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Anika Ruppen - Erdbeerküsse schmecken nicht

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Leseprobe: Anika Ruppen: Erdbeerküsse schmecken nicht, Taschenbuch, 92 Seiten, 10,40 Euro. In Melinas Leben scheint alles perfekt zu sein: Sie ist beliebt, hat tolle Eltern und Bastian, den süssesten Jungen der Schule, an ihrer Seite. Doch eines Tages taucht mitten im Schuljahr der merkwürdige Marcel in ihrer Klasse auf. Bei einer tierischen Aktion kommen sich die beiden näher und verlieben sich langsam, aber sicher ineinander. Doch Melinas Herz schlägt zugleich immer noch für Bastian. Wie soll sie sich entscheiden?

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Satz: Sandy PennerTitelbild: © ninell - Fotolia.comInnenillustration: Adriana Imhof

1. Auflage 2013ISBN: 978-3-86196-210-6

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich ge-schützt.

Copyright (©) 2013 by Papierfresserchens MTM-Verlag Sonnenbichlstraße 39, 88149 Nonnenhorn, Deutschland

www.papierfresserchen.de [email protected]

Anika Ruppen

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Anika Ruppen

Erdbeerküsse schmecken nicht

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Sei nicht traurig, dass es vorbei ist, sondern freue dich,

dass du es erleben durftest!

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Mit samtweichen Handschuhen, wegen der eisigen Kälte geröteten Wangen und die Wollmütze tief in die Stirn gezogen, stand ich schlotternd und mit zitternden Knien vor der Einfahrt unseres großen Gutshauses. Dieses hatten meine Eltern vor ei-nigen Jahren gekauft und großzügig renovieren lassen. Meine Füße steckten in warmen, gefütterten Winterstiefeln, aber trotz-dem hatte ich das Gefühl, mir würden jeden Moment die Zehen abfrieren. In der letzten Nacht hatte pünktlich zur Weihnachts-zeit starker Schneefall eingesetzt. Noch immer fielen Abertau-sende Schneeflocken vom Himmel. Der Nebel lag so tief, dass man die hügelige Winterlandschaft kaum mehr sehen konnte.

Mit einem ungeduldigen Blick auf meine Armbanduhr stellte ich fest, dass sich mein Freund Bastian wieder einmal verspätet hatte, was nicht gerade selten vorkam.

Eine halbe Ewigkeit stand ich bereits da und fror mir die Füße ab, als ich plötzlich stapfende Schritte, die schnell näher kamen, und ein leises Keuchen vernahm. Ich drehte mich nicht um.

„Morgen, Süße“, hörte ich eine sanfte, honigsüße Stimme, die in mein Ohr drang und mein Herz zum Schmelzen brachte. Er legte seine Arme von hinten um meinen Körper und drückte mich an sich. Normalerweise liebte ich es, wenn er das tat. Dann fühlte ich mich geborgen und sicher, doch heute war es irgend-wie nicht dasselbe wie sonst.

Langsam schob er seine Hände unter meine Winterjacke und knabberte zärtlich an meinem Ohr. Ich stieß ihn grob weg, obwohl es mir gleichzeitig leidtat, so mit ihm umzugehen.

„Wo warst du?“ Ich stellte mich aufrecht hin, formte mei-ne grünen Kulleraugen zu schmalen Schlitzen und musterte ihn streng. Stille.

Kapitel 1

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Schließlich raunte er: „Ist nicht so wichtig! Musste bloß was erledigen.“

Ich seufzte laut, verdrehte die Augen. Das gab es doch nicht! Zuerst ließ er mich eine halbe Ewigkeit hier in der Kälte rum-stehen, dann konnte er mir doch wenigstens sagen, wo er sich herumgetrieben hatte! Ich starrte auf den Boden und er tat es mir gleich. In diesem Moment fasste ich einen Entschluss. Ich fragte mich im Nachhinein, warum ich es nicht schon viel früher getan hatte.

Ich trat noch einen Schritt näher an ihn heran, starrte ihm in die Augen, als ob ich durch ihn hindurchzusehen versuchte. Ich fragte mich, ob das vielleicht sogar funktionieren könnte? Allzu viel Gehirnmasse schien er anscheinend nicht zu besitzen. „Jetzt hör mir mal gut zu!“

Erschrocken machte er einen kleinen Schritt nach hinten, mit so einem Ton meinerseits hatte er wohl nicht gerechnet!

„Haben wir uns nicht einmal darauf geeinigt, dass wir kein einziges Geheimnis voreinander verbergen wollen? Du hältst dich so ziemlich nie an unsere Vereinbarungen. Wenn du denkst, so weitermachen zu können, dann habe ich echt keine Lust mehr auf diese Beziehung!“ Ich konnte nicht anders, als meinen Blick von ihm weg zu richten.

Ich drehte meinen Kopf auf eine andere Seite und beobach-tete eine Schar verzweifelter kleiner Rotkehlchen bei der Futter-suche. Ich, mit meinem riesengroßen Herzen für Tiere, sorgte mich um die kleinen hungernden Wesen. Als ob das in diesem Moment eine Rolle spielte. Lange sagte niemand von uns bei-den etwas. Nur das Zwitschern der Vögel und das Rauschen der Schneeflocken waren zu hören. Ich hätte diese Stille genossen, wäre da nicht die dicke Luft zwischen Bastian und mir gewesen. Lange standen wir so nebeneinander. Ich vermutete, weil sich keiner von beiden traute, den nächsten Schritt zu wagen. Dann hob Bastian den Kopf und öffnete den Mund.

„Lass uns darüber schlafen, wir reden morgen weiter.“ Mit diesen Worten drehte er sich um und stapfte beleidigt davon.

Na super! Was für ein Gentleman! Lässt sein Mädchen ein-fach so stehen …

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In dieser Nacht träumte ich etwas äußerst Merkwürdiges. Dass ich überhaupt träumte, war schon ungewöhnlich. In mei-nem Traum befand ich mich auf einer Hochzeit, erfuhr jedoch nicht, wessen es war. Ich stand in einer fremden Küche in einem fremden Haus, welches ich noch nie gesehen hatte – dessen war ich mir absolut sicher. Alle Besucher, darunter meine kleine Schwester, meine Eltern und Großeltern, hatten sich um mich herum versammelt. Mein Körper steckte in einem taillierten, fliederfarbenen Kleid. Eine fremde Frau zupfte es zurecht und band mir eine riesige Schleife um.

Später stellte sich heraus, dass es sich hier um meine Hoch-zeit handelte. Meinen Verlobten jedoch lernte ich bis zum Schluss nicht kennen, er hielt sein Gesicht während der gesam-ten Zeremonie unter einer schwarzen Kapuze versteckt. Als er sich endlich offenbaren wollte und im Begriff war, die Kapuze hinunterzustreifen, spürte ich, wie die Erde unter meinen Fü-ßen langsam nachgab und in sich zusammenbrach. Ich fiel in ein pechschwarzes Loch, das mir unendlich tief erschien. Die Wände um mich herum wurden enger, ich hatte höllische Angst zu er-sticken.

Dann hörte ich, ganz plötzlich, ein lautes Piepsen. Ich schreckte hoch, mein Atem ging schwer, mein Herz klopfte wie verrückt. Meine Hände waren schweißnass. Es war mein We-cker, der mich aus diesem schrecklichen Traum rettete.

Ich brauchte eine Weile, um mich zu orientieren, doch dann wurden die Erinnerungen wieder klar. Es war alles nur ein Traum gewesen! Langsam beruhigte ich mich wieder, schlug die Bett-decke zurück und tappte mit nackten Füßen zum Fenster.

„Melinchen, was ist dir denn über die Leber gelaufen?“ Mei-ne beste Freundin Pauline grinste mich frech an und zwickte mich neckend in die Seite.

Genervt zuckte ich zusammen und schob sie von mir weg. „Schlecht geträumt“, antwortete ich mürrisch.

„Oh!“, machte Pauline mitleidig. „Aber Kopf hoch! Heute ist der letzte Schultag vor den Weihnachtsferien!“

Und tatsächlich konnte ich mir ein schwaches Lächeln nicht

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verkneifen, als ich an die lang ersehnten Ferien dachte. Bastian und ich. Ganz alleine. In unserer altmodischen Skihütte oben in den Bergen. Schon seit Wochen malte ich mir aus, wie wir bei einer heißen Tasse Kakao aneinandergekuschelt auf dem Sofa hockten. Draußen würde währenddessen ein Schneesturm to-ben, der die Fernsehantenne auf dem Dach scheppern ließ.

Aber dann kamen wieder die Erinnerungen von dem gestri-gen Streit in mir hoch. Würden wir uns wieder versöhnen? Ich hoffte es, denn auch wenn er ständig zu spät kam, liebte ich ihn doch immer noch! Er war fast wie ein großer Bruder für mich. Zwar war er nur zwei Jahre älter als ich, aber für sein Alter schon ziemlich reif und vernünftig.

In der ersten Stunde stand Deutsch auf dem Stundenplan. Wie immer mussten wir zuerst ein paar langweilige Übungen aus unserem Übungsbuch lösen, die mir ziemlich leichtfielen. Wir nahmen im Moment die vier Fälle durch und ich fragte mich immer wieder, wie man so etwas Einfaches nicht verstehen konnte. War es denn wirklich so schwer, dem und den zu unter-scheiden? Allgemein fiel es mir in der Schule ziemlich leicht. Was die Mathematik betraf, war das jedoch etwas anders. In diesem Fach konnte ich mich anstrengen, wie ich wollte, ich bekam den ganzen Mist einfach nicht in meinen Kopf.

Wie immer langweilte ich mich auch in dieser Deutschstun-de beinahe zu Tode, doch kurz vor dem Klingeln, als alle schon von ihren Plätzen losstürmen wollten, hielt uns unsere Lehrerin zurück. Sie verlangte, dass wir uns noch eine Minute gedulde-ten. Sie setzte eine geheimnisvolle Miene auf und verriet: „Be-vor ich’s vergesse: Am Montag nach den Ferien wird ein neuer Schüler unsere Klasse bereichern.“

In der großen Pause war dies natürlich das Gesprächsthema. Jeder stellte eine andere Vermutung über unseren zukünftigen Klassenkameraden auf. Vom extrem gut aussehenden Sunnyboy bis hin zum oberlangweiligen Schleimer, keine Möglichkeit wur-de ausgelassen.

An diesem Gespräch beteiligte ich mich nicht wirklich. Mein Körper befand sich zwar auf dem Schulhof, lässig an einen Baum gelehnt, doch in meinen Gedanken war ich ganz woanders.

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Nämlich hoch oben im verschneiten Gebirge in unserer Urlaubs-hütte. Ich stellte mir vor, wie Bastian und ich in der Küche he-rumalberten, während wir gemeinsam eine leckere Speise zu-bereiteten.

Hey, wo steckte er denn überhaupt? Obwohl er zwei Klas-sen über mir war, schaute er normalerweise während der gro-ßen Pause immer mal bei uns vorbei. Ob er unseren Streit wohl noch immer noch nicht verkraftet hatte und sauer auf mich war? Obwohl ich eigentlich keine Schuld an dieser Sache trug. Oder doch? Sollte ich vielleicht einfach lockerer mit seinen nervenden Angewohnheiten umgehen?

Mit einem Kniff in die Seite weckte mich Pauline aus meinen Tagträumen. „Hey, ich hab dich was gefragt! Bist du so sehr mit deinen Liebesplänen beschäftigt?“

Die anderen lachten laut. Obwohl ich wusste, dass sie es nicht böse meinten, war es mir peinlich. Wenn ich mal richtig tagträumte, versank ich ganz in meiner eigenen Welt. Derartige Situationen kamen nicht selten vor, wodurch ich nicht beson-ders viel von der Realität mitbekam.

Pauline schnappte sich meine Hand und verschwand mit mir in Richtung Mädchenklo.

„Kannst du mir verraten, was wir hier tun?“, wollte ich leicht genervt wissen. Was kam ihr in den Sinn, mich einfach hierher-zuschleppen?

Pauline verdrehte ihre Kulleraugen. „Ich muss mich nach-schminken und mein Haar stylen, was denn sonst?“

Klar, wie konnte ich das vergessen! Pauline musste immer wie aus dem Ei gepellt aussehen, sonst war für sie das gesamte Leben sinnlos und schlecht. Ich hingegen nahm das Ganze viel weniger ernst. Hauptsache gut gepflegt. Fettiges Haar, Schweiß-flecken und -geruch waren für mich das Allerschlimmste.

Ich warf einen Blick in den mit Lippenstift und Fingerab-drücken verschmierten Spiegel und betrachtete mein Gesicht. Meine waldmeistergrünen mandelförmigen Augen wurden von dem glänzenden Lipgloss noch mehr zur Geltung gebracht. Mein kastanienbraunes leicht gelocktes Haar leuchtete in einem sanf-ten Rotton. Auf meiner Nase tanzten vereinzelt ein paar freche