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Professor Dr. Joachim Jens Hesse Niedersachsen: Staatliche Repräsentanz in den Regionen Funktion, Aufgaben und Organisation von »Regierungsbüros« Gutachten im Auftrag des Arbeitskreises Weser-Ems Internationales Institut für Staats- und Europawissenschaften Anschrift Behrenstraße 34 D-10117 Berlin Kommunikation Telefon +49 (0) 30.2061.399-0 Telefax +49 (0) 30.2061.399-9 Internet Email Homepage post@internationales- institut.de www.internationales- institut.de

Anlage 1: Reformtendenzen in den deutschen … · Web viewDiese Verfahrensintegration kann passiv ausgestaltet sein, z. B. in Form von gesetzlich vorgeschriebenen Benehmens- und Einvernehmensregelungen

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Professor Dr. Joachim Jens Hesse

Niedersachsen: Staatliche Repräsentanz in den Regionen

Funktion, Aufgaben und Organisation von »Regierungsbüros«

Gutachten im Auftrag des Arbeitskreises Weser-Ems

unter Mitarbeit von Alexander Götz

3. September 2004

Internationales Institut für Staats- und Europawissenschaften

AnschriftBehrenstraße 34D-10117 Berlin

KommunikationTelefon +49 (0) 30.2061.399-0Telefax +49 (0) 30.2061.399-9

InternetEmailHomepage

[email protected]

Niedersachsen: Staatliche Repräsentanz in den Regionen

Inhalt

(1) Zur Einführung, Untersuchungsauftrag............................................................................3

(2) Das Reformkonzept der niedersächsischen Landesregierung: Grundzüge, Bausteine, Struktureffekte................................................................................................7

(3) Konsequente Zweistufigkeit: Niedersachen im Vergleich der Flächenländer..............18

(4) Was bleibt in der Region? Das erklärungsbedürftige Konzept der Landesregierung.......................................................................................................27

(5) Präsenz in der Fläche: ein funktionsanalytischer Zugang..............................................34

(6) Staatliche Repräsentanz in der Fläche: Entwicklung, Aufsicht, Genehmigung und Vollzug............................................................................................46

(7) Kleider machen Leute: Regierungsbüro, Entwicklungsagentur, Landesbeauftragter oder Regionaldirektion?.................................................................53

(8) Personal- und besoldungspolitische Konsequenzen.......................................................61

(9) Weser-Ems in Europa und der Welt...............................................................................63

(10) Zusammenfassung: „Optimierung“ des niedersächsischen Modells..............................66

Abkürzungsverzeichnis..............................................................................................................71

Anlage 1: Struktur- und Funktionalreformen in den deutschen Flächenländern (Regierungspositionen)..................................................................................................72

Anlage 2: Struktur- und Funktionalreformen in den deutschen Flächenländern (Vergleich der Vorstellungen von Regierung und Opposition).....................................82

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(1) Zur Einführung, Untersuchungsauftrag

Die grundlegende Modernisierung der öffentlichen Verwaltung bildet nach übereinstimmender Meinung der großen politischen Parteien in Bund und Ländern eine entscheidende Zukunftsaufgabe. Blickt man auf die entsprechenden Bemühungen der Gebietskörperschaften, wird allerdings ein Missverhältnis von Ankündigung und Ertrag deutlich. Während auf Bundesebene trotz der Empfehlungen zahlreicher Kommissionen von einer nachhaltigen Regierungs- und Verwaltungsreform kaum die Rede sein kann, blieben die Initiativen der Länder zunächst auf punktuelle Aktivitäten beschränkt. Lediglich im gemeindlichen Bereich finden sich seit Ende der achtziger Jahre eine Reihe konsequenter Reformen, die allerdings weniger der Einsicht in defizitäre Verwaltungsabläufe als vielmehr den Zwängen der Haushaltssituation geschuldet sind.

Lange verschleppte Reformen, die Folgen der Vereinigung und der fortlaufende Europäisierungs- wie Internationalisierungsprozess erzwingen heute eine Diskussion über den Zustand der deutschen Staatlichkeit. Zwar sind Forderungen nach einem „schlanken Staat“ Legion, doch ist nicht wirklich erkennbar, dass man sich ernsthaft darum bemühte, die Frage „Was soll und kann der Staat?“ zu beantworten. Politik und Verwaltung wollen zwar zu einer Reform der deutschen Staatlichkeit mit einer Überprüfung der öffentlichen Aufgaben und einer Neudefinition des Verhältnisses von öffentlichem und privatem Sektor beitragen, entziehen sich dieser Pflicht aber in weiten Teilen. Obwohl laut nach einer Rückführung des Staates aus seine „Kernaufgaben“ gerufen wird, kommt es noch immer zu einer Aufsplitterung – und damit zwangsläufig Aufgabenausdehnung – von Bundes- wie Landesministerien, erlaubt man sich durch den Ausweis zahlreicher Sonderbehörden eines der kompliziertesten Verwaltungssysteme der Welt. Statt konsequent zu fragen, welche Aufgabe durch welche gebietskörperschaftliche Ebene wirklich wahrzunehmen ist, wie Spezialisierungsprozesse und daraus folgende Verflechtungen abgebaut werden können und ob es des noch immer erkennbaren Wachstums öffentlicher Aufgaben tatsächlich bedarf, wird über eher periphere Veränderungen, diskussionswürdige Trägerschaften und problematische Arbeitsteilungen diskutiert. Damit entzieht sich die Debatte einer notwendigen Bestandsaufnahme des deutschen Föderalismus und einer konsequenten Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern, verbleibt die deutsche Ministerialorganisation in Teilen auf dem Stand der vergangenen Jahrzehnte und kommt es zwischen der staatlichen und kommunalen Verwaltung zu zahllosen Verflechtungen, die Doppelarbeiten, unproduktive „Schnittstellen“ und funktionale Defizite erkennen lassen. Man kuriert also weiterhin meist an Symptomen und versucht, den Eindruck zielorientierten Handelns zu erwecken, obwohl Beliebigkeit und punktuelles Agieren vorherrschen. Dies gilt gleichermaßen für die Aufgaben einer „nachholenden Modernisierung“ wie für jene Anpassungsleistungen, die sich mit den Veränderungen der bundesstaatlichen Ordnung und dem Europäisierungsprozess verbinden.

Uneinheitliche Reformbemühungen

Verwaltungs- politische Versäumnisse

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Niedersachsen: Staatliche Repräsentanz in den Regionen

Die deutschen Länder sind in diesem Kontext von besonderem Interesse, zumal sie zusammen mit den Kommunen die eigentliche Vollzugsebene des deutschen Regierungssystems darstellen und – Ausdruck ihrer „Sandwich“-Position – gleichzeitig Steuerungs-, Ordnungs-, Aufsichts- und Vollzugsaufgaben wahrnehmen. Die dabei erkennbaren (staatlichen wie kommunalen) Politiken gelten deshalb auch als Indikator für die Reformfähigkeit der bundesstaatlichen Ordnung. Dies mag erklären, warum derzeit ablaufende Bemühungen etwa in Baden-Württemberg, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern oder Nordrhein-Westfalen, als strukturell bedeutsame Veränderungen gewürdigt werden, die nicht nur für die anderen Länder, sondern auch für den Bund und vor allem die Kommunen konsequenzreich sein könnten.

Natürlich wäre es unbillig, den deutschen Ländern in ihrer Gesamtheit vorzuhalten, dass sie der Aufgabe einer kontinuierlichen „Modernisierung“ ihres Regierungs- und Verwaltungssystems nicht nachgekommen seien. Fast alle Länder verweisen auf jahrzehntelange Versuche, über Territorialreformen, dem nachfolgende funktionale Reformansätze, Bemühungen um eine Rechtsbereinigung und eine bürgerfreundliche Verwaltung auf defizitäres öffentliches Handeln zu reagieren. Hinzu treten Versuche, Instrumente und Verfahren einer dem privatwirtschaftlichen Bereich entlehnten „neuen Steuerung“ für das öffentliche Handeln fruchtbar zu machen. Allerdings blieben die entsprechenden Politiken zunächst auf Einzelbereiche beschränkt, gelang es kaum, die Landesverwaltungen durchgängig zu modernisieren oder gar eine nachhaltige Dezentralisierung einzuleiten. Dies mag erklären, warum in fast allen Ländern heute neben sehr gut verwalteten Bereichen defizitäre Verwaltungsstrukturen und ineffiziente Abläufe erkennbar sind. Die Grundübel des Wachstums, der Verflechtung und der Spezialisierung des öffentlichen Handelns haben auch hier ihren Niederschlag gefunden.

Seit Ende der 1990er Jahre beginnen die Länder allerdings „aufzuholen“. Dabei gewannen Ansätze zu einer umfassenden Aufgabenkritik an Bedeutung. Auch wenn sich dem nachfolgende Politiken bislang meist nur sektoral ausgewirkt haben, führten sie doch zu wichtigen Restrukturierungsmaßnahmen (Forst-, Landesstraßenbau- sowie staatliche Hochbau- und Liegenschaftsverwaltungen als Beispiele). Eine vollständige Aufgabenerhebung und -kritik, wie sie derzeit im Rahmen der Landesverwaltung Nordrhein-Westfalens angestrebt und im kommunalen Bereich für das Saarland in Auftrag gegeben wurde, dürfte einen entscheidenden weiteren Schritt darstellen, um eine Neuorganisation von Landes- und Kommunalverwaltungen zu gewährleisten. So könnte man an die derzeit weitest gehenden Reformansätze anschließen und diese bei konsequenter Umsetzung fortsetzen.

In der Zusammenfassung vollzieht sich heute – weitgehend unbemerkt von den großen Modernisierungspolitiken – in Deutschland ein nicht minder bedeutsamer institutioneller Wandel, der bislang lediglich den Bund ausspart. Hier hat auch der Umzug der Ministerien nach Berlin zu keinen nennenswerten Konsequenzen

geführt. Stattdessen bleibt es auf absehbare Zeit mit der unglücklichen Zweiteilung

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Besondere Rolle der Länder und Kommunen

Funktionale Modernisierungs- ansätze und sektorale Anpassungs-leistungen

Nachholende Struktur- und Funktionalreformen im staatlichen Bereich

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von Ministerialstandorten bei einem im internationalen Kontext erstaunlichen Anachronismus. Zugleich hat man den Zuschnitt der Ministerien weitgehend unverändert gelassen, Verfahrensreformen auf eher periphere Fragen beschränkt und eine – in Teilen freilich überfällige – Digitalisierung der Bundesverwaltung eingeleitet. Demgegenüber ist das Leitbild des „aktivierenden Staates“ politische Absichtserklärung geblieben. Insofern muss sich erst noch erweisen, ob die angekündigte Entbürokratisierung und die Reformen im Bereich der Bundesagentur für Arbeit und der sozialen Sicherungssysteme Folgeaktivitäten in der unmittelbaren Bundesverwaltung und den Ministerien selbst auslösen werden.

Das Land Niedersachsen beginnt, in der gegenwärtigen Diskussion eine entscheidende Rolle zu spielen. Es verfolgt derzeit einen Reformansatz, in dem sich Funktional- und Strukturreformen verbinden und der mit dem Übergang von einem dreistufigen zu einem zweistufigen Verwaltungssystem einen in der deutschen Verwaltungsgeschichte beispiellosen „Systemwechsel“ vorsieht. Die nachfolgende Untersuchung wendet sich diesem Systemwechsel zu, wobei im Anschluss an eine Würdigung des Gesamtansatzes die nach Auflösung der Regierungspräsidien geplante Einrichtung von „Regierungsbüros“ eine gesonderte Würdigung erfährt. Durch sie erkennt die Landesregierung an, dass zwischen dem staatlichen und dem kommunalen Bereich Aufgaben verbleiben, die auf eine organisationsstrukturelle Lösung drängen, wobei das übergreifende Vereinfachungsziel mit dem Wunsch nach innovativer und umfassender Regionalentwicklung zu verbinden ist.

Eine Reform von Regierung und Verwaltung ist kein Selbstzweck, sie steuert politische Prozesse, schafft Rahmenbedingungen für wirtschaftliches und soziales Handeln, greift in Arbeitsverhältnisse und Lebenslagen ein. Insofern ist es nur folgerichtig, dass sich unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen mit den ablaufenden Reformprozessen beschäftigen und sie in ihrer Konsequenz für ihren jeweiligen Tätigkeitsbereich diskutieren. Dies gilt im vorliegenden Fall auch und gerade für den Arbeitskreis Weser-Ems, einen Zusammenschluss führender Wirtschafts-, Verbands- und Medienvertreter im Nordwesten Niedersachsens. Die von der Landesregierung vorgesehene Einrichtung von „Regionalbüros“ hat hier insofern Kritik erfahren, als man nicht ohne Grund befürchtet, dass mit der Einrichtung dieser „Büros“ eine historisch gewachsene und im Strukturwandel vielfach erfolgreiche Region an Bedeutung verlieren könnte, zumal sie über den Standort der Bezirksregierung in Oldenburg bislang über eine machtvolle Interessenvertretung verfügt. Um dem entgegenzuwirken, zumindest aber die Interessen der Region in die Diskussionen um die endgültige Ausgestaltung der „Regionalbüros“ einfließen zu lassen, beauftragte man das Internationale Institut für Staats- und Europawissenschaften (ISE) in Berlin mit einer Untersuchung, die Konsequenzen des Reformprozesses aufzuzeigen und Empfehlungen für die Bildung einer sach- und problemadäquaten Form von Regionalvertretung vorzutragen.

Schlüsselrolle Niedersachsens in der gegenwärtigen Reformlandschaft

Notwendige Berücksichtigung regionaler Interessen

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Das nachfolgende Gutachten ist das Ergebnis dieser Beauftragung. Es bemüht sich auf der Basis zahlreicher Untersuchungen zur Regierungs- und Verwaltungsreform auf europäischer, Bundes-, Landes und kommunaler Ebene um eine der Fragestellung angemessene Untersuchungsmethode und umsetzungsorientierte Empfehlungen. Dabei tritt zur Auswertung aller verfügbaren Primär- und Sekundärmaterialien eine erweiterte Informationsbasis insofern, als im Zuge der vergangenen Wochen Interviews mit Vertretern der Landes- und Kommunalverwaltung, aber auch einzelner Unternehmen, Verbände und zivilgesellschaftlicher Einrichtungen geführt werden konnten. Wir danken für die Gesprächsbereitschaft und hoffen, dass die gewonnenen Erkenntnisse und daraus abgeleiteten Empfehlungen von Interesse sein werden.

Empfehlungen auf Basis von offiziellen Dokumenten und Experteninterviews

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(2) Das Reformkonzept der niedersächsischen Landesregierung:Grundzüge, Bausteine, Struktureffekte

Mit Beginn der 15. Wahlperiode leitete das Land Niedersachsen eine grundlegende Modernisierung seiner staatlichen Verwaltungsstrukturen ein. In ihrem Zentrum steht die Auflösung der Bezirksregierungen sowie der Übergang von einem dreistufigen zu einem zweistufigen Verwaltungssystem.1 Bemerkenswert an diesem Ansatz ist vor allem die Stringenz der Reformbemühungen. Ausgehend von der Koalitionsvereinbarung und der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten2

bemüht man sich jetzt darum, die erforderlichen Veränderungen „ergebnisorientiert und zeitnah“ umzusetzen.3 Dabei geht es vor allem um die folgenden Zielsetzungen:4

Zentraler Ansatz ist eine umfassende Verwaltungsstrukturreform, die über die Abschaffung der Bezirksregierungen ein weitestgehend zweistufiges Verwaltungssystem zu verwirklichen sucht. In der Fläche des Landes sollen sog. „Regierungsbüros“ verbleibende Entwicklungs-, Koordinations- und Vollzugsaufgaben mit regionalem Bezug wahrnehmen.

Inhaltlich soll sich der Staat auf seine Kernaufgaben konzentrieren, weshalb den sektoralen Reorganisationsmaßnahmen der einzelnen Ressorts eine umfassende Aufgabenkritik vorgeschaltet ist.

Auf dieser Basis wird eine funktional begründete Neustrukturierung der Aufgaben- und Arbeitsteilung zwischen den Landesbehörden sowie zwischen den staatlichen Einrichtungen und den Trägern der kommunalen und berufsständischen Selbstverwaltung angestrebt.

Im Verhältnis zu den Kommunen soll deren Aufgabenspektrum durch die Delegation von Zuständigkeiten erweitert und ihre Position sowohl kompetenziell als auch materiell gestärkt werden (u. a. durch eine Verankerung des Konnexitätsprinizps in der Landesverfassung).

Schließlich strebt die Landesregierung eine Entbürokratisierung im öffentlichen Bereich (etwa durch eine reduzierte Rechts- und Fachaufsicht und den Abbau von Genehmigungsvorbehalten) sowie gegenüber Dritten und Privaten an. Hierzu werden entsprechende Deregulierungs-, Delegations- und Privatisierungspolitiken im Rahmen der anstehenden Reformen forciert.

1 Niedersächsischer Landtag – 15. Wahlperiode, Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung der Verwaltung in Niedersachsen, Drs. 15/1121, S. 33. Zur Systematik zwei- und dreistufiger Modelle im Vergleich der Bundesländer s. Kap. 3.2 Koalitionsvereinbarung 2003-2008 zwischen CDU und FDP für die 15. Wahlperiode des Niedersächsischen Landtages, S. 10-13 u. 16; Christian Wulff, Mutig und entschlossen – Niedersachsen voran bringen, Regierungserklärung des Ministerpräsidenten vor dem Landtag Niedersachsen, Hannover 2003, S. 9f.3 Niedersächsischer Landtag – 15. Wahlperiode, a.a.O., S. 34. In der Folgenabschätzung des Gesetzentwurfs wird argumentiert, dass die Erfahrungen in Niedersachsen wie in anderen Bundesländern zeigen, dass Reformbemühungen häufig ganz oder teilweise scheiterten, weil sie ergebnisoffen und ohne Vorgaben eingeleitet wurden (ebd.). 4 Koalitionsvereinbarung 2003-2008 zwischen CDU und FDP, a. a. O.; Niedersächsischer Landtag – 15. Wahlperiode, a.a.O., Christian Wulff, a. a. O.; Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport, Verwaltungsmodernisierung in Niedersachsen, Unterrichtung zum Feinkonzept MI gemäß § 7 GGO; Uwe Schünemann, Verwaltungsmodernisierung in Niedersachsen, Regierungserklärung von Innenminister Uwe Schünemann, Hannover 2004.

Grundlegende Strukturreform

Übergang zur Zweistufigkeit und Einrichtung vonRegierungsbüros

Konzentration auf Kernaufgaben

Neue Arbeits- teilung

Stärkung der Kommunen

Entbürokratisierung

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Niedersachsen: Staatliche Repräsentanz in den Regionen

Durch den benannten Abbau von Verwaltungsstrukturen sollen innerhalb der laufenden Legislaturperiode 6.000 Stellen im Landesdienst entbehrlich werden.

Abbildung 1: Reformlogik der Verwaltungsmodernisierung in Niedersachsen

Abbildung 1 veranschaulicht die skizzierte Reformlogik und bezieht sie auf drei zentrale Modernisierungsfelder:

den Übergang von der Drei- zur Zweistufigkeit,

daran anschließend eine sektorale Funktional- und Strukturreform sowie

ergänzend die Optimierung von Querschnittsbereichen.

Allen drei Feldern können einzelne Maßnahmen zugeordnet werden (Abbildung 2). Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass die Gutachtenerstellung in die laufende Ressortabstimmung der Feinkonzepte zur Ausgestaltung des Gesamtentwurfs fällt. In dieser Phase des Reformprozesses ist es charakteristisch, dass die zugrunde liegenden Dokumente und Planungen zwischen den systematischen Zielen der Protagonisten und den fachlich begründeten Ressortinteressen oszilieren. Insofern erhebt die nachfolgende Darstellung keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern versucht die Grundzüge der Reformpolitik zu verdeutlichen. Darüber hinaus verweisen die angesprochenen Gegensätze auf die erheblichen Anstrengungen, die eine grundlegende Umgestaltung von Regierungs- und Verwaltungsstrukturen den politisch wie administrativ Verantwortlichen abverlangt. Schließlich illustrieren die angesprochenen Gegensätze das Spannungsfeld, in dem sich Reformpolitiken, aber

Abbau von 6.000 Stellen

Drei Reformfelder:

Zweistufigkeit

Sektorale Reform

Querschnittsbereiche

Konflikte bei der Umsetzung als charakteristisches Bündelungsproblem

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Niedersachsen: Staatliche Repräsentanz in den Regionen

ebenso jene Einrichtungen bewegen, die unterschiedlichen fachlichen Belange aufeinander abzustimmen, mithin zu „bündeln“ haben. Hierauf wird der Gutachter vor allem im Rahmen der funktionsanalytischen Betrachtung einer künftigen staatlichen Repräsentanz in der Fläche zurückkommen (s. Kap. 5).

Abbildung 2: Maßnahmen in den drei Reformfeldern

Maßnahme Ressortbezug

(1) Auflösung der Bezirksregierungen und Herstellung der Zweistufigkeit

Auflösung der vier Bezirksregierungen

Als Konsequenz Verlagerung der bisherigen BR-Zuständigkeiten auf die obersten Landesbehörden, wenn Verzicht, Privatisierung, Kommunalisierung oder Verlagerung auf andere Landesbehörden und/oder Dritte ausgeschlossen ist.5

alle Ressorts, insbesondere MI, MK, ML, MS, MU, MW, MWK

Errichtung von vier dezentralen Regierungsbüros als „spezielle Ausprägung der Ministerialebene“6

Tätigwerden im Auftrag, auf Wunsch Dritter sowie im eigenen Ermessen; daneben einzelne fachliche Entscheidungs- und Vollzugskompetenzen („Verwaltungsaufgaben mit regionalem Bezug“7), sofern diese von den Ministerien übertragen oder im Einzelfall beauftragt werden.

alle Ressorts, insbesondere MI, ML, MS, MU, MW, MWK

Konzentration der Regierungsbüros auf unterstützende Entwicklungs- und Serviceaufgaben

Kommunikative und koordinierende Aufgaben in den Bereichen ‘Wirtschaft, Arbeitsmarkt, Tourismus und Infrastruktur’, ‘Bildung und Ausbildung’, ‘Kunst und Kultur’, ‘Europabüro, Innovationsberatung’, ‘Landesentwicklung und Raumordnung’, ‘Interkommunale Zusammenarbeit’, ‘Bauleitplanung und Genehmigung von Flächennutzungsplänen’, ‘Kommunale Beratung’, ‘Hoheitsangelegenheiten’, ‘Wirtschaftsordnung’, ‘Länderübergreifende Zusammenarbeit’.

alle Ressorts, insbesondere MI, ML, MS, MU, MW, MWK

(2) Sektorale Funktional- und Strukturreform

Bildung einer einheitlichen Landesarchivverwaltung8 StK

Zentralisierung der Kommunalaufsicht

Errichtung einer zweistufigen Kommunalaufsicht mit der obersten Instanz im Ministerium für Inneres und Sport; in der Fläche Beschränkung der Regie-rungsbüros auf Beratung und koordinative Dienstleistungen bei entsprechender Nachfrage.

MI

5 Vgl. dazu die Feinkonzepte der obersten Landesbehörden (MI, MK, ML, MS, MU, MW, StK, Kabinettsvorlagen, 2004). Grundsätzlich sollen die Aufgaben der Bezirksregierungen auf nachgeordnete Landesbehörden oder -einrichtungen und nur im Einzelfall in die Ministerien verlagert werden. Die somit in der Hauptsache künftig nicht-ministeriellen Zuständigkeiten, einschließlich der Kompetenzübertragungen auf Dritte, sind im Abschnitt (2) als Gegenstände der sektoralen Funktional- und Strukturreform dargestellt. 6 Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport, Vorschlag zur Errichtung von Regierungsbüros, Hannover 24. Juni 2004, S. 8.; geplant ist die Einrichtung als Außenstellen des Ministeriums für Inneres und Sport im Rahmen einer eigenen Referatsgruppe.7 Ebd., S. 20ff.8 Niedersächsische Staatskanzlei, Kabinettsvorlage: Umsetzung der Verwaltungsmodernisierung im Geschäftsbereich der Staatskanzlei; Verlagerung von archivfachlichen und anderen Aufgaben, Hannover, 7. Juli 2004.

(Fortsetzung auf der nächsten Seite)

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Niedersachsen: Staatliche Repräsentanz in den Regionen

Spannungsfeld zwischen Reformstrategie und Ressortbelangen

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Niedersachsen: Staatliche Repräsentanz in den Regionen

(Fortsetzung)

Maßnahme Ressortbezug

Errichtung einer Kommunalprüfungsanstalt für die überörtliche Prüfung

Realisierung einer einheitlichen Organisation (AöR) gemeinsam mit den Kommunen für die überörtliche Ordnungs-, Kassen- sowie Wirtschaftlichkeits- und Organisationsprüfung (für eine Übergangsphase von fünf Jahren nur für die Landkreise, kreisfreien Städte und großen selbständigen Städte; für die großen selbständigen und übrigen Gemeinden erst ab dem 01.01.2008).

MI

Organisation der Polizeiverwaltung als separater Behördenstrang MI

Integration der Aufgaben der allgemeinen Sicherheit und Ordnung9 in die reformierte Polizeiverwaltung

Verlagerung der bislang von den Bezirksregierungen wahrgenommenen Aufgaben in die regionalen Polizeidirektionen (vorrangig) oder das Innenministerium (Landespolizeipräsidium, Kompetenzzentrum für die Bekämpfung von Großschadenslagen); dadurch Schaffung einer einheitlichen Kompetenz für Sicherheitsbelange.

MI

Vertikale Konzentration der Verwaltung für das Ausländerrecht, die Integration sowie die Erstaufnahme von Flüchtlingen und Spätaussiedlern

Zusammenführung mit erweiterten vollzugsbehördlichen Kompetenzen an drei Standorten: (1) Aufnahme- und Ausländerbehörde Braunschweig, (2) Zentrale Aufnahme- und Ausländerbehörde Oldenburg, mit Außenstelle in Bramsche, (3) Grenzdurchgangslager Friedland.

MI

Interne Rationalisierung des Niedersächsischen Landesamtes für Statistik, Prüfung einer Länderkooperation mit der Freien und Hansestadt Bremen

MI

Regionale Repräsentanz des Informatikzentrums Niedersachsen (IZN)

Übertragung der bislang in den Informations- und Kommunikationsdezernaten aller Bezirksregierungen sowie in der Zentralen Vordruckstelle der BR Braunschweig wahrgenommenen Aufgaben auf das IZN; Weiterführung an den bisherigen Standorten als Außenstellen; dadurch bessere Verfügbarkeit der Dienstleistungen für die gesamte Landesverwaltung (einheitliches Systemhaus).

MI

Mit Auflösung der Bezirksregierungen Verlagerung der Zuständigkeiten für die Sparkassenaufsicht, Fiskuserbschaften und Spielbankenaufsicht auf das Finanzministerium

MI, MF

Integration des Landesausgleichsamtes in das NLBV MI, MF

Straffung der Vermessungs- und Katasterverwaltung

Beibehaltung des Landesbetriebs für Landesvermessung und Geobasisdateninformation Niedersachsen; Zusammenfassung der 24 Vermessungs- und Katasterbehörden (inkl. 31 Standorte) mit Teilen der Agrarstrukturverwaltung (Landentwicklung) sowie der Domänen- und Moorverwaltung zu 14 neu strukturierten Behörden für Geoinformation, Landentwicklung und Liegenschaften.10

MI, ML

(Fortsetzung auf der nächsten Seite)

9 Hierzu zählen insbesondere die folgenden Aufgabenbereiche: Versammlungsrecht/Obere Versammlungsbehörde, Öffentliches Vereinsrecht, Vollzug von Parteiverboten, Waffenrecht, Geheimschutz, Katastrophenschutz, Brandschutz/Hilfeleistung sowie Verteidigungsangelegenheiten.10 Vgl. hierzu auch Niedersächsisches Ministerium für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport , Kabinettsvorlage: Verwaltungsmodernisierung in Niedersachsen; hier: Bildung der Behörden für Geoinformation, Landesentwicklung und Liegenschaften, Hannover 8. Juli 2004.

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Niedersachsen: Staatliche Repräsentanz in den Regionen

(Fortsetzung)

Maßnahme

Neustrukturierung der Gewerbeaufsichtsverwaltung

Nach Auflösung der Bezirksregierungen und des Landesamtes für Ökologie sowie der Neuabgrenzung staatlicher und kommunaler Aufgaben Zusammenführung der Kompetenzen in zehn Staatlichen Gewerbeaufsichtsämtern (z. T. mit Vor-Ort-Aufgaben und Prüfung einer späteren länderübergreifenden Kooperation – Bsp. Lufthygienisches Überwachungssystem)11; daneben Verlagerung von einzelnen Zuständigkeiten

11 Zu den in den Gewerbeaufsichtsämtern verorteten Aufgaben zählen insbesondere Zuständigkeiten in den folgenden Bereichen: Immissionsschutz, Kreislaufwirtschaft und Abfall, Bodenschutz, Strahlenschutz, Gentechnik, Sicherheits- und Gesundheitsschutz der Beschäftigten am Arbeitsplatz, Schutz vor gefährlichen Chemikalien, Sprengstoffwesen, Gefahrguttransporte, Geräte-, Maschinen- und Anlagensicherheit sowie technischer Verbraucherschutz und Schutz besonderer Personengruppen; vgl. hierzu im Einzelnen: Niedersächsisches Umweltministerium, Kabinettsvorlage: Verwaltungsmodernisierung Niedersachsen, Organisationsentscheidungen zur Neuorganisation der Umweltverwaltung, Hannover 7. Juli 2004; Niedersächsisches Umweltministerium, Ergebnisbericht der Projektgruppe 1

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Niedersachsen: Staatliche Repräsentanz in den Regionen

auf die Bergverwaltung und die berufsständische Selbstverwaltung.

Schaffung einer einheitlichen Organisation für die staatliche Wasserwirtschafts- und Naturschutzverwaltung (s. u.)

MU

Privatisierung von technischen Aufgaben, insbesondere von Planungs- und Überwachungstätigkeiten im Bereich des NLÖ und NLWK

MU

Konzentration der Wasserwirtschaftsverwaltung

Nach Auflösung der Bezirksregierungen und des Landesamtes für Ökologie sowie der Neuabgrenzung staatlicher und kommunaler Aufgaben Zusammenführung der Kompetenzen im Landesbetrieb für Wasserwirtschaft und Küstenschutz (Landesbetrieb für Naturschutz, Wasserwirtschaft und Küstenschutz).

MU

Funktionale Dislozierung der Naturschutzverwaltung

Nach Auflösung der Bezirksregierungen und des Landesamtes für Ökologie sowie der Neuabgrenzung staatlicher und kommunaler Aufgaben Errichtung eigenständiger Verwaltungen für den Nationalpark Wattenmeer, den Nationalpark Harz (künftig in Länderkooperation mit dem LSA) und das Biosphärenreservat Elbtalaue; Verlagerung verbleibender Aufgaben auf den künftigen Landesbetrieb für Naturschutz, Wasserwirtschaft und Küstenschutz.

MU

Konzentration und betriebliche Organisation der Verkehrsverwaltung

Dazu Umwandlung des Landesamtes für Straßenbau und der nachgeordneten Straßenbauämter in einen Landesbetrieb für Straßenbau und Verkehr mit auswärtigen Betriebsstellen (Übergangsweise Bildung einer Landesbehörde); Übernahme von Aufgaben der Bezirksregierungen, soweit diese nicht kommunalisiert werden; daneben Überführung der staatlichen Häfen- und Schifffahrtsverwaltung in eine private Rechtsform; zunächst probeweise Verlagerung von Aufgaben des ÖPNV auf die Landesnahverkehrsgesellschaft.

MW

Übertragung von Einzelaufgaben der Wirtschaftsordnung auf die berufsständische Selbstverwaltung12

MW

(Fortsetzung auf der nächsten Seite)

„Gewerbeaufsicht“, Hannover 10. November 2003.12 An die Wirtschaftsprüferkammer, die IHK und die Handwerkskammer; vgl. dazu Niedersächsisches Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, Kabinettsvorlage: Verwaltungsmodernisierung, Organisations- und Standortentscheidungen im Geschäftsbereich des MW, Beschlüsse der Landesregierung vom 2. und 23. März 2004, Hannover 7. Juli 2004, Anlage 6.

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Niedersachsen: Staatliche Repräsentanz in den Regionen

(Fortsetzung)

Maßnahme Ressortbezug

Umfangreicher Aufgabenverzicht in den Bereichen Wirtschaftsordnung, Straßenbau- und -verkehrsaufsicht13

MW

Zusammenführung der operativen Aufgaben der staatlichen Wirtschaftsförderung unter dem Dach der NBank

MW, alle Ressorts14

Prüfung einer länderübergreifenden Zusammenarbeit bei den Aufgaben der Vergabekammer

MW, alle Ressorts

Übertragung von Aufgaben aus den Bereichen der Landwirtschaftsverwaltung sowie des Veterinärwesens und des Verbraucherschutzes auf das Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit

ML

Übertragung von Förder- und Ordnungsaufgaben im Agrar- und Veterinärbereich auf die berufsständische Selbstverwaltung15

ML

Konzentration und organisatorische Verselbständigung der Landesforstverwaltung16

Errichtung einer AöR einschließlich des Staatswaldvermögens, der oberen Einrichtungen und unteren Behörden der Forstverwaltung; Überführung der forstlichen Versuchsanstalt in eine Länderkooperation (mit Thü, He, LSA).

ML

Bildung einer Landesschulbehörde als Übergangslösung bis zur Schulverwaltungsreform17

MK

Neuordnung der Kulturverwaltung und -förderung18

Erweiterte personal- und ressourcenwirtschaftliche Kompetenzen staatlicher Kultureinrichtungen; Unterteilung in regionale und überregionale Kulturförderung; Übertragung regionaler Maßnahmen auf Dritte (Region

MWK

13 Ebd., Anlage 7.14 Soweit ressortmäßige Förderaktivitäten gemäß § 1 Abs. 1 des Gesetzes zur Übertragung von Förderaufgaben auf die Investitions- und Förderbank Niedersachsen GmbH vom 23. Januar 2003 (Nds.GVBl. Nr.3/2003 S.21) der NBank übertragen worden sind; laut Nr. 1 der Anlage zum Gesetz handelt es sich dabei insbesondere um die folgenden Bereiche: Mittelstandsförderung, Förderung durch Bereitstellung von Beteiligungskapital für Wagnis- und Wachstumsfinanzierung, Technologie- und Innova-tionsförderung, Förderung der Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur, Infrastrukturförderung, Förderung von Ansiedlungen und Standortmarketing, Förderung des Umweltschutzes, Förderung der rationellen Energienutzung, der erneuerbaren Energien und der Energieeinsparung, Förderung der überbetrieblichen Berufsbildung, Förderung des Tourismus, international vereinbarte Förderprogramme sowie internationale Zusammenarbeit.15 An die Tierärztekammer Niedersachsen und die Landwirtschaftskammern; vgl. dazu Niedersächsisches Ministerium für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Kabinettsvorlage: Verwaltungsmodernisierung in Niedersachsen, Organisations- und Standortentscheidungen im Bereich des Ministeriums für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz; Beschluss der Landesregierung vom 23. März 2004, Hannover 8. Juli 2004.16 Niedersächsisches Ministerium für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Kabinettsvorlage: Verwaltungsmodernisierung in Niedersachsen, Gesetz zur Umsetzung der Verwaltungsmodernisierung in den Bereichen Wald und Jagd – Freigabe zur Verbandsanhörung, Hannover 8. Juli 2004.17 Niedersächsisches Kultusministerium, Kabinettsvorlage: Errichtung und vorläufige Organisation einer Landesschulbehörde, Hannover 29. Juni 2004.18 Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur, Kabinettsvorlage: Modernisierung der Verwaltung in Niedersachsen; geändertes Konzept zur Neuordnung der Kulturförderung, Hannover 8. Juli 2004.

Hannover, Land-

(Fortsetzung auf der nächsten Seite)

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Niedersachsen: Staatliche Repräsentanz in den Regionen

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Niedersachsen: Staatliche Repräsentanz in den Regionen

(Fortsetzung)

Maßnahme Ressortbezug

schaften, Landschaftsverbände u. a. m.). (Forts.)

Bildung eines Landesamtes für Lehrerbildung und Schulentwicklung19 MK

Auflösung der Niedersächsischen Landeszentrale für politische Bildung MK

Vertikale und Horizontale Konzentration der Landessozialverwaltung20

Zusammenführung der Versorgungsämter und des Niedersächsischen Landesamtes für Zentrale Soziale Aufgaben im neuen Landesamt für Soziales, Jugend und Familie.

MS

(3) Optimierung von Querschnittsbereichen

Abschaffung von Widerspruchs-/verwaltungsgerichtlichen Vorverfahren alle Ressorts21

Einheitliche Personal- und Nachwuchspolitik in der Landesverwaltung

Gewährleistung einer einheitlichen Auswahl, Einstellung und Erstverwendung von Nachwuchskräften der allgemeinen inneren Verwaltung22.

MI, alle Ressorts

Intensivierung der personalwirtschaftlichen Möglichkeiten zum sozialverträglichen Personalabbau

Aufrechterhaltung des Einstellungsstopps, Optimierung der Job-Börse durch individuelle Benennung des zu vermittelnden Personals, Versetzungen, Nutzung des § 109 NBG.

alle Ressorts

Abbau von Genehmigungsvorbehalten und Anzeigepflichten insbesondere im Kommunalrecht23

alle Ressorts, insbesondere MI

Reduzierung und Neuorientierung der Fach- und Rechtsaufsicht alle Ressorts

19 Vormals Landesamt für Schulentwicklung und Bildung und Landesprüfungsamt für Lehrämter.20 Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit, Kabinettsvorlage: Verwaltungsmodernisierung in Niedersachsen; Reformergebnisse sowie Organisations- und Standortentscheidungen im Geschäftsbereich des MS; Bezug: Beschlüsse der Landesregierung vom 2. und 23. März 2004, Hannover 6. Juli 2004.21 Ausgenommen sind aufgrund der Stellungnahmen von Fachressorts, Kommunen und Verbänden Verwaltungsakte, „1. denen eine Bewertung von Prüfungsleistungen zugrunde liegt oder 2. die von Schulen oder von Selbstverwaltungskörperschaften des öffentlichen Rechts erlassen werden, 3. die der Durchführung a) des Baugesetzbuches und der Niedersächsischen Bauordnung, b) des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, c) des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes, der Verordnung (EWG) Nr. 259/93, des Abfallverbringungsgesetzes und des Niedersächsischen Abfallgesetzes, d) des Bundesbodenschutzgesetzes und des Niedersächsischen Bodenschutzgesetzes, e) der den Naturschutz und die Landschaftspflege betreffenden Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft und des Bundes sowie des Landes Niedersachsen, f) des Wasserhaushaltsgesetzes und des Niedersächsischen Wassergesetzes, g) des Chemikaliengesetzes und des Sprengstoffgesetzes, h) des Geräte- und Produktsicherheitsgesetzes, i) des Unterhaltsvorschussgesetzes und j ) der Strahlenschutzverordnung und der Röntgenverordnung sowie der auf den Gesetzen nach den Buchstaben a) bis i) beruhenden Verordnungen und kommunalen Satzungen dienen“. 22 Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport, Kabinettsvorlage: Konzept zur Auswahl, Einstellung und Ersternennung von Nachwuchskräften der allgemeinen Inneren Verwaltung, Hannover 8. Juli 2004.23 Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport, Kabinettsvorlage: Entwurf des Gesetzes zur Änderung des niedersächsischen Kommunalverfassungsrechtes, Hannover Juni 2004; hierbei u. a. Flexibilisierung der Regelungen zu den Gleichstellungsbeauftragten auf kommunaler Ebene sowie Verzicht auf die Genehmigungspflicht der Hauptsatzung und von Gebietsänderungsverträgen.

Vergleicht man die in Abbildung 2 dargestellten Maßnahmen mit den politischen Reformzielen, wird ersichtlich, dass der Umbau der Verwaltung und deren Zweistufigkeit mit dem vorliegenden Konzept weitestgehend erreicht werden. Diese Einschätzung lässt sich quantitativ belegen. Der Gutachter verwendet dafür einen Strukturindex, der die Komplexität eines Verwaltungssystems (und den Grad seiner Vereinfachung) anhand von Behördenkategorien, des daraus ableitbaren Umfangs abschließender Zuständigkeiten sowie der fachlichen

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Differenzierung wiedergibt.24 Demnach verringert sich die Zahl derjenigen Behörden, denen im engeren Sinne die Funktion einer oberen Instanz zukommt, um 57%. Es verbleiben hier lediglich drei Einrichtungen: die Oberfinanzdirektion, das Landesamt für Soziales, Jugend und Familie (vormals Landesamt für zentrale soziale Aufgaben) sowie die neu zu errichtende Landesschulbehörde. Betrachtet man die Häufigkeit oberer Instanzen in sechs globalen Aufgabenbereichen25, ergibt sich sogar eine Reduzierung um 89%. Insgesamt nimmt die Zahl abschließender Kompetenzen, jeweils repräsentiert durch eine zuständige Behörde oder Einrichtung, um 38% ab. Damit einher geht die vertikale Straffung von Entscheidungswegen. Gemessen an den bislang ca. 360 Behördensträngen, die durch Aufsichtsbeziehungen und Genehmigungsverfahren zwischen den einzelnen Verwaltungsebenen begründet werden, kommt es zu einer

24 Grundlage dieses Strukturindex ist eine einheitliche Kategorisierung von Behörden und Einrichtungen. Hierbei differenziert der Gutachter zwischen vier Typen: (1) Zentrale Landesämter, Einrichtungen und Landesbetriebe sind Organisationseinheiten, deren Zuständigkeit sich auf das gesamte Landesgebiet erstreckt, die direkt einem Ministerium unterstellt sind, die letztverantwortliche Zuständigkeiten besitzen und über keinen nachgeordneten Bereich verfügen. (2) Landesoberbehörden sind Behörden oder Landesbetriebe, deren Zuständigkeit sich auf das gesamte Landesgebiet erstreckt, die direkt einem Ministerium unterstellt sind und die über eine nachgeordnete Staats- oder kommunale Auftragsverwaltung die Rechts-, Fach- und ggf. auch die Dienstaufsicht führen. (3) Landesmittelbehörden nehmen die ihnen zugewiesenen Aufgaben als regionale Verwaltung nur für einen Teil des Landes wahr und verfügen wie die oberen Landesbehörden über einen nachgeordneten Bereich. (4) Untere Landesbehörden, Einrichtungen oder Landesbetriebe sind entweder einer oberen oder mittleren Behörde nachgeordnet oder folgen im Instanzenzug einer anderen Landesbehörde und sind dabei nur für einen Teil des Landes zuständig. Innerhalb dieser Systematik lassen sich alle Einheiten der unmittelbaren Staatsverwaltung verorten (vgl. dazu Joachim Jens Hesse, Alexander Götz, Staatsreform in Deutschland – das Beispiel der Länder, ZSE 4/2003 (I), S. 579-612, und 1/2004 (II), S. 106-143). Betrachtet man einen Behördenbestand zunächst rein organisatorisch, so ist der Umfang abschließender Kompetenzen von der Zahl der Einrichtungen abhängig: zwei Ministerien, drei Oberbehörden, ein zentrales Amt, vier Bezirkregierungen bzw. Mittelbehörden und 20 untere Landesbehörden würden demnach 30 abschließende Zuständigkeiten begründen. Bezieht man demgegenüber auch die inhaltlichen Bestimmungsgrößen der Aufgabenverteilung mit ein, so gelangt man je nach Differenzierungsgrad zu wesentlich mehr Zuständigkeiten. Gegliedert nach sechs globalen Aufgabenbereichen könnte z. B. jedes der zwei Ministerien Zuständigkeiten in drei Kompetenzfeldern besitzen, womit sich bereits die abschließenden Zuständigkeiten der obersten Behörden von zwei auf sechs erhöhen würden (pro Aufgabenbereich jeweils zwei Ministerien). Als weiterer Komplexitätsindikator lässt sich schließlich die Zahl der instanzlichen Aufsichtsverhältnisse berechnen (etwa zwischen einem Ministerium und dem ihm nachgelagerten Landesamt oder einer Bezirksregierung und einem Landkreis). Wären im obigen Rechenbeispiel die drei Oberbehörden nur einem Ministerialressort nachgeordnet, die Mittelbehörden jedoch beiden Ministerien unterstellt, ergäbe dies einen Wert von 32 instanzlichen Behördensträngen. – Die entsprechenden Werte für den Fall Niedersachsen wurden auf Grundlage der Ressortangaben zu ihren nachgeordneten Behörden sowie der Feinkonzepte der Ministerien zur Verwaltungsreform errechnet (Stand: Juli 2004). Aus systematischen Gründen blieb dabei der Justizbereich unbeachtet. 25 (1) Organisation und Querschnittsaufgaben; (2) Allgemeine Sicherheit und Ordnung; (3) Sonderordnung; (4) Transferleistungen; (5) Öffentliche Daseinsvorsorge; (6) Bildung, Wissenschaft und Kultur.

Zweistufigkeit mit vorliegendem Konzept erreichbar

Quantitativer Test mit Hilfe eines Strukturindex

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Vereinfachung um 44% auf künftig etwa 200 Nachordnungsverhältnisse. Besonders deutlich wird dieser Effekt bei Sonderordnungsaufgaben, wo ein Minus von 65% zu verzeichnen ist, das im Wesentlichen auf die Auflösung der allgemeinen Mittelinstanzen und die Reform der Gewerbeaufsicht zurückgeht. Im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge treten sektorale Reorganisationsmaßnahmen hinzu, wie etwa bei der Straßenbauverwaltung; daraus ergibt sich eine Reduzierung vertikaler Behördenstränge um immerhin 57%. Im Ergebnis führt das niedersächsische Reformkonzept also nicht nur zu einer vertikalen Straffung aufgrund des Übergangs zur Zweistufigkeit, sondern auch zu einer horizontalen Konzentration unterschiedlicher Fachbelange; Letzteres resultiert (nach dem Verzicht auf bündelnde Mittelbehörden) im Wesentlichen aus der funktional orientierten Verbindung komplementärer Aufgabenbereiche.

Der im Zentrum dieser Untersuchung stehenden Forderung nach einer regionalen Repräsentanz des Staates sucht die Landesregierung in ihrem Konzept durch eine Mischung aus dezentraler Serviceeinrichtung und vollzugsbehördlicher Restkompetenz in Gestalt sog. Regierungsbüros zu entsprechen. Hier bestehen zwar noch Unklarheiten, positiv betrachtet aber auch Spielräume, um im Spannungsfeld zwischen Ressortinteressen und horizontalen Koordinationserfordernissen eine funktional wie materiell überzeugende Lösung zu formulieren. Dies betrifft zum einen den Umfang abschließender Genehmigungskompetenzen und Gestaltungsoptionen, zum anderen die organisatorische und prozedurale Einbindung in eine stärker nach funktionalen Ressortgesichtspunkten strukturierte Verwaltung. Beides hängt zum gegenwärtigen Zeitpunkt von der im September zu verabschiedenden Gesamtkonzeption ab, dürfte aber auch im Vollzug noch erheblich anzupassen sein. Hinzutreten solche Handlungsansätze, die im Rahmen der geplanten Evaluationsphase auszuweisen und danach schrittweise zu verwirklichen wären. Ungeachtet des fortgeschrittenen Reformprozesses sind also nach wie vor Handlungsansätze erkennbar, die den Modernisierungszielen nicht widersprechen, sondern zu ihrer Konkretisierung beitragen können.

Schließlich ist – ausweislich der von der Landesregierung vorgelegten Daten – von einer positiven Bilanz auf Seiten der avisierten Personaleinsparungen auszugehen.26 Auch wenn man unterstellt, dass der Zeitraum bis zur Realisierung der ge-planten kw-Stellen erfahrungsgemäß länger ausfällt als zunächst veranschlagt und Einschätzungen wie Berechnungsgrundlagen von Reformern gelegentlich zu optimistisch geraten, dürfen insbesondere die Stellenprognosen in der Summe als realistisch gelten. Zieht man den Vergleich zu Reformpolitiken anderer Länder und

26 Im Rahmen einer detaillierten Gesetzesfolgenabschätzung werden die prognostizierten Reformerträge in materieller wie funktionaler Hinsicht mit den politischen Maßstäben abgeglichen (Niedersächsischer Landtag – 15. Wahlperiode, a.a.O., S. 33ff.). Die personalwirtschaftlichen Ziele sollen durch Zuständigkeits- und Personalverlagerungen innerhalb des Landes (Synergien, reduzierte Aufsichts- und Arbeitsdichte), die Kommunalisierung von ortsbezogenen Kompetenzen, die Verlagerung von Aufgaben an Dritte (insbesondere berufsständische Selbstverwaltung) sowie eine Fremdvergabe bzw. funktionale Privatisierungen erreicht werden. Gemessen an den möglichen Stelleneinsparungen errechnet sich dabei eine potenzielle Erfolgsquote von knapp 91%.

Ergebnis: Effektive Vereinfachung durch horizontale und vertikale Konzentration

Spielräume für die Berücksichtigungvon regionalen Bedürfnissen

Positive Stellenbilanz

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berücksichtigt die Bandbreite der geplanten Maßnahmen, lässt sich dies bestätigen.27 Für misslich und wenig nachvollziehbar hält der Gutachter daher die aktuell durch eine interne Untersuchung des Landesrechnungshofes ausgelöste Debatte über die Höhe der erzielbaren Einsparungen. Für Verwirrung sorgt in der öffentlichen Diskussion dabei vor allem die mangelnde Unterscheidung zwischen strukturellen und monetären Effekten. Denn unabhängig davon, wie Pensionslasten anzurechnen sind (ein Problem, dem sich alle Länder gegenübersehen) und welche unmittelbaren Transformationskosten durch Umzüge, Fortbildungen u.a.m. entstehen, kommt es mittel- und langfristig überhaupt nur dann zu einer effektiven Entlastung, wenn ein gleicher oder geringerer Aufgabenbestand mit weniger Personal und ohne Qualitätsverlust bewältigt werden kann. Genau jener strukturelle Effekt bemisst sich an den künftig entbehrlichen Stellen. Die Gesetzesfolgenabschätzung der Landesregierung nimmt darauf Bezug, weist das entsprechende Einsparpotenzial zunächst in Personaleinheiten aus und errechnet daraufhin seinen monetären Wert mit Hilfe von Pauschalsummen – ein Verfahren, das durchaus üblich ist. Hierbei können in kurzer Frist Unschärfen entstehen, die u. a. auf die schwer kalkulierbaren Reformkosten sowie eine nur partiell prognosefähige Personalstandsentwicklung zurückzuführen sind, insbesondere wenn betriebsbedingte Kündigungen politisch ausgeschlossen bleiben. Mittel- und langfristig dominieren hingegen in der Reformbilanz die Einsparungen aufgrund wegfallender Personal- und Sachmittel. Aus den dargelegten Gründen gelangt der Gutachter zu der Einschätzung, dass die beabsichtigte Reform funktional wie materiell erhebliche Struktureffekte erbringen kann und ihr Ergebnis dem gegenwärtigen Status quo organisatorisch, aber auch unter Effizienzgesichtspunkten überlegen sein dürfte.

Zusammenfassung

Mit der eingeleiteten Verwaltungsmodernisierung verfolgt das Land Nieder-sachsen einen stringenten Reformansatz, der durch politische Vorgaben ange- stoßen und definiert ist: Übergang zur Zweistufigkeit, Konzentration auf Kernaufgaben, neue Arbeitsteilung zwischen Landesbehörden und Selbstverwaltungsträgern, Stärkung der Kommunen, Entbürokratisierung sowie Abbau von 6.000 Stellen.

Die einzelnen Maßnahmen erstrecken sich auf drei Reformfelder: (1) den Übergang zur Zweistufigkeit durch die Auflösung der Bezirksregierungen, (2) daran anschließend eine sektorale Funktional- und Strukturreform sowie (3) ergänzend dazu die Optimierung von Querschnittsbereichen.

Für den angestoßenen Modernisierungsprozess ist es charakteristisch, dass die systematischen Ziele der Reformprotagonisten mit Ressortinteressen in Konflikt stehen. Dieses Spannungsfeld umreißt im Übrigen auch die inhaltlichen

27 Vgl. hierzu in den Anlagen 1 und 2 die Reformpolitiken der anderen Flächenländer sowie die darauf bezogene vergleichende Analyse bei Joachim Jens Hesse, Alexander Götz, Staatsreform in Deutschland – das Beispiel der Länder, ZSE 4/2003, 579ff. und ZSE 1/2004, S. 106ff.

(Fortsetzung auf der nächsten Seite)

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Problematische Diskussion über die Anrechnung von Pensions- lasten

Mögliche Unschärfen in der kurzfristigen Bilanz vernachlässigbar

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(Fortsetzung)

und funktionalen Gegensätze, die eine bündelnde Einrichtung auf Landesebene wie in der Region zu bewältigen hat.

Ausweislich der von der Landesregierung beschlossenen Maßnahmen und Daten kann die Erreichung der Reformziele (Zweistufigkeit, Einsparungseffekte) als realistisch eingestuft werden. Mit Blick auf die Ausgestaltung einer Repräsentanz des Staates in der Fläche belässt das vorliegende Konzept Spielräume zur Anpassung auf die regionalen Bedürfnisse.

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(3) Konsequente Zweistufigkeit: Niedersachen im Vergleich der Flächenländer

Im vorangegangenen Kapitel wurde aufgezeigt, dass das Konzept der niedersächsischen Landesregierung geeignet erscheint, die benannten Reformziele zu verwirklichen. Diese Erkenntnis ist keineswegs lapidar, wenn man die unterschiedlichen Erträge von Modernisierungspolitiken anderer Länder berücksichtigt.28 Zu dieser reformpolitischen Bewertung tritt die Frage nach der Position, die Niedersachsen mit den geplanten Veränderungen im Vergleich der Flächenländer erreicht. Insbesondere geht es dabei um die erwartbaren funktionalen wie materiellen Vereinfachungseffekte. Sie erlauben Rückschlüsse darauf, inwieweit eine Modifizierung oder Stärkung regionaler Verwaltungsstrukturen die beabsichtigten Modernisierungsleistungen in Frage stellen würden oder zielgerecht ergänzen könnten. Hierzu soll im Folgenden die gegenwärtige „Reformlandschaft“ dargestellt, systematisiert und in ihr der niedersächsische Ansatz verortet werden.

Blickt man auf die Verwaltungspolitik der anderen Bundesländer, wird ersichtlich, dass die gegenwärtigen Bemühungen in Niedersachsen kein singuläres Ereignis darstellen. Vielmehr ist ein zunehmend dynamisches Reformklima erkennbar, das inzwischen die meisten der Flächenländer erfasst hat. Nach über zwei Jahrzehnten, in denen im Anschluss an die großen Verwaltungsreformen der 60er und 70er Jahre inkrementale Anpassungsleistungen dominierten, werden heute nachhaltige Organisationsveränderungen diskutiert und kommt es zu einer fast überfälligen Vereinfachung des Verwaltungshandelns. Unter Ausweis bislang vollzogener Maßnahmen und unter Zuhilfenahme von Beschlusslagen der Regierungen, Landtage und Parteien lassen sich dabei mehrere „Trends“ identifizieren, die sich zu konsistenten Reformmodellen verdichten lassen. In den Anlagen 1 und 2 finden sich die zugrundeliegenden Konzepte von Regierung und Opposition für jedes einzelne Bundesland aufgeschlüsselt.

Unter aktuellen und realen Reformtrends werden hier solche Konzepte verstanden, denen bereits vollzogene Maßnahmen zuzuordnen sind und die sich im Prozess der

Effektiver Modernisierungs-ansatz in Nieder-sachsen

Vergleich mit den Konzepten andererFlächenländer

Dynamisches Reformklima

Reformtrends und Reformmodelle

Effektive Strukturmaßnahmen als Kriterium

28 Vgl. hierzu u. a. Joachim Jens Hesse: Regierungs- und Verwaltungsreform in Nordrhein-Westfalen. Eine Zwischenbilanz und Bewertung von Regierungs- wie Oppositionsvorschlägen, Berlin 2004; Joachim Jens Hesse, Alexander Götz, a.a.O.; Kuno Schedler, Daniel Kettiger (Hrsg.), Modernisieren mit der Politik. Ansätze und Erfahrungen aus Staatsreformen, Bern u. a., 2003; Arthur Benz, Heinrich Siedentopf, Karl-Peter Sommermann (Hrsg.), Institutionenwandel in Rgierung und Verwaltung. Festschrift für Klaus König zum 70. Geburtstag, Berlin 2004. Michael Bürsch/Brigitte Müller: Verwaltungsreformen in den deutschen Bundesländern, Bonn, 1999; Unterausschuss „Allgemeine Verwaltungsorganisation“ des Arbeitskreises VI der Innenministerkonferenz (Hrsg.): Aktivitäten zur Staats- und Verwaltungsmodernisierung in den Ländern und beim Bund, Magdeburg 2002; als zentrale Datenbank siehe außerdem http://foev.dhv-speyer.de/WiDuT/ extern.htm. Ellwein, Thomas, Hesse, Joachim Jens: Der überforderte Staat, Baden-Baden 1994 (Taschenbuchausgabe Frankfurt a. M., 1997); Ellwein, Thomas: Der Staat als Zufall und Notwendigkeit. Die jüngere Verwaltungsentwicklung in Deutschland am Beispiel Ostwestfalen-Lippe, 2 Bde., Opladen, 1993/1997; Mecking, Christoph: Die Regionalebene in Deutschland, Stuttgart u.a., 1995; Wagener, Frido: Der Neubau der Verwaltung, 1969, Berlin; Manfred Miller: Vorstudien zur Organisation und Reform von Landesverwaltungen, 2 Bde., 3. überarb. Aufl., Speyer, 1998.

Umsetzung befinden. Darüber hinaus werden auch jene Reformvorstellungen ein-einbezogen, die bereits wesentliche „Hürden“ der politischen Willensbildung genommen haben und damit für Parteien, Fraktionen oder Regierungen in Form von Beschlüssen verbindlich geworden sind. Effektive Strukturreformen werden dabei als Maßnahmen definiert, die

eine bzw. mehrere staatliche oder kommunale Verwaltungsebene(n) abschaffen,

die Zahl staatlicher Behörden durch Fusionen und/oder Reduzierungen verringern,

das Nebeneinander von staatlichen und kommunalen Organisationseinheiten beenden oder

die Zahl kommunaler Gebietskörperschaften auf einer Ebene begrenzen.

Nach Maßgabe dieser Kriterien lassen sich derzeit in den deutschen Flächenländern fünf Reformtrends ausmachen (vgl. hierzu die Anlagen 1 und 2):

Optimierung des Status quo29,

Staatliche Konzentration im Rahmen der Zweistufigkeit30,

Staatliche und kommunale Konzentration im Rahmen der Zweistufigkeit31,

Staatliche Bündelung im Rahmen der Dreistufigkeit32 und

Regionalisierung im Rahmen der Dreistufigkeit33.

Abbildung 3 setzt die benannten Modernisierungstrends zu den durch sie erzielten Struktureffekten in Bezug. Maßgeblich sind dabei die vertikale und horizontale

Fünf Reformtrends

Einschätzung von Struktureffekten

29 Maßnahmen: Festhalten an hergebrachten Aufbauprinzipien (zwei-/dreistufiger Verwaltungsaufbau); vereinzelte Konzentration und Bündelung von staatlichen Behördenstrukturen im gegebenen Rahmen; Verselbständigung von Fachverwaltungen und Umwandlung in Landesbetriebe nach § 26 LHO; Delegation von einzelnen Aufgaben der mittleren und unteren Landesverwaltung auf die kommunale Kreisstufe. Beispiele: alle Bundesländer, insbesondere Sachsen, Hessen und Bayern.30 Maßnahmen: Zusammenführung von Oberbehörden und Landeseinrichtungen; Rückbau oberer Genehmigungsinstanzen; Verselbständigung und Umwandlung von Fachverwaltungen in Landesbetriebe nach § 26 LHO; deutliche Verringerung der unteren Landesverwaltung durch Integration in obere Behörden oder Verlagerung auf die kommunale Kreisstufe. Beispiele: Schleswig-Holstein, Brandenburg und Niedersachsen31 Maßnahmen: Maßnahmen wie oben, allerdings verbunden mit dem Anspruch, eine weitestgehende Kommunalisierung der unteren Verwaltungsebene und oberer Behördenkompetenzen zu verwirklichen; hierfür Erhöhung der Leistungsfähigkeit kommunaler Einrichtungen durch Anpassung der Territorialorganisation auf der Kreisstufe. Beispiele: Mecklenburg-Vorpommern und Saarland32 Maßnahmen: Rückführung der oberen und unteren Verwaltungsebene durch Integration in staatliche, regional gegliederte Mittelinstanzen und Verlagerung unterer und mittlerer Zuständigkeiten auf die kommunale Kreisstufe; daneben funktionale Neuausrichtung der gestärkten Bündelungsbehörden. Beispiele: Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt.33 Maßnahmen: Rückzug des Staates aus der Fläche durch Übertragung der mittelinstanzlichen und unterbehördlichen Aufgaben auf kommunale Regionalverbände oberhalb der kommunalen Kreisstufe; Übernahme staatlicher Ordnungs- und Fachaufgaben sowie Zuständigkeiten für die Fach- und Rechtsaufsicht über die Landkreise und kreisfreien Städte. Beispiele: CDU NRW, SPD Hessen.

Abbildung 3: Aktuelle Reformtrends und ihre Effekte

Konzentration. Erstere bemisst die Verringerung von Instanzen und Verwaltungsebenen, Letztere die Bündelung von Zuständigkeiten und die Zusammenfassung von Verwaltungseinheiten. Danach erscheint die Optimierung des Status quo als die in beider Hinsicht zurückhaltendste Reformvariante. In der relationalen Darstellung von Abbildung 3 entspricht dies der Position links unten. Blickt man demgegenüber auf jene Ansätze, die eine Straffung des Instanzenzuges und eine Verringerung von Verwaltungsebenen forcieren, offerieren sie den größten vertikalen Vereinfachungsgrad (siehe Schleswig-Holstein oder Niedersachsen). Gleichwohl verbindet sich dies mit der Gefahr, fachliche Bündelungserfordernisse zurückstellen zu müssen. Die Folge ist, dass die inhaltliche Differenzierung und Spezialisierung nicht im gewünschten Maße reduziert werden kann, weshalb dieser Ansatz im Bewertungsraster links oben zu verorten ist. Einen gänzlich anderen Reformpfad verfolgen Regionalisierungspolitiken. Hier kommt es zu einer horizontalen Bündelung auf Basis überörtlicher Selbstverwaltung. Auch wenn auf solche Verwaltungsträger staatliche Zuständigkeiten übertragen werden können, wird sich ein Land aus staats- und machtpolitischen Erwägungen bestimmte sektorale Kompetenzen vorbehalten müssen, womit wiederum der Bündelungseffekt limitiert wird; ebenso kommt es in vertikaler Hinsicht nicht oder in nur begrenzter Form zu einer Konzentration, da mit den regionalen Trägern eine neue Verwaltungsebene institutionalisiert wird. Strukturell weitergehend ist demgegenüber das Modell der staatlichen Bündelung im Rahmen der Dreistufigkeit, die zwar den Instanzenzug nur partiell, etwa in einzelnen Fachaufgaben, reduziert, dafür aber eine größtmögliche Zusam-

Status quo als zurückhaltendste Variante

Zweistufigkeit mit größter vertikaler Vereinfachung

Regionalisierung mit begrenzter Wirkung

Größere Effekte bei staatlicher Bündelung

menfassung inhaltlicher Bezüge ermöglicht (vgl. Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen oder Sachsen-Anhalt). Ein die beiden Modernisierungsrichtungen verbindendes Konzept bietet die Verknüpfung von konsequenter Zweistufigkeit mit einer umfassenden Konzentration der kommunalen Verwaltungsstrukturen auf der Kreisstufe. Hiermit entstehen in der Fläche leistungsfähige Aufgabenträger, die bislang den staatlichen Sonderbehörden vorbehaltene Kompetenzen übernehmen und auf einer dezentralen Ebene vollzugsorientiert zusammenführen (Mecklenburg-Vorpommern als Beispiel; s. Anlage 1).

Sucht man die beschriebenen Trends zu konsistenten Reformmodellen zu verdichten, kann die Optimierung des Status quo (also der Verzicht auf grundlegende Reformen) unbeachtet bleiben. Die entsprechenden Maßnahmen lassen sich in allen, auch den aktiveren, Bundesländern nachweisen, weshalb sie als eher übergreifende Modernisierungstrends denn als Verfolgung konsequenter Reformpolitiken zu charakterisieren sind. Im Hinblick auf ein zweistufiges Verwaltungssystem kann die oben beschriebene staatliche und kommunale Konzentration als das erste und im Kern wohl auch radikalste Modell angesehen werden. Es „lebt“ von der konsequenten Straffung und Rückführung staatlicher Organisationsstrukturen in der Fläche und von der umfassenden Kommunalisierung bislang staatlicher Zuständigkeiten (insbesondere unterer Landesbehörden), erforderlichenfalls im Rahmen vergrößerter Kreisstrukturen. Hier fiele vor allem dem Landrat (bei ausreichender Größe und Vernetzung mit dem Umland auch dem Oberbürgermeister einer kreisfreien Stadt) künftig eine umfassende Bündelungsfunktion zu: Das Land würde sich auf seine Kernfunktionen, also die Steuerung, diverse fachtechnische Aufgaben, polizeiliche Zuständigkeiten sowie Wissenschaft, Forschung, Hochschule und Bildung konzentrieren; der Vollzug hingegen würde vollständig in die Hände der Kommunen, nach herkömmlicher Diktion also in die Hände der Kreise und kreisfreien Städte, gelegt. Das damit verfolgte Modell wird hier als konsequente Zweistufigkeit bezeichnet. Angesichts des weitgehenden Rückzugs des Staates aus der Fläche kommt es zunächst vor allem für kleinere und mittelgroße Flächenländer in Frage.

Dem steht das Modell einer konzentrierten Dreistufigkeit gegenüber, das im Hinblick auf die Zusammenfassung staatlicher Aufgaben in den allgemeinen Mittelinstanzen auch als staatliches Bündelungsmodell bezeichnet werden kann. Eine parallele Delegation von Zuständigkeiten, vorzugsweise von der unteren und mittleren Instanz auf die Kreisebene, wird zwar gleichfalls gefordert, ergibt sich aus dem Reformansatz aber nicht so zwingend, wie dies beim zuvor skizzierten Modell der Fall ist. Das Prinzip der regionalen Bündelung ermöglicht es, weiterhin einen großen Besatz von abschließenden Genehmigungs- und Vollzugaufgaben im staatlichen Verantwortungsbereich zu halten. Berücksichtigt man die Beharrungskraft auf Seiten der betroffenen Behörden, ist sogar davon ausgehen, dass es hier gerade bei unteren Landesbehörden im Zweifelsfall eher zur Integration und Stabilisierung von Außenstellen als zu einer Dezentralisierung zugunsten der Landkreise und kreisfreien Städte kommt; dies wird durch die vergleichende Betrachtung der jüngeren Strukturreformen in den Ländern bestätigt (vgl. auch hierzu die Anlagen).

Verbindung mit einer Kommunalreform als weitestgehender Ansatz

Drei Reformmodelle:

Konsequente Zweistufigkeit

Konzentrierte Dreistufigkeit

Schließlich vermindert das Modell einer konzentrierten Dreistufigkeit für die Kommunen den Zwang, die eigenen Strukturen zu überprüfen und sich naheliegender Kooperationserfordernisse bewusst zu werden.

Als drittes und letztes, derzeit aber in keinem Bundesland im Vollzug befindliches Modell ist das einer erweiterten Regionalisierung anzusprechen. Es stellt perspektivisch darauf ab, anstelle der staatlichen Mittelinstanzen und unteren Landesbehörden sog. Regionalverbände oder -verwaltungen zu etablieren. Diese sind dann nicht mehr staatliche Verwaltungsorgane, sondern eigene Verwaltungsträger mit Rechtspersönlichkeit und dem Recht auf Selbstverwaltung, denen staatliche Aufgaben übertragen werden. Die Verwaltungsspitze dieser Regionalverbände wird mit kommunalen Wahlbeamten besetzt. Sie weisen zudem eine Verbandsversammlung aus, die von den Mitgliedskörperschaften der Kreisstufe beschickt oder direkt durch das Volk gewählt wird. Im Ergebnis kommt es hier zur Etablierung einer dritten oder gar vierten kommunalen Ebene bei Verzicht auf eine separate staatliche Regional- und Ortsverwaltung, sieht man einmal von der Polizei und dem Finanzbereich ab. Wie ausgeführt, handelt es sich bei einem solchen Regionalisierungsmodell um einen immer wieder geforderten, bislang aber in keinem Bundesland verwirklichten Reformansatz. Zwar kennen Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen höhere Kommunalverbände, doch wurden diese neben und nicht anstelle der staatlichen Behörden etabliert. Würde man das Regionalisierungsmodell verwirklichen, käme es dagegen zu einem Abbau des Nebeneinanders von staatlicher und kommunaler Verwaltung in der Region, was bei dem Modell der konsequenten Zweistufigkeit und auch beim Modell der konzentrierten Dreistufigkeit nicht zwingend der Fall wäre. Gleichwohl

Abbildung 4: Modellvergleich

Regionalisierung

bestünde hier die „Gefahr“, dass die neuen Regionalverwaltungen selbst dezentrale Behördenstandorte, also ihnen nachgelagerte untere Instanzen, ausbilden und so den vertikalen Vereinfachungseffekt in Frage stellen.34

Betrachtet man den Fall Niedersachsen, so ist die dort verfolgte Politik dem ersten Modell zuzurechnen, also der konsequenten Zweistufigkeit. Die Konstruktion der sog. Regierungsbüros, wie sie das Reformkonzept der Landesregierung bislang vorsieht, widerspricht dem nicht. Ihre organisatorische Gestalt als besondere Ausformung der Ministerialebene vermeidet die Einrichtung einer neuen Instanz. Damit bleibt der Anspruch einer zweistufigen Verwaltung gewahrt. Sowohl

Abbildung 4: Modellorientierung der Verwaltungspolitik in den Flächenländern

systematisch als auch materiell bedeutsam ist der niedersächsische Ansatz indes vor allem aus zwei weiteren Gründen: Zum einen wird nur hier, wie bislang in keinem anderen Flächenland, ein Systemwechsel vollzogen.35 Zum anderen bricht

Konsequente Zweistufigkeit als Modellorientierung

34 Demgegenüber ist zumindest für das Modell der konsequenten Zweistufigkeit anzunehmen, dass sich bei einer entsprechenden Vergrößerung der Kreisstrukturen die Existenz oder sogar die Neueinführung von höheren Kommunalverbänden erübrigen würde. Dies gilt insbesondere dann, wenn man durch eine weitgehende Einkreisung bislang kreisfreier Städte die politischen und administrativen Stadt-Umland-Konflikte soweit reduzierte, dass eine neue Verwaltungsebene keine spürbaren Vorteile mehr erbrächte.35 Demnach beinhaltete die zum Jahr 2000 in Kraft getretene Reform in Rheinland-Pfalz keine Abschaffung, sondern lediglich eine funktional ausgerichtete Umgestaltung der Mittelinstanzen. Ebenso stellt die Zusammenführung der bislang drei sachsen-anhaltinischen Regierungspräsidien zu einem Zentralen Landesverwaltungsamt zum 01.01.2004 keine Abkehr vom dreistufigen System, sondern lediglich dessen horizontale Konzentration dar.

das Konzept mit tradierten Vorstellungen von der Erfordernis einer dreistufigen und regional dislozierten Verwaltung. Angesichts der Tatsache, dass mittelgroße Länder wie Sachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Thüringen oder Hessen nach wie vor an drei Instanzen festhalten (Abbildung 4; Anlage 1), schien bislang eine Landesgröße von drei bis vier Millionen Einwohnern die Grenze zwischen zwei- und dreistufigen Systemen zu markieren. Sofern nun allerdings das Land Niedersachsen seine Reform erfolgreich zu Ende führt, erhöht sich dieser Schwellenwert beträchtlich. In Anbetracht der auch hier zum Teil sehr unterschiedlichen Bevölkerungsdichte und Siedlungsstruktur können etwaige Abweichungen dann jedenfalls nicht mehr mit dem Verweis auf Landesspezifika gerechtfertigt werden. Demnach wäre künftig ein, wenn auch konzentrierter, dreistufiger Verwaltungsaufbau lediglich in den großen Flächenländern Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen zu rechtfertigen. Begreift man die in Kapitel 2 belegten Vereinfachungseffekte als wichtigen Beitrag zu einem wirkungsvolleren und wirtschaftlicheren Staatshandeln, müssten sich hingegen die kleineren dreistufig organisierten Ländern dazu veranlasst sehen, ihre administrativen Routinen und Strukturen einer nachhaltigen Überprüfung zu unterziehen. Insofern kann die niedersächsische Verwaltungspolitik für sich in Anspruch nehmen, auf Basis einer funktionalen Analyse einzelner Aufgaben- und Zuständigkeitsbereiche neue Maßstäbe für die Ausgestaltung des Verwaltungsaufbaus gesetzt zu haben.

Angesichts dieser positiven Kennzeichnung stellt sich die Frage, ob Niedersachsen mit dem Konzept der Landesregierung bereits ein Optimum erreicht hat oder Ergänzungen geboten sind. Der Gutachter plädiert für Letzteres. Der Grund dafür liegt in den systemimmanenten Gefahren eines zweistufigen Verwaltungsaufbaus, insbesondere dann, wenn er in der Fläche keine Entsprechung in leistungsstarken und großräumigen kommunalen Aufgabenträgern findet. Genau diese Problematik hat in Mecklenburg-Vorpommern dazu geführt, die Struktur- und Funktionalreform mit einer Reduzierung der Einheiten auf der kommunalen Kreisstufe zu verbinden und im Ergebnis nur noch fünf „Regionalkreise“ auszuweisen. Ein vergleichbarer Schritt, der das in der Region Hannover Erreichte auf das gesamte Land Niedersachsen bezöge und damit regionalen Bündelungserfordernissen gerecht würde, ist in der gegenwärtigen Situation allerdings nicht realistisch. Dem widerspricht zum einen die politische Festlegung der Koalitionsparteien auf die bestehenden 38 Landkreise und acht kreisfreien Städte.36 Zum anderen würden dadurch die bereits jetzt vorhandenen Konflikte um die Zuteilung von Ressourcen und Kompetenzen massiv verschärft und damit der Reformprozess insgesamt überlastet. Insofern spricht zunächst Vieles für eine örtliche Dislozierung bestimmter Zuständigkeiten, sofern das Primat der Zweistufigkeit nicht verletzt und einer fachlichen Differenzierung kein weiterer Vorschub geleistet wird. Letzteres ist umso entscheidender, als sich die geplante Zusammenführung einzelner Einrichtungen bislang vor allem

Niedersachsen: Systemwechsel und neue Maßstäbe

Erhöhter Schwellenwert für dreistufige Systeme

Drei Instanzen nur noch in den großen Flächenländern

Systemimmanente Gefahren eines zweistufigen Verwaltungsaufbaus

Kreisgebietsreform als sinnvolles Pendant derzeit unrealistisch

36 Koalitionsvereinbarung 2003-2008 zwischen CDU und FDP für die 15. Wahlperiode des Niedersächsischen Landtages, S. 12.

innerhalb der Ressortgrenzen vollzieht und damit die horizontale Koordination unterschiedlicher Politiken erschwert werden könnte. Aus den dargelegten Gründen erscheint die Errichtung von dezentralen Regierungsbüros, gleichsam als verlängerter Arm der Ministerialverwaltung, als wichtige Voraussetzung für das Gelingen der geplanten Reformen – zumindest für eine Phase des Übergangs und bis zur Klärung der Frage, ob regionale Belange auch im Rahmen kommunaler Initiativen und Strukturen adäquat bearbeitet werden können. Unter der Prämisse, dass diese neuen Einrichtungen nicht zu einer eigenständigen Instanz ausgebaut werden, ihnen aber dennoch Funktionen und Mittel zuwachsen, um über Fachbereichsgrenzen hinweg eine effektive Koordination und Förderung regionaler Angelegenheiten zu gewährleisten, geht es im Folgenden um eine genaue Analyse der bislang vorgesehenen Organisation, der zugehörigen Aufgabenausstattung und des sich daraus ergebenden Funktionsprofils.

Zusammenfassung

Um die funktionalen und materiellen Vereinfachungseffekte der niedersächsischen Verwaltungsmodernisierung einschätzen zu können, bedarf es des Vergleichs mit den Reformpolitiken anderer Flächenländer. Auf dieser Grundlage lässt sich ermessen, ob eine regionale Dislozierung der Verwaltung möglich oder sogar geboten erscheint.

Derzeit ist auf Länderebene ein dynamisches Reformklima zu verzeichnen, das eine Reihe effektiver Strukturmaßnahmen befördert. Angesichts der gegebenen Modernisierungstrends, die sich zu drei konsistenten Reformmodellen verdichten lassen, ist die Wirkung entsprechender Politiken wie folgt zu charakterisieren:

– Demnach führt eine ‘Konsequente Zweistufigkeit’ mit durchgehend zwei Verwaltungsebenen und -instanzen zum größten Vereinfachungseffekt, erforderlichenfalls ergänzt durch eine Anpassung der kommunalen Verwaltungs- und Gebietsorganisation.

– Insbesondere in größeren Flächenländern hält eine ‘Konzentrierte Dreistufigkeit’ an hergebrachten Aufbauprinzipien und einer staatlichen Repräsentanz in der Fläche fest, erreicht aber durch eine weitgehende Integration von Sonderbehörden in die Mittelinstanzen (und ggf. Kreise) eine erhebliche horizontale Bündelung.

– Schließlich ermöglicht eine potenzielle ‘Regionalisierung’ zwar einen Verzicht auf Bezirksregierungen, begrenzt aber zugleich das Maß der Konzentration fachlicher und inhaltlicher Belange und erhöht die Zahl der gebietskörperschaftlichen Ebenen.

Niedersachsen folgt mit seinem Reformansatz dem Modell der konsequenten Zweistufigkeit und ist das einzige Land, das gegenwärtig einen Systemwechsel vornimmt. Auf diese Weise werden neue Maßstäbe für jene Größenordnungen gesetzt, die einen dreistufigen Verwaltungsaufbau angemessen erscheinen lassen. Zugleich sehen sich damit vor allem die mittelgroßen Flächenländer aufgefordert, ihr Festhalten an vertikal differenzierten Strukturen zu begründen.

(Fortsetzung auf der nächsten Seite)

Dislozierte Regierungseinrichtungen notwendig Frage nach Organisation, Aufgaben und Funktionsprofil

(Fortsetzung)

Gleichwohl ist auch für den Fall Niedersachsen auf Risiken hinzuweisen. So drohen angesichts der großen Fläche und einer demgegenüber uneinheitlichen Kreisstruktur fachbereichsübergreifende und regionale Koordinationsdefizite. Diese sollen durch eine Dislozierung von Regierungsstellen aufgefangen werden, ohne das Primat der Zweistufigkeit in Frage zu stellen. Insofern müssen die geplanten Regierungsbüros als wichtige Voraussetzung für das Gelingen der Reform betrachtet werden. Ihre sachgerechte Ausgestaltung und Weiterentwicklung erscheinen zumindest für eine Phase des Übergangs erforderlich, bis kommunale Arbeitszusammenhänge äquivalente Koordinationsleistungen bereit stellen können.

(4) Was bleibt in der Region? Das erklärungsbedürftige Konzept der Landesregierung

Niedersachsen: Staatliche Repräsentanz in den Regionen

Kernstück der niedersächsischen Verwaltungsreform ist also die Auflösung der Bezirksregierungen und der Übergang von einer dreistufigen zu einer zweistufigen Aufbauorganisation. Damit verbunden ist neben der vertikalen Vereinfachung und Stärkung von Ressortzusammenhängen eine Verringerung der staatlichen Präsenz in der Fläche, was angesichts der Landesgröße das benannte Problem zu kleinteiliger Kreisstrukturen aufwirft. Aus diesem Grund und mit Blick auf die im Modernisierungskonzept nicht ausgeschöpften Bündelungspotenziale der Fachverwaltungen37 müssen die gleichfalls geplanten Regierungsbüros als wesentlicher Bestandteil der Reform gelten. Ausweislich der dem Gutachter vorliegenden Materialien und der von Interviewpartnern gewährten Einblicke in den Modernisierungsprozess ist dabei von folgendem Organisations- und Funktionsprofil auszugehen:

Die Regierungsbüros sind als „spezielle Ausprägung der Ministerialebene der Landesregierung“ konzipiert und sollen als eigene Referatsgruppe in die Linienorganisation des Ministeriums für Inneres und Sport integriert werden. 38

Vergleichbar ist diese Konstruktion den „zugeordneten Ämtern“ in Schleswig-Holstein sowie den Außenstellen der Gemeinsamen Landesplanung Berlin-Brandenburg, einer länderübergreifenden Ministerialabteilung der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und des Brandenburger Ministeriums für Landwirtschaft, Umweltschutz und Raumordnung.39 Die räumlichen Verantwortungsbereiche der vier Regierungsbüros entsprechen denen der heutigen Bezirksregierungen; der verschiedentlich vorgetragenen Forderung, ggf. eine größere Anzahl von Standorten, unter besonderer Berücksichtigung der Mittelzentren im ländlichen Raum, vorzusehen, wurde mithin nicht entsprochen.40

Die Regierungsbüros repräsentieren keine eigene Instanz. Ihre Tätigkeit unterliegt auch nicht der klassischen Rechts- und Fachaufsicht, mit Ausnahme der Weisungskompetenz der nächsthöheren Leitungsebene im Ministerium (Abteilung, Staatssekretär, Minister). Für die Praxis ist dieses Prinzip freilich insoweit einzuschränken, als im Hinblick auf die Wahrnehmung von Verwaltungs- und Koordinationsaufgaben einzelner Ressorts deren Vorgaben und Einzelfallentscheidungen Folge zu leisten ist.

Im Mittelpunkt der zu übertragenden Kompetenzen sollen Koordinations- und Serviceaufgaben stehen, die für und an Stelle der Ministerien in der Fläche erbracht werden. Hinzutreten informatorische und kommunikative Funktionen,

Auflösung der Bezirksregierungen als Kernstück der Reform

Funktions- und Organisationsprofil:

Spezielle Ausprägung der Ministerien

Keine eigene Instanz, sondern Teil der Linien- organisation

Koordinations- und Service aufgaben im Mittelpunkt

37 Letzteres ist i. e. S. nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung. Dennoch wird der Gutachter hierzu einige komplementäre Handlungsansätze in Kap. 10 formulieren.38 Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport, Vorschlag zur Errichtung von Regierungsbüros, Hannover 24. Juni 2004, S. 8 und 28f.39 Vgl. hierzu § 5 Abs. 2 Allgemeines Verwaltungsgesetz für das Land Schleswig-Holstein (Landesverwaltungsgesetz – LVwG): „Zur Entlastung der obersten Landesbehörden von Verwaltungsarbeit können Ämter gebildet werden, die mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestattet sind, aber Bestandteile der obersten Landesbehörden bleiben. Diese Ämter müssen aus ihrer Behördenbezeichnung die oberste Landesbehörde erkennen lassen, der sie zugeordnet sind.“; für Berlin-Brandenburg: http://www.mlur.brandenburg.de/cms/detail.php?template=mlur_g_detail&id=107433 &_siteid=100 .40 Niedersächsischer Städte- und Gemeindebund, Stellungnahme: Verwaltungsreform; Regierungsbüros, Hannover 2. Juni 2004;

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die sich wiederum an den regionalen Interessen, daneben aber auch an den ministeriellen Anforderungen, zu orientieren haben. Schließlich sollen den Regierungsbüros auch einzelne Verwaltungs- und Vollzugskompetenzen zugeordnet werden, sofern diese einen primär regionalen Bezug aufweisen.

Dieser grundsätzlichen Ausrichtung haften zwei Probleme an: Zum einen stellt sich die Frage, auf Basis welcher „harten“ Kompetenzen, finanziellen Mittel und organisatorischen Einbindung die Regierungsbüros ihren Koordinationsaufgaben nachkommen können. Zum anderen muss ein institutioneller und prozeduraler Modus definiert werden, nach dem die Büros in die Lage versetzt werden, unterschiedliche Fachbelange aufeinander abzustimmen, ohne Verantwortlichkeiten zu verwischen und eine neue Instanz zu begründen. Diesen Punkten sucht das vorliegende Konzept zunächst durch einen umfangreichen Katalog eher „weicher“ Kompetenzen gerecht zu werden. Im Mittelpunkt stehen Aufgaben der Regionalentwicklung und eines bereits in der Vergangenheit von den Bezirksregierungen verfolgten Regionalmanagements.41 Beabsichtigt ist die intensive Zusammenarbeit mit Wirtschaftsverbänden, Gewerkschaften, betroffenen Fachbehörden, vorhandenen Einrichtungen und der Wissenschaft. Entsprechende Initiativen und Projekte sollen zum einen von der Ministerialverwaltung beauftragt, zum anderen aber auch von den Regierungsbüros selbst und in Reaktion auf externe Anforderungen wahrgenommen werden.

Die benannten Kompetenzen verbinden sich mit Moderations-, Beratungs-, Unterstützungs- und Koordinationsleistungen in den folgenden Bereichen:42

Wirtschaft, Arbeitsmarkt, Tourismus und Infrastruktur (nicht-monetär ausgerichtete Aufgabenstellungen ohne Verkehrsinfrastruktur – Ressort MW)43,

Bildung und Ausbildung (Ressort MI)44,

Kunst und Kultur (Ressort MWK)45,

Europabüro und Innovationsberatung (einschließlich Carrefour, regionale Positionierung, Betreuung strategischer Partnerschaften – Ressort StK),

Zwei Probleme:

Welche harten Kompetenzen?

Welche Koordinations- und Integrationskraft?

41 Vgl. dazu Bezirksregierung Lüneburg, Regionalmanagement Niedersachsen (ReM), Projektbericht 2001/2002 (30.06.2002), Bezirksregierung Hannover: http://www.bezirksregierung-hannover.de/ master/C304484_N4745_L20_D0_I750.html.42 Quellen: Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport, a.a.O.; Kabinettsvorlagen der Fachressorts Mai bis August 2004.43 Dies beinhaltet im Geschäftsbereich des Wirtschaftsministeriums die Moderation und Begleitung von infrastrukturellen Großprojekten der gewerblichen Wirtschaft sowie von kreisübergreifenden gewerblichen Infrastrukturprojekten mit regionalem und überregionalem Bezug (ohne Verkehrsinfrastruktur); die Betreuung regionaler Arbeitskreise und Netzwerke sowie die Mitarbeit in entsprechenden Projekten; die programmübergreifende Beratung der Kommunen im Hinblick auf EU-Förderpolitiken; Moderationsleistungen zur flächendeckenden Umsetzung regionaler Strukturpolitiken sowie tourismusfachliche Funktionen (Bewertung von Förderanträgen und Beratung). 44 Die genaue Definition der damit verbundenen Aufgaben steht noch aus und soll später im Einvernehmen mit der Ministerialebene des Innenressorts erfolgen.45 Im Mittelpunkt steht die fachliche Verknüpfung und Vernetzung von ökonomischen, touristischen und kulturellen Belangen (Förderung von Projekten der Zusammenarbeit zwischen beiden Bereichen, Initiierung von Gesprächskreisen, Projektentwicklung und -betreuung im Bereich Kulturtourismus).

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Landesentwicklung und Raumordnung (einschließlich von Management- und Koordinationsaufgaben auf den Gebieten der Landes- und Regionalentwicklung sowie der länderübergreifenden Zusammenarbeit – Ressort ML),46

Interkommunale Kooperation und Kommunalberatung (ohne Kommunalaufsicht i. e. S. – verbleibt im MI) sowie

Service- und Unterstützungsaufgaben (einschließlich Ausbildung zum höheren allgemeinen Verwaltungsdienst, Evaluation und Controlling u. a. m.)47.

Eine materielle Ergänzung erfahren diese Zuständigkeiten durch den Vorschlag, Raumordnungsverfahren, die Genehmigung von Flächennutzungsplänen, die Fachaufsicht über nachgeordnete Bauordnungs- und Landesplanungsbehörden sowie die angedachte Anschubförderung interkommunaler Zusammenarbeit durch die Regierungsbüros durchführen zu lassen. Diese Zuordnungen stoßen jedoch auf Widerstände der betroffenen Fachressorts. So werden seitens des Wirtschaftsministeriums generelle Vorbehalte gegen die eher offen formulierten Zuständigkeiten in den Bereichen Wirtschaft, Arbeitsmarkt, Tourismus und Infrastruktur, Europa- und Innovationsberatung sowie Landesentwicklung geäußert. Dem Modell zustimmen will man hier (wie auch im Landwirtschaftsministerium) nur, wenn die vollständige Weisungsbefugnis der jeweiligen obersten Behörde gewahrt bleibt und die Regierungsbüros überhaupt nur dann in den genannten Bereichen tätig werden, wenn sie sich zuvor mit den Fachressorts abgestimmt haben oder auf deren explizite Aufforderung hin handeln.

Materielle Ergänzung durch ROV-, FNP- und Förderkompetenzen

Widerstände der Fachressorts

46 Diesem Komplex werden aus dem Geschäftsbereich des Ministeriums für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz insbesondere die folgenden Aufgaben zugerechnet: Stimmberechtigte Mitgliedschaft im IMAK „Landesentwicklung und ländliche Räume“; Initiierung, Begleitung und Förderung interkommunaler und regionaler Zusammenarbeit; Mitwirkung an der Erstellung und Umsetzung aus den Regionen erarbeiteter Entwicklungskonzepte und Projekte; Begleitung der Strategie- und Projektentwicklung sowie der Projektumsetzung im Rahmen der Metropolregionen und Großräume; Umsetzung des Regionalisierungsfonds (Initiierung von Netzwerken und Projekten, Mittelvergabe); Gemeinschaftsinitiative Interreg III B und Folgeinitiativen; Initiierung und Begleitung von Projekten in der Nordsee- und Ostseekooperation; Beobachtung und Bewertung der räumlichen und strukturellen Entwicklung der Gebietskörperschaften und Regionen; Strukturdatenaufbereitung, Strukturberichte; Empfehlungen für Prioritätensetzung und Koordinierung der strukturwirksamen Fördermittel aus regionaler Sicht; Fördermitteldatei (Erfassung und Auswertung der strukturwirksamen Fördermittel); alle Aufgaben im Bereich Raumordnung im Zusammenhang mit Beratungsleistungen, Planungsaktivitäten, Moderation und Kooperation; Konkretisierung und Umsetzung der Ziele und Grundsätze des Landesraumordnungsprogramms; Unterstützung der Träger der Regionalplanung im Rahmen der Aufstellung regionaler Raumordnungsprogramme; Unterstützung der unteren Landesplanungsbehörden bei der Durchführung von Raumordnungsverfahren, der regionalen Abstimmung von großen Vorhabenplanungen und der Lösung von Konfliktfällen mit Fachbehörden; grenzüberschreitende Abstimmung und interkommunale Zusammenarbeit bei Vorhaben von überörtlicher Tragweite; Unterstützung für die Fachplanungen und für potenzielle Vorhaben/- oder Interessenträger zur Abstimmung mit den Zielen der Raumordnung. Im Bereich der länderübergreifenden Zusammenarbeit sind bei den einzelnen Regierungsbüros folgende räumliche Schwerpunkt-Zuständigkeiten vorgesehen: das RB Braunschweig für Kooperationen mit Sachsen-Anhalt, Thüringen und Hessen, das RB Lüneburg entsprechend für Projekte mit Hamburg, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg, das RB Nienburg für die Zusammenarbeit mit Nordrhein-Westfalen sowie schließlich das RB Oldenburg für Bremen und die Niederlande. 47 Ressort MI: Ausbildung der Rechtsreferendare sowie zum höheren allgemeinen Verwaltungsdienst, Errichtung einer Jobbörse, Abwicklung von Einzelkapiteln; Ressort MW: Unabhängige Stelle gem. ESF-Richtlinien (nur RB Oldenburg); Ressorts MI und ML: Informationspool für raumbedeutsame Daten (GIS); alle Ressorts: unterstützende Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für die Ministerien.

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Ähnliche Kritiken richten sich gegen den Komplex der regionalen Verwaltungsaufgaben. Dieser dritte Kompetenzbereich umfasst insbesondere

Ehrungen und Hoheitsangelegenheiten (Ressort StK),

die Weitergabe von eiligen Beflaggungsanordnungen (Ressort StK),

Aufsichts- und Genehmigungsbefugnisse im Stiftungswesen (Ressort MI),

die Durchführung von Enteignungs- und Entschädigungsverfahren (Ressort MI),

die Zuständigkeit für Abkommen zur internationalen Amtshilfe (nur RB Lüneburg – Ressort MI),

Legalisations- und Apostilleverfahren (Ressort MI),

den Tag der Ehrenamtlichen (Ressort MS),

Einzelaufgaben der Wirtschaftsordnung (Ressort MW)48,

die Vergabekammer (nur RB Lüneburg – Ressort MW) sowie

Preis- und Kostenprüfungen (Strompreisprüfungen nur RB Braunschweig – Ressort MU).

Die Einwände zielen entweder auf effizientere Lösungen in Form einer direkten Integration in die Ministerial- oder andere Fachbehörden oder aber auf eine strikte Weisungsabhängigkeit.

Obgleich zum Zeitpunkt der Gutachtenerstellung einige Ressorts noch Nachmeldungen zu den regionalen Verwaltungsaufgaben angekündigt haben und die skizzierten Konflikte um die detaillierte Ausformulierung von Zuständigkeiten sich weiterhin im Klärungsprozess befinden, sind dennoch Grundzüge erkennbar, die sich vor allem auf organisatorische und funktionale Fragen beziehen, unabhängig davon, ob und wenn ja welche Einzelaufgaben abschließend in der Region zu bearbeiten sein werden. Demnach handelt es sich bei den Regierungsbüros in erster Linie um dislozierte Arbeitsplätze der jeweiligen Ministerien. Aufgrund der von den Ressorts geforderten Weisungsabhängigkeit wird die Tendenz sichtbar, die Büros in der Praxis eher als Bürogemeinschaften denn als bündelnde Vor-Ort-Einheiten zu sehen.49 Dies begrenzt die koordinativen Fähigkeiten, insbesondere dann, wenn eine Koppelung unterschiedlicher Fachbelange und Genehmigungstat-

Regionale Ver- waltungsaufgaben

Forderung nach Weisungsrecht der Ministerialebene

Vor diesem Hintergrund zunächst Beurteilung von Funktion und Organisation

Dominanter Ressortdurchgriff, begrenzte Koordinations- fähigkeit

48 Schwarzarbeitbekämpfung (Koordinierung, Überwachung von Maßnahmen), Versicherungsaufsicht (Statistiken über kleine Versicherungen), Außenwirtschaftsverkehr (Stellungnahmen in Straf- und Bußgeldsachen), Genehmigung (nach § 49 Abs. 1 Außenwirtschaftverordnung), öffentliches Auftragswesen (Nachprüfstelle nach § 31 VOB/B), Preis- und Kostenprüfungen (Preis- und Betriebsprüfung bei öffentlichen Aufträgen), Anerkennung und Überwachung von Kurorten.49 Verstärkt wird diese Problematik durch die Ansiedlung von Außenstellen anderer Behörden (etwa des Landesamtes für Denkmalpflege), für die die Regierungsbüros Unterstützungsleistungen erbringen sollen, denen gegenüber sie aber weder ein gesondertes Koordinierungs- und Weisungs-, noch ein spezielles Informationsrecht ausüben können.

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bestände sowie deren eigenständige Abwägung nur sehr begrenzt möglich sind. Somit bleibt in weiten Teilen offen, wie die den Büros zugedachten horizontalen Aufgaben und die ressortbezogenen Abstimmungs- und Vollzugsmechanismen miteinander vereinbart werden können. Entscheidend dafür sind die Anforderungen, die seitens der Ministerien gestellt werden; hinzutritt die Weigerung, Entscheidungskompetenzen tatsächlich und abschließend in regionalisierter Form wahrnehmen zu lassen, wenn auch unter der Dienstaufsicht eines Ressorts.50

Im Ergebnis reduziert sich damit der regional effektive, vor Ort gestaltbare Handlungsspielraum auf die oben als eher „weiche“ Aufgaben charakterisierten Zuständigkeiten. Diese aber setzen sich aus fachbereichsübergreifenden Kompetenzen zusammen, die immer dann mit Ressortinteressen kollidieren, wenn sie über das Stadium reiner Projektideen und Konsultationen hinausgehen. Auch wenn die Regierungsbüros über eigene Budgets zur Förderung von Vorhaben oder über das angesprochene Initiativrecht zur Entwicklung regionaler Kooperationszusammenhänge verfügen, stoßen sie spätestens bei der Verstetigung entsprechender Zusammenhänge auf die dargestellten Hindernisse, da diese nur mit Billigung und intensiver Mitarbeit der jeweils zuständigen Ministerialebene zu überwinden sind. Eine Lösung könnte zwar darin bestehen, die betreffenden Fachbelange unter dem Dach eines Ressorts zu vereinigen, doch ist derzeit nicht mit den dafür erforderlichen Änderungen der ministeriellen Geschäftsbereiche zu rechnen (etwa mit Blick auf eine Verlagerung der Zuständigkeiten für Raumordnung, Bauleitplanung und Regionalentwicklung). Hinzu kommt, dass auch das hierfür besonders geeignete Innenministerium Schlüsselkompetenzen, wie die Kommunalaufsicht, zentralisieren will.

Die angesprochenen Defizite werden nicht zuletzt auch in den externen Stellungnahmen zur Ausgestaltung der Regierungsbüros thematisiert. Sie beziehen sich im Wesentlichen auf den Umfang der abschließenden Entscheidungskompetenzen und damit auf klassische Kategorien der institutionellen Verwaltungsorganisation. Während etwa die Landkreise mit Blick auf eigene Vollzugskapazitäten regionale Kompetenzen staatlicher Einrichtungen ablehnen, werden genau jene von den Vertretern der Städte und Gemeinden eingefordert.51 Die Unternehmensverbände Niedersachsens plädieren gleichfalls für konkrete Zuständigkeiten oder statt dessen

Keine Lösung durch „weiche“ Kompetenzen

Neuabgrenzung der Geschäftsbereiche scheidet aus

Kritik seitens der Kommunen und der Wirtschaft

50 Letzteres ist bereits heute die Voraussetzung für eine effektive Bündelung durch die Bezirksregierungen. Trotz erheblicher Zweifel an deren koordinativen Kapazitäten (Thomas Ellwein, Joachim Jens Hesse, Staatsreform in Deutschland – das Beispiel Hesse, Wiesbaden/Konstanz/Berlin 1997, Joachim Jens Hesse, Regierungs- und Verwaltungsreform in Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf/Berlin 1999) gewährleisten die Ausformung als eigene Instanz und die dienstaufsichtlichen Befugnisse des Regierungspräsidenten als Behördenleiter wenigstensein Minimum an ressortübergreifendem Handeln. 51 Niedersächsischer Landkreistag, Stellungnahme: Denkbare Aufgaben für die Regierungsbüros nach der Ressortabfrage, Hannover 4. Juni 2004; Niedersächsischer Städte- und Gemeindebund, a.a.O.; Niedersächsischer Städtetag, Stellungnahme: Verwaltungsreform in Niedersachsen, Hannover 2. Juni 2004.

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(zumindest implizit) für einen vollständigen Verzicht auf die Regierungsbüros.52

Ähnlich äußern sich die Industrie- und Handelskammern sowie die regionalen Interessenvertreter, wobei hier der Wunsch nach einer vollzugsstarken Behörde dominiert. Indes haftet beiden Perspektiven ein grundlegendes Missverständnis an. Demnach sind die Regierungsbüros eben nicht als Ersatz für die bisherigen Bezirksregierungen konzipiert, da sie mit Blick auf das Primat der Zweistufigkeit keine neue Instanz begründen sollen. Sofern dort abschließende Zuständigkeiten wahrgenommen werden, erscheint es deshalb angemessener, die regierungsintern verwandte Chiffre von der „ortsnahen Einstufigkeit“ einzuführen. Damit aber stellen die betrachteten Organisationseinheiten eine neue Verwaltungskategorie dar, denen die geforderte Gestaltungsfähigkeit, jenseits einer eigenen instanzlichen Ausprägung, vor allem durch eine entsprechende Einbindung in die Strukturen und Abläufe der Ministerialebene zuwachsen muss. Im Vollzug ist dafür eine die Ressortgrenzen überwindende Bündelungsfähigkeit notwendig, im Konfliktfall wird der Zugang zu den relevanten Entscheidungsebenen erforderlich. Hinsichtlich dieser Punkte wurden bislang vor allem kommunikative Routinen, nur in Teilen aber effektive Verfahrensbeteiligungen vorgesehen.53 Letztere beziehen sich im Wesentlichen auf ein Vortragsrecht beim zuständigen Minister, das auf die Fälle beschränkt wird, denen ein ressortübergreifender, im Regierungsbüro nicht zu lösender Konflikt zu Grunde liegt. Nicht weiter differenziert werden die im Zusammenhang mit der neuen Organisationsform durchaus interessanten Instrumente der Zielvereinbarung sowie eines darauf bezogenen Ergebnis-Controllings, mit dem zeitlich begrenzte Projektverantwortlichkeiten zwischen den Ressorts besser geregelt werden könnten. Bislang will man in solchen Fällen weiterhin auf die Routinen der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Ministerien in Niedersachsen (GGO) zurückgreifen54; mögliche Änderungen sind einer Zwischenevaluation vorbehalten. Die Mitsprache des Innenministeriums als oberste Behörde, der die Regierungsbüros als Referatsgruppe inkorporiert sind, soll über eine Einvernehmensregelung bei der Übertragung von Zuständigkeiten durch andere Ressorts gewährleistet werden.

Der Gutachter sieht in den dargestellten Problemen und dem bislang eher skizzenhaften Funktionsverständnis der Regierungsbüros dennoch eine Chance, das vorliegende Konzept zu ergänzen. Dabei sollen sowohl die Vorgaben der Verwaltungsmodernisierung als auch die dezentralen Koordinationserfordernisse berück-

Regionalbüros kein Ersatz für Bezirksregierungen, sondern neue Verwaltungsform

Effektivität von funktionaler und organisatorischer Einbindung abhängig

Ansatzpunkte für eine zielgerechte Ergänzung des Modernisierungs-konzeptes

52 Unternehmensverbände Niedersachsen e. V., Stellungnahme zur Errichtung von Regierungsbüros, Hannover 27. Mai 2004; Niedersächsischer Industrie- und Handelskammertag, Stellungnahme: Regierungsbüros, Hannover 7. Juni 2004.53 Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport, a.a.O., S. 26f.: Einbeziehung in die regelmäßigen Dienstbesprechungen der Ressorts; Durchführung regelmäßiger Regionalgespräche durch die beteiligten Ressorts; dabei Abstimmung von Arbeitsplanungen; regelmäßige Abstimmungsgespräche zwischen dem Wirtschaftsministerium, den Regierungsbüros, der NBank und deren Außenstellen; Teilnahme der Regierungsbüros an der IMAK „Landesentwicklung und ländliche Räume“ als stimmberechtigte Mitglieder; Vertretung des Landes in Kooperationen, Lenkungsausschüssen, Arbeitsgruppen und Arbeitskreisen mit den Kommunen und den anderen Bundesländern durch die Regierungsbüros.54 Vgl. hier insbesondere die Regelungen zum Verhältnis zwischen Kabinetts- und nachgeordneter Ministerialbefugnis sowie zur Zusammenarbeit oberster Landesbehörden.

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sichtigt und die Ressortansprüche angemessen austariert werden. Hierzu bedarf es einer funktionsanalytischen Betrachtung, die klärt, wie der „einstufige“ Staat in der Fläche präsent sein soll und kann, in welchen Aufgaben- und Kompetenzfeldern er dabei notwendiger Weise aktiv werden müsste und wie die entsprechenden Organisationseinheiten personell und organisatorisch auszugestalten sind. Diesen Aspekten wendet sich die Untersuchung in den drei nachfolgenden Kapiteln zu.

Zusammenfassung

Die Auflösung der Bezirksregierungen und der Übergang zur Zweistufigkeit sind das Kernstück der niedersächsischen Verwaltungsreform. Damit verbunden ist eine verringerte staatliche Präsenz in der Fläche und eine Stärkung von Ressortzusammenhängen, weshalb den geplanten dezentralen Regierungsbüros eine wichtige Funktion im Modernisierungskonzept zukommt.

Bislang ist von folgendem Funktionsprofil der Regierungsbüros auszugehen: (1) Sie sind als spezielle Ausprägung der jeweiligen Ministerialebene konzipiert und damit (2) keine eigene Instanz, sondern Teil der Linienorganisation, unterliegen mithin den inhaltlichen Weisungen der betreffenden Ressorts. (3) Im Mittelpunkt ihrer Tätigkeit stehen Service- und Koordinationsaufgaben, die um informatorische und kommunikative Funktionen sowie um einzelne regionale Verwaltungs- und Vollzugskompetenzen ergänzt werden.

In diesem Zusammenhang stellen sich zwei Probleme: Die Frage nach harten Zuständigkeiten und entscheidungsrelevanten Ressourcen sowie die nach der effektiven Koordinations- und Integrationsfähigkeit. Während Erstere aufgrund bislang eher weicher Kompetenzen nur sehr eingeschränkt erkennbar sind, dürfte Letztere mit Blick auf die institutionell starke Stellung der Fachressorts auf herkömmlichem Wege kaum zu erreichen sein.

Schließlich ist die externe Betrachtung der Regierungsbüros nach wie vor von traditionellen Verwaltungskategorien geprägt. Die von der Landesregierung beabsichtigte „ortsnahe Einstufigkeit“ macht allerdings eine erweiterte Perspektive und eine neue institutionelle Ausrichtung erforderlich. Dies bezieht sich vor allem auf die funktionale und organisatorische Einbindung der Büros. Hier besteht nach wie vor Ergänzungsbedarf, der in den folgenden Kapiteln unter Berücksichtigung reformpolitischer Prämissen, dezentraler Koordinationserfordernisse und den Ansprüchen der Fachressorts zu klären ist.

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(5) Präsenz in der Fläche: ein funktionsanalytischer Zugang

Ausgehend von einem künftig zweistufigen Verwaltungsaufbau lautet die zentrale Frage der vorliegenden Untersuchung, wie der Staat in einem Land von der Größe und regionalen Differenziertheit Niedersachsens in der Fläche präsent bleiben kann. Dies stellt im engeren Sinne kein Problem dar, wenn abschließende und letztverantwortliche Zuständigkeiten im staatlichen Wirkungskreis verbleiben. Hierfür stehen Außenstellen der oberen Verwaltung oder untere Landesbehörden zur Verfügung; im Fall Niedersachsens gilt das u. a. für die künftige Organisation im staatlichen Straßenbau und die Gewerbeaufsicht. Anders verhält es sich mit Aufsichtsbefugnissen gegenüber Dritten und kommunalen Aufgabenträgern. Hinzutreten unterschiedliche Fach- und Ressortbelange, die in der Region aufeinander abzustimmen sind. Beide Aspekte dienen herkömmlicher Weise als Begründung für die Errichtung dreistufiger Verwaltungssysteme mit Bezirksregierungen als allgemeiner bündelnder Mittelinstanz. Von diesem Prinzip rückt das niedersächsische Reformkonzept ab, indem es zunächst unter Effizienzgesichtspunkten auf eine mittlere Verwaltungsinstanz verzichtet und so zu einer Verringerung von Verwaltungsstrukturen und zu kürzeren Verfahrenswegen beiträgt.

Neben Erwägungen, die vor allem der Wirtschaftlichkeit verpflichtet sind, müssen bei der Modernisierung von Staat und Verwaltung jedoch auch solche Kriterien Berücksichtigung finden, die der (politischen) Effektivität von Institutionen, dem Erhalt und der Stärkung von Bürgernähe und Teilhabe sowie der operativen Realisierbarkeit erforderlicher Anpassungsleistungen dienen.55 Die Maßstäbe der Bürgernähe und Teilhabe können im Rahmen der vorliegenden Untersuchung zurückgestellt werden, da eine (zusätzliche) unmittelbare demokratische Legitimation auf der regionalen Ebene aus systematischen Gründen abzulehnen ist56 und man insbesondere mit dem Prinzip dezentralisierter Regierungsstellen dem Bedürfnis nach Orts- und Bürgernähe zu entsprechen sucht.57 Die Realisierbarkeit

55 Die Effizienz, Effektivität, Bürgernähe bzw. Teilhabe und Realisierbarkeit von Reformen umfassen die wesentlichen Kriterien, die in Theorie und Praxis regelmäßig bei der Planung und Bewertung von Modernisierungspolitiken herangezogen werden. Dabei meint Effizienz Wirtschaftlichkeit und Zielgenauigkeit beim Einsatz verfügbarer Ressourcen. Mit Blick auf die Aufbauorganisation betrifft dies vor allem die Möglichkeit, in vertikal wie horizontal konzentrierten Kontexten die Verwendung von Personal- und Finanzmitteln flexibel und bedarfsorientiert steuern zu können. Effektivität ist dagegen als primär politische Kategorie zu verstehen. Hier geht es um die Steuerungsfähigkeit von Staat und Kommunen, um die Qualität und Zielgenauigkeit ihres Handelns sowie um das Reaktionsvermögen gegenüber einem zunehmend anspruchsvollen Umfeld. Teilhabe und Bürgernähe beziehen sich auf die Legitimation öffentlicher Einrichtungen und ihrer Tätigkeit sowie auf die Möglichkeit, über gewählte Organe das Staatshandeln (direkt) reglementieren, kontrollieren und fordern zu können.? Schließlich muss sich jede Reform auch an ihrer Realisierbarkeit messen lassen. Damit ist die „Machbarkeit“ und Akzeptanz nach innen angesprochen. Ferner beinhaltet dies die Zustimmung von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Dabei kommt der Frage nach der Reformdauer und den politischen wie materiellen Kosten zentrale Bedeutung zu (Joachim Jens Hesse, Alexander Götz, a.a.O.).56 Auf die entsprechenden Argumente in Kapitel 3 wird verwiesen; für eine ausführliche Diskussion dieser Frage vgl. Joachim Jens Hesse, Regierungs- und Verwaltungsreform in Nordrhein-Westfalen. Eine Zwischenbilanz und Bewertung von Regierungs- wie Oppositionsvorschlägen, Berlin 2003.57 Ähnliches gilt für die beabsichtigte Bündelung im Rahmen der zehn Gewerbeaufsichtsämter, die sich insbesondere an die Adresse gewerblicher Anspruchsgruppen richtet.

von Modernisie-

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Präsenz in der Fläche bei Aufsichts- und Koordinations-aufgaben

Auflösung der Mittelinstanzen aus Effizienzerwägungen

Daneben Berücksichtigung von Effektivität, Bürgernähe/Teilhabe und Realisierbarkeit

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rungspolitiken erweist sich hingegen als eine durchgehend relevante Fragestellung. Angesichts des in Niedersachsen weit vorangeschrittenen Reformprozesses kann von der grundsätzlichen Durchsetzbarkeit der geplanten Maßnahmen ausgegangen werden. Gleichwohl sind die derzeit noch möglichen Änderungen in der Reformstrategie begrenzt. So dürften sich, zumindest kurzfristig, systematische Ansätze zur Lösung des Bündelungsproblems, etwa der strukturgerechte Neuzuschnitt ministerieller Geschäftsbereiche, eine weitergehende funktionale Bündelung der nachgeordneten Landesverwaltung oder eine komplementäre Kreisgebietsreform als wenig realistisch erweisen. Um den laufenden Modernisierungsprozess nicht zu überfordern, werden die nachfolgenden Empfehlungen daher als pragmatische „Optimierung“ des gegenwärtigen Reformansatzes und nicht als dessen grundlegende Neuorientierung konzipiert.

Neben einer erhöhten Wirtschaftlichkeit geht es demnach bei der Betrachtung, was in der Fläche an staatlicher Repräsentanz verbleiben soll, vor allem um die Gewährleistung und Erhöhung der Effektivität öffentlichen Handelns.58 Damit sind Kategorien der Steuerungsfähigkeit und der Responsivität gegenüber externen Anforderungen angesprochen. So sollte eine effektive Verwaltung im Rahmen ihrer Zuständigkeiten und Routinen sowie unter Beachtung der politischen und rechtlichen Vorgaben den Ansprüchen von Bürgern, gesellschaftlichen Gruppen und Unternehmen gerecht werden können. Jenseits standardisierter Massengeschäfte, die etwa im Einwohnerwesen oder bei KfZ-Angelegenheiten primär auf Kundenfreundlichkeit auszurichten sind, verlangt dies ein Mindestmaß an Ermessensspielräumen sowie die Kompetenz, unterschiedliche Belange gegeneinander abzuwägen. Mit anderen Worten: Regional effektive Verwaltung sollte über die Fähigkeit verfügen, bei komplexen Genehmigungs- oder Entwicklungsaufgaben Koppelgeschäfte und Güterabwägungen im Interesse örtlicher Belange vorzunehmen.

Um das Konzept der regionalen Effektivität zu operationalisieren und auf den Fall Niedersachsen anzuwenden, zieht der Gutachter vier komplementäre Dimensionen heran. Sie basieren auf einem systematischen Vergleich der Verwaltungsstrukturen und Modernisierungsansätze in zehn deutschen Flächenländern59 und beziehen neben aufbauorganisatorischen auch prozedurale Gesichtspunkte ein. Im Mittelpunkt stehen dabei (in den offenbar unvermeidbaren Anglizismen der Reformterminologie) der „Output“ und der „Outcome“ des Verwaltungshandelns, mithin also der Frage, aufgrund welcher institutionellen und materiellen Voraussetzungen eine Behörde entsprechend ihrer politischen und rechtlichen Vorgaben tätig werden kann und welche Wirkung sie dabei im einzelnen erzielt:

58 Zum Verhältnis von Effizienz und Effektivität als komplementäre, in Teilen jedoch auch zuwider laufende Kriterien Kuno Schedler, Isabella Proeller, New Public Management, 2. Aufl., Bern u. a. 2003, S. 67f.59 Vgl. hierzu die Arbeiten des Gutachters in Hessen (1996/1997 und 2002), Nordrhein-Westfalen (1998/1999 und 2003), Brandenburg (1999), Schleswig-Holstein (1999/2000), Mecklenburg-Vorpommern 1999/2000), Rheinland-Pfalz (2000), Sachsen-Anhalt (2000), Baden-Württemberg (2002), Bayern (2002) sowie Saarland (2003/2004).

Realisierbarkeit der Reformen ist gegeben

Pragmatische Optimierung des Reformansatzes

Regionale Effektivität im Mittelpunkt der Betrachtung

Optimierung der Regierungsbüros in vier komplementären Dimensionen:

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Abschließende Entscheidungskompetenzen Ausgehend von klassischen Behördenkategorien berührt dies zunächst die sachliche Zuständigkeit einer Organisationseinheit. Dieses Merkmal wird in Form abschließender und letztverantwortlicher Entscheidungsbefugnisse sowie mit Blick auf den Umfang und die Gestaltungsrelevanz der gegebenen Kompetenzen betrachtet.

Initiativrechte Während materielle Entscheidungskompetenzen durch gesetzlich normierte Aufgabenzuweisungen begründet werden, zeichnet sich die Verwaltungspraxis durch eine Vielzahl weiterer, im Vollzug entstehender Funktionen aus. Neben Planungs- und Koordinationsaufgaben zählen dazu auch jene Vorgänge und Projekte, die in Reaktion auf externe Anforderungen zustande kommen bzw. von einer Verwaltungseinheit initiiert werden (etwa aufgrund regionaler Disparitäten, besonderer Entwicklungsbedarfe u. ä. m.). Diesen Aufgaben liegen häufig keine expliziten Anweisungen, sondern allgemein gefasste Ermächtigungen zugrunde, bis hin zur pragmatischen Duldung einer politisch gewünschten, aber nicht formal konstitutierten Tätigkeit. Im Fall der niedersächsischen Bezirkregierungen ist in diesem Zusammenhang auf den seit einigen Jahren verfolgten Regionalmanagementansatz zu verweisen.60

Verfahrensintegration Unabhängig von konkreten Entscheidungskompetenzen und der Möglichkeit, bislang nicht normierte Vorhaben zu initiieren und damit in begrenztem Umfang auch neue Aufgaben auf die Agenda zu setzen, hängt die regionale Effektivität einer Behörde insbesondere von ihrer Fähigkeit ab, sich in das übrige Regierungs- und Verwaltungshandeln einzubringen. Diese Verfahrensintegration kann passiv ausgestaltet sein, z. B. in Form von gesetzlich vorgeschriebenen Benehmens- und Einvernehmensregelungen. Darüber hinaus sind proaktive Handlungsansätze denkbar, etwa aufgrund von Informationsrechten, Kontroll- und Koordinierungsaufgaben sowie bei der Heranziehung von Verfahren, wenn dies aus übergeordneten und sachlichen Erwägungen zweckmäßig erscheint.

Ressourcenausstattung Schließlich hängt die Gestaltungskraft auch von der gegebenen Ressourcenausstattung ab. Dies betrifft zunächst die arbeitsnotwendigen Sachmittel und Personalkapazitäten. Sie müssen dem Arbeitsanfall und den fachlichen Anforderungen entsprechen. Hinzutreten jene Ressourcen, die nicht zur unmittelbaren Aufgabendurchführung bestimmt sind, sondern in Form von Fördermitteln der Unterstützung und Aktivierung Dritter dienen (Wirtschaftsunternehmen, Kommunen und soziale Verbände als Beispiele).

Zur Veranschaulichung der damit erfassten Eigenschaften stellt Abbildung 5 das Funktionsprofil der bisherigen Bezirksregierungen dem der geplanten Regierungsbüros gegenüber. Demnach lassen sich Bezirksregierungen als klassische Behördenkategorie mit einem hohen Ressourceneinsatz und einem umfangreichen

60 Vgl. dazu die Projekte und Vorhaben der Bezirksregierungen Lüneburg und Hannover als Beispiele (http://www.bezirksregierung-lueneburg.de/master/C635824_N3542_L20_D0_I769.html, http://ww w.bezirksregierung-hannover.de/master/C22910_N4745_L20_D0_I750.html).

(1) Kompetenzen

(2) Initiativrecht

(3) Verfahrens-integration

(4) Ressourcen

Funktionsvergleich zwischen Bezirks-regierungen und Regierungsbüros

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Katalog abschließender Entscheidungskompetenzen charakterisieren. Ferner fungieren die Mittelinstanzen als Motor und in Teilen auch als Initiator regionaler Politiken, sofern dazu Aufträge erteilt worden sind, ein entsprechendes Amtsverständnis vorherrscht oder sich dies aus regulären Aufsichts- und Genehmigungsaufgaben ergibt. Daneben verfügen sie aufgrund ihrer instanzlichen Position, der damit verknüpften Aufsichtsbefugnisse sowie ihrer Rolle als Widerspruchsbehörden über eine starke prozedurale Integration in das übrige Staats- und Verwaltungshandeln. Demgegenüber stellen die Regierungsbüros (bewusst) keine eigene Instanz, sondern lediglich ausgelagerte Regierungseinrichtungen dar. Ihr Ressourcenumfang fällt daher sehr viel geringer aus, ebenso die Einbindung in die künftig primär nach Ressortgesichtspunkten organisierten Verwaltungsstrukturen und -abläufe. Zwar sollen sie verstärkt als regionale Koordinatoren auftreten und dezentrale Entwicklungsmaßnahmen befördern, allerdings fehlt ihnen dafür, wie im vorangegangenen Kapitel erläutert, eine Reihe effektiver Voraussetzungen, insbesondere mit Blick auf die Art ihrer Entscheidungskompetenzen und eine regelmäßige Verfahrensintegration. Nachfolgend werden daher die Funktionsmerkmale der vorliegenden Konzeption in allen vier Dimensionen analysiert und Optimierungsansätze ausgewiesen.

Abbildung 5: Funktionsprofil von Bezirksregierungen und Regierungsbüros im Vergleich

Umfang und Reichweite abschließender Entscheidungskompetenzen

Die Kompetenzausstattung der Regierungsbüros berührt einen im gegenwärtigen Reformprozess sehr kontrovers diskutierten Bereich. Das Konzept der Landesre-

Funktionsprofil von Bezirksregierungen und Regierungsbüros

Regional effektive Kompetenzen gefordert

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gierung sieht dazu bislang die in Kapitel 3 dargestellten Aufgaben der Koordination, des regionalen Vollzugs und der Planung vor. Wie zu Beginn erläutert, hält der Gutachter dabei vor allem solche Befugnisse für sinnvoll, die den Büros (qua Zuständigkeit) die Bündelung und Abwägung unterschiedlicher Fachbelange erlauben. Dies gilt aber nur unter der Bedingung eines ansonsten strikt reduzierten Kompetenzkatalogs, um Doppelstrukturen und neue Aufsichtsverhältnisse zu vermeiden. Ferner ist das Primat der Kommunalisierung zu beachten. Das heißt, dass grundsätzlich nur solche Aufgaben für eine Regelzuständigkeit der Regierungsbüros in Betracht kommen, die einerseits (aus Kapazitätsgründen) nicht auf die Städte und Gemeindeverbände verlagert werden können und andererseits einen ausgeprägten regionalen und ressortübergreifenden Charakter besitzen, wodurch eine Wahrnehmung auf der Ministerialebene aufgrund der dort gegebenen Distanz und mangelnden Bündelungsfähigkeit zu Vollzugsdefiziten führen würde. Blickt man auf die derzeit avisierten Aufgaben, so wird in dieser Hinsicht ein gewisses Missverhältnis erkennbar: Einer Reihe nur in Teilen verwandter und in der Sache sehr spezifischer Aufgaben stehen deutlich weniger regional effektive Zuständigkeiten gegenüber. So dürften Legalisations- und Apostilleverfahren wie auch die Stellungnahmen in Straf- und Bußgeldsachen des Außenwirtschaftsverkehrs kaum der Beförderung regionaler Entwicklungspolitiken dienen. Dagegen reduzieren sich die in dieser Hinsicht gestaltungsrelevanten Befugnisse weitgehend auf die Durchführung von Raumordnungsverfahren sowie die Genehmigung von Flächennutzungsplänen, soweit dafür nicht die unteren Landesplanungs- und Baubehörden zuständig sind. Dieses, auch nach jüngsten Anpassungen des Reformkonzeptes fortbestehende Ungleichgewicht korrespondiert offensichtlich mit der Neigung der

Abbildung 6: Regionale Effektivität von Entscheidungskompetenzen

Primat der Kommunalisierung beachten

Konzentration auf wenige gestaltungs- starke Aufgaben

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Fachressorts, relevante Kompetenzen in den Ministerien zu monopolisieren. Im Sinne der Realisierbarkeit empfiehlt der Gutachter deshalb, den Wirkungskreis der Regierungsbüros im Bereich der sog. regionalen Verwaltungsaufgaben weiter zu reduzieren, zumindest aber die spezifischen Vollzugsfälle auf Grundlage von Zielvereinbarungen zeitlich zu befristen. Im Gegenzug sollten sich die Regierungsbüros auf wenige, dafür aber gestaltungsstarke Querschnittskompetenzen konzentrieren. Kriterien für die Auswahl solcher Zuständigkeiten sind der regelmäßige örtliche oder regionale Bezug, die Verbindung zu anderen Ressort- und Fachbelangen sowie die Bedeutung für das kommunale Umfeld (s. dazu Abbildung 6). Aus Sicht des Gutachters könnte dies zumindest einzelne Aufgaben der bislang oberen Kommunalaufsicht einschließen. Nach den vorliegenden Reformplänen soll jenes Kompetenzfeld vollständig in der Ministerialverwaltung angesiedelt werden. Für Teilbereiche der Aufsichtsbefugnisse erscheint dies durchaus angemessen. Demnach kann etwa die Bearbeitung von Disziplinarangelegenheiten von einer gewissen Ortsferne profitieren und somit zu objektiveren Verfahren beitragen. Im Gegensatz dazu entfalten Genehmigungen im Bereich der kommunalen Gemeinschaftsarbeit unmittelbare Wirkungen, die die Herausbildung von regionalen Arbeits- und Entwicklungszusammenhängen konditionieren. Hierzu zählen u. a. die Zulassung von Zweckverbänden (etwa zur Trägerschaft von interkommunalen Gewerbegebieten durch kreisfreie Städte und Umlandgemeinden) oder die Genehmigung von öffentlich-rechtlichen Vereinbarungen zur gemeinsamen Wahrnehmung von Verwaltungs- und Ordnungsaufgaben.61 Entlang der geschilderten Differenzierung nach formalen und ortsübergreifenden Belangen auf der einen sowie regionalen und entwicklungsbezogenen Aufsichtsaufgaben auf der anderen Seite empfiehlt der Gutachter deshalb eine arbeitsteilige Wahrnehmung der Kommunalaufsicht zwischen Ministerialebene und Regierungsbüros, wobei Letztere für die regional effektiven Angelegenheiten zuständig sein sollten. Auf diese Weise ließe sich auch die bislang vorgesehene Aufgabe der Kommunalberatung mit Leben erfüllen, da die Städte und Gemeindeverbände nunmehr in den Büros entscheidungsbefugte Ansprechpartner vorfänden. Zu ergänzen wäre dieser Aspekt schließlich durch die Befugnis zur finanziellen Förderung von innovativen Kooperationsprojekten; hierauf wird weiter unten im Zusammenhang mit der Ressourcenausstattung zurückzukommen sein.

Zurückhaltend beurteilt der Gutachter hingegen eine erweiterte Zuständigkeit für Sonderordnungsaufgaben, insbesondere in den Bereichen des Umwelt- und Naturschutzes sowie der Gewerbeaufsicht. Hier soll es im Rahmen einer umfassenden Reorganisation der oberen und unteren Landesverwaltung zu einer funktionalen Konzentration kommen, die sich in der spezifischen Form ihrer Bündelung insbesondere an die Bedürfnisse gewerblicher Adressaten richtet. Dieser Ansatz erscheint sinnvoll, um ein effizientes und qualitätsbewusstes

61 Entsprechende Sachverhalte ergeben sich aus den Genehmigungsbefugnissen aufgrund des Niedersächsischen Gesetzes zur Kommunalen Zusammenarbeit sowie fachgesetzlicher Regelungen (§ 168 Abs. 3 Sätze 3 und 4 NWG als Beispiel).

Verwaltungshandeln zu

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Regionaler Bezug, Querschnitts-charakter und kommunale Relevanz als Kriterien

Dezentralisierung von Aufgaben der bislang oberen Kommunalaufsicht

Arbeitsteilung nach formalen und orts- übergreifenden sowie regionalen und entwicklungsbezogenen Zuständigkeiten

Beschränkung von Sonderordnungsaufgaben auf befristete Zuständigkeiten bei ressort- übergreifenden Projekten

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gewährleisten. Gleichwohl wären Routinen und Verfahren zu entwickeln, die den Regierungsbüros in ressortübergreifenden Genehmigungssachen und Vorhaben eine Mitwirkung ermöglichen, ggf. sogar eine Moderationsrolle oder Federführung übertragen. Hierfür könnten entsprechende Imperative in die GGO aufgenommen werden. Darüber hinaus wäre im Zuge der von der Landesregierung geplanten Evaluationsphase zu prüfen, ob die in den einzelnen Fachgesetzen üblichen Regelungen zur Zuständigkeitsklärung bei sich überschneidenden Amts- und Verantwortungsbereichen zugunsten der Regierungsbüros ausgelegt werden sollten; demnach könnte den Regierungsbüros künftig die Rolle zukommen, Angelegenheiten befristet in ihre Zuständigkeit zu übernehmen, für die mehrere Behörden örtlich zuständig sind oder in denen es zweckmäßig erscheint, gebiets- und bezirksübergreifend einheitliche Regelungen zu schaffen.62 Die entsprechenden Kompetenzen wären im Rahmen von Zielvereinbarungen zwischen den letztverantwortlichen Fachressorts und dem Innenministerium festzulegen.

Initiativrechte zur Wahrnehmung regional bedeutsamer Aufgaben und Projekte

Das von den Initiatoren der Regierungsbüros sowie den regionalen Vertretern gewünschte Initiativrecht zur Koordination und Unterstützung regionaler Entwicklungspolitiken wird durch die bislang dargestellten Maßnahmen prinzipiell gestützt. Darüber hinaus bleibt der Gutachter allerdings skeptisch, was einzelne Zuständigkeiten in der Praxis zu bedeuten haben und welche Relevanz sie für Dritte entfalten können. Zwar ist die ernsthafte Begleitung von Projekten der Wirtschaft, des Arbeitsmarktes, des Tourismus und der Infrastruktur durch möglichst viele öffentliche Akteure ohne Zweifel wünschenswert, häufig jedoch wenig zielführend. Mit der Entscheidung zur Auflösung der Mittelinstanzen sind hier Grenzen gezogen worden, die ein überbordendes Projektmanagement vermeiden sollen und nicht durch skizzenhafte Allzuständigkeiten aufgeweicht werden dürfen. Insofern wendet sich der Gutachter gegen ein generelles Aufgabenfindungsrecht der Regierungsbüros, wie es das Ergebnis recht offen formulierter Zuständigkeiten sein könnte. Statt dessen verweist er auf die konsequente Handhabung des Instruments der Zielvereinbarung, welches den Ressorteinfluss im Vollzug reduzieren und die Gestaltungsspielräume der Büros erhöhen würde. Um die Ressorts zu entsprechenden Arbeitsaufträgen zu veranlassen, könnte auch in diesem Zusammenhang in die GGO ein Prüfvorbehalt eingefügt werden, der die Regierungsbüros für alle ressortübergreifenden Regionalbelange zuständig macht, sofern aus wichtigem Grund nichts Anderes geboten ist und begründet werden kann. Darüber hinaus sollten sich ihre koordinativen und kommunikativen Zuständigkeiten immer auf bestimmte Funktionen beziehen, so etwa die Vertretung des Landes in grenzüberschreitenden Projekten und die Leitung der im Konzept für Regierungsbüros vorgesehenen Re-

62 Bislang ist für diese Fälle im Rahmen der Sonderordnungsgesetze eine Zuständigkeitsentscheidung der jeweils höheren (Fach-)Behörde vorgesehen (§ 170 Abs. 2 NWG als Beispiel).

Initiativrecht auf Basis klarer Funktionen und Kompetenzen

Jedoch kein generelles Aufgabenfindungsrecht

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gional- und Abstimmungsgespräche.63 Zur Absicherung regionaler Politiken hält der Gutachter schließlich eine Variante des inhaltlichen Initiativrechts für denkbar, das (neben der Vorlage bei nicht auflösbarem Ressortkonflikt) bei Anfragen oder Anträgen Dritter mit einem direkten Vortragsrecht bei den Abteilungsleitern der Fachressorts und der Hausspitze des Innenministeriums verbunden werden könnte. Ein fortlaufendes Tätigwerden in den betreffenden Angelegenheiten sollte dann wiederum mit klaren Zielvorgaben versehen werden, um Parallelstrukturen und unkoordiniertes Handeln zu vermeiden. Über aktuelle Vorgänge, Projektstände sowie neuere Entwicklungen wären die Ministerien in Form eines regelmäßigen Berichtswesen zu informieren; darüber hinaus sollte jährlich für jedes Büro ein Projekt- und Arbeitsplan erstellt werden, der eine Effektivitätskontrolle und strukturiere Planung der dezentralen Regierungstätigkeit ermöglicht.

Möglichkeiten einer verstärkten Verfahrensintegration

Mit den bislang vorgetragenen Überlegungen käme es zu keiner Ausweitung des Zugriffs der Regierungsbüros, sondern zunächst zu einer Konsolidierung der in regionalen Zusammenhängen unverzichtbaren Zuständigkeiten. Zugleich ließen sich durch die stärkere inhaltliche Konzentration Konflikte mit Ressortinteressen vermindern. Dies könnte Spielräume für eine stärker prozedurale Integration eröffnen. Eine solche Einbindung in das übrige Staats- und Verwaltungshandeln dürfte sich als hilfreich für die Wahrnehmung regional- und entwicklungspolitischer Initiativen erweisen, unabhängig davon, ob sie von außen an die Regierungsbüros herangetragen oder von diesen selbst initiiert werden. Im Sinne der eingangs aufgestellten Prämisse, das Modernisierungskonzept zu ergänzen, jedoch nicht grundlegend zu verändern, sollten entsprechende Ansätze der verfahrensmäßigen Integration so ausgestaltet werden, dass sie keine Verflechtungen und internen Blockaden auslösen. Insofern wäre von zusätzlichen Genehmigungen oder Zustimmungsvorbehalten erneut Abstand zu nehmen. Denkbar blieben hingegen Möglichkeiten, sich in anderweitig verursachte Problemsituationen lösungsorientiert einzubringen, etwa auf Antrag Dritter als Schlichter tätig zu werden, Vorschläge zur Weiterentwicklung und Verbesserung bestehender Routinen vorzutragen oder die Modera-tion in Behörden- und Trägerkonferenzen wahrzunehmen. In all diesen Punkten wäre das Recht der Regierungsbüros entscheidend, jenseits einer ordentlichen Beauftragung, wie sie oben geschildert wurde, als „Agendasetzer“ Vorschläge zu unterbreiten und diese im jeweiligen Zusammenhang zwingend berücksichtigt zu wissen. Hinzu träten informatorische Routinen, wie sie bereits gegenwärtig vorgesehen sind, sowie ein Vortragsrecht bei der Hausspitze, das zumindest innerhalb des Innenressorts flexibel zu handhaben wäre.

63 Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport, Vorschlag zur Errichtung von Regierungsbüros, Hannover 24. Juni 2004, S. 26.

Planungs- und Berichtspflichten

Spielräume für eine prozedurale Integration

Möglichkeit zur lösungsorientierten Beteiligung an komplexen Prozessen

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Weiteren Ergänzungsbedarf sieht der Gutachter vor allem in zwei Bereichen: Zum einen sollten die von den Ministerien übertragenen Aufgaben durchgehend auf Zielvereinbarungen beruhen, womit Einzelanweisungen weitgehend entbehrlich würden. Hierdurch ließe sich die Gefahr einer neuen Instanz vermeiden und die Eigenverantwortlichkeit dislozierter Regierungsstellen stärken. Zugleich würden mit solchen Arbeitskontrakten die bislang dominanten Ressortgrenzen in ihrer Bedeutung für die Verwaltungspraxis relativiert, ohne dafür eigenständige Mittelinstanzen mit Bündelungsfunktion vorhalten zu müssen.64 Zum anderen wäre im Interesse einer dauerhaften inhaltlichen Kompetenz dafür Sorge zu tragen, dass in den Regierungsbüros eine regelmäßige Beschäftigung mit unterschiedlichen Ressortbelangen stattfindet. Hierzu würde sich ein auch im Konzept der Landesregierung angedeuteter Evaluations- und Controllingauftrag gegenüber einzelnen Fachpolitiken anbieten.65 Der Gutachter empfiehlt daher die Auflage eines Pilotprojektes, das die Evaluation der Regierungsbüros mit der Prüfung sowie ggf. dem Aufbau einer dezentralen Regierungsplanung und Wirkungskontrolle verbindet. Diese neuartige Funktion erscheint insbesondere mit Blick auf die effektive Handhabung der oben geforderten Zielvereinbarungen erforderlich, da sie zusammen mit einem regelmäßigen und transparenten Berichtswesen die Voraussetzung dafür schafft, dass sich die Fachressorts an Stelle der klassischen Fach- und Dienstaufsicht auf eine zurückhaltende Steuerungsform beschränken. Zuzuordnen wäre dem eine entsprechende Verantwortung im Geschäftsbereich der Staatskanzlei, um der Regierungsspitze ein weiteres Informations- und Steuerungsinstrument an die Hand zu geben und die Akzeptanz in den Ministerien zu gewährleisten.

Ressourcenausstattung

Als letzte Dimension ist die Ressourcenausstattung der Regierungsbüros anzusprechen. Hier erscheint dem Gutachter eine Erweiterung des Personalkörpers über die bislang für jedes Büro vorgesehenen 50 Stellen hinaus aus funktionalen wie organisationspolitischen Gesichtspunkten nicht sinnvoll. So würde eine höhere Zahl von Mitarbeitern die Binnenorganisation von drei Referaten überlasten und damit die interne Differenzierung, Spezialisierung und das organisatorische Wachstum befördern. Eine Ausnahme bilden jene Bedarfe, die sich aus befristet erteilten Arbeitsaufträgen der einzelnen Fachressorts ergeben. Für solche Zwecke wären Abordnungen vorzusehen, die jeweils mit der Erledigung der betreffenden Aufgaben enden.66 Ungeachtet dessen ist auf die Gefahr hinzuweisen, dass im Zuge der Reform von den Fachressorts für die Büros in erster Linie kw-Stellen gemeldet

64 Zur organisatorischen Relevanz der Zielvereinbarungen und der Rolle der interministeriellen Zusammenarbeit siehe Kap. 7.65 Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport, a.a.O., S. 24.66 Daneben könnte es infolge der hier unterbreiteten Vorschläge auch zu einer Verringerung der „Kernbelegschaft“ kommen, vor allem, wenn einzelne regionale Vollzugsaufgaben nicht, wie bislang vorgeschlagen, in den Regierungsbüros, sondern durch die Ministerien, andere Landesbehörden, Dritte oder einzelne Kommunen (als Vor-Ort-Aufgaben) wahrgenommen werden.

wer-

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Ergänzungsbedarf in zwei Bereichen:

(1) Zielvereinbarungen

(2) Kombinierter Evaluations- und Controllingauftrag

Keine Erhöhung des Basispersonals

Ausnahme: befristete Aufträge und Abordnungen

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den. Damit aber würde die langfristige Planungssicherheit der dezentralen Einheiten nachhaltig beeinträchtigt. Deshalb plädiert der Gutachter dafür, die Meldung von kw-Stellen im Bereich der Regierungsbüros nur mit Zustimmung des Innenministeriums zuzulassen, sofern die betreffenden Personaleinheiten nicht vollständig im Einzelplan des Innenressorts etatisiert werden. Darüber hinaus wäre eine Regelung vorzusehen, wonach bei einer erfolgreichen Etablierung der neuen Verwaltungsform die dort bestehenden kw-Stellen in reguläre Planstellen umgewandelt werden können.

Der zweite die Ressourcenausstattung betreffende Aspekt beinhaltet die Möglichkeit, Entwicklungsmaßnahmen durch die Bearbeitung und Gewährung von Fördermitteln des Landes zu unterstützen. Diese Frage wird bislang noch sehr kontrovers diskutiert. Der Gutachter folgt in dieser Frage den Einwänden des Wirtschaftministeriums, wonach Förderaufgaben der Regierungsbüros die bei der NBank vorgesehene Bündelung in Frage stellen würden. Gleichwohl sollten die Büros zumindest über eine instrumentelle Kompetenz bei der Fördermittelberatung verfügen. Hierzu bedarf es kundigen Personals, das bereits heute in den Bezirksregierungen vorhanden ist. Darüber hinaus spricht auch in diesem Zusammenhang nichts gegen eine Beauftragung der Regierungsbüros durch das Wirtschaftsministerium oder die NBank, sofern es sich im Einzelfall um ortsspezifische Projekte handelt. Eine direkte Vergabekompetenz hält die Gutachter indes bei der Förderung von Projekten der interkommunalen Zusammenarbeit für sinnvoll. Hierzu könnte, wie bereits verschiedentlich angesprochen, aus der Verbundmasse des kommunalen Finanzausgleichs ein Betrag für gezielte Unterstützungsmaßnahmen vorab entnommen werden. Als Alternative böte sich ein gesondert finanziertes Zweck- bzw. Sondervermögen an, dessen Finanzierung kurzfristig über Kreditaufnahmen, langfristig jedoch aus Mitteln des Landeshaushaltes abgedeckt werden könnte.67 Zu steuern wäre die entsprechende Vergabepraxis über Zielvereinbarungen mit dem Ministerium für Inneres und Sport. Als leitende Kriterien sollten dabei nicht nur das zentralörtliche System, sondern vor allem inhaltliche Aspekte und der Innovationscharakter entsprechender Projekte dienen. Jene Politiken ließen sich mit Kompetenzen der (arbeitsteiligen) Kommunalaufsicht, der Kommunalberatung sowie der Landesentwicklung und Raumordnung verbinden; auf die bislang nach wie vor eher zögerlich genutzten Instrumente des raumordnerischen Vertrags und regionalen Flächennutzungsplans sei an dieser Stelle verwiesen.

Die vorgenommene Funktionsanalyse kommt im Wesentlichen zu zwei Ergebnissen: Die Regierungsbüros stellen für den hier diskutierten Reformprozess

67 Als Beispiel für eine vergleichbare Konstruktion sei auf das im Saarland gebildete Sondervermögen „Fonds Kommunen 21“ (Gesetz über das Sondervermögen „Fonds Kommunen 21“ – Artikel 4 des Gesetzes Nr. 1487 vom 13. Dezember 2001, geändert durch das Gesetz vom 12. Dezember 2002 (Amtsbl. 2003 S. 2) hingeweisen. Jenes Gesetz enthält Regelungen zur finanziellen Honorierung von herausragenden Einsparbemühungen einzelner Kommunen. Die dafür erforderlichen Mittel sind in einem zeitlich befristeten Sondervermögen zusammengefasst, dem temporär Kreditaufnahmen gestattet sind, bei einer entsprechenden Entwicklung der Steuer- und Haushaltslage Gelder aus der Finanzausgleichsmasse zugeführt werden und das zuletzt im Rahmen des Landeshaushaltes abgedeckt ist.

zumin-

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Gefahr eines Übergewichts an kw-Stellen

Keine generellen Förderaufgaben, lediglich Förder- beratung

Unterstützungsmittel für interkommunale Kooperationsprojekte

Zwei Ergebnisse:

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Abbildung 7: Ergebnisse der Funktionsanalyse

dest mittelfristig eine notwendige Organisationform dar und sind mit den vorliegenden Planungen im Grundsatz richtig konzipiert. Gleichwohl ist Ergänzungsbedarf erkennbar. Dieser setzt vor allem bei der Kompetenzausstattung und bei der prozeduralen Einbindung in das sonstige Regierungs- und Verwaltungshandeln an. Die dazu gemachten Ausführungen beinhalten noch keine abschließenden Kompetenzzuweisungen, sondern umreißen unter den gegebenen Prämissen zunächst ein optimiertes Funktionsprofil. Dessen Prinzipien liegen den Empfehlungen in Kapitel 6 (Aufgabenkatalog), 7 (Organisation) und 8 (Personalausstattung) zugrunde. Wie Abbildung 7 verdeutlicht, geht es dabei um eine Konzentration der materiellen Zuständigkeiten auf regional gestaltungsstarke Kompetenzen, die Absicherung der Handlungsfähigkeit in der gesamtstaatlichen Ablauforganisation sowie eine angemessene Positionierung im organisatorischen und politischen Gefüge des Landes.

Zusammenfassung

Nach der Entscheidung, die Bezirksregierungen aufzulösen, stellt sich in Anbetracht der Größe Niedersachsens die Frage nach der Präsenz des Staates in der Fläche. Neben Effizienzerwägungen spielen dabei vor allem Gesichtspunkte der regionalen Effektivität eine herausgehobene Rolle. Mit Blick auf die politische Realisierbarkeit sollten hier funktionale Anpassungsleistungen Vorrang vor strukturellen Eingriffen haben, die den laufenden Modernisie-

(Fortsetzung auf der nächsten Seite)

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Regierungsbüros notwendig

Ergänzungsbedarf bei Aufgaben und Verfahren

Konzentration auf Gestaltungsaufgaben, Verfahrensintegration und angemessene Stellung

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(Fortsetzung)

rungsprozess überlasten würden (Kreisgebiets- oder Kabinettsreform als Beispiele). Deshalb konzentriert sich der Gutachter auf solche Optimierungsansätze, die den dezentralen Regierungsstellen angemessene Entscheidungsmöglichkeiten und die Fähigkeit zur Koppelung unterschiedlicher Fachbelange einräumen, ohne die Grundprämisse der Zweistufigkeit in Frage zu stellen. Hierzu wurde eine Funktionsanalyse der geplanten Regierungsbüros in vier Dimensionen vorgenommen:

● Umfang abschließender Entscheidungskompetenzen

● Initiativrecht zur Wahrnehmung regionaler Angelegenheiten

● Prozedurale Einbindung in das Regierungs- und Verwaltungshandeln

● Ressourcenausstattung

Der Wirkungskreis der Regierungsbüros sollte sich auf gestaltungsstarke Querschnittsaufgaben konzentrieren. Dies könnte sinnvoller Weise Teile der Kommunalaufsicht einschließen. Abgesehen von befristeten Einzelaufträgen hält der Gutachter eine generelle Verlagerung von Sonderordnungskompetenzen auf die Regierungsbüros nicht für sinnvoll, weil damit die Reformansätze in anderen Fachbereichen, vor allem in der Umwelt- und Gewerbeaufsichtsverwaltung, konterkariert würden.

Daneben sollen Initiativrechte zur Förderung und Begleitung regional bedeutsamer Politiken auf klaren Funktionszuweisungen beruhen. Ein generelles Aufgabenfindungsrecht wird dagegen abgelehnt. Statt dessen sollten den Regierungsbüros in Form von Vor- und Antragsrechten flexible Zugänge in die übrige Landes- und Regierungsadministration gewährt werden, um auf regionale Bedarfe zeitnah aufmerksam machen zu können. Eine Kompetenzzuweisung zur Wahrnehmung neuer Vorhaben müsste auf Grundlage einer entsprechenden Zielvereinbarung erfolgen.

Wesentliche Spielräume für eine verbesserte regionale Effektivität eröffnen sich bei der prozeduralen Einbindung in die gesamtstaatliche Ablauforganisation. Hier sollten Möglichkeiten zur lösungsorientierten Beteiligung an komplexen Verfahren und kommunikative Mitwirkungsformen geschaffen werden (Moderation von Behörden- und Trägerkonferenzen, Regional- und Abstimmungsgespräche usw.). Darüber hinaus wäre das Handeln der Regierungsbüros nicht durch Einzelanweisungen, sondern vor allem mittels Zielvereinbarungen zu steuern, die den einzelnen Büros ein eigenständiges Handeln erlauben. Hinzutreten bereichsübergreifende Evaluations- und Controllingaufträge, um vor Ort ausreichende Fachkompetenz zu verankern und wichtige Steuerungsinformationen für das Regierungshandeln bereit zu stellen.

Ausgehend von den bisherigen Planungen hält der Gutachter die avisierte Ressourcenausstattung der Regierungsbüros für ausreichend, um regionale Aufgaben im erforderlichen Umfang wahrzunehmen. Eine Übertragung von operativen Förderkompetenzen wird abgelehnt, gleichwohl erscheint die Vorhaltung von Beratungskapazität sinnvoll. Direkte Vergabebefugnisse werden nur für die Förderung interkommunaler Kooperation vorgeschlagen; dies würde die gleichfalls empfohlene Kompetenz für Raumordnungsverfahren und die Genehmigung von Flächennutzungsplänen funktional ergänzen.

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(6) Staatliche Repräsentanz in der Fläche: Entwicklung, Aufsicht, Genehmigung und Vollzug

Für die Aufgaben, die in den Regierungsbüros erledigt werden sollten, lassen sich aus der vorangegangenen Funktionsanalyse mehrere Kriterien ableiten:

(a) Regionale Verwaltungsaufgaben mit spezifischem Vollzugsprofil sollten die Ausnahme bilden, um die Ausprägung einer eigenen Instanz mit sonderbehördlichem Charakter zu vermeiden.

(b) Originäre Entscheidungskompetenzen sind auf wenige, dafür aber ermessensrelevante und mit anderen Fragen koppelbare Befugnisse zu konzentrieren. Ihre Wahrnehmung in der Region muss von den betreffenden Ressorts über Zielvereinbarungen gesteuert werden, um die Koordinationsfähigkeit vor Ort nicht zu beschädigen.

(c) Entwicklungsorientierte Projektarbeit und deren Begleitung ist durch die Einbindung in bestehende Routinen und Zusammenhänge gewährleistet. Hierfür sind, wie im Entwurf zur Errichtung von Regierungsbüros angesprochen, entsprechende Vertretungs- und Beteiligungsrechte vorzusehen. Darüber hinaus haben die Regierungsbüros auf solche Anforderungen zu reagieren und an die Ministerialebene rückzukoppeln, die aus der Region heraus an sie herangetragen werden. Die Verstetigung solcher Vorhaben und eigener Initiativen muss dann allerdings erneut durch Zielvereinbarungen und Arbeitsaufträge abgesichert werden. Dies gilt auch für die Zuordnung von Ressourcen, die der Förderung kommunaler oder sonstiger Vorhaben dienen.

(d) Um bei einem ansonsten limitierten Aufgabenkatalog als relevanter Akteur in den Regionen anerkannt zu werden, müssen eigenständige funktionale Kompetenzen gegeben sein. Diese beziehen sich in erster Linie auf die Möglichkeit, in komplexe und strittige Genehmigungsverfahren lösungsorientiert einbezogen zu werden. Hinzutritt die Gewährleistung eines erforderlichen interdisziplinären Know-hows, um extern wie seitens der Ministerialebene ausgelöste Aufträge zügig bearbeiten zu können. Neben der permanenten Einbindung in routinehafte Kommunikationsprozesse beinhaltet das vor allem den pflichtgemäßen Nachvollzug verschiedener Politiken, mithin also die Funktion einer dezentralen Berichts- und Controlling-Stelle.

(e) Schließlich sind die Fachressorts dazu aufgerufen, bislang der Ministerialebene vorbehaltene Aufgaben den Regierungsbüros befristet und mit klaren Zielvorgaben zuzuweisen, sofern jene Zuständigkeiten die zuvor formulierten Kriterien erfüllen. Gemäß der vom Gutachter favorisierten Konstruktion der Regierungsbüros als Agenturen und Auftragnehmer der Ministerialverwaltung könnten zu diesem Zweck bestimmte Handlungsimperative in der GGO vorgesehen werden. Im Fall des Innenministeriums würde dies für die dezentrale Wahrnehmung von sachlich, möglicher Weise aber auch räumlich begrenzten Aufgaben der Kommunalaufsicht sprechen.

Rekapituliert man vor diesem Hintergrund den bislang für die Regierungsbüros vorgesehenen Kompetenzkatalog, scheinen Konkretisierungen wie Ergänzungen angezeigt. Abbildung 8 fasst dem folgende Anregungen zusammen. Sie werden

Kriterien der Aufgabenzuordnung

Vollzugsaufgaben als Ausnahme

Entscheidungs-kompetenzen auf wenige relevante Fragen konzentrieren

Entwicklungs- aufgaben mit klaren Zielen und Aufträgen verbinden

Eigenständige funktionale Kompetenzen

Befristete und klar umrissene Delegation von ministeriellen Zuständigkeiten

Änderungen und Ergänzungen notwendig

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dort getrennt nach den Funktionskategorien ‘Entwicklung’, ‘Aufsicht’, ‘Genehmigung’ und ‘Vollzug’ dargestellt und jeweils kurz erläutert; auf die leitenden Kriterien (a)-(e) wird gesondert verwiesen.68

Abbildung 8: Aufgaben- und Kompetenzkatalog der Regierungsbüros69

Aufgabe Vorschlag Begründung / Erläuterung

Entwicklungsaufgaben

1 Unterstützung der regionalen Entwicklung in den Bereichen Wirtschaft, Arbeitsmarkt, Tourismus und Infrastruktur

Beratung und Begleitung externer Initiativen

dauerhafte Projektbeteiligung und -förderung nur bei Auftrag und Zielvereinbarung mit Ministerien

Kriterien (c), (e)

– Notwendige Gestaltungsfunktion zur Unterstützung externer Initiativen und laufender Projekte

– Zunächst Beschränkung auf anfängliche Unterstützung und Förderung; langfristig eigene Auftragsgrundlage erforderlich (Vermeidung eines generellen Aufgabenfindungsrechts)

2 Kunst und Kultur

3 Bildung und Ausbildung Beratung und Begleitung, sofern von anderen Aufgabenträgern oder Dritten gewünscht, bei entsprechendem Auftrag oder i. R. anderer Entwicklungsprojekte (Vernetzung)

Dauerhafte Projektbeteiligung und -förderung nur bei Auftrag und Zielvereinbarung mit Ministerien

Kriterien (c), (e)

– Problematik weiterer Zuständigkeiten auf staatlicher Seite in Form (Gefahr von Doppelstrukturen)

– Deshalb Aktivitäten nur bei Anträgen von außen oder klar umrissenen Arbeitsaufträgen

4 Strategische Partnerschaften

5 Kleinervolumige Förderprogramme der Fachressorts mit regionalem Bezug und zeitlicher Begrenzung*

Übernahme der Antragsbearbeitung und Bewilligung (Grundlage: Zielvereinbarung mit den Ministerien)

Kriterien (b), (c), (e)

– Gestaltungsfunktionen zur Steuerung und Unterstützung der Landes-, Regional- und Kommunalentwicklung

(Fortsetzung auf der nächsten Seite)

68 Der Funktionsbegriff ‘Vollzug’ bezieht sich auf operative und weniger gestaltungsintensive Zuständigkeiten, wie sie bislang vor allem im Bereich der regionalen Verwaltungsaufgaben vorgesehen sind. ‘Entwicklung’ umfasst all jene Aufgaben, die keine Ordnungs-, Vollzugs- und Genehmigungskompetenzen, sondern proaktive Initiativen und die Mitwirkung in regionalökonomischen Vorhaben zum Gegenstand haben. Dem Bereich ‘Aufsicht’ werden zum einen die Aufgaben der Kommunalaufsicht (und -beratung) zugeordnet, zum anderen neue Funktionen, die sich mit der Koordination und Evaluation des regionalen Regierungshandelns beschäftigen. ‘Genehmigung’ schließlich beinhaltet die eigenen diesbezüglichen Kompetenzen, allerdings auch die prozedural begründeten Rechte und Beteiligungsmöglichkeiten. 69 Mit einem Stern (*) und kursiv gekennzeichnete Aufgaben finden sich nicht in den bisherigen Planungen zur Errichtung der Regierungsbüros. Es handelt sich dabei um neue Zuständigkeiten, die sich aus der Funktionsanalyse (im voranstehenden Kapitel) ergeben.

(Fortsetzung)

Aufgabe

6 Europabüros / Carrefour Übernahme der bislang bei den Bezirksregierungen angesiedelten Aufgaben; Berechtigung zur Initiierung von Projekten und Entwicklung von Förderprogrammen

Verstetigung von Projekten und Programmen sowie Übernahme neuer Engagements nur bei Beauftragung und Zielvereinbarung mit Ministerien

7 Länderübergreifende Zusammenarbeit

8 Landesentwicklung, Regionalentwicklung, Regionalmanagement

Mitarbeit in und Wahrnehmung von bestehenden Projektzusammenhängen (inkl. grenzüberschreitender Vorhaben), Beratung und Begleitung externer Initiativen

Verstetigung von Projekten und Fördermaßnahmen auf Grundlage von Zielvereinbarungen mit Ministerien

9 Tourismus (Beratung, Förderung, Projektmanagement)

10 Raumordnung Beteiligung an / Unterstützung von Planungsprozessen; Begleitung sowie ggf. Aufsicht über die unteren Landesplanungsbehörden; Durchführung von Raumordnungsverfahren

11 Bauleitplanung, FNP-Genehmigung (kreisfreie und große selbständige Städte)

Genehmigungskompetenz auf Grundlage einer Zielvereinbarung mit dem MS

12 Interkommunale Zusammenarbeit*

Entscheidungskompetenz zur Förderung von Projekten der interkommunalen Zusammenarbeit aus Mitteln eines Kooperationsansatzes i. R. des kommunalen Finanzausgleichs oder eines gesonderten Fonds

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(Grundlage: Zielvereinbarung mit MS, ML und MI)

Kriterien (b), (e)

Aufgabenbereiche 10 und 11)

(Fortsetzung auf der nächsten Seite)

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(Fortsetzung)

Aufgabe Vorschlag Begründung / Erläuterung

13 Kommunalberatung Positionierung als Ansprechpartner für Kommunen und Schlichter in interkommunalen Konflikten

– Notwendige Folge aus den gegebenen Kompetenzen im Kooperations-, Planungs- und Bauordnungsbereich (s. Aufgabenbereiche 10, 11 und 12)

Aufsichtsaufgaben

14 Kommunalaufsicht* Übertragung von zunächst nicht zentralisierten Aufgaben der oberen Kommunalaufsicht auf die RBs (keine separaten Außenstellen des MI); daneben dezentralisierte Zuständigkeit für regional bedeutsame Genehmigungsbelange, insbesondere im Bereich der kommunalen Gemeinschaftsarbeit; Grundlage: Zielvereinbarung mit MI

Kriterien (b), (e)

– Notwendige Bezüge zur kommunalen Ebene und regionalen Akteuren

– Funktionale Vernetzung und Koppelungsfähigkeit mit Ko-operations-, Bauordnungs- und Planungskompetenzen (s. Aufgabenbereiche 10, 11, 12 und 13)

15 Regionaler Koordinations- auftrag*

Wahrnehmung der dem MI in der ministeriellen Geschäftsverteilung übertragenen Aufgabe der Koordination regionaler Fachpolitiken

Kriterien (b), (d)

– Funktional notwendige Steuerungsleistung zur Aufrechterhaltung eines abgestimmten und einheitlichen Staatshandelns in einem großen und regional differenten Flächenland (hierzu Informationsrechte, Leitung und Einberufung von Regionalgesprächen usw. – s. dazu auch Kap. 7)

16 Evaluation und Controlling* Ergebnis- und Verfahrensprüfung von regional bedeutsamen Fachpolitiken im Auftrag der StK (Grundlage: Zielvereinbarung)

Kriterium (d)

– Funktional notwendige Steuerungsleistung zur Aufrechterhaltung eines abgestimmten und einheitlichen Staatshandelns in einem großen und regional differenten Flächenland (s. dazu auch Kap. 7)

– Dadurch Gewährleistung einer ausreichend breiten Fachkompetenz in den RB

Genehmigungsaufgaben

17 Bauleitplanung, FNP-Genehmigung (kreisfreie und große selbständige Städte)

s. dazu Aufgabenbereich 11

18 Anerkennung / Überwachung von Kurorten

s. dazu Aufgabenbereich 25

(Fortsetzung auf der nächsten Seite)

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(Fortsetzung)

Aufgabe Vorschlag Begründung / Erläuterung

19 Stiftungswesen und Stiftungsaufsicht

s. dazu Aufgabenbereich 32

20 Enteignungs- und Entschädigungsverfahren

s. dazu Aufgabenbereich 33

21 Moderation in komplexen Genehmigungsverfahren, die über die Zuständigkeit einer Fach- oder Kommunalbehörde hinausgehen

Auf Antrag Dritter oder im Auftrag der federführenden Behörden; Voraussetzung: ressort- und behördenübergreifende Genehmigungssachen (z. B. bei komplexen Planfeststellungen)

Kriterien (d), (e)

– Funktionale Einbindung in das übrige Regierungs- und Verwaltungshandeln

– Vorteil der RBs aufgrund ihrer neutralen Stellung und bereichsübergreifenden Kompetenz (s. dazu u. a. Aufgabenbereiche 10 und 11)

22 In komplexen Genehmigungsverfahren Bündelung der Stellungnahmen anderer Fachbehörden als Träger öffentliche Belange*

23 Schlichtungsverfahren

24 Übernahme der Federführung in komplexen Genehmigungsverfahren*

Vollzugsaufgaben

25 Anerkennung / Überwachung von Kurorten

Wahrnehmung durch RBs im Auftrag des MW (Zielvereinbarung)

Kriterien (b), (e)

– Gestaltungsrelevante Ordnungsaufgabe der touristischen und regionalökonomischen Entwicklung mit hohem Ortsbezug

26 Hoheitsangelegenheiten (Orden / Ehrungen, Beflaggungsanordnungen, Tag der Ehrenamtlichen usw.), Weitergabe von Beflaggungsanordnungen

Wahrnehmung durch RBs im Auftrag der StK (Zielvereinbarung)

Kriterien (a), (e)

– Repräsentative Aufgaben des Staates als Ausdruck der Vertretung der Regierung in der Fläche des Landes

27 Tag der Ehrenamtlichen Wahrnehmung durch RBs im Auftrag des MS (Zielvereinbarung)

Kriterien (a), (e)

28 Gräbergesetz, Kriegsgräberangelegenheiten

Wahrnehmung durch RBs im Auftrag des MI (Zielvereinbarung)

Kriterien (a), (e)

– Ordnungs- und Gewährleistungsaufgaben mit örtlichem Bezug

29 Vergabewesen, VOB-Beratung, Preisprüfung, Schwarzarbeitsbekämpfung

Wahrnehmung durch RBs im Auftrag der Ministerien (Zielvereinbarung)

Kriterien (a), (e)

– Ordnungs- und Serviceaufgaben mit Ortsbezug; erhöhte Bedeutung einer dezentralen Flächenpräsenz

(Fortsetzung auf der nächsten Seite)

(Fortsetzung)

Aufgabe

30 Vergabekammer Wahrnehmung durch RB Lüneburg im Auftrag des MW (Zielvereinbarung)

31 Legalisations- und Apostilleverfahren

Zunächst befristete Wahrnehmung im Auftrag des MIS (Zielvereinbarung)

32 Stiftungswesen und Stiftungsaufsicht

Zunächst befristete Wahrnehmung im Auftrag des MIS (Zielvereinbarung)

33 Enteignungs- und Entschädigungsverfahren

Zunächst befristete Wahrnehmung im Auftrag des MIS (Zielvereinbarung)

34 Schwarzarbeitsbekämpfung (Koordinierung, Überwachung von Aufgaben)

Zunächst befristete Wahrnehmung im Auftrag des MW (Zielvereinbarung)

35 Außenwirtschaftsverkehr (Stellungnahmen in Straf- und Bußgeldsachen

36 Genehmigung nach § 49 Abs. 1 Außenwirtschaftsverordnung

37 Abkommen zur internationalen Amtshilfe

Zunächst befristete Wahrnehmung durch RB Lüneburg im Auftrag des MIS (Zielvereinbarung)

38 Preis- und Kostenprüfungen (Strompreisprüfungen – nur RB Braunschweig)

Zunächst befristete Wahrnehmung durch RB Braunschweig im Auftrag des MU (Zielvereinbarung)

Zusammenfassung

Ausgehend von der Funktionsan

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alyse in Kap. 5 sind bei der Aufgabenzuweisung an die Regierungsbüros die folgenden Kriterien zu beachten:

– Verwaltungsaufgaben mit spezifischem Vollzugsprofil als Ausnahme;

(Fortsetzung auf der nächsten Seite)

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(Fortsetzung)

– (zunächst) Konzentration auf wenige, dafür aber gestaltungsstarke Entscheidungskompetenzen (unter Einschluss von Teilkompetenzen der Kommunalaufsicht);

– dauerhafte entwicklungsorientierte Projektarbeit nur auf klarer Auftragsgrundlage (Zielvereinbarungen);

– Gewährung eigener funktionaler Kompetenzen, um Koordinationsaufgaben effektiv wahrnehmen zu können (u. a. durch die Federführung in komplexen ressortübergreifenden Genehmigungsverfahren);

– Übertragung weiterer ministerieller Aufgaben auf der Basis von Zielvereinbarungen.

Mit Blick auf die Funktionsbereiche ‘Vollzug’, ‘Entwicklung’, ‘Aufsicht’ und ‘Genehmigung’ können die Regierungsbüros grundsätzlich in allen Geschäftsbereichen tätig werden. Dies gilt unmittelbar für die von vornherein zugewiesenen Kompetenzen (Raumordnung und FNP-Genehmigung als Beispiele). Darüber hinaus können sie sich aufgrund von Initiativ- und Informa-tionsrechten einbringen. Ebenso obliegt ihnen im Auftrag des Innenministe-riums die generelle regionale Koordination von Fachpolitiken. Eine dauerhafte Beteiligung an oder die Steuerung von Entwicklungsprojekten bedarf hingegen einer Beauftragung auf der Grundlage einer Zielvereinbarung mit der jeweils letztverantwortlichen ministeriellen Ebene.

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(6) Kleider machen Leute: Regierungsbüro, Entwicklungs-agentur, Landesbeauftragter oder Regionaldirektion?

In den beiden vorangegangenen Kapiteln wurden das Funktionsprofil und der Aufgabenkatalog dezentraler Regierungsstellen untersucht. Nachfolgend sind die dazu ausgesprochenen Empfehlungen in eine praktikable Organisationsform zu überführen. Hierbei geht es zunächst um die verwaltungsinterne Ausgestaltung von Aufbaustrukturen und Abläufen. Daneben ist allerdings auch der von der Landesregierung gewählte Terminus der „Regierungsbüros“ kritisch zu beleuchten. Mit Blick auf die Bedeutung, die gerade in den Regionen einer funktional wie protokollarisch angemessenen Darstellung öffentlicher Einrichtungen beigemessen wird, muss der Außenauftritt sorgsam mit den Bedürfnissen dezentraler Anspruchsgruppen und dem realen Verwaltungshandeln abgestimmt werden.

Die institutionelle Betrachtung bezieht sich zum einen auf die aufbau- und ablauforganisatorische Dimension (Stichwort „ortsnahe Einstufigkeit“), zum anderen auf Aussagen zur Binnenstruktur der Büros. Die Empfehlung des Gutachters (s. Kap. 5 und 6), regelmäßige Zuständigkeiten der Regionalstellen auf einen engen Kreis gestaltungsstarker Aufgaben zu konzentrieren und ihnen dabei eine erhöhte Eigenständigkeit zuzuweisen, hat unmittelbare Implikationen für die organisatorische Ausgestaltung. Demnach soll die gewünschte Handlungsfähigkeit bei ressortübergreifenden Befugnissen durch Zielvereinbarungen gewährleistet werden, die für die dislozierten Büros mit der fachlich zuständigen Ministerialebene abzuschließen sind. Damit wäre konsequenter Weise eine eindeutige etatmäßige Zuordnung von Personal- und Sachmitteln zu verbinden. Gleiches gilt für die Handhabung der Dienstaufsicht. In Entsprechung des in Kapitel 5 entworfenen Funktionsprofils sollte keine Situation entstehen, in der die dezentralen Büros als „Diener zweier Herren“ oder bloße Bürogemeinschaften fungieren. Insofern plädiert der Gutachter dafür, die Basisausstattung einschließlich der bereits zu Beginn für Vollzugsaufgaben übertragenen Stellen einem Einzelplan zuzuweisen. Aufgrund der zahlreichen Bezüge zu kommunalen Aufgabenträgern, der Steuerungsstärke und traditioneller Wahrnehmungsmuster bietet sich dafür das Innenressort an. Zielvereinbarungen wären somit zwischen der betreffenden obersten Landesbehörde und dem Ministerium für Inneres und Sport abzuschließen, das die betreffenden Aufgaben in den Regierungsbüros wahrnehmen ließe.

Diese konzeptionell entscheidenden Vorschläge begrenzen zwar den Einfluss der Fachressorts auf die laufenden Amtsgeschäfte der Regionalstellen, tragen dafür aber dem Prinzip der angestrebten Einstufigkeit Rechnung und gewährleisten somit die Koordinations- und Bündelungsfähigkeit der Büros. Zugleich bliebe die materielle und effektive Fachverantwortung bei den einzelnen Ressorts, da Zielvereinbarungen grundsätzlich befristet und nur mit Zustimmung der jeweiligen Ministe-rialverwaltungen zustande kämen. In der Regierungs- und

Verwaltungspraxis wür-

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Empfehlungen in praktikable Organisations-formen überführen

Handlungsfähigkeit der dezentralen Regierungsstellen sichern durch:

Zielvereinbarungen

eindeutige etatmäßige Zuordnung

Verantwortung des steuerungsstarken Innenministeriums

Ausgestaltung der Zielvereinbarungen in der Verwaltungspraxis

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den die Vereinbarungen entweder aufgrund von Arbeitsaufträgen der einzelnen Ressorts70 oder infolge externer Anforderungen zustande kommen; Letztere wären von den Regierungsbüros in Form ergebnisorientierter Projekte zu formulieren und mit den zuständigen Ministerien abzustimmen. Jede Zielvereinbarung müsste den Gegenstand, den Zeitraum der Beauftragung, die (Ergebnis-)Ziele und angestrebten Effekte, die relevanten Vollzugskriterien sowie ein stringentes und transparentes Berichtswesen definieren. Abbildung 9 schematisiert für beide Kategorien (ministerielle Arbeitsaufträge und extern ausgelöste Projekte) die zugrunde liegenden Prozesse anhand von Entscheidungsbäumen.

Abbildung 9: Zustandekommen von Zielvereinbarungen mit den Regierungsbüros

Um jene Aufträge und die Stellung der damit befassten Organisationseinheiten klar zu definieren, sollte die Geschäftsverteilung der Ministerien für das Innenressort die Aufgabe einer regionalen Koordination von Fachpolitiken vorsehen. Einzugrenzen wäre diese Befugnis mit Blick auf den eigenen Wirkungskreis der Selbstverwaltungskörperschaften und Kommunen. Insofern bezögen sich die angesprochenen Funktionen in erster Linie auf staatliche Angelegenheiten. Hierbei hätte das Innenministerium darauf hinzuwirken, dass die in den Regionen tätigen Landesbe-

70 Schwarzarbeitsbekämpfung (Koordinierung, Überwachung von Aufgaben), Außenwirtschaftsverkehr (Stellungnahmen in Straf- und Bußgeldsachen) und Genehmigungen nach § 49 Abs. 1 Außenwirtschaftsverordnung als Beispiele (s. dazu Aufgabenbereiche 34-36 in Kap. 6).

Verfahren und Inhalt von Ziel-vereinbarungen

Aufgaben der regionalen Koordination

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hörden und -einrichtungen in einer den Regierungszielen und dem Gemeinwohl dienlichen Weise zusammenarbeiten. Als Ausfluss dieses Koordinationsauftrags stünden den regionalen Büros die folgenden kommunikativen und prozeduralen Instrumente zur Verfügung:

permanentes Informationsrecht und Befugnis zur Einsichtnahme in Genehmigungsverfahren (sofern dem nicht Gründe des Rechts- und Datenschutzes entgegenstehen);

auf Antrag Moderation von Trägerverfahren, Behördenkonferenzen, Scoping-Terminen usw.;

auf Antrag anderer Regierungsstellen oder externer Adressaten Übernahme von Schlichtungsverfahren in konflikthaften Genehmigungsprozessen;

durch ministerielle Entscheidung oder aufgrund gesetzlicher Ermächtigung Federführung in komplexen ressortübergreifenden Genehmigungsverfahren;

Einberufung und Leitung von Regionalgesprächen mit Vertretern der Ressorts und nachgeordneten Fachbehörden; die Durchführung solcher Gespräche und die Verpflichtung zur Teilnahme wären in der GGO festzuschreiben;

im Auftrag der Staatskanzlei Evaluation und Controlling von einzelnen Regierungsprogrammen und administrativen Abläufen in der Region; dazu Nutzung der dargestellten Informationsrechte;

in nicht lösbaren Konfliktfällen und bei regionalen Initiativen Vortragsrecht bei den Hausspitzen der einzubeziehenden Ressorts.

Innerhalb des Innenministeriums ist für die Regierungsbüros bislang die Bildung einer eigenen Referatsgruppe vorgesehen, wobei jede Dienststelle über ein Referat mit drei Aufgaben- bzw. Personalbereichen verfügen soll (‘Unterstützung der regionalen Entwicklung’, ‘Verwaltungsaufgaben mit regionalem Bezug’, ‘Service- und Unterstützungsleistungen’).71 Die vorgeschlagene Anbindung an die oberste Landesbehörde wird vom Gutachter grundsätzlich geteilt, allerdings hält er im Sinne der Außenwirkung eine formale Aufwertung für wünschenswert. Demnach könnte mit Blick auf die im Geschäftsbereich neue Aufgabe der regionalen Koordination eine Regionalabteilung (oder -gruppe) gebildet werden, wobei interne Koordina-tionsaufgaben dem Büro in Hannover bzw. Nienburg in Personalunion zukämen.72 In diesem Zusammenhang wird außerdem empfohlen, die Etablierung einer Außenstelle in Nienburg noch einmal zu überprüfen und statt dessen die betreffenden Aufgaben örtlich in der Landeshauptstadt beim Ministerium selbst zu konzentrieren. Eine zweite Variante bestünde darin, weiterhin von einer nachgeordneten Re-

71 Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport, a.a.O., S. 24.72 Es ist darauf hinzuweisen, dass die Regierungsbüros vor Ort in selbständiger Weise arbeiten sollen. Daher wird mit der Koordination innerhalb der Referatsgruppe oder Abteilung keine neue Hierarchieebene geschaffen, der eine überregionale Weisungsbefugnis zukäme, sondern nur eine Stelle eingerichtet, die neben ihrer eigenen sachlichen und örtlichen Zuständigkeit für den Raum der ehemaligen Bezirksregierung Hannover übergreifende kommunikative, informatorische, personelle und ressourcentechnische Belange der gesamten Gruppe oder Abteilung wahrnehmen würde.

Kommunikative und prozedurale Instrumente

Informationsrecht

Moderation

Schlichtungsverfahren

Federführung in komplexen Verfahren

Regionalgespräche

Evaluation und Controlling

Vortragsrecht

Zwei Optionen für die organisatorische Anbindung:

Regionalabteilung oder separate Referatsgruppe

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feratsgruppe in einer bestehenden Abteilung auszugehen. Hierfür böte sich neben der Z-Abteilung insbesondere die Kommunalabteilung an. Letzteres würde eine stärkere Verzahnung mit der künftig im Ministerium angesiedelten Rechtsaufsicht ermöglichen. Bei Bedarf könnte dann flexibel entschieden werden, ob gewisse Aufsichtsbelange in den dislozierten Dienststellen wahrgenommen werden. Abbildung 9 stellt die beiden Modelle einander gegenüber.

Abbildung 9: Anbindung der regionalen Regierungsstellen im Innenministerium

Die geplante Binnenstruktur der Vor-Ort-Büros mit drei Arbeitsbereichen sollte auch bei einer Reduzierung der regionalen Vollzugsaufgaben (s. dazu Kap. 5 und 6) beibehalten werden.73 Dies erscheint nicht zuletzt mit Blick auf die notwendige Kapazität geboten, über die Grundausstattung hinaus weitere Aufträge der Fachressorts übernehmen zu können.

Unabhängig von der Außen- und Binnenstruktur stellt sich zuletzt die Frage, wie die neuen Einheiten benannt werden sollen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass

die gewählte Bezeichnung die gegebenen Kompetenzen und Handlungsmöglichkeiten auch für Dritte nachvollziehbar wiedergeben soll;

der staatliche und i. e. S. regierungsamtliche Charakter deutlich werden muss;

der Außenauftritt und somit auch das örtliche Leitungspersonal mit einem aus-reichenden protokollarischen Rang versehen werden, um mit Vertretern des

73 Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport, a.a.O., S. 28f.

Integration in die Z- oder Kommunal-abteilung

Binnenstruktur mit drei Arbeitsbereichen

Benennung der Regionalstellen

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benachbarten Auslandes, der Kommunen und der Wirtschaft „auf Augenhöhe“ verhandeln zu können, und

nicht der Eindruck einer traditionell behördlichen, sondern einer schlanken und effektiven Organisationsform kommuniziert wird.

Hinsichtlich der Diskussion in Niedersachsen sowie mit Blick auf die Begrifflichkeiten vergleichbarer Verwaltungsformen und Organisationskonzepte, erscheinen dem Gutachter derzeit fünf Bezeichnungen diskussionsfähig:

Regierungsbüro,

Regionalbüro,

Entwicklungsagentur,

Landesbeauftragter und

Regionaldirektion.

Auch wenn die mit den einzelnen Termini verbundenen Konnotationen immer subjektiven Assoziationen unterliegen, bringen sie doch bestimmte Funktionsmerkmale in unterschiedlich starker Weise zum Ausdruck. Die oben vorgenommene Reihung beinhaltet in dieser Hinsicht bereits eine gewisse Abstufung. So betont das ‘Regionalbüro’ die dezentrale Position, schwächt aber zugleich die institutionelle Bedeutung der betreffenden Organisationseinheit ab. Ferner verweist die Bezeichnung Büro auf die Funktion einer Außenstelle, versehen mit einer Reihe spezifischer Vollzugs- und ansonsten primär informatorischer und kommunikativer Kompetenzen. Diese Charakterisierung widerspricht jedoch sowohl den oben geforderten Bündelungs- und Gestaltungskompetenzen als auch den in den Regionen nachgefragten Funktionen einer dezentralen Regierungseinheit mit Entscheidungskompetenz. Insofern hält der Gutachter diese Bezeichnung für nicht geeignet, die oben formulierten Kriterien zu erfüllen.

Die bislang vorgesehene Bezeichnung ‘Regierungsbüro’ erinnert in vielen Punkten an die zuvor betrachtete Konstruktion eines Regionalbüros. Gleichwohl macht hier der Präfix ‘Regierung’ den Bezug zum einstufigen Regierungshandeln und zu der damit verbundenen Amtsgewalt besser kenntlich. Ebenfalls bedenkenswert ist an dieser Bezeichnung die Betonung einer schlanken Organisationsform, deren Verstetigung von der zu evaluierenden Leistungsbilanz und den langfristig in der Fläche vorhandenen Ansprüchen abhängig ist. Dennoch plädiert der Gutachter auch in diesem Fall für einen anderen Terminus, um den regionalen Interessenlagen und funktionalen Erfordernissen besser gerecht zu werden.

Deutlich ambitionierter erscheint der Ausweis einer ‘Entwicklungsagentur’. Dieser Begriff dokumentiert die Ausrichtung als proaktives Instrument gestaltender Re-gionalpolitik. Zudem wird der Anspruch einer in operativen Fragen eigenständigen Verwaltungseinheit unterstrichen, was modernen Organisationskriterien entsprä-

Fünf Bezeichnungen diskussionsfähig

‘Regionalbüro’ vermittelt zu wenig Gewicht

‘Regierungsbüro’ dokumentiert keine regionale Gestaltungsmöglichkeit

‘Entwicklungsagentur’ als eine funktionsfremde und missverständliche Bezeichnung

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che. Allerdings ist gegen diese Bezeichnung einzuwenden, dass sie fördernde und projektbezogene Tätigkeiten in den Vordergrund stellt, während genehmigungsrelevante Kompetenzen zurücktreten. Hinzukommt das Problem, dass gerade für entwicklungsorientierte Aufgaben bereits eine Reihe von Fördereinrichtungen und Instrumenten bestehen, die schwerlich mit der Entwicklungsagentur verbunden werden können und die Gefahr von Doppelstrukturen beförderten. Besonders augenfällig wird dies mit Blick auf die NBank und anderweitige, im Geschäftsbereich des Wirtschaftsministeriums institutionalisierte Förderkompetenzen, weshalb auch von dieser Bezeichnung abzuraten ist. Eine Alternative bestünde ggf. im Ausweis einer Regierungsagentur, wobei eine solche Einrichtung mit Blick auf namensverwandte Einheiten im internationalen Umfeld den Eindruck einer anderen Größenordnung mit eigeninstanzlichem Charakter wecken könnte, was wiederum mit den oben benannten Prämissen in Konflikt geraten würde.

Der Titel eines ‘Landesbeauftragten’ für die einzelnen Regionen (Landesbeauftragter für die Region Weser-Ems, für die Region Lüneburg usw.) hätte den Vorzug, dass die Funktion der dezentralen Regierungsstellen stärker mit dem jeweiligen Leitungspersonal verbunden wäre und darin ein hoher protokollarischer Rang zum Ausdruck käme (Wandlung vom Büroleiter zum Amtsträger). Zudem würde auf die staatliche Funktion, eine schlanke Organisationsform sowie exekutive und entwicklungspolitische Kompetenzen hingewiesen. Einwendungen verbinden sich lediglich mit der potenziellen Vermittlung einer zu herausragenden Position, die den dezentralen Regierungsstellen möglicherweise nicht zukommen sollte. Dieses Problem hält der Gutachter indes für weniger relevant, da gerade ein größeres Gewicht im Außenauftritt erforderlich ist, um die Lücke, die die Bezirksregierungen im Verwaltungsgefüge hinterlassen, zumindest für eine Phase des Übergangs zu schließen. Auch würde der Titel auf die funktionale Rolle der Einrichtung als Auftragnehmer der Ministerialebene Bezug nehmen und damit besser die Position im Rahmen der Regierungsorganisation zum Ausdruck bringen.

Die in organisatorischer wie funktionaler Hinsicht weitestgehende Bezeichnung bietet der Begriff ‘Regionaldirektion’. Hierin kommt einerseits die vollzugskompetente Eigenschaft, andererseits die feste Position im Institutionengefüge der Landesadministration zum Ausdruck. Dies allerdings berührt zugleich die aus Sicht des Gutachters größte Schwäche eines solchen Terminus: Er könnte, ähnlich der Situation in Rheinland-Pfalz, wo an Stelle der Regierungspräsidien als neue Mittelinstanzen eine Aufsichts- und zwei Struktur- und Genehmigungsdirektionen errichtet wurden, die Wahrnehmung befördern, dass hier lediglich Bezirksregierungen unter verändertem Namen fortgeführt werden sollen. Genau dem aber entsprechen weder die Planungen der Landesregierung noch die Überlegungen, die in den vorangegangenen Kapiteln vorgetragen wurden. Insofern wären diese oder in eine vergleichbare Richtung weisende Bezeichnungen mit Vorsicht zu verwenden, da sie das Reformkonzept insgesamt konterkarieren könnten.

‘Landesbeauftragter’ als politisch und funktional angemessene Bezeichnung

‘Regionaldirektion’ als zu umfassender Terminus

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Im Ergebnis plädiert der Gutachter nach Abwägung aller Vor- und Nachteile der diskutierten Begrifflichkeiten für den Ausweis von vier Landesbeauftragten. Gegenüber den bislang geplanten ‘Regierungsbüros’ und deren Leitungen würden die betreffenden Einrichtungen deutlich aufgewertet, ohne vom Primat einer zweistufigen Verwaltung abweichen zu müssen. Die personal- und besoldungspolitischen Konsequenzen einer solchen Lösung werden im folgenden Kapitel gesondert angesprochen.74

Zusammenfassung

Die organisatorische Ausgestaltung der dezentralen Regierungsstellen ist einerseits von ihrer Einbindung in die Aufbaustrukturen und Abläufe der Landesverwaltung sowie andererseits von ihrem Außenauftritt abhängig.

Die Handlungsfähigkeit ist dabei prozedural und verfahrensmäßig abzusichern. Hierzu bedarf es klar definierter Arbeitsaufträge und Kommunikationsroutinen. Der Gutachter empfiehlt deshalb, die Aufgabenübernahme durch die Büros regelmäßig auf der Grundlage von Zielvereinbarungen zu regeln. Darüber hinaus wäre eine eindeutige Etatzuordnung, zumindest der Basisausstattung, wünschenswert, um den notwendigen organisatorischen Zusammenhang zu gewährleisten. Etatisiert werden sollten die betreffenden Personal- und Sachmittel im Innenressort, da hier regional bedeutsame Verantwortlichkeiten bestehen und das Ministerium über die erforderliche Steuerungsstärke verfügt. Schließlich wäre im Geschäftsbereich des Innenministeriums auch die (neue) Aufgabe einer Koordination regionaler Fachpolitiken festzuschreiben, die die dezentralen Büros mit Hilfe kommunikativer und prozeduraler Instrumente zu leisten hätten (Informationsrechte, Schlichtungsverfahren, Moderation, Evaluation und Controlling, Vortragsrechte).

Die organisatorische Anbindung der Regionalstellen innerhalb des Innenministeriums ist aus Sicht des Gutachters auf zweifache Weise möglich: (1) als separate Regionalabteilung oder Referatsgruppe sowie (2) als Referatsgruppe innerhalb einer bestehenden Abteilung, vorzugsweise der Z- oder Kommunalabteilung. Darüber hinaus wird empfohlen, die Unterhaltung einer eigenen Außenstelle in Nienburg zu überprüfen und statt dessen die Verantwortung für den Zuständigkeitsbereich der ehemaligen Bezirksregierung Hannover direkt im Ministerium anzusiedeln und mit koordinativen Servicefunktionen für die anderen Büros zu verbinden. Die bislang geplante Binnenstruktur erscheint dagegen mit Blick auf die in Kap. 6 dargestellte Aufgabenausstattung sowohl für die kurz- als auch die mittelfristig erwartbaren Kompetenzen geeignet.

(Fortsetzung)

74 Im Rahmen der Anhörung zum Entwurf des Verwaltungsreformgesetzes vor dem Ausschuss für Inneres und Sport des Niedersächsischen Landtages am 31.08.2004 wurde auf die zwischen den Koalitionsparteien vereinbarte Zielsetzung hingewiesen, das sog. „Beauftragtenunwesen“ beseitigen zu wollen. Sofern sich diese landesspezifische Befindlichkeit tatsächlich als so stark erweisen sollte, dass damit der vorgeschlagene Ausweis von Landesbeauftragten als politisch nicht gangbar anzusehen wäre, empfiehlt der Gutachter alternativ die Bezeichnung „Landesregierung: Regionalvertretung Weser-Ems, Hannover usw.“.

Plädoyer für vier Landesbeauftragte

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(Fortsetzung)

Schließlich ist eine politisch und funktional angemessene Bezeichnung der neuen Organisationseinheiten anzustreben. Im Vergleich unterschiedlicher Optionen (‘Regionalbüros’, ‘Regierungsbüros’, ‘Entwicklungsagentur’, ‘Landesbeauftragte’, ‘Regionaldirektion’) plädiert der Gutachter für einen Ausweis von Landesbeauftragten für die einzelnen Regionen. Diese Begrifflichkeit ist besser als die der Regierungsbüros geeignet, die Einordnung in die übrige Regierungsorganisation zu verdeutlichen (Auftragnehmer der Ministerialebene). Darüber hinaus bringt sie eine protokollarische Aufwertung zum Ausdruck, die insbesondere für die Wahrnehmung grenzüberschreitender und regionalökonomischer Aufgaben wünschenswert erscheint.

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(7) Personal- und besoldungspolitische Konsequenzen

Mit der empfohlenen funktionalen und nominalen Aufwertung der Regierungsbüros verbinden sich eine Reihe von personal- wie besoldungspolitischen Konsequenzen. Dies berührt zum einen die Frage, wo die Personalmittel für die Beschäftigten in den dezentralen Einrichtungen etatisiert werden. Zum anderen sind personalpolitische Kompetenzen und die Einstufung des Leitungspersonals zu klären.

Die haushalterische Zuordnung wurde bereits in den vorangegangenen Kapiteln angesprochen. Sie sollte klare Verantwortlichkeiten schaffen und ein einheitliches Verwaltungshandeln gewährleisten. Deshalb empfiehlt der Gutachter, die Grundausstattung der Regierungsbüros (bzw. der Landesbeauftragten) bei ihrer Errichtung vollständig im Einzelplan des Ministeriums für Inneres und Sport auszuweisen. Weitere Aufgaben, die später auf Basis gesonderter Zielvereinbarungen an die Büros delegiert werden, sind von diesen entweder im Rahmen ihrer gegebenen Personalausstattung oder mit abgeordneten Dienstkräften der beauftragenden Ressorts wahrzunehmen. Für die Funktionalität von entscheidender Bedeutung ist dabei, dass die Dienstaufsicht (jenseits der Vorgaben einzelner Zielkontrakte und fachaufsichtlicher Befugnisse) allein dem Innenministerium obliegt. Nur auf dieser Grundlage können die dezentralen Regierungsstellen einheitlich handeln und somit im Sinne einer ortsnahen Einstufigkeit als angemessene Repräsentanz des Staates in der Fläche effektiv tätig werden.

Insbesondere aus regionaler Sicht erhält die formale Position des Leitungspersonals in den Regierungsbüros eine herausgehobene Stellung. Folgt man der im voranstehenden Kapitel dargestellten Argumentation, würde man durch den Ausweis von Landesbeauftragten bereits eine deutliche Aufwertung erzielen, da konsequenter Weise auch die Dienststellenleiter diese Amtsbezeichnung zu führen hätten. Als (dezentraler) Teil der Regierungsadministration müsste sich die Besoldungsstruktur dabei an den Standards der übrigen Ministerialverwaltung orientieren. Somit wären für den Landesbeauftragten in personam Dienstbezüge der Kategorien B2 oder B 3, ggf. sogar B 4, denkbar. Zwar sollen die Leitungen der Ministerialreferate, in deren Kategorie die Regierungsbüros eingeordnet werden, grundsätzlich auf die Besoldungsstufe B 2 beschränkt bleiben, doch würde eine Bewertung mit B 3 oder B4 der realen Personalverantwortung in den dezentralen Dienststellen besser gerecht (ca. 50 Mitarbeiter je Büro).75 Im Ergebnis plädiert der Gutachter deshalb für eine Regeleinstufung auf dem Niveau von B 3, die im begründeten Einzelfall auf B 2 bzw. B 4 abgeändert werden kann.

Mit der Besoldung in Verbindung stehen Regelungen zur Bestellung des Leitungspersonals. Auch sie verdeutlichen den politischen und protokollarischen Rang der betreffenden Stellen und ihrer Inhaber. Zu berücksichtigen ist hierbei,

75 Derzeit finden sich im Landeshaushalt die Stellen der Abteilungsleiter noch mit einer Besoldung von B 6 ausgewiesen.

dass die Amtsträger, ebenso wie bislang die Regierungspräsidenten, politische und strategi-

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Besoldungs- und personalpolitische Festlegungen erforderlich

Etatisierung im Einzelplan des Innenressorts

Aufwertung durch den Ausweis als Landesbeauftragte

Dienststellenleiter mit B 3-Besoldung

Landesbeauftragte künftig mit besonderer politischer Verantwortung

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sche Funktionen übernehmen müssen. Ihre formale Stellung hat deshalb unmit-telbare Rückwirkung auf ihre verwaltungsinterne Durchsetzungskraft und externe Wahrnehmung. Wie bei höheren Besoldungs- und Vergütungsgruppen allgemein üblich (ab A 16 oder BAT I) sollte deshalb dem Kabinett vor einer Besetzung im Auswahlverfahren der Vorgang zur Kenntnis gegeben werden. Auch wenn die wesentliche Verantwortung beim Innenminister verbleibt, könnte zudem erwogen werden, die Ernennung im Benehmen mit den Leitungen der Fachressorts vorzunehmen. Die weitestgehende Lösung sähe der Gutachter darin, die Stellenbesetzung des Landesbeauftragten (bzw. der Leiter der Regierungsbüros) durch das Kabinett auf Vorschlag des Innenministers zu beschließen. Letzteres hätte zwei wesentliche Vorteile: Einerseits erhielten die Fachressorts eine Möglichkeit zur Mitbestimmung, was die Akzeptanz der betreffenden Stellen erhöhen dürfte. Andererseits würden die neuen Amtsträger mit einer höheren Machtleihe ausgestattet, was ihnen insbesondere im Rahmen der Alltagskommunikation mit der Ministerialebene und anderen Landesbehörden zugute käme. Insofern empfiehlt der Gutachter, die Einsetzung der Landesbeauftragten mit einem Kabinettsbeschluss zu unterlegen, um auch auf diese Weise deren Rolle als sachlich wie politisch Beauftragte und dezentrale Vertreter der Regierungsebene zu unterstreichen.

Zusammenfassung

Um auf Ebene der dezentralen Regierungsstellen klare Verantwortlichkeiten und ein einheitliches Verwaltungshandeln zu gewährleisten, hält der Gutachter eine Etatisierung der Grundausstattung im Einzelplan des Innenministeriums für erforderlich. Weitere Aufgaben sind (auf der Grundlage von Zielvereinbarungen) im Rahmen der gegebenen Kapazitäten, ggf. unter Nutzung von Abordnungen aus den Fachressorts, zu erledigen.

Für die Dienststellenleiter oder Landesbeauftragten sollte entsprechend der Besoldungsstruktur der Ministerialverwaltung eine Regeleinstufung von B 3 vorgesehen werden, von der nur im begründeten Einzelfall abzuweichen wäre (auf B 2 bzw. B4).

Die Bestellung der Landesbeauftragten sollte zumindest eine nachrichtliche Kabinetts- und Ressortbefassung beinhalten. Zum Zweck einer höheren Akzeptanz durch die Fachministerien und im Interesse einer effektiven Machtleihe für die Amtsträger hält der Gutachter eine Stellenbesetzung auf Vorschlag des Innenministers, die durch das Kabinett zu bestätigen wäre, für sinnvoll.

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(8) Weser-Ems in Europa und der Welt

Sind somit die Umrisse einer zeitgemäßen und funktional bedeutsamen Regionalvertretung für Niedersachsen skizziert, ist abschließend auf die „außenpolitische“ Dimension der hier diskutierten Fragen einzugehen. Dabei ist zunächst von Bedeutung, dass die „Europäisierung“ der deutschen Politik natürlich auch „kleinteilig“ gilt, mithin Länder, Regionen und Gemeinden (GV) gut beraten wären, die mit diesem „Entgrenzungsprozess“ verbundenen Chancen wie Risiken in ihrem Alltagshandeln zu berücksichtigen. Dies ist für die Region Weser-Ems schon deshalb von Bedeutung, als hier die Landes- und Regionalgrenzen eine Reihe aktiver Politiken vor allem gegenüber den Niederlanden nahe legen und bereits bestehende Kontakte auf ihre Ausbaubarkeit hin zu überprüfen wären.

Die vorgesehenen „Regierungsbüros“ treten auch mit Blick auf grenzüberschreitende Kontakte an die Stelle der Bezirksregierungen, die bislang gemeinsam mit den Kommunen, der Wirtschaft, den Arbeitnehmervertretern und der Wissenschaft regionale Entwicklungsprozesse maßgeblich initiiert, moderiert und begleitet haben. Zudem ist bedeutsam, dass Niedersachsen in der Vergangenheit mit seinen vier europäischen Regionen im Rahmen der NUTS II-Ebene in erheblichem Umfang von der Förderung durch die Europäische Union profitierte. Deshalb gingen frühe Befürchtungen auch dahin, dass der Wegfall der Bezirksregierungen insbesondere dann regionalpolitisch abträglich sein könnte, wenn Niedersachsen, wie andere Bundesländer ohne staatliche Regionalverwaltungen, eine europäische Region würde und strukturelle Unterschiede zwischen den Regionen künftig unberücksichtigt blieben. Allerdings ist die daraufhin formulierte Abwehrhaltung, nach der eine „europäische Region“ eine staatliche, mit entsprechenden Entscheidungskompetenzen ausgestattete Regionalverwaltung voraussetze, die sich mit den regionalen Akteuren über Förderungsschwerpunkte zu verständigen und den Mitteleinsatz zu koordinieren hätte, zumindest missverständlich. Zwar ist richtig, dass kommunale Kooperationen ohne staatliche Regionalverwaltung vor der Schwierigkeit stehen könnten, widerstreitende Interessen in Übereinstimmung zu bringen, doch stehen die Planungen der Landesregierung entsprechend ausgleichenden Tätigkeiten nicht entgegen. Im Gegenteil: Gerade weil die Regierungsbüros Teil der staatlichen Verwaltung sind und nach den hier vorgetragenen Empfehlungen über „echte“ Zuständigkeiten für den Raum verfügen, stellen sie europapolitisch einen durchaus akzeptablen „Ersatz“ für die entfallenden Bezirksregierungen dar, eine Einschätzung, die dem Gutachter im Rahmen von Gesprächen mit Vertretern der Europäischen Kommission bestätigt wurde.

Die vorgesehenen Einrichtungen erscheinen auch deshalb für die Übernahme der Europabüros geeignet, als deren bisherige Aktivitäten sich weitgehend mit dem decken, was die Planung den Regierungsbüros zuschreibt: die Beratung von Kommunen, Unternehmen und Verbänden sowie sonstigen Akteuren (bei EU-Förderungsanträgen), die Vermittlung von Kooperationspartnern für europäische

Außenpolitische Dimension der Regional- und Kommunalpolitik

Europafähigkeit der Regierungs- büros

Beratungs- und Kommunikations- leistungen

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und transatlantische Projekte, die Durchführung von Informationsveranstaltungen zu bedeutsamen Europathemen sowie im Einzelfall die Beteiligung an konkreten Projekten. Darüber hinaus unterstützen die Europabüros das Europainformationszentrum Niedersachsen (EIZ) bei Veranstaltungen, der Durchführung von „Europa-Events“ oder Infobustouren – all das Aufgaben, die ohne erweiterte Ausstattung auch von den Regierungsbüros wahrgenommen werden können. Da diese zudem geeignet erscheinen, die allgemeinen europapolitischen Anliegen der Landesregierung zu befördern (also Informationsdefizite zu Europathemen abzubauen, das „Europagefühl“ in der Bevölkerung zu stärken und gemeinsame europarelevante Projekte innerhalb Niedersachsens sowie mit anderen europäischen Partnern zu generieren und durchzuführen), ist die vorgesehene Neuorganisation „in der Fläche“ vorteilhaft, zumindest aber der dezentralen Europafähigkeit nicht abträglich. Da die Europabüros ressortübergreifend tätig sind, ergibt sich zudem ein ständiger, koordinierender Abstimmungsprozess der Büros mit den einzelnen Ressorts.76

Im Übrigen verweisen die Vertreter der Region Weser-Ems zurecht darauf, dass es angezeigt sein dürfte, aufgrund zunehmender grenzüberschreitender Projekte und Kooperationsvereinbarungen einen Regionalvertreter zu benennen, der „auf gleicher Augenhöhe“ mit dem Kommissar der Königin in Groningen, aber auch mit dem Bürgermeister der Freien und Hansestadt Bremen verhandeln kann. Schon die Repräsentationsaufgaben im Rahmen des Interreg-Lenkungs- bzw. Begleitausschusses, der Neuen Hanse Interregio (HNI) oder auch der Deutsch-Niederländischen Raumordnungskommission sprechen dafür, den Leiter des „Regionalbüros“ vom Kompetenzrahmen und der Bezeichnung her aufzuwerten; die gewählte Chiffre des „Kleider machen Leute“ hat die Bedenken des Gutachters in dieser Hinsicht deutlich gemacht.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass Schlüsselfragen der europäischen Strukturförderung bereits seit längerem in einer für die Region Weser-Ems zuträglichen Art und Weise geklärt wurden. So sind im Amtsblatt der Europäischen Union vom 21.6.2003 als sog. NUTS-II-Ebenen für Niedersachsen Braunschweig, Hannover, Lüneburg und Weser-Ems aufgeführt, also nicht mehr die Regierungsbezirke. Die NUTS-III-Ebene benennt darüber hinaus die Landkreise der bisherigen Regierungsbezirke. Zudem hat die Landesregierung mehrfach erklärt, dass alle drei Ebenen unverändert bleiben sollen.

Im Fazit ist die europapolitische Rolle der niedersächsischen Regionen durch die Auflösung der Bezirksregierungen und die Bildung von „Regierungsbüros“ also nicht nur nicht gefährdet, sondern insofern auch aussichtsreich gewahrt, als mit dem Organisations- und Personalwechsel Chancen für einen Neuanfang verbunden sind. Sie sollten sich vor allem auf jene flexiblen und projektorientierten Politiken konzentrieren, die in den meisten Mitgliedstaaten der Europäischen Union an Ge-

76 Vgl. hierzu u.a. Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport, Arbeitsgruppe Regierungsbüros, Abschlussbericht, Juni 2004, S. 15.

Unterstützung der Europapolitik der Landesregierung

Ausreichender protokollarischer Rang der Regional-vertreter erforderlich

Regionen als Fördergebiete definiert

Wahrung der Europafähigkeit

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wicht gewinnen. Die Umstellung der Förderinstrumente durch die Kommission wird diesen Entwicklungen Rechnung tragen müssen; Niedersachsen könnte aufgrund des Reformansatzes hiervon profitieren. Allerdings sind europabezogene Politiken immer dann nur erfolgreich, wenn man sich frühzeitig entsprechender „Allianzpartner“ versichert. Dieser von den deutschen Gebietskörperschaften meist noch immer übersehene Aspekt sollte von Beginn an seitens der Vertreter der „Regierungsbüros“ Aufmerksamkeit erfahren. Es sind nicht nur die benachbarten Niederlande, sondern durchaus auch Frankreich, Großbritannien und der skandinavische Raum, die hier Beachtung finden sollten. Natürlich sind – schon von der Ausstattung her – die Büros nicht zu überfordern, doch stellen sie Organisationseinheiten dar, denen die „Europäisierung“ gleichsam ab ovo beigegeben ist.

Die europäische Rolle und Funktion der niedersächsischen „Regierungsbüros“ wird im Ergebnis stark von der Motivation der Beteiligten geprägt sein, ergänzt um jene exogenen Einwirkungen, die sich mit Finanzierungsangeboten seitens der Europäischen Kommission verbinden. Sollten sich die Regionalvertreter darüber hinaus auch als Protagonisten eines „europäischen Regionaldenkens“ verstehen, wäre dies für die einzelnen Räume und das Land selbst vorteilhaft.

Externe Allianzpartner erforderlich

Effektivität insbesondere von den beteiligten Akteuren abhängig

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(9) Zusammenfassung: „Optimierung“ des niedersächsischen Modells

Mit der vorliegenden Untersuchung wurde das niedersächsische Konzept zur Regierungs- und Verwaltungsreform in den Kontext der Modernisierungspolitiken in den deutschen Flächenländern eingeordnet. Insbesondere waren die Überlegungen zu einer künftigen staatlichen Repräsentanz in den Regionen einer kritischen Bewertung zu unterziehen.

Im Vergleich sowie mit Blick auf seine systematische Ausgestaltung kommt dem Ansatz der niedersächsischen Landesregierung dabei Modellcharakter zu. Diese positive Kennzeichnung verdankt sich der Bereitschaft, einen in der deutschen Verwaltungsgeschichte einmaligen Systemwechsel im Verwaltungsaufbau vorzunehmen. Durch einen konsequenten Übergang zur Zweistufigkeit und den Verzicht auf die Bezirksregierungen sollen neue dezentrale Verwaltungsformen erprobt werden. Neben einer umfassenden Kommunalisierung von staatlichen Aufgaben beinhaltet das die Errichtung sogenannter Regierungsbüros.77 Aus Sicht des Gutachters erweisen sich diese Einheiten als sinnvoll und funktionsnotwendig, um dezentrale Koordinationsleistungen zu erbringen, die in zweistufigen Systemen an der klassischen Ressortstruktur scheitern können und zumindest gegenwärtig die Kapazitäten der kommunalen Kreisstufe überfordern würden. Gleichwohl sind eben diese Fähigkeiten auch materiell zu untersetzen. In dieser Hinsicht erscheinen die bisherigen Planungen ergänzungsbedürftig. Dies betrifft zunächst die Ausgestaltung der dezentralen Regierungsstellen, sollte sich aber im Rahmen des angestrebten und vom Gutachter befürworteten Übergangs zur Zweistufigkeit bewegen. Darüber hinaus erscheinen komplementäre Modernisierungsschritte erforderlich, die mittelfristig zu verwirklichen sind und mit einer Evaluation der anstehenden ersten Reformphase zu verbinden wären.

Nachfolgend fasst der Gutachter zunächst die Vorschläge zur Arrondierung und Weiterentwicklung der Regierungsbüros zusammen. Im Anschluss daran werden weitere Modernisierungsschritte und ihr zeitlicher Horizont skizziert. Beide Maßnahmenbündel sind in der Logik des Reformkonzeptes angelegt, weshalb hier von einer „Optimierung“ des niedersächsischen Modells gesprochen wird.

Optimierung der Regierungsbüros

Mit Blick auf die Regierungsbüros sieht der Gutachter in vier Bereichen materiellen Ergänzungsbedarf:

77 Für sie wird ein Funktionsprofil angestrebt, das von klassischen Kategorien des vollzugsbehördlichen Handelns abrückt. Im Mittelpunkt soll künftig ein integratives Projektmanagement stehen, das sich weniger durch Aufsicht und Genehmigung als vielmehr durch Moderations- und Koordinationsaufgaben auszeichnet. Die Büros selbst sind als disloszierte Regierungsstellen konzipiert, die keine eigene Instanz repräsentieren, sondern im Sinne einer ortsnahen Einstufigkeit als regionale Agenten der Ministerialebene und als Ansprechpartner für externe Bedürfnisse fungieren.

Reformkonzept mit Modellcharakter

Regierungsbüros als neuartige dezentrale Verwaltungsform

Komplementäre Modernisierungs-leistungen erforderlich

Ergänzungsbedarf in vier Bereichen:

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Dies betrifft zunächst die Zuweisung „harter“ Kompetenzen als Grundlage ihrer Handlungs- und Geschäftsfähigkeit. Gerade die Vielzahl interdisziplinärer Entwicklungsaufgaben macht es erforderlich, dass dezentrale Einrichtungen nicht nur beratend tätig werden, sondern kraft einer definierten Zahl von abschließenden Entscheidungsrechten Prozesse „anschieben“, lenken und erforderlichenfalls auch anhalten können. Dieses Steuerungspotenzial kann sich bereits aus wenigen regulären Kompetenzen ergeben, vorrangig in den Bereichen Raum- und Bauordnung78 sowie Kommunalaufsicht. Hier empfiehlt der Gutachter eine Arrondierung des bislang geplanten Aufgabenkatalogs um regional bedeutsame Genehmigungsbefugnisse, insbesondere für die kommunale Gemeinschaftsarbeit. Hinzutreten sollte eine finanzielle Fördermöglichkeit innovativer Kooperationsprojekte. Die dafür erforderlichen Mittel wären als eigenständiger Fonds bzw. Sondervermögen auszuweisen; über ihre Vergabe würde in den Regierungsbüros entschieden. Erweitert werden sollten die genannten Kompetenzen um zeitlich befristete Aufträge der Fachministerien, insbesondere bei komplexen, ressortübergreifenden und regionalen Entwicklungsangelegenheiten (Moderation, Schlichtung, Federführung). Die Delegation dieser Zuständigkeiten wäre in der GGO abzusichern und später ggf. auch in Fachgesetzen zu verankern.

Daneben sollten die Regierungsbüros ein Initiativrecht zur Wahrnehmung von Aufgaben erhalten, die von außen an sie herangetragen werden. Im Interesse einer schlanken Regierungs- und Verwaltungsorganisation wäre diese Funktion allerdings klar zu definieren, um einen ausufernden Prozess der Aufgabenfindung zu vermeiden. Vorgeschlagen wird deshalb eine Verbindung mit dem Instrument der Zielvereinbarung als Auftrags- und Steuerungsgrundlage. Demnach dürften die Regierungsbüros (über ihren gegebenen Kompetenzrahmen hinaus) nur mit Zustimmung der verantwortlichen Ressorts dauerhaft in neuen Aufgabenbereichen tätig werden.

Des Weiteren sollten die Regierungsbüros in die Lage versetzt werden, Koordinationsleistungen auch jenseits eigener Genehmigungs- und Vollzugskompetenzen zu erbringen. Hierzu empfiehlt der Gutachter eine stärkere prozedurale Integration in das übrige Verwaltungshandeln. Mit Blick auf die Ansiedlung im Innenministerium sollte der Geschäftsbereich deshalb um die Aufgabe einer regionalen Koordination von Fachpolitiken und Behördentätigkeiten ergänzt werden. Jene Funktion käme den dezentralen Regierungsstellen zu und wäre durch eine Reihe kommunikativer und verfahrensbezogener Instrumente abzusichern. Hierzu zählen insbesondere ein permanentes Informationsrecht, die Durchführung von Schlichtungsverfahren in konflikthaften Genehmigungsfragen, die Moderation von Träger- und Behördenkonferenzen, die Federführung in ressortübergreifenden Genehmigungsverfahren, die Einberufung und Leitung von Regionalgesprächen, ein Vortragsrecht bei den Hausspitzen der Ministerien sowie die Evaluation und das Controlling von Regierungsprogrammen und administrativen Abläufen.

Schließlich hält der Gutachter eine formale Aufwertung der Institution Regierungsbüro sowie deren Amtsträger für wünschenswert. Empfohlen wird dabei die Bezeichnung des Landesbeauftragten, welche sowohl organisatorisch als

78 Hierzu zählen Genehmigungen, soweit nicht die unteren Behörden zuständig sind, sowie ggf. von den zuständigen Ministerien übertragene Aufsichtsaufgaben.

(1) Zuweisung „harter“ Kompetenzen

(2) Klar definiertes Initiativrecht für neue Aufgaben und Projekte

(3) Prozedurale Integration in das übrige Verwaltungs-handeln

(4) Formale Aufwertung zum Landesbauftragten

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auch personell für den einzelnen Dienststellenleiter zur Anwendung käme.79

Begründet wird ein solcher Schritt mit der verbesserten Wahrnehmung durch externe Anspruchsgruppen und strategische Partner im In- und Ausland. Hinzutritt die größere Durchsetzungsfähigkeit innerhalb der Landesverwaltung, was für die oben angesprochenen Koordinationsleistungen eine notwendige Bedingung darstellt. Dies gilt umso mehr, als infolge der vorgetragenen Empfehlungen die Regelzuständigkeit der Regierungsbüros bzw. der Landesbeauftragten auf einen eng umgrenzten Kanon regional effektiver Aufgaben begrenzt werden sollte, um die Entstehung einer neuen Instanz und von Doppelstrukturen zu vermeiden. Insofern kommt der protokollarischen und institutionellen Verankerung der dezentralen Regierungseinrichtungen eine besondere Bedeutung zu. In diesem Zusammenhang schlägt der Gutachter ebenfalls vor, die Besetzung der Landesbeauftragten als Dienststellenleiter (auf Vorschlag des Innenministers) durch das Kabinett bestätigen zu lassen. Als Regelbesoldung wäre mit Blick auf die übrige Personalstruktur der Ministerialverwaltung die Stufe B 3 vorzusehen, von der im begründeten Einzelfall nach unten (B 2) oder oben (B 4) abgewichen werden kann.

Insgesamt stellen die Regierungsbüros bzw. die Landesbeauftragten derzeit eine wesentliche Voraussetzung für eine funktionsfähige und in der Fläche des Landes verankerte zweistufige Verwaltungsorganisation dar. Gleichwohl sind die dezentralen Regierungseinrichtungen selbst als Entwicklungsprojekte zu verstehen. Dies resultiert unmittelbar aus der im Regierungskonzept vorgesehenen Evaluationsphase und sollte ausdrücklich die Möglichkeit einschließen, mittelfristig auf die Büros zu verzichten oder aber ihre Zahl zu erhöhen, sofern dies die Erfahrungen in den kommenden Jahren nahe legen. Gesondert zu verweisen ist in diesem Zusammenhang auf die notwendige Zeitspanne, die den neuen Organisationseinheiten einzuräumen ist, um die ihnen zugedachten Aufgaben adäquat zu bearbeiten. Dies betrifft zum einen die Integration in das übrige, zunehmend nach Ressortgesichtspunkten strukturierte Regierungshandeln. Zum anderen verbinden sich mit dem neuartigen Funktionsprofil einer primär koordinierenden und moderativ tätigen Verwaltung spezifische Anforderungen an das eingesetzte Personal. Die entsprechenden Auswahl-, Qualifizierungs- und Lernprozesse sind daher ebenfalls (zeitlich) in Rechnung zu stellen.

Komplementäre Modernisierungsleistungen in mittlerer Frist

Wie im Rahmen der vorangegangenen Ausführungen angesprochen, sind neben einer Optimierung des Modernisierungskonzeptes weitergehende Reformerfordernisse zu berücksichtigen. Sie beziehen sich unmittelbar auf die Logik des ablaufenden Reformprozesses und stellen insoweit keine grundsätzliche Kritik, sondern eine struktur- und funktionsnotwendige Ergänzung dar.

79 Die vollständige Bezeichnung würde demnach „Landesbeauftragter für die Region Weser-Ems“, „Landesbeauftragter für die Region Hannover“ usw. lauten; aufgrund politischer Einwände gegen ein sog. „Beauftragtenunwesen“ wäre alternativ der Begriff „Landesregierung: Regionalvertretung Weser-Ems, Hannover usw.“ denkbar.

Regierungsbüros bzw. Landesbeauftragte als Entwicklungsprojekt

Berücksichtigung notwendiger Zeitspannen bis zur vollständigen Funktionsfähigkeit

Weitere Optimierungs- leistungen

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Der erste dabei anzusprechende Aspekt berührt die horizontale Koordinationsfähigkeit innerhalb der Landesverwaltung. Entsprechende Bündelungsleistungen sollten künftig maßgeblich durch die Regierungsbüros erbracht werden, zumindest für jene Bereiche, deren Bearbeitung im Zuge der laufenden Reform (noch) nicht auf die kommunale Kreisstufe verlagert werden kann. Gleichwohl stehen dem auch bei prozeduraler Integration divergierende Ressortinteressen und die nach wie vor beträchtliche Zahl einzubeziehender Ministerien und Landesbehörden gegenüber. In dieser Hinsicht erwiese sich eine weitere Reduzierung des Organisationsbestandes und die Zusammenführung funktional verwandter Aufgabenbereiche als eine logische Konsequenz. Deshalb plädiert der Gutachter dafür, die laufende Legislaturperiode nicht nur zur Umsetzung, Evaluation und Konsolidierung der bereits geplanten Modernisierungsschritte zu nutzen, sondern zugleich den verbliebenen Bestand oberer und unterer Landesverwaltung kritisch in den Blick zu nehmen. Dies beträfe insbesondere die Behörden und Einrichtungen der Sonderordnungsverwaltung im Umweltbereich sowie die technischen und verwaltungsbezogenen Dienste. Eine Kabinettsreform böte schließlich zu Beginn der kommenden Legislaturperiode die Möglichkeit, gleichsam als Abschluss der Reorganisationsmaßnahmen funktionale Konzentrations- und Bündelungsprozesse auch auf der Ebene der obersten Regierungsbehörden einzuleiten. Auf die vom Gutachter im Rahmen eines Ländervergleichs entwickelte „Idealstruktur“ von etwa sieben gleichwertigen steuerungsstarken Ressorts wird verwiesen.80

Das zweite komplementäre Modernisierungsfeld bezieht sich auf die kommunale Kreisstufe. Hier zeichnet sich die Situation in Niedersachsen durch eine äußerst heterogene Struktur aus, die exemplarisch in dem Unterschied zwischen der Re- gion Hannover mit über 1,1 Mio. und der kreisfreien Stadt Emden mit 51.000 Einwohnern zum Ausdruck kommt.81 Zwar erfahren Städte und Gemeindeverbände als „Gewinner“ des ablaufenden Modernisierungsprozesses eine erhebliche Aufwertung (im Gefolge der eingeleiteten Funktional- und Strukturreformen sowie im Rahmen umfassender Deregulierungsprozesse), doch sind sie auf die Bearbeitung des veränderten Aufgabenbestandes aufgrund sehr differenter Kapazitäten nur häufig nur unzureichend vorbereitet. Hinzutreten exogene Herausforderungen, die sich mit dem demographischen Wandel82, veränderten Anspruchshaltungen von Wirtschaft und Gesellschaft sowie aus der gestiegenen Ressourcenkonkurrenz zwischen öffentlichen Gebietskörperschaften und mit dem privaten Sektor ableiten lassen. Diese Rahmenbedingungen verbinden sich mit der

80 Joachim Jens Hesse, Alexander Götz, Staatsreform in Deutschland – das Beispiel der Länder (II), ZSE 1/2004, S. 135f. Vorzusehen wären demnach ein Staatsministerium (inkl. auswärtige und Europaangelegenheiten sowie Justiz und Rechtspolitik), ein Innenministerium (inkl. Bau, Raumordnung und Landesentwicklung), ein Finanzministerium, ein Wirtschaftsministerium (inkl. Verkehr und Arbeit), ein Sozialministerium (inkl. Gesundheit und Jugend), ein Umweltministerium (inkl. Forsten, Ernährung und Landwirtschaft) sowie ein einheitliches Kultusministerium.81 Quelle: Statistisches Bundesamt, Bevölkerungsstand zum 31.12.2001.82 Vgl. hierzu u. a. Statistisches Bundesamt, Bevölkerung Deutschlands bis 2050, 10. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung, Wiesbaden, 2003.

Notwendigkeit, auch in einem

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Verbesserung der Koordinationsfähigkeit innerhalb der Landesverwaltung

Evaluation und ggf. weitergehende Konzentration der oberen und unteren Sonderbehörden

Kabinettsreform zu Beginn der nächsten Legislaturperiode

Kommunale Kreisstufe als zweites Reformfeld

Städte und Kreise als Gewinner des laufenden Reformprozesses

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künftig zweistufigen Verwaltungssystem unterschiedliche Fachbelange in der Fläche aufeinander abzustimmen und politische wie administrative Koordinationsleistungen zu erbringen. Mit Blick auf die gegebenen Größenordnungen und die damit verbundene Leistungskraft scheinen die 46 bzw. 48 Landkreise und Städte83 Niedersachsens dazu nur zum Teil in der Lage. Insofern stellt sich im Zusammenhang mit der Evaluation des laufenden Reformprozesses die Frage, inwieweit das Kompetenzgefüge zwischen Land und Region langfristig ausbalanciert werden muss oder ob hierzu der kommunalen Kreisstufe ein verstärkter Modernisierungsbeitrag zugemutet werden kann. Ausgehend vom Status quo dürfte sich bei aufwendigen und spezifischen Verwaltungsleistungen ein größerer Kreiszuschnitt anbieten. Kleinere Kreise und Städte wären hingegen aufgefordert, zunächst belastbare Kooperationsformen zu schaffen, innerhalb derer dann auch komplexere Vollzugs- und Genehmigungsaufgaben erledigt werden könnten.84 Eine weitergehende Dezentralisierung staatlicher Kompetenzen (etwa im Bereich der Gewerbeaufsichtsverwaltung) sowie eine flächendeckende Koordinationsstruktur, die über örtliche Einzugsbereiche hinausweist und damit auch in nationalen und europäischen Kontexten Bedeutung erlangt, wäre langfristig jedoch nur über eine Anpassung der gegebenen Territorialzuschnitte und Organisationsformen zu erreichen. Neben der Einkreisung kleinerer kreisfreier Städte könnte dies auch die Zusammenlegung oder den Neuzuschnitt bestehende Landkreise beinhalten; auf den Prozess zur Bildung der Region Hannover sei an dieser Stelle verwiesen. Insgesamt würde eine solche Kreisgebietsreform eine komplementäre Modernisierungsleistung der kommunalen Seite darstellen, um das zuvor diskutierte Reformkonzept funktional wie strukturell zu vervollständigen. Angesichts der damit verbundenen Konflikte wäre ein solcher Schritt aber nicht kurzfristig, sondern erst im Anschluss an eine Bewertung der gegenwärtigen Veränderungen sowie unter Nutzung freiwilliger Politiken und ihrer Förderung in den Blick zu nehmen.

Als Handlungsansatz für die laufende Legislaturperiode böte sich neben der vorgeschlagenen Förderung interkommunaler Zusammenarbeit auch die Schaffung von Anreizstrukturen für freiwillige Strukturanpassungen an, etwa in Form sog. „Hochzeitsprämien“, wie sie sich im Rahmen der Gebietsreformen im kreisangehörigen Raum als effektives Instrument erwiesen haben. Hinzu träten flexible Verfahren der Aufgabendelegation, wonach bei der Schaffung ausreichender Verwaltungsgrößen z. B. die Aufgaben der Staatlichen Gewerbeaufsichtsämter auch von den Kreisen wahrgenommen werden könnten (übertragener Wirkungskreis). Schließlich sollten Initiativen aus den Regionen, wie sie derzeit etwa in Ostfriesland diskutiert werden, positiv begleitet und entsprechend transportiert werden.85

83 Unter Einschluss Göttingens und Hannovers ergeben sich 48 Einheiten.84 Die jetzt geplante Übertragung einzelner Kompetenzen, so etwa die Durchführung von Planfeststellungsverfahren im Landesstraßenbau, könnte hierfür einen ersten Testfall darstellen.85 Vgl. dazu die aktuelle, auf die Initiative des Unternehmers Rolf Trauernicht zurückgehende Diskussion um die Bildung eines Großkreises Ostfriesland in den Grenzen des ehemaligen Regierungsbezirks Aurich. Rolf Trauernicht, Verwaltungsreform in Niedersachsen, Pressnotiz vom

Exogene Heraus-forderungen durch demographischen Wandel, veränderte Ansprüche und Ressourcenkonkurrenz

Notwendigkeit, gegebene Strukturen auf ihre langfristige Leistungskraft hin zu überprüfen

Kreisgebietsreform als Voraussetzung für weitergehende Delegation und flächendeckende Koordination

Anreizstrukturen und Förderung freiwilliger Initiativen

17.08.2004; Ostfriesen-Zeitung, Idee: Großkreis soll Ostfriesland retten, 17. August 2004;

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Abkürzungsverzeichnis

AöR Anstalt der öffentlichen Rechts

BR Bezirksregierung(en)

He Hessen

IZN Informatikzentrum Niedersachsen (Landesbetrieb nach § 26 LHO)

NLAVES Niedersächsisches Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit

LGN Landesbetrieb für Landesvermessung und Geobasisdateninformation Niedersachsen (nach § 26 LHO)

LSA Sachsen-Anhalt

MF Niedersächsisches Finanzministerium

MI Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport

MJ Niedersächsisches Justizministerium

MK Niedersächsisches Kultusministerium

ML Niedersächsisches Ministerium für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz

MS Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit

MU Niedersächsisches Umweltministerium

MW Niedersächsisches Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr

MWK Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur

NBank Niedersächsische Investitions- und Förderbank GmbH

NLBV Niedersächsisches Landesamt für Bezüge und Versorgung

NLNWK Landesbetrieb für Naturschutz, Wasserwirtschaft und Küstenschutz (ab 2005)

NLÖ Niedersächsisches Landesamt für Ökologie

NLS Niedersächsisches Landesamt für Statistik

NLSJF Landesamt für Soziales, Jugend und Familie.

NLWK Landesbetrieb für Wasserwirtschaft und Küstenschutz (bis 2005)

NLZSA Niedersächsisches Landesamt für Zentrale Soziale Aufgaben

RB Regierungsbüro(s)

StK Niedersächsische Staatskanzlei

Thü Freistaat Thüringen

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Anlage 1: Struktur- und Funktionalreformen in den deutschen Flächenländern (Regierungspositionen)86

(Stand: 1. September 2004)

Status quo*

Bisherige Maßnahmen**

Gesamt-konzept***

System-wechsel****

Geplante Maßnahmen**

Modell*****

86 Die in der Übersicht erfassten Einzelmaßnahmen präsentieren eine Auswahl von Modernisierungsschritten, die bislang durchgeführte oder künftig geplante Politiken im Bereich der Struktur- und Funktionalreform veranschaulichen sollen. Die Fälle Baden-Württemberg und Niedersachsen sind differenzierter dargestellt, da die Landesregierungen jeweils ein geschlossenes Reformkonzept verfolgen, das eine klare Modellorientierung aufweist (BW: Konzentrierte Dreistufigkeit; Nds: Konsequente Zweistufigkeit) und in einem Zug realisiert werden soll.

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Bay III regional 10 Ministerien 9

10 Landesanstalten im Bereich Landwirtschaft u. Forsten 3

2 Landesuntersuchungs-ämter Landesamt für Gesundheit u. Lebensmittelsicherheit

RP: interne Straffung, Delegation, Personaleinsparung

80 Ämter für Landwirtschaft und Ernährung 47

Gesundheits- u. Veterinärämter kommunale Kreisstufe

— — Grundsatz: Sektorale Anpassungs- und Regorganisationsmaßnahmen; Prüfung von Aufgabenverzicht und Realisierung von Privatisierungspotenzialen

Regionale Planungsverbände

Bayerisches Oberstes Landesgericht Oberlandesgerichte Bamberg, München und Nürnberg

Fachtechnische Dienste und besondere Service- aufgaben (Beschusswesen, Beratung für priv. Waldbesitzer etc.)

Freiwillige staatliche Leistungen (z.B. Beratungsleistungen)

Sonderbehörden allgemeine Verwaltung (Wasserwirtschaftsämter, Vermessungsämter, Forstverwaltung, Ämter für Versorgung und Familienförderung, Gewerbeaufsichtsämter)

Schul- und Polizei- verwaltung 3 Stufen

Reduzierung Außenstellen des Landesamtes Denkmalschutz 4 Standorte

Ämter für Versorgung und Familienförderung, Landesamt Bayreuth, Integrationsämter u. Hauptfürsorgestellen, Bayerisches Landesjugendamt Zentrum Bayern Familie u. Soziales

Bündelung u. zweistufiger Aufbau der Verwaltungen für Landwirtschaft, Forsten, Ländliche Entwicklung

III

(Fortsetzung auf der nächsten Seite)

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(Fortsetzung)

BW III regional 11 Ministerien 9

3 Forstdirektionen 4

Gewässerdirekt. RP

RP: int. Straffung und Aufgabenverzicht

190 Forstämter 140, 50 Landwirtschaftsämter 35

Beschluss des Verwaltungsstruktur-Reform-gesetzes

div. Einrichtungen u. Be-hörden LdB (§ 26 LHO)

36 Staatliche Gesundheitsämter, 21 Staatliche Veterinärämter und 17 Ämter für Wasserwirtschaft und Bodenschutz kommunale Kreisstufe

Juni 2004: Verabschiedung Verwaltungsstruktur-Reformgestez (VRG)87

Auflösung Sonder-

behörden und Integration in RP oder kommunale

Kreisstufe

— Grundsatz: Integration aller Sonderbehörden in die staatlichen und kommunalen Bündelungsbehörden (RP, Land- u. Stadtkreise); nur im Ausnahmefall Bildung von Sonderbehörden (Landesarchiv als Bsp.)

Wasserschutz- u. Autobahnpolizeiverwaltung (Integration in die allgemeine Polizeiverwaltung)

Landeswohlfahrtsverb. ( kommunale Kreisstufe)

Einzelne Justizdienste Eich- u. Messwesen Vermessungswesen (Zielmarke 80%)

4 Landespolizeidirektionen RP

Umgestaltung einer Landespolizeidirektion zum Polizeipräsidium, dem IM nachgeordnet

Oberschulämter RP

Staatliche Schulämter Landratsämter, Stadtkreise (optionale Angliederung)

Schulpsychologische Beratungsstellen untere staatliche Schulbhörden

Landeversorgungsamt RP Stuttgart

Versorgungsämter Landratsämter

Neubildung eines landesweiten Kommunalverbandes für Jugend und Soziales (Aufgaben des überörtlichen Trägers)

Landesgesundheitsamt RP Stuttgart

Landesgewerbeamt RP

Gewerbeaufsichtsämter Landratsämter, Stadtkreise, große Kreisstädte, Verwaltungsgemeinschaften und Gemeinden

Vergabekammer RP

III

(Fortsetzung auf der nächsten Seite)

87 Die mit dem VRG verbundenen Reformschritte sind in der rechten Spalte als geplante Maßnahmen ausgewiesen.

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(Fortsetzung)

(BW) Landesvermessungsamt RP Karlsruhe (Restaufgaben nach Privatisierung)

Mess- und Eichwesen, Landesstelle für Bautechnik, Beschussamt RP Tübingen

Vermessungsämter Landratsämter, Stadtkreise

landesamt Geologie, Rohstoffe und Bergbau RP Freiburg

Landesdenkmalamt RP

Aufgaben bez. Bundes- und Landesstraßen, Bundesautobahnen, Landesstelle für Straßentechnik RP

18 Straßenbauämter, 99 Straßenmeistereien Landratsämter, Stadtkreise

Landesamt für Flurneuordnung und Landentwicklung RP Stuttgart

Ämter für Landwirtschaft, Landschafts- u. Bodenkultur Landratsämter

Landesämter für Flurneuordnung u. Landentwicklung Landratsämter; Teilaufgaben RP

Forstdirektionen RP

Forstämter Landratsämter, Stadtkreise

Bezirksstellen für Naturschutz und Landschaftspflege RP

Gewässerdirektionen Landratsämter, Stadtkreise, Gemeinden (Restaufgaben zu RP)

Landesarchivdirektion, Staatsarchive 1 Landesarchiv

Lebensmittelüberwachung Landratsämter, Stadtkreise

Bbg II + III 18 Staatliche Schul- ämter 6

18 Staatliche Forstämter 10

— — Grundsatz: Beschränkung auf Kernaufgaben, verstärkte Privatisierung funktionale Bündelung und Länderkooperation

II

(Fortsetzung auf der nächsten Seite)

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(Fortsetzung)

(Bbg) 6 Polizeipräsidien 2

div. Einrichtungen u. Be-hörden LdB (§ 26 LHO)

Gemeindegebietsreform: 62 amtsfreie Gemeinden 143; 152 Ämter mit 1.413 Gemeinden 55 Ämter mit 287 Gemeinden

Aufgabenkritik sämtlicher Landesaufgaben

Mai/Juni 2004: Verabschiedung des neuen Landesorganisationsgesetzes, des Gesetzes zum Mess- und Eichwesen ( Berlin), des Gesetzes zur Neuorganisation des Straßenbauverwaltung des Gesetzes über die Strukturreform der Flurneuordnungsverwaltung88

Steuerabteilungen der Oberfinanzdirektion; Einrichtung einer II-stufigen Steuerverwaltung

Fachtechnische Dienste u. Facheinrichtungen (Bau- u. Liegenschaftsverwaltung, Kultureinrichtungen, Mess- und Eichwesen)

Aufgabenbündelung: Laborkapazitäten, Ämter für Versorgung und Soziales Landesamt für Versorgung und Soziales

Planungsaufgaben u. Einrichtungen Berlin (Landesamt für Mess- und Eichwesen Berlin-Branden-burg, ab 2006 alle zwei Jahre Prüfung LdB § 26 LHO)

Landesbergbauamt, Landesamt f. Geowissenschaften Landesamt für Berg-bau, Geologie und Roh-stoffe

Ämter für Arbeitsschutz u. Sicherheitstechnik, Landesinstitut für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin Landesamt f. Arbeitsschutz

Autobahnamt und Straßenbauämter Landesbetrieb Straßenwesen (§ 26 LHO)

Konzentration der Flurneuordnungsverwaltung ( Verbraucherschutz, Landwirtschaft und Flurneuordnung)

Ämter für Soziales und Versorgung ( Landesamt f. Soziales u. Versorgung)

Amt f. Immissionsschutz ( Landesumweltamt)

HE III regional Landesjugendamt Sozialministerium

Landesanstalt für Umwelt, Landesamt für Bodenforsch. Landesamt für Umwelt und Geologie

Landesamt für Versorgung und Soziales RP

— — Grundsatz: Fortsetzung sektoraler Anpassungs- und Regorganisationsmaßnahmen; funktionale Bündelung oder Integration von Sonderbehörden in RP; Realisierung von Privatisierungspotenzialen

Laborleistungen in Ämtern

III

(Fortsetzung auf der nächsten Seite)

88 Die mit den Einzelgesetzen verbundenen Reformschritte sind in der rechten Spalte als geplante Maßnahmen ausgewiesen.

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(Fortsetzung)

(He) Landesamt f. Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik RP

Landwirtwirtschafts-, Naturschutz- u. Forstverwaltung RP, staatliche Landräte, Landesbetrieb Hessen Forst (nach § 26 LHO) und Hessisches Dienstleistungszentrum für Landwirtschaft, Gartenbau und Naturschutz (HDLGN)

Reorganisation der Polizei: Landespolizeipräsidium im Innenministerium Reduzierung von 3 auf 2

Verwaltungsebenen Div. Einrichtungen u. Be-hörden LdB (§ 26 LHO) – LdB für Immobilienmanagement als Beispiel

Eichverwaltung AöR

Arbeitssicherheitstechnischer Dienst

Fahrschulüberwachung

Staatsbäder oder auf Kommunen

Justizvollzugsanstalt (Planung, Bau, Betrieb)

Neuausrichtung der Kataster- und Vermessungsverwaltung und Zusammenlegung mit Grundbuch zu einheitlichem Dienstleister (dazu Bundesratsinitiative)

MV II + III Landeshaupt- u. 4 Landes-bezirkskassen Landeszentralkasse

Interne Restrukturierung der Forst- sowie der unteren Gewerbeaufsichts- und Umweltverwaltung

div. Einrichtungen u. Behörden LdB (§ 26 LHO)

Schaffung von vier Regionalkreisen und Integration

der unteren Landesbehörden

— Grundsatz: Schaffung leistungsstarker Kommunalstrukturen (Regionalkreise) als Voraussetzung für umfassende Funktionalreform; parallel dazu Straffung und funktionale Bündelung der Sonderbehörden

Kreisgebietsreform und Einkreisung (12 Landkreise, 6 kreisfreie Städte 5 Regionalkreise

Funktionalreform: Sonderbehörden 5 Re-gionalkreise, z. T. Kooperationslösungen

// Reduzierung der Anzahl von oberen Landesbehörden durch funktionale Bündelung und Privatisierung

Gemeindegebietsreform (Ämter ≥ 6.000 Einw. ≤10 Gemeinden; amtsfreie Gemeinden ≥ 5.000 Einw.)

II

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Nds III regional Interne Straffung u. Reorganisation der Ministerien

ca. 100 Behörden (z. B. Landesverwaltungsamt 1998) und auf andere Behörden

Auflösung

Bezirksregierungen und Integration

in Sonderbehörden,

Privatisierung

Übergang von der Drei- zur Zweistufigkeit

Grundsatz: Realisierung der Zweistufigkeit (Basis: umfassende Aufgabenkritik) – dafür Auflösung der Bezirksregierung, Verzicht auf obere Landesbehörden (Umwandlung in zentrale Ämter, Integration unterer

II

(Fortsetzung auf der nächsten Seite)

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(Fortsetzung)

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(Nds) Kreisfreie Stadt Hannover, Kommunalverband Großraum Hannover und Landkreis Hannover Region Hannover

div. Einrichtungen u. Be-hörden LdB (§ 26 LHO)

September 2004: Kabinettsbeschluss zur Verwaltungsreform auf Grundlage der Feinkonzepte der Fachressorts; Anhörung zum Gesetz zur Modernisierung der Verwaltung in Niedersachsen89

Behörden), Kommunalisierung, Privatisierung und Übertragung von Aufgaben auf Dritte

Bezirksregierungen (Bildung von vier „Regierungsbüros“ als Außenstellen des Innenministerieums); Aufgaben Zentrale Landesämter, Ministerien, , komm. Kreisstufe

BezR, Sonderbehörden priv. Dienstleister, berufs-ständische Organisationen (Fremdvergabe von technischen, planerischen und Überwachungsaufgaben der Naturschutz- und Wasserwirtschaftsverwaltung; Übertragung v. Auf-gaben der Wirtschaftsordnung und Landwirtschaftsverwaltung auf berufsständische Organisationen)

Funktionale Bündelung von Sonderbehörden:

– Konzentration der Wasserwirtschaftsverwaltung und Teile der Naturschutzverwaltung im Landesbetrieb für Naturschutz, Wasserwirtschaft und Küstenschutz [§ 26 LHO]

– einheitliche Landesarchivverwaltung

– Errichtung einer zentralen Kommunalprüfungsanstalt [AöR]

– Organisation der Polizeiverwaltung in einem separaten Fachstrang inkl. der Aufgaben des Katastrophen- und Brandschutzes

– Konzentration der Ausländerverwaltung

– Landeausgleichsamt Nds. Landesamt für Bezüge und Versorgung

– Neuorganisation der Vermessungs-, Kataster-, der Agrarordnungs- und Domänenverwaltung in 14 neuen Unterbehörden

89 Die einzelnen Reformschritte sind in der rechten Spalte als geplante Maßnahmen ausgewiesen.

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Niedersachsen: Staatliche Repräsentanz in den Regionen

(Fortsetzung)

(Nds) – Konzentration der Wirtschaftsförderung in der NBank

– Vertikale Konzentration des Straßenbaus ( LdB nach § 26 LHO u. komm. Kreisstufe)

– Vertikale Konzentration und org. Verselbständigung der Landesforst-verwaltung

– Bildung einer oberen Landesschulbehörde (vorübergehend) und eines Landesamtes für Lehrerausbildung und Schulentwicklung

– Integration der oberen und unteren Landessozialverwaltung im neuen Landesamt für Soziales, Jugend und Familie

Obere Landesverwaltung norddeutsche Länder (Prüfung: Vergabekammer, Landesamt für Statistik)

NRW III regional 15 Landesoberbehörden 7

Landesamt für Agrarordnung, Landesversorgungsamt, Landesamt für Ausbildungsförderung BezR

Stärkung der gewählten Regionalräte bei den BezR

Verstaatlichung Straßenbau (LWL/LVR BezR, LdB Straßenbau) und Maßregelvollzug (LWL/LVR Ld.-Beauftragter)

div. Einrichtungen u. Be-hörden LdB (§ 26 LHO)

Bildung von 7 Landesbetrieben: Materialprüfungsamt, Landesvermessungsamt, Landesbetrieb Straßenbau, Bau- und Liegenschaftsbetrieb, Landesamt für Datenverarbeitung u. Statistik, Geologischer Dienst, Landesbetrieb Mess- und Eichwesen

— — Grundsatz: Integration von oberen und unteren Sonderbehörden in die Bezirksregierungen; Modernisierung der höheren Kommunalverbände; Prüfung einer Neustrukturierung der administrativen Zuschnitte im Ruhrgebiet; Schaffung betrieblicher Einrichtungen

Vollständige Aufgabenerhebung u. -überprüfung

Obere und untere Sonderbehörden BezR, Rest-aufgaben Ministerien

Landesbank Förder- u. Strukturbank des Landes

Schaffung v. drei Bezirken: Westfalen, Rheinland, Ruhrgebiet; Reform des KVR, Stärkung der interkommunalen Zusammenarbeit in höheren Kommunalverbänden

Reduzierung der Ebenen der staatl. Schulaufsicht

Untere Sonderbehörden kommunale Kreisstufe

III

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(Fortsetzung)

(NRW) Forstaufgaben (Obere Forstbehörde, Forstämter

etc.) Landesforstbetrieb

RlP III regional Umbau der Mittelinstanzen: 3 RP 2 Struktur- und Genehmigungsdirektionen, 1 Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion

Sonderbehörden neue Mittelinstanzen

div. Untersuchungseinrichtungen Landesuntersuchungsamt

Neuorganisation des Landesamts für Soziales, Jugend und Versorgung

div. Einrichtungen u. Be-hörden LdB (§ 26 LHO)

Funktionale

Neuausrichtung Mittelinstanzen

(Direktionsmodell

— Grundsatz: Funktionale Neuausrichtung der oberen und mittleren Landesverwaltung, Verzicht auf bzw. Reduzierung von unteren Sonderbehörden

Evaluation des Umbaus der Mittelinstanzen

Weitere Sonderbehörden neue Mittelinstanzen

Reform der Agrarverwaltung (Bildung v. 6 Dienst-leistungszentren)

Reform der Forstverwaltung (Auflösung von 43 Forstämtern)

Reform der Finanzamtsbezirke (Reduzierung um 11 Bezirke)

Zentralisierung der Adoptionsstelle Hessen

III

Saarl II + III Projektorientierte Überprüfung u. Anpassung interner Strukturen und Abläufe der Landesverwaltung, Privati-sierungsbemühungen

Obere Behörden der allgemeinen Organisations- und Wirtschaftsverwaltung und der Gesundheits-, Verbraucher- u. Arbeitsschutzverwaltung. LdA für Bau- und Liegenschaften, LdA für Finanzen, LdA f. Verbraucher-, Gesundheits- und Arbeitsschutz

Zentrale Datenverarb., Lan-deshauptkasse LdA für Bau- und Liegenschaften

Derzeit Entwicklung eines

umfassenden Reformkonzeptes mit externer Hilfe

— Grundsatz: Erhalt der Eigenständigkeit durch vollständige Überprüfung der Verwaltungsstrukturen auf Landes- und kommunalebene auf Basis einer umfassenden Aufgabenkritik

Fortsetzung der Konzentration der staatlichen Sonderbehörden

Umfassende Aufgabenkritik und Evaluation der Aufgabenwahrnehmung und Organisationsstruktur der Kommunen mit dem Ziel einer ganzheitlichen Kommunalreform

II

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Sachs III regional Vertikale und horizontale Konzentration von Fachverwaltungen (Landeskassen, Bau/Liegenschaften)

Interne Straffung von Organisationsstrukturen

Sonderbehörden RP

23 Schul- u. Oberschulämter 6 Regionalschulämter

div. Einrichtungen u. Be-hörden LdB (§ 26 LHO)

— — Grundsatz: Sektorale Anpassungsmaßnahmen und Initiative zu einer erweiterten Länderkooperation mit Thüringen und Sachsen-Anhalt

Staatliche Umweltämter, Staatliche Gewerbeauf-sichtsämter RP

Separate Straffung der Berg- u. Archivverwaltung

Weitergehende Funktionalreform

III

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(Fortsetzung)

(Sachs) Obere Landesverwaltung Thüringen (gemeinsame Arbeitsgruppe

Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen („Initiative Mitteldeutschland“) bei verschiedenen Aufgabenbereichen)

LSA III regional spez. Vollzugs-, Fach- und Serviceaufgaben der RP Sonderbehörden

Reduzierung untere Landesbehörden (ForstÄ, Ä. f. Umweltschutz, Ä. f. Land-wirtsch. Flurneuordnung)

div. Landesaufgaben kommunale Kreisstufe (Versorgung/Soziales, Um-welt, Landwirtsch., Denk- malsch., Gewerbeaufsicht)

div. Einrichtungen u. Be-hörden LdB (§ 26 LHO) o. verselbst. Einheiten

Vorbereitung kommunale Gebietsreform (1.-3. Vor-schaltgesetz)

3 RP Landesverwaltungsamt

Verschlankung u. Zentralisierung d. Mittelinstanzen, Reduzierung der

oberen Verwaltung

— Grundsatz: Sektorale Anpassungsmaßnahmen und Initiative zu einer erweiterten Länderkooperation mit Thüringen und Sachsen

Obere Landesverwaltung Landesverwaltungsamt

Aufgaben des Landes kommunale Kreisstufe

Übertragung von Aufgaben der Landkreise auf kreisangehörige Städte, Gemeinden, Verwaltungsgemeinschaften

Förderung einer freiwilligen kommunalen Gebiets-reform

Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen („Initiative Mitteldeutschland“) bei verschiedenen Aufgabenbereichen

III

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SH II ≈ 10+1 Ministerien 9+1; interne Straffung der Ministerialorganisation

Horizontale und vertikale Straffung der oberen und unteren Landesverwaltung (in den Bereichen Umwelt, Natur, Lebensmittel-/Vete- rinärwesen, Gewerbe- aufsicht)

Dialogischer Prozess zwischen Land u. Kommunen zur Funktionalreform

Umfassende Maßnahmen zur Verselbständigung von Behörden (Bau- und Liegenschaftsverwaltung GMSH AöR etc.)

Diverse Behörden und Einrichtungen Bremen, Hamburg, Niedersachsen u. a.

— — Grundsatz: Fortsetzung der sektoralen Optimierung von Strukturen und Abläufen

Fortsetzung sektoraler Reorganisations- und Anpassungsmaßnahmen

Aufgabenanalyse und -kritik aller Landesaufgaben

Überprüfung aller Aufgaben des Landes für eine Übertragung auf die kommunale Ebene

Fortsetzung Sonderbehörden, Organisations- u. Wirtschaftsverwaltung, fachtechnische Dienste AöR, KöR, StöR

Obere Landesverwaltung Bremen, Hamburg, Niedersachsen u. a. (Landesstatistik, Eichverw., Datenverarbeitung)

Fortsetzung der Funktionalreform und Ansätze einer Diskussion zur Anpassung der Territorialstrukturen

II

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(Fortsetzung)

Thü III zentral Straffung von Fachverwaltungssträngen (zweistufige Bergverwaltung)

Landesanstalten für Umwelt und für Geologie Landesanstalt für Umwelt und Geologie

LdA f. Rehabitilierung u. Wiedergutmachung Landesamt für Soziales und Familie

3 Staatskassen Steuerverwaltung

Staatl. Veterinär- u. Le-bensüberwachungsämter kommunale Kreisstufe

div. Einrichtungen u. Be-hörden LdB (§ 26 LHO) o. Organisationsprivati- sierungen

— — Grundsatz: Sektorale Anpassungsmaßnahmen und Initiative zu einer erweiterten Länderkooperation mit Sachsen-Anhalt und Sachsen

Fortsetzung sektoraler Reorganisations- und Anpassungsmaßnahmen

Obere Landesverwaltung Landesverwaltungsamt

Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen („Initiative Mitteldeutschland“) bei verschiedenen Aufgabenbereichen (Wirtschaftförd., Hochschulen etc.)

Überprüfung sämtlicher Aufgaben des Landes bzgl. einer Verlagerung auf kommunale Kreisstufe

III

Anmerkungen zu Anlage 1

* II ≈ = weitgehend zweistufiger Verwaltungsaufbau; II + III = formal zweistufiger Verwaltungsaufbau mit dreistufig organisierten Fachverwaltungen; III regional = dreistufiger Verwaltungsaufbau mit regional gegliederten Mittelinstanzen als Bündelungsbehörden (z. B. Regierungspräsidien); III zentral = dreistufiger Verwaltungsaufbau mit einer zentralen oberen Bündelungsbehörde (z. B. Landesverwaltungsamt).

** → = Verringerung, Zusammenfassung, Integration oder Verlagerung von Behörden und Aufgaben; = Auflösung von Behörden/ Organisationseinheiten und Verlagerung von Personal und Aufgaben auf eine andere Behörde bzw. einen anderen Träger; = Änderung der Rechtsform; = Delegation/Dezentralisierung von Aufgaben auf Kommunen oder innerhalb des kommunalen Raums; = Privatisierung von Aufgaben; = Bildung einer Länderkooperation (gemeinsame Trägerschaft oder Auftragsverwaltung).

*** = die Landesregierung oder die sie tragenden Parteien haben ein Reformkonzept formuliert und/oder beschlossen, das den gesamten Organisationsbestand umfasst und ein einheitliches Aufbauprinzip festschreibt; — = die Landesregierung oder die sie tragenden Parteien haben kein Reformkonzept formuliert und/oder beschlossen, das den gesamten Organisationsbestand umfasst und ein einheitliches Aufbauprinzip festschreibt.

**** = das Reformkonzept der Landesregierung oder der sie tragenden Parteien beinhaltet einen Systemwechsel, also etwa den Übergang von einem zwei- zu einem dreistufigen Verwaltungsaufbau; — = das Reformkonzept der Landesregierung oder der sie tragenden Parteien beinhaltet keinen Systemwechsel.

***** Modellorientierung: II = konsequente Zweistufigkeit (vollständiger Verzicht auf dreistufige Instanzenzüge mit Ausnahme der Finanzverwaltung, der Gerichtsbarkeit und der Polizei); III = konzentrierte Dreistufigkeit (weitgehender Verzicht auf Sonderbehörden und Integration in die regional gegliederten Mittelinstanzen oder in eine zentrale obere Bündelungsbehörde); Region = Bildung von kommunalen Verbandskörperschaften oberhalb der kommunalen Kreisstufe, in die die staatlichen Mittelinstanzen oder Sonderbehörden weitgehend integriert werden.

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Niedersachsen: Staatliche Repräsentanz in den Regionen

Anlage 2: Struktur- und Funktionalreformen in den deutschen Flächenländern (Vergleich der Vorstellungen von Regierung und Opposition)90

(Stand: 1. September 2004)

Status quo **

Regierung Opposition

Gesamt-konzept***

System-wechsel****

Modell***** Gesamt- konzept***

System-wechsel****

Modell*****

Bay (B)*

III regional — — III — — IIIa

BW (B)*

III regional Auflösung Sonder-

behörden und Integration in RP oder kommunale

Kreisstufe

— III Auflösung

RP, Land- und Stadtkreise und

Integration in ca. 8 Regionalkreise

Übergang von

der Dreistufigkeit

zur Zweistufigkeit

u. Kreisgebiets-reform

IIb

Bbg (AB)*

II + III — — II — — II

He (B)*

III regional — — III — Schaffung von drei Regionen als Regional-verbände über der Kreisstufe

Regionc

MV (A)*

II + III Schaffung von vier Regionalkreisen

und Integration der unteren

Landesbehörden

— II — — IId

Nds (B)*

III regional Auflösung

Bezirksregierungen und Integration in Sonderbehörden,

Privatisierung

Übergang von der Drei- zur Zweistufigkeit

II — — IIIe

NRW (A)*

III regional — — III Verzicht auf BezR, Bildung von drei

Regionalverbänden (als höhere

Kommunalverbände)

Dreistufigkeit

mit zweiter regionaler

Kommunalinstanz

Regionf

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90 Die Darstellung beruht auf einer breiten und umfassenden Recherche, einschließlich der Prüfung geltender Beschlusslagen. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass es sich hierbei um Momentaufnahmen handelt. Interne Überlegungen oder aktuelle Entwicklungen sind nicht immer vollständig zu berücksichtigen. Dennoch kann davon ausgegangen werden, dass die Angaben die gegenwärtigen Politikvorstellungen adäquat abbilden.

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Niedersachsen: Staatliche Repräsentanz in den Regionen

(Fortsetzung)

Status quo **

Regierung Opposition

Gesamt-konzept***

System-wechsel****

Modell***** Gesamt- konzept***

System-wechsel****

Modell*****

RlP (A)*

III regional Funktionale

Neuausrichtung Mittelinstanzen

(Direktionsmodell)

— III — — IIIg

Saarl (B)*

II + III — — II — — II

Sachs (B)*

III regional — — III — — IIh

LSA (B)*

III regional Verschlankung u. Zentralisierung d. Mittelinstanzen, Reduzierung der

oberen Verwaltung

— III Verschlankung u. Zentralisierung d. Mittelinstanzen, Reduzierung der

oberen Verwaltung (ggf. Kommunal-

reform)

— IIIi

SH (A)*

II ≈ — — II — — II

Thü (B)*

III zentral — — III — — III

Anmerkungen zu Anlage 2

* (A) = SPD-geführte Regierung (Alleinregierung oder mit der FDP bzw. Bü90/Grü als Koalitionspartner), CDU als Opposition; (B) = CDU- oder CSU-geführte Regierung (Alleinregierung oder mit der FDP als Koalitionspartner), SPD als Opposition; (AB) = SPD-geführte große Koalition (FDP, PDS bzw. Bü90/Grü als Opposition).

** II ≈= weitgehend zweistufiger Verwaltungsaufbau; II + III = formal zweistufiger Verwaltungsaufbau mit dreistufig organisierten Fachverwaltungen; III regional = dreistufiger Verwaltungsaufbau mit regional gegliederten Mittelinstanzen als Bündelungsbehörden (z. B. Regierungspräsidien); III zentral = dreistufiger Verwaltungsaufbau mit einer zentralen oberen Bündelungsbehörde (z. B. Landesverwaltungsamt).

*** = die Landesregierung bzw. die Opposition hat ein Reformkonzept formuliert und/oder beschlossen, das den gesamten Organisationsbestand umfasst und ein einheitliches Aufbauprinzip festschreibt; — = die Landesregierung bzw. die Opposition hat kein Reformkonzept formuliert und/oder beschlossen, das den gesamten Organisationsbestand umfasst und ein einheitliches Aufbauprinzip festschreibt.

**** = das Reformkonzept der Landesregierung bzw. der Opposition einhaltet einen Systemwechsel, also etwa den Übergang von einem zwei- zu einem dreistufigen Verwaltungsaufbau; — = das Reformkonzept der Landesregierung bzw. der Opposition beinhaltet keinen Systemwechsel.

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Niedersachsen: Staatliche Repräsentanz in den Regionen

***** Modellorientierung: II = konsequente Zweistufigkeit (vollständiger Verzicht auf dreistufige Instanzenzüge mit Ausnahme der Finanzverwaltung, der Gerichtsbarkeit und der Polizei); III = konzentrierte Dreistufigkeit (weitgehender Verzicht auf Sonderbehörden und Integration in die regional gegliederten Mittelinstanzen oder in eine zentrale obere Bündelungsbehörde); Region = Bildung von kommunalen Verbandskörperschaften oberhalb der kommunalen Kreisstufe, in die die staatlichen Mittelinstanzen oder Sonderbehörden weitgehend integriert werden.

a Die bayerische SPD-Landtagsfraktion hat zum Thema Staatsvereinfachung und Bürokratieabbau im Jahr 2003 eine eigene Kommission unter Leitung des Landtagsvizepräsidenten Ritzer eingesetzt. Detailliertere Vorschläge finden sich dabei vor allem für die Ministerialebene (Verringerung auf sieben Ressorts zzgl. Staatskanzlei). Daneben werden eher allgemeine Aussagen zur Neuorganisation der Behördenstrukturen und Funktionalreform getroffen. Ausdrücklich verweisen die Autoren in diesem Zusammenhang auf die Reformüberlegungen in Baden-Württemberg und die dort beabsichtige Integration von Sonderbehörden in die Regierungspräsidien (vgl. hierzu BayernSPD Landtagsfraktion, Staatsvereinfachung und Bürokratieabbau in Bayern. Vorlage zur Pressekonferenz am 27. Juni 2003, München, 2003; BayernSPD Landtagsfraktion, Staatsvereinfachung und Bürokratieabbau in Bayern. Vorschläge der Kommission zu „Staatsvereinfachung und Bürokratieabbau“, München, 2003).

b SPD-Landtagsfraktion (Hrsg.), Unser Land modern und sozial gerecht gestalten, Stuttgart, 2003, 45f; Landtag von Baden-Württemberg 13. Wahlperiode, Drs. 13/1722, 28.01.2003, Antrag der Fraktion der SPD, Konzeption zur Verwaltungsreform für ein zukunftsfähiges Baden-Württemberg.

c Die hessische SPD fordert die Bildung von drei Regionen (Region Rhein-Main, Region Nordhessen, Region Mittelhessen). Für jede Region soll ein Regionalparlament direkt gewählt werden. Die Finanzierung erfolgt über eine Umlage der beteiligten Gebietskörperschaften. Die Aufgaben sollen regionaler Natur sein, ohne diese operativ im einzelnen zu benennen. Eine Auflösung der Regierungspräsidien und/oder der Landkreise wird nicht gefordert. Es sollen regional flexible, und damit anzunehmender Weise auch unterschiedliche, Lösungen zugelassen werden (vgl. hierzu: SPD Hessen, Chancen einer neuen Zeit. Sozialdemokratisches Regierungsprogramm für die Landtagswahl 2003 in Hessen, Wiesbaden, 2002, 62ff.; Sozialdemokratische Fraktion im Hessischen Landtag, Klemm: Mit Kommunalwahl 2006 sollen Regionalparlamente gewählt werden, Pressemitteilung vom 25.11.2002, Wiesbaden; Sozialdemokratische Fraktion im Hessischen Landtag, Schmitt: Unternehmer belegen Scheitern der Landesregierung, Pressemitteilung vom 06.11.2003, Wiesbaden; Harting, M., Vor dem Parteitag: SPD-Spitze geht Regionalreform mit neuem Elan an, in: Rhein-Main-Zeitung, 10.10.2003; als Entgegnung der hessischen Landesregierung: Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung, Posch: Klemm macht sich mit regionalplanerischem Schlingerkurs heimatlos – Rückgriff auf Staatsdirigismus / Neue Verwaltungsebene bringt mehr Bürokratie, Pressemitteilung vom 15.01.2002, Wiesbaden).

d Die CDU Mecklenburg-Vorpommern lehnt das von der Landesregierung vorgelegte Reformkonzept („Eckpunkte-Papier“) ab. Insbesondere wird eine Kreisgebietsreform als Voraussetzung für eine umfassende Funktionalreform bestritten. Die von der CDU eingesetzte Kommission zur Verwaltungsreform favorisiert dagegen eine weitgehende Verlagerung von Aufgaben unterer Landesbehörden auf die kommunale Kreisstufe und daneben die Konzentration oberer Sonderbehörden (vgl.: Kommission „Verwaltungsreform“ der CDU Mecklenburg-Vorpommern, Zwischenbericht zur Verwaltungsvereinfachung in Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin 2003).

e Die SPD Niedersachsen lehnt die Auflösung der Regierungspräsidien und die im Umfeld dieser Maßnahmen geplanten Schritte in der gegenwärtigen Form ab. Sie stellt dem bislang kein

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Niedersachsen: Staatliche Repräsentanz in den Regionen

geschlossenes Konzept entgegen. Insofern ist von einem Festhalten an der gegebenen Dreistufigkeit auszugehen (vgl. hierzu u. a.: Sozialdemokratische Fraktion im Niedersächsischen Landtag, Bartling: Bezirksregierungen werden zum Opfer der planlosen Reformpolitik der neuen Landesregierung, Pressemitteilung vom 08.07.2003, Hannover; Ders., Bartling spricht mit Personalräten der Bezirksregierung: Wir brauchen eine Verwaltungsreform ohne Denkverbote, Pressemitteilung vom 12.09.2003, Hannover).

f Die CDU Nordrhein-Westfalen fordert die Auflösung der fünf Regierungsbezirke und ihrer Bezirksregierungen. An ihre Stelle treten drei Regionalverbände für das Rheinland, Westfalen-Lippe und das Ruhrgebiet. Sie sollen – soweit das den entsprechenden Dokumenten zu entnehmen ist – als höhere Regional- bzw. Kommunalverbände verfasst sein und direkt gewählte Regionalparlamente erhalten. In den Regionalverbänden sollen die zwei Landschaftsverbände Rheinland und Westfalen-Lippe sowie der Kommunalverband Ruhrgebiet aufgehen. Sie erhalten weitgehend den Aufgabenbestand der Bezirksregierungen und den weiterer Sonderbehörden, sofern entsprechende Zuständigkeiten nicht auf die kommunale Kreisstufe verlagert werden können. Die Kommunalaufsicht soll möglichst zweistufig organisiert werden, ebenso die Fachaufsicht. Erwogen wird ferner, die Verstaatlichung des Straßenbaus rückgängig zu machen. Darüber hinaus fordert die CDU eine Trennung von verschiedenen Unternehmensbeteiligungen, die Prüfung einer weitgehenden Privatisierung von Landesamtbetrieben sowie die Zusammenfassung der bisherigen Oberfinanzdirektionen zu einer einheitlichen Direktion (vgl. hierzu u. a.: Landtag Nordrhein-Westfalen 12. Wahlperiode, Drs. 12/783, 11.03.1996, Antrag der Fraktion der CDU, Bürokratie abbauen – Verwaltungsstrukturen straffen, 1996; Landtag Nordrhein-Westfalen 12. Wahlperiode, Drs. 12/3365, 28.09.1998, Antrag der Fraktion der CDU, Taten statt Worte: Verwaltungsstrukturreform endlich voranbringen, 1998; Rüttgers, J.: Das Ruhrgebiet – ein starkes Stück im Westen. Rede vor der Ruhrgebietskonferenz der CDU-NRW, Recklinghausen, 1999; CDU Ruhrgebiet: Das neue Ruhrgebiet – neue Mehrheiten, neue Chancen, neue Lösungen. Resolution des 26. Bezirksparteitages der CDU-Ruhrgebiet vom 12.07.2001; Landtag Nordrhein-Westfalen 13. Wahlperiode, Drs. 13/3394, 17.12.2002, Antrag der Fraktion der CDU, Entschließung zur 3. Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung zum Landeshaushalt 2003; Landtag Nordrhein-Westfalen 13. Wahlperiode, Drs. 13/4959, 27.01.2004, Entschließungsantrag CDU, Zukunftsprogramm Nordrhein-Westfalen, Dieter Patt, „Dycker Erklärung der CDU im Rheinland“ 23. Juli 2003, 17.00 Uhr (Rede), Schloss Dyck, Rhein-Kreis Neuss, 2003; CDU Nordrhein-Westfalen, Beschluss des 23. Landesparteitags am 5. April 2003, „Strukturwandel fördern. Stadt und Land entwickeln“, 2003, 5f.; CDU-Bezirksvorstand Niederrhein, Entbürokratisierung jetzt! Im Interesse der Menschen in Nordrhein-Westfalen: Für eine Verwaltungsstrukturreform und den Abbau von Bürokratie, 2003).

g Bislang hat die CDU Rheinland-Pfalz kein eigenes umfassendes Konzept zur Verwaltungsstruktur- und Funktionalreform vorgelegt. Allerdings hat der Landesvorsitzende Christoph Böhr in einer Rede zur Verabschiedung des Landeshaushaltes die Formulierung und Veröffentlichung von konkreten Vorstellungen zur Jahreswende 2003/2004 angekündigt (vgl. Böhr, Ch., Redemanuskript Online-Dokument unter http://www.cdu-fraktion-rlp.de/php_2/ showprint.php?block id=11005, Download am 24.11.2003).

h Im neuen Programm für die Landtagswahl 2004 wird von der SPD die Auflösung der Regierungspräsidien und die Kommunalisierung der dort wahrgenommenen Aufgaben gefordert. Damit verfolgt die sächsische SPD einen Systemwechsel in der Verwaltungsstruktur (vgl. SPD Sachsen (Hrsg), SPD Programm für die Landtagswahl 2004, Beschluss des außerordentlichen Landesparteitages vom 9. Mai 2004, Dresden, 2004, S. 46).

i Das Konzept zur Reform der Landesverwaltung wurde noch unter der SPD-Vorgängerregierung ausgearbeitet. Insoweit hat die SPD eine identische Position wie die CDU-geführte Landesregie-

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Niedersachsen: Staatliche Repräsentanz in den Regionen

rung. Ausweislich der 1999 vorgestellten und vom damals SPD-geführten Innenministerium ausgearbeiteten Leitbilder zur Verwaltungsreform gingen die Vorstellungen damals jedoch insofern weiter, als sie für den kommunalen Bereich wesentlich umfassendere Strukturreformen vorsahen (Ministerium des Innern des Landes Sachsen-Anhalt, Modernisierung der Verwaltung des Landes Sachsen-Anhalt, Magdeburg, 1999; Ders., Kommunalreform in Sachsen-Anhalt, 1999, Magdeburg). Im Wahlprogramm der SPD Sachsen-Anhalt für die Legislaturperiode 2002-2006 werden allerdings keine Strukturveränderungen auf der Kreisebene mehr angesprochen (vgl. SPD Sachsen-Anhalt, Mit ganzer Kraft für unser Land. Das 20-Punkte-Programm, Wahlprogramm der SPD Sachsen-Anhalt zur Landtagswahl 2002, beschlossen vom Landesparteitag in Halle am 25./26. Januar 2002, 19f.).

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