22
Anfechtung und Vertretungsmacht

Anfechtung und Vertretungsmacht. Problem: Was soll angefochten werden? Vollmachterteilung oder Ausführungsgeschäft? Und wegen was? Irrtum/Täuschung/Drohung

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Anfechtung und Vertretungsmacht. Problem: Was soll angefochten werden? Vollmachterteilung oder Ausführungsgeschäft? Und wegen was? Irrtum/Täuschung/Drohung

Anfechtung und Vertretungsmacht

Page 2: Anfechtung und Vertretungsmacht. Problem: Was soll angefochten werden? Vollmachterteilung oder Ausführungsgeschäft? Und wegen was? Irrtum/Täuschung/Drohung

Problem:

• Was soll angefochten werden?

• Vollmachterteilung oder Ausführungsgeschäft?

• Und wegen was?

• Irrtum/Täuschung/Drohung beim Geschäftshernn oder beim Vertretenen?

Page 3: Anfechtung und Vertretungsmacht. Problem: Was soll angefochten werden? Vollmachterteilung oder Ausführungsgeschäft? Und wegen was? Irrtum/Täuschung/Drohung

Anfechtung des Ausführungsgeschäfts

• Das Ausführungsgeschäft entspricht nicht den Erwartungen des G

• Vertreter hat zB die falsche Sache gekauft • Weil er (der Vertreter) sich geirrt hat• zB Versprechen, Verschreiben oder

Eigenschaftsirrtum • Hat er damit VM überschritten, ohnehin keine

Bindung des G • Ansonsten klare Lösung in § 166 I: • Irrtum des Vertreters ist relevant • Gilt auch für die arglistige Täuschung

Page 4: Anfechtung und Vertretungsmacht. Problem: Was soll angefochten werden? Vollmachterteilung oder Ausführungsgeschäft? Und wegen was? Irrtum/Täuschung/Drohung

Willensmängel des Geschäftsherrn

• Willensmängel können auch bei G auftreten

• Insbes. wenn dieser den Vertreter anweist• Irrtümer wirken so in die Vollmacht hinein• Führen zum fehlerhaften

Ausführungsgeschäft• Oder Irrtum über die Geeignetheit/

Zuverlässigkeit des Vertreters • Lösung?

Page 5: Anfechtung und Vertretungsmacht. Problem: Was soll angefochten werden? Vollmachterteilung oder Ausführungsgeschäft? Und wegen was? Irrtum/Täuschung/Drohung

Zwei Ansätze:

• § 166 II oder Anfechtung der Vollmacht?• Anfechtung der Vollmacht unproblematisch, wenn noch

nicht betätigt• Kein praktischer Unterschied zum Widerruf • Problematisch bei betätigter Vollmacht:• V wird nachträglich zum Vertreter ohne VM • Allerdings gutgläubig, also Abs.2, nicht Abs. 1• Neg. Interesse an D• Hat seinerseits Regress aus § 122 gegen G • Trägt aber insoweit das Risiko der Vermögenslosigkeit • Selbst Direktanspruch D gegen G aus § 122 würde

daran nichts ändern

Page 6: Anfechtung und Vertretungsmacht. Problem: Was soll angefochten werden? Vollmachterteilung oder Ausführungsgeschäft? Und wegen was? Irrtum/Täuschung/Drohung

Alternative Lösung daher:

• Anfechtung der betätigten Vollmacht ausgeschlossen• Statt dessen § 166 II analog • Auch ohne bestimmte Weisung Anfechtung des

Ausführungsgeschäfts• Wenn G bei Selbstausführung anfechtungsberechtigt

wäre • Vorteil: V wird aus der Rückabwicklung herausgehalten • Erfolgt allein im Verhältnis G – D • Problemfall: Anfechtung der Vollmacht wegen Irrtum

über Eigenschaften des Vertreters

Page 7: Anfechtung und Vertretungsmacht. Problem: Was soll angefochten werden? Vollmachterteilung oder Ausführungsgeschäft? Und wegen was? Irrtum/Täuschung/Drohung

Abwicklung der Anfechtung:

• § 166 I und II betreffen nur den Anfechtungsgrund

• Sonstige Voraussetzungen müssen vorliegen

• Fristwahrung, Anfechtungserklärung

• Vertreter ist nicht anfechtungsberechtigt

• Bei Anfechtung des Ausführungsgeschäfts Erklärung ggü. D erforderlich

Page 8: Anfechtung und Vertretungsmacht. Problem: Was soll angefochten werden? Vollmachterteilung oder Ausführungsgeschäft? Und wegen was? Irrtum/Täuschung/Drohung

Begrenzung der Vertretungsmacht

• Trotz bestehender Vertretungsmacht keine Bindung des Vertretenen

• Bei Missbrauch der Vertretungsmacht • Betrifft vor allem Fälle, bei denen Können und Dürfen

des Vertreters auseinander fallen • zB Prokura, §§ 49 ff. HGB• Prokurist hat VM zu allen Geschäften • Außer Grundstücksgeschäften und Veräußerung des

Unternehmens im Ganzen • Intern kann Prokura aber beschränkt werden • zB nur Einkaufsgeschäfte • Was, wenn Prokurist die Beschränkung nicht einhält?

Page 9: Anfechtung und Vertretungsmacht. Problem: Was soll angefochten werden? Vollmachterteilung oder Ausführungsgeschäft? Und wegen was? Irrtum/Täuschung/Drohung

Missbrauch der Vertretungsmacht

• Grundsätzlich Bindung im Außenverhältnis, § 50 HGB

• Im Innenverhältnis aber Pflichtverletzung, § 280 BGB mit RF Schadensersatz

• Außerdem Widerruf der Prokura für die Zukunft möglich

• Wie aber, wenn D - Die Beschränkung im Innenverhältnis kennt? - Möglichweise sogar bewusst mit V zum Nachteil

des G zusammenwirkt?

Page 10: Anfechtung und Vertretungsmacht. Problem: Was soll angefochten werden? Vollmachterteilung oder Ausführungsgeschäft? Und wegen was? Irrtum/Täuschung/Drohung

Missbrauch der Vertretungsmacht

• Bei Vorsatz und planmäßigem Zusammenwirken liegt § 826 BGB vor

• Ebenso wenig schutzwürdig ist D bei Kenntnis der Beschränkung • Vollmacht im Außenverhältnis dient dem Verkehrsschutz • Wer weiß, dass gegen die Weisungen des G verstoßen wird, ist

nicht schutzwürdig• Auch hier wieder Problem: Genügt auch Fahrlässigkeit? • Etwa, wenn V Schecks veruntreut, und die Inkassobank das leicht

hätte erkennen können? • BGH: Ja, aber Schaden wird geteilt (§ 254) • Das ist unsystematisch: Es geht um Bestehen der VM, nicht um SE • Besser daher: Höhere Anforderungen (grobe Fahrlässigkeit), dann

aber keine Teilung.

Page 11: Anfechtung und Vertretungsmacht. Problem: Was soll angefochten werden? Vollmachterteilung oder Ausführungsgeschäft? Und wegen was? Irrtum/Täuschung/Drohung

Selbstkontrahieren und Mehrvertretung, § 181

• Beschränkung der VM zum Schutz des G:

• § 181

• Regelt zwei Fälle:

• Selbstkontrahieren: – Geschäft im Namen des Vertretenen mit dem

Vertreter als dritte Partei – Beispiel: Prokurist der G-GmbH bewilligt sich

selbst Gehaltserhöhung

Page 12: Anfechtung und Vertretungsmacht. Problem: Was soll angefochten werden? Vollmachterteilung oder Ausführungsgeschäft? Und wegen was? Irrtum/Täuschung/Drohung

§ 181

• 2. Fall: Mehrvertretung • V ist Vertreter zweier Parteien, G1 und G2• An sich kein Problem

– Bank in der Hauptversammlung der AG, Eltern mit mehreren Kindern

• Problem erst dann, wenn V die beiden G als Vertragspartner zusammenbringt:

• Makler hat Verkaufs- Vollmacht von G1, Kauf-Vollmacht von G2.

• Er schließt Kaufvertrag im Namen von G1 und G2– Diesem Vertrag fehlt die Richtigkeitsgewähr– Kein Aushandeln möglich– V ist beiden Parteien gleich verpflichtet, wie soll er für

angemessenen Preis sorgen?

Page 13: Anfechtung und Vertretungsmacht. Problem: Was soll angefochten werden? Vollmachterteilung oder Ausführungsgeschäft? Und wegen was? Irrtum/Täuschung/Drohung

§ 181:

• Daher: • Begrenzung einer an sich bestehenden VM • Prokurist kann sich keine Gehaltserhöhung bewilligen • Aber Genehmigung möglich (§ 177) • Und auch insgesamt Befreiung von der Norm

– Wortlaut „sofern ihm nicht.. ein anderes gestattet ist“…– Vertretener kann auf den Schutz verzichten – Häufig bei GF von Unternehmen, die in mehrere Gesellschaften

segmentiert sind• Befreiung ist hier nötig zum Leistungsaustausch zwischen den

Schwestergesellschaften

• 2. Ausnahme: Reines Erfüllungsgeschäft– Verbindlichkeit besteht schon, daher keine größere Gefahr für

den Vertretenen

Page 14: Anfechtung und Vertretungsmacht. Problem: Was soll angefochten werden? Vollmachterteilung oder Ausführungsgeschäft? Und wegen was? Irrtum/Täuschung/Drohung

Überschießender Regelungsbereich

• § 181 ist formales Recht• Begrenzt VM in den beiden Konstellationen, die

genannt sind• Keine allgemeine Regel über

Interessenkollisionen • Das führt zu Unschärfen in beiden Richtungen:

– § 181, obwohl Geschäft für den Vertretenen ungefährlich

– Geschäft von § 181 nicht erfasst, obwohl für den Vertretenen gefährlich

• Analogie/Restriktion?

Page 15: Anfechtung und Vertretungsmacht. Problem: Was soll angefochten werden? Vollmachterteilung oder Ausführungsgeschäft? Und wegen was? Irrtum/Täuschung/Drohung

Beispiel: Schenkung an Kinder

• Eltern wollen mit Kind Schenkungsvertrag (§ 516) schließen

• Wie geht das?

Page 16: Anfechtung und Vertretungsmacht. Problem: Was soll angefochten werden? Vollmachterteilung oder Ausführungsgeschäft? Und wegen was? Irrtum/Täuschung/Drohung

Restriktion des § 181

• § 181 würde das verbieten: • Selbstkontrahieren liegt formell vor• Befreiung nicht möglich:

– Befreiung durch Kind scheitert an § 107– Befreiung durch Eltern wieder an § 181– Ergänzungspfleger nötig!

• Anwendung auch, wenn Interessenkollision klar fehlt? – hM: (-), Lösung entsprechend § 107: – Wenn K lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt, ist das

Insichgeschäft unbedenklich • Insbes. könnte beschränkt GF ja auch selbst handeln

– Grenze also nur dort, wo persönliche Verpflichtung entsteht – zB Schenkung einer ETW, BGHZ 78, 28, 31 ff.

Page 17: Anfechtung und Vertretungsmacht. Problem: Was soll angefochten werden? Vollmachterteilung oder Ausführungsgeschäft? Und wegen was? Irrtum/Täuschung/Drohung

Ausdehnung des § 181

• Interessenkollision ohne Personenidentität • Als allgemeine Regeln nicht anerkannt • Lösung eher mit anderen Mitteln:

– Gesetzesumgehung, Beispiel: • Vertreter schaltet Untervertreter ein, um die Konstellation des

§ 181 zu vermeiden – Missbrauch der Vertretungsmacht, Beispiel:

• Vertreter verpflichtet den Geschäftsherrn zur Bürgschaft für seine Privatschulden

• Hier muss sich dem D aufdrängen, dass Unternehmen normalerweise nicht für die Schulden ihrer Angestellten bürgen

• Missbrauch evident, keine VM des V.

Page 18: Anfechtung und Vertretungsmacht. Problem: Was soll angefochten werden? Vollmachterteilung oder Ausführungsgeschäft? Und wegen was? Irrtum/Täuschung/Drohung

Sonderproblem: Wissenszurechnung

• Viele Normen stellen auf Wissen und Wissen- Müssen ab

• zB § 932, § 442• Problematisch bei juristischen Personen, die

selbst keine „Kenntnis“ haben können. • Das Wissen der Handelnden wird zugerechnet:

– § 166 I und II beim Stellvertreter– § 278 beim Erfüllungsgehilfen– § 31 beim Organ (zB Geschäftsführer)

Page 19: Anfechtung und Vertretungsmacht. Problem: Was soll angefochten werden? Vollmachterteilung oder Ausführungsgeschäft? Und wegen was? Irrtum/Täuschung/Drohung

Wissenszurechnung

• Problem ist das Wissen von Personen, die an dem fraglichen Rechtsgeschäft nicht beteiligt sind

• Beispiel: BGHZ 132, 30– Gemeinde G verkauft an K ein Grundstück– Wird dabei vom Bürgermeister (B1) und einem Beigeordneten

(B2) vertreten – Das Grundstück hat einen Fehler– Das wussten B1 und B2 nicht– Wohl aber der Leiter des Liegenschaftsamtes – Der aber an dem Verkauf

a) Nicht beteiligt und b) Vor Vertragsschluss pensioniert worden war.

Page 20: Anfechtung und Vertretungsmacht. Problem: Was soll angefochten werden? Vollmachterteilung oder Ausführungsgeschäft? Und wegen was? Irrtum/Täuschung/Drohung

Wissenszurechnung

• Nur Einzelnormen? • Wissenszurechnung als Rechtsprinzip?

– Vor allem bei Organen und Wissensvertretern – Also Zurechnung ohne Ausnahme– Auch bei verstorbenen oder ausgeschiedenen

Mitarbeitern– Ohne Unterscheidung dienstlich/privat – Zurechnung sofort (keine Frist zur

Kommunikation)

Page 21: Anfechtung und Vertretungsmacht. Problem: Was soll angefochten werden? Vollmachterteilung oder Ausführungsgeschäft? Und wegen was? Irrtum/Täuschung/Drohung

Wissenszurechnung

• Vermittelnde Lösung des BGH – Pflicht zur Organisation der Kommunikation – Gleichstellung mit natürlicher Person– Wissensspeichersysteme treten an Stelle des

Gedächtnisses – Archivierung/ Weiterleitung durch den

Wissenden– Abfrage durch den Handelnden

Page 22: Anfechtung und Vertretungsmacht. Problem: Was soll angefochten werden? Vollmachterteilung oder Ausführungsgeschäft? Und wegen was? Irrtum/Täuschung/Drohung

Wissenszurechnung

• Nachteile der Lösung: – Sehr einzelfallbezogen – Änderung der Pflichten mit dem Stand der

Kommunikationstechnik – Fahrlässigkeitsmaßstab – Wissen- müssen wird mit Wissen

gleichgesetzt – Zurechnung auch des Wollenselements bei

der Arglist?