speichertdiese ab (siehe Abb. 2). Manuell mussen lediglich dieMesskonfiguration - konkret mittels Extensible MarkupLanguage (XML), da diese extern validierbar ist - und dieMessauswertung vorgenommen werden. Auf diese Weiseließen sich mehrere hintereinander folgende Messsequen-zen von mehreren Tagen mit jeweils mehreren tausendTeilmessungen durchfuhren. Kennzeichnend ist dabei die

hohe Reproduzierbarkeit der Messungen, deren Ursacheauch in der Stabilitat des JACKs begrundet liegt.

Ausblick

Die modulare Erweiterbarkeit des JACKs ist eine seinerStarken auch im Hinblick auf ein ANC-System. Sehr in-teressant sind die Programme Netjack und BruteFIR.

Netjack transportiert synchronisierte akustische Signaleuber ein Netzwerk in Echtzeit (via User Datagram Proto-col (UDP)). Mehrere JACK-Clients oder Sound -Karten,die in beliebig großen Netzwerken verteilt sind, lassensich auf einen JACK-Server zusammenfuhren. Netjackist hervorragend in JACK integriert, sodass dadurch dieMoglichkeit geboten wird, vernetzte ANC-Systeme miteinem Master -PC in Echtzeit zu synchronisieren und an-zusteuern.

Ebenfalls in Echtzeit wendet BruteFIR lange Finite Im-pulse Response Filter (FIR-Filter) auf digitale Audiosi-gnale an. Der benutzte Algorithmus des FIR-Filters istfur das Arbeiten im Frequenzraum bestimmt und dortoptimiert. Typischerweise konnen 10 Kanale mit je biszu 60000 Filterstellen bearbeitet werden. BruteFIR be-nutzt dabei die quelloffene, frei verfugbare und perfor-mante FFTW Library. In Kombination mit JACK eig-net sich BruteFIR zur Generierung komplexer adaptiverFilter [1].

Literatur

[1] JACK Audio Connection Kit, Applications usingJACK. : JACK Audio Connection Kit, Ap-plications using JACK, http://jackaudio.org/applications

[2] JACK Audio Connection Kit, JACK Documentation.: JACK Audio Connection Kit, JACK Documentati-on, http://jackaudio.org/documentation

[3] Beck, S. D. ; Willkie, B. ; Patrick, J. : ICAST:Trials and Tribulations of Deploying Large ScaleComputer-Controlled Speaker Arrays. In: 2007 Inter-national Computer Music Conference. Copenhagen,Denmark, 2007

[4] Geier, M. ; Ahrens, J. ; Mohl, A. ; Spors, S. ;Loh, J. ; Bredies, K. : The Soundscape renderer: aversatile software framework for spatial audio repro-duction. In: Proceedings of 1st DEGA Symposium onWave Field Synthesis. Ilmenau, Germany, 2007

[5] Gerhardt, A. ; Schieberle, C. ; Wiselka, M. :Verfahren zur Gerauschpegelanalyse zur Situationser-kennung / Institut fur Parallele und Verteilte Syste-me, Abteilung Bildverstehen, Universitat Stuttgart.2008. – Forschungsbericht

[6] Glugla, M. ; Schulz, R. K.: Active Vibration Con-trol Using Delay Compensated LMS Algorithm byModified Gradients. In: Journal of Low FrequencyNoise, Vibration and Active Control 27 (2008), Nr.1, S. 65–74

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