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Analytik Anfangsschwierigkeiten oder Dauerzustand? Roman Klinkner, Britta Holzmann Seit Januar 2010 gibt es in Deutschland als Akkreditierungsagentur für Laboratorien nur noch die Deutsche Akkreditierungsstelle (Dakks). Zu Beginn dieses Jahres hat das Beratungsunternehmen Klinkner & Partner Laboratorien gefragt, wie zufrieden sie mit der Arbeit der neuen Behörde sind. „Teurer, umständlicher, langwie- riger, unpersönlicher.“ So lautet das Fazit eines Umfrageteilnehmers nach einem Jahr Betreuung durch die neue Behörde Deutsche Akkredi- tierungsstelle (Dakks). Zu ähnlichen Urteilen kommen 230 weitere Be- fragte, die im Januar 33 Fragen zum Thema Akkreditierung beantwortet haben. In der Umfrage des Schu- lungs- und Beratungsunternehmens Klinkner & Partner ging es speziell um die Veränderungen, welche die Dakks für akkreditierte Laboratorien mit sich brachte. Die Teilnehmer Die Teilnehmer der Umfrage wa- ren in leitenden Positionen oder im Qualitätsmanagement bei zumeist mittelgroßen Prüf- und Kalibrier- laboratorien mit 10 bis 50 Mitarbei- tern tätig. Die Mehrzahl der Labora- torien steht unter privater, etwa ein Drittel unter öffentlicher Träger- schaft. Am stärksten vertreten waren die Branchen Umwelt, Medizin, Chemie, Lebens- und Futtermittel sowie Mikrobiologie. Die überwie- gende Mehrheit der Umfrageteilneh- mer arbeitet in Prüflaboratorien, die nach DIN EN ISO/IEC 17025 akkre- ditiert sind. Fast 94 Prozent der Be- fragten haben den Wechsel der Ak- kreditierungsstelle miterlebt, bei knapp 40 Prozent liegt die Erstak- kreditierung sogar mehr als zehn Jahre zurück – die Umfrageteilneh- mer können also die aktuellen Ent- wicklungen im Akkreditierungspro- zess einschätzen. Die Kritikpunkte: Kosten und Termine Über zu wenig Information zur Übertragung der Akkreditierungen auf die Dakks und über Vorgänge, die sich verkompliziert haben, be- klagen sich die Umfrageteilnehmer, etwa in Aussagen wie „der Bürokra- tismus“ habe zugeschlagen, und die Umstellung der Dokumente erfolge zu langsam. Die Kosten, so stellen die Befragten fest, seien enorm ge- stiegen, und dazu nicht klar voraus- sehbar und nicht kalkulierbar. Termintreue, Transparenz der Zu- ständigkeiten, Transparenz der An- forderungen und Abläufe sowie das Thema Bereitstellung von Informa- tionen bewerten die Umfrageteil- nehmer durchweg stark negativ. Au- ßerdem verlaufe die Zusammen- arbeit der Dakks mit anderen Befug- nis erteilenden Behörden (wie der Zentralstelle der Länder für Gesund- heitsschutz bei Arzneimitteln und Medizinprodukten ZLG) sehr schleppend. Die Preisentwicklung seit Grün- dung der Dakks kritisieren die Teil- nehmer besonders stark. Zwar trau- ten sich nur 62 Umfrageteilnehmer zu, die Preise der Dakks konkret mit früheren Preisen zu vergleichen – das Ergebnis ist trotzdem eindeutig: Die Dakks-Preise sind höher als die der Vorgängerstellen. Ein Drittel der Be- fragten registriert Preissteigerungen von 20 bis 50 Prozent. Nur für 3,2 Prozent ist die Dakks günstiger, während 6,5 Prozent mehr als dop- pelt so viel wie früher zahlen müssen. Bei kleineren Labors (1 bis 24 Mitarbeiter) ist ein höherer Anteil mit mehr als 50 Prozent Teuerung belastet (47,1 Prozent) als dies bei größeren Labors (29 Prozent) der Fall ist. Die kleinen Labors sind also durch die Kostenordnung der Dakks im Durchschnitt stärker benachtei- ligt. Von Preissteigerungen über 100 Prozent ist in der Umfrage nur die Gruppe der großen Labors be- troffen. Die Bearbeitungsgeschwindigkeit der Dakks empfinden fast 80 Pro- zent der Befragten schlechter als die der Vorgängerinstitutionen. Nur 3,1 Prozent sehen in diesem Punkt eine Verbesserung. Dabei gibt es kei- ne Unterschiede zwischen den ver- schiedenen Abteilungen der Dakks. Der Pluspunkt: Qualität Die negativen Bewertungen der Umfrageteilnehmer beziehen sich al- lerdings nicht auf alle Bereiche des Nachrichten aus der Chemie | 59 | Mai 2011 | www.gdch.de/nachrichten 550

Anfangsschwierigkeiten oder Dauerzustand?

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Page 1: Anfangsschwierigkeiten oder Dauerzustand?

�Analytik�

Anfangsschwierigkeiten oder Dauerzustand?

Roman Klinkner, Britta Holzmann

Seit Januar 2010 gibt es in Deutschland als Akkreditierungsagentur für Laboratorien nur noch die

Deutsche Akkreditierungsstelle (Dakks). Zu Beginn dieses Jahres hat das Beratungsunternehmen

Klinkner & Partner Laboratorien gefragt, wie zufrieden sie mit der Arbeit der neuen Behörde sind.

� „Teurer, umständlicher, langwie-riger, unpersönlicher.“ So lautet das Fazit eines Umfrageteilnehmers nach einem Jahr Betreuung durch die neue Behörde Deutsche Akkredi-tierungsstelle (Dakks). Zu ähnlichen Urteilen kommen 230 weitere Be-fragte, die im Januar 33 Fragen zum Thema Akkreditierung beantwortet haben. In der Umfrage des Schu-lungs- und Beratungsunternehmens Klinkner & Partner ging es speziell um die Veränderungen, welche die Dakks für akkreditierte Laboratorien mit sich brachte.

Die Teilnehmer

� Die Teilnehmer der Umfrage wa-ren in leitenden Positionen oder im Qualitätsmanagement bei zumeist mittelgroßen Prüf- und Kalibrier-laboratorien mit 10 bis 50 Mitarbei-tern tätig. Die Mehrzahl der Labora-torien steht unter privater, etwa ein Drittel unter öffentlicher Träger-schaft. Am stärksten vertreten waren die Branchen Umwelt, Medizin, Chemie, Lebens- und Futtermittel sowie Mikrobiologie. Die überwie-gende Mehrheit der Umfrageteilneh-mer arbeitet in Prüflaboratorien, die nach DIN EN ISO/IEC 17025 akkre-ditiert sind. Fast 94 Prozent der Be-fragten haben den Wechsel der Ak-kreditierungsstelle miterlebt, bei knapp 40 Prozent liegt die Erstak-

kreditierung sogar mehr als zehn Jahre zurück – die Umfrageteilneh-mer können also die aktuellen Ent-wicklungen im Akkreditierungspro-zess einschätzen.

Die Kritikpunkte: Kosten und Termine

� Über zu wenig Information zur Übertragung der Akkreditierungen auf die Dakks und über Vorgänge, die sich verkompliziert haben, be-klagen sich die Umfrageteilnehmer, etwa in Aussagen wie „der Bürokra-tismus“ habe zugeschlagen, und die Umstellung der Dokumente erfolge zu langsam. Die Kosten, so stellen die Befragten fest, seien enorm ge-stiegen, und dazu nicht klar voraus-sehbar und nicht kalkulierbar.

Termintreue, Transparenz der Zu-ständigkeiten, Transparenz der An-forderungen und Abläufe sowie das Thema Bereitstellung von Informa-tionen bewerten die Umfrageteil-nehmer durchweg stark negativ. Au-ßerdem verlaufe die Zusammen-arbeit der Dakks mit anderen Befug-nis erteilenden Behörden (wie der Zentralstelle der Länder für Gesund-heitsschutz bei Arzneimitteln und Medizinprodukten ZLG) sehr schleppend.

Die Preisentwicklung seit Grün-dung der Dakks kritisieren die Teil-nehmer besonders stark. Zwar trau-

ten sich nur 62 Umfrageteilnehmer zu, die Preise der Dakks konkret mit früheren Preisen zu vergleichen – das Ergebnis ist trotzdem eindeutig: Die Dakks-Preise sind höher als die der Vorgängerstellen. Ein Drittel der Be-fragten registriert Preissteigerungen von 20 bis 50 Prozent. Nur für 3,2 Prozent ist die Dakks günstiger, während 6,5 Prozent mehr als dop-pelt so viel wie früher zahlen müssen.

Bei kleineren Labors (1 bis 24 Mitarbeiter) ist ein höherer Anteil mit mehr als 50 Prozent Teuerung belastet (47,1 Prozent) als dies bei größeren Labors (29 Prozent) der Fall ist. Die kleinen Labors sind also durch die Kostenordnung der Dakks im Durchschnitt stärker benachtei-ligt. Von Preissteigerungen über 100 Prozent ist in der Umfrage nur die Gruppe der großen Labors be-troffen.

Die Bearbeitungsgeschwindigkeit der Dakks empfinden fast 80 Pro-zent der Befragten schlechter als die der Vorgängerinstitutionen. Nur 3,1 Prozent sehen in diesem Punkt eine Verbesserung. Dabei gibt es kei-ne Unterschiede zwischen den ver-schiedenen Abteilungen der Dakks.

Der Pluspunkt: Qualität

� Die negativen Bewertungen der Umfrageteilnehmer beziehen sich al-lerdings nicht auf alle Bereiche des

Nachrichten aus der Chemie | 59 | Mai 2011 | www.gdch.de/nachrichten

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Akkreditierungsprozesses. Die Dakks mag teurer, langsamer und undurch-sichtiger arbeiten als viele ihrer Vor-gängerstellen. Die Kompetenz ihrer Gutachter und die Freundlichkeit ih-rer Mitarbeiter bewerten über 80 Pro-zent der Teilnehmer positiv.

Etwas mehr als ein Drittel der Be-fragten empfand die Begutachtung durch den Fachgutachter oder den Systemgutachter als „sehr gut“, knapp die Hälfte jeweils als „gut“. Auch die Begründungen von Audit-abweichungen durch die Gutachter wurden demnach fast durchweg po-sitiv bewertet. Doch auch hierin gab es Kritik: In den Kommentarfeldern der Online-Umfrage schrieb ein Be-fragungsteilnehmer, dass es keine geeigneten Fachbegutachter mehr gebe, und gleich darauf wird die „sehr hohe Kompetenz des neuen Systembegutachters“ gelobt.

Die widersprüchlichen Positio-nen zeigen auch, dass die Bewertung im Einzelnen von speziellen Situa-tionen abhängig ist. Was in einem Fall schief ging, verlief in einem an-deren reibungslos.

Neben den Gutachtern gibt es noch weitere Bereiche, welche die Mehrzahl der Befragten als positiv oder zumindest als gleich geblieben beurteilt. So erkennen die Umfrage-teilnehmer Freundlichkeit, Zuver-lässigkeit und Kompetenz bei der Dakks in gleichem Maße wie bei den früheren Akkreditierungsstellen.

Die Zukunft des Akkreditierungsprozesses

� Unabhängig davon, wie zufrie-den oder unzufrieden die Umfrage-teilnehmer waren, die Frage nach ihren zukünftigen Akkreditierungs-plänen zeigt: Fast 90 Prozent halten es für unwahrscheinlich, dass sie die Akkreditierung auslaufen las-sen. Der Trend geht eher in die Richtung, die Akkreditierung noch zu erweitern. Marktbedingungen, Konkurrenzdruck und gesetzliche Bestimmungen machen einen Aus-stieg aus dem Akkreditierungspro-zess für die Befragten so gut wie un-möglich – eine Alternative gibt es offenbar nicht.

Ein Umfrageteilnehmer resü-miert: „Das erste Jahr mit der Dakks war sehr schleppend, Informationen fehlten, Dokumente wurden spät ins Netz gestellt, die Kosten sind nicht kalkulierbar, die Struktur ist extrem aufgebläht, während die Kunden-betreuer offensichtlich nicht mehr geworden sind.“ Ein Umfrageteil-nehmer erkennt allerdings bereits Verbesserungen: „Es hat sich – Gott sei Dank – vieles eingespielt bzw. be-reits verbessert.“

Kernaussagen im Spannungsfeld Qualität, Termine, Kosten

� Die Hauptaussagen der Umfra-geergebnisse lassen sich wie folgt zu-sammenfassen: • Seit Bestehen der Dakks ist das

Akkreditierungsverfahren teurer geworden, der Prozess nimmt mehr Zeit in Anspruch und ist undurchsichtiger geworden.

• Die Dakks-Mitarbeiter und -Gut-achter gelten als freundlich und kompetent.

• Bei der Dakks scheint die Wah-rung der Qualität zu Lasten der Termintreue und der Preise zu ge-hen. Der enorme Zeitdruck beim Auf-

bau der Dakks hat im ersten Jahr zu absehbaren Problemen geführt, die teilweise auf dem Rücken der akkre-ditierten Stellen ausgetragen wur-den. Es wird in der Studie deutlich, dass die strukturellen Veränderun-gen durch die Gründung der Dakks

viele Laboratorien verunsichert oder verärgert hat. Sie fordern einheitli-che Standards der Dakks, die diese intern und extern kommunizieren und flächendeckend umsetzen muss. Die Entwicklung der Dakks hin zu einem kundenorientierten Dienstleister ist zwar gewünscht, aber bisher nicht eingetreten. Ob es sich bei diesen Problemen lediglich um Anfangsschwierigkeiten handel-te, oder ob hier langfristig Probleme geschaffen wurden, soll eine erneute Umfrage im nächsten Jahr feststel-len.

Die ausführliche Studie zu den Umfrageergebnissen inklusive einer Stellungnahme der Dakks steht in Kürze unter der Rubrik „LabWatch“ auf www.klinkner.de zum Herunter-laden. Ab Juni veranstaltet Klinkner & Partner Infotage auf Grundlage der Dakks-Umfrage, um eine Platt-form zum Erfahrungsaustausch zwi-schen akkreditierten Laboratorien und der Dakks mit neutraler Mode-ration zu schaffen.

Roman Klinkner ist promovierter Chemiker

und seit 1994 geschäftsführender Gesell-

schafter von Klinkner & Partner, Saarbrücken.

Er hat die Umfrage fachlich betreut. Sein Un-

ternehmen hat in den letzten zehn Jahren

über 50 Kunden bei Akkreditierungsprojekten

begleitet und veranstaltet jährlich zwischen

vier und sechs Weiterbildungsveranstaltun-

gen zum Thema Akkreditierung.

Britta Holzmann arbeitet seit dem Jahr 2006

bei Klinkner & Partner im Veranstaltungs-

management und Marketingbereich. Sie war

für die organisatorische Umsetzung der Um-

frage verantwortlich. [email protected]

� Erfahrungen aus der GDCh mit der neuen Akkreditierungsbehörde Dakks

arbeitung der Kostenverordnung ...

anregen.

Zum anderen ist die Gruppenein-

teilung vorrangig auf größere La-

boratorien ausgerichtet. Dadurch

findet sich die Mehrzahl der klei-

nen freien Laboratorien mit nur

wenigen Mitarbeitern den mittel-

ständischen Unternehmen zuge-

ordnet. Wir halten es für dringend

erforderlich, die Gruppeneintei-

lung nochmals zu prüfen.“

In einem Schreiben an das Bun-

deswirtschaftsministerium zum

Thema Dakks im Dezember 2010

wies die GDCh auf zwei Punkte be-

sonders hin:

„Zum einen sind die breiten Span-

nen für die Akkreditierungskosten

intransparent und vermitteln den

Betroffenen keine Informationen

über die Kosten, die tatsächlich

auf das Laboratorium zukommen.

Wir möchten daher eine Über-

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