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Krisen-PR Hartwin Möhrle Hg. Krisen erkennen, meistern und vorbeugen Ein Handbuch von Profis für Profis

Ansprüche abwehrt. Krisen-PR · Book-Shop und Leseproben unter Hartwin Möhrle Hg. D Krisen-PR Krisen-PR Hartwin Möhrle Hg. Krisen erkennen, meistern und vorbeugen Ein Handbuch

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CYAN MAGENTA GELB SCHWARZ

Hartwin Möhrle ist geschäftsführender Gesellschafter der A&B ONE Kommu-nikationsagentur GmbH und war zuvor lange Jahre als freier Journalist für Agenturen, Magazine, Tageszeitungen, Hörfunk und Fernsehen tätig. Möhrle ist Gastdozent am Schweizerischen PR-Institut, SPRI, in Zürich.

ie wenigsten Kommunikationskrisen kommen wirklich

überraschend!

Je mehr Unternehmen und Institutionen im Rampenlicht der

Öffentlichkeit stehen, desto häufiger sind sie der Gefahr von

Kommunikationskrisen ausgesetzt. Das müssen nicht gleich die

großen Katastrophen sein, oft sind es schon die kleinen und

mittleren Krisen, die beträchtlichen Schaden anrichten können.

Krisenmanagement und Krisenprävention gehören deshalb

immer häufiger zu den Standardaufgaben der Unternehmens-

kommunikation, nicht nur in klassischen Risikobranchen.

Die Herausgeber und Autoren von „Krisen-PR“ sind ausgewie-

sene internationale Kommunikationsprofis aus Unternehmen,

Medien und Agenturen mit vielfältigen Erfahrungen in Krisen-

situationen.

Aus ihrer Praxis leiten sie effektive Krisenpräventions- und

Interventionskonzepte ab, stellen „Best Practice“-Beispiele vor

und bieten unter anderem hilfreiche Informationen zur richtigen

Kommunikation, zu Krisentrainings, zu hochaktuellen Krisen-

themen wie Compliance sowie zu Krisen, über die man gerne

auch mal lacht . . .

Das Standardwerk zum Thema Krisenmanagement nun in der

zweiten Auflage – mit zahlreichen neuen Praxisbeispielen.

Albert ThieleArgumentieren unter StressWie man unfaire Angriffe erfolgreich abwehrt24,90 € (D)*, 6. akt. Aufl. 2007

Norbert KanitzkyUngeschickt verhandelt?Wie man kluge Verträge schließt.Wie man gegnerische Ansprüche abwehrt.Professionelles Vertragsmanagement29,90 € (D)*, 2005

Benno HeussenMachiavelli für StreithammelLernen Sie die Regeln der Macht kennen17,50 € (D)*, 2007

Hans H. HinterhuberLeadershipStrategisches Denken systematisch schulen von Sokrates bis heute24,90 € (D)*, 4. akt. Aufl. 2007

* zzgl. ca. 3,– € Versandkosten bei Einzelversand im Inland

Bestellungen:E-Mail [email protected] (07 11) 78 99 21 38Telefax (07 11) 78 99 10 10

Fragen zum Verlagsprogramm? Anforderung des Publikationsverzeichnisses?E-Mail [email protected] (069) 75 91 22 42Telefax (069) 75 91 21 87

Book-Shop und Leseproben unterwww.fazbuch.de

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D

Krisen-PRHartwin Möhrle Hg.

Krisen erkennen, meistern und vorbeugen

Ein Handbuch von Profis für Profis

ISBN 978-3-89981-135-3

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Har twin Möhrle Hg .

Krisen-PR

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Krisen-PR

Har twin Möhrle Hg .

Krisen erkennen, meistern und vorbeugen –Ein Handbuch von Profis für Profis

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Bibliografische Informationen Der Deutschen Nationalbibliothek –Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografischeDaten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Hartwin Möhrle Hg.

Krisen-PR

Krisen erkennen, meistern und vorbeugen – Ein Handbuch von Profis für Profis

F.A.Z.-Institut für Management-, Markt- und Medieninformationen,2. Auflage, Frankfurt am Main: 2007

ISBN 978-3-89981-520-7

Bookshop und weitere Leseproben unter:www.fazbuch.de

Copyright F.A.Z.-Institut für Management-, Markt- und Medieninformationen GmbHMainzer Landstraße 19960326 Frankfurt am Main

Satz Umschlag F.A.Z., VerlagsgrafikBuchgestaltung Nicole Bergmann

Druck Jütte-Messedruck Leipzig GmbH, Leipzig

Alle Rechte, auch des auszugsweisenNachdrucks, vorbehalten.

Printed in Germany

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Inhalt

Einleitung 7

Krisen sind normal

Plädoyer für ein erweitertes Krisenverständnis 12Hartwin Möhrle

Die Psychologie der Krise 30Thomas Strätling

Medienkrise und Krisenmedien 41Klaus-Peter Schmidt-Deguelle

Krisentypen und typische Krisen

Die „Wie ein Blitz aus heiterem Himmel“-Krise 48Rupert Ahrens / Hartwin Möhrle

Die Eskalations-Krise 55Bernhard Messer

Die multiple Krise 63Lutz Golsch / Ivo Lingnau

Die Rücknahme-Krise 69Marco Alfter

Die globale Krise 74Martin Riecken

Die Terror-Krise 90Shlomo Shpiro

Crisis. What Crisis? 97Hartwin Möhrle

I

II

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Krisenerfahrungen aus erster Hand

Krisenprävention als Dialog-Kommunikation 106Ulrich Ott

Krisenkommunikation als Compliance-Management 112Jürgen Seidel / Hans-Jürgen Stephan

Krisenkommunikation in der Politik 125Klaus Peter Schmidt-Deguelle

Krisenkommunikation mit den Tagesmedien 130Ulrich Bieger

Die Krise im Internet 136Malte Hasse

Krisenberater: Feuerwehr oder Brandschutz? 144Siegfried Gutermann / Michael Helbig

Der Rechtsanwalt im Krisenmanagement 154Knut Schulte

Die Krise managen

Krisenprävention 164Petra Hoffmann

Krisenintervention: Wenn Gefahr droht … 185Hartwin Möhrle

Handeln im akuten Krisenfall 195Hartwin Möhrle

Medientrainings 211Bernhard Messer

Ausblick

Reputationsmanagement und Krisentraining 219Hartwin Möhrle

Literatur / Internetquellen 222

Die Autoren 226

III

IV

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Einleitung

Gammelfleisch, Lustreisen, Bestechung, Untreue, eine fürwahr treffli-che Begriffsmischung für die großen Krisenthemen der letzten Zeit. Malgeht es dabei um Lebensmittel, deren Herkunft oder Beschaffenheitalles andere als in Ordnung sind. Oder es geht um Mittel, die der eineoder andere offensichtlich zum Leben braucht, deren Zuführung aberweder juristisch noch politisch korrekt ist. Vor allem die Verstöße gegendie so genannten Compliance-Richtlinien in Unternehmen bestimmenimmer wieder die Schlagzeilen. Und nicht immer ist die damit einher-gehende Kommunikation dazu geeignet, für eine Versachlichung deröffentlichen Meinungsbildung zu sorgen. Im Gegenteil, nicht seltenbefeuern ungeschickte Statements, konsequentes Schweigen oderuntaugliche Beschönigungsversuche noch die öffentliche Skandalisie-rung der Situation: Kommunikation also als Krisentreiber und nicht alsKrisenmanagementinstrument.

Mit der um zahlreiche Praxisberichte erweiterten und aktualisiertenzweiten Auflage von Krisen-PR wollen wir dem Umstand Rechnung tra-gen, dass die „Licence to operate“ aus öffentlicher Akzeptanz, Image,Reputation und Vertrauen zu einer immer härteren Kategorie des Wett-bewerbs um wirtschaftlichen oder ideellen Erfolg wird. Die Medien wir-ken dabei als eigene Gewalt: Sie schüren und richten, sie spitzen zu undkorrigieren, sie lösen Krisen aus und helfen, sie zu bekämpfen. Das giltumso mehr, als die neuen Formate und Plattformen im Internet – dieBlogs und Communities – Meinungs- und Themenbildung noch zusätz-lich beschleunigen und die allgemeine Verwirrung darüber, was falsch,richtig oder halbrichtig ist, auf ein noch höheres Niveau befördern. Manbraucht nicht gleich ein „Second Life“ zu führen, um zu wissen, dass dieSynapsen zwischen den On- und Offline-Öffentlichkeiten immer besserfunktionieren.

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Wir wissen es längst: In der Kommunikationsgesellschaft sind öffentli-che Krisen normal. Wer als Unternehmen, als Organisation oder auchals Einzelperson exponiert handelt, wird schneller zum öffentlichenAkteur, als so manchem lieb ist. Die Hoffnung, man könnte irgendwo inder modernen Welt noch für längere Zeit „unter sich“ sein, ist trüge-risch. Der „Strukturwandel der Öffentlichkeit“, den der Philosoph JürgenHabermas Anfang der 60er Jahre in seinem gleichnamigen Buchbeschrieb, fängt seit dem Entstehen des Internets heute schon im Pri-vaten an. Mit dem Einlogg-Vorgang in die virtuelle Welt macht man vomheimischen PC aus den Schritt vor die Tür, auf den Marktplatz der Infor-mationen, Geschäftsvorgänge, Verpflichtungen, Meinungen, Gerüchteund Bedrohungen. Die direkte und interaktive Kommunikationsmög-lichkeit zwischen dem Absender einer Botschaft und dem Empfängerhat zu einem zusätzlichen Beschleunigungsmoment geführt.

Die Watzlawick’sche Erkenntnis über die Unmöglichkeit der Nicht-kommunikation wird zusehends von der Einsicht verdrängt, dass allesKommunikation und somit Kommunikation alles sei. Auch wenn das indieser Konsequenz nicht stimmt, reicht es, um Angst zu erzeugen. KeinWunder, dass vor wenigen Jahren ein Trend zum „cocooning“ als ein ArtSelbstschutzreflex vor der Totalität des Öffentlichen ausgemacht wur-de. So manches Unternehmen reagiert mit diesem bewussten oder unbe-wussten Verhalten auf die Herausforderungen der Kommunikationsge-sellschaft.

Ein Konzept, was letztlich nicht weit trägt, will man in dieser Welt nichtnur bei einer warmen Tasse Tee überleben, sondern sie aktiv gestalten,etwas unternehmen, Position beziehen und Neues wagen. Das funktio-niert nur, wenn wir diese Öffentlichkeit, so wie sie ist, annehmen undlernen, selbstverständlich auch mit Krisen jeder Art und zu jeder Zeitumzugehen. Krisenbereitschaft gehört heute zum normalen Bestandteilunserer kommunikativen Routinen. Schließlich gibt es den Schutz vorKrisen nicht als Bürgerversicherung.

Mit der Neuauflage dieses Buches wollen wir erneut dabei helfen, Kri-sen zu erkennen, zu meistern und aus ihnen zu lernen. Dabei geht esimmer noch nicht um das einzig wahre Krisenmodell oder ein metho-disch-analytisches Reinheitsgebot des Krisenmanagements. Krisenkom-munikation lernt man am besten aus Erfahrung. Krisenerfahrungen auserster Hand und unterschiedlicher Perspektive stehen deshalb wieder

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im Zentrum von „Krisen-PR“. Das bedeutet sowohl unterschiedlicheSchlussfolgerungen und Interpretationen als auch kritische Analysenund schonungslose Bewertung von Krisenszenarien.

Dabei lag uns in der Darstellung der einzelnen Fallstudien jede Hämegegenüber den Beteiligten fern, wohl wissend um die schwierigen Ent-scheidungssituationen, die Krisen mit sich bringen. Gleichzeitig ging esaber auch darum, kein Blatt vor den Mund zu nehmen und möglichstkonkret jene Entwicklungen und Dynamiken zu beschreiben, dietypisch für Krisenverläufe sind. Das gilt für die Fehler, die dabei gemachtwerden, als auch für die Lösungen, die daraus entstehen. Und davon wer-den als Anregung für die eigene Praxis ebenfalls einige vorgestellt. Ausnachvollziehbaren Gründen mussten wir dabei bestimmte Beispieleanonymisieren. Allerdings haben wir sehr genau darauf geachtet, dassdie Fälle im Sinne des Wahrheitsgehalts der typischen Krisensituationauthentisch blieben.

Mein Dank gilt an dieser Stelle den Autorinnen und Autoren, die mirihren sachkundigen theoretischen und praxisbezogenen Beiträgen ganzwesentlich zur Qualität und dem Nutzwert dieser Veröffentlichung bei-getragen haben.

Ganz besonderen Dank gilt auch denjenigen, die mich bei der Realisie-rung der zweiten Auflage von „Krisen-PR“ mit Beiträgen, Ideen, Vor-schlägen und Kritik so hervorragend unterstützt haben: Petra Hoff-mann, Katrin Rettig-Nesemann, Silke Balsys, Anja Wolfram und Susan-ne Wienand.

Hartwin MöhrleFrankfurt am Main, April 2007

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IKrisen sind normal

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Plädoyer für ein erweitertes Verständnis der Kommunikationskrise

Hartwin Möhrle

Ende 2006 hatte der Vorstand des Siemens-Konzerns eine besondersschwere Zeit. Nach der für deutsche Verhältnisse üppigen Erhöhungder Vorstandsgehälter und der Arbeitsplatz vernichtenden Pleite dervon Siemens an den taiwanesischen Handyhersteller BenQ veräußer-ten ehemalige Handy-Sparte, bescherte ein veritabler Bestechungs-skandal den Münchnern eine negative Schlagzeile nach der anderen.Damit nicht genug. Die Art und Weise, wie das Unternehmen in die-ser Zeit mit und in der Öffentlichkeit kommunizierte, fügte demAnsehen von Siemens und den Verantwortlichen zusätzlichen Scha-den zu. Nahezu einhellig fiel in Medien, Politik und Branche dannauch das Urteil aus: verheerend. Ein neues Beispiel, wie man es nichtmachen sollte?

Die Auseinandersetzung mit der Krise als kommunikativer Kategorie istmindestens so alt wie die PR selbst. Es gibt Dutzende von Büchern, Hun-derte von Trainingsangeboten und Tausende von Krisenprogrammen inUnternehmen und Institutionen. Und dennoch: Die theoretischeErkenntnis, dass Krisen normal sind und die beste Prävention für denFall einer Kommunikationskrise vor allem eine grundsätzlich gut funk-tionierende, professionelle Kommunikation insgesamt ist, zeigt immernoch sehr unterschiedliche Konsequenzen in der Praxis.

Doch selbst bei denen, die sich mit Krisenkommunikationsplänen und-trainings auf potenzielle Krisen vorbereiten, taucht immer wieder dieFrage auf: Warum nutzt das oft so wenig? Zugespitzt lautet eine der mög-lichen Antworten: Weil die überwiegende Mehrzahl einem tradiertenVerständnis von Krise als absoluter Ausnahmesituation folgt, die es imnormalen Leben eigentlich nicht geben darf, aber irgendwann so sicherkommt wie das Amen in der Kirche. Deswegen beten so viele Leute,

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wenigstens heimlich. Und wenn der Fall der Fälle eintritt, wird enga-giert und kollektiv auf ein Wunder gehofft.

Kein Wunder also, dass der Umgang mit diesem Thema in der Regel vomVersuch der Verdrängung geleitet wird. Das geht bis hin zur offenenIgnoranz selbst gesetzter und propagierter Grundsätze zur präventivenKrisenbewältigung. Kein Wunder, dass viele Verantwortliche ihren eige-nen Plänen, vor allem aber den im Fall der Fälle als Krisenmanager aus-gesuchten Personen nicht wirklich trauen. „Widerstand ist zwecklos, abersinnvoll.“ Der Satz des leider viel zu früh verstorbenen Kabarettisten Mat-thias Beltz bringt auf den Punkt, was auch für die Kommunikationskrisegilt: Sie kommt irgendwann sowieso, geht möglicherweise für eine ganzeWeile nicht mehr weg und hinterlässt absehbare wie unabsehbare Folgen.Also konzentrieren wir uns auf den Umgang mit ihr.

Die Entdramatisierung der Krise

Je stärker sich Unternehmen und Institutionen als Akteure in der Öffent-lichkeit bewegen, desto größer ist logischerweise das Risiko, in unvor-hergesehener Weise ins Rampenlicht zu geraten. Daraus können Situa-tionen entstehen, die mal mehr, mal weniger krisenhafte Züge tragen.

Krise ist das, womit wir – im doppelten Wortsinne – zu rechnen haben,und zwar jeden Tag. Also müssen wir, um Schaden für Image, Wert undWertschöpfung abzuwehren, krisenhafte Szenarien antizipieren, geeig-nete Frühwarnsysteme aufbauen, Menschen trainieren und Instrumen-te bereithalten, mit denen wir auch in krisenhaften Situationen hand-lungsfähig bleiben. Die Chance hierfür steigt in dem Maße, in dem wirlernen, souveräner mit krisenhaften Situationen umzugehen. Andersausgedrückt: Es geht um die Entdramatisierung der Krise, und zwarschon, bevor sie entsteht. Die präventive Änderung der Haltung im Sin-ne eines selbstverständlicheren Umgangs mit potenziell krisenhaftenSituationen ist schon eine der wesentlichen Voraussetzungen dafür, ineiner Krise nicht sofort unterzugehen oder den Untergang durch zusätz-liche Fehler zu beschleunigen.

Die Vorbereitung für den Krisenfall

Zunächst geht es also um eine veränderte Haltung zur Krise. Die Medien-gesellschaft, in der wir leben, liebt und produziert deswegen unentwegtgroße und kleine Krisen, indem sie schlicht jede Gelegenheit zur

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Berichterstattung nutzt. Schließlich ist die Krise – mehr noch als diebloß schlechte Nachricht – ein hervorragend verkäufliches Gut. DerGrad der Ungeschicklichkeit, mit der sich betroffene Protagonisten imGestrüpp von Gerüchten, Unterstellungen und ernsten Sachverhaltenverheddern, wird vom Medienpublikum mit wohligem Schauern gou-tiert. In solch eine Situation kann heute nicht nur ein exponiertesGroßunternehmen oder eine Großbehörde, sondern auch ein mittel-ständischer Suppendosenhersteller geraten, selbst wenn er noch so ger-ne einfach nur ein Suppendosenhersteller bleiben möchte. Ein bisschenBlei im Abwasser oder eine farbige Rauchfahne aus den Fabrikschorn-steinen, und schon wünscht sich das Management an einen anderenOrt.

Die Haltungsänderung setzt in vielen Unternehmen und Institutioneneinen Paradigmenwechsel voraus. Im Endeffekt geht es jedoch umnichts anderes als um das konsequente Bekenntnis zur Rolle als öffent-lichem Akteur – und zwar in guten wie in schlechten Zeiten. Nicht sel-ten prädisponiert ein fragmentiertes Verständnis von Öffentlichkeit, indem die unerwünschten Teile einfach ausgeblendet werden: die kom-munikative Katastrophe im Krisenfall. Einer der häufigsten Gründeübrigens, warum selbst scheinbar gestandene Kommunikationsprofisin schwierigen Situationen so ins Schlingern geraten können.

Die Einübung in die Rolle des öffentlichen Akteurs in Krisenzeiten ver-fehlt ihren Sinn, wenn sie nur einmal im Jahr wie eine ungeliebte Reser-vistenübung abgehalten wird. Der Philosoph Ernst Bloch hat dem Prin-zip Hoffnung eine enorme gesellschaftsverändernde Kraft zugeschrie-ben. Wem in der Krise allerdings nur die Hoffnung bleibt, der hat wederden Philosophen noch das Prinzip Öffentlichkeit verstanden. Bequem-lichkeit und Ignoranz sind schlechte Berater für das Krisenmanage-ment. Die Angst vor dem Ernstfall ist freilich ein noch schlechtererLehrmeister: „Angst essen Seele auf“, der Filmtitel des Fassbinder-Klas-sikers hat gerade zu programmatischen Charakter beim Weg zu einemerweiterten Verständnis von Kommunikation in Krisen.

Die Öffentlichkeit ist immer präsent

Immer wieder zeigen sich Betroffene überrascht über das Ausmaß an(medialer) Öffentlichkeit, das in Krisensituationen entsteht. Dabei wirdgenauso offensichtlich, dass diese Öffentlichkeit schon immer da war,

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nur eben nicht in der Wahrnehmung der Betroffenen. Der Unterschiedist: Jetzt richten sich die Scheinwerfer der Aufmerksamkeit auf die Pro-tagonisten, das Thema, das Ereignis, den Anlass. In der Regel bleibt dazunächst nur die reaktive Schadensbegrenzung. Und genau hier pas-sieren mitunter fatale Fehler. Der klassische Doppelfehler im Krisen -management ist: wegducken und mauern. Und wenn das nicht hilft:Salamitaktik – also nur zugeben, was sowieso schon im Rampenlicht steht.

Das funktioniert immer weniger. Mit der Etablierung der so genanntenBloggosphäre1 und der wachsenden Zahl der Online-Communities eta-blieren sich neben den klassischen On- und Offline-Medien weitere qua-si-mediale Plattformen. Die permanente Kommunikation vernetzterIndividuen, Unternehmen, Initiativen und Institutionen lässt die Hoff-nung schwinden, die Taktung der eigenen Pressestatements würde hel-fen, ein Thema zu managen geschweige denn dessen Entwicklungsdy-namik zu steuern. Dazu bedarf es heute wesentlich mehr.

Krise als Gefahr und Chance

Die meisten Krisen ereignen sich nicht wirklich überraschend. Oder wieder Markt- und Kommunikationsforscher Thomas Strätling in diesemBuch schreibt: Sie sind oft genug nur „die Zuspitzung eines bestehendenProblems“.

Tritt der Ernstfall ein, kommt die Erkenntnis zu spät. Sie muss in derVorbereitung gewonnen, ja erarbeitet werden. Krisenprofis wissen: Daschinesische Schriftzeichen für Krise setzt sich aus den Symbolen fürGefahr und Chance zusammen. Die Chancen, eine Krise im positivenSinne zu nutzen, steigen in dem Maße, wie man mögliche, krisenhafteSzenarien antizipiert. Kommt die Krise über uns, sehen wir zunächstnur den Schaden und nicht die Chancen. Dabei bietet die Aufmerk-samkeit, die Krisen produzieren, immer auch Potenziale für effektiveöffentliche Wirkung. Fehlt die Vorbereitung auf das denkbar größte Aus-maß an öffentlichem Interesse, kann diese auch nicht zur Selbstdar-stellung genutzt werden.

Voraussetzung dafür jedoch ist, dass die Aufmerksamkeits-, sprich The-menpotenziale einer möglichen Krise vorab konsequent genug analy-siert und der öffentliche Handlungsraum mit seinen potenziellenAkteuren definiert wurden. Und dass die geeigneten Akteure für dieeigene kommunikative Intervention zur Verfügung stehen.

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Die Chancen einer Krise zu nutzen, bedeutet, sich kontinuierlich undunaufgeregt darauf vorzubereiten. Die Vorbereitung auf krisenhafteSituationen sollte genau so selbstverständlich sein wie der nichtkrisen-hafte Umgang mit Öffentlichkeit. Das heißt freilich nicht, jeden Tagkünstlich Krisenstimmung zu verbreiten, nur damit alle Beteiligten dasirgendwann für normal halten. Das potenzielle Drama verliert dann anSchrecken, wenn die handelnden Personen den Umgang damit als Teilihrer professionellen Kommunikationsroutine begreifen und gleich-zeitig erfahren, dass auch schwierige öffentliche Situationen gestaltbarsind. Das Studium von Krisenhandbüchern und -präventionsprogram-men vermittelt jedoch meistens eine andere Grundhaltung. Auf beina-he jeder Seite steht da der Satz „Ruhe bewahren“ – und schreibt damitdoch nur die Panik schon in die Verhaltenanweisungen mit hinein.

„Hoffentlich passiert uns das nie“. So oder ähnlich lauten zu häufig dieKommentare der Teilnehmer von Krisentrainings. Eine vernünftigePrävention sollte doch besser dazu führen, dass die Leute sagen: „Jetztkann ruhig mal eine Krise kommen.“ So provozierend es klingt: Die Kri-se sollte mehr denn je zum Grundverständnis professioneller Öffent-lichkeitsarbeit gehören. Dabei können viele Unternehmen und Institu-tionen von denen lernen, zu deren Alltag es gehört, mindestens drei klei-ne oder mittlere Krisen pro Tag zu managen. Vor allem ehemals öffent-liche und jetzt privatisierte Unternehmen wie beispielsweise dieDeutsche Post oder die Telekom können davon ein Lied singen. Geradefür das Managen von Kommunikationskrisen gilt: Souveränität kommtvor allem durch Erfahrung. Die bewusste Verarbeitung jeder noch sokleinen Krise ist die beste Vorbereitung auf die nächste, vielleicht größe-re. Im Grunde muss jede Kommunikationsabteilung dankbar sein fürkleine und mittlere Krisen, an denen sie ihr eigenes Verhalten trainie-ren, reflektieren und für die Prävention aufbereiten kann.

Ansonsten passiert das, was Kommunikationsexperten salopp als „Kri-sen-Booster“ bezeichnen und fürchten: Als 1993 durch einen Störfall beider damaligen Hoechst AG in Frankfurt ein benachbarter Stadtteil ein-genebelt wurde, warb ein Mitglied der Öffentlichkeitsarbeit beim Tele-fonat mit einem Journalisten um Verständnis für seine Situation: „Siekönnen sich gar nicht vorstellen, was hier in der Pressestelle los ist."Danach konnte der Medienmann sich das vorstellen.

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Über die Intervention zur Prävention

Wer kommunikativ souverän sein will, muss sich für drei kommunika-tive Anforderungsszenarien wappnen:

• Ad-hoc-Krisenkommunikation für die Krise, die unmittelbar eintritt.

• Interventions-PR für jede Situation, die schnelle kommunikativeIntervention erfordert. Das beinhaltet selbstverständlich auch eigeninitiierte strategische Vorgehensweisen.

• Präventions-PR, die Menschen, Strukturen, Verhaltensweisen undInstrumente auf beide Situationen vorbereitet.

Neben den beiden ersten Anforderungsszenarien erhält die Präventioneine für die Krisenkommunikation immer größere Bedeutung. Genau andieser Stelle gilt es, die Haltung zur Krise zu ändern und damit einherge-hend auch die Konzepte für eine effektivere Prävention. So lange sie aberin ihrer strategischen Anlage und instrumentellen Umsetzung einem tra-dierten Krisenverständnis folgt, limitiert sie selbst ihre mögliche Wirkung.

Präventive Kommunikation antizipiert krisenhafte Szenarien aus derAlltagserfahrung des öffentlichen Handels. Jede kleine Krise ist ihr will-kommener Anlass zur kontinuierlichen Optimierung der eigenen Hand-lungsfähigkeit. Sie entwickelt jenseits der jährlich wiederkehrendenKrisentrainingsrituale – die nicht verschwinden werden, aber eine ande-re Funktion erhalten – Instrumente, mit denen Öffentlichkeitsarbeiterund ihre Stäbe, aber auch Manager befähigt werden, ihre kommunika-tiven Gestaltungsmöglichkeiten in Krisenzeiten beständig zu optimie-ren. Sie wird zum alltäglichen Prozessinstrument, ähnlich wie einst dervon Ferdinand Piech bei Volkswagen implementierte kontinuierlicheVerbesserungsprozess, kurz KVP genannt. Konsequente Präventions-PRhilft kontinuierlich, die Chancen zu souveränem Handeln auch inöffentlichen schwersten Turbulenzen zu erhöhen. Oftmals sind es ja nurminimale Spielräume, Gelegenheiten und Zeitfenster, deren Nutzungdarüber entscheidet, ob man untergeht oder nicht. So eingesetzt, erzieltsie ihre Wirkung nicht nur in Krisenzeiten, sondern täglich als Teil pro-fessioneller Öffentlichkeitsarbeit insgesamt. Der Schweizer Kommuni-kationsspezialist Cyril Meier hat das einmal als die „Friedensdividende“bezeichnet, der ein vergleichsweise geringes Investment gegenübersteht. Zur Auszahlung kommt sie allerdings nur dann, wenn man dieInvestition auch tatsächlich tätigt.

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Zur Typologie der Krise

„Die Krise kommt meistens anders, als man denkt.“ Der Satz eines kri-senerprobten Unternehmenssprechers drückt nur im ersten MomentHilflosigkeit aus. Im Grunde ist die Haltung die einzig vernünftige, ummental für Krisen gewappnet zu sein. Der Beschleunigungsfaktor vonNachrichten, Meinungen und Gerüchten in der modernen Medienge-sellschaft lässt in der Regel kaum Zeit für lange Vorbereitungen imMoment der Katastrophe.

Entweder man ist bereits gut vorbereitet, dann ist man auf die potenzi-elle Unberechenbarkeit einer akuten Krisensituation zumindest psy-chisch eingestellt. Oft ist das eine entscheidende Voraussetzung, umüberhaupt handlungsfähig zu bleiben. Ein Schock lähmt oder verleitetzu Panik. Beides ist für den kontrollierten Umgang mit einer Krisenicht hilfreich. Oder man ist nicht darauf vorbereitet, dann bleibensowieso nur die eigene Intuition, die richtigen Mitstreiter und dasGlück, um eine Krisensituation einigermaßen unbeschadet zu überste-hen.

Zur Vorbereitung gehört deshalb die Vorstellung über Krisenart, Kri-senmerkmale und Krisenverlauf, die das eigene Unternehmen/die Insti-tution treffen könnten.

Die Krisenliteratur hat dazu bereits eine Reihe plausibler Definitionenhervorgebracht, die an dieser Stelle als Grundlage der Erörterung die-nen2. Eines sei jedoch vorausgeschickt: Immer häufiger zeigt sich, dasskomplexe Krisensituationen verschiedene Arten von Kommunikations-krisen zum Teil im parallelen zeitlichen Ablauf hervorbringen. Krisen-verläufe in der Öffentlichkeit richteten sich in der Regel nicht nachirgendeiner wissenschaftlichen Definition. Deshalb taugen die nach-folgenden Einordnungen zwar als Grundlage zur Krisenanalyse. DemWesen ihrer jeweiligen öffentlichen Wahrnehmung und Dramatik fol-gend, müssen sie von Fall zu Fall und immer wieder neu bewertet, auf-bereitet und definiert werden.

Eine übergreifende und nützliche Kategorisierung von Krisenursachennimmt Kathrin Stolzenberg zum Thema Krisenkommunikation undInternet vor3:

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Page 18: Ansprüche abwehrt. Krisen-PR · Book-Shop und Leseproben unter Hartwin Möhrle Hg. D Krisen-PR Krisen-PR Hartwin Möhrle Hg. Krisen erkennen, meistern und vorbeugen Ein Handbuch

Wirtschaftskrisen: ausgelöst durch sinkende Gewinne, fehlende Innova-tionen, härteren Wettbewerb oder bedrohliche Konkurrenz.

Technisch-ökologische Krisen: ausgelöst durch Störfälle, Unglücke oderUnfälle, als brisante, unvorhergesehene Ereignisse, bei denen beson-ders häufig Menschen und Umwelt zu Schaden kommen.

Produktkrisen: bedingt durch Produktmissbrauch, Produktsabotage oderProduktfehler.

Innerbetriebliche Krisen: bedingt durch Umstrukturierungen, betrieblicheArbeitsbedingungen, wie Personalprobleme, Streiks oder Entlassungensowie Führungsprobleme.

Politisch-ideologische Krisen: ausgelöst durch kritische Interessengruppen,Konflikte mit Bezugsgruppen oder politische Strömungen.

Die strukturellen Veränderungen der ökonomischen Systeme sowie kon-junkturelle Ausschläge nach oben und unten haben in den letzten Jah-ren zusätzliche Krisentypen hervorgebracht, die man zunächst in dieKategorie Wirtschaftskrisen einordnen kann. Feindliche wie freundli-che Firmenübernahmen und -fusionen, Zerschlagungen von ehemali-gen Großkonzernen oder der durch die Deregulierung der Märkte for-cierten Umbau von ehemaligen Staatskonzernen haben zum Teil Situa-tionen provoziert, die man nur als Dauerkrise beschreien kann. Und dar-an hat sich gezeigt, dass schematische Definitionen von Krisen – undhier vor allem der daraus abgeleiteten kommunikativen Krisensituatio-nen – nicht mehr viel taugen. Die Übernahme der Mannesmann AGdurch das britische Mobilfunkunternehmen Vodafone war nur das pro-minenteste Beispiel für einen vielschichtigen, ökonomischen Transfor-mationsprozess, der mehrere Krisenfacetten gleichzeitig ausgelöst hat:

• die wirtschaftliche Existenzkrise, hervorgerufen durch den Über-nahmeangriff, der allerdings nur wegen des Börsenbooms und derdamit verbundenen Schutzlosigkeit vieler Aktiengesellschaftengegen feindliche Übernahmen möglich geworden war.

• die politische Krise, ausgelöst aus dem zunächst durchaus nationalis -tisch gefärbten Reflex, hier kaufe so ein waghalsiger Brite in Hosen-trägern das gerade modern sich wandelnde Symbol des rheinischenKapitalismus und damit auch ein Stück Erneuerungsfähigkeit derDeutschland AG auf. Erst im Laufe der Übernahme verstummten die

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Page 19: Ansprüche abwehrt. Krisen-PR · Book-Shop und Leseproben unter Hartwin Möhrle Hg. D Krisen-PR Krisen-PR Hartwin Möhrle Hg. Krisen erkennen, meistern und vorbeugen Ein Handbuch

protektionistischen Töne aus den Landes- und Bundesministerien,nachdem allen Beteiligten klar geworden war, dass hier der Anschlussvon Deutschland an die Gobal Economy stattfand.

• die interne Krise, die für Management wie Mitarbeiter ein bis dahinnoch nicht erfahrenes Krisenszenario schuf. Das Topmanagementagierte im Abwehrkampf nach außen, für den es keine Routinen, kei-ne Erfahrungen gab. Gleichzeitig fühlten sich viele Mitarbeiterschlecht bis gar nicht, sprich, nur durch die Medien informiert. DieUnruhe im Unternehmen machte eine zweite Front auf, dieFührungskapazitäten band und das Unternehmen während des Über-nahmekampfes lähmte.

• die eigentliche Kommunikationskrise, die zunächst darin bestand,dass zum einen Vodafone nahezu unbekannt und zum anderen dasThema „feindliche Übernahme“ in seiner ganzen Dimension den mei-sten Journalisten ebenfalls neu war und somit wilde Spekulationenden Boulevard wie die Fach- und Tagesmedien bestimmten. Im wei-teren Verlauf allerdings wurde das Kommunikationsverhalten vonMannesmann selbst zum „Krisen-Booster“: Die Wagenburg-Kommu-nikation trieb seltsame Blüten. Deutsche sowie ausländische Journa-listen und Kamerateams machten die gleiche Erfahrung, wenn sieauch nur versuchten, eine Kamera am Mannesmann-Ufer aufzustel-len: Sie wurden vertrieben, ohne Genehmigung durften sie noch nichtmal das Gebäude aus der Nähe filmen und so weiter und so fort. DieKommunikationsstrategen der Engländer setzten gegen solch kom-munikative Steifheit die bekannte angelsächsische Lockerheit gezieltals Waffe ein: In Newbury, dem mittelständischen Sitz von Vodafone,durften die Teams im Büro von CEO Chris Gent ohne Probleme dre-hen, selbst wenn der gar nicht da war und seine Sekretärinnen gera-de Weihnachtsgeschenke für die Mitarbeiter einpackten. Das wardurchaus Teil der „keep them busied“-Strategie der Angreifer und ziel-te auf die Verschärfung der internen Krisenmomente beim Gegner.

An dem Beispiel zeigt sich deutlich, dass die hier genutzte Definition derKrisen nur ein Hilfsmittel sein kann, um die damit verbundenen Phä-nomene und Implikationen fassen zu können.

Auch bei der Produktkrise tauchen schnell unterschiedliche Krisenfel-der auf, deren Grenzen verschwimmen. Bei der BSE-Krise spielte nebendem Nahrungsprodukt Fleisch die Zukunft der Viehwirtschaft eine zen-

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trale Rolle. Damit war es nicht nur eine ökonomische, sondern aucheine politisch-ökologische Krise. Eine Kommunikationskrise war es fürdie Beteiligten sowieso, denn wer konnte schon guten Gewissens mitgesicherten Informationen der Spekulationswut mancher Medien Ein-halt gebieten. Noch dazu wurde von so manchen Vertretern aus Politikund Agrarverbänden das Problem in bekannter Manier herunterge-spielt, womit ab einem bestimmten Punkt der Krisenwahrnehmung inder Öffentlichkeit deren Wirkung nur noch gesteigert wurde.

Oder nehmen wir die so genannte technologisch-ökologische Krise. DasICE-Unglück in Eschede war ein im Krisendeutsch typischer Katastro-phenfall, also unvorhersehbar mit extrem hoher öffentlicher Aufmerk-samkeit, Toten und Verletzten vor dem High-Tech-Aushängeschild dervernünftigen Mobilitätsgesellschaft. Nur technologische Krise? Mit-nichten. Hier stand neben dem technischen und menschlichen Versagenauch die Hypermobilität als Gesellschaftszweck auf dem Prüfstand unddamit alle ihre Repräsentanten aus dem Unternehmen Bahn wie derPolitik. Die ideologische Diskussion löste schnell die Betroffenheit abund nährte Zweifel an der Beherrschbarkeit des immer komplexer wer-denden Verkehrssystems, nicht nur die der Bahn.

In der vorangestellten Definition der Krisenbereiche fehlt allerdings einäußerst wichtiger:

Gesellschaftlich-personale Krisen: Sie trifft Personen des öffentlichen Lebensund zwar nur im Zusammenhang mit ihrem öffentlichen Leben. Siebeinhaltet Skandale um Menschen, deren Leben an die Öffentlichkeitgezerrt wird, ob sie wollen oder nicht. Sie produziert damit als Folge Kri-sen für Unternehmen, Institutionen und Branchen – Moritz Hunzingerzum Beispiel war für die PR eine Krise – jedoch nicht als Primärauslö-ser, sondern als Abfallprodukt einer Form von Öffentlichkeit, die inerster Linie durch die Medien selbst bestimmt wird.

Diese Krise kann jeden treffen. Je nach Amt, Position und Würde, ob ineinem Unternehmen, einer Institution, einer Partei oder einem Fuß-ballclub. Und je nach öffentlicher Verwertbarkeit des Vorfalls oder Ver-gehens wird daraus eine kleine oder große Krise, auch für die mittelbarBeteiligten. Wenn die Buch gewordenen Selbstentblößungen eines Die-ter Bohlen oder Stefan Effenberg Krisen bei den ehemaligen Lebens-partnerinnen auslösen, mag das zum bewussten öffentlichen Spiel derBeteiligten gehören. Bei dem Manager eines prominent in der Öffent-

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lichkeit stehenden Unternehmens könnte ein vergleichbarer Vorgangdirekte Negativauswirkungen auf das Image bei Geschäftspartnern undKunden haben.

Welches Zwischenfazit ziehen wir daraus? In der modernen Medienge-sellschaft, die über so vielfältige und schnelle Informations- und Kom-munikationsplattformen verfügt, gibt es kaum mehr eine scharfabgrenzbare Krise. Unsere Kommunikationsfähigkeit fordert von jederEinzelperspektive aus letztlich die Gesamtsicht auf die Dinge, und zwargnadenlos. Darauf müssen wir uns einstellen.

Die Kommunikationskrise als die eigentliche Krise

„Wenn die Medien nicht gewesen wären, hätte das doch keiner gemerkt.Dann hätten wir auch keine Krise gehabt und den Schaden in Ruhebeheben können.“ Solche oder ähnliche Sätze fallen nach Krisen zuhauf.Dabei sagen das nicht nur Menschen mit böswilligen Vertuschungsab-sichten, solche Seufzer kommen vielfach aus dem Munde nicht sonder-lich öffentlichkeitserprobter Manager. Das Problem ist nur: Die Medienmit den ihnen eigenen News- und Themeninteressen existieren nun ein-mal, ebenso wie das öffentliche Interesse – und das ist auch gut so. Obwir wollen oder nicht, müssen wir konstatieren: In der Mediengesell-schaft kann man sich nicht verstecken, zumindest nicht auf Dauer.

Es ist also nur logisch, dass ein Vorfall, ein Unfall, ein Fehler oder auchein länger anhaltendes Versäumnis letztlich durch seine Bekanntma-chung erst eine Krise auslöst. Somit ist die Kommunikationskrise immerTeil der eigentlichen Krise selbst. Eine künstliche Trennung zwischeneiner Strukturkrise in einem Unternehmen und der daraus möglicher-weise folgenden Kommunikationskrise sowohl in der Wirtschaftsöf-fentlichkeit als auch in der internen Öffentlichkeit ist demnach schwerdurchzuhalten. Vielfach ist es ja so, dass erst eine Kommunikationskri-se auf strukturelle Probleme, auf Fehler und Versäumnisse, aufmerksammacht.

Damit sie in ihrer Eigendynamik die Dinge durch ungeschicktenUmgang mit den involvierten Öffentlichkeiten nicht noch zusätzlichverschlimmert, bedarf es einer Charakterisierung der krisenrelevantenElemente. Allerdings geht es hierbei nicht um ein starres Definitions-

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modell, sondern um ein dynamisches Verständnismodell von Kommu-nikationskrisen, deren Eigenschaften, Verläufe und Anforderungen. Andieser Stelle wird auf den Versuch verzichtet, das „definitive Krisenmo-dell“ zu postulieren und damit neben die vielen anderen zu stellen, diees schon gibt. Weit verbreitet in der Literatur wie in der Praxis ist diedreiteilige Krisenphasentypisierung:

• die plötzlich auftretende Krise, wie zum Beispiel Unfälle und Kata-strophen,

• die latent vorhandene und sich langsam aufbauende Krise, wie zumBeispiel nicht entdeckte oder jahrelang kaschierte Umweltvergehen,

• die Dauerkrise mit unterschiedlichen thematischen Variationen undKonjunkturen, zum Beispiel bei großen Behörden oder Unterneh-men mit starker Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit; man nehmedie Telekom oder die Deutsche Bahn.

Vielfach eingesetzt wird auch das Vier-Phasen-Modell für die Charakte-risierung des einzelnen Krisenverlaufs4:

• Die Grünphase: Der Normalfall, alles scheint in Ordnung.

• Die Gelb-Phase: Die Krise droht, es gibt Anzeichen, erste Vorkrisen-phänomene.

• Die Rot-Phase: Im Auge des Hurrikans.

• Die Blau-Phase: Erholung, Auswertung, Schlussfolgerungen und Kon-sequenzen ziehen.

Ich verweise hier auf bereits bestehende Ausarbeitungen, zum Beispieldie 1997 herausgegebene Studie der Agentur KothesKlewes zum Thema„Kommunikation und Krisenmanagement“ und die ebenfalls 1997 ver-öffentlichte Schrift von Wolfgang Reineke „Krisenmanagement“ imStamm-Verlag5.

Die treibenden Elemente einer Krise

Was sind nun, quer zu allen feststellbaren Krisentypen und -modellen,die elementaren Faktoren, von denen die kommunikative Dynamikeiner Krise und der Umgang mit ihr abhängen? Bei dem Vergleich beste-

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hender Erkenntnisse und Kommunikationskrisenerfahrungen aus jüng-ster Zeit haben sich vier Elemente herauskristallisiert. Sie entfalten ihreWirkung selbstredend nicht unabhängig voneinander, sondern stehenin einer engen Wechselwirkung zueinander.

1. Die Zeit

Zeit ist immer ein knappes Gut während einer Krise. Fehlende Zeit oderVorkommnisse zur Unzeit sind stets Treibstoff für eine Krisendynamik.Wer mit der Ressource Zeit in der Ad-hoc-Anforderung besser umgehenkann als alle anderen Krisenbeteiligten, hat einen wesentlichen Vorteil.Das gilt für Situationen, in denen unmittelbarer Handlungsdruckbesteht, und erst recht dann, wenn es noch Handlungsspielraum gibt.

Der Umgang mit dem Faktor Zeit ist deshalb so wichtig, weil in Krisen-situationen meistens mehrere Dinge gleichzeitig in Gang gesetzt undkontrolliert werden müssen. Dazu bedarf es einer konsequenten Top-down-Priorisierung der Kommunikationshandlungen nach außen wieinnen. Gerade in einer dunkelroten Krisenphase, wenn kaum mehr Zeitfür strategische Überlegungen zu bleiben scheint, müssen prospektiveSchritte vorbereitet werden. Wenn alle Beteiligten gleichzeitig demUnmittelbarkeitsdruck erliegen, verschenken sie die Möglichkeit, Vor-bereitungen für eine Intervention für die nächste Stunde oder auch füreinige Tage später zu treffen, die zur Entschärfung der Krisensituationbeitragen kann. Hilfreich ist es in solchen Situationen, einzelne Perso-nen zu bestimmen, die einerseits den Faktor Zeit in seiner Bedeutungfür den jeweiligen Krisenverlauf im Blick haben und andererseits par-allel zu den laufenden Ereignissen bereits zukünftige Interventions-strategien entwickeln und vorbereiten.

Trotz der enormen Beschleunigungsmöglichkeiten durch die moder-nen Medien, vor allem durch das Internet, zeigt die Erfahrung, dass vie-le Krisen typische zeitliche Verlaufskurven zeigen (siehe Abbildung 1).Das hängt nicht zuletzt auch von dem Grad und der Dauer des öffent -lichen und medialen Interesses an einem Krisenthema ab. Wer diesfrühzeitig genug antizipiert und zum Gegenstand der eigenen Strategiemacht, kann positive Überraschungsmomente landen und hat soforteinen dramaturgischen Vorteil erzielt. Das kann helfen, nicht mehr nurSpielball zu sein, sondern zum eigenständigen Akteur zu werden.

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2. Die Dynamik

Jede Krise hat ihre eigene Dynamik. Sie hängt vom Krisengegenstand,von der kommunikativen Situation, der öffentlichen Reaktion und vie-lem mehr ab. Doch auch hier ist die Antizipation der möglichen Ver-laufsmomente im Hinblick auf steigernde oder dämpfende Wechsel-wirkungen aller Beteiligten von enormer Bedeutung.

Welchen Personen, welche Interessengruppen, welche Medien mit wel-chen professionellen Eigeninteressen sind involviert? Wie reagiert Medi-um A, wenn Medium B diese oder jene Story bringt? Was können mög-liche, vielleicht sogar bewusst gestreute Kommentare der Konkurrenzauslösen? Was passiert, wenn Mitarbeiter so oder so reagieren und dieKrise von innen nach außen schwappt, oder umgekehrt? Es gibt eine Fül-le von Reaktionsmustern, die den Verlauf einer Krise bestimmen kön-

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Abb. 1: Krisenverlaufskurven

Öffentliches Interesse

Zeit Der „Skandal“Die „Welle“Die „schleichende Krise“