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22 IN|FO|NEUROLOGIE & PSYCHIATRIE 2012; Vol. 14, Nr. 7–8 Schlaganfallprävention Ergebnisse: Bei Patienten mit früherem Schlaganfall oder TIA (19 % der Studienkohorte, n = 3.436) betrug die Rate des primären Endpunktes in der Apixaban-Gruppe 2,46 pro 100 Jahren Patientennachuntersuchung, in der Warfarin Gruppe 3,24 (Hazard Ratio [HR] 0,76, 95 %-Konfidenz-Intervall [KI] 0,56 –1,03). In der Gruppe ohne früheres zerebrales Ereignis betrug die Rate in der Apixaban-Gruppe 1,01, in der Warfarin-Gruppe 1,23 (HR 0,82, 95%-KI 0,65–1,03). Der p-Wert einer Interaktion der Behandlung mit Apixaban oder Warfarin in der Grup- pe von Patienten mit früherem zerebralem Ereignis betrug 0,71. Die absolute Risikoreduktion lag bei 0,77 pro 100 Jahre Patientennachuntersuchung bei Apixaban im Ver- gleich zu Warfarin nach stattgehabter Ischämie (95%-KI -0,08 –1,63) und bei 0,22 bei Patienten ohne Schlaganfall in der Anamnese (95 %-KI-0,03 – 0,47). Der Unterschied bezüglich größerer Blutungen lag bei Apixaban im Ver- gleich zu Warfarin bei 1,07 in der Gruppe mit früherem Ereignis (95%-KI 0,09 – 2,04) und bei 0,93 (95 %-KI 0,54 –1,32) in der Gruppe ohne Ereignis. Schlussfolgerungen: Bei Patienten mit Vorhofflim- mern verhindert Apixaban Schlaganfälle, unabhängig davon, ob bereits ein Schlaganfall oder eine TIA voran- gegangen sind. Da das Reinsultrisiko bei Patienten mit vorangegangenem zerebralem Ereignis erhöht ist, könnte der absolute Effekt bei diesen Patienten ausgeprägter sein. Journal Screen Easton JD, Lopes RD, Bahit MC et al, for the ARISTOTLE Committees and Investigators. Apixa- ban compared with warfarin in patients with atrial fibrilla- tion and previous stroke or transient ischaemic attack: a subgroup analysis of the ARISTOTLE trial. Lancet Neurol 2012; 11: 503 –11 Schlaganfallprävention bei Vorhofflimmern Apixaban schützt auch vor dem Reinsult Fragestellung: Ist Apixaban bei Patienten mit Vor- hofflimmern und stattgehabtem Schlaganfall oder tran- sienter ischämischer Attacke (TIA) wirksamer als War- farin in der Schlaganfallprävention? Hintergrund: In der ARISTOTLE-Studie konnte ge- zeigt werden, dass Apixaban bei Patienten mit Vorhof- flimmern wirksamer als Warfarin ist. Da insbesondere Patienten mit einer stattgehabten zerebralen Sympto- matik ein hohes Risiko für einen erneuten Schlaganfall haben, sollte untersucht werden, ob der sekundärpro- phylaktische Effekt von Apixaban auch in dieser Sub- gruppe im Vergleich zu Warfarin besteht. Patienten und Methodik: 18.201 Patienten mit Vor- hofflimmern oder -flattern wurden in der ARISTOTLE- Studie zu zweimal täglich 5 mg Apixaban oder Warfarin (Ziel INR: 2–3) randomisiert. Nach einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 1,8 Jahren wurde der primä- re Effektivitätsendpunkt (Schlaganfall oder systemische Embolie, „intention to treat“) und Sicherheitsendpunkt (größere Blutung; „on treatment“) analysiert. In der vorher definierten Subgruppe von Patienten mit statt- gehabter TIA oder Schlaganfall wurde mittels einer Cox Regressionsanalyse der Nutzen von Apixaban in dieser Subgruppe im Vergleich zu Patienten ohne stattgehabtes zerebrales Ereignis untersucht. Kommentar: Eine Antikoagulation bei Vorhofflim- mern ist insbesondere bei Patienten mit stattgehabtem Schlaganfall oder TIA effektiv, so können etwa zwei Drit- tel der Reinsulte verhindert werden. In der täglichen Pra- xis erhalten viele Patienten diese hoch effektive Therapie allerdings nicht, weniger als die Hälfte der Patienten nimmt diese Medikamente nach zwei Jahren noch ein [1]. In der ARISTOTLE-Studie [2] wurde Apixaban, ein direkter Faktor-Xa-Inhibitor, randomisiert gegen Warfarin getestet. Es zeigte sich, dass das Medikament ein gutes Wirkungs- (weniger ischämische Schlaganfälle oder systemische Embolien) und Sicherheitsprofil (Halbierung intrazerebrale Blutungen) aufwies. In der hier vorgestellten Subgruppenanalyse (19 % der Population) wurde untersucht, ob dieser Effekt auch bei Patienten mit früherem Schlaganfall oder TIA be- steht, wovon nach der Analyse ausgegangen werden kann. Das kardiovaskuläre Risiko ist in dieser Subgruppe besonders hoch. In der ARISTOTLE-Studie war das Risiko für einen Schlaganfall, systemische Embolie oder Tod circa zwei- bis dreifach erhöht. Hieraus ergibt sich, dass man 130 Patienten in der Schlaganfall-Sekundärprophy- laxe mit Apixaban im Vergleich zu Warfarin behandeln müsste, um einen Schlaganfall pro Jahr zu verhindern. Dieser Effekt wird hauptsächlich durch die Redukti- on von intrazerebralen Blutungen getragen, so wie es auch in den ähnlichen Subgruppenanalysen der RE-LY (Dabigatran vs. Warfarin) und ROCKET-AF (Rivaroxa- ban vs. Warfarin)-Studie festzustellen war, sodass eine Auswahl von mehreren Marcumar-Alternativen in der Schlaganfall-Sekundärprophylaxe zur Verfügung steht; die Zulassung von Apixaban für diese Indikation wird noch erwartet. Am wichtigsten bleibt jedoch, dass Patienten mit zerebraler Symptomatik und Vorhofflimmern überhaupt auf ein Antikoagulans eingestellt werden und dies auch bleiben; nur so können effektiv neue zerebrale Ereig- nisse verhindert werden. Literatur 1. Glader EL et al. Stroke 2010; 41: 397 – 401 2. Granger CB et al. NEJM 2011; 365: 981 – 93 Klaus Gröschel, Mainz

Apixaban schützt auch vor dem Reinsult

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22 IN|FO|Neurologie & Psychiatrie 2012; Vol. 14, Nr. 7 – 8

Schlaganfallprävention

Ergebnisse: Bei Patienten mit früherem Schlaganfall oder TIA (19% der Studienkohorte, n = 3.436) betrug die Rate des primären Endpunktes in der Apixaban-Gruppe 2,46 pro 100 Jahren Patientennachuntersuchung, in der Warfarin Gruppe 3,24 (Hazard Ratio [HR] 0,76, 95%-Konfidenz-Intervall [KI] 0,56–1,03). In der Gruppe ohne früheres zerebrales Ereignis betrug die Rate in der Apixaban-Gruppe 1,01, in der Warfarin-Gruppe 1,23 (HR 0,82, 95%-KI 0,65–1,03). Der p-Wert einer Interaktion der Behandlung mit Apixaban oder Warfarin in der Grup-pe von Patienten mit früherem zerebralem Ereignis betrug 0,71. Die absolute Risiko reduktion lag bei 0,77 pro 100 Jahre Patientennachuntersuchung bei Apixaban im Ver-gleich zu Warfarin nach stattgehabter Ischämie (95%-KI -0,08–1,63) und bei 0,22 bei Patienten ohne Schlaganfall in der Anamnese (95%-KI-0,03–0,47). Der Unterschied bezüglich größerer Blutungen lag bei Apixaban im Ver-gleich zu Warfarin bei 1,07 in der Gruppe mit früherem Ereignis (95%-KI 0,09–2,04) und bei 0,93 (95%-KI 0,54–1,32) in der Gruppe ohne Ereignis.

Schlussfolgerungen: Bei Patienten mit Vorhofflim-mern verhindert Apixaban Schlaganfälle, unabhängig davon, ob bereits ein Schlaganfall oder eine TIA voran-gegangen sind. Da das Reinsultrisiko bei Patienten mit vorangegangenem zerebralem Ereignis erhöht ist, könnte der absolute Effekt bei diesen Patienten ausgeprägter sein.

Journal Screen

Easton JD, Lopes RD, Bahit MC et al, for the ARISTOTLE

Committees and Investigators. Apixa-ban compared with warfarin in patients

with atrial fibrilla-tion and previous

stroke or transient ischaemic attack: a subgroup analysis of the ARISTOTLE

trial. Lancet Neurol 2012; 11: 503–11

Schlaganfallprävention bei Vorhofflimmern

Apixaban schützt auch vor dem ReinsultFragestellung: Ist Apixaban bei Patienten mit Vor-hofflimmern und stattgehabtem Schlaganfall oder tran-sienter ischämischer Attacke (TIA) wirksamer als War-farin in der Schlaganfallprävention?

Hintergrund: In der ARISTOTLE-Studie konnte ge-zeigt werden, dass Apixaban bei Patienten mit Vorhof-flimmern wirksamer als Warfarin ist. Da insbesondere Patienten mit einer stattgehabten zerebralen Sympto-matik ein hohes Risiko für einen erneuten Schlaganfall haben, sollte untersucht werden, ob der sekundärpro-phylaktische Effekt von Apixaban auch in dieser Sub-gruppe im Vergleich zu Warfarin besteht.

Patienten und Methodik: 18.201 Patienten mit Vor-hofflimmern oder -flattern wurden in der ARISTOTLE-Studie zu zweimal täglich 5 mg Apixaban oder Warfarin (Ziel INR: 2–3) randomisiert. Nach einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 1,8 Jahren wurde der primä-re Effektivitätsendpunkt (Schlaganfall oder systemische Embolie, „intention to treat“) und Sicherheitsendpunkt (größere Blutung; „on treatment“) analysiert. In der vorher definierten Subgruppe von Patienten mit statt-gehabter TIA oder Schlaganfall wurde mittels einer Cox Regressionsanalyse der Nutzen von Apixaban in dieser Subgruppe im Vergleich zu Patienten ohne stattgehabtes zerebrales Ereignis untersucht.

Kommentar: Eine Antikoagulation bei Vorhofflim-mern ist insbesondere bei Patienten mit stattgehabtem Schlaganfall oder TIA effektiv, so können etwa zwei Drit-tel der Reinsulte verhindert werden. In der täglichen Pra-xis erhalten viele Patienten diese hoch effektive Therapie allerdings nicht, weniger als die Hälfte der Patienten nimmt diese Medikamente nach zwei Jahren noch ein [1]. In der ARISTOTLE-Studie [2] wurde Apixaban, ein direkter Faktor-Xa-Inhibitor, randomisiert gegen Warfarin getestet. Es zeigte sich, dass das Medikament ein gutes Wirkungs- (weniger ischämische Schlaganfälle oder systemische Embolien) und Sicherheitsprofil (Halbierung intrazerebrale Blutungen) aufwies.

In der hier vorgestellten Subgruppenanalyse (19% der Population) wurde untersucht, ob dieser Effekt auch bei Patienten mit früherem Schlaganfall oder TIA be-steht, wovon nach der Analyse ausgegangen werden kann. Das kardiovaskuläre Risiko ist in dieser Subgruppe besonders hoch. In der ARISTOTLE-Studie war das Risiko für einen Schlaganfall, systemische Embolie oder Tod circa zwei- bis dreifach erhöht. Hieraus ergibt sich, dass

man 130 Patienten in der Schlaganfall-Sekundärprophy-laxe mit Apixaban im Vergleich zu Warfarin behandeln müsste, um einen Schlaganfall pro Jahr zu verhindern. Dieser Effekt wird hauptsächlich durch die Redukti-on von intrazerebralen Blutungen getragen, so wie es auch in den ähnlichen Subgruppenanalysen der RE-LY (Dabigatran vs. Warfarin) und ROCKET-AF (Rivaroxa-ban vs. Warfarin)-Studie festzustellen war, sodass eine Auswahl von mehreren Marcumar-Alternativen in der Schlaganfall-Sekundärprophylaxe zur Verfügung steht; die Zulassung von Apixaban für diese Indikation wird noch erwartet.

Am wichtigsten bleibt jedoch, dass Patienten mit zerebraler Symptomatik und Vorhofflimmern überhaupt auf ein Antikoagulans eingestellt werden und dies auch bleiben; nur so können effektiv neue zerebrale Ereig-nisse verhindert werden.

Literatur1. Glader EL et al. Stroke 2010; 41: 397–4012. Granger CB et al. NEJM 2011; 365: 981–93

Klaus Gröschel, Mainz