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Anmerkung zu OLG Naumburg, Urt. v. 20.12.2012 – 1 U 120/11 (LG Magdeburg)

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  • die Bekl. sich aufklrungsgem verhalten htte, kommt es nicht mehr an.

    c) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht nicht fest, dass tatschlich das Rauchverhalten der Bekl. zum Im-plantatverlust gefhrt hat. Gleiches gilt fr die vom Sach-verstndigen Prof.Dr.Y. als weitere denkbare Risikofak-toren genannten Umstnde, dass die Bekl. eine mgliche Titanunvertrglichkeit aufweisen knnte, einen ungnsti-gen Interleukin-C-Status zeigte und wohl eine Neigung zu Parodontitis hat.

    aa) Ob einer der von ihr genannten vier Risikofaktoren (einschlielich des Rauchens) urschlich fr den Implantat-verlust war, bleibt offen. Die Sachverstndigen Prof.Dr.Y. und Prof.Dr.Sz. konnten ber die Ursache des Implantat-verlusts keine hinreichend sicheren Aussagen treffen. Ob berhaupt ganz allgemein, wie Prof.Dr.Y. in seinem Gut-achten meint, eine deutliche Korrelation zwischen Rau-chen und Implantatverlust feststeht, ist demnach schon fraglich. Denn in der von ihm in diesem Zusammenhang zitierten und zu den Akten gereichten Studie von Sanna u. a. ist nur davon die Rede, dass Rauchen eventuell ei-nen negativen Einfluss haben knnte. Das reicht jedoch fr eine Haftung nicht aus, da jedenfalls nicht bewiesen ist, dass das Rauchverhalten der Bekl. in ihrem Fall einen kon-kreten Einfluss auf den Implantatverlust hatte. Hinsicht-lich der Mglichkeit einer Periimplantitis hat Prof.Dr.Sz. ausgefhrt, eine solche knne im Oberkiefer anhand der Rntgenbilder nicht diagnostiziert werden. Im Unterkiefer liege eine solche zwar vor, deren Ursache sei aber nicht zu beweisen.

    bb) Der Senat verkennt nicht, dass eine gewisse Wahr-scheinlichkeit fr die Vermutung des Sachverstndigen spricht, eine biologische Disposition sowie das Rauchen seien durchaus tiologische Faktoren fr den Implantatver-lust. Fr eine den Erfordernissen des 286 ZPO gengen-de berzeugungsbildung des Gerichts ist aber eine bloe Wahrscheinlichkeit nicht ausreichend, vielmehr muss fr die behauptete Tatsache eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit sprechen (Prtting, in: MKo/ZPO, 4.Aufl. 2013, 286, Rdnr.40). Eine solche ist hier nicht gegeben. Auch die b-rigen Risikofaktoren knnen, mssen aber keinen Einfluss auf den tatschlichen Implantatverlust gehabt haben. So ist der Grenzwert einer nachgewiesenen Sensibilisierung auf Titan von 3,0 unstreitig noch nicht erreicht.

    cc) Letztlich ist all dies auch deshalb nicht mehr zu be-weisen, weil die Bekl. zu den angesetzten Kontrolltermi-nen nicht erschien. Eine Ursache dafr, dass sie beweisfllig bleibt, hat sie mithin selbst gesetzt. Dieses non liquet geht zu Lasten der Bekl. Da es schon am Kausalittsnachweis fehlt, kommt es auf einen etwaigen Entscheidungskonflikt letztlich nicht mehr an.

    d) Die Rechtsverteidigung der Bekl. htte daher auch dann keinen Erfolg, wenn man die Anforderungen an die Risikoaufklrung hher ansetzen wrde als dies nach An-sicht des Senats (s. oben, sub3.) sachgerecht erscheint.

    5. Einen Behandlungsfehler beim Einsetzen der Implan-tate hat das LG ebenfalls rechtsfehlerfrei verneint.

    a) Die Sachverstndigen haben Fehler sowohl im Rahmen des chirurgischen als auch des prothetischen Teils ausge-schlossen; der insoweit fachlich kompetentere Prof.Dr.Y. hat berdies die Fehlpassungen zwischen Implantaten und Prothetik im Oberkiefer als im Rahmen des Nobelgui-de-Verfahrens behandlungsfehlerfrei charakterisiert. Auf Grund der fehlenden Langzeitstudien liee sich letztlich nicht sagen, dass das Nobelguide-Verfahren ungeeignet sei.

    b) Wenn die Bekl. in ihrer Berufungsbegrndung meint, das Verfahren sei jedenfalls fr sie ungeeignet gewesen, weil sie ein Risikopatient sei, so ist zum einen auf den aber-mals fehlenden Kausalittsnachweis zwischen den in ihrer Person liegenden Risikofaktoren und dem Implantatverlust zu verweisen. Aber auch der Sachverstndige Prof.Dr.Y.

    hat nicht etwa die Aussage getroffen, die von der Bekl. ge-wnschte Methode sei fr sie ungeeignet gewesen, sondern hat nur ausgefhrt, dass er persnlich einer Patientin davon abgeraten htte. Dies ndert aber nichts an der Einscht-zung, dass die von ihm nicht prferierte Lsung gleichwohl keinen Fehler darstellt.

    DOI: 10.1007/s00350-014-3706-3

    Anmerkung zu OLG Naumburg, Urt. v. 20. 12. 2012 1U 120/11 (LG Magdeburg)

    Erich Steffen

    Die Abweisung der Klage durch die Gerichte wird im Er-gebnis richtig sein. Ich halte aber die Argumentation mit der Beweislast der Patientin, mit der das OLG Naumburg sein Ergebnis letztlich begrndet hat, fr problematisch.

    Ich meine nicht die Ausfhrungen des Gerichts zur Aufklrung der Patientin ber das erhhte Risiko eines Implantatverlustes durch exzessives Rauchen: diese Auf-klrung dient der Sicherung des Heilerfolgs und ist Teil der Therapie (therapeutische Aufklrung). Unterlt der Arzt sie, dann begeht er einen Behandlungsfehler. Die Dar-legungs- und Beweislast hierfr hat prinzipiell der Patient. Das OLG hat der Dokumentation ber die Behandlung entnommen, da der Zahnarzt der Patientin ein Rauch-verbot von mindestens einer Woche nach dem Einsatz der Implantate erteilt hatte, verbunden mit dem Hinweis: je lnger desto besser. Das unterstreicht nebenbei die haf-tungsrechtliche Bedeutung der Krankenaufzeichnungen: htte der Arzt ber diesen Hinweis nichts dokumentiert, htte die Beweislast dafr, da es sich insoweit nur um ein Dokumentationsversumnis und nicht um einen Behand-lungsfehler gehandelt hat, den Arzt getroffen, wenn, was naheliegt, der Hinweis medizinisch dokumentationspflich-tig war. Allerdings htte die Patientin ihren Ersatzanspruch darauf nur sttzen knnen, wenn sie htte nachweisen kn-nen, da ihr Rauchen den Implantatverlust zumindest mit-verursacht hat. Das wre ihr kaum mglich gewesen. Zum Erfolg htte ihr verholfen, wenn es grob falsch war, die Zeitdauer fr ein Rauchverbot so kurz zu bemessen. Dann wre Kausalitt zu vermuten gewesen und htte der Arzt sich von dieser Vermutung entlasten mssen. Einen groben Behandlungsfehler hat das OLG aber zu Recht verneint. Um bewerten zu knnen, ob ein solches Versumnis aus objektiver Sicht nicht mehr verstndlich erscheint, weil es einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf, bedarf es der Hinzuziehung eines medizinischen Sachverstndi-gen: hier hat der Sachverstndige erklrt, da ein gravie-render Einflu des Rauchens auf den Heilerfolg damals nicht eindeutig belegt gewesen sei. Ein fr jeden gewissen-haften Arzt als krass zu bewertender Fehler war die unge-naue Zeitbestimmung deshalb sicher nicht.

    Fr problematisch halte ich die Ausfhrungen des OLG Naumburg zur Selbstbestimmungsaufklrung. Sein Leit-satz2 ist zumindest miglckt. Er suggeriert, da das Vor-gehen des Arztes auch dann rechtmig sein kann, wenn er den Patienten nur teilweise aufgeklrt hat. Das ver-fehlt den Zweck der Selbstbestimmungsaufklrung, dem Patienten aufzuzeigen, was der Eingriff des Arztes in seine Befindlichkeit fr seine persnliche Situation bedeutet, damit der Patient aufgrund dieses Wissens selbst entschei-den kann, ob er den Eingriff will oder nicht. Eine nur teilweise Aufklrung verkrzt dem Patienten das Spek-trum fr seine Entscheidung und lt ihn unaufgeklrt:

    VorsRiBGH a. D. Dr.iur. Erich Steffen, Kriegsstrae25, 76135 Karlsruhe, Deutschland

    Rechtsprechung MedR (2014) 32: 323324 323

  • seine Einwilligung deckt das Vorgehen des Arztes nicht teilweise, sondern gar nicht. Auch bei nur teilweiser Aufklrung ist die Behandlung insgesamt rechtswidrig und der Arzt prinzipiell fr ihre Folgen schadensersatz-pflichtig. Allerdings stellt der BGH aus Schutzzwecker-wgungen den Arzt von der Haftung u. a. in den Fllen frei, in denen er nur einige aufklrungspflichtige Risi-ken nicht genannt hat und der Patient nicht beweisen kann, da sich diese Risiken verwirklicht haben. Erste Voraussetzung fr diese Haftungsfreistellung ist aber, da der Arzt dem Patienten eine Grundaufklrung ber die Art und den Schweregrad des Eingriffs gegeben hat. Dazu mu der Patient wenigstens einen Hinweis auf das schwerste mglicherweise in Betracht kommende Risiko erhalten haben. Im Streitfall gehrte zur Grundaufkl-rung, da sich alle Implantate aus bisher nicht bekannten bzw. nicht hinreichend erforschten Grnden bzw. Fakto-ren lockern konnten und entfernt werden muten mit den entsprechenden Konsequenzen eines zeitweise zahnlosen Zustands fr die Patientin. Kann der Zahnarzt diesen Be-weis nicht fhren, dann greifen die Haftungsbeschrn-kungen des BGH auf die Verwirklichung des verschwie-genen Risikos nicht ein.

    ber mgliche Risikofaktoren aus ihrer biologischen Disposition ist die Patientin offenbar nicht aufgeklrt wor-den. In erster Linie mu der Arzt derartigen Risikofak-toren nachgehen und sie bei seiner Entscheidung fr sein Vorgehen ins Kalkl ziehen. Kann er nicht ausschlieen, da diese Faktoren die Behandlung kontraindizieren, mu er die Behandlung unterlassen, solange er sich nicht da-von berzeugt hat, da der Patient sie nicht aufweist. Die Einwilligung des Patienten in die Behandlung befreit den Arzt von dem Vorwurf eines medizinisch fehlerhaften, weil kontraindizierten Vorgehens nicht. Aber fr die Fest-stellung einer Kontraindikation bei der Patientin war die Behandlungsmethode damals noch nicht hinreichend er-forscht. Die Methode war damals noch nicht etabliert, d. h. noch nicht an einem fr Aussagen ber die Nutzen/Risiko-Bilanz ausreichend groen Patientengut medizi-nisch erprobt. Es gab keine Langzeitstudien, um erhh-te Risiken fr den Verlust der Implantate aus einer hier diskutierten Titanunvertrglichkeit, eines ungnstigen Interleukin-C-Status oder einer Neigung zur Parodontitis anzunehmen oder auszuschlieen. Immerhin waren mit dieser Methode verbundene spezifische Risiken denkbar, die bei den etablierten Verfahren gerade nicht auftreten (so das Urteil). Der Sachverstndige Prof.Dr.Y. htte der Patientin von der Methode zwar abgeraten. Aber er hat sie nicht als kontraindiziert bezeichnet: eben weil mangels ent-sprechender Erkenntnisse aus Langzeitstudien eine solche Bewertung nicht mglich war.

    Bei diesen Erkenntnisdefiziten darf sich der behandelnde Arzt aber nicht beruhigen: vielmehr mssen sie ihn dazu veranlasssen, den Patienten besonders deutlich darber auf-zuklren, da es sich um eine neue Behandlungsmethode handelt, da das volle Risikospektrum der Methode noch nicht erforscht ist und da deshalb bisher unbekannte Ri-siken, die zu einem Totalverlust aller Implantate mit den entsprechenden Konsequenzen fr die Befindlichkeit des Patienten fhren knnen, derzeit nicht auszuschlieen sind. Dazu besteht besonderer Anla, wenn der Patient sich etwa wie hier unter dem Einflu positiver Medienberichte fr die Methode begeistert, ohne die schlimmen Folgen bei einem Mierfolg zu bedenken, wie sie die Patientin im Streitfall erlitten hat. Insoweit geht es darum, dem Pati-enten das Fr und Wider der Methode aus medizinischer Sicht so umfassend darzustellen, da der Patient sich selbst-bestimmt fr oder gegen die Methode entscheiden kann. Dass der Arzt den Patienten in dieser Weise aufgeklrt hat, dafr ist nicht der Patient, sondern der Arzt darlegungs- und beweisbelastet.

    Ob der Zahnarzt seiner Patientin die nicht auszuschlie-ende Mglichkeit, aufgrund ihrer biologischen Disposi-tion alle Implantate alsbald zu verlieren, und die Konse-quenzen fr ihre Befindlichkeit in diesem Fall hinreichend deutlich gemacht hat, ist dem Text des Urteils nicht zu ent-nehmen. Es beschrnkt sich auf die Feststellung, der behan-delnde Arzt habe die Patientin darber aufgeklrt, da es sich bei diesem Verfahren um eine noch sehr neue Methode handelte und demgem Langzeitstudien fehlten, es also auch zum Verlust der Implantate kommen konnte. Diese mageren Worte sind keine Grundaufklrung.

    Die Bedeutung der Grundaufklrung wird gerade in Fl-len einer nicht hinreichend erforschten Behandlungsme-thode besonders relevant. Anderenfalls wre das Dilemma fr den Patienten berdeutlich: den Beweis, da etwa wie im Streitfall seine biologische Disposition den Mierfolg (mit)verursacht hat, kann er wegen der Defizite der medi-zinischen Erforschung der Methode nicht fhren, die die Methode aber gerade fr ihn so gefhrlich machen. Umso wichtiger ist, da der Arzt dem Patienten bei der Anwen-dung neuer Behandlungsmethoden diese mglichen Ge-fahren seines Vorgehens ganz deutlich macht.

    Grober Behandlungsfehler bei gynkologischer Behandlung

    BGB 280 Abs.1, 328, 823 Abs.1

    Die Beweislastumkehr bei einem groben Behand-lungsfehler bezieht sich auf den Nachweis der Ursch-lichkeit des Behandlungsfehlers fr den eingetretenen Primrschaden (sog. haftungsbegrndende Kausalitt). Mit einer Hirnschdigung zusammenhngende Ver-haltensstrungen (hier Sprach-, Konzentrations- und Koordinationsstrung) stellen keinen Folgeschaden der Schdigung des Gehirns dar, sondern gehren zum Primrschaden. (Leitsatz des Bearbeiters)LG Berlin, Urt. v. 10. 1. 2013 6 O 34/08

    Problemstellung: Gegenstand der Entscheidung sind materielle und immaterielle Schadensersatzanspr-che des Kindes wegen fehlerhafter Behandlung der Mut-ter im Verlauf der Schwangerschaft. Das LG bejaht das Vorliegen eines groben Behandlungsfehlers und errtert anschlieend die Reichweite der hieran anknpfenden Beweislastumkehr fr den Ursachenzusammenhang.

    Nach der Rechtsprechung des BGH ist zwischen der haftungsbegrndenden und der haftungsausfl-lenden Kausalitt zu unterscheiden. Erstere betrifft die Urschlichkeit des Behandlungsfehlers fr die Rechts-gutverletzung als solche, also fr den Primrschaden des Patienten i. S. einer Belastung seiner gesundheitlichen Befindlichkeit. Insoweit gilt das strenge Beweisma des 286 ZPO, das einen fr das praktische Leben brauch-baren Grad von Gewissheit verlangt. Die Feststellung der haftungsausfllenden Kausalitt und damit der Ur-schlichkeit der Rechtsgutverletzung fr alle weiteren (Folge-)Schden richtet sich hingegen nach 287 ZPO, wobei zur berzeugungsbildung eine berwiegende Wahrscheinlichkeit gengt (zum Ganzen zuletzt BGH, Urt. v. 5. 11. 2013 VI ZR 527/12). Die Beweislast-umkehr bei einem groben Behandlungsfehler begrenzt

    Eingesandt von RiLG Dr.iur. Martin Mller-Follert, Berlin, Deutschland; bearbeitet von RiLG Dr.iur. Alexander Walter, Landgericht Koblenz, Karmeliterstrae14, 56068 Koblenz, Deutschland

    Rechtsprechung324 MedR (2014) 32: 324327