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Erwerb von Schlüsselkompetenzen durch die Vermittlung von kulturellem Erbe im Unterricht Herausgeber: Jaap Van Lakerveld und Ingrid Gussen Koordinatoren: Guy Tilkin und Renilde Knevels Mitautor/innen: Christa Bauer, Leen Alaerts, Jo Van Dessel, Ruth Wouters

Aqueduct Manual Germany

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Erwerb von Schlüsselkompetenzen durch die Vermittlung von kulturellem Erbe im Unterricht

Herausgeber: Jaap Van Lakerveld und Ingrid GussenKoordinatoren: Guy Tilkin und Renilde KnevelsMitautor/innen: Christa Bauer, Leen Alaerts,

Jo Van Dessel, Ruth Wouters

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Erwerb von Schlüsselkompetenzen durch die Vermittlung

von kulturellem Erbe im Unterricht

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ISBN 9789081794107Legal deposit: D/2011/8926/1

Published by: Lies Kerkhofs, Landcommanderij Alden Biesen, Kasteelstraat 6, B-3740 BilzenProject Number: 502572-LLP-1-2009-1-BE-COMENIUS-CMP

Design & production: COMMiX Graphic Solutions - www.commix.be

Translations of this manual in French, German, Italian, Polish, Dutch and Romanian are available on www.the-Aqueduct.eu

Haftungshinweis:Dieses Projekt wurde mit Mitteln der Europäischen Kommission finanziert. Diese Publikation spiegelt ausschließlich die Ansichten des Autors wider. Die Kommission kann nicht für die etwaige Nutzung der hier enthaltenen Informationen verantwortlich gemacht werden.

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Herausgeber:

Jaap Van Lakerveld and Ingrid Gussen,

PLATO, Leiden University, Leiden, The Netherlands

Koordination:

Guy Tilkin and Renilde Knevels,

Landcommanderij Alden Biesen, Bilzen, Belgium

Koauterinnen:

Christa Bauer, Pädagogische Hochschule Steiermark, Graz, Austria

Leen Alaerts, Jo Van Dessel, Ruth Wouters, KHLeuven, Leuven, Belgium

In Kooperation mit:

Boglarka Bohonyi and Timea Berki, Transylvania Trust Foundation, Cluj-Napoca, Romania

Szilárd Toth, Babeș-Bolyai University Cluj, Cluj-Napoca, Romania

Marcin Klag and Katarzyna Dziganska, MIK, Krakow, Poland

Valentina Galloni and Margherita Sani, IBACN, Bologna, Italy

Stéphane Colsenet, Frédéric Samuel, Gishly Didon, Alain Ohnenwald, CCE, St-Jean d’Angély, France

Ray Kirtley, European Resource Center, Hull University, UK

Ioana Crugel, ACCR, Paris, France

Projektkoordinator

Erwerb von Schlüsselkompetenzen durch die Vermittlung von kulturellem Erbe im Unterricht

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Inhalt

I. Aqueduct: Das Projekt 4

Vorwort 5

1.1Einleitung 8

1.2DasAqueduct-Projekt 9

1.3Partner 11

II. Aqueduct: Der Ansatz 132.1DieVermittlungKulturellenErbes 14

2.2KompetenzorientierterUnterrichtundkompetenzorientiertesLernen 17

2.3ZugängeundMethodenkompetenzorientiertenLernens 22

III. Aqueduct: Die Praxis 30

3.1Pilotprojekte 31

Grazgeflüster (AT) 31

Schlüsselkompetenzen und ein „Schlüssel-Museum“ (AT) 33

Schule im Krieg – Heilig Hart Heverlee (BE) 35

Mater Dei: Eine ärmliche Schulnachbarschaft entdeckt ihren Reichtum an Kultur und Geschichte (BE) 38

Jugendliche organisieren europäische Kulturtage (FR) 41

Als der Mensch noch ein Kind war: Eine Reise zur Entdeckung unserer Wurzeln (IT) 44

Lucas van Leyden und seine Zeit (PL) 47

Auf den Spuren von Wojciech und Aneri Weiss (PL) 49

König Matthias: Der Gerechte (RO) 52

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3.2BeispieleguterPraxis 54

Von Rittern, Burgen und Kräutl’n zu den heutigen Leutl`n (AT) 54

Konfrontation mit einer schambeladenen Vergangenheit (AT) 56

Die Abtei von Vlierbeek (BE) 58

Tot und begraben (BE) 61

Das Kulturelle Erbe im Alltag (BE) 63

Die Kinder von Guernica (BE) 65

Cookies (BE) 67

Die Odyssee der Straßenbahnlinie 92 (BE) 69

Stadtgetümmel (FR) 71

Die Geschichte der Kunst (FR) 73

Ein Tag im Leben eines Mönchs (FR) 76

Europawissenschaften: Meine Vision von Europa (IT) 78

Die bewegenden Pfade der Manifattura delle Arti (IT) 80

Offene Denkmäler (IT) 83

Ein multisensorisches Totem (IT) 85

Wäsche (MA) 87

Medina (MA) 89

Im Mittelpunkt: Rembrandt (NL) 91

Der Verkäufer und das Museum (NL) 93

St-Art (NL) 95

De Groote Vink (NL) 97

War der Jugendstil weiblich? 99

Expedition zu den Toren der Weisheit (PL) 102

Die Kartierung von Golkowice (PL) 104

Offene Fenster (PT) 107

Workshop für kleine Schauspieler/innen (RO) 109

Die Suche nach der Vergangenheit (RO) 111

Die traditionellen Handwerke der Szekler (RO) 113

Flüchtlinge im Freilichtmuseum (SE) 115

Die Wildnis von Yorkshire – Das Naturerlebnisprojekt des Yorkshire Wildlife-Trusts (UK) 118

Literarische Assoziationen in einer historischen Landschaft (UK) 120

Freiheit und Fairplay nach William Wilberforce (UK) 123

IV. Aqueduct: Instrument 125

4.1EinschätzungundBewertung 126

4.2DerAqueductKompetenzNavigator 128

4.3ChecklistezurEvaluierungvonkompetenzorientiertenLernumfeldernfürLernende,LehrendeunddiedafürerforderlicheorganisatorischePlanung 131

Bibliografie 136

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I. Aqueduct das Project

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Die Vermittlung von kulturellem Erbe gewinnt im Bildungs- und Kulturbereich immer mehr an Bedeutung. Politische Entscheidungsträger in der EU, im Europarat und der Europäischen Kommission und in weltweiten Organisationen wie UNESCO, engagieren sich sowohl für den Schutz unseres Kultur- und Naturerbes als auch für die Nutzung unseres kulturellen Erbes, um Lernprozesse von Menschen im Allgemeinen und Jugend-lichen im Besonderen zu bereichern. Diese Bemühungen zur Erhaltung unseres Erbes auf der einen Seite und die Vermittlung kulturellen Erbes in Schulen auf der anderen, scheinen einander positiv zu beeinflussen. Lernende werden sich über den Wert des kulturellen Erbes als solches bewusst und erkennen den Vorteil des kulturellen Erbes für ihre persönlichen Lern- und Entwicklungsprozesse. Auf diesem Wege wird das kul-turelle Erbe als Bereicherung empfunden und möglicherweise auch vermehrt als schützenswert erachtet. Sowohl PädagogInnen als auch andere Vermittler kulturellen Erbes profitieren davon. Viel wichtiger aber ist, dass Lernende ergiebigen und inspirierenden Lernumfeldern begegnen, die ihre Lernprozesse unterstützen und erweitern. Vor diesem Hintergrund entschieden sich einige PädagogInnen und VermittlerInnen kulturellen Erbes ein Projekt ins Leben zu rufen, das sich den Erwerb von Schlüsselkompetenzen im Sinne des Lebenslangen Lernens durch die Vermittlung kulturellen Erbes in Schulen zum Ziel setzte - Aqueduct. Der Name des Projekts verweist auf den Prozess wie Kompetenzen erworben werden. Das Aquädukt im Logo betont wie wichtig es ist, Klüfte zu überwinden, Brücken zu bauen und Informationen durch neue Kanäle fließen zu lassen, um es vielen verschiedenen Menschen zu ermöglichen, von unseren gemeinsamen kulturellen und natürlichen Ressourcen zu profitieren.

Dieses Handbuch erläutert die Ideen des Aqueduct-Projekts. Es zeigt die Beziehung zwischen der Vermittlung kulturellen Erbes und kompeten-zorientierter Pädagogik, in deren Zentrum der Erwerb von Schlüsselkompetenzen im Rahmen des Lebenslangen Lernens steht, wie sie von der Europäischen Kommission definiert wurden. Die Konzepte, die der Vermittlung kulturellen Erbes und der kompetenzorientierten Pädagogik zu Grunde liegen, werden vorgestellt und verknüpft. Die positive wechselseitige Beeinflussung ist deutlich sichtbar. Darüber hinaus werden die Bedingungen, die SchülerInnen sowie Lehrenden reichhaltiges Lernen in einem ergiebigen und inspirierenden Lernumfeld ermöglichen, identi-fiziert und erörtert.

Anschließend erfahren die LeserInnen mehr über bestimmte Ansätze kompetenzorientierter Pädagogik im Bereich des kulturellen Erbes und über die dafür benötigten Methoden. Näher erklärt werden die Storyline-Methode, Handlungslernen, Problembasiertes Lernen, Kooperatives Lernen und die Methode der Geleiteten Entdeckung. Im Rahmen des Aqueduct-Projekts halten wir all diese Methoden und Ansätze für wesentlich und gut anwendbar. Letzten Endes erwies sich aber die Storyline-Methode als die geeignetste, die den Anforderungen kompetenzorientierter Vermittlung kulturellen Erbes am besten entspricht.

Wir hoffen, dass Aqueduct zur weiteren Verbreitung kompetenzorientierter Pädagogik und kompetenzorientierten Lernens beiträgt, das Inter-esse an der Thematik verstärkt und den Zugang zu kulturellem Erbe vereinfacht.

GuyTilkin Lies KerkhofsProjektleiter Aqueduct DirektorLandcommanderij Alden Biesen Landcommanderij Alden Biesen

Projektkoordinator

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Dieses Handbuch ist als Hilfestellung für alle gedacht, die die Her-ausforderung spüren, die Vermittlung kulturellen Erbes in etwas zu verwandeln, das mehr ist als nur Wissensvermittlung über historische Objekte. Zudem wendet es sich an jene, die unser kulturelles oder Naturerbe nutzen möchten, um Kinder anzuregen darüber zu lernen und dabei Schlüsselkompetenzen des Lebenslangen Lernens zu ent-wickeln.

Der erste Teil dieses Handbuchs enthält eine Übersicht über die grundlegenden Konzepte und Zugänge des Aqueduct-Projekts. Die folgenden Themen werden erörtert:

• Das Aqueduct-Projekt und seine Partner• Die Vermittlung kulturellen Erbes• Kompetenzorientierte Pädagogik und kompetenzorientiertes Ler-

nen• Verschiedene Wege zur Implementierung kompetenzorientierter

Pädagogik

In diesen aufeinanderfolgenden Abschnitten erläutern wir das Kon-zept von Kompetenz und setzen es in Bezug zum Konzept des kultu-rellen Erbes und dessen Vermittlung. Darüber hinaus wird die kom-petenzorientierte Pädagogik als ein Bildungsansatz skizziert, der auf unterschiedlichste Art und Weise implementiert werden kann. Fünf potentielle Methoden zur Implementierung werden im ersten Teil die-ses Handbuchs beschrieben.

Im zweiten Teil dieses Handbuchs werden neun Projekte, die im Rahmen des Aqueduct-Projektes lanciert und durchgeführt wurden, vorgestellt. Die Beschreibungen dieser Projekte können als Versuch gesehen werden, das Aqueduct-Leitbild in die Praxis umzusetzen. Einunddreißig Beispiele guter Praxis aus den teilnehmenden Ländern werden kurz vorgestellt und erzählerisch beschrieben. Diese Bei-spiele wurden inkludiert, weil sie Elemente beinhalten, die die von den Aqueduct-Partnern beworbenen Methoden und Ansätze veran-schaulichen. Der letzte Teil des Handbuches enthält Instrumente zur Beurteilung, inwiefern die Projekte den Aquedukt Standards entspre-chen, und Instrumente, die Lernenden helfen, ihre eigene Arbeit und ihren Fortschritt zu kontrollieren.

Ein Transportmittel als kulturelles Erbe; Das kulturelle Erbe als Transportmittel (Foto: Jaap van Lakerveld)

Führungen und Führende, die chronologisch die Geschichte von Über-resten früherer Tage erklären; Broschüren, die uns über alle Details ei-nes spezifischen Denkmals aufklären, aber weder Bezug zum Kontext oder unserem Vorwissen noch relevante, aktuelle Erfahrungen von Menschen herstellen; die physische Ermüdung während man durch ein Museum schlendert und die Unfähigkeit, sich an etwas von dem Erzählten zu erinnern … viele Menschen kennen diese Situation. Und doch hat unser kulturelles Erbe ein enormes, inspirierendes Potenzial. Es erzählt uns von längst vergangenen Zeiten, über Menschen, über uns selbst, über die Gegenwart und sogar die Zukunft, wenn wir seine Schätze richtig nutzen, wenn wir die Erkundung kulturellen Erbes zu einer Herausforderung, zu einem echten Erlebnis machen.

Das Aqueduct- Projekt wurde ins Leben gerufen, um Lehrende und andere VermittlerInnen darin zu unterstützen, genau das zu tun. Es soll ihnen dabei helfen, die Vermittlung kulturellen Erbes zu einem inspirierendem Gemeinschaftserlebnis zu machen, das SchülerInnnen, Studierenden und auch den Lehrenden selbst ermöglicht, maximal davon zu profitieren. Nicht nur in Bezug auf historisches Wissen, son-dern auch um Schlüsselkompetenzen im Sinne des Lebenslangen Ler-nens zu entwickeln, wie zum Beispiel die Kompetenzen Teamarbeit, Kommunikation, kulturelle Ausdrucksfähigkeit, Unternehmertum und kreative Initiative. Innerhalb des Aqueduct-Projekts ist nicht das kul-turelle Erbe als solches das Ziel. Es dient als Motor für persönliches Lernen und Entwicklung.

1.1 Einleitung

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Im März 2009 reichte die Landcommanderij Alden Biesen mit ihren Partnern Aqueduct bei der Europäischen Kommission als multilatera-les Comeniusprojekt im Rahmen des Lebenslangen Lernen Programms (LLP) ein. Ende Juli 2009 wurde der Projektantrag positiv beschieden.

Landcommanderij Alden Biesen, Belgien

DerErwerbvonSchlüsselkompetenzendurchdieVermittlungkulturellenErbes

Die Vermittlung kulturellen Erbes ist nicht nur ein Thema aus den Bereichen Geschichte, Kunst oder Kultur. Es umfasst einen Komplex „von Zielen außerhalb der Mauern”, die ein großes Potenzial haben, Motivation zu fördern und zu erhalten, innovative fächerübergreifen-de Ansätze bieten, Verbindungen zwischen Schule und Gesellschaft zu schaffen, die Dimension der europäischen Kultur einzubringen und die transversalen Schlüsselkompetenzen, die im Sinne des Le-benslangen Lernens und im Referenzrahmen definiert wurden, zu erreichen: Lernen lernen, soziale und Bürgerkompetenz, Eigeniniti-ative und unternehmerische Kompetenz und Kulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeit.

Das Konzept der Schlüsselkompetenzen stammt aus der Lissabon Strategie 2000. Es resultierte im Europäischen Referenzrahmen, der besagt: “Jede Bürgerin/ Jeder Bürger braucht umfangreiche Schlüs-selkompetenzen, um sich in einer sich schnell verändernden und glo-balisierten Welt flexibel zu verhalten. Bildung in ihrer doppelten Rolle, sozial und ökonomisch, muss eine zentrale Rolle in der Sicherstellung einnehmen, dass europäische Bürgerinnen und Bürger die Schlüs-selkompetenzen erwerben, die für alle Menschen gleichermaßen wichtig für ihre persönliche Entfaltung, aktive Bürgerschaft, soziale Integration und Beschäftigungsfähigkeit in einer Wissensgesellschaft sind.“

SchlüsselkompetenzenimRahmendesLebenslangenLernens:

• Muttersprachliche Kompetenz• Fremdsprachliche Kompetenz • Mathematische Kompetenz und grundlegende naturwissen-

schaftlich-technische Kompetenz• Computerkompetenz• Lernkompetenz• Soziale Kompetenz und Bürgerkompetenz• Eigeninitiative und unternehmerische Kompetenz• Kulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeit

Das Aqueduct-Projekt stellt die transversalen Schlüsselkompeten-zen in den Mittelpunkt: Lernkompetenz, soziale Kompetenz und Bürgerkompetenz, Eigeninitiative und unternehmerische Kompe-tenz und Kulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeit.

Mehr Informationen zu den Schlüsselkompetenzen: http://ec.europa.eu/education/policies/2010/doc/basicframe.pdf

Ziele

Das allgemeine Ziel des Projektes ist es, den Erwerb der Kompeten-zen, die vor dem Hintergrund des Lebenslangen Lernens definiert wurden, in Schulen durch die Vermittlung kulturellen Erbes zu imple-mentieren. In anderen Worten, das Projekt möchte Lehrende zu einer kompetenzorientierten Vermittlung kulturellen Erbes befähigen.

Projektaktivitäten

Das Aqueduct-Projekt hat bereits einige Anstrengungen unternom-men, um die oben beschriebene Ziele zu erreichen: • Nach einer Bedarfserhebung, Forschungs- und Konzeptentwick-

lung kommunizierten und verglichen die Lehrerfortbildungsor-ganisationen, Pädagogischen Hochschulen und die Vermittler des kulturellen Erbes (die Projektpartner) ihre Ansichten über die Vermittlung kulturellen Erbes, den Erwerb transversaler Schlüs-selkompetenzen sowie über das Lernen durch Kulturvermitt-lung, Lerntheorien, Evaluierung von Lernergebnissen, die prakti-sche Umsetzung von Lernkompetenzen, den Erwerb innovativer Schlüsselkompetenzen, Teamteaching etc. Daraus resultierte die Entwicklung von Richtlinien und Kriterien, um den Ansatz des Erwerbs transversaler Schlüsselkompetenzen von Initiativen im Bereich der Vermittlung kulturellen Erbes zu bewerten. (vgl. der letzte Abschnitt dieses Handbuches)

1.2 Das Aqueduct Projekt

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• In diesem Handbuch sammelten und beschrieben die Partner Beispiele guter Praxis und Pilotprojekte, die auf dem Aqueduct-Leitbild basieren.

• Nationale Fortbildungstage gaben den Partnern und Mitgliedern das nötige Handwerkszeug, um lokale, nationale und internatio-nale Kulturvermittlungsinitiativen zu initiieren, entsprechend den Ansätzen und Kriterien, die in der vorhergehenden Phase entwi-ckelt wurden.

• Alle oben erwähnten Aktivitäten dienten diesem Handbuch als Basis. Dieses Handbuch ist in gedruckter Fassung in Englisch er-hältlich. Es steht auf der Website www.the-Aqueduct.eu in allen Sprachen unserer Partner zum Download zur Verfügung und kann von Lehrenden, TrainerInnen und LehrerInnenfortbildnerInnen ge-nutzt werden.

• Die Verbreitung und allgemeine Bekanntmachung wurden durch Fortbildung und Präsentationen mit der Hilfe eines europäischen TrainerInnenteams erreicht, durch Fortbildungstage in den Part-nerländern, eine abschließende Konferenz, die Projekthomepage, die Implementierung der Trainingsmodule durch Fortbildungen und in Lehrerausbildungsorganisationen. Durch die Lehrbildungs-organisationen der Partner und die Netzwerke von Schulen, die mit ihnen arbeiten, konnten viele Lehrende erreicht werden, be-sonders in den teilnehmenden Ländern. Alle Partner sind in Netz-werke und Gemeinschaften eingebunden und vertrauen auf diese Kontakte zur Weiterverbreitung und Nutzbarmachung.

• Die Aqueduct Partner werden zukünftig auch ‘Aqueduct Come-nius Kurse’ organisieren: Internationale Fortbildungskurse für Leh-rende mit großartigen Möglichkeiten im Rahmen des LLP Come-nius Mobilitätsprogramms. Während eines fünftägigen Kurses vor

Ort lernen Lehrende und LehrerInnenfortbildnerInnen die Leitide-en des Aqueduct-Projekts kennen, kompetenzorientiertes Lehren und Lernen im Kontext kulturellen Erbes durch Präsentationen, Workshops und direkte Erfahrung, überall in Europa, je nachdem, wo die Kurse stattfinden. Weitere Informationen zu diesen Kursen finden sich auf der Website.

DieZielgruppen

Die primäre Zielgruppe des Aqueduct-Projekts und dieses Handbu-ches sind LehrerbildnerInnen, Studierende in der Erstausbildung und Lehrende, die 6 – 14 jährige unterrichten (Grundschule- und Sekun-darstufe I). Das Aqueduct-Material soll aber auch Programmersteller und VermittlerInnen im pädagogischen Dienst von kulturellen Insti-tutionen erreichen, indem es sie darin unterstützt, neue Wege in der Vermittlung ihres Kulturguts zu finden. Die Erfahrung mit den Projekten im Bereich des kulturellen Erbes, die wir sammelten und analysierten, überzeugte uns, dass sich die aktive Beteiligung an diesen Projekten auch für andere Bereiche und Ebe-nen der Bildung lohnt. Viele Ideen und Beispiele in diesem Handbuch könnten auch für Menschen in anderen Organisationen interessant sein, jenseits des Bildungswesens. Die gemeinsame Erkundung kultu-rellen Erbes im eigenen, unmittelbaren Umfeld kann sich positiv auf den Lernprozess der Organisation auswirken und könnte zum Erwerb von Schlüsselkompetenzen im Rahmen des Lebenslangen Lernens in vielen verschieden Kontexten beitragen.

TeilnehmerInnen des Aqueduct Fortbildungstages (Foto: Ingrid Gussen)

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Die Aqueduct Partnerschaft besteht aus vier Universitäten bzw. Pä-dagogischen Hochschulen/Lehrfortbildungsorganisationen und fünf Vermittlern kulturellen Erbes.

Projektkoordinator

• Landcommanderij Alden Biesen (Belgien) www.alden-biesen.be Ansprechpartner: Guy Tilkin und Renilde Knevels

Projektpartner

• Katholieke Hogeschool Leuven (Belgien) www.khleuven.be Ansprechpartner: Leen Alaerts, Jo Van Dessel, Ruth Wouters

• PLATO, Leiden Universität (Niederlande) www.fsw.leidenuniv.nl/plato/ Ansprechpartner: Jaap Van Lakerveld und Ingrid Gussen

• Transylvania Trust Foundation (Rumänien) www.transylvaniatrust.ro Ansprechpartner: Boglarka Bohonyi und Timea Berki

• Babeş-Bolyai Universität (Rumänien) www.ubbcluj.ro Ansprechpartner: Szilard Toth

• Instituto per i Beni Artistici, Culturali e Naturali, Emilia-Romagna (Italien) www.ibc.regione.emilia-romagna.it Ansprechpartner: Valentina Galloni und Margherita Sani

• Malopolska Kulturinstitut (Polen) www.mik.krakow.pl Ansprechpartner: Katarzyna Dziganska und Marcin Klag

• Centre de Culture Européenne – Abbaye Royale Saint-Jean d’ Angély (Frankreich) www.cceangely.org Ansprechpartner: Stéphane Colsenet, Frédéric Samuel, Gishly Didon, Alain Ohnenwald

• Pädagogische Hochschule Steiermark (Österreich) www.phst.at Ansprechpartner: Christa Bauer

AssoziiertePartner

• International Department of Het GO!: Onderwijs van de Vlaamse Gemeenschap (Belgien) www.g-o.be/europa

• ACCR : Association des Centres Culturels de Rencontre (Frankreich) www. accr-europe.org

ExterneGutachter

• Ray Kirtley: European Resource Centre, Universität von Hull, (Vereinigtes Königreich)

PLATO – Die Universität Leiden übernahm die Verantwortung für den allgemeinen theoretischen Hintergrund über den Erwerb von Schlüs-selkompetenzen (KCA).

Die drei pädagogischen Hochschulen (Löwen, Graz und Cluj) unter-suchten die Implementierung kompetenzorientierter Vermittlung und verglichen diese mit traditionellen Formen der Vermittlung kulturellen Erbes.

Zwei Vermittler kulturellen Erbes, Krakau und Bologna fördern die Verbreitung kulturellen Erbes auf regionaler Ebene und fungieren als Mittler und Kontaktstelle zwischen dem kulturellen Erbe und der Be-völkerung. In diesem Projekt ließen sie ihre Expertise in Bezug auf Methoden, Aktivitäten, Networking, Verbreitung etc. einfließen. Die drei verbleibenden Partner sind Beispiele des kulturellen Erbes in Form von Gebäuden (zwei Schlösser, eine Abtei) mit einer starken Verbindung zur Bevölkerung und Schulen. Sie brachten Inhalt, Kon-text und praktische Expertise ein.

Neben der Arbeitsgemeinschaft der Partner wurden auch neun “Tan-dems” geschaffen: Ein Tandem aus einer Schule und einem Vermittler kulturellen Erbes, die ein Pilot-Projekt planen, das das Aqueduct Leit-bild zum Erwerb von Schlüsselkompetenzen verfolgt. Beispiele guter Praxis wurden in allen Partnerländern, sowie in Marokko, Schweden, Portugal, Irland und dem Vereinigten Königreich gesammelt.

1.3 Die Projektpartner

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Nicht zuletzt seien unsere assoziierten Partner erwähnt:

1. GO, ehemaliger Co-Koordinator von Hereduc, einem Comenius Projekt über die Vermittlung kulturellen Erbes. GO brachte seine Ideen zur Umsetzung der Vermittlung kulturellen Erbes ein, sowie sein Netzwerk, etliche Lernmethoden und Beispiele.

2. ACCR ist ein Europäisches Netzwerk aus Zugangsanbietern zum Kulturerbe (Gebäude). Das Netzwerk bot den idealen Nährbo-den, auf dem das Aqueduct Leitbild wachsen konnte.

Neben den Projektpartnern waren auch viele andere Personen in-volviert. Hochschulen, Schulen oder anderen Vermittlern kulturellen Erbes, die an Workshops teilnahmen oder an den Pilotprojekten, die später noch ausführlicher beschrieben werden. Ihre aktive und be-reichernde Teilnahme und Inputs machten dieses Handbuch zu der abwechslungsreichen Sammlung über die Vermittlung kulturellen Er-bes, die uns nun vorliegt.

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:

II. Aqueduct: der Ansatz

Schilfgras fertig für’s Dachdecken (Foto: Jaap van Lakerveld)

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DefinitionenvonkulturellemErbe

Was den Inhalt der Vermittlung von kulturellem Erbe anbelangt stim-men wir mit den Definitionen des Europarats und der UNESCO (http://portal.unesco.org/) überein, in denen das Kultur- und Naturerbe als „Überbegriffe” beschrieben werden, die viele kulturelle, natürliche, materielle und immaterielle Elemente beinhalten.

Kulturerbe

Denkmäler: Werke der Architektur, Großplastik und Monumentalma-lerei, Objekte oder Überreste archäologischer Art, Inschriften, Höhlen und Verbindungen solcher Erscheinungsformen, die aus geschichtli-chen, künstlerischen oder wissenschaftlichen Gründen von außerge-wöhnlichem universellem Wert sind.

Ensembles: Gruppen einzelner oder miteinander verbundener Ge-bäude, die wegen ihrer Architektur, ihrer Geschlossenheit oder ihrer Stellung in der Landschaft aus geschichtlichen, künstlerischen oder wissenschaftlichen Gründen von außergewöhnlichem universellem Wert sind.

Stätten: Werke von Menschenhand oder gemeinsame Werke von Na-tur und Mensch sowie Gebiete einschließlich archäologischer Stätten, die aus geschichtlichen, ästhetischen, ethnologischen oder anthropo-logischen Gründen von außergewöhnlichem universellem Wert sind.

ImmateriellesErbe

Der Begriff Kulturerbe war in den letzten Jahrzehnten Wandlungen unterworfen. Dafür sind zum Teil die von der UNESCO entwickel-ten Begriffe verantwortlich. Das Kulturerbe besteht nicht nur aus Denkmälern und Sammlungen von Objekten. Der Begriff Kulturerbe umfasst auch Traditionen oder Praktiken, die wir von unseren Vor-fahren übernommen und an unsere Nachkommen weitergaben, wie mündliche Überlieferungen, Ausdrucksformen, darstellende Künste, gesellschaftliche Praktiken, Rituale, Feste, Wissen und Praktiken in Bezug auf die Natur und das Universum oder traditionelle Hand-werkstechniken.

Das kulturelle Erbe ist sowohl materiell als auch immateriell. Es be-zieht sich auf Traditionen, aber beinhaltet auch zeitgenössische Aus-drücke von Traditionen. Es ist mit Identität verbunden und basiert auf einer allgemeinen gesellschaftlichen Wertschätzung.

Naturerbe

Naturgebilde, die aus physikalischen und biologischen Erscheinungs-formen oder -gruppen bestehen, welche aus ästhetischen oder wis-senschaftlichen Gründen von außergewöhnlichem universellem Wert sind;geologische und physiografische Erscheinungsformen und genau ab-gegrenzte Gebiete, die den Lebensraum für bedrohte Pflanzen- und Tierarten bilden, welche aus wissenschaftlichen Gründen oder ihrer Erhaltung wegen von außergewöhnlichem universellem Wert sind;Naturstätten oder genau abgegrenzte Naturgebiete, die aus wissen-schaftlichen Gründen oder ihrer Erhaltung oder natürlichen Schön-heit wegen von außergewöhnlichem universellem Wert sind.Natürliche Elemente bestehen aus physischen und biologischen For-mationen oder aus Gruppen solcher Formationen und sind von einem ästhetischen oder wissenschaftlichen Standpunkt aus von außerge-wöhnlicher universeller Bedeutung. (UNESCO 2008) Das Naturerbe ist eng mit der Umwelt, der Landschaft und auch der Kultur verknüpft.

ErweiterteDefinitionen

In den Begriffen von Kultur- und Naturerbe sehen wir den Wandel von einer eng gefassten, materiellen und kulturellen Definition hin zu einer erweiterten Definition, die auch natürliche und immaterielle Elemente einschließt. Darüber hinaus kann man beobachten, wie sich die rein instrumentelle und utilitaristische Betrachtung kulturellen Er-bes verändert.

2.1 Die Vermittlung kulturellen Erbes

Castles,MonumentsMonasteries

Industrial buildingsCollections

Sites

ParksAgricultural sites

TreesWoodsHabitats

Seas, lakes, rivers

TraditionsExpressions

RitualsSkills

ConvictionsBeliefs

Natural processesClimateSmells

PhenomenaAtmospheresLight/sounds

Cultural Natural

Tan

gib

leIn

tan

gib

le

SchlösserDenkmäler

KlösterIndustriegebäude

SammlungenStätten

ParksLandwirtschaftliche Gebiete

BäumeWälder

LebensräumeMeere, Seen, Flüsse

TraditionenRedewendungen

RitualeFähigkeiten

ÜberzeugungenGlaube

Natürliche ProzesseKlima

GerüchePhänomeneAtmosphäre

Licht/Geräusche

Kulturell Natürlich

Mat

erie

llIm

mat

erie

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Beispiele des kulturellen Erbes und erweiterte Definitionen

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Das kulturelle Erbe wird laut diesen Definitionen als eigener Wert verstanden. Gleichzeitig wird es aber auch als Werkzeug betrach-tet, durch das andere gesellschaftliche Ziele erreicht werden kön-nen, wie zum Beispiel ein gesundes und motivierendes Umfeld, das dem Wohle des Menschen dient, die Qualität des kulturel-len Lebens erhöht und die menschlichen Prozesse, wie Lernen, Entwicklung und Kommunikation verbessert. Das kulturelle Erbe stärkt den sozialen Zusammenhalt, das interkulturelle Verständ-nis, das Verständnis zwischen den Generationen, sowie den Er-werb der Schlüsselkompetenzen, die notwendig sind, um all das zu erreichen.

Die Vermittlung kulturellen Erbes basiert auf der Idee, dass das kul-turelle Erbe selbst Lernenden die Möglichkeit bietet, Erfahrungen zu machen, die sie zum Lernen motivieren. Wissen wird nicht nur in einem speziellen kulturellen Kontext erworben. Das kulturelle Erbe schafft auch ein Lernumfeld, das den Erwerb vieler weiterer Kompe-tenzen fördert. Die Vermittlung kulturellen Erbes fördert die Nutzung eines kulturellen und historischen Umfelds, da es auf aktivem und entdeckendem Lernen basiert; es bringt die Lernenden dazu, die Re-sultate ihrer Analysen zu diskutieren und zu überprüfen.

Die UNESCO betont die Wichtigkeit des kulturellen Erbes. Alle teil-nehmenden Staaten sind darum bemüht, “unter Einsatz aller geeig-neten Mittel, insbesondere durch Erziehungs- und Informationspro-gramme, die Würdigung und Achtung des in den Artikeln 1 und 2 bezeichneten Kultur- und Naturerbes durch ihre Völker zu stärken“. Sie verpflichten sich, die Öffentlichkeit über die diesem Erbe drohen-den Gefahren und die Maßnahmen auf Grund dieses Übereinkom-mens umfassend zu unterrichten. (Artikel 27 der Konvention zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt, http://whc.unesco.org/en/conventiontext )

Das ist der Teil des kulturellen Erbes als solches. Aqueduct fördert da-rüber hinaus auch die Vermittlung von kulturellem Wissen als einen

Motor, um eine Reihe von Kernkompetenzen im Sinne des Lebens-langen Lernens zu entwickeln. Im Folgenden einige Beispiele wie die Vermittlung kulturellen Erbes zur Entwicklung wichtiger Kompeten-zen beitragen kann.

Die Vermittlung kulturellen Erbes fördert den Spracherwerb Muttersprache und Fremdsprachen sind Teil unseres kulturellen Er-bes. Gleichzeitig sind sie das Mittel, das uns über unser Erbe reflektie-ren und kommunizieren lässt. Die Möglichkeiten, Synergien zwischen der Vermittlung kulturellen Erbes und den Schlüsselkompetenzen zu schaffen, sind zahlreich und oft auf den ersten Blick erkennbar. Sprachen sind selbst Teil des Erbes und Instrument der Vermittlung. Darüber hinaus sind sie aber auch der Code in dem unsere Bücher, Akten, Geschichten, Inschriften, Theaterstücke, Lieder, Gedichte etc. verfasst sind.

Sie fördert wissenschaftliche und technische FähigkeitenZum kulturellen Erbe gehört auch die Technik, die der Mensch seit Anbeginn entwickelte. Es offenbart uns wie der Mensch ver-suchte, die Natur zu verstehen und zu kontrollieren. Es zeigt, wie wir lernten, unser Wissen für unsere Zwecke zu nutzen, wie wir Ressourcen nutzen, durch unsere Technik, unsere Aktivitäten zu Hause oder in der Arbeit. Wissenschaft und Technik sind in unsere Kultur eingebettet. Gleichzeitig sehen wir, dass es schwierig ist, unsere jungen Menschen dazu zu motivieren in diesen Bereichen zu studieren oder zu arbeiten und sich in diesen Themengebieten weiterzuentwickeln. Die Vermittlung kulturellen Erbes kann hier einen persönlichen Zugang schaffen. Das Erbe wird so zur “an-gewandten Wissenschaft”, die es zu enträtseln gilt. Die Wissen-schaft wird zum Feld der EntdeckerInnen, die Technik zum Ort der ErfinderInnen, durch die SchülerInnen motiviert werden könnten, in ihre Fußstapfen zu treten.

Atomium Brüssel

Weltkulturerbe Kinderdijk, Niederlande (Photo: Jaap van Lakerveld)

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Sie stärkt die Entwicklung persönlicher und sozialer Fähig-keitenAuch zwischenmenschliche, interkulturelle, soziale und Bürger-kompetenz sind tief in unserem kulturellen Erbe verwurzelt. Reli-gion, Tradition und die schiere Notwendigkeit des Lebens formten unser Ansichten und Gewohnheiten in diesen Bereichen. Wenn wir diese Ansichten und Gewohnheiten auch jenseits der Grenzen Europas erforschen und analysieren, kann dies zu unserem gegen-seitigen Verständnis beitragen, neue Rituale, Normen, Gewohn-heiten, Traditionen und Werte hervorbringen sowie grundlegende und praktische Wege aufzeigen, die uns darin unterstützen, unse-re Rolle als BürgerInnen in unserer Gesellschaft wahrzunehmen.

Sie fördert UnternehmertumManche Länder entwickelten sich und florierten durch Handel und Gewerbe. Unternehmertum war und ist der Motor vieler Na-tionen. Die Vermittlung kulturellen Erbes kann gute Beispiele für Unternehmertum in der Vergangenheit näher bringen. Gleichzei-tig fördert Handlungslernen, das die Vermittlung kulturellen Erbes und das Erlernen von Kompetenzen impliziert, Unternehmertum. Lernen wird zur Initiative, zur Entdeckung und zur Auseinander-setzung mit Menschen und Dingen. Dieser Ansatz eignet sich viel besser um Unternehmertum zu vermitteln, als der klassische Unterricht mit dem Fokus auf Wissenstransfer und passiver Auf-nahme.

Sie regt die kulturelle Ausdrucksfähigkeit anDie kulturelle Ausdrucksfähigkeit bringt die kreativen und fanta-sievollen Seiten des Lernens hervor. Sie ist nicht nur eine eigen-ständige Kompetenz, sondern steht auch in Beziehung zu allen anderen Kompetenzen. Allerdings sind andere Formen der Ver-mittlung notwendig, wenn das Lernziel die Ausdrucksfähigkeit ist. Die Bewertung geschieht durch eine nicht ergebnisorientierte Evaluierung. Die Vermittlung kulturellen Erbes zeigt Beispiele gu-ter Praxis und bietet Techniken und Anregungen zur Vermittlung.

Aus diesem Grund muss sich die Vermittlung des kulturellen Er-bes zwischen der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und Zukunftsvisionen positionieren. Wie Historiker zu sagen pflegen, Geschichte offenbart nicht die Lehren der Zukunft und hilft uns auch nicht, sie vorherzusagen. Das kulturelle Erbe kann uns ins-pirieren, und uns anregen gewisse Mechanismen und die Unvor-hersehbarkeit der Zukunft und der Natur zu verstehen. Gedichte, Skulpturen, das Schreiben von Liedern, Singen, Tanzen, Musik, Stoffe und Design sind ein paar Beispiele, die dabei helfen kön-nen, diese Kompetenzen zu entwickeln.

Sie unterstützt das Lernen mit neuen Medien und Lernen lernenDie Vermittlung kulturellen Erbes bietet Lernenden ein ideales Umfeld um eigene Lernwege zu beschreiten, indem es sie ihre eigene Herangehensweise und die für sie geeigneten Mittel wäh-len lässt. Diese Lernwege und die Demonstrationsphasen im Lern-prozess erfordern auch Computerkompetenz und die Fähigkeit Lernen zu lernen.

Die Vermittlung kulturellen Erbes kann die Entwicklung von all den eben erwähnten Kompetenzen fördern und zu deren Erwerb beitragen. Die Vermittlung kulturellen Erbes hat aber auch ihre ganz eigenen Ziele und Prioritäten. Würden wir die Vermittlung nur auf das, was sie zu den allgemeinen Kernkompetenzen bei-trägt reduzieren, würde nur etwas Vages, ohne richtigen Inhalt zurückbleiben, das nicht den eigentlichen Anforderungen ent-spricht. Es wäre nur mehr ein Instrument, das anderen Zielen dient. Das entspricht nicht dem, was wir im Aqueduct-Projekt er-reichen wollen. Letztlich ist es die Herausforderung eine qualitativ hochwertige Vermittlung kulturellen Erbes zu entwickeln, die zum optimalen Erwerb europäischer Schlüsselkompetenzen beiträgt. Im Aqueduct-Projekt stehen die transversalen Schlüsselkompeten-zen im Mittelpunkt, die nicht einer bestimmten Disziplin oder ei-nem bestimmten Bereich zugeschrieben werden können. Zu den transversalen Schlüsselkompetenzen gehören: • Soziale und Bürgerkompetenz• Eigeninitiative und unternehmerische Kompetenz• Kulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeit• Lernen lernen

Wir haben den Ausdruck „Kompetenz“ bis jetzt sehr häufig ver-wendet. Es ist nun an der Zeit, näher zu erklären, was eigentlich mit „Kompetenz“ und kompetenzorientierter Vermittlung ge-meint ist.

kulturelle Ausdrucksfähigkeit (Foto: Jaap van Lakerveld)

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DieDefinitionvonKompetenzen

Kompetenzen, wie sie von der Europäischen Kommission und Bil-dungsexpertInnen in und außerhalb Europas definiert wurden, setzen sich aus folgenden Komponenten zusammen, die auch in Wechsel-beziehung zueinander stehen.

a. die Wissenskomponente (Verstehen)b. die Verhaltenskomponente (das ganze sichtbare Verhaltensreper-

toire) c. die Wertkomponente (Werte, Glaube und Einstellungen)

Kompetenzen umfassen eine Mischung aus Fähigkeiten, Wissen, Einstellungen und Verhaltensweisen, die für eine effiziente Leistung bei einer realen Aufgabe oder Aktivität erforderlich sind. Kompetenz wird als die holistische Synthese all dieser Komponenten definiert. Auf einer weiteren Ebene kann Kompetenz in drei Komponenten oder Aspekte unterteilt werden. Es ist die Fähigkeit einer Person:

1. ein bestimmtes Verhalten in2. einem bestimmten Kontext und mit3. einer bestimmten Qualität zu zeigen.

Das ist die formale Definition von Kompetenz. Man kann dies aber auch unkomplizierter beschreiben. Das was zählt, ist nicht nur, was wir über eine bestimmte Sache wissen, sondern das, was wir mit diesem Wissen tun können und ob wir mit diesem Wissen unsere Fähigkeiten weiterentwickeln können. „Macht Bildung Lernende sachkundig oder kompetent?“ Das ist die Frage.

Die Kompetenzkomponenten Die Ellipse in der Mitte des Diagramms zeigt die eigentliche Leistung einer Person, die darüber Aufschluss gibt, inwiefern sie/er eine be-stimmte Kompetenz entwickeln konnte. Die Komponenten im lin-ken Dreieck ermöglichen es einer Person das intendierte Verhalten im rechten Dreieck zu zeigen. Hier zeigen Lernende ihre erworbene Kompetenz.

Kompetenzen des Lebenslangen LernensDas Europäische Parlament, die Europäische Kommission und der Europarat einigten sich auf acht wichtige Schlüsselkompetenzen für Lebenslanges Lernen. Im Aqueduct-Projekt konzentrieren wir uns auf vier. Wie schon eingehend in diesem Kapitel erwähnt, umfasst das die soziale und Bürgerkompetenz, Eigeninitiative und Unternehmer-tum, Kulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeit und Ler-nen lernen.

KompetenzorientierteVermittlungundKompetenzorientiertesLernen

In diesem Abschnitt bewegen wir uns von allgemeinen Ideen dar-über, was Kompetenzen ausmacht zum spezifischeren Gebiet der kompetenzorientierten Vermittlung kulturellen Erbes. Wir haben das Konzept von kulturellem Erbe und der Vermittlung kulturellen Erbes bereits umrissen. Die Vermittlung kulturellen Erbes kann ein Motor zur Entwicklung von Schlüsselkompetenzen sein, die die EU Kommission zum Kernstück ihres Lebenslangen-Lernen-Programms erklärte. Die Beziehung zwischen kultureller Vermittlung und Kom-petenzentwicklung ist eine wechselseitige. Die Kulturvermittlung kann von einem Kompetenzansatz profitieren und wenn dieser An-satz Anwendung findet, werden Lernende Schlüsselkompetenzen erwerben.

Kompetenzorientiertes Lernen und kompetenzorientierte Ver-mittlung basieren nicht auf klassischen Formen des Unterrichts. Sie basieren auf der Idee, dass Lernende aus eigenen Erfahrungen und Entdeckungen lernen. Dieses Konzept hat große Auswirkung auf die Art der Vermittlung. Die Idee ist, dass Lernende in Lernsi-tuationen aktiv werden. Am besten lernen sie in Kontexten, die eine Bedeutung haben, durch Kooperation, Interaktion mit an-deren und ihrer Umwelt. So befähigen sie sich selbst, Wissen zu erwerben und zu konstruieren, ihre neu konstruierten Ideen zu überprüfen und mit denen anderer zu vergleichen. Das negiert natürlich nicht die Wichtigkeit der Vermittlung. Es betont, wie entscheidend es ist, dass bei der Vermittlung stark auf Lernende eingegangen wird und sie in den Mittelpunkt stellt, ohne dabei zu

2.2 Kompetenzorientierte Vermittlung und Kompetenzorientiertes Lernen

Fähigkeiten Verhalten

Wissen Kontext

Werte, Glaubens-haltungen, Affekte, Ein-stellungen

Qualität

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vergessen, ihnen neue Horizonte und Perspektiven zu zeigen und ihnen Freude an Dingen zu vermitteln, die sie noch nie in ihrem Leben gehört haben.

Die wichtigsten Merkmale kompetenzorientierter VermittlungKompetenzorientiertes Lernen verlangt einen Bildungsansatz, der sich von traditionellen Formen des Unterrichtens unterscheidet. Bei der kompetenzorientierten Vermittlung wird die Wichtigkeit res-sourcenreicher und aufregender Lernumgebungen betont, die die Lernenden dazu befähigen, sich auf einen bedeutungsvollen Lern-prozess einzulassen. Die charakteristischen Merkmale dieses Zugangs werden im Folgenden erklärt:

• Sinnvolle Lernumgebungen und KontexteDamit Lernen stattfinden kann, wird Lehrenden/PädagogInnen empfohlen, sinnvolle Lernumfelder zu kreieren oder zu suchen, in denen die Lernenden die Relevanz von Kompetenzen erfahren und diese auf natürliche Art und Weise erwerben.

• Multidisziplinärer AnsatzKompetenzen sind ganzheitlich, daraus resultiert, dass auch der An-satz der Vermittlung ein integrativer und ganzheitlicher sein muss.

• Konstruktives LernenDie Philosophie kompetenzorientierter Vermittlung hat ihre Wur-zeln im Sozialkonstruktivismus, der unsere Ansichten über das Lernen heutzutage förmlich durchdringt. Lernen wird als ein Pro-zess begriffen, das eigene Wissen in Interaktion mit der Umwelt zu kreieren und nicht nur das Wissen aufzunehmen, das andere vermitteln. Daraus ergibt sich, dass der Lernprozess konstruktiv sein sollte. Indem man sich darauf konzentriert Modelle, Pro-dukte, Richtlinien, Faustregeln, Berichte oder andere greifbare Ergebnisse zu konstruieren, wird auch der Lernprozess auf einfa-che Weise ein konstruktiver. Im Gegensatz dazu stehen Lernpro-zesse, die sich auf die Verarbeitung von Informationen konzent-rieren, nachdem die Anwendung von Wissen längst passiert ist.

Vermittlung kulturellen Erbes in Polen (Foto: Aleksandra Rzońca)

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• Kooperatives, Interaktives Lernen (mit Gleichaltrigen, Lehren-den und Vermittlern kulturellen Erbes)Die Grundidee der kompetenzorientierten Vermittlung ist es, Ler-nende darin zu unterstützen, ihr eigenes Wissen zu entwickeln und zu konstruieren und Wege zu finden, wie sie die Kompetenz anderer Menschen optimal für ihr eigenes Lernen nutzen können. Darum geht es im Sozialkonstruktivismus. Kooperation und Inter-aktion sind Lernfelder, aber auch Mittel des Lernens in anderen Bereichen. Wenn Lernen ein selbst initiierter, selbst regulierter Prozess sein soll, an dessen Ende die Entwicklung persönlicher Kompetenzen steht, muss der Vermittlungsansatz unterschiedli-che Bedürfnisse und damit auch unterschiedliche Ziele und Ergeb-nisse erlauben. Das erfordert einen offenen Zugang, bei dem die Vermittlung auch den Dialog zwischen Lernenden und Lehrenden über Erwartungen, Bedürfnisse, Ziele, Wahlmöglichkeiten etc. ein-schließt.

• Entdeckendes LernenIm Gegensatz zu rezeptivem Lernen erfordern offene Lernprozes-se, dass Lernen als aktive Entdeckung gestaltet wird. Das bedeutet nicht, dass keine Lerninhalte zur Verfügung gestellt und zugäng-lich gemacht werden müssen. Es meint allerdings, dass die Art wie dieses Wissen oder diese Kompetenzen erworben werden, nicht nur durch die Bereitstellung von Informationen geschieht, sondern immer auf dem eigenen Entdecken basieren sollte.

• Reflexives Lernen Kompetenzorientiertes Lernen erfordert neben dem Fokus auf die Schlüsselkompetenzen, auch die Schwerpunktsetzung auf Lernprozesse als solche. In dem man die eigenen Bedürfnisse, die eigene Motivation, Ansätze, Fortschritte, Resultate reflek-tiert, entwickelt man Lernkompetenz, die als Meta-Kompetenz oder transversale Schlüsselkompetenz betrachtet werden kann. Diese Kompetenz wird üblicherweise als „Lernen lernen“ be-zeichnet.

• Personalisiertes LernenIn Theorien über kompetenzorientiertes Lernen wird Lernen als ein Prozess gesehen, bei dem man persönliches Wissen und per-sönliche Kompetenzen konstruiert. Informationen, Wissen und Strategien sind für einen Menschen nur dann von Bedeutung, wenn sie ein integraler Teil seines eigenen Wissens und seiner ei-genen Kompetenzen werden. In der Vermittlung bedeutet das, dass Lernende in der Lage sein müssen, sich mit den Kontexten, den Menschen, den Situationen zu identifizieren, die in der Lern-umgebung vorhanden sind.

Aktives Lernen in einer realen Situation, in der man eine einzigartige und wertvolle Rolle spielt, macht den Lernprozess lohnend und führt zu Ergebnissen, die in vielen anderen Kontexten nützlich sind. Der Prozess des Erwerbs von Kompetenzen besteht aus drei wichtigen Elementen: Motivation, Erfahrung und Reflexion. Kompetenzorien-tierte Vermittlung bedeutet „learning by doing“. Wenn Sie möchten, dass die SchülerInnen mehr über Architektur lernen, halten Sie ihnen keinen Vortrag darüber, sondern lassen Sie sie selbst Gebäude bauen und entwerfen!

Wenn Sie wollen, dass sie mehr über die Arbeiten von Malern lernen, geben Sie ihnen nicht nur Informationen, sondern lassen Sie sie ma-len, lassen Sie sie das Objekt wählen, das sie gerne malen möchten, geben Sie ihnen professionelles Feedback über ihre Wahl. Erzählen Sie ihnen, welche Bilder möglich oder nicht möglich sind in der Zeit, in der ein bestimmter Maler lebte. Lassen Sie sie über ihre Erfahrun-gen erzählen, wie sie zu ihrer Entscheidung gelangt sind und über ihre Produkte.

Ein Moment der Reflexion (Foto: Jaap van Lakerveld)

Auf den Spuren von Wojciech und Aneri Weiss, auf Seite 49 dieses Handbuchs. (Foto: Iwona Niedźwiedź)

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Wenn Sie möchten, dass Ihre SchülerInnen mehr über unsere indus-trielle Vergangenheit lernen, besuchen Sie mit Ihnen alte Fabriken. Lassen Sie sie erfahren, wie die Menschen früher lebten und arbeite-ten, lassen Sie sie die damaligen Verhältnisse erfahren, indem Sie sie in die Geschichten aus dem industriellen Zeitalter eintauchen lassen.

Das alles sind Beispiele für kompetenzorientierte Aktivitäten, in de-nen die Lernenden durch das eigene Tun, eigene Erfahrungen und durch die Reflexion über das Erfahrene und ihre Produkte lernen. Da der kompetenzorientierte Ansatz ein aktiver ist, müssen die Schüle-rInnen selbst tätig werden, selbst etwas produzieren und ihre Kompe-tenz und die Entwicklung ihrer Kompetenz über den gesamten Lern-prozess demonstrieren. Die Selbstreflexion und die Reflexionen der anderen über den Fortschritt sind integraler Teil der Lernerfahrung, an deren Ende die Demonstration des erreichten Kompetenzlevels steht, das kann eine Präsentation, ein Produkt, ein Theaterstück, ein Sketch, ein Design und vieles mehr sein. Der kompetenzorientierte Ansatz basiert nicht auf einer einzelnen Strategie. Innerhalb dieses Ansatzes sind viele Methoden möglich. Im Abschnitt 2.3 werden ei-nige davon besprochen.

GesellschaftlicheArgumentefürkompetenzorientierteVermittlung

Die Herausforderungen der GlobalisierungDurch die Globalisierung erfahren die Wirtschaftssysteme der west-lichen Welt große Veränderungen. Multi-nationale Firmen schieben Arbeitsplätze quer über den Globus, je nachdem, wo sie die besten Ressourcen und die billigsten und effizientesten Arbeitskräfte finden. Die Industrie bewegt sich Richtung Osten und hinterlässt in Folge zahlreiche Arbeitslose, die nie mehr in ihrem Beschäftigungsfeld tä-tig sein werden. Sie müssen sich neue Fähigkeiten, Kompetenzen und Fachwissen aneignen und so zu lebenslang Lernenden werden. Wenn Europa seine Stellung als Wirtschaftsmacht nicht verlieren möchte, den Sozialstaat und die Stabilität erhalten will, dann muss es für einen hohen Bildungsstandard sorgen und darüber hinaus Kon-texte schaffen, die Lebenslanges Lernen und Entwicklung möglich machen. Wir brauchen Bildung, die die Menschen darin unterstützt, ihre Talente und Ressourcen bestmöglich zu entwickeln. Bildung muss zur persönlichen Entwicklung und Entfaltung beitragen und soll jeden Einzelnen/jede Einzelne dazu befähigen, zu UnternehmerInnen des eigenen intellektuellen Kapitals zu werden.

Die Herausforderungen europäischer Gesellschaften Westliche Gesellschaften basierten lange Zeit auf einem Wertekon-sens. Das ist nicht mehr der Fall. Die Gesellschaften sind heterogener als jemals zuvor. Es leben nicht nur nur Menschen aus verschiedenen Kulturkreisen zusammen, auch die Art zu leben ist innerhalb einer Kultur nicht mehr homogen. Wir sind mit sich verändernden Fami-lien- und Arbeitsprofilen konfrontiert, die Lernen und Schule stark beeinflussen. Darüber hinaus scheint man in Sachen Bildung keine gemeinsames Ziel zu verfolgen. Hunderte von Jahren wurden Kinder

dahingehend erzogen, gehorsam und diszipliniert zu sein. Heutzuta-ge denken Eltern in Richtung Empowerment, Eigeninitiative, Eigen-verantwortung und kritisches Denken.

Auch die neuen Medien brachten eine große Veränderung: Der Zu-gang zu Informationen ist nicht mehr auf das Lesen von Büchern beschränkt sondern ist, vorausgesetzt man besitzt einen Fernseher, einen Computer oder ein Radio, allen zugänglich. Es braucht jedoch Verarbeitung und Aufbereitung, um Informationen in Wissen zu ver-wandeln. Damit werden wir jedoch über weite Strecken allein gelas-sen. Wie Axel Grychta es formulierte: “Mit Neuigkeiten überschüttet, aber zu wenig informiert.” Zuviel Information kann uns abstumpfen, weil das menschliche Gehirn nicht in der Lage ist, damit umzugehen.

Herausforderungen für SchulenSchulen hatten immer eine klare Mission. Sie unterstützten die wirt-schaftlichen Gesellschaften, deren Teil sie waren. Gesellschaften hat-ten eine klare Vorstellung davon, was sie an die nächste Generation weitergegeben wissen wollten und formulierten dies in nationalen Lehrplänen. Jugendliche brauchten Disziplin, Wissen und Fähigkei-ten. Sie sollten in der Schule lernen, sich für ihre Karrieren zu quali-fizieren.

Hunderte von Jahren waren Schulen an Lerninhalten orientiert. Schü-lerInnen gingen zur Schule, weil sie etwas von ihren Lehrenden ler-nen wollten. Die LehrerInnen lieferten den Input und erwarteten von SchülerInnen zu lernen und den Inhalt zu Hause zu wiederholen. Das Ergebnis war, dass SchülerInnen reproduzieren konnten, was der/die Lehrende ihnen gesagt hatte. In diesem Modell wurde dem Lernpro-zess kaum oder gar keine Beachtung geschenkt. Das Ergebnis ist Wis-sen, das hauptsächlich auf Reproduktion basiert.

Diese Situation hat sich in vielerlei Hinsicht verändert. Zum einen wur-de immer unklarer, was Inhalt von Lehrplänen sein solle. Niemand kann heute sagen, was Menschen in 15 Jahren wissen oder können müssen. Darüber hinaus ist Wissen ganz einfach über das Internet zugänglich und stellt Schulen vor neue Herausforderungen. Lehrende haben ihr Monopol als WissensvermittlerInnen verloren. Das bedeu-tet, dass Schulen- sowohl Lehrende als auch SchülerInnen- darauf vorbereiten sein müssen lebenslang Lernende zu sein. Aber auch das Ergebnis des alten Modells genügt nicht länger. Von Menschen mit Schulabschluss wird heute nicht nur erwartet, dass sie sich genügend Wissen aneigneten, sondern auch, dass sie in der Lage sind zu for-schen, zu recherchieren, im Team zu arbeiten, in multikulturellen Ge-sellschaften zu leben, emotionale Kontrolle besitzen, offen für Neues sind – all das ist eine Mischung aus Wissen, Einstellungen und Fähig-keiten, in anderen Worten: Kompetenzen. SchülerInnen zu motivie-ren und darin zu unterstützen, sich diese Kompetenzen zu erwerben ist die neue Herausforderung für Schulen. Um das zu erreichen, muss der Lernprozess nicht nur Wissen sondern auch Haltungen und Fä-higkeiten (Kompetenzen) umfassen. Lernen muss eine freudige und lohnende Erfahrung sein, damit Lernende gerne lebenslang Lernende

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werden. Lernende müssen neue Einblicke in den Prozess und die Ziele ihres eigenen Lernens bekommen. In anderen Worten: Sie müssen Schlüsselkompetenzen erlangen.

Die Herausforderungen für die Vermittler kulturellen ErbesUnser Erbe ist eine immer größer werdende Sammlung aus wert-vollen Dingen unserer gemeinsamen Geschichte. Deshalb braucht es immer mehr Zeit, Energie und Geld um das zu erhalten, was wir als wertvoll erachten. Für Vermittler kulturellen Erbes wird es immer schwieriger Menschen, zu erreichen und sie zu inspirieren. Einige setzten auf Unterhaltung, andere versuchen einen stärkeren päda-gogischen Ansatz. Sehr oft liegt der Schwerpunkt auf dem Erbe als solches, auf dessen Wert Menschen aufmerksam gemacht werden sollen. Die Herausforderung, die wir für Vermittler kulturellen Erbes sehen, ist es, Synergien mit anderen Sektoren zu schaffen, im Falle des Aqueduct-Projekts mit dem Bildungssektor. Wir appellieren für eine Bündelung der Kräfte. Vermittler kulturellen Erbes stellen einen ressourcenreichen, bedeutungsvollen Kontext zur Verfügung, der Kinder und Lehrende anregen kann. LehrerInnen können dieses kul-turelle Umfeld in eine Lernumgebung verwandeln, die ideal für den Erwerb von Schlüsselkompetenzen ist. Dadurch gewinnt der histo-risch-kulturelle Kontext an Bedeutung und bekommt für Lernende

einen Wert. Ihr Interesse wird geweckt, sie werden gerne mehr über dieses Erbe erfahren wollen, und kreativ darüber nachdenken wie sie ihre neu entwickelten Kompetenzen dazu nutzen können, um noch mehr aus diesem Umfeld zu lernen. Wenn sie erwachsen sind, wird der Erhalt des kulturellen Erbes größere Bedeutung für sie haben. Die größte Herausforderung wird vermutlich sein, den anfänglichen Wi-derwillen zu überwinden, das Erbe als ein Instrument zu Erreichung allgemeinerer Bildungsziele zu sehen. Wir sind aber überzeugt, dass die Lernenden längerfristig mehr über das kulturelle Erbe lernen wer-den, es mehr zu schätzen wissen und gewillter sein werden, mehr Zeit und Energie in kulturelle Aktivitäten zu investieren. Die Heraus-forderung ist, Synergien zwischen Bildungseinrichtungen und Ver-mittlern kulturellen Erbes zu schaffen.

Synergie und wechselseitige Kommunikation

(Foto: Jaap van Lakerveld)

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Das kulturelle Erbe als ein Mittel oder einen Motor zu sehen, um die Schlüsselkompetenzen des Lebenslangen Lernens zu erwerben, ist Beispiel für einen multidisziplinären, ganzheitlichen Ansatz in der Pädagogik. Diesen Ansatz finden wir in den Lehrplänen in den Be-reichen Sozialkunde, Wissenschaftliches Lernen und Religionsunter-richt. Der multidisziplinäre Ansatz spiegelt sich auch in der Methodik wider. Projekte, Themenunterricht oder Experimente könnten mög-liche Strategien sein. In den verschiedenen Fächern und Arten der Vermittlung gibt es unterschiedliche Schwerpunktsetzungen:

1. Schwerpunkt auf dem Inhalt;2. Schwerpunkt auf den Prozess des gemeinsamen Arbeitens;3. Schwerpunktsetzung auf die Lern- und Forschungsmethode;4. Schwerpunktsetzung auf Erfahrung als Mittel des Lernens.

Die Unterteilung in der oben stehenden Grafik ist eine theoretische. In Wirklichkeit sind die meisten Unterrichtsprogramme eine Mi-schung aus zwei oder sogar mehreren Ansätzen. Das Model ist aber nützlich, um vor Augen zu führen, wo die Schwerpunktsetzung pas-sieren sollte und was man weglassen könnte.

VierLernstile

Neben der Wahl des Ansatzes ist es auch sehr wichtig zu erkennen, dass der gewählte Ansatz gut oder weniger gut zum Lernstil der SchülerInnen passen kann. Kolb bietet ein sehr gutes Modell der un-terschiedlichen Lernstile. Honey und Mumfordt haben die Stile, die von Kolb identifiziert wurden, in praktischere Kategorien unterteilt.

Honey und Mumford: Der Lernzyklus / Die Typologie der Lerntypen

Menschen haben unterschiedliche Vorlieben, mit welcher Phase sie den oben dargestellten Zyklus beginnen. Aber ungeachtet dessen, wo sie einsteigen, müssen sie den gesamten Zyklus durchlaufen, um den Lern-prozess erfolgreich abzuschließen. SchülerInnen unterscheiden sich in ihrem bevorzugten Einstieg sehr stark. Befragen Sie ihre SchülerInnen über ihre Lernerfahrungen, darüber was sie als anregend oder frustrie-rend empfinden, so können Sie mehr über den individuellen Lernstil und den Lerntypus erfahren. Daraus ergeben sich Hinweise darauf, welche der folgenden Methoden am besten zu einer bestimmten Gruppe passt.

2.3 Ansätze kompetenzorientierten Lernens

Inhalt Methode

Erfahrung Prozess

WAS WIE

1KonkreteErfahrung

WHAT HOW

2Reflexive

Beobachtung

4Aktives

Experimentieren

3Abrstrakte

Konzeptualisierung

1. Der Aktivist (möchte Dinge selbst tun und erfahren)2. Der Reflexive (beobachtet und reflektiert)3. Der Theoretiker (will Gründe, Konzepte und Zusam-

menhänge begreifen) 4. Der Pragmatiker (möchte Dinge ausprobieren, um zu

sehen, ob sie funktionieren)

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Wir stellen in diesem Handbuch fünf wichtige Methoden zur kom-petenzorientierten Vermittlung von kulturellem Erbe kurz vor. Dieses Kapitel des Aqueduct Handbuchs bietet nur grundlegende Informati-onen über diese fünf Methoden. Wenn Sie gerne mehr darüber lesen würden, sehen Sie bitte in der Bibliografie auf Seite 131 nach.

• Die Storyline-Methode• Die Geleitete Entdeckung• Handlungslernen• Problembasiertes Lernen• Kooperatives Lernen

DIESTORYLINE-METHODE

Die Beschreibung der Storyline-Methode ist verglichen mit den ande-ren Ansätzen, die genauest beschriebene in diesem Handbuch. Der Grund dafür ist, dass wir die Storyline-Methode für die geeignetste halten, sie erfüllt die meisten Kriterien der kompetenzorientierten kulturellen Vermittlung. Die Storyline-Methode ist eine Methode, die den Unterricht an das aktive Lernen anpasst und von Steve Bell, Sallie Harkness und Fred Rendell am Jordanhill College of Education in Glasgow, Schottland, entwickelt wurde. Der Schwerpunkt dieser Methode liegt auf der Erfahrung, die die Identifikation mit Personen und deren Geschichten in den Mittelpunkt stellt.

Die Storyline-Methode bietet eine Struktur, um Lernerfahrungen im Klassenzimmer zu planen, je nachdem welches Wissen, welche Fä-higkeiten und Verhaltensweisen die SchülerInnen erlernen sollen. Die Methode ist für Klassen, Gruppen und einzelne Personen geeignet. Die Methode hat einen genauen Ablauf und sichert das Vorankom-men während der Auseinandersetzung mit einem Thema. Die Beiträ-ge der SchülerInnen bestimmen entscheidend, wie sich der Storyline Prozess entwickelt.

DieStoryline-Methode:LernenalsozialkonstruktivistischerAnsatz

Die Storyline-Methode beruht auf sozialkonstruktivistischen Lern-theorien, in denen Wissen als etwas Komplexes und Vielschich-tiges betrachtet wird. Lernen wird durch das Vorwissen und die Erlebnisse des Einzelnen angeleitet und Lernende konstruieren ihr eigenes Wissen durch aktives Tun und Erfahrungen. Die Methode schafft ein Lernumfeld, in dem SchülerInnen aktiv werden können. Die Aufgaben ergeben sich aus dem Kontext und daraus, was das Kind als wesentlich und sinnvoll erachtet. So kann das Kind mit-hilfe des Lernumfelds Verstehen und Kompetenzen entwickeln. SchülerInnen lernen mit- und voneinander und den Erwachsenen. Die Rolle des Lehrenden ist die eines Bildungsdesigners und Trai-ners.

Ein wichtiges Charakteristikum dieses Zugangs ist die positive Art und Weise, wie er auf den bereits bestehenden Erlebnissen und dem Vorwissen von SchülerInnen basiert und darauf aufbaut. Ebenso wichtig ist, wie sehr SchülerInnen miteinbezogen werden, auf der Ebene der Phantasie, aber auch hinsichtlich praktischer Pro-blemlösungen. Die Storyline-Methode nimmt sich eines Problems an und stellt den Kindern Fragen. Sie liefert keine Antworten auf Fragen, die Kinder nie gestellt haben. SchülerInnen und Lehrende erforschen Ideen gemeinsam. Der Zugang ist grundlegend erleb-nisorientiert und konstruktivistisch. Die Methode verdichtet den Lehrplan, indem sie das Umfeld und die Gemeinschaft zum Anreiz werden lässt, die Erleben möglich machen. Sprache und künstle-rische Aktivitäten werden genutzt, um Dinge zu diskutieren, zu beschreiben und zu erklären. Da SchülerInnen dazu ermutigt wer-den, viele verschiedene Quellen für die Suche nach Antworten und Informationen heranzuziehen, verbessert sich ihre Fähigkeit selbst zu forschen und Verknüpfungen herzustellen. Mögliche Quellen sind mündlich überlieferte Geschichten, audiovisuelle Medien, Datenbanken und Bücher, Poster und Fotografien. Während der Auseinandersetzung mit einem Thema verleihen die SchülerInnen, in visueller oder geschriebener Form ihren Ideen, Auffassungen und Reaktionen Ausdruck, durch Präsentationen im Klassenzim-mer und individuelle Portfolios. Beides kann nach Abschluss für die Nachbesprechung und die Evaluierung herangezogen werden.

Nach dem verstärkten Engagement der SchülerInnen können Er-wachsene (Eltern und ExpertInnen) auf verschiedenste Weise po-sitiv in den Prozess miteinbezogen werden - als Publikum oder ExpertInnen, die zu den Feierlichkeiten am Höhepunkt eines The-mas eingeladen werden, sie können außerschulische Aktivitäten beaufsichtigen oder dabei assistieren, im Klassenzimmer bei prak-tischen Übungen helfen oder die SchülerInnen bei Präsentationen unterstützen.

Jordanhill College

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Die Storyline-Methode ist ein holistischer Ansatz, der:

• fächerübergreifend ist, auch Informatik• zur sozialen Entwicklung von SchülerInnen und ihrer zukünftigen

Bürgerschaft in einer multikulturellen Gesellschaft beiträgt• ein sinnvolles und kommunikatives Umfeld bietet, in dem ver-

schiedene Kompetenzen erworben werden können• das Interesse, die Kreativität und die Fantasie von SchülerInnen als

wertvolle Ressource anerkennt • Lernende dazu anregt, selbst Material zu produzieren, das für zu-

künftiges Lernen und zukünftige Übungen verwendet wird • von Lehrenden geplant und gelenkt wird• Schülerinnen darin unterstützt, die Fähigkeit selbst zu forschen

und zu erkunden zu entwickeln• auf alle Lernstile von SchülerInnen zugeschnitten ist und ihre un-

terschiedliche Fähigkeiten berücksichtigt• auf dem Vorwissen von SchülerInnen aufbaut• den SchülerInnen die Möglichkeit zur Eigeninitiative bietet• flexibel und in jeder Phase und auf jedes Thema anwendbar ist.

DieStoryline-MethodealsdidaktischerRahmen

Bei der Storyline-Methode stellt die Struktur einer Geschichte den di-daktischen Rahmen dar. Grundelemente der Storyline-Methode sind: • Eine Geschichte/eine Handlung• verschiedene Episoden innerhalb der Geschichte• Schlüsselfragen• Zwischenfälle/Ereignisse• die Sichtbarmachung der Ergebnisse (Wandzeitung, Flipchart,

Overhead, Tafel, Plakat)

Der Lernprozess der Storyline-Methode beginnt damit herauszufin-den, was die SchülerInnen bereits über ein Thema wissen. Die Story-line besteht aus mehreren Episoden, die die Geschichte bis zu einem logischen Schluss vorantreiben. Zu Beginn werden die Hauptcharak-tere erfunden oder erschaffen (Hintergrundinformation, physische Merkmale, Gefühle, Beziehungen zu anderen Charakteren etc.), die in der Geschichte vorkommen sollen und der Ort (Haus, Geschäft, Touristenort etc.), wo die Geschichte spielt. Die Kinder benutzen un-terschiedliche Materialien, um sich mit den Charakteren identifizie-ren zu können. Jeder Schritt entlang der Storyline beginnt mit einer Schlüsselfrage. Schlüsselfragen sind offene Fragen, die verschiedene, vom Lehrenden gewählte, Antworten und Aktivitäten zulassen müs-sen. Der Fokus liegt auf neuen Lernerfahrungen und neuen Lerner-gebnissen. Schlüsselfragen sollten motivierend, fordernd und anre-gend sein. Die Probleme, die durch eine Schlüsselfrage angesprochen werden, sollten real sein, da sie von den Figuren in der Geschichte erlebt werden. Die Storyline wird im Klassenzimmer mittels Wand-zeitung (Overhead, Projektor, Plakat etc.) sichtbar gemacht. Die Ge-schichte ist ein dynamisches Produkt, da die Handlung erst ihren Lauf nimmt.

Lehrende sollten ihren SchülerInnen immer zuerst die Möglichkeit ge-ben, ein Thema selbst zu erkunden, um ihre bereits vorhandenen Er-fahrungen und ihr Vorwissen abzurufen, ihre Motivation und Neugier zu erwecken und sich ihre eigenen Gedanken zu machen. Danach sind Kinder viel besser in der Lage zu vergleichen und von ExpertIn-nen und aus anderen Kontexten zu lernen. An einem Storyline Thema teilzunehmen, bringt SchülerInnen dazu, gemeinsam in der Gruppe zu arbeiten, miteinander zu diskutieren, zu entwerfen und zu gestalten, eine Reihe schriftlicher Aufgaben zu erfüllen und die Informationen mündlich zu präsentieren. Während der verschiedenen Aktivitäten besprechen SchülerInnen und Lehren-de die Qualitäts- und Erfolgskriterien, die herangezogen werden, um die Arbeiten der SchülerInnen zu evaluieren. Die Arbeiten können nicht nur von jedem/jeder selbst bewertet werden sondern auch von Gleichaltrigen, Lehrenden und ExpertInnen.

Kurz die einzelnen Schritte einer Storyline:(Zum Beispiel: Wie bereitete man sich im Mittelalter für einen Kreuzzug nach Jerusalem vor?) Stellt das Erleben in den Mittelpunkt durch die Identifikation mit Personen und deren Geschichte

1. Finden Sie heraus, was die SchülerInnen über das Thema be-reits wissen

2. Wählen Sie eine Geschichte (relevant, ansprechend, heraus-fordernd, Charaktere mit Identifikationspotential)

3. Suchen Sie nach Verknüpfungen im Lehrplan und zu den EU Schlüsselkompetenzen

4. Wählen Sie Schlüsselfragen aus oder eine Aufgabe, die mit der Geschichte zu tun hat

5. Entwerfen Sie den Lernprozess (Storyline Format, Storyline, Schlüsselfragen, Aktivitäten, Organisation, Material und Er-gebnisse)

6. Entwerfen Sie die Storyline7. Arbeiten Sie die Schlüsselfragen und ergänzende Fragestel-

lungen aus8. Organisieren Sie die Aktivitäten und erstellen Sie einen Zeit-

plan9. Wählen Sie Objekte und Quellen aus, erstellen sie das Mate-

rial; Dokumentation; audiovisuelle Medien10. Beschreiben Sie die geplanten Ergebnisse und entwickeln sie

Werkzeuge zur Bewertung derselben

Elemente der Storyline Methode finden sich in den Projekten Die Abtei Vlierbeek und Lukas von Leyden und seine Zeit.

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DIEGELEITETEENTDECKUNG

Die Geleitete Entdeckung ist ein alternativer Zugang zur Storyline-Methode. Klassisch basieren Lernprojekte auf vier Phasen:

• Motivation: Der/die Lernende oder der/die Lehrende definieren das Thema des Projekts.

• Brainstorming: Lernende planen den Verlauf ihrer Arbeit, die Gruppe, die Aktivitäten, die Information und der Zeitplan, in dem sie arbeiten werden.

• Aktion: Die Lernenden arbeiten an ihrem Projekt. • Präsentation: Die Lernenden präsentieren das Ergebnis ihrer Ar-

beit.

Vier Formen der Projektarbeit können unterschieden werden:

• Projektarbeit zu sozial relevanten Themen oder Problemen. Es be-steht eine Verbindung zwischen der Gesellschaft, der Realität und/oder aktuellen Gegebenheiten. Typische Projektthemen sind ‘Di-versität’, ‘Umwelt’, ‘Migration’, ‘Unternehmertum’, ‘Demokratie’ und ‘Staatsbürgerschaft’.

• Ziel dieser Projekte ist es, die Kreativität der Lernenden anzuregen. Die Kinder arbeiten aktiv, interaktiv, und unabhängig.

• Multidisziplinäre, fächerübergreifende Projekte mit Fokus auf Ko-operation. Lehrende, Klassen, Schulen und/oder Organisationen arbeiten zusammen und schaffen Synergien.

• Prozessorientierte Arbeit in Projekten. Standpunkte zu entwickeln wird oft als ein wichtiges Ziel gesehen.

Diese Formen der Projektarbeit erfordern ein fruchtbares Lernumfeld. Um Schlüsselkompetenzen durch kulturelles Erbe zu erwerben, muss der Lernende im Mittelpunkt stehen. Folgende Kriterien sollten nicht außer Acht gelassen werden:

• Lernenden und Lehrenden sind gleichberechtigt und lernen von einander.

• Die Lernenden haben die Möglichkeit und die Verantwortung ihre eigenen Lernziele festzulegen.

• Der Schwerpunkt liegt auf den persönlichen Erfahrungen, Vorstel-lungen und Interessen der Lernenden.

• Die Lernenden geben das Ausmaß der Kooperation vor. Ein Pro-jekt ist nie nur ein individueller Prozess, es bedarf in den verschie-denen Phasen immer einer Interaktion zwischen dem/der Lernen-den, der lehrenden Person und den Vermittlern kulturellen Erbes. Allerdings müssen die SchülerInnen in bestimmten Phasen auch die Möglichkeit haben, alleine zu lernen.

• Die Lernenden arbeiten mit unterschiedlichen Materialien: Unter-schiedlichen Quellen und Formen des kulturellen Erbes.

• Die Lernenden können unterschiedliche Aktivitäten, Wege oder Herausforderungen wählen, entsprechend ihrem Interesse, Lern-stil und ihren Fähigkeiten.

• In den unterschiedlichen Projektphasen werden unterschiedliche

Methoden und Strategien der Reflexion angeboten. Die eigenen Erfahrungen, Entscheidungen und Handlungen sind essentiell für kompetenzorientiertes Lernen.

• Die Arbeitsaufträge, die es zu erfüllen gilt, sind offen. Das bedeu-tet, dass die Ergebnisse, die Produkte und Resultate sehr unter-schiedlich sein können.

Die Geleitete Entdeckung bietet einen idealen Rahmen, um ein offenes Lernumfeld zu schaffen, in dem Lernende wirklich Ver-antwortung tragen und eigene Entscheidungen treffen können. Die fünf klassischen Phasen des Projektunterrichts werden, ent-sprechend dem kompetenzorientierten Ansatz, neu interpretiert und definiert.

1.KonfrontationundFragestellung

In dieser Phase werden die Lernenden mit einem Problem konfron-tiert: einem Fall, ein oder mehreren Fragen oder einer Suche. Die Konfrontation kann verschiedene Formen annehmen: Geschichten, Exkursionen, Bilder, Cartoons, Theater, Musik, Gemälde, Tanz etc. Sie kann aber auch klassisch passieren. Man kann dieser Phase mit dem kulturellen Erbe arbeiten. Es ist aber wichtig, dass die Konfrontation viele verschiedene Fragen aufwirft.

In jeder Phase ist die Reflexion die wichtigste Übung. Lernende soll-ten sich über die Fragen, die die Konfrontation aufwirft, Gedanken machen. In dieser Phase definieren die Lernenden ihre Lernziele. Was wollen sie untersuchen, was erscheint ihnen interessant? Vielleicht machen sie bereits Bekanntschaft mit den transversalen Schlüssel-kompetenzen. Das muss aber noch nicht sein. Darüber hinaus ist es ratsam, die Arbeitsgruppen in Paare zu teilen. Trotzdem sollte es möglich sein, auch alleine zu arbeiten. In welchem Ausmaß Koope-ration stattfindet, hängt von der Gruppe, dem Inhalt, dem Alter und dem Lernstil ab.

Der Stadtplan von Kazimierz. Eine jüdische Stadt in Krakau, Polen (Foto: Ingrid Gussen)

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2.Input

In dieser Phase begegnen die Lernenden verschiedenen Formen kulturellen Erbes und unterschiedlichen Quellen. Sie bekommen ab-wechslungsreichen Input. Der Lehrende bietet verschiedene Möglich-keiten an, wie sich die Lernenden selbst mehr über einen Aspekt eines Themas oder ein Unterthema beibringen können. Der Input ist multidisziplinär. Die Wege, Aktivitäten und Erfahrungen unterschied-lich. Sie könnten Folgendes beinhalten:

• historische, geografische, biologische, chemische, mathemati-sche, linguistische Recherchen etc.

• politische, soziale, kulturelle, religiöse, ökonomische, ökologische Ansätze etc.

• mehr kunst- oder mehr theorieorientiert • mehr objektive oder persönlich relevante Information suchend

Idealerweise werden auch verschiedene Aktivitäten für die Unterthe-men angeboten. Jeder Aspekt, jede Form des kulturellen Erbes oder Lernquelle kann miteinander verknüpft werden, auch mit jeder ande-ren Aktivität, die der Gewinnung von Informationen dient. Lernende

können verschiedene Orte besuchen und an unterschiedlichen Akti-vitäten teilnehmen. Zum Beispiel:

• Informationen suchen.• Spiele spielen oder ein Quiz. • Lernende können Geschichten erfinden, erzählen oder hören.

Es ist nicht wichtig, dass jeder/jede Lernende an allen Aktivitäten teil-nimmt oder alle Wege verfolgt. Er/Sie kann selbst entscheiden. Das bedeutet, dass jeder/jede Lernende seinen/ihren eigenen Weg ver-folgt, um an Informationen zu gelangen. LehrerInnen schlagen nur verschiedene “Lernwege” und Perspektiven vor.

Die sogenannte Puzzle-Methode, Gruppenpuzzle oder im Englischen „jigsaw- method“ erscheint in diesem Zusammenhang interessant. Bei der Puzzle-Methode bilden die Lernenden eine Gruppe, in der jeder/jede Einzelne autonom lernt. In der nächsten Phase bringen sie ihre Erfahrungen und Ergebnisse zusammen und erweitern so ihre Erkenntnisse.

3.ZieleundAktivitätendefinieren

Die Lernenden reflektieren verschiedene Erfahrungen, die sie mach-ten. Das kann in der bereits geformten Gruppe aus Phase eins (Puzz-le) stattfinden, aber auch mit allen gemeinsam oder individuell. In jedem Fall erfolgt die Reflexion in folgenden Schritten:

• Die Lernenden erzählen über ihre Aktivitäten in Phase 2 und beto-nen die wichtigsten Erfahrungen.

• Die Lernenden schauen auf die Fragen, die sie in Phase 1 stellten.• Die Lernenden entscheiden über die Lernziele, die sie in der nächs-

ten Phase erreichen wollen. • Die Lernenden lernen (einige) transversale Schlüsselkompetenzen

kennen.• Die Lernenden entscheiden, wie sie ihre Ziele erreichen wollen

und wie sie die Probleme oder Fragen aus Phase 1 lösen wollen.

Wieder können die Resultate sehr unterschiedlich sein. Meistens werden die SchülerInnen an einem Produkt, einem Tagebuch oder einem Log arbeiten oder irgendeinem Produkt, das ihre Kompe-tenz zum Ausdruck bringt. Es ist wichtig, dass die Lernenden aktiv sind und mehrere Optionen haben: die Art der Aktivitäten und die Ergebnisse können unterschiedlich ausfallen. Es ist wichtig, dass die Lehrenden verschiedene Vorschläge machen. Die Wahl trifft der Lernende, aber die Entscheidung sollte mit den Zielen, die zu Beginn gesetzt wurden, verknüpft sein. Auch die Aktivitä-ten, individuell oder in der Gruppe, können unterschiedlich sein, was den Inhalt betrifft, aber auch in der Schwerpunktsetzung, ob Kunst oder Theorie, Geisteswissenschaften oder Naturwissenschaf-ten. Darüber hinaus kann auch der Ablauf der Aktivitäten variieren, entsprechend der bevorzugten Lernstile.

Teile eines Puzzles (Schloss Banffy, Rumänien) (Foto: Ingrid Gussen)

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4.Problemlösung

Die Lernenden arbeiten an ihren selbst definierten Aufgaben und wer-den von ihren Lehrenden begleitet. Während ihrer Arbeit werden sie zwangsläufig mit diversen Problemen konfrontiert werden. Die Leh-renden betreuen sie nach ihren individuellen Bedürfnissen. Es gibt drei verschiedene Strategien an Probleme in einem Lernprozess heranzu-gehen. Was die beste Strategie ist, hängt von den Erfahrungen und der Persönlichkeit des Lernenden ab und davon, welche Aufgabe es zu bewältigen gilt.

Die Strategien:

• Pufferung: Die Probleme werden von dem/der Lernenden aufge-nommen ohne aktives Einschreiten der Lehrperson.

• Feed-Forward: Die Lehrperson antizipiert das Problem. Den Ler-nenden wird mehr Aufmerksamkeit zuteil, wenn Schwierigkeiten auftreten.

• Feedback: Lösungen können modifiziert werden. Die Lernenden haben Zeit zu experimentieren und erhalten danach Feedback.

Um sicherzugehen, dass die Lernenden in der Lage sind Probleme zu lösen, muss die Lehrperson die Konfrontation mit dem Problem nicht nur ermöglichen sondern, wenn es notwendig ist, sie auch begleiten. Der/die TrainerIn muss:

• ein Klima schaffen, in dem sich die Lernenden sicher fühlen. Zeit für Reflexion, Pausen und Selbstevaluierung einräumen.

• Kooperationstechniken, Konfliktmanagement und die Evaluation in der Gruppe im Auge behalten.

• Problemlösungsstrategien erklären.• Übungen oder Anweisungen geben, wenn seine/ihre Fähigkeiten

und sein/ihr Wissen benötigt werden.

5.DemonstrationundEvaluation

Die Lernenden zeigen, was sie während ihrer Auseinandersetzung mit dem kulturellen Erbe lernten und reflektieren die transversalen Schlüsselkompetenzen, an denen sie arbeiteten. Sie beantworten die Fragen, die sie sich selbst stellten und demonstrieren, wie sie an ihren Zielen arbeiteten. Eine Demonstration ist nicht dasselbe wie eine Prä-sentation. Die Lernenden müssen zu mehr imstande sein, als nur ih-ren individuellen Beitrag zu einer Aufgabe zu präsentieren. Jeder/jede einzelne Lernende muss die verschiedenen Arten von Wissen, Fähig-keiten und Einstellungen, die die Gruppe gemeinsam erworben hat, demonstrieren und reflektieren. Die Demonstration kann den Prozess oder das Produkt in den Vordergrund stellen, und sehr unterschied-lich ausfallen. Deshalb kann auch die Evaluierung nicht immer gleich sein, sondern wird an jeden/jede Lernende angepasst. Unterschiedli-che Methoden der Evaluierung können in unterschiedlichen Phasen angewandt werden, z.B.: Koordinierte Beurteilung (von Lehrperso-nen und Lernenden auf Basis gemeinsam erarbeiteter Standards),

Selbstevaluierung (durch den Lernenden) oder Gruppenevaluierung (durch andere Lernende).

Die Struktur der Geleiteten Entdeckung kann flexibel gestaltet wer-den. Die Phasen müssen nicht streng getrennt sein und die Zahl der Lernwege, Aktivitäten und Formen der Evaluierung kann reduziert werden, entsprechend der Zielgruppe, den Quellen, den Lehrperso-nen und dem Zeitplan. Die Struktur ist nur ein Vorschlag, um Projekte zum Thema kulturelles Erbe kompetenzorientierter zu gestalten und die Lernenden in den Mittelpunkt zu stellen.

Arbeitsschritte für die Geleitete Entdeckung:(Zum Beispiel: Welche Rolle spielten unsere Großeltern oder an-dere Verwandte während des Demokratisierungsprozesses der Sechziger Jahre?)Stellt den Prozess und die Methode der Informationsgewinnung in den Mittelpunkt durch Struktur und geplante Reflexion

1. Wählen Sie ein Problem, ein Thema, ein Fallbeispiel oder eine Frage

2. Geben Sie einen Überblick über die Probleme und stecken sie den Themenbereich ab

3. Entscheiden Sie sich, wie Sie das Thema präsentieren wollen4. Quellen auswählen und organisieren 5. Bereiten Sie verschiedene Vorschläge vor, um Lernende bei

ihren Entscheidungen zu unterstützen6. Entscheiden Sie sich für Strategien, um die SchülerInnen in

Gruppen zu organisieren7. Entscheiden Sie sich, wie Sie die Lernenden begleiten und

anleiten wollen8. Planen Sie Zeit für Reflexion ein, in allen fünf Phasen9. Entscheiden Sie sich für Standards für die Demonstration

und Beurteilung10. Organisieren Sie die Evaluation des Projekts

Das Projekt Schule im Krieg ist ein Beispiel in dem die Geleitete Entdeckung angewendet wurde.

Handlungslernen

Handlungslernen ist ein Konzept mit vielen Facetten. Der Begriff wird in zahlreichen Publikationen verwendet, aber es scheint keine eindeu-tige Definition zu geben. Trotzdem möchten wir diese Methode kurz vorstellen, die „learning by doing“ in den Mittelpunkt stellt. Aktivitäten und Erlebnisse stehen zwar auch bei den anderen Methoden im Vor-dergrund, aber dort besteht der aktive Teil oft darin, Dinge zu untersu-chen, ein Tagebuch zu produzieren und letzten Endes eine Präsentation zu gestalten. Beim Handlungslernen sind die Dinge, die getan werden müssen, letztlich dieselben die man können muss, dafür aber auf ei-nem höheren Niveau. Die SchülerInnen lernen also, wie man Cartoons

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macht, indem sie sie zeichnen. Sie lernen vor Publikum zu sprechen, indem sie genau das praktizieren. Dieser Prozess ermöglicht SchülerIn-nen, ihr Tun zu erleben und später über ihre Tätigkeiten zu reflektieren. Es sind praktische Erfahrungen oder wenn die Kompetenz, die erlernt werden soll, viel Hirnschmalz erfordert, auch aktives Gehirnjogging.

Schritte für die Planung von Handlungslernen (Zum Beispiel: Wie lege ich einen Gemüsegarten an, der auch im Winter, in einem Schloss oder Kloster, das Überleben sichert?) Stellt aktives Lernen als Kompetenz und das eigene Tun als Erleb-nis in den Mittelpunkt.

1. Definieren Sie den Lernbedarf2. Besprechen Sie mit den SchülerInnen die Aufgabe und die

Tätigkeiten, die dieser erfordert3. Organisieren Sie die Aktivität oder unterstützen Sie die Schü-

lerInnen dabei, dies zu tun4. Helfen Sie den SchülerInnen dabei, die Aufgaben aufzuteilen5. Unterstützen Sie sie dabei, ihr Engagement zu einer rich-

tigen Tätigkeit werden zu lassen (z.B. Überleben in einem Schloss)

6. Geben Sie den SchülerInnen Feedback und helfen Sie ih-nen, ihre Leistung zu reflektieren, zu evaluieren und zu ver-bessern

7. Geben Sie den SchülerInnen immer wieder Zeit, um er-neut zu evaluieren und die gewählten Strategien zu ver-bessern!

8. Helfen Sie den SchülerInnen, ihr Ergebnis sichtbar zu ma-chen

9. Beurteilen Sie die Resultate und besprechen sie, wie aussa-gekräftig sie sind

10. Besprechen Sie die Vorgehensweisen für das nächste Mal

Elemente des Handlungslernens finden sich in dem Projekt Auf den Spuren von Wojciech und Aneri Weiss

KOOPERATIVESLERNEN

Kooperatives Lernen stellt die Zusammenarbeit in den Mittelpunkt, es ist Mittel und Ergebnis des Lernprozesses. Kooperatives Lernen ist Teil der sozialkonstruktivistischen Didaktik. Es hat einen großen und beständigen Einfluss auf die Konstruktion von Wissen, die Mo-tivation, die Einstellung zum Lernen, der Entwicklung sozialer Kom-petenzen und die Metakognition. Wichtig für das Kooperative Ler-nen ist es, dass es eine positive Wechselbeziehung gibt, zwischen der Verantwortung, die die SchülerInnen, die Gruppe und der /die Einzelne zu tragen haben und der direkten Interaktion in der Grup-pe. Man könnte sagen, Kooperatives Lernen ist in gewisser Hinsicht eine spezielle Form des Handlungslernens, bei dem die SchülerIn-nen lernen, zusammenzuarbeiten, indem sie dies auch tatsächlich tun. Diese Methode ermöglicht den SchülerInnen, ihre Ergebnisse und Erfolge miteinander zu teilen, so akkumulieren die individuellen Lernergebnisse zu einem größeren Erfahrungs- und Informations-pool, während die SchülerInnen gleichzeitig immer besser zusam-menarbeiten.

Schritte für die Planung Kooperativen Lernens (zum Bei-spiel das gemeinsame Vorbereiten eines Festmahls für die Krönung Karls des Großen) Stellt den Prozess der Kooperation, als Mittel und Ergebnis, in den Mittelpunkt

1. Präsentieren Sie das Thema (z.B. Ernährung und Kultur im 9. Jahr-hundert)

2. Finden Sie die individuellen und kollektiven Lernbedürfnisse her-aus

3. Diskutieren und artikulieren Sie diese Bedürfnisse

4. Identifizieren Sie die benötigten kooperativen Kompeten-zen

5. Finden Sie verschiedene Aufträge, die zahlreiche zusammen-hängende Aufgaben beinhalten sollen

6. Stellen sie Quellen bereit (z.B. Menschen, Bücher, Objekte, Zutaten, Equipment etc.)

7. Helfen Sie den SchülerInnen, das Endprodukt/Resultat zu be-stimmen

8. Begleiten und beraten Sie sie bei Bedarf9. Versuchen Sie die Öffentlichkeit für das Thema zu interessie-

ren10. Reflektieren Sie den Nutzen der Zusammenarbeit und die

Effektivität während der Pausen und danach

Kooperatives Lernen wurde in den Projekten ST-ART und Die Kartierung von Golkowice angewendet.

Kaiser Karl

Gärtner in Olargues (Foto: Jaap van Lakerveld)

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PROBLEMBASIERTESLERNEN

Problembasiertes Lernen stellt den Inhalt und die interne Logik in den Vordergrund. Probleme werden primär als Werkzeug gesehen. Prob-lembasiertes Lernen ist eine schülerInnenzentrierte Form des Lernens, in der der Wissenserwerb durch Problemanalyse das zentrale Element darstellt. Das Vorwissen des/der Lernenden ist die Basis für weiteres Lernen. Um sich einem Problem anzunähern, es zu verstehen und es schließlich zu lösen, konfrontiert man die SchülerInnen mit ihrem Vorwissen und den darin vorhandenen Lücken. Kleine Gruppen von sechs bis zwölf SchülerInnen untersuchen, ge-meinsam mit der Lehrperson, die dem Problem zugrundeliegenden Aspekte. Einleitend analysieren die Gruppen das Problem, ausgehend von ihrem Vorwissen. Die Fragen die während der Analyse auftau-chen, dienen der Formulierung von Lernzielen als Basis für die indi-viduelle Arbeit. Zwischen zwei Gruppentreffen am selben Tag, arbei-ten die SchülerInnen alleine oder in der Gruppe. Die SchülerInnen erzählen, was sie erforschten und formulieren ihre Ansichten über die Lernziele. So zeigen sie, ob sie das Problem nun besser verstehen.

Das Modell des Problembasierten Lernens in acht Schritten:

Stufe 1 EinleitungStufe 2 BrainstormingStufe 3 Ideen sammeln und ordnenStufe 4 Bestimmung der LernzieleStufe 5 Formulierung und Zuordnung der LernzieleStufe 6 Autonomes LernenStufe 7 Neues Wissen durch ReflexionStufe 8 Klärung und Anwendung des Gelernten

Stufen zur Vorbereitung Problembasierten Lernens (Bei-spiel: Restaurierung, Renovierung und Nutzung alter Ge-bäude) Inhalt und interne Logik stehen im Zentrum; Probleme werden als Motor gesehen.

1. Wählen sie ein Problem, das den Lernbedürfnissen der Schü-lerInnen entspricht

2. Allgemeine Beschreibung des Problems3. Erklären Sie die acht Schritte Problembasierten Lernens4. Geben Sie den SchülerInnen Raum, informative und analyti-

sche Fragen zu stellen5. Motivieren Sie sie zum Brainstorming6. Unterstützen Sie SchülerInnen darin, das Problem zu formu-

lieren7. Helfen Sie ihnen, ihre Lernziele zu formulieren8. Entwerfen Sie Lernaktivitäten, Schreibtischrecherche und

andere Arten des Informationsgewinns9. Diskutieren Sie die Erkenntnisse10. Bewerten Sie die Lernergebnisse

Elemente des problembasierten Lernens finden sich in dem Pro-jekt Europawissenschaften.

Stufen (Foto: Jaap van Lakerveld)

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III. Aqueduct: Die Praxis

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Grazgeflüster (AT)

Ein Museum gibt Kindern das Gefühl, Teil ihrer Heimatgeschichte zu sein

I.ZusammenfassungdesProjekts

Schlüsselkompetenzen im Projekt:

Lernen LernenUnternehmerische KompetenzSoziale Kompetenz und BürgerkompetenzKulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeit

Das Odilien Institut ist seit über 100 Jahren eine wichtige Einrichtung für Menschen mit Sehbehinderung und Blindheit. Seit Kurzem nimmt die Grundschule des Instituts auch Kinder ohne Beeinträchtigung auf und baut so auf einen integrativen Ansatz. Das Stadtmuseum Graz ist ein kleines Museum, das BesucherInnen aus der Region, aber auch internationale Gäste anzieht. Es war schon immer Ziel des Museums, seine Sammlung besonders für die Kinder aus der Umgebung inter-essant zu gestalten. Dieses Projekt ist das Ergebnis der Kooperation dieser beiden Einrichtungen und zeigt beide Perspektiven.

Der österreichische Lehrplan sieht für die 3. Klasse Grundschule die Vermittlung von Heimatgeschichte vor. In diesem Projekt werden 21 SchülerInnen, davon drei Kinder mit besonderen Bedürfnissen, im Alter von 8-9 Jahren, einer integrativen Grundschule, zwei Lehrper-sonen, darunter ein Sonderpädagoge, Teil eines besonderen Erleb-nisses. Sie sind eingeladen, mit dem Stadtmuseum Graz für die neue Ausstellung „Grazgeflüster“ zu kooperieren. Auf unkonventionelle Art und Weise entdecken sie die Vergangenheit ihrer Stadt, wäh-rend sie gleichzeitig die Arbeit eines Museums kennenlernen und ihre eigene autografische Geschichte reflektieren. Inspiriert von dem Museum beginnen die Kinder ihre eigenen Erinnerungstücke zu sam-meln und tragen ihre Geschichten zur Zeitgeschichte der Stadt bei. Als sie hören, dass nur drei Objekte Teil der Ausstellung sein sollen, sind sie enttäuscht. Aber es entfacht auch den Unternehmergeist der Kinder. So handeln sie mit ihren LehrerInnen, der Schule und dem Museum ihre eigene, gesonderte Ausstellung aus und organisieren ihr eigenes, schulinternes Museum, das alle Objekte zeigen soll. Die Museumsausstellung wird mit einem Fest eröffnet, bei dem die Kin-der auch ihren selbst gestalteten Museumskatalog präsentierten. Alle

Kinder sind Teil dieses Erlebnisses, jedes auf seinem individuellen Leis-tungsniveau.

II.Projektbeschreibung

Die eigene Heimatstadt kennenzulernen, steht im Zentrum des Lehr-plans eines Grundschulkindes in Graz. Die Erfahrung zeigt, dass Kinder großes Interesse an längst vergangenen Ereignissen zeigen. Traditionell werden Kindern chronologisch geschichtliche Ereignisse präsentiert, von den ersten Siedlungen bis zu den Herausforderungen des modernen Lebens. Die Kinder lernen, wie ihre Heimatstadt ge-gründet wurde und wie sie sich über den Lauf der Jahre entwickelte, und sie werden immer besser in ihren Aktivitäten.

In diesem Jahr organisiert das Stadtmuseum in Graz die Ausstellung“ Grazgeflüster“ (Musee´ Sentimental) und sucht nach einer Koope-ration mit einer integrativen Grundschule. Ziel des Museums ist es, Kinder für die Arbeit in einem Museum zu interessieren. Es soll ver-schiedenen Fragen nachgegangen werden: Was ist Geschichte, wie wird eine Ausstellung geplant, wie kann die Ausstellung viele Besu-cherInnen anlocken, wie wählt man die Objekte für eine Ausstellung, wie führt man BesucherInnen durch ein Museum? Das Ziel der Schule ist es, Kindern nicht nur Wissen sondern prakti-sche Erfahrungen mitzugeben, die es ihnen ermöglichen, in ihrem eigenen kulturellen Umfeld Kompetenzen zu erwerben.Vor dem Besuch des Museums werden die Kinder mit dem Begriff des “Kulturellen Erbes” konfrontiert. Gewagt?! Kann ein Kind zwischen 8 und 9 Jahren verstehen, was sich hinter diesem Begriff verbirgt? Wir beginnen damit den Begriff “Erbe” zu definieren: Versuche, den Begriff zu erklären, ohne ihn zu verwenden!

Auf der Mindmap an der Tafel stand unter anderem:

• Bräuche in verschiedenen Ländern; Feste z.B. Erntedank;• besondere Fähigkeiten, z.B. zeichnen: “Mein Vater kann gut

zeichnen, das muss ich von ihm geerbt haben”;• etwas zu erhalten, z.B. wenn ein Onkel stirbt;• etwas Wertvolles bekommen;• Dasselbe wird anschließend mit dem Begriff des kulturellen Erbes

gemacht.

Vor diesem Hintergrund erkunden die Kinder das Museum. Sie hören von verschiedenen Ausstellungsstücken und Geschichten ihrer Hei-matstadt. Sie wählen eine Fotokarte des Museums und suchen in Vie-rergruppen nach dem dargestellten Objekt. Selbstverständlich stehen

3.1 Aqueduct Pilotprojekte

Die Pilotprojekte in diesem Teil des Handbuchs sind der Versuch der Aqueduct Partner das Aqueduct Leitbild in die Praxis umzusetzen. Die Bei-spiele enthalten Elemente aller fünf Methoden kompetenzorientierten Lernens, die in 2.3 vorgestellt wurden.

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alle Ausstellungstücke in Bezug zur Stadt. Das Highlight sind ein mit Stroh bedeckter Boden und eine Vitrine mit einem blutbefleckten Hemd. Die SchülerInnen zeigen großes Interesse und Begeisterung: “Was hat dieses Hemd mit Graz zu tun?” Sie erfahren, dass der Neffe Kaiser Franz Josephs, Franz Ferdinand, in Graz geboren wurde. Wäh-rend seiner Geburt wurden die Straßen mit Stroh bedeckt, um die werdende Mutter nicht durch Straßenlärm zu stören. 1914 wurde der Thronfolger Franz Ferdinand in Sarajevo erschossen – daher das blut-befleckte Hemd. Sein Tod gilt als der Auslöser des ersten Weltkriegs. So können kleine Ereignisse „große Geschichte“ schreiben.

In der darauffolgenden Woche erzählen die LehrerInnen von ihrer eigenen Kindheit und zeigen Erinnerungsstücke. Die Kinder wählen eigene Erinnerungsstücke und bringen sie am Museumstag mit, um über sie zu schreiben und ihr eigenes kleines Fragment an Stadtge-schichte zu präsentieren. Der Museumspädagoge besucht die Schule und hilft dabei, die Objekte alphabetisch zu ordnen.

Dieser Zugang ist ganz im Sinne des “Musee Sentimental”, das von Daniel Spoerri konzipiert wurde. Weil das Museum verlangt, dass die Objekte und Geschichten authentifiziert sind, müssen die Kinder über drei Objekte abstimmen, die Teil der Ausstellung werden sollen. Sie müssen die Bedingungen des Museums hinnehmen. Was sie aber, wie sich herausstellt, nicht willens sind zu tun. Die SchülerInnen be-stehen darauf, dass die Objekte aller Kinder in der Ausstellung vor-kommen sollen. “Das ist unfair. - Jetzt haben wir unsere Erinnerungs-stücke ganz umsonst ausgesucht.” und andere Einwände zeigen die Frustration der Kinder. In einer Diskussion am nächsten Tag denken die Kinder noch einmal über die Museumsarbeit nach, machen ih-rem Ärger Luft und debattieren darüber, wie man das Problem lösen könnte. Und eine Lösung ist schnell gefunden. Sie werden selbst ein Museum in der Schule eröffnen und werden das “große Museum” um Hilfe bitten.

Im dritten und letzten Schritt nehmen die Kinder ihre gewählten Erinnerungs-stücke mit ins Museum. Nun beginnen die Verhandlungen. Der Klassensprecher fragt den Museumspädagogen nach der finanziellen Situation des Museums und erklärt, dass sie gerne selbst eine Ausstel-lung machen wollen. Die Kinder schaffen es, die Unterstützung des Museums zu bekommen und ihre anfängliche Ent-täuschung zu überwinden. Sie platzieren ihre Objekte in der “Gästevitrine” und nach einem weiteren Besuch der Ausstel-lung verlassen sie das Museum mit vielen Ideen für ihr eigenes Projekt. Nun müssen sie an ihrer eigenen Ausstellung arbeiten. Die SchülerInnen schreiben ihre eigenen “Geschichten” und sammeln diese in einer genauen Re-plik des Museumskatalogs. Als besondere Belohnung wird diese auch im Museum gezeigt und natürlich auch in der schulinternen Ausstel-lung. In Form und Layout gleicht das Produkt der Kinder dem Origi-nalkatalog. An einem besonderen Festtag für die Schule präsentieren die SchülerInnen den Eltern und anderen BesucherInnen ihr eigenes Museum und planen eine zukünftige Kooperation mit dem Stadtmu-seum. Die Kinder verfassen Pressemitteilungen über ihre Ausstellung und zeigen, wie stolz sie auf ihre Arbeit sind. Die Kinder mit spezi-ellen Bedürfnissen waren in alle Schritte des Projekts integriert. Sie brachten Erinnerungsstücke, schrieben mit der Unterstützung ande-rer ihre Geschichten und nahmen an allen Veranstaltungen teil.

Die Kooperation mit dem Stadtmuseum findet nächste Jahr ihre Fort-setzung.

III.Kontakt

Private Volksschule OdilienKontakt Person: Karin KubecAdresse: Leonhardstraße 130 8010 GrazÖsterreichE-Mail: [email protected]

Hochzeitsfoto(Foto: Karin Kubec)

Persönliche Erinnerungsstücke der Kinder (Foto: Karin Kubec)

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I.ZusammenfassungdesProjekts

Schlüsselkompetenzen im Projekt:

Lernen LernenUnternehmerische KompetenzSoziale Kompetenz und BürgerkompetenzKulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeit

Das KLEX ist eine kürzlich gegründete Gesamtschule mit reformpäd-agogischen Ansatz, für 10- bis 14 Jährige in Graz, Österreich. In der Nähe der Schule befindet sich ein Privatmuseum, das „Hanns Schell Museum für Schlösser, Schlüssel, Kästchen, Kassetten und Eisen-kunstguss“. Hier befindet sich eine große Sammlung von Schlüsseln, Schlössern und Eisengussobjekten aus verschiedenen Jahrhunderten und Ländern. Die Kooperation mit der Schule basiert auf der Frage, warum und wie Menschen ihr Eigentum schützen. Des Weiteren ging es um Schätze des Museums, in unserer Sprache und auch die Schät-ze in unseren Familien und darum, welche davon die SchülerInnen als schützenswert erachten.

In diesem Projekt kamen zwei Gruppen aus 42 unterschiedlich be-gabten SchülerInnen, im Alter von 10 Jahren, aus unterschiedlicher sozialer und kultureller Herkunft, vier LehrerInnen, ein Museumsex-perte und ein Schauspiellehrer vom Grazer Theater zusammen. Die SchülerInnen arbeiteten entlang der Storyline eines Grimm Mär-chens: “Der Goldene Schlüssel”. Sie spielten Szenen, bauten Schatz-kästchen und organisierten eine Ausstellung über die Erforschung von Schätzen, die sie individuell im Museum sammelten oder in ih-ren Familien fanden. So erschufen sie ihr eigenes Museum. Einige Objekte des Projekts wurden vom Museum ausgewählt, um Teil der Ausstellung “Grazgeflüster” zu werden.

II.Projektbeschreibung

Das KLEX stellt Schlüsselkompetenzen in den Mittelpunkt. Schon von Anbeginn ihrer schulischen Karriere werden Kinder darin bestärkt, selbst zu forschen und Informationen zu präsentieren. Themen in Deutsch, Geschichte, Biologie und Wissenschaft werden fächerüber-greifend behandelt. Der Erwerb von Schlüsselkompetenzen ist ge-meinsames Ziel. In dem hier beschriebenen Projekt kooperierten die Fächer Geschichte, Deutsch, Handarbeiten und Kunst.

Ein Ziel der LehrerInnen in diesem Projekt ist es, die SchülerInnen bes-ser kennenzulernen und die SchülerInnen zu motivieren, ihre Ideen

und Geschichten einander mitzuteilen. Der Fokus lag auf Fragen wie: Welche Formen des kulturellen Erbes finden die Kinder erhaltens-wert? Was ist in ihren Familien von kulturellem Wert und welche Ge-schichten gibt es dazu in den Familien? Wie beginnen so ungewöhn-liche Hobbies wie die Sammlung von Schlüsseln und Schlössern? Und warum gibt es so viele verschiedene Schlüssel und Schatzkästchen? Wie baut man ein einfaches Schloss oder Schatzkästchen und wie vergoldet man einen Schlüssel? Wie können wir Informationen sam-meln und sie nutzen, so dass andere Menschen davon profitieren können? Und schließlich: Braucht man einen goldenen Schlüssel, der alle Türen öffnet oder tragen wir den Schlüssel in uns?

Das Projekt beginnt mit der Einschätzung der schon vorhandenen AQUEDUCT Schlüsselkompetenzen bei den SchülerInnen in einem „Spinnennetz-Arbeitsblatt“. Dann wird die Storyline vorgestellt. Den Kindern wird das Grimmsche Märchen des goldenen Schlüssels er-zählt, das so adaptiert wurde, dass alle Bereiche des Museums re-präsentiert werden. Die Kinder identifizieren sich mit einer Figur, entwickeln ihre Rollen mit Hilfe des Theaterpädagogen und spielen einige Szenen des Märchens mit ein paar Requisiten und Kostümen. An bestimmten Punkten wird das ganz angehalten und die Kinder schreiben Fragen nieder, denen sie später im Museum gerne nach-gehen möchten.

Schließlich besucht die Gruppe das Museum. Alle bekommen zu-nächst eine allgemeine Führung als gemeinsamen Ausgangspunkt. Die Kinder werden losgeschickt, um ihre eigenen Untersuchungen anzustellen und nützen die Unterstützung der MuseumsführerIn-nen und der Ausstellung selbst. Die Kinder machen Fotos von den

Schlüsselkompetenzen und ein Schlüsselmuseum (AT)

Im Schlüssel-Museum (Foto: Andrea Wagner)

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interessantesten Objekten und entscheiden sich für eines, das sie für ihre eigene Ausstellung näher beschreiben möchten. Zurück in der Schule suchen die Kinder nach mehr Informationen in Büchern und im Internet. Im Werkunterricht entwickeln sie ihre eigenen Lösungen, wie man Schätze sicher aufbewahren könnte, konstruieren Schlösser, oder Geheimfächer in Schatzkästchen. Im Kunstunterricht lernen sie, wie man Schlüssel vergoldet, bauen ein Schatzkästchen und vergol-den einen Schlüssel für sich selbst.

Neben den Schlüsseln ist das kulturelle Erbe im Allgemeinen ein wichtiges Thema. Was bedeutet der Begriff „Kulturelles Erbe“? Die Antworten der Kinder: Geschichten, Legenden, Redewendungen und Objekte, die von einer Generation an die nächste weitergege-ben werden. Die Kinder reden mit ihren Eltern und Großeltern über Familienschätze und entscheiden sich für einen, den sie gerne be-schreiben, zeichnen und den anderen vorstellen möchten. Die Ob-jekte werden fotografiert und die Kinder erzählen ihre Geschichten. So wird das kulturelle Erbe auch zu Hause zum Thema. Nach der Recherche wird die Ausstellung vorbereitet: Fotos und Unterlagen aus dem Museum sowie die Familienschätze, Schatzkästchen und die vergoldeten Schlüssel, die die Kinder selbst produziert haben, werden zusammengetragen.

Die Ausstellung des „KLEX Museums“ ist in vier Bereiche unterteilt. Ein Bereich zeigt die Fotos und Beschreibungen der interessantes-ten Objekte der Hans Schell Sammlung, dem Kooperationspartner in der Vermittlung von kulturellem Erbe. In einem anderen Bereich

werden die Kästchen und Schlösser der SchülerInnen gezeigt. Der dritte Teil der Ausstellung besteht aus den vergoldeten Schlüsseln. Der interessanteste Teil für BesucherInnen sind die Familienschätze und die damit verbundenen Geschichten, die nun mit der ganzen Gruppe geteilt werden. Die Kinder sind besonders stolz darauf, dass das Stadtmuseum Graz einige ihrer Familienschätze und Geschichten in die Ausstellung „Grazgeflüster“ aufnehmen will.

In der Abschlussreflexion werden folgende Fragen beantwortet: „Haben wir unsere Schlüsselkompetenzen verbessert und können wir das in unserem Spinnennetz-Arbeitsblatt zeigen? Was haben wir über Schlüssel und Schlösser gelernt? Und noch wichtiger: Was ist der Schlüssel zum Glück? Wie kann ich mein Lebensglück finden und welche Kompetenzen brauche ich dafür?

Für die Kinder war es ein tolles Erlebnis eine Ausstellung mit ihren eigenen Objekten zu machen und in ihren Familien nach Schätzen und Geschichten zu suchen. Viele von ihnen werden das Museum wieder besuchen, um mehr Zeit für die Beantwortung ihrer Fragen zu haben und auch andere Bereiche zu sehen. Die LehrerInnen dieses Projekts sind beeindruckt von den interessanten Fragen der Kinder, den kreativen Lösungen beim Bau der Schatzkästchen und dem kul-turellen Erbe, das die Kinder präsentierten. Die Idee, das Museum in die Schule zu bringen, wird weiter verfolgt. Das Projekt hat eindeutig zur Nachhaltigkeit des Museumsbesuchs beigetragen und die Kom-petenz der Kinder verstärkt. Für ein zukünftiges Projekt ist der Besuch eines Schmieds oder eines Banksafes geplant, die Kinder sollen auch mehr über die moderne Sicherheitstechnologie erfahren.

III:Kontakt

Kontakt Person: MMag. Andrea WagnerAdresse: BG/BRG Klusemannstrasse Extern KLEXMarschallgasse 19-21A-8020 GrazÖsterreichE-mail: [email protected]: www.klex.co.at

Schatzkästchen bauen (Foto: Andrea Wagner)

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I.ZusammenfassungdesProjekts

Schlüsselkompetenzen im Projekt:

Lernen LernenUnternehmerische KompetenzSoziale Kompetenz und BürgerkompetenzKulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeit

Heilig Hart Heverlee ist eine sehr große Schule in der Nähe der Stadt Löwen, Belgien. Kinder im Alter von zweieinhalb bis 18 Jah-ren werden auf diesem großen, grünen, alten Campus unterrich-tet. Das Universitätskolleg der Katholischen Hochschule Löwen hat auch zwei Fakultäten hier.

Das Projekt “Schule im Krieg” konzentriert sich auf eine sehr in-teressante Episode der Geschichte von Heilig Hart Heverlee: den zweiten Weltkrieg. Nicht nur Ernüchterung und Angst prägten die Schule in dieser Zeit, es wurden auch jüdische Mädchen hier getauft und versteckt. Die Versorgung fiel oft aus, Bomben fielen vom Himmel und Eltern wurden dazu genötigt, ihre Töchter mo-natelang im Internat zu lassen, ohne Kontaktmöglichkeit. Als die Schule befreit wurde, stellte sich eine neue Herausforderung. Die britische Armee nutzte das Schulgebäude als Militärspital mit fast 2000 Betten.

Aus diesem Grund gibt es auch heute noch einen großen Mili-tärfriedhof neben der Schule. Heutzutage gehen die Kinder dort spazieren und treiben dort Sport, ohne eine Ahnung zu haben, warum dort Gräber sind oder wer mit ihnen das Schulgebäude teilte. Deshalb machten wir das Projekt mit 50 SchülerInnen im Alter von 12 Jahren, welche die erste Schulstufe Mittelschule be-suchten.

In dem Projekt ging es um verschiedene Arten des Kulturellen Erbes. Natürlich wurde der Militärfriedhof besucht und ein Zeit-zeuge eingeladen. Die SchülerInnen untersuchten Originaldoku-mente und alte Zeitungen. Der Aufzug, der früher dazu diente, die Krankenbetten in die oberen Stockwerke zu befördern, wurde geschmückt. Die SchülerInnen sahen Filme, lasen Romane und Theaterstücke rund um das Thema. Eine Theatergruppe brachte Medizin, Betten, Uniformen, einen echten amerikanischen Ret-tungswagen, einen Jeep und andere Objekte aus der Zeit. Kurz-um, es gab sehr viele verschiedene Materialien und Aktivitäten. In jeder Phase konnten die SchülerInnen entscheiden, was sie gerne untersuchen oder machen wollten.

II.Projektbeschreibung

Dass das Projekt realisiert werden konnte verdanken wir der Unter-stützung vieler verschiedener Menschen und Organisationen. Inhalt-lich übernahm Ria Christens, die für das Kulturarchiv der Schule und das Verkünderkonvent verantwortlich ist, die Leitung des Projekts. Sie kontaktierte auch die Theatergruppe “The Patton Drivers, Leu-ven Centraal”. Zwei Studierende der Lehrerbildungsfakultät und zwei Lehrende unterstützten sie dabei. Das Konzept wurde von einem AQUEDUCT Partner, der KH Leuven, erarbeitet. Das Projekt bestand aus fünf Phasen.

In der ersten Phase, der Motivationsphase, wurden die SchülerInnen mit etwas Ungewöhnlichem konfrontiert. Ein alter Kriegsjeep und ein Militärrettungswagen fuhren plötzlich über den Spielplatz. Es kamen sofort viele Fragen: Was? Warum? Wie? Die SchülerInnen fanden sich in Vierergruppen und nach einer kurzen Einleitung schrieben sie auf, was sie gerne über den Krieg erfahren möchten. Es kamen Fragen wie: Was essen Soldaten? Waren auch Frauen beteiligt? War der Un-terricht schwierig in der Zeit? Gab es viele Bomben? Wo wurden die jüdischen Mädchen versteckt? Woher wussten sie, wo die verwunde-ten Soldaten waren?

In der zweiten Phase bekamen die Lernenden mehr Informationen über die vier möglichen Unterthemen oder Lernwege und wurden mit dem kulturellen Erbe ihrer Schule vertraut gemacht. Jeder / jede Schü-lerIn konnte zwei der vier Lernwege wählen. Unterschiedliche Aktivi-täten waren auf allen Wegen möglich, z.B. Texte schreiben, Objekte auswählen, Profile erstellen, Improvisation, die Arbeit mit Theatertex-ten, Untersuchung von Dokumenten und so weiter. Die SchülerInnen konnten selbst entscheiden, wie viel “Lernfreiheit” sie brauchten. Die Lehrenden präsentierten ihnen Möglichkeiten, Methoden, Materiali-en und Aufgaben, aber die Schülerinnen entschieden selbst, ob sie ihre Unterstützung brauchten oder nicht. In jeder Gruppe mussten die SchülerInnen darüber verhandeln, wer welches Thema behandeln bzw. wer welchen Lernweg einschlagen würde. Nur ein Mitglied jeder Grup-pe konnte einen bestimmten Lernweg gehen.

Im ersten Lernweg besuchten sie die Rekonstruktion des Spitals, das von der Theatergruppe gebaut wurde. Geschichten über Operatio-nen, Heilmittel, Leben und Tod und einen 19-jährigen Piloten namens Otto Carbone, der in dem Spital behandelt wurde, wurden erzählt.

Die Schauspielgruppe “The Patton Drivers” bauten das Militärkran-kenhaus in der Schule nach. Die SchülerInnen besuchten den Sa-nitätsraum, den Operationssaal, die Betten der Verwundeten, die Apotheke, und lasen alte Zeitungen. Auch die Klosterschwestern der Schule kamen zu Besuch.

Schule im Krieg – Heilig Hart Heverlee (BE)

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Der zweite Lernweg führte ins Archiv, wo die SchülerInnen mit einer Nonne sprachen, die früher in der Schule unterrichtete. Sie erzähl-te ihnen vom Leben in der Schule während des Krieges. Die Schü-lerInnen machten ein Objekt und Archivaufzeichnungen im Lager des Kellers ausfindig, das gut zu einem der Unterthemen passte. Die Unterthemen waren: “Der Deutsche Feind”, Das Militärspital”, “Nahrung und Rationierung”, “Schule und Lernen”, “Die Bomben-angriffe” “Transport und Kommunikation”. Durch die Verbindung von immateriellem und materiellem Erbe, wurde das Thema mit einer wahren Geschichte verknüpft und somit greifbarer.Der dritte Lernweg war der Besuch des Militärfriedhofes. Hier muss-ten die SchülerInnen verschiedene Aufgaben erfüllen: Symbole auf den Gräbern entziffern, Geschichten über SoldatInnen, Medikamen-te, Piloten und Ingenieure lesen und erzählen und verschiedene In-formationen herausfinden, wie das Todesalter, das Geschlecht, die Religion und Nationalität der Soldaten. Dadurch erfuhren die Schüle-rInnen, dass die meisten der dort Begrabenen, in oder um die Stadt Löwen kämpften. Die SchülerInnen sollten am Friedhof Respekt zei-gen, weil die Frauen und Männer ihr Leben dafür gegeben hatten, dass wir heute in Frieden leben.

Der vierte Lernweg begann mit der Geschichte eines jüdischen Mädchens, das in der Schule versteckt wurde und ihren Namen, ihre Religion und ihre Identität aufgeben musste. Durch Filme, Romane und viele Gespräche fühlten die SchülerInnen mit dem Mädchen. Sie diskutierten über Originaldokumente, die Briefe an das Mädchen und an die Schule und einen gefälschten Taufschein. Danach sahen sie den Film “Au revoir les enfants”, der von einem jüdischen Kind erzählt, das in einem französischen Internat ver-steckt wurde. Sie lernten, wie die Schule mit den Razzien der Ge-stapo umging. Dann lasen die SchülerInnen Kapitel aus Büchern und diskutierten Fragen wie: “Wer ist die Hauptfigur?” Was hat er/sie gemacht? An welche Teile der Geschichte der Figur kannst

du dich erinnern? Was fühltest du, als du die Geschichte gelesen hast?” Die Kinder waren an den Geschichten sehr interessiert. Sie stellten viele Fragen und wollten unbedingt mehr von dem Film sehen.

In der dritten Phase war es Zeit für die Reflexion. Die SchülerInnen kehrten in ihre ursprünglichen Gruppen zurück. Sie erzählten einan-der ihre Erlebnisse und schrieben darüber, was sie am meisten be-wegte: “Sie haben Menschen aus dem Flugzeug geworfen”, “Das Leben eines Soldaten war kein Spaß”, “Es gibt viele alte Sachen in unserer Schule”, “Kinder wussten nichts von ihren Eltern”, “Als Jude lebte man in dieser Zeit wirklich in Angst”, “Menschen sind in unse-ren Klassenzimmern gestorben!”.

Dann sollten die SchülerInnen ihre Rolle in der Gruppe reflektieren. Sie erfanden Metaphern über ihre Zusammenarbeit: “Ich bin wie ein Kapitän, ich mag es Befehle zu erteilen.” oder “Unter anderen bin ich wie eine Pflanze, still und schüchtern. Vielleicht sollte ich mehr sagen.” oder “Ich bin wie ein Frosch. Ich liebe es zu schwatzen.” oder “Ich bin wie der Wind, manchmal sehr leise, manchmal laut”. Sie dachten auch über ihre Eigeninitiative nach und schrieben zusam-men, was sie am liebsten tun und warum. Zum Beispiel: “Ich singe gerne, weil es mich entspannt” oder “Ich spiele gerne Fußball, weil mir Tore schießen Spaß macht”. Dann mussten sie sich entscheiden wie sie am Nachmittag die Demonstration der erworbenen Kompe-tenzen gestalten würden.

In der vierten Phase arbeitete die ganze Gruppe aktiv an der Präsenta-tion. Einige SchülerInnen entwarfen eine interaktive Ausstellung. An-dere bereiteten ein Theaterstück vor. Sie konnten auch ein typisches Kriegsessen kochen. Am Ende gab es eine Stunde “Philosophieren mit Kindern”, in der sie über Gründe und Lösungen von Krieg und Frieden nachdachten. Für die Ausstellung nahmen sie Objekte aus den Archiven und stellten sie auf Präsentationstische. Sie hatten eine Skypekonferenz mit Otto Carbone, dem amerikanischen Veteranen, der schwer im Krieg verwundet und im ehemaligen Militärspital der Schule wieder gesund gepflegt wurde. Sie forschten im Internet und erstellten Portraits von Soldaten, die am Militärfriedhof begraben la-gen. Vor den Klassenzimmern brachten sie Schilder an, deren Auf-schrift die Funktion der Räume zu Kriegszeiten verriet. Die Schülerin-nen lasen in einem ehemaligen Klassenzimmer, Originaldokumente aus den Archiven und erfuhren, wie anders es war, in Zeiten des Krie-ges zu lernen. Sie schrieben Kommentare auf die großen historischen Bilder, die sie auf den Militärlift klebten. Auch eine geführte Tour mit MitschülerInnen war Teil ihrer Präsentation.

In der Zwischenzeit verglich eine andere Gruppe das heutige Essver-halten, mit dem, was zu Kriegszeiten am Speiseplan stand. Sie lasen alte Kochbücher, Rationierungsaushänge und Notizen und rekonst-ruierten den Preis, die Auswahl und den Nährwert der Speisen. Dann bereiteten sie eine typische Kriegsmahlzeit vor. Kartoffeln mit Schale, Milchwurst und falschem Marzipan.

Die Schauspielgruppe “The Patton Drivers” bauten das Militärkrankenhaus in der Schule nach (Foto: Evy De Brier)

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Die SchülerInnen bereiten eine typi-sche Kriegsmahlzeit vor. Kartoffeln mit Schale, Milchwurst und falschem Mar-zipan. Sie vergleichen dieses Essen mit ihren eigenen Ernährungsgewohnhei-ten (Foto: Evy De Brier)

Zur gleichen Zeit diskutierte eine Gruppe philosophisch die Auswirkungen des Krieges. Sie begannen mit einer Szene des Films „Abbitte“, die sehr viele Reaktionen hervorrief. Sie wa-ren sehr schockiert über die un-glaublichen Auswirkungen, die der zweite Weltkrieg auf das

Leben vieler hatte. Darüber wurde diskutiert und die SchülerInnen brachten gute Beispielen und Lösungen. Die Art, wie die SchülerIn-nen aufeinander reagierten, war ebenfalls beeindruckend. Sie hörten einander aufmerksam zu, was eines der wichtigsten Lernziele war. Danach hatten sie die Möglichkeit, ihre Gefühle und Emotionen in Form eines Bildes auszudrücken. Sie konnten malen, was sie wollten und es entstanden dabei richtige Kunstwerke. Am Ende bekam jeder/jede SchülerIn zwei Puzzleteile, die sie gemeinsam zu einem Großen zusammenfügen sollten. Jedes Mal, wenn eine Schülerin/ ein Schü-ler ein Teilchen ablegte, sollte er/sie ihre Meinung über das Projekt kundtun.

Im vierten Lernpfad erarbeitete die SchülerInnen ein Theaterstück. Nach einem kurzen Brainstorming, spielten sie SoldatInnen, sie arbei-teten an ihrer Kooperation und ihren Reaktionen, sie lasen Romane und Gedichte, die auf Theaterstücken von Berthold Brecht und an-deren Autoren basierten, und Kapitel aus dem Tagebuch der Anne Frank. In Kleingruppen entwickelten sie Szene für Szene ihr Stück. Jeder Schüler / jede Schülerin konnte entscheiden, ob er/sie lieber mit einem bestimmten Charakter oder Thema arbeiten möchte oder mit geschriebenen Texten. Die meisten wählten einen Text. All die Szenen wurden durch Bewegungsintervalle zusammengeführt.

In der fünften Phase präsentierten die SchülerInnen ihre Arbeit den anderen Gruppen. Danach evaluierten sie ihre Entwicklung hinsicht-lich der Schlüsselkompetenzen des Aqueduct-Projektes. An welchen Kompetenzen arbeiteten sie? Was hätten sie besser machen können? Sie schrieben Dinge wie: „Wir mussten viel zusammenarbeiten, es machte Spaß und verlief gut.“, „Ich habe daran gearbeitet, öfter die Initiative zu ergreifen, aber weniger an anderen Dingen, weil ich nicht so viele Ideen hatte.“, „Ich habe nicht an meiner Lernkompetenz ge-arbeitet, weil mir das langweilig wurde.“, „Ich habe Respekt gezeigt vor dem Material und den Menschen“, „Ich wusste bereits sehr viel über Geschichte und Kultur, also musste ich nicht an diesen Themen arbeiten.“

Kurz gesagt, es war ein ergiebiges Projekt. Allerdings arbeiteten wir mit nur zwei der zwanzig Klassen des ersten Jahrgangs der Mittel-schule. Es würde sich schwierig gestalten, das Projekt mit der ge-samten Schule durchzuführen, selbst wenn es externe Unterstützung gäbe. Dieses Jahr wurde das Projekt neben dem regulären Lehrplan realisiert, es wäre eine Herausforderung, Aspekte daraus in die re-gulären Fächer einzubringen. Die KH Leuven möchte die fruchtbare Zusammenarbeit mit der Schule im nächsten Schuljahr in jedem Fall fortführen.

III.Kontakt

Cultureel Erfgoed Zusters AnnuntiatenKontakt Person: Ria ChristensAdresse: Naamsesteenweg 355 3001 Heverlee BelgienE-mail: [email protected]: http://home.scarlet.be/~jg074467/Archiefnl.htm

Heilig Hart HeverleeKontakt Person: Sonia Crabbé (director first level)Adresse: Naamsesteenweg 355 3001 Heverlee BelgienE-mail: [email protected]: http://www.heilighartheverlee.be/

KH LeuvenKontakt Person: Leen AlaertsSchüler Jasper Van Vlasselaer en Jasper PeetersAdresse: Naamsesteenweg 355 3001 Heverlee BelgienE-mail: [email protected]: http://www.khleuven.be/

TheatergruppePatton Drivers Leuven CentraalE-mail: [email protected]: http://www.leuvencentraal.com/

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I.ZusammenfassungdesProjekts

Schlüsselkompetenzen im Projekt:

Lernen LernenUnternehmerische KompetenzSoziale Kompetenz und BürgerkompetenzKulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeit

SchülerInnen, eine Vortragende der Fakultät für LehrerInnenfortbil-dung der KH Leuven in Belgien, LehrerInnen und die Schulleiterin der Mater Dei, einer Mittelschule im Zentrum der Stadt Leuven und UnterstützungslehrerInnen des Kulturvermittlers Erfgoedcel Leuven’ bereiteten für das Projekt eine zweitägige Erkundung der Schulnach-barschaft vor. Eine Gruppe von fünfzig Mädchen und Jungen im Alter von 14 Jahren, unterschiedlicher ethnischer Herkunft, stand vor der Herausforderung, Informationen und Meinungen über die kulturellen Bedürfnisse, Möglichkeiten und Probleme in ihrer Heimatgemeinde zu sammeln, um Empfehlungen für die Kulturstadträtin der Stadt Lö-wen vorzubereiten

In dem Projekt:• lernen die SchülerInnen Bereiche des kulturellen Erbes und der

Geschichte ihres vertrauten Schulumfeldes kennen.• lernen SchülerInnen zu kooperieren• lernen SchülerInnen initiativ zu werden.• entwickeln SchülerInnen kulturelles Bewusstsein• erweitern die SchülerInnen ihre Bürgerkompetenz• steigern SchülerInnen ihre Lernkompetenz.

II.Projektbeschreibung

Die Schule Mater Dei befindet sich im Bezirk St. Jakob, einem der ältesten Bezirke der Stadt Löwen. Es war immer schon ein eher ärm-licher Bezirk und auch in der Vergangenheit hatte die Schule Schüle-rInnen aus eher ärmeren und Arbeiterfamilien. In der Nähe der Schu-le gibt es zahlreiche Gebäude und Orte von kultureller, historischer und wissenschaftlicher Bedeutung. Durch Geschichten, Dokumente, Karten und ein Rollenspiel erfuhren die SchülerInnen mehr über ihre Schule und ihre Nachbarschaft. Die Geschichte der Schule und der Gemeinde ist das Hauptthema dieser zweitägigen Erfahrung.

Das Projekt beginnt mit einer Einführung in die Geschichte des Be-zirkes St. Jakob, der Schule und über die Armut. Die Aufgabe ergibt

sich aus einer Anfrage vom Bürgermeister und seiner Stellvertreterin. Folgende Schlüsselfragen sollen von den SchülerInnen beantwor-ten werden: “Was braucht es für das Leben in St. Jakob?”, “Wie kann man die Gemeinde kulturell sichtbar machen?”, “Was haben Nachbarschaft und EinwohnerInnen kulturell zu bieten?”. Die Schü-lerInnen beginnen mit einer Input-Phase nach Rotationsprinzip. Sie werden in drei Gruppen geteilt. In jeder Schulstunde lernen sie einen Bereich des kulturellen Erbes der Schule und der Schulnachbarschaft kennen. Alle SchülerInnen beschreiten alle Lernwege, aber in unter-schiedlicher Reihenfolge.Zuerst erkunden sie spielerisch eine Straßenszene der Vergangenheit. Die SchülerInnen müssen Gebäude, Statuen und Namensschilder fin-den, die auf Bildern dargestellt werden. Bei der Fotosuche lernen die SchülerInnen die interessantesten Orte von St. Jakob um 1900 ken-nen. An diesen Orten erhalten die SchülerInnen Informationen rund um die wichtigsten Bauten um den Hauptplatz vor 100 Jahren und müssen einige Fragen beantworten.

Danach besuchen die SchülerInnen die alte St. Jakobs Kirche, die sonst, aufgrund statischer Probleme, der Öffentlichkeit normaler-weise nicht zugänglich ist. Sie finden ein zerstörtes Umfeld vor. In der Kirche lernen die Kinder über die Geschichte des Gebäudes und die Religion in der Gemeinde um 1900. Die Geschichte des Heiligen Jakob wird auf fünf Informationstafeln gezeigt, die in verschiedene Geschichten unterteilt sind. Es sind die Geschichten eines mythischen Sakraments, über die Errichtung und Architektur der Kirche, und

Mater Dei: Ein ärmliche Schulumfeld entdeckt ihren Reichtum an Geschichte und Kultur (BE)

In der alten St. Jakobs Kirche hören die SchülerInnen Geschichten und informierten sich auf den Infotafeln. Die Kirche ist sonst der Öffentlichkeit nicht zugänglich. Das zerstörte Umfeld beeindruckte die SchülerInnen. (Foto: Tiny ‘t Seyen)

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berühmten Prozessionen der Vergangenheit. Kleine Gruppen mach-ten mit den Informationen auf den Tafeln ein Quiz. Sie freuten sich über den Besuch dieser “geheimnisvollen” Kirche, die sonst kaum jemand zu sehen bekommt.

Im Botanischen Garten hinter der Schule hören die Kinder Geschich-ten. Der Botanische Garten ist seit Jahrzehnten im Besitz der Univer-sität Löwen und bekannt für seine experimentelle Erforschung von Pflanzen und den wunderschönen Park. Die SchülerInnen sollten nach Pflanzen suchen, die sie zuvor in wissenschaftlichen Recherchen kennenlernten. Jan Staes von der Erfgoedcel Leuven, ein Kulturver-mittler, erzählte viel über die Geschichte und Pflanzen des Gartens. Die Schülerinnen entdeckten die Schönheit des Gartens und lernten über seine Bedeutung heute und in der Vergangenheit.

Der Input-Phase folgte die Reflexion. Die SchülerInnen sollten da-rüber nachdenken, was sie gelernt hatten und was ihnen gefallen hatte. Kurz beschrieben sie ihre eindrücklichsten Erfahrungen: „Die Geschichte über das Sakrament des Propheten und die Hostie, die zu Fleisch wurde, war sehr interessant.“ „Nun weiß ich, dass es viele Dinge in der Umgebung schon ewig gibt. Manche Dinge sind ver-schwunden, andere stehen noch am selben Ort.“ „Ich wusste, dass es da eine Kirche gibt, die eine Bedeutung hatte. Aber ich wusste

nicht welche. Nun weiß ich es.“ „Es war etwas Besonderes in der Kirche zu sein.“ „Ich erinnere mich, gelernt zu haben, dass früher nur alte Männer im Chor singen durften.“ „Die Pflanzen aus anderen Ländern waren wirklich schön“. „Ich erinnere mich an die Geschichte verschiedener Orte, aber an keine Details.“ „Ich mochte den Regen nicht.“

Die SchülerInnen dachten auch über Fragen in Zusammenhang mit den transversalen Schlüsselkompetenzen nach, z.B.: „Wo stehe ich als Person? Bin ich gut im Zusammenarbeiten mit anderen, im Ler-nen lernen? Habe ich ein kulturelles Bewusstsein, unternehmerische und Bürgerkompetenz?“ Sie wählten Metaphern um ihre sozialen Kompetenzen zu beschreiben: „Ich bin wie ein Käfer, ich versuche alles gut zu machen, aber ich will nicht der Beste sein.“ „Ich bin wie ein Hase, ängstlich und still.“ „Ich bin wie ein Löwe, untätig, bis sich die richtige Situation ergibt.“ „Ich bin wie ein Hahn, ich schwätze immer, aber wenn es ein Problem gibt, verschwinde ich in meinen Hühnerstall.“ „Ich bin wie ein Wasserfall. Ich kann meinen Mund nie halten und bin gerne der Anführer. Wenn etwas nicht so ist, wie ich es will, bin ich unglücklich.“ „Ich bin wie ein Affe. Manchmal blödle ich herum, aber meistens bin ich wie ein Löwe. Ich versuche, die Gruppe zu leiten.“ „Ich bin wie der Wind. Ich komme und gehe.“

Die SchülerInnen erzählen, wofür sie sich interessierten und warum: „Ich höre gerne Musik, weil sie Gefühle auslöst und ich dann mei-nen Gedanken besser Ausdruck verleihen kann.“ „Ich mag Judo, da kann ich meine Gefühle zeigen.“ „Ich diskutiere gerne, weil ich gerne meine Meinung mit anderen teile.“ „Liebe ist alles, was du brauchst.“ „Ich mag essen, weil es Energie gibt.“ Die SchülerInnen sagten auch, was sie gerne besser machen würden: „Mich interes-sierte die Geschichte, aber ich habe die anderen nicht motiviert und nie die Initiative ergriffen. Jetzt fühle ich mich deshalb schuldig. Du hast das gut gemacht.“ „Ich muss meine Gefühle besser in den Griff bekommen, auf der anderen Seite muss ich aber auch meine Meinung öfter kundtun.“ „Es war sehr lustig. Ich möchte mehr an der Stimmung in der Gruppe arbeiten.“

Dann wählten alle SchülerInnen eine Rolle für den Nachmittag und den nächsten Tag. Die Rolle zu wählen war ein individueller Prozess: Die SchülerInnen sollten ihren Interessen entsprechend wählen. Jede Rolle hatte eine bestimmte Aufgabe:

• Die RegiesseurInnen drehten ein Werbevideo über ihre Nachbar-schaft und zeigten darin die idyllischsten Orte.

• Die HistorikerInnen sollten eine Tour oder ein historisches Ereig-nis der Gemeinde erarbeiten. Sie sollten Bücher lesen und Bauten erforschen.

• Die PhilosophInnen machten sich Gedanken über eine ideale Ge-sellschaft, in der Armut vermieden werden kann. In einem Spiel und einer Runde „Philosophieren mit Kindern“ gaben sie Rat-schläge an die Politik; eine Methode nach Sokrates.

Ein pensionierter Spezialist der Universität erzählt von der Geschichte und den Pflanzen des Botanischen Gartens. Unglücklicherweise fand der Besuch an einem regnerischen Tag statt, was den Kindern hauptsächlich in Erinnerung blieb (Foto: Tiny ‘t Seyen)

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• Die ArchitektInnen sollten Pläne für die Restaurierung der St. Ja-kobs Kirche entwerfen.

• Andere Kinder interviewten Menschen aus der Gemeinde und be-fragten sie über ihre Bedürfnisse.

• SchauspielerInnen entwickelten Szenen zu urbanen Mythen.• Die SchriftstellerInnen schrieben ein Gedicht, Essay oder eine

Kurzgeschichte über das kulturelle Leben in der Gemeinde.• Die MusikerInnen sollten Lieder über das kulturelle Leben in der

Gemeinde schreiben.

SchülerInnen, die dieselbe Rolle wählten, wurden in Vierergruppen geteilt. Die meisten wollten Menschen in der Gemeinde interviewen, aber auch das Filmen war sehr beliebt. Es gab keine MusikerInnen, ArchitektInnen oder HistorikerInnen, dafür eine (geniale) Schriftstelle-rin. Die Gruppenmitglieder arbeiteten zusammen an ihren Aufgaben. Es gab Unterstützung von Seiten einer Lehrperson, jemanden von der Kulturvermittlung, einem Lehrenden oder Studierenden der Lehrerbil-dungsfakultät, die aber im Hintergrund blieben, nachdem sie einen kurzen Input gaben. Während des Arbeitsprozesses brachten sie nur neue Ideen ein, halfen dabei, Material zu sammeln und gaben neue Impulse, wenn dies von den SchülerInnen gewünscht wurde. Soweit möglich gestalteten die SchülerInnen aber ihre Aktivitäten selbst.

Das Ergebnis waren neue Ideen für die Vizebürgermeisterin der Stadt Löwen, Denise Vandevoort, die der Präsentation der SchülerInnen beiwohnte. Es war ein Erfolg. Der Inhalt war interessant, das Format oft kreativ und die SchülerInnen brachten die Dinge auf den Punkt. Sie zeigten, dass sie in der Lage waren, wichtige Informationen aus einer Fülle von Daten herauszufiltern. Danach hielt die Vizebürger-meisterin eine großartige Rede, in der sie auf einige Punkte der Prä-sentation einging und sie mit der Stadtpolitik verglich. Sie versicherte den SchülerInnen ihre Ideen interessant gefunden zu haben und die-se zu berücksichtigen. Die Jugendlichen, die sich vorher nicht zutrau-ten, so ein Projekt zu machen oder nicht daran interessiert waren, fühlten sich wertgeschätzt. Die Schulleiterin war beeindruckt von den versteckten Kompetenzen ihrer SchülerInnen.

Die fächerübergreifenden Tage endeten mit einer Schlussreflexion: „Was lernten die SchülerInnen in Bezug auf Kooperation, Lernen lernen, kulturelles Bewusstsein, unternehmerische und BürgerInnen-kompetenz? Wie können sie diese Fähigkeiten weiterentwickeln? Was mochten sie/was mochten sie nicht? Was sagt das über sie selbst aus?“

Es kamen viele verschiedene Reaktionen: „Ich lernte am meisten in der Zusammenarbeit mit anderen.“ „Ich will nichts über die Vergan-genheit lernen. Ich bin ein Mensch der Zukunft! Es kam beides im Projekt vor.“ „Manchmal ist es schwierig mit anderen zusammen-zuarbeiten“ „Ich ergreife nicht gerne die Initiative. Ich folge lieber anderen.“ „Wir waren immer höflich zu den Menschen, die wir inter-viewten. Wenn sie nicht gefilmt werden wollten, schrieben wir alles nieder.“ „Meine GruppenkollegInnen haben gar nichts gearbeitet. Ich fühlte mich verpflichtet die Führung zu übernehmen. Ich versuch-te, alle zusammen zu halten, aber ich fühlte mich nicht gut dabei.“ „Es hat Freude gemacht daran zu arbeiten, obwohl ich meistens nicht gerne arbeite.“ „Geschichte ist normalerweise keines meiner Lieb-lingsfächer. Heute war das anders.“

III.Kontakt

KH Leuven, Teacher Trainer DepartmentLeen Alaerts (lecturer) Kenny Goris and Kenny Elsen (Studierende) Adresse: Hertogstraat 1783001 HeverleeBelgienE-mail: [email protected]: www.khleuven.be

Mater Dei Annie Wellens (Schulleiterin)St-Jacobsplein 133000 LeuvenBelgienWebsite: www.mdleuven.be

Erfgoedcel LeuvenStadskantoor Rebecca Gysen en Tiny ‘t SeyenProfessor Van Overstraetenplein 13000 LeuvenBelgienE-mail: [email protected]: http://www.erfgoedcelleuven.be/

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I.ZusammenfassungdesProjekts

Schlüsselkompetenzen im Projekt:

Lernen LernenUnternehmerische KompetenzSoziale Kompetenz und BürgerkompetenzKulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeit

Die europäischen Kulturtage finden jedes Jahr statt. Sie wurden 1991 vom Europarat mit der Unterstützung der Europäischen Union ins Leben gerufen, in Anlehnung an die „Tage des Offenen Museums“, die 1984 vom französischen Kulturministerium gegründet wurden. Seit 2000 haben sich diese Tage zu Europatagen weiterentwickelt und es ist möglich, landesweit Kulturstätten zu besuchen. Verschie-dene Gebäude wie Kirchen, Theater, Schlösser, Privathäuser, Banken, Gerichtssäle, Rathäuser und Handelskammern öffnen Interessierten ihre Tore. In über vierzig europäischen Ländern und Regionen werden zwischen August und November Veranstaltungen organisiert, um die Entdeckung zahlreicher Gebäude und Orte zu ermöglichen, die sonst der Öffentlichkeit normalerweise nicht zugänglich sind oder nur sel-ten besucht werden. Der Eintritt ist an diesen Tagen frei oder zu-mindest ermäßigt. Diese europäischen Kulturtage bieten Menschen die Gelegenheit, einen kleinen Eindruck von der Diversität, aber auch Einheit unseres gemeinsamen europäischen Erbes zu bekommen.

Das reiche kulturelle Erbe von Saint Jean d’Angély steht im Mittel-punkt des Projekts, das untersucht und entdeckt werden soll. Die Bandbreite beinhaltet das wissenschaftliche und Naturerbe, sowie Verbindungen zu speziellen Themen, die jedes Jahr andere sind. Das Zentrum für Europäische Kultur, das in der Königlichen Abtei ange-siedelt ist, die Verantwortlichen für Belange des Kulturellen Erbes in Saint Jean d’Angély in Frankreich, und das Büro für Touristeninfor-mation von Saint Jean d’Angély entwickelten ein Projekt, das einer Gruppe von Kindern und Jugendlichen ermöglichte, diese zwei Tage zu organisieren. Sie waren für die Logistik, die Planung kultureller Aktivitäten und die Programmgestaltung zuständig. Die Zielgruppe des Projekts sind GrundschülerInnen im Alter von 8 bis 11 Jahren und 11- bis 15-jährige SchülerInnen der Sekundarstufe I.

In verschiedenen Teams schlüpfen die Jugendlichen in die Rollen lokaler GemeindevertreterInnen, von Kulturorganisationen, Touris-tenbüros, Sicherheitsverantwortlichen, GemeindebewohnerInnen, LehrerInnen, JournalistInnen, fremden BesucherInnen, älteren Men-schen und Menschen mit besonderen Bedürfnissen. In diesen Teams werden diverse Etappenziele und Ergebnisse definiert.

Was sind die konkreten Ziele des Projekts?

• Das Projekt soll durch die Erforschung des Umfelds den Entdecker-geist und die Organisationsfähigkeit fördern.

• Die SchülerInnen sollen beobachten und reflektieren lernen.• Durch den Besuch einer Kulturstätte sollen die SchülerInnen prak-

tisches Wissen erwerben und lernen, wie sie Zugang zu wichtigen Informationen bekommen und sich respektvoll verhalten.

• Sie sollen lernen, wie eine Veranstaltung und Aktivitäten organi-siert werden.

• Konstruktive Kooperation für ein gemeinsames Ziel und unterneh-merisches Engagement für das Projekt entwickeln.

• Die Möglichkeit erhalten, das Projekt in der eigenen Heimatstadt oder einer anderen europäischen Stadt zu durchzuführen, z.B. in einem Bildungskontext oder im Rahmen zukünftiger europäischer Austauschprogramme (z.B. zwei- oder dreisprachig).

• Die Gestaltung und richtige Verwendung von Informations- und Kommunikationsmedien z.B. die Planung einer Führung, Pro-grammhefte, Anschauungsmaterialien, eine Exkursion mit Zeit-plan, Verwendung von GPS etc.

Jugendliche organisieren europäische Kulturtage (FR)

(Foto: Frédéric Samuel)

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II.Projektbeschreibung

Im Projekt „Jugendliche organisieren europäische Kulturtage“ wird ein aktiver Zugang zur Entdeckung des kulturellen Erbes verwendet. Jugendliche werden ermutigt, das kulturelle Erbe für andere Men-schen attraktiver zu gestalten, indem sie die kulturelle Identität und die europäische Dimension miteinbeziehen. Die Jugendlichen ent-werfen und organisieren gemeinsam eine Unternehmung, gestalten ein Programm und berücksichtigen dabei ein sehr heterogenes Pub-likum.

Das Projekt soll Jugendliche befähigen:

• eine Bestandsaufnahme der kulturellen Ressourcen einer Stadt vorzunehmen, deren Charakteristika und ihrer Attraktivität für die Öffentlichkeit, ebenso wie möglicher logistischer Probleme.

• gemeinsam ein Programm für zwei Tage zu organisieren und zu koordinieren;

• Werbematerialien zu texten und gestalten;

• soziale Kontakte zu GemeindebewohnerInnen z.B. Gewerbetrei-benden, Institutionen, Einzelpersonen aufzubauen;

• sich des eigenen Beitrags und ihrer individuellen Rolle in dem Pro-jekt bewusst zu werden.

Die Herausforderungen für die SchülerInnen:

• sich einen kreativen Zugang und eine originelle Verbindung zur Stadtkultur zu überlegen.

• verschiedene Medien für die Konzeption und/oder Durchführung einer Führung zu nutzen.

• nach dieser Erfahrung Öffentlichkeitsarbeit für die Veranstaltung zu betreiben und die Veranstaltung in ihrer Heimatstadt zu orga-nisieren.

Die Veranstaltung kann ein oder zwei Tagen dauern. Es ist notwen-dig, den Lernfortschritt durch alle Projektphasen rückzumelden, so-dass die Arbeit voranschreiten kann. Zu Beginn des Projekts werden die Jugendlichen in verschiedene Gruppen eingeteilt. Jede Gruppe hat unterschiedliche und einander ergänzende Aufgaben und Rol-len. Jedes Team muss sich auf Ziele einigen, die erreicht werden sollen. Eine Gruppe könnte sich auf die Planung der Aktivitäten konzentrieren, ob sie eine bestimmte Kulturstätte einbezieht oder nicht, es kann z.B. ein Straßentheater oder ein musikalischer Spa-ziergang durch die Stadt geplant werden. Nachdem diese grund-legenden Entscheidungen getroffen wurden, geht es in die Stadt. Hier erforschen die SchülerInnen, ausgehend von ihrer Zielsetzung, die Dinge vor Ort, sammeln Informationen, Fotos und Dokumente und gehen ihren Recherchen nach. Dann reflektieren sie gemein-sam aus der von ihnen gewählten Rolle oder Perspektive heraus. Die SchülerInnen machen eine Bestandsaufnahme der möglichen Objekte und führen Interviews. Es wird analysiert, unter welchen Bedingungen und Voraussetzungen die Objekte/Orte besucht wer-den können und es werden unterschiedliche Lernwege entwickelt. Dann wird gemeinsam reflektiert und die gewählte Rolle in den Mittelpunkt gestellt. Ein Inventar möglicher Orte wird zusammen-gestellt, Interviews gemacht.

Danach werden die Veranstaltungen/Aktivitäten organisiert und in einem Programm zusammengefasst. Das Programm wird zusammen-gestellt und durchgeführt. Dabei ist zu berücksichtigten:

• Datum und Klima: Die europäischen Kulturtage finden am dritten Wochenende im September statt.

• Das Thema: Jedes Jahr wird ein neues Thema vorgeschlagen. Das Thema kann vor dem Besuch der Kulturstätte vorgegeben werden oder frei von der Gruppe gewählt werden.

• Ziele: Welche Schlüsselkompetenzen wollen die Jugendlichen ent-wickeln? Wie zeigt sich diese Entwicklung? Lernen lernen, soziale und Bürgerkompetenz, unternehmerische Kompetenz, kulturelles Bewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeit, Wissenschaft und Technik als Optionen.

(Foto: Jean-Claude Gardré)

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• Aktivitäten: Jedes Jahr besucht jeder französische Bürger/jede französische Bürgerin durchschnittlich eine oder mehrere der 16 000 Kulturstätten und Orte. Ein Viertel davon ist der Öffentlichkeit normalerweise nicht zugänglich. Fast 15 Millionen BesucherInnen kommen zu den 20 000 organisierten Veranstaltungen.

• Zugangsbedingungen: Der Besuch der Kulturstätten ist nicht un-bedingt gratis. Der Eintritt bei öffentlichen bzw. staatlichen Denk-mälern und Museen, die den Titel „Museum von Frankreich“ tragen, ist fast immer frei. Bei privaten Gebäuden und solchen, die unter die Verantwortung lokaler Behörden fallen oder öffentli-chen Einrichtungen, obliegen die Preise den BesitzerInnen.

• Sicherheit: Die Kulturstätten müssen den Sicherheitsstandards entsprechen, besonders in Bezug auf die maximal zulässige Besu-cherInnenzahl. Darüber müssen die SchülerInnen genau Auskunft geben.

• Kategorien: Orte von wissenschaftlicher oder industrieller Bedeu-tung können ebenfalls besucht werden. Kleine Ortschaften kön-nen der Öffentlichkeit ihr kulturelles, industrielles, architektoni-sches und geschichtliches Erbe präsentieren, das Teil ihrer lokalen Geschichte ist. Privateigentümer können auch im Rahmen dieser Veranstaltungen ihr kulturelles Erbe präsentieren. Die SchülerIn-nen sollen auch nach solchen Orten Ausschau halten.

AuszugausdemfranzösischenLehrplan

Das Projekt passt gut ins Fach „Kunstgeschichte“, das in Frankreich von der Grundschule bis in die Sekundarstufe unterrichtet wird. In ei-nem offiziellen Bulletin des französischen Bildungsministeriums steht: „Kunstgeschichte ist der Unterricht über die gemeinsamen Kultur. Zielgruppe sind alle SchülerInnen. Der Unterricht sollte von allen Leh-rerInnen unterstützt werden und alle Formen der Kunst thematisch einbeziehen. Ziel ist die allgemeine Erkenntnis, dass wir Teil einer ge-meinsamen Geschichte und Kultur und Zivilisationen sind und ein Teil der Weltgeschichte. Diese Weltgeschichte spiegelt sich unverkenn-bar in den Kunstwerken der Menschheit wider. Die Vermittlung von Kunstgeschichte liefert den Schlüssel, offenbart die Bedeutung, die Schönheit, die Unterschiedlichkeit und die Universalität.“

In der Kunstgeschichte trifft man auf Kunstwerke und ihre Schöpfer, sie erstreckt sich von der Urgeschichte bis in die heutige Zeit und behandelt verschiedene geografische und kulturelle Orte, regional, national, europäisch und global. Das Fach thematisiert zumindest sechs große Bereiche der Kunst: Städtische Kunst, Literatur, Alltags-kultur, Audiokunst, Tanz und Theater und Bildende Künste. In einem fächerübergreifenden Unterricht sollen pädagogisch wertvolle Situa-tionen geschaffen werden. Durch den Unterricht in Kunstgeschichte erkennen SchülerInnen die Bedeutung der Kunst, in der Geschichte von Ländern, Kulturen und Zivilisationen. Diese Stunden bieten die Gelegenheit, durch ein gemeinsames landesweites Projekt die Part-nerschaft von Schulen und der Welt der Kunst und Kultur zu stärken.

Projektreflexion

Das Projekt erlaubt eine Entwicklung im wirklichen Leben, die Or-ganisation der nächsten europäischen Kulturtage in einer Stadt aus der Sicht der jungen Leute und diese, oder einen Teil davon, mit ei-ner Klasse oder einer Jugendvertretung, wie sie in manchen Städten existiert, durchzuführen. Manchmal bringt die Teilnahme an diesem Projekt Pläne der Zusammenarbeit mit anderen europäischen Städten hervor, mit Austausch von Jugendlichengruppen, so wie es das Zent-rum St.Jean d’Angely seit 22 Jahren praktiziert.

Das Projekt zielt auch darauf ab, einen Zugang zu kulturellem Erbe für Bürger zu ermöglichen, sodass alle Menschen vom Zugang profi-tieren können. Dadurch kann Offenheit entstehen, soziale Aufmerk-samkeit und ein sinn für Vermittlung in der Gesellschaft.

Zukünftige Entwicklung: Eine Erfahrung in Zusammenarbeit mit ei-ner Jugendorganisation namens “Les Petits Débrouillards”, die in der öffentlichen Bildung in Wissenschaft und Umwelt tätig ist, ist daran interessiert , die Verwendung von technologischen entwicklungen wie ihr “Trek TIC” zu bewerben, Navigation und Internetressourcen. Diese Technologien warden bei der Entdeckung und Präsentation der Jugendlichen als Unterstützung eingesetzt können. Die Jugendlichen können damit Reiserouten, fächerübergreifende Wissensgebiete in Kultur, Wissenschaft und Umwelt für die nächsten europäischen Kulturtage gestalten.

III.Kontakt

Zentrum für Europäische Kultur Kontakt Person: Frédéric Samuel und Stéphane ColsenetAdresse: Abbaye Royale 17400 Saint Jean d’Angély FrankreichE-mail: [email protected] [email protected]@ac-poitiers.fr

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Als der Mensch noch ein Kind war: Eine Rei-se zur Entdeckung unserer Wurzeln

I.ZusammenfassungdesProjekts

Schlüsselkompetenzen im Projekt:

Lernen LernenUnternehmerische KompetenzSoziale Kompetenz und BürgerkompetenzKulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeit

Eine Grundschule und ein Archäologisches Museum. Eine sehr er-fahrene Lehrerin und ein junger Archäologe. Wie können wir die beiden zu einer gemeinsamen Lernerfahrung bringen? Dieser Her-ausforderung stellte sich eine Lehrerin der G. Carducci Grundschule in Bologna und ein Archäologe des Prähistorischen Archäologischen Museums L. Donini, in San Lazzaro di Savena (BO). Das Institut für Beni Artistici, Culturali e Naturali der Region Emilia-Romagna (IBACN) übernahm die allgemeine Koordination des Projekts. Die Hauptakteure waren aber die 24 Kinder der Pilotklasse 3 A, im Alter von 8 Jahren.

„Als der Mensch noch ein Kind war“ untersucht die Ursprünge der Menschheit und den historischen und kulturellen Beginn unserer Zivilisation. Die Wahl des Themas und die Methoden des Projekts halfen den Kindern in erster Linie die Schlüsselkompetenzen Kul-turbewusstsein, kulturelle Ausdrucksfähigkeit und Lernen lernen weiterzuentwickeln. Gleichzeitig wurden aber auch allgemeine Kompetenzen entwickelt, wie ein stärkeres Gemeinschaftsgefühl, soziale und zwischenmenschliche Beziehungen und unterneh-merische Kompetenz. Unter Berücksichtigung des Alters und der Fähigkeiten der Kinder, nutzte das Projekt die unmittelbare Ge-gend, die reich an archäologischen Schätzen ist und in der sich ein ungewöhnliches Museum sowie eine Park aus der Bronzezeit befinden. Die OrganisatorInnen entwickelten ein Projekt, dass den Kontext der wichtigsten historischen und kulturellen Stätten nutze und Wissen vermitteln sollte; beides ist wichtig für partizipatives, erfolgreiches und aktives Lernen. Es war ein Erlebnis, eine Reise durch die Zeit, die von den Kindern, in Form einer Broschüre, zu Papier gebracht wurde. Diese Broschüre wird es auch zukünftigen Klassen ermöglichen, nicht nur theoretisch sondern auch praktisch zu lernen, und das Gleiche zu tun, nur in einer für sie passenderen Art und Weise.

II.Projektbeschreibung

„Wie würdest du „prähistorisch“ definieren?“

„Eine große Menge Zeit, aus der es keine schriftlichen Doku-mente gibt.“

G. ein 8-jähriger Schüler, der am Projekt teilnahm.

Das allgemeine Ziel des Projekts „Als der Mensch noch ein Kind war“, ist die Förderung von Schlüsselkompetenzen durch die Vermittlung kulturellen Erbes. Um dieses Ziel zu erreichen wurde der Lehrplan der Grundschule auf die Lernmöglichkeiten, die das Museum bietet, abgestimmt. Der Ausgangspunkt war ein von den Kindern recher-chiertes Thema: Der Ursprung und die Evolution des Menschen. Auf diesem Thema basierend wurden zwei Lernwege konzipiert, einer führte ins Prähistorische Museum in der Provinz Bologna, der andere in einen Park der Provinz Modena. Auf diesen Lernwegen machten die Kinder Fortschritte bei der Entwicklung der Schlüsselkompeten-zen Kulturbewusstsein, kulturelle Ausdrucksfähigkeit und Lernen ler-nen. Auch allgemeine bürgerliche, soziale und zwischenmenschliche Fähigkeiten wurden erworben. Auch die unternehmerische Kompe-tenz wurde verstärkt, besonders in der letzten Phase des Projekts.

Zu Beginn des Projekts gab es eine Präsentation mit dem Titel „Wer ist der echte Archäologe?“. Mit Bildern wurde den Kindern die Pro-fession der Figur näher gebracht, die sie durch die Zeitreise, zu den Ursprüngen der Menschheit, begleiten sollte. Im Vorjahr lernten die SchülerInnen bereits die Konzepte Geschichte, Vergangenheit, Erin-nerung und die Bedeutung historischer Quellen kennen, so fiel die Präsentation auf fruchtbaren Boden und wurde zu einem Erfolg. Das Thema erweckte das Interesse der Kinder, die sich mit Freude für das Projekt engagierten, viele Fragen stellten und aktiv teilnahmen. Das „Erlebnis Lernen“ wurde außerhalb des Klassenzimmers in einem er-giebigen Lernumfeld fortgeführt.

Erster Halt was das Prähistorische Museum L. Donini. Am ersten Tag be-suchten die Kinder die Ausstellung, die aktuell im Museum gezeigt wur-de. Von den archäologischen Funden gingen sie weiter zu den wichtigs-ten Stufen der menschlichen Entwicklung und Evolution. Die Tour führte die Kinder vorbei an naturgetreuen Nachbauten und zu Installationen, die die Kinder aktiv nutzten. Einige Tage nach dem Museumsbesuch gab es eine Reflexion über den Ausflug. Das Leuchten in ihren Augen und ihre Kommentare verrieten, wie beeindruckt sie von dem Erlebnis waren.

Ein zweiter Besuch des Museums ermöglichte den Kindern die Anfänge der Menschheit hautnah und noch aktiver zu erleben. Der Weg führte

Quando l’uomo era ancora bambino: viaggio alla scoperta delle nostre origini (IT)

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von den Museumshallen in den Kunstvermittlungsraum, von der The-orie in die Praxis. In der ersten Übung sollten die Kinder in die Rollen von KünstlerInnen schlüpfen, wie sie vor Millionen von Jahren gelebt ha-ben könnten: paläolithische KünstlerInnen. Um sich leichter in die Rollen versetzen zu können, wurden den Kindern zum Einstieg Bilder gezeigt. Dann konnten sie sich handwerklich betätigen und lernten Techniken, die tatsächlich von Urmenschen genutzt wurden. Die zweite Übung be-leuchtete einen anderen kulturellen Aspekt. Um sich mit den Handwerks-künsten der Vergangenheit vertraut zu machen, bekam jedes Kind einen prähistorischen Bohrmeißel, mit dem es ein Ornament fertigen sollte. Die Kinder erfuhren wie zeitaufwändig diese Arbeit war, besonders, wenn man sie mit der modernen Technik vergleicht. Sie dachten darüber nach, wie Urmenschen mit ihrer Zeit umgingen, wie viel körperliche Arbeit er-forderlich war und welche physische Anstrengung das bedeutete. Die Zufriedenheit der Kinder nachdem sie ihre eigenen, handgemachten Ar-beiten in den Händen hielten, trotzte jeder Beschreibung.

„Diese Arbeit erweckte meine Leidenschaft für die Archäologie..“

L. ein 8 Jähriger Schüler, der am Projekt teilnahm.

Der zweite Halt der „Zeitreise“ war der archäologische Park und das Freilichtmuseum Terramara in Montale, im Gemeindebezirk Monta-le Rangone, in Modena. Hier stehen zwei nachgebaute Hütten, die charakteristisch für Dörfer der Bronzezeit sind. Im ersten Teil des Ta-ges erkundeten die Kinder die Hütten. Der Ort und die Atmosphäre machten sie neugierig auf das Leben in der Bronzezeit. Sie stellten viele Fragen und hatten viele Ideen. Hier folgte die Praxis der Theorie. Es war einer der lebendigsten Momente des Lernwegs. Die Kinder wurden mit der Ausrüstung eines Archäologen ausgestattet: Pinsel, Hohlspatel, Eimer, Sieb, Kniematte und sogar ein Helm!

Jetzt begann die aufregende archäologische Ausgrabung. Die erste Erdschicht wurde entfernt, um an die darunter verborgenen Infor-mationen zu gelangen. Die Kinder waren sehr beeindruckt von der archäologischen Ausrüstung, die sie benutzen durften. Nachdem die erste Schicht Erde entfernt wurde, sollten die Kinder erklären, was sie darunter erkannten. Sie wandten ihr Wissen an, das sie im ersten Teil des Tages erworben hatten und konnten alle gefundenen Objekte und Teile korrekt erkennen.

Die Übung endete im Kunstvermittlungsraum, wo die Kinder ihre Funde untersuchten und ihre Beobachtungen in ein Formular eintru-gen. Sie verstanden sogar die Details der wichtigsten Aspekte:

„Das Warten auf jede neue Entdeckung war spannend“M. ein 8-jähriger Schüler, der am Projekt teilnahm.

„Ich ging, wo bereits meine Urahnen gingen“A. eine 8-jährige Schülerin, die am Projekt teilnahm.

In der Reflexion darüber, wie man die gewonnen Informationen auch für die Zukunft und für andere Klassen nutzbar machen könnte, schlugen die Kinder vor eine kleine Broschüre zu gestalten, die die wichtigsten Episoden ihrer Zeitreise enthalten sollte. In der Broschüre wurden alle Ideen und Eindrücke ihrer Zusammenarbeit verarbeitet. Das half ihnen, ihre Erfahrungen zu verarbeiten und war der Beginn einer Reflexion über die kulturelle und emotionale Bedeutung ihres Lernwegs.

Am Ende des Projekts hielten die Kinder eine kurze Präsentation, eine Zusammenfassung der Höhepunkte ihrer Zeitreise. So teilten sie ihre Erfahrungen mit ihren Eltern. Sie organisierten auch den Verkauf ih-rer selbstgemachten Produkte wie Zeichnungen, Gravuren und Orna-mente. Wofür sie das Geld aus dem Verkauf verwenden, müssen sie erst noch entscheiden.

Das Prähistorische Museum ‘L. Donini’ (BO). Kinder bei der Arbeit mit prähistorischen Bohrmeißeln (Foto: Andrea Scardova)

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III.Kontakt

Scuola Primaria ‘G. Carducci’Kontakt Person: Patrizia NaldiAdresse: Via Dante 5 40125 Bologna ItalienTel. + 39 051 342390

Museo della Preistoria ‘L. Donini’Kontakt Person: Elena ToniniE-mail: [email protected][email protected]: Via Fratelli Canova 49 40068 San Lazzaro di Savena Bologna ItalienTel. + 39 051 465132Website: www.museodellapreistoria.it

Der archäologische Park und das Freilichtmuseum Terramara in Montale (MO): Die kleinen ArchäologInnen während einer simulierten Ausgrabung.

(Foto: Andrea Scardova)

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I.ZusammenfassungdesProjekts

Schlüsselkompetenzen im Projekt:

Lernen LernenUnternehmerische KompetenzSoziale Kompetenz und BürgerkompetenzKulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeit

“Lukas van Leyden und seine Zeit” ist ein Projekt in dem Grund-schülerInnen die transversale Schlüsselkompetenzen erwerben sollten, die im Fokus des Aqueduct-Projekts stehen: Lernen lernen, Unternehmerische Kompetenz, Soziale Kompetenz und Bürger-kompetenz, Kulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeit sollen durch selbstbestimmtes Lernen über den berühmten Maler aus Leiden, Lukas van Leyden, und seine Zeit erworben werden. Im Schuljahr 2010/2011 beschäftigten sich 90 SchülerInnen, im Alter von 10–12 Jahren, in Gruppenarbeiten mit Malerei, Hand-werk, Essen und Kleidung im Spätmittelalter. Die Ergebnisse dieser Auseinandersetzung und die Kompetenzen, die die Kinder erwar-ben, wurden anderen Klassen der Schule, zu Beginn des jährlichen Straßentheaterfests der Schule und dem mittelalterlichen Markt am Ende dieses Festes, präsentiert.

II.Projektbeschreibung

Nach einer Einführung in das Projekt, durch Geschichten und Mu-sik aus dem Mittelalter, arbeiteten die Kinder der Lukas van Leyden Schule in Gruppen. Sie begannen mit einer Mindmap, auf der sie die Fragen festhielten, die sie gerne recherchieren und beantworten wollten. Sie planten, wie sie zu den Antworten auf ihre Fragen kom-men wollten. Die LehrerInnen kontaktierten bereits im Vorfeld ver-schiedene Vermittler kulturellen Erbes, das Museum ‘De Lakenhal’, das Archäologische Zentrum von Leiden, das Boerhaave Museum und das ‘Het Penningenkabinet’ in Utrecht. So waren die Instituti-onen darüber unterrichtet, dass sie über die Dauer des Projekts ver-mehrt Anfragen von Kindern erhalten würden. Die LehrerInnen leite-ten die Gruppen bei ihren Nachforschungen an und halfen ihnen bei der Kontaktaufnahme mit den Kulturvermittlern. Eltern begleiteten die SchülerInnen bei den Museumsbesuchen und unterstützen sie vor Ort. Die Kinder sollten regelmäßig ihren LehrerInnen und Klassenka-meradInnen über ihre Fortschritte berichten.

Im Mai 2011, zu Beginn des jährlichen Straßentheaterfestes, präsen-tierten die Kinder ihre Ergebnisse der ganzen Schule. Eine Gruppe von SchülerInnen und LehrerInnen bereitete eine mittelalterliche Pro-zession vor. Begleitet von Musik aus dem Mittelalter spazierte eine Gouvernante und ihre Gefolgschaft über den Schulhof. Dann wur-de das Fest offiziell von einem Herold eröffnet. Dem Eröffnungspro-gramm folgten die Präsentationen der SchülerInnen und LehrerInnen,

Lukas van Leyden und seine Zeit (NL)

Kinder bei der Arbeit (photo: Anne Bakema)

Die Gouvernante und ihre Gefolgschaft (Foto: Anne Bakema)

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mit vielen Informationen über den Maler Lukas van Leyden und seine Zeit. Die SchülerInnen präsentierten ihre Forschungsergebnisse den anderen Klassen, die sich in den darauf folgenden Wochen dem The-ma widmen sollten. Am Ende des Fests gab es für die SchülerInnen und ihre Eltern einen mittelalterlichen Markt, mit Spielen, Kalligrafie Workshops, Filzen, mittelalterlicher Musik, Theaterstücken von Schü-lerInnen und mittelalterlichen Tänzen.

Die SchülerInnen lernten in diesem Projekt anders als sonst. Anstatt dass die LehrerInnen die Informationen über ein Thema einfach be-reitstellten und den SchülerInnen darüber erzählten, mussten die Kinder selbst Informationen über Lukas van Leyden und seine Zeit recherchieren und sie den anderen Klassen präsentieren. Sie lernten zusammenzuarbeiten, Aktivitäten zu planen und Informationen aus vielen verschiedenen Quellen zu gewinnen. Durch die Zusammenar-beit, die Erstellung von Power-Point-Präsentationen und die Präsen-tationen vor den anderen Klassen, erwarben sie sich ihre Kompe-tenzen. Die Ergebnisse übertrafen die Erwartungen der LehrerInnen.

In der Reflexion über das Projekt merkten die LehrerInnen, wie ar-beitsintensiv kompetenzorientiertes Arbeiten für sie selbst war. Dabei entwickelten sie selbst neue (organisatorische) Kompetenzen, was die Gruppeneinteilung, die Organisation der Begleitung durch Eltern und die Einbeziehung der Kulturvermittler anbelangt. Die Resultate waren so überzeugend, dass für nächstes Jahr ein schulweites, kom-petenzbasiertes Projekt geplant ist.

III:Kontakt

Lucas van LeydenschoolKontakt Person: Katinka den Os-TukkerAdresse: Vliet 20 2311 RE Leiden NiederlandeTel: + 31 (0)71 5121675E-mail: [email protected]: http://www.lucasvanleydenschool.nl/

Archaeological Centre LeidenTeam Monumenten en ArcheologieKontakt Person: Barbara GumbertAdresse: Hooglandse Kerkgracht 17C2312 HS LeidenNiederlandeTel: +31(0)715167960E-mail: [email protected]: http://erfgoed.leiden.nl/

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I.ZusammenfassungdesProjekts

Schlüsselkompetenzen im Projekt:

Lernen LernenUnternehmerische KompetenzSoziale Kompetenz und BürgerkompetenzKulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeit

Ziel des Projekts, das von der Janusz Korczak Schule (Komplex Nr. 2) in Brody durchgeführt wurde, war es, mehr über die Geschichte und die Arbeit von Wojciech und seiner Frau Aneri (Irena) Weiss zu lernen. Die Namen dieser beiden Künstler sind in allen Kunstenzyklopedien und Lexika zu finden, aber dort, wo die beiden lebten und arbeiteten, sind sie weitgehend in Vergessenheit geraten. Der Lehrer der Janusz Korczak Schule (Komplex Nr. 2) wollte den Kindern bewusst machen, dass das lokale kulturelle Erbe ein Kapital und eine Inspiration für kreative Übungen ist. Es war ihm wichtig zu zeigen, dass Lernen Spaß machen kann und der Erwerb von Wissen und Fähigkeiten auch au-ßerhalb des Klassenzimmers möglich ist.Das Projekt des Aqueduct Partners Małopolski Instytut Kultury (MIK) fielen zufällig mit der Planung des “Wojciech Weiss Wanderwegs” in Kalwaria Zebrzydowska zusammen, an dessen Realisierung die Menschen aus der Gegend, Kulturförderungsinstitutionen und der Stadtrat gemeinsam arbeiteten. Das Projekt wurde von Teresa Marta Hordziej, einer Kunstlehrerin, geleitet. Eine Gruppe von 11 Schüle-rInnen im Alter von 12 Jahren nahm an dem Projekt teil. Es gibt nur sehr wenige so kleine Klassen in Polen. Eine Schülerin der Gruppe war ein Mädchen mit Hörschwäche und Sprachbeeinträchtigung, die einer besonderen Betreuung durch die Lehrerin und die Gruppe be-darf. In der Gruppe war auch ein eher individualistischer Schüler, der Schwierigkeiten hatte, sich in die Gruppe zu integrieren und soziale und schulische Regeln nicht akzeptierte. Das Projekt dauerte von De-zember 2010 bis April 2011.

II.Projektbeschreibung

Brody ist eine kleine Stadt in der Nähe von Kalwaria Zebrzydows-ka, einem seit 400 Jahren beliebten Wallfahrtsort. In der Mitte der Stadt befindet sich das Zisterzienserkloster, das gemeinsam mit dem umliegenden Park und den zahlreichen Barockgebäuden von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt wurde. Brody und Kalwaria Zeb-rzydowska sind seit dem 19. Jahrhundert für ihr Kunsthandwerk be-kannt. Die Stadt steht im Schatten des Klosters. Neben der jährlichen Einrichtungsmesse gibt es nicht viel, was die Stadt den Massen an

WallfahrerInnen und BesucherInnen bieten könnte, die nur durch die Stadt ziehen, um zu dem Altar auf dem Hügel gelangen.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts zog der berühmte Maler und Pro-fessor der Bildenden Künste Woijciech Weiss nach Kalwaria Zebrzy-dowska. Er gilt als einer der bedeutendsten polnischen Maler des 20. Jahrhunderts. Sein Haus in Kalwaria Zebrzydowska gibt es noch. Dort arbeitete er mit seiner Frau Irena Weiss, die ebenfalls Malerin war.

Das erste Treffen mit den SchülerInnen sollte sie mit dem Aqueduct-Projekt vertraut machen. Die Kinder waren sehr stolz darauf, Teil ei-nes so wichtigen und angesehenen, internationalen Projekts zu sein. In Wörterbüchern, Enzyklopädien und Lexika suchten sie nach dem Begriff “Aquädukt”. Sie fertigten Zeichnungen und Bilder von zeit-genössischen Aquädukten an und waren sehr beeindruckt von dem Logo, das Marcin Klag von MIK entworfen hatte.

In einem Gespräch mit den SchülerInnen stellte sich die Frage, ob es neben dem berühmten Kloster in ihrer Umgeben etwas gäbe, mit dem man angeben und das man TouristInnen zeigen könnte. Dazu sahen sie sich eine Landkarte von Kalwaria Zebrzydowska in der Schulbibliothek an. Die SchülerInnen fanden Straßen, die nach berühmten Polen wie Adam Mickiewicz, Mikołaj Zebrzydowski und Johannes Paul II benannt waren. Sie fanden auch eine kleine Straße, die den Namen Weiss trug. Es wurden einige Fragen gestellt: “War-um werden Straßen nach Menschen benannt und welche Bedeutung muss man haben, damit eine Straße nach dir benannt wird? Wenn nach Weiss eine Straße benannt wurde, dann muss er für Kalwaria wichtig gewesen sein. Wer war er? Wo hat er gelebt? Welche Verbin-dung hat er zu der Stadt?” Die Klasse unternahm einen Spaziergang zur Weiss-Straße. Es ist eine kleine Straße zwischen Wohnblöcken inmitten einer Wohnsiedlung. Die SchülerInnen suchten nach Spuren des Künstlers, nach Namensschildern, einer Beschreibung oder an-deren Hinweisen. Aber es gab nichts. Sie befragten BewohnerInnen und Vorbeigehende. “Wer war Weiss?” Die Antworten waren unter-schiedlich. Einige behaupteten, er war ein Schriftsteller oder Dichter, andere hielten ihn für einen Politiker. Nur einer wusste, dass Weiss ein Maler war. Doch niemand konnte mehr sagen. Niemand kannte das Haus des Künstlers. Die SchülerInnen suchten weiter in der Schul-bibliothek. Gemeinsam mit ihrem Lehrer entdeckten sie im Internet die Seite der Wojciech Weiss Museumsstiftung in Krakau. Sie fanden heraus, dass das Museum von zwei noch lebenden Enkelinnen des Künstlers geleitet wird. Die SchülerInnen verfassten einen Brief, in dem sie sich vorstellten und um ein Treffen baten.

Zur selben Zeit fand im Schloss von Sucha Beskidzka eine Ausstel-lung mit Bildern von Wojciech und Irena Weiss statt. Die SchülerIn-nen waren noch nie in dem Schloss. Das Renaissanceschloss in Sucha

Auf den Spuren von Wojciech und Aneri Weiss (PL)

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Beskidzka wird manchmal auch “Kleines Wawel” genannt, nach dem Wawel Schloss in Krakau, das eines der schönsten Orte in Polen ist. In den Räumen des Schlosses sahen die Kinder Landschaftsmalereien, Portraits, Stillleben und andere Arbeiten aus der Zeit als Weiss Selbst-portraits, Meereslandschaften und Erinnerungen an Italien malte. Aufmerksam lasen die SchülerInnen die Erklärungen auf den Schil-dern, die Aufschluss über das Datum und den Ort gaben, an dem das jeweilige Bild entstanden war. Viele Bilder zeigten das Haus und den Garten, in dem das Ehepaar in Kalwaria Zebrzydowska lebte, andere zeigten Familienszenen, die Kinder und die Eltern der Künstler. Es wurde auch ein Film über das Leben und die Werke dieser Künstler-familie gezeigt. Die Kinder besuchten auch eine Ausstellung über die Kunst in der Gotik, was ein weiteres Thema im Kunstunterricht war.

Nach dem Besuch des Schlosses entschieden die SchülerInnen, sich auf die Suche nach dem Haus von Weiss in Kalwaria Zebrzydowska zu machen. Es war Winter, auf dem Garten lag eine Schneedecke und das Haus war verschlossen. Die Aussicht aus den Fenstern zeig-te, dass die Familie den Winter hier verbracht haben musste. Viele ihrer Bilder zeigten das Haus in einer Winterlandschaft. Zurück in der Schule sahen sich die Kinder die Fotos von ihrem Ausflug an und es fiel ihnen auf, dass auf vielen der Bilder von Weiss’ Frau der Name ANERI stand. Im Namensverzeichnis kam ANERI nicht vor. Der Schü-ler, der für seine Anpassungsschwierigkeiten, aber auch seinen Frei-geist bekannt war, entdeckte dass ANERI Irena rückwärts geschrieben ist. Ein linguistisches Wortspiel nahm seinen Lauf. Der Polnischlehrer erklärte, dass man das ANAGRAMM nennt. Alle SchülerInnen ver-wandelten ihre Namen in Anagramme. Jeder/jede wählte auch einige Bilder aus, die ihm/ihr besonders in Erinnerung geblieben sind und die er/sie besonders mochte.

Auf die Einladung von Zofia Weiss Nowina-Konopka, der Enkelin des Künstlers, besuchten sie die Wojciech Weiss Museumsstiftung in Kra-kau. Die Stiftung, die von ihr geleitet wird, möchte die künstlerischen Werke von Wojciech Weiss der Öffentlichkeit zugänglich machen. Ein weiteres Ziel ist es, ein Wojciech Weiss Zentrum in Kalwaria zu eröffnen. Alle SchülerInnen erhielten ein Album mit Malereien des Künstlers als Geschenk.

Was folgte, war ein Sturm künstlerischen Ausdrucks: Die Kinder wur-den zu KünstlerInnen. Die Themen und Kunsttechniken von Wojciech Weiss und Aneri wurden gemeinsam mit dem Lehrer analysiert. Jede/r erinnerte sich an ein anderes Bild oder künstlerisches Motiv. Im ersten Workshop malten die Kinder mit Acrylfarben, die in einem Kunst-laden in Krakau gekauft worden waren. Sie sahen so einen Laden zum ersten Mal von innen und begaben sich auf ein künstlerisches Abenteuer. Sie waren beeindruckt von der freundlichen Unterstüt-zung des Verkäufers und angetan von der ihnen bis jetzt unbekann-ten Maltechnik. Die Konzentration im Kunstraum überraschte sogar die Kunstlehrerin.

“Ich kann mich nicht erinnern, dass die Kinder jemals so konzentriert

waren und sich bewusst auf eine kreative Aktivität eingelassen ha-ben. Solche Kunstwerke hätte ich nicht erwartet. Alle waren moti-viert von der Idee, dass es bald eine Ausstellung der eigenen Werke geben sollte.”

Eine weitere neue Kunsttechnik für die Kinder war das Malen mit Pastellfarben. In der Analyse der Arbeiten von Wojciech und Aneri Weiss fanden Lehrer und SchülerInnen eine Fülle von Pflanzenmo-tiven, Blumen und blühenden Bäumen. Beim Nachschlagen in ihren Alben entdeckten sie, wann und wo die Bilder gemalt wurden und in wessen Sammlung sie sich heute befinden. Eine “Blumen-Galerie” wurde zusammengestellt. Da dies im Kunstsaal geschah, kamen auch andere SchülerInnen vorbei. Auch sie wollten das Thema im Unter-richt behandeln.

Weiss benutzte auch eine weitere Technik mit lavierter Tusche. Es ist eine sehr subtile Zeichen- und Malmethode, die von japanischen Zeichnungen inspiriert und oft von Jugendstilmalern angewandt wurde. Ein weiteres Thema waren Tiere am Bauernhof: Hunde, Katzen, Hennen, Truthähne, ein Hahn und eine Ente. Obwohl die Kinder eigentlich am Land leben, sieht man solche Tiere recht sel-ten in den Gärten. Das letzte Thema der Stunde waren Skizzen. Die Kinder fertigten eine kleine Galerie von Skizzen an. Der “Kunst-marathon” trug beachtlich zur Weiterentwicklung der Kreativität, Wahrnehmung, Konzentration und künstlerische Sensibilität der Kinder bei.

Alle Bilder wurden mit einem Text versehen und gerahmt. Im darauf folgenden Schritt designten die Kinder Poster und Einladungen für eine Vernissage. Die durchschnittlichen BesucherInnen und Kunstre-zipientInnen merken gar nicht, wie viel Arbeit hinter der Organisati-on einer Vernissage steckt. Einladungen müssen entworfen und ge-druckt werden, eine Gästeliste erstellt, Einladungen verschickt, Bilder

Kinder studieren Weiss’ Wasserfarben Technik (Foto: Teresa Maria Hordziej)

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gerahmt, die Ausstellung vorbereitet, ein Buffet mit Kaffee und Limo-nade gemacht und Ansprachen geschrieben werden und vieles mehr.

Die Vernissage wurde vom Bürgermeister und seinem Stellvertreter, den Freunden der Kalwaria Gesellschaft, lokalen KünstlerInnen, ei-nem MIC Repräsentanten aus Krakau, LehrerInnen, den Eltern der Kinder und den Kindern der Projektklasse besucht. Alle BesucherIn-nen nahmen an einem “Anagramm-Spiel” teil und ein kurzer Film über Wojciech Weiss wurde im Filmzimmer gezeigt. Am Ende wur-den die jüngsten TeilnehmerInnen dazu eingeladen, ein Puzzlespiel, das aus einem Kalender gefertigt wurde, zu spielen. Wojciech Weiss’ Enkelin hatte Geschenke für die Projektgruppe vorbereitet, die vom Bürgermeister von Kalwaria verteilt wurden. Einige LehrerInnen frag-ten, ob man die Ausstellung auch in ihren Schulen zeigen könnte. Ein Artikel und eine Fotogalerie über die Vernissage wurden auf die Website der Schule gestellt.

“Das wichtigste an unseren Aktivitäten war es, den Kindern die Be-deutung ihrer eigenen kulturellen Identität bewusst zu machen. Kul-turschaffende dürfen nicht nur in einer so kleinen Stadt wie Kalwaria Zebrzydowska nicht in Vergessenheit geraten, sondern nirgendwo in Polen. Dieses Jahr beenden die ProjektteilnehmerInnen die Grund-schule und werden die Mittelstufe in der Umgebung besuchen. Un-sere Arbeit will die Weiterentwicklung der Schlüsselkompetenzen von Lernenden vorantreiben. Ein Aspekt dieses Pilotprojektes ist von besonderer Bedeutung. In der Zusammenarbeit kam es nie zu Kon-kurrenzdenken, niemand wollte besser sein als der/die andere. Die Kinder motivierten einander, als sie erkannten, wie ihre Arbeit von den Erwachsenen, LehrerInnen und Eltern aufgenommen wurde. Alle fühlten sich wichtig. In der Gruppe gibt es einige SchülerInnen mit Lernschwierigkeiten, die nicht die von ihnen erwarteten Ergeb-nisse erbringen. Aber die Atmosphäre, die aus den gemeinsamen

Ausflügen und Treffen resultierte, brachte alle näher zusammen. Sie alle fühlen sich für einander verantwortlich. Es entstand Solidarität, sie sind alle darum bemüht, einander beim Erlernen von Fremdspra-chen und anderen schwierigen Fächern zu helfen. Die SchülerInnen wurden sehr offen, erkannten ihren Wert und den Wert von Individu-alität - jedes Kind ist anders. Eine Schule ist nicht immer ein freundli-cher Ort. Hier sind die Kinder erfolgreich und hier scheitern sie auch, was ihre Persönlichkeitsentwicklung sehr beeinflussen kann. Die Monate der gemeinsamen Unternehmungen und intensiven Arbeit wurden nicht nach Schulnotensystem bewertet. In dieser Zeit ist ein wichtiges, gemeinsames Gut entstanden. Die Erwachsenen, denen die Kinder in ihrem Projekt begegnet sind, zeigten ihnen Sinn für Kultur, was ihnen als Beispiel und Vorbild dienen könnte.

Dank der Unternehmungen der Wojciech Weiss Museumsstiftung wird ein Teil des Museums in Kalwaria Zebrzydowska errichtet. Das Haus von Wojciech Weiss wird einmal die Woche der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die SchülerInnen des Aqueduct-Projektes wer-den dort als Ehrengäste willkommen sein.

III.Kontakt

Małopolski Instytut KulturyAdresse: ul. Karmelicka 27 31-131 Kraków PolenTel.: +48 12 422 18 84Fax: +48 12 422 55 62E-mail: [email protected] Website: www.mik.krakow.pl

Zespół Szkół nr 2 im. Janusza KorczakaBrody 47934-130 Kalwaria Zebrzydowska PolenTel.: +48 33 8766550E-mail: [email protected]: www.szkolabrody.pl

Junge KünstlerInnen mit ihren Reproduktionen von Wojciech Weiss’ Werken (Foto: Teresa Maria Hordziej)

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I.ZusammenfassungdesProjekts

Schlüsselkompetenzen im Projekt:

Lernen LernenUnternehmerische KompetenzSoziale Kompetenz und BürgerkompetenzKulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeit

“König Matthias, der Gerechte” war ein Pilotprojekt für 7- bis 8-jäh-rige SchülerInnen des Bathory Istvan Elmeleti Liceum. Jedes Land hat seine eigenen historischen Figuren, auf die es stolz ist. Für Ungarn ist das König Matthias der Gerechte, wie die Leute ihn heute noch nen-nen. Er regierte in Ungarn von 1458 bis 1490. Es gibt zahlreiche Mär-chen und Geschichten über den König, seinen Sinn für Gerechtigkeit und seine Angewohnheit, sich als armer Mann zu verkleiden, um die einfachen Leute kennenzulernen und um ihre Probleme zu erfahren. Wegen dieser erbaulichen und für Kinder auch lustigen Geschichten, ist König Matthias vielleicht die historische Figur, die ungarischen Kin-der am besten kennen. Sie lernen ihn schon in ganz jungen Jahren durch diese Märchen und Geschichten kennen.

Das Projekt fand im April 2011 im Bathory Istvan Elmeleti Liceum in Cluj statt mit 26 SchülerInnen der ersten Klasse, die zweimal wö-chentlich an unterschiedlichen Aktivitäten teilnahmen.

II:Projektbeschreibung

Jedes Land hat seine eigenen historischen Figuren, auf die es stolz ist. In Ungarn ist dies unter anderen, König Matthias “der Gerechte”, wie er heute noch von den Leuten genannt wird. Er regierte in Un-garn von 1458 bis 1490. Es gibt zahlreiche Märchen und Geschich-ten über König Matthias, seinen Sinn für Gerechtigkeit und seine Angewohnheit sich als armer Mann zu verkleiden um die einfachen Leute kennenzulernen und um ihre Probleme zu erfahren. Wegen dieser erbaulichen und für Kinder auch lustigen Geschichten ist König Matthias vielleicht die historische Figur, die ungarischen Kinder am besten bekannt ist. Die Kinder finden ihn sympathisch wegen seiner Rechtschaffenheit, seiner guten Taten, seiner Intelligenz und seines schnellen, beweglichen Verstandes.

Durch die Märchen und Geschichten im Projekt “König Matthias” werden die Kinder nicht nur mit der historischen Figur und ihren Ta-ten vertraut, sie lernen auch über die Menschen, die in dieser Zeit

lebten, ihre Art über das Leben nachzudenken und es zu verstehen, und über die Welt in dieser Zeit im Allgemeinen. Das wichtigste Ziel dieses Projekts war es, den Kindern ihre eigene Geschichte näher zu bringen, und ihnen durch die Entdeckung der Vergangenheit ihren Wert zu vermitteln. Am Ende des Projektes sollten die Kinder ihre sozialen Kompetenzen weiterentwickelt haben, besser kommunizie-ren und miteinander arbeiten können, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen.

Das Projekt fand im April 2011 in der Bathory Istvan Mittelschule statt, mit 26 SchülerInnen der ersten Klasse, die zweimal wöchentlich an verschiedenen Aktivitäten teilnahmen. Zuerst lernten die Kinder König Matthias, die historische Figur kennen, der in Cluj-Napoca, in Kolozsvár, geboren wurde. Die Kinder besuchten sein Geburtshaus, das eines der meist besuchten Orte der Stadt ist. Hier lernten sie mehr über den wichtigsten Wesenszug dieses beliebten Königs: seine Rechtschaffenheit. Danach besuchten sie die Schule und das Kloster in dem der König als Kind angeblich unterrichtet wurde. Sie erkun-deten den mittelalterlichen Teil der Stadt, die Überreste der Mauer und der Festung. Die Kinder bekamen eine Vorstellung davon, wie die Stadt zu Zeiten Matthias aussah. Sie sahen auch den am besten erhaltenen Teil der Festung, den Taylor Turm, in dem eine Ausstellung über König Matthias stattfand.

Im nächsten Schritt nahmen die SchülerInnen an unterschiedlichen Aktivitäten teil. Sie wählten je nach Interesse ein Thema, an dem sie

König Matthias: der Gerechte (RO)

(Foto: Emese Vajnar)

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arbeiten wollten. Daraus ergaben sich unterschiedlich große Grup-pen. • Die erste Gruppe erforschte die Welt des Mittelalters in Büchern.

Die Codices, ‘Corvinas’ genannt wurden für den König geschrie-ben und per Hand dekoriert. Seine Krone, die schwarze Krähe, war am Cover abgebildet. Sie analysierten die wichtigsten Merk-male und gestalteten dann selbst ein Buch.

• Die zweite Gruppe sah sich Bilder von ungarischen Münzen aus der Zeit Matthias’ an. Sie reproduzierten die Münzen aus Ton.

• Die dritte Gruppe analysierte Bilder und Geschichten über die “Schwarze Armee”, die private Armee des Königs. Sie bauten Schilde aus dieser Zeit.

• Die letzte Gruppe schrieb ein Theaterstück, basierend auf einer Geschichte, die sie selbst wählten. Sie bastelten Puppen, mit de-nen sie am Ende des Projekts ein Puppentheater aufführten.

Jede Aktivität wurde selbst bestimmt durchgeführt. Jede/r SchülerIn konnte selbstständig arbeiten und so viele Informationen, wie er/sie selbst für wichtig hielt, aus den Büchern und Bildern sammeln.

Am Ende des Projekts organisierten die Kinder eine Ausstellung mit allem, was sie produziert hatten. Sie präsentierten ihre Arbeit auch untereinander in Gruppen und anschließend den Kindern aus ande-ren Klassen. Die Ausstellung war der wichtigste Motivationsfaktor. Durch die Präsentation eines Themas und eines eigenen Produkts konnten sie ihr Wissen demonstrieren.

Die SchülerInnen haben normalerweise erst ab der 4. Klasse Ge-schichte. Dieses Projekt zeigt, dass das Interesse an Geschichte und bedeutenden historischen Figuren bereits früher geweckt werden kann.

III.Kontakt

Bathory Istvan Elmeleti LiceumKontakt Person: Emese Vajnar Adresse: Str. Kogalniceanu Nr. 2 Cluj-NapocaRumänienE-mail: [email protected]: http://www.bathory.ro/

Babes-Bolyai UniversitätFakultät für Geschichte und PhilosophieAdresse: Str. Kogalniceanu Nr. 1 Cluj-Napoca RumänienKontakt Person: Szilard TothE-mail: [email protected]: http://www.ubbcluj.ro/

Visiting the statue of King Mathias in the center of Cluj (Foto: Emese Vajnar)

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I.ZusammenfassungdesProjekts

Schlüsselkompetenzen im Projekt:

Lernen LernenUnternehmerische KompetenzSoziale Kompetenz und BürgerkompetenzKulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeit

Das Mittelalter war nicht so romantisch, wie es uns viele Filme glau-ben machen wollen. Dieses Projekt zeigt, was eine 4. Klasse (9- bis 10jährige) während des Projekts “Von Rittern, Burgen und Kräutl’n zu den heutigen Leutl’n” in Graz, Österreich, darüber herausgefun-den hat.

Das Projekt wurde an der Praxisvolksschule der Pädagogischen Hochschule Steiermark durchgeführt. Der österreichische Lehr-plan sieht für GrundschülerInnen unter anderem den Erwerb der Grundfertigkeiten Lesen, Schreiben sowie mathematischer Kompetenzen vor, zudem wird der persönlichen und sozialen Bil-dung große Bedeutung zugewiesen. Daneben sollen Kinder auch Einblicke in historische Epochen und Kunst bekommen. Die Ent-wicklerInnen dieses Projekts waren der Meinung, dass im Rah-men eines Projekts zum Thema „Mittelalter“ Inhalte zahlreicher Unterrichtgegenstände einfließen und eine großes Spektrum an Kompetenzen genutzt und entwickelt werden können. In dem Projekt verglichen die Kinder Situationen aus dem Mittelalter mit den heutigen Gegebenheiten. Vier Themen wurden untersucht: Minnegesang und Lyrik, Mathematik, Medizin und Kochen. Die Kinder wählten je ein Thema, entsprechend ihren persönlichen Interessen. Die Klasse arbeitete mit der “Alten Apotheke”, einem Teil des Stadtmuseums Graz, zusammen. Am Ende des Projekts demonstrierten vier Gruppen ihren MitschülerInnen ihre neu er-worbenen Kompetenzen.

II:Projektbeschreibung

23 Kinder, zwei davon mit besonderen Bedürfnissen, und ihre zwei LehrerInnen, eine davon eine Sonderpädagogin, erforschten und verglichen Situationen aus dem Mittelalter mit den heutigen Gege-benheiten. Das wichtigste Ziel war es, die Kinder zu befähigen, ihre Talente und Interessen zu nutzen, um Schlüsselkompetenzen zu er-werben. Sie verglichen Rechnungsarten aus dem Mittelalter, Heilkun-de, die Art zu kochen, Tischmanieren und Lyrik mit der heutigen Zeit.

3.2 Aqueduct Beispiele guter Praxis

Eine liebliche Maid (Foto: Katharina Heissenberger)

Von Rittern, Burgen und Kräutl’n zu den heutigen Leutl`n (AT)

Die einunddreißig ausgewählten Beispiele guter Praxis in diesem Teil des Handbuchs, sind Beispiele bereits existierender Projekte aus Österreich, Belgien, Frankreich, Irland, Italien, Marokko, den Niederlanden, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden und dem Vereinigten Königreich. All diese Beispiele erfüllen die Bedingungen kompetenzorientierten Lernens und beinhalten Aktivitäten, die die Motivation, das Erfahren, die Demonst-ration (die eigentliche Präsentation der zu entwickelnden Kompetenzen) und die Reflexion (vgl. Methode 3, S. 125) der SchülerInnen anregen. Diese Projekte beinhalten Elemente, die das Aqueduct Leitbild veranschaulichen und Sie hoffentlich dazu inspirieren, selbst neue kompetenz-orientierte Lernaktivitäten zu entwickeln.

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Ein kurzer Film über das Feudalsystem gab einen Überblick über das Thema. Die Kinder schätzten, wie viele von ihnen im Mittelalter arme Bauern gewesen wären und wie viele von ihnen Ritter oder Mönche, die lesen, schreiben und rechnen konnten. Um mehr zu erfahren, sollten alle Kinder Bücher über das Thema mitbringen. Die LehrerIn-nen gaben Hintergrundinformationen und verwiesen auf Internetad-ressen für die eigene Recherche.

Den Kindern wurden vier Themen zur weiteren Ausarbeitung prä-sentiert. Sie entschieden, welches der Themen sie am meisten inte-ressierte und formten die Gruppen Minnegesang und Lyrik, Mathe-matik, Medizin und Kochen. Das Projekt zog sich über vier Wochen, konkret gearbeitet wurde an insgesamt vier Schultagen.

Die Gruppe, die sich mit Liedtexten und Schreiben beschäftigte, lasen eine Geschichte namens “Die Minnesänger der Wartburg”. Die Ge-schichte über den Wettbewerb der Sänger wurde mit Fingerpuppen nachgespielt. Die Kinder identifizierten sich mit einer Figur und be-reiteten sich auf den “Wettkampf” in Form eines Rollenspiels vor. Sie hörten “Unter den Linden” von Walter von der Vogelweide, sahen einen Film und arbeiteten mit den Liedtexten und Karteikarten, um ihre eigenen Minnegedichte zu verfassen, die dann mit Feder und Tinte auf Pergament geschrieben wurden. Am Schluss sollten sie ihre Gedichte am Computer zu einem Rap verarbeiten, den sie am Ende allen anderen Kindern vorführen sollten.

Die MathematikerInnen bekamen zunächst mehr Hintergrundinfor-mation zur Mathematik im Mittelalter: Sie sahen den Film “Adam Riese & der Abakus”, bearbeiteten einen Text und absolvierten ein Quiz. Sie lernten mit dem Rechenbrett (Abakus) umzugehen und entwarfen gemeinsam mit einem/einer PartnerIn ihre eigenen Rech-nungen. Sie verglichen das Rechnen mit dem Abakus mit dem Rech-nen mittels Taschenrechner und moderner Schularithmetik. In einer Präsentation zeigten sie ihren MitschülerInnen, wie man mit dem

Abakus rechnet und veranstalteten einen Rechenwettbewerb mit den verschiedenen Methoden. Alle waren gespannt, welche Metho-de die schnellere sein würde.

Nach einer kurzen Input-Phase durch die Lehrerin begann die Gruppe “Medizin” in Büchern und im Internet zu recherchieren. Sie sollten die Alte Apotheke erkunden und dort Untersuchungen anstellen. Dort stellten sie mittelalterliche Kräutertees her. Nachdem alle Salben und Beruhigungstees gemischt hatten, demonstrierten die Gruppen ihre Kompetenzen in der Vorbereitung einer Ausstellung über Kräu-ter im Mittelalter und einem Quiz darüber, was sie in der Alten Apo-theke gelernt hatten.

Die “Köche des Mittelalters” begannen mit einer Einführung in die Tischmanieren der Zeit. Sie verglichen diese mit den heutigen Ge-pflogenheiten bei Tisch und spielten ein Memory-Spiel, ‘Tischmanie-ren heute und im Mittelalter’. Sie machten daraus ein Poster. Dann wurde noch mehr praktisch gearbeitet. Die Gruppe fand Rezepte aus dem Mittelalter und versuchte die einfacheren davon nachzukochen. Sie kochten und backten für das gemeinsame Zusammentreffen aller Gruppen.

Der ‘Ampel-Fragebogen’ half den Kindern bei der Reflexion ihrer gewonnenen Kompetenzen. Der Fragebogen ist auf der Aqueduct Website zu finden.

III.Kontakt

Pädagogische Hochschule SteiermarkKontakt Person: Dr. Katharina HeissenbergerAdresse: Hasnerplatz 12, A-8010 GrazÖsterreichEmail: [email protected]: www.uevs.phgraz.at

Rechnen mit dem Abakus (Rechenbrett) (Foto: Katharina Heissenberger)

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I.ZusammenfassungdesProjekts

Schlüsselkompetenzen im Projekt:

Lernen LernenUnternehmerische KompetenzSoziale Kompetenz und BürgerkompetenzKulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeit

Das Mini-Projekt “Konfrontation mit einer schambeladenen Vergan-genheit” wurde mit einer Klasse mit 32 SchülerInnen im Alter von 14 Jahren, in Graz (Österreich), durchgeführt. Es war ein zweiwöchiges, multidisziplinäres Projekt der Fächer Geschichte, Englisch und Kunst, das insgesamt 12 Stunden Vorbereitungszeit und einen eintägigen Ausflug umfasste. Ziel war das Konzentrationslager Mauthausen in Niederösterreich. In diesem Projekt sollte der Aqueduct-Prozess an-gewandt werden. Die Kinder sollten vor allem durch direkte Ausein-andersetzung in das Thema hineingezogen werden und nicht nur ge-nügend wissen, um diesen sensiblen Ort voller Respekt zu besuchen. Sie konnten ihr Vorwissen einbringen und bewusst auf ihre Gefühle beim Besuch von Mauthausen achten. Sie gingen dabei einer selbst gestellten Frage nach, die sie auch eigenständig beantworten woll-ten und demonstrierten am Ende ihre neu erworbenen Kompeten-zen ihren Eltern. Ein besonderes Ergebnis war, dass die Lehrerin, die schon seit Jahren das Konzentrationslager mit verschiedenen Klassen besucht hatte, plötzlich selbst Neues entdeckte, als sie die Dinge aus dem Blickwinkel der einzelnen 14-Jährigen betrachtete. Plötzlich ging es mehr darum, Ideen zu teilen, als die Kinder nur zu unterrichten.

IIProjektbeschreibung

Es gibt Orte, für die sich die Menschheit schämen sollte. Wenn solche Orte Teil unseres kulturellen Erbes sind, muss man versuchen, mit ihnen einen passenden Umgang zu finden. Der Ort, der hier gemeint ist, ist Mauthausen in Niederösterreich, ein Konzentrationslager der schlimmsten Art im Zweiten Weltkrieg. Die Neue Mittelschule Klu-semannstraße hat es sich zur Aufgabe gemacht alle 14-jährigen mit dieser Vergangenheit zu konfrontieren. Üblicherweise ist dies Teil des Geschichtsunterrichts und GeschichtslehrerInnen organisieren den Ausflug alleine. Die Idee dieses Projekts war, die Vergangenheit für die Gegenwart bedeutsam zu machen, indem die SchülerInnen ak-tiv lernten und in die Erfahrung eintauchen konnten und wichtige Schlüsse zogen, nicht nur aus einer historischen Perspektive, sondern auch für ihren persönlichen Lernprozess in der Gegenwart.

Im ersten Schritt wird alles gesammelt, was die 32 Kinder bereits über das Thema wissen. Dieses Vorwissen wird auf einer Mindmap auf der Tafel festgehalten. Dann werden 8 Bilder des Bildarchivs der Mauthausen Website auf einen Tisch gelegt. Die Kinder wählen das Bild aus, das sie am meisten bewegt. Da sie bereits über Mauthausen Bescheid wissen, reflektieren sie die Gefühle, die das Bild bei ihnen auslöst. Dann sollen sie entscheiden, was sie gerne über dieses The-ma lernen wollen, über Ursachen und Wirkungen.

Aus der Anzahl der Bilder ergeben sich 8 Gruppen, die Fragen formu-lieren sollten. Solche Fragen waren z.B.: Wie konnte das so systema-tisch passieren? Wie war das tägliche Leben im Konzentrationslager? Welche Rolle spielten die SS-Aufseher? Gab es Frauen und Kinder im Lager, wie ging es ihnen? Was sagen Überlebende heute? Was wuss-ten die Leute aus der Umgebung und was taten sie?”

Immer wieder taucht die Frage auf: “Wer hat Schuld daran? Wie ist das möglich?” In diesem Moment ist es wichtig, die Frage der Schuld anzusprechen. Jeder muss sich schämen für diese Grausamkeiten, die Menschen anderen Menschen zugefügt haben, aber die Kinder, die zwei Generationen nach der Befreiung 1945 geboren wurden, trifft keine Schuld. Im nächsten Schritt erfahren die Kinder mehr über kom-petenzorientiertes Lernen und die Schlüsselkompetenzen. Aus einem Arbeitsblatt wählen die Kinder ein oder zwei Schlüsselkompetenzen, die sie gerne in diesem Projekt erwerben oder vertiefen möchten. Das Projekt sollte am letzten Elternabend des Schuljahres präsentiert werden. Am nächsten Tag beginnen die Kinder ihre Fragen zu re-cherchieren, denken darüber nach, welche Schlüsselkompetenzen

Konfrontation mit einer schambeladenen Vergangenheit (AT)

Die Zeichnung eines Schülers: Mauern und Türme (Konstantin Knaipp) (Foto: Christa Bauer)

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sie erwerben oder verbessern wollen und wie sie ihre Ergebnisse de-monstrieren möchten.

Wie erwarben die Kinder die Aqueduct-Schlüsselkompeten-zen?

Eine Gruppe, die sich mit Bürgerkompetenz befasste, entschied sich, die harten Fakten zu untersuchen. Sie zeigten ihre Kompe-tenzen in einem Rollenspiel, in dem gegen einen Neo-Nazi argu-mentiert wurde, der die Existenz von Konzentrationslagern be-zweifelte. Eine andere Frage war: “Was wussten die Menschen in der Nachbarschaft und was taten sie?” Die Kinder dachten über Möglichkeiten nach, wie und wo sie ihre Zivilcourage in der Ge-genwart beweisen konnten. Die Gruppe, die ihre kulturelle Aus-drucksfähigkeit verbessern wollte, reflektierte ihre Gefühle im Konzentrationslager und zeichnete ihre Eindrücke oder sie stellten Fotos aus der Gegenwart jenen aus der Vergangenheit gegenüber. Eine Frage zum Thema soziale Kompetenz war: “Wie wurden die Überlebenden nach dem Zweiten Weltkrieg behandelt? Wie wur-den die Dinge wieder normal?”

Die Kinder waren hoch motiviert bei ihren Recherchen. Sie untersuch-ten die Mauthausen-Website und sahen einen Dokumentationsfilm über das Lager.

Auf der dreistündigen Busfahrt nach Mauthausen sahen die Kinder den Film “Mühlviertler Hasenjagd”, der zeigt, wie die Nazis Jagd auf Flüchtlinge machten, am Weg zurück sahen sie “Schindlers Liste”.

In Mauthausen wurden die Kinder durch die wichtigsten Bereiche des Lagers geführt, sie bekamen einen ersten Überblick und hatten die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Dann waren sie frei, sich selbst auf die Suche zu machen und ihre geplante Arbeit zu tun. Die LehrerInnen wurden als ExpertInnen gesehen, aber auch als Menschen mit ihren eigenen Gefühlen von Traurigkeit oder Angst. Manchen SchülerInnen

fiel es schwer damit umzugehen. An diesem Tag tauchten sie tief in die Nazi-Vergangenheit ein, was großen Eindruck hinterließ.

Die Kinder steckten viel Herzblut und Arbeit in ihre Präsentation. Sie wollten ALLES zeigen, was sie gefunden und recherchiert hatten. Die Präsentation wurde nicht geprobt, aber der Rahmen wurde bespro-chen und das notwendige technische Equipment zur Verfügung ge-stellt.

Was machte das Projekt besonders? Die SchülerInnen waren an dem Thema interessiert und begeistert, dass sie selbst ihr Lernziel, den Inhalt ihres Lernens und die Art, wie sie das Gelernte demonstrieren wollten, bestimmen durften.

“Es war gut, dass wir unsere eigenen Fragen stellen konnten und die Sachen recherchieren konnten, die uns interessierten. Wir lernten auch viel über das Thema durch die Präsentationen der anderen.”

“Ich identifizierte mich mit den Opfern und konnte besser auf die Argumente des Neo-Nazis reagieren.”

Das Feedback der Eltern war überwältigend. Sie waren überrascht von der Reife, mit der die Kinder das Thema behandelten und beein-druckt von den vielen verschiedenen Aspekten des Themas, die die Kinder recherchierten hatten, ihren individuellen Lernwegen und der Präsentation der Ergebnisse. Eine Mutter sagte:

“Sie wirkten so kompetent. Man hatte wirklich das Gefühl, dass sie wussten worüber sie sprachen.”

Es war ein wirklich lohnender Zugang zu diesem komplexen Thema. Viele verschiedene Ergebnisse wurden produziert, andere als norma-lerweise bei solchen Schulexkursionen herauskommen. Die Vorberei-tung nahm auch nicht mehr Zeit in Anspruch. Die Kooperation mit den EnglischlehrerInnen war sehr hilfreich, da einige Websiten und Videos über die Überlebenden in Englisch waren.

III.Kontakt

NMS Klusemann Kontakt Person: Christa BauerAdresse: BG/BRG/NMS Klusemannstrasse 25 8053 Graz ÖsterreichE-mail: [email protected]: www.klusemann.at

Die Zeichnung einer Schülerin: Der Zerstörung des Menschen im Paradies (Laura Kaier) (Foto: Christa Bauer)

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I.ZusammenfassungdesProjekts

Schlüsselkompetenzen im Projekt:

Lernen LernenUnternehmerische KompetenzSoziale Kompetenz und BürgerkompetenzKulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeit

Die Vrije Basisschool Vlierbeek ist eine Grundschule mit Kinder-garten in der Nähe der Stadt Löwen, Belgien. Die Stadt hat zwei Kulturstätten; eine davon ist in der Nähe der Schule, die Abtei von Vlierbeek. Die Abtei wurde 1125 gegründet. Sie hat eine lange Geschichte des Wohlstands, aber auch des Unglücks. Ende des 17. Jahrhunderts wurde mit dem Bau einer neuen Abtei begonnen, aber durch die Französische Revolution und die darauf folgende Säkularisierung wurde das Kloster aufgehoben. Nur die Kirche und ein Teil des Abteigebäudes wurden errichtet, beide im neo-klassi-zistischen Stil.

Heute ist die Abtei im Besitz der Pfarre von Vlierbeek. Seit 1939 wurden die Abtei und der große Friedhof – ein ‘Campo Santo’ der naheliegenden Universität von Löwen – als kulturelles Erbe klassifi-ziert. Die Gebäude sind als Teil des Weltkulturerbes gelistet. Im Jahr 2001 begannen die Renovierungsarbeiten von Teilen der Abtei. Die wichtigsten Teile des Gebäudes sind das Warenlager, die beiden Ein-gänge, die Häuser für die Angestellten, das Bauernhaus, die Brau-erei, die Bäckerei, die Gartenlaube das neue und alte Abtgebäude, das Presbyterium, das Gästequartier, die Küche und die Überreste des Klosters.

Die Schule hat heute ein Klassenzimmer und ein Konferenzzimmer in der Abtei. Trotzdem kennen viele der SchülerInnen die Gebäude und ihre Geschichte nicht sehr gut. Das wichtigste Ziel der Schule war es den SchülerInnen die Abtei ins Bewusstsein zu rufen und ihnen ihre Geschichte näherzubringen. Die Aktivitäten des Pilot-projekts wurden für Kinder im Alter von 6 bis 12 Jahren geplant. Das Projekt konnte dank der guten Zusammenarbeit mit Studen-tinnen der LehrerInnenfortbildungsfakultät (Marlies Tombeur und Lotte Belen), dem Direktor der Schule (Dieter Peeters, einem Lehrer (Hendrik Dewolf) und dem ‘Heemkundige Kring Vlierbeek’ (ehema-liger Lehrer Paul Cockx) realisiert werden. Das Konzept wurde vom Aqueduct Partner, der KH Löwen, ausgearbeitet. Teilweise wurde das Projekt mit Carrrousel verknüpft, einer Kulturveranstaltung im Bezirk, die an einem Wochenende stattfand und vom Kulturzent-rum Löwen 30CC organisiert wurde.

II.Projektbeschreibung

Für das Projekt wurde die Storyline-Methode verwendet und es wur-de mit dem Schulthema des Jahres 2010-2011 verknüpft: “Suche den Schatz in dir”. Das Projekt wurde mit Kindern der 4. Klasse (9-10 Jahre alt) durchgeführt und ging über zwei Wochen.

Das Projekt beginnt mit einem offiziellen Brief des Bürgermeisters, in dem er die SchülerInnen fragt, ob sie ihn dabei unterstützen könnten, die Abtei bei den anderen SchülerInnen und den Menschen in der Umgebung bekannter zu machen. Der Lehrer gibt dieses Ansuchen an die SchülerInnen weiter und fordert sie auf, darüber nachzuden-ken. Es gibt ein kurzes Brainstorming über diese Schlüsselfrage. Der Lehrer notiert die Ideen und überlegt mit den SchülerInnen die Idee, eine Ausstellung zu machen. In den folgenden Unterrichtsstunden arbeiten die Kinder an diesem Ziel.

Zuerst überlegen sich die Kinder, was für die Planung einer Ausstel-lung gebraucht wird. Schlüsselfragen werden gestellt: “Was ist eine Ausstellung? Was sollte sie zeigen? Wer arbeitet für eine Ausstellung zusammen?“ Diese Fragen waren der Ausgangspunkt für die Sto-ryline. Die Kinder wurden zu MitarbeiterInnen der Ausstellung. Sie arbeiten in kleinen Gruppen zusammen, überlegen sich den Inhalt der Ausstellung und deren Umsetzung. In einem kurzen Brainstor-ming tragen sie zusammen, was sie bereits über die Abtei wissen und erarbeiten Fragen, die sie noch beantworten wollen. Der Lehrer leitet das Brainstorming, indem er auf große Blätter Papier Schlüsselwörter über die Abtei schreibt, wie z.B. “Die Abtei in der Vergangenheit”; “Der Friedhof”; “Wer lebte früher, wer lebt heute in der Abtei?” So bekommt der Lehrer einen guten Überblick über das bereits vorhan-dene Wissen und die Fragen der SchülerInnen. Am Ende dieser Übung präsentiert der Lehrer den SchülerInnen ein Formular zur Selbsteinschätzung ihrer Potentiale und Talente. Diese wurden in Übereinstimmung mit den Schlüsselkompetenzen gewählt z.B.: “Ich kann den anderen SchülerInnen in meiner Gruppe zuhö-ren.” “Ich kann meine Meinung und Gefühle gut ausdrücken”, und “Ich kann kluge Entscheidungen treffen”. Die SchülerInnen werden sich im Laufe des Projekts viermal selbst evaluieren.

Wie können wir unsere Fragen über die Abtei beantworten? Ausge-hend von dieser Schlüsselfrage leitet der Lehrer “die Storyline” ein. Die SchülerInnen überlegen sich mögliche Informationsquellen. Eine Möglichkeit, die falls erforderlich, auch vom Lehrer vorgeschlagen werden kann, ist ein Interview mit einer Person, die viel über die Ab-tei weiß. Also laden sie einen Experten ein. Dieser Experte war Paul Cockx, ein Mitglied der örtlichen Gesellschaft für Geschichte: der Heemkundige Kring Vlierbeek. Er erzählt der Klasse die Geschichte

Die Abtei von Vlierbeek (BE)

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der Abtei, der verschiedenen Gebäude, welche Mönche hier lebten und wie sie hier lebten. Die Kinder können ihm natürlich Fragen stel-len. Danach wählen die Kinder ein Thema, das sie besonders inter-essiert und das sie für die Ausstellung näher recherchieren wollen.

Ab diesem Zeitpunkt arbeiten die SchülerInnen in Kleingruppen, zu zweit, zu dritt oder zu viert. Sie müssen sich ihr Thema überlegen und darüber nachdenken, wie sie es in der Ausstellung präsentieren wol-len. Die SchülerInnen haben viele Ideen welche Themen interessant wären: “Katastrophen und Zerstörung(en) der Abtei; das Leben der letzten Mönche und ihre Gräber am Friedhof; die Statue von ‘Wil-helm von Oranien’ und die verschiedenen Bauten und Gebäude z.B. das alte Eingangstor, das renoviert wurde und die Kirche selbst. Sie haben auch viele Vorschläge, wie sie ihr Thema präsentieren wollen: ein Theaterstück, ein Legomodell, Mönche aus Ton, eine Bilderkolla-ge, Zeichnungen und vieles mehr. Verschiedene Informationsquellen und Materialien werden im Klassenzimmer zur Verfügung gestellt. Die SchülerInnen können die Abtei auch besuchen, Leute aus der Umgebung interviewen und Fotos oder Zeichnungen vor Ort ma-chen. Am nächsten Tag bringen die SchülerInnen Bücher und andere Materialien von zu Hause mit, um Kostüme für ihr Theaterstück zu entwerfen.

Nachdem der Inhalt der Ausstellung erarbeitet wurde, konfrontiert der Lehrer die Klasse mit Fragen: “Was müssen wir jetzt für die Or-ganisation unserer Ausstellung tun? Wie können wir die Schule und die Nachbarschaft auf unsere Ausstellung aufmerksam machen?” Die SchülerInnen haben viele Ideen und Überlegungen für die Öf-fentlichkeitsarbeit: z.B. Einladungen, Poster, wo können wir Werbung machen und wen wollen wir erreichen, wichtige Informationen und auch die Organisation betreffend z.B. der Ort, Personen, die durch

die Ausstellung führen, Aufstellungsplan. Der Lehrer gibt einen Über-blick, indem er alle Ideen und Vorschläge auf der Tafel festhält. Die SchülerInnen wählen wieder eine Rolle und entsprechende Aufga-ben, entweder in der Werbung oder der Organisation. Sie arbeiten wieder in Kleingruppen, die sie selbst aussuchen.

Schließlich überlegen sich die SchülerInnen, was sie den BesucherIn-nen der Ausstellung mitteilen wollen. Sie üben ihre kurzen Präsenta-tionen und positionieren ihr Objekt entsprechend dem Ausstellungs-plan, den eine der Gruppen entworfen hatte. Die SchülerInnen der dritten Klasse wurden zu einer Probepräsentation eingeladen. Nach der Schule konnten Eltern die Ausstellung besuchen. Am Wochen-ende war die Ausstellung auch Teil der lokalen Kulturveranstaltung Carrousel, wo einige Kinder ihre Arbeiten präsentierten und ein Rol-lenspiel spielten.

Nach der Ausstellung reflektieren die SchülerInnen das Projekt mit der ganzen Klasse. Einige Fragen aus dem Selbstevaluierungsfor-mular werden auf kleine Zettel geschrieben und auch neue Fragen kommen hinzu: “Wenn du an die Selbsteinschätzung denkst, was fällt dir noch immer schwer? Was hast du über dich selbst gelernt in dem Projekt? Siehst du die Abtei jetzt mit anderen Augen? Die Kinder wählen einen der Zettel, beantworten die Frage und stellen dann die Frage einem/einer MitschülerIn.

Belgien, Abtei von Vlierbeek, SchülerInnen arbeiten an der Ausstellung (Foto: Marlies Tombeur)

Belgien, Die Abtei von Vlierbeek. SchülerInnen machen ein Rollenspiel (Foto: Marlies Tombeur)

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Im Pilotprojekt wurden die SchülerInnen sofort mit all ihren Rollen und Aufgaben in der Ausstellung konfrontiert z.B. die Rollen der Ausstellungsmitarbeiter, das Werbe- und das Organisationsteam. Das wurde in der Abschlussversion des Projekts geändert, weil es für die SchülerInnen sehr schwierig war, sich für eine Rolle zu entscheiden und auch um sicherzustellen, dass jede/r Einzelne wirklich etwas über die Abtei lernt. Es hilft, wenn die SchülerInnen mit den angewandten Bewertungsmethoden bereits vertraut sind. Die SchülerInnen müssen diese Art der Evaluation erst lernen, da braucht es ein paar Anläufe.

Die in dem Selbstevaluierungsformular beschriebenen Fähigkeiten waren gelegentlich zu abstrakt für die SchülerInnen. Diese Konzepte müssen sehr konkret und einfach verständlich beschrieben werden, um die Reflexion für die SchülerInnen brauchbar zu machen. Es sollte auch genügend Zeit für das Projekt eingeplant sein.

Das Projekt musste aus praktischen Gründen zeitlich limitiert werden. Tatsache ist, dass zwei Wochen (7x50 Minuten, 1x30 Minuten) zu kurz waren, um alle Ideen der Kinder umzusetzen.

Die Stärke dieses Projekts ist das ergiebige kulturelle Umfeld der Ab-tei, die sehr nahe bei der Schule ist. Die Schülerinnen können die Abtei mit all ihren Sinnen entdecken und erkunden (sehen, fühlen, berühren, hören und riechen). Eine weitere Stärke war, dass die gut überlegten Schlüsselfragen der LehrerInnen den Prozess leiteten. Die SchülerInnen finden sie interessant und werden durch sie angeregt nachzudenken, zu handeln und zu entdecken. Das ist ein wichtiger Teil der Storyline-Methode, die als Werkzeug für dieses Projekt ge-nutzt wurde. Die Kinder können viele Entscheidungen selbst treffen, nicht nur darüber “was” sie gerne tun möchten sondern auch “wie” sie an etwas arbeiten wollen. Durch die Schlüsselfragen entstanden viele originelle Ideen, die den Kindern das Gefühl gaben, dass sie ihren Lernprozess wirklich selbst steuern konnten.

III.Kontakt

Vrije Basisschool Vlierbeek Kontakt Person: Dieter Peeters (Direktor)Adresse: Abdij Vlierbeek 1 3010 Kessel-Lo BelgienE-mail: [email protected]: http://www.vrijebasisschoolvlierbeek.be/

Heemkundige Kring VlierbeekKontakt Person: Paul Cockx

KHLeuvenKontakt Person: Jo Van DesselAdresse: Hertogstraat 178 3001 Heverlee BelgienE-mail: [email protected]: http://www.khleuven.be/

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I.ZusammenfassungdesProjekts

Schlüsselkompetenzen im Projekt:

Lernen LernenUnternehmerische KompetenzSoziale Kompetenz und BürgerkompetenzKulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeit

Das Stadtmuseum ‘Het Stadsmus’ in Hasselt, Belgien, entwickelte in Zusammenarbeit mit Mooss vzw, einer Organisation spezialisiert auf die Vermittlung von Kunst und Kultur, den Projekt-Werkzeugkasten “Tot und begraben” für Schulen .”Tot und begraben” wurde für Kin-der zwischen 10 und 12 Jahren gestaltet. Die Kulturstätte in diesem Projekt ist der Friedhof ‘Oud Kerkhof’ in Hasselt aus dem 19. Jahr-hundert.

Das Projekt konfrontiert SchülerInnen mit verschiedenen Themen wie Leben und Tod, Bestattung, Religion, Symbole und Rituale, Grabge-staltung und Friedhofsflora. Die Kinder erkunden den Friedhof und folgen ihren eigenen Wahrnehmungen. Es ist wichtig, dass sich die Kinder vor dem Friedhofsbesuch nicht fürchten, sondern dass er den Wunsch in ihnen entstehen lässt, wiederkommen zu wollen, um mehr herauszufinden und auch andere Kulturstätten zu besuchen.

Es gibt kein bestimmtes Endprodukt oder Ergebnis, der Schwerpunkt liegt auf dem Erkunden und Erleben und der Reflexion.

II:Projektbeschreibung

“Tot und Begraben” wurde vom Stadtmuseum ‘Het Stadsmus’ in Hasselt, Belgien, in Zusammenarbeit mit Mooss vzw, einer nationalen Jugendorganisation, spezialisiert auf die Vermittlung von Kunst und Kultur, entwickelt. Mooss organisiert unterschiedliche Workshops, LehrerInnenfortbildungen und kulturelle Partizipationsprojekte. Im Zentrum stehen kulturelle Themen und die Organisation von Kunst-kampagnen, die Kulturbewusstsein schaffen sollen. Als Jugendorga-nisation tritt Mooss für zahlreiche soziale Werte ein, wie Solidarität, Toleranz, Pluralismus und Respekt vor demokratischen Werten.

Das Projekt “Tot und begraben” ist für SchülerInnen von 10 -12 Jahren konzipiert. Im Zentrum des Geschehens steht der Friedhof in Hasselt (Oud Kerkhof) aus dem 19. Jahrhundert. Aber das Konzept kann auch leicht für Friedhöfe in anderen Gegenden genutzt wer-den. In diesem Fall ist der alte Friedhof (Oud Kerkhof) der Stadt auch

Teil eines Museums. Die zentrale Kapelle des Friedhofs wird auch als Informationszentrum genutzt. Hier erfährt man mehr über die allge-meine Geschichte von Bestattungen und über den Friedhof in Has-selt, über Grabgestaltung und die Pflanzenwelt dieses Friedhofs aus dem 19. Jahrhundert.

Das Projekt besteht aus 5 Phasen: Einführung, ein Spiel, eine For-schungsaktivität, der Austausch von Informationen und schließlich der Evaluations- und Berichtphase. Nach Ankunft auf dem Fried-hof gibt der Lehrer ihnen einen kurzen Überblick über die geplan-ten Aktivitäten des Tages. Die Kinder teilen sich in Kleingruppen und spielen ein Spiel. Ziel ist es, zu erraten welchen Grabstein und welchen Teil des Friedhofs sie näher erforschen sollen. Wenn sie das herausgefunden haben, bekommen sie eine Broschüre, die folgendes enthält: einen Plan des Friedhofs, Fotografien der Gräber, Informationen über den Friedhof, zahlreiche Fragen und Aufgaben.

Die Kinder sollen am Projekttag zu selbstständig Lernenden werden. So müssen sie zum Beispiel selbst den Weg zu dem ihnen zugeteil-ten Gebiet am Friedhof finden. Wenn sie den Grabstein gefunden haben, müssen sie ihn sich genau ansehen. Wer liegt hier begraben? Aus welchem Material ist der Grabstein gemacht? Ähnelt der Grab-stein jenen in seiner Umgebung oder ist er anders, hat das eine Be-deutung? Welche Informationen stehen am Grabstein? Wie ist die Person gestorben? Solche Fragen müssen individuell beantwortet werden, ohne Hilfe. Die Kinder sollen ihre Beobachtungsfähigkeit

Tot und begraben (BE)

Kinder besuchen die Friedhofskapelle (Foto: Annemie America)

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entwickeln. In der Broschüre werden die Kinder aufgefordert, sich die Symbole und Abkürzungen auf den Grabsteinen anzusehen. Welche Bedeutung haben sie?

Schließlich erforschen die Kinder die Pflanzen, die rund um den Fried-hof wachsen. Friedhofspflanzen, wie z.B. der Efeu, die Eibe oder die Trauerweide, haben eine enorme symbolische Bedeutung.

Nach der Untersuchung der Gräber kommen die Gruppen wieder zusammen und spazieren durch verschiedene Teile des Friedhofs. Sie berichten darüber, was sie herausgefunden haben und werden darüber befragt, welche Aufgaben sie am interessantesten fanden und welche Themen sie gerne näher recherchieren wollen. Dem kann auch im Klassenzimmer weiter nachgegangen werden. Die Kinder stellen Fragen über die Bedeutung und die Entwicklung von Symbo-len, über religiöse Praktiken und Philosophie, religiöse Ansichten über das Leben nach dem Tod und über andere Denkmäler. Mit diesen Themen passt das Projekt gut zum Thema Welt-Orientierung, das im Grundschullehrplan vorgesehen ist.

Die Ziele des Projekts sind:

• Zu verstehen, dass das kulturelle Erbe Teil des täglichen Lebens ist.• Mehr über die Themen Tod, Bestattung, Religion, Rituale und

Symbolik, Grabgestaltung und Friedhofspflanzen zu erfahren.• Die Bedeutung einer langen und respektvollen Auseinanderset-

zung mit dem kulturellen Erbe zu begreifen.• Einen Familienstammbaum zu entwerfen, der zumindest zwei vor-

hergehende Generationen zeigt.

• Neue Fähigkeiten zu erwerben, die dabei helfen auch andere For-men des kulturellen Erbes zu erkunden und Fragen darüber zu stellen.

• Herauszufinden, wie Menschen im 19. und 20. Jahrhundert mit den Themen Tod und Begräbnis umgingen, welche Unterschiede es gibt.

III.Kontakt

Het StadmusAdresse: Guido Gezellestraat 2 3500 Hasselt BelgienTel: 32 11 23 98 90E-mail: [email protected]

Mooss vzw Kontakt Person: Chris FerketAdresse: Vaartkom 4 3000 Leuven BelgienTel: 32 16 65 94 65 Website: www.mooss.org

Children visiting the cemetery (Foto: Annemie America)

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I.ZusammenfassungdesProjekts

Schlüsselkompetenzen im Projekt:

Lernen LernenUnternehmerische KompetenzSoziale Kompetenz und BürgerkompetenzKulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeit

Das Projekt ‘Le patrimoine, icône au quotidien’ wurde von Patrimoine à roulettes asbl entwickelt. Das Projekt ging über ein ganzes Schul-jahr, im Mittelpunkt standen zahlreiche Kulturstätten der Stadt Brüs-sel, multikulturelle Nachbarschaften und immaterielles Erbe wie Mu-sik. Es wurde mit 18-jährigen SchülerInnen durchgeführt, kann aber auch für SchülerInnen der Unterstufe (13-14 Jahre) adaptiert werden. Das Projekt bringt SchülerInnen in Kontakt mit verschiedenen Formen des kulturellen Erbes in Brüssel.

Zusätzlich zu diesem ressourcenreichen und aktiven Zugang, wird ein qualitativ hochwertiger, theoretischer Input durch Experten in der Kulturvermittlung und einen Architekten garantiert. Der Wechsel von aktivem Erleben und theoretischem Input in Kombination mit Phasen der Reflexion, leitet den Lernprozess der SchülerInnen an und hilft ihnen bei der Beantwortung der dem Projekt zugrundeliegenden Fra-gen. “Was ist das kulturelle Erbe? Was bedeutet es für unsere Gesell-schaft und was bedeutet es für unsere eigene Identität?” Während des gesamten Projekts trainieren die SchülerInnen ihre Reflexionsfä-higkeit und werden sich durch ein “Kulturtagebuch”, in dem sie ihre Gedanken, Eindrücke, Gefühle und Ideen festhalten, ihrer eigenen Identität und Werte bewusst. Am Ende des Projekts verarbeiten sie alle Ergebnisse in ein Bild, das sie sich auf ein T-Shirt drucken lassen.

Im Laufe des Projekts lernen die SchülerInnen auch die Stadt und ihre verschiedenen Formen kulturellen Erbes besser kennen.

II.Projektbeschreibung

“Das kulturelle Erbe im Alltag” ist ein fächerübergreifendes Projekt, an dem SchülerInnen der 7. Klasse (im Alter von 18 Jahren), der St-Marie Schule in Brüssel, in Kooperation mit dem Patrimoine à rou-lettes asbl und dem Centre Vidéo de Bruxelles, teilnahmen. Ebenso die LehrerInnen der verschiedenen beteiligten Fächer, der Produzent des Projektvideos, Jacques Borzykowski, ein Kulturexperte und ein Architekt, die in einzelnen Projektphasen involviert waren. Der Input der Experten wurde sorgfältig geplant, um ihre Expertise einfließen zu lassen und um bestimmte Ansichten oder Erlebnisse der SchülerInnen

zu bestätigen. Das bereicherte die Erlebnisphase der SchülerInnen und sicherte den Fortschritt ihrer Lernprozesse.

In der Motivationsphase des Projekts, werden die SchülerInnen aktiv. Sie erfahren das kulturelle Erbe mit all ihren Sinnen. Um in direkten, emotionalen Kontakt mit dem kulturellen Erbe zu kommen, werden Fakten und Zahlen vermieden. Die OrganisatorInnen sind absolut davon überzeugt, dass man die TeilnehmerInnen am besten für den Lernprozess motiviert, wenn sie emotional von ihrem Studienobjekt berührt sind.

Das Erleben ist der wichtigste Aspekt während des gesamten Pro-jekts. Die SchülerInnen besuchen zahlreiche Kulturstätten, sie gehen in die Oper und erkunden die multikulturelle Nachbarschaft. Der Lehrer erklärt, wenn notwendig, mehr über die historischen Hinter-gründe. In Schlüsselsituationen des Prozesses werden ExpertInnen zu Rate gezogen, die bestimmte Themen und ihr Wissen einbringen, um den Lernprozess der SchülerInnen zu vertiefen. Neben dem Input von ExpertInnen wird die Erlebnisphase auch durch Reflexionsfragen bereichert. Alle SchülerInnen schreiben an ihrem “Kulturtagebuch”, das auch ein sehr nützliches “Reflexionswerkzeug” ist. So machen die SchülerInnen das Projekt zu ihrem und können ihre Motivation halten.

“Ich habe in diesem Projekt gelernt, dass ich meinen eigenen Weg zwischen den verschiedenen Kulturen und Konzepten über kulturel-les Erbe finden muss.”

Am Ende dieser sehr ergiebigen und langen Erlebnisphase des Pro-jekts haben die Schülerinnen gelernt, Plätze und Gebäude zu be-trachten und zu interpretieren. Sie entwickelten auch eine klare Vorstellung davon, was kulturelles Erbe bedeutet, welchen Wert es für die Gesellschaft und für ihre persönliche Identität hat. Eine der

Das kulturelle Erbe im Alltag (BE)

Die Stadt wieder entdecken, Details betrachten (Foto: Jacques Borzykowski)

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SchülerInnen mit multikulturellem Hintergrund, drückte es so aus: “Ich habe in diesem Projekt gelernt, dass ich meinen eigenen Weg zwischen den verschiedenen Kulturen und Konzepten über kulturel-les Erbe finden muss.”

Nach der Erlebnisphase sind die SchülerInnen bereit für die Präsenta-tionsphase: Sie entwerfen ein persönliches Bild und drucken es auf T-Shirts. Als alle T-Shirts fertig gedruckt sind, werden sie in einer Aus-stellung den anderen SchülerInnen und Eltern gezeigt, die kommen, um ihre Werke zu bewundern. Sie präsentieren die Werke ihres kre-ativen Schaffens mit Siebdrucktechnik und ihre Schlussfolgerungen aus dem Reflexionsprozess über das gesamte Projekt. Sie erklärten wie das Projekt dazu beitrug die Welt, die sie umgibt, nun mit ande-ren Augen zu sehen und dass sie als BürgerInnen dieser Welt ihren Rollen in der Gesellschaft nun mehr Beachtung schenken.

III.Kontakt

Konzept: Patrimoine à roulettes asblAdresse: Rue du Tienne 20 B-1495 Villers-la-VilleBelgienE-mail: [email protected]

Centre video Bruxelles (CVB)Kontakt Person: Philippe CotteAdresse: 111 rue de la Poste 1030 BruxellesBelgienE-mail: [email protected]: www.cvb-videp.be

Websites:Trailer: http://www.dailymotion.com/video/x7r9y5_patrimoine_crea-tionProjekt Beschreibung: http://www.cvb-videp.be/pdf/livret/patrimoi-ne_icone_nl.pdf

Tanz vor einer Kulturstätte (Foto: Jacques Borzykowski)

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I.ZusammenfassungdesProjekts

Schlüsselkompetenzen im Projekt:

Lernen LernenUnternehmerische KompetenzSoziale Kompetenz und BürgerkompetenzKulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeit

Jedes Jahr wählt die Polizei von Gent (Belgien) ein Arbeitsthema, um das sie verschiedene Aktivitäten und Veranstaltungen organisiert, um Kinder und Jugendliche zu erreichen und ihren Sinn für Frieden und Einigkeit zu stärken. Im Jahr 2010 fiel die Wahl auf das Thema ‘Ju-gend’. Die Polizei schrieb einen Wettbewerb für alle Schulen in Gent aus, bei dem es um Frieden und Kooperation gehen sollte. Für ‘Die Kinder aus Guernica’ arbeitete die Polizei mit der Ambrosias Tafel, ei-ner Organisation zur Vermittlung von Kunst und Kultur, und IngeBE-ELD, der Plattform für Medienkompetenz der Flämischen Gesellschaft (BE), zusammen.

Die Gewinnerklasse durfte an ‘Kids’ Guernica’ teilnehmen, einem internationalen Projekt, das von Art Japan Network initiiert wurde. Kids’ Guernica ermutigt Kinder aus aller Welt, Bilder über Frieden und Kooperation zu produzieren, in Anlehnung an Picassos Guernica. Die SchülerInnen der 5. Schulstufe der Berufsschule (Care Division) des St. Vincent Instituts in Gent gewannen diesen Wettbewerb und nahmen folglich an Kids Guernica teil.

Die EntwicklerInnen des Projekts wollten, dass die SchülerInnen mehr über den Spanischen Bürgerkrieg lernten, die Luftangriffe auf Guer-nica, den Beginn des Zweiten Weltkriegs, über die Adoption von Kin-dern aus Guernica und über Pablo Picasso und sein gleichnamiges Gemälde. Auf diesem Weg sollten die Kinder die Konsequenzen des Krieges verstehen, den Wert von Frieden und Migration als Heraus-forderung begreifen. Die SchülerInnen sollten auch über ihre Wün-sche, Hoffnungen und Träume für eine friedliche Welt nachdenken und ihre Gedanken in einem großen Gemälde ausdrücken, ihrem persönlichen Guernica.

II:Projektbeschreibung

“Die Kinder aus Guernica” ist ein Projekt, das von der Ambrosias Tafel, einer Organisation zur Vermittlung von Kunst und Kultur, in Zusammenarbeit mit IngeBEELD, der Plattform für Medienkompetenz der Flämischen Gesellschaft (BE) vorbereitet wurde. Die Initiative für

das Projekt kam von der Polizei in Gent, die einen Wettbewerb für alle Genter Schulen organisierte. Als Belohnung wurde die Gewin-nerklasse eingeladen an dem aufregenden, internationalen Projekt Kids’ Guernica teilzunehmen, das vom Art Japan Network gegründet wurde. Für Kids’ Guernica sollen Kinder aus aller Welt Bilder über Frieden und Kooperation malen, in Anlehnung an Picassos Guernica. Das Projekt wurde durch editierte Archivbilder bereichert und dem persönlichen Input von Manuel, einem Polizisten aus Gent, der die Geschichte seines Vaters über Krieg, Adoption, und Migration, er-zählte. Der Name dieses reichhaltigen Projekts ist “Die Kinder von Guernica”.

Der historische Hintergrund führt uns nach Guernica, in die baskische Stadt, die am 26. April 1937 durch deutsche und italienische Luftan-griffe während des Spanischen Bürgerkriegs, zerstört wurde. Diese historische Bombardierung, eine der ersten Terrorangriffe auf zivile Ziele, inspirierte Picasso zu seinem berühmten Gemälde ‘Guernica’. Nach der Bombardierung entschieden die BürgerInnen von Guerni-ca ihre Kinder bei Gastfamilien im Ausland in Sicherheit zu bringen. Aber kurz nach dem Spanischen Bürgerkrieg brach der Zweite Welt-krieg aus. Viele Kinder aus Guernica kehrten deshalb nie wieder zu ihren Familien zurück und waren in Folge stark traumatisiert.

In der Motivationsphase des Projekts bekommen die 17-jährigen SchülerInnen der 5. Schulstufe der berufsbildenen Fakultät des St. Vincent Instituts, eine Einführung in die Themen des Spanischen Bürgerkriegs, des Zweiten Weltkriegs und die Themen Frieden und Kooperation im Allgemeinen. Das Projekt ist multidisziplinär, was ei-nen fächerübergreifenden Zugang ermöglicht. Picassos Gemälde von Guernica und die “Guernica Bilder”, die die SchülerInnen produzie-ren werden, stehen im Lehrplan des Kunstunterrichts.

Im Projekt werden verschiedene Methoden angewandt:• Eine allgemeine Geschichtsstunde über den Spanischen Bürger-

krieg und den Beginn des Zweiten Weltkriegs.• Die Produktion eines Kunstwerks in Anlehnung an Picassos Guer-

nica. • Eine Dokumentation http://www.platformrondmediawijsheid.be/

new/index_flash.jsp?v=488#/487 mit der persönlichen Geschichte des Polizisten Manuel und seines Vaters.

• Eine kreative Zusammenarbeit in Bezug auf die Kunstwerke der SchülerInnen.

Das Thema “Gewalt” wurde fächerübergreifend in Projekteinheiten, während des Kunstunterrichts und mit Hilfe der digitalen Archive er-kundet.

Die persönliche Geschichte von Manuel Mùgica-Gonzalez, dem Sohn

Die Kinder von Guernica (BE)

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eines der Kinder von Guernica, der im Alter von 7 Jahren, gemeinsam mit seinem achtjährigen Bruder, nach den Bombardierungen in Gent ankam, bringt einen starken Erlebnisaspekt in das Projekt ein. Manuel erzählt die persönliche Lebensgeschichte seines Vaters, seiner Adop-tion, die zur Einwanderung wird. Diese Geschichte steht vor den au-thentischen Archivaufnahmen aus dem Spanischen Bürgerkrieg und der Massenevakuierung von Kindern, die zur Adoption freigegeben werden, um ihr Überleben zu sichern.

“Die Geschichte deines Vaters ist meine Geschichte”

Manuels persönliche Geschichte, zusammen mit den authentischen Bildern, macht das Thema greifbar und konkret. Einer der Schüler der Klasse ist ein Junge aus Sierra Leone, dessen Vater im Bürgerkrieg seiner Heimat starb. Er kam auch alleine in Gent an, um der sinnlosen Gewalt in Sierra Leone zu entkommen. “Die Geschichte deines Vaters ist meine Geschichte”, war die Reaktion auf Manuels Erzählungen. Dieser explizite Transfer fördert die Reflexion der ganzen Klasse. Sie nahmen das Projekt auf und machten es zu ihrem eigenen.

Reflexion und Demonstration werden in der dritten Phase des Pro-jekts zusammengeführt. Die Schülerinnen tauschen sich über ihre Wünsche und Hoffnungen in Bezug auf Frieden und Kooperation aus und drücken diese in ihrem eigenen Guernica Bild aus, das gleich groß ist wie Picassos Werk. Das gemeinsame Endprodukt, ein Gemäl-de von 7,8 m x 3,5 m wird in einem der beliebtesten Einkaufszentren der Stadt ausgestellt.

Das gesamte Projekt wurde gefilmt. Der Film ist im Internet zu finden. Er soll andere inspirieren, entweder das gleiche Projekt zu machen oder die gleiche Methode zu wählen, die Verbindung von Archivmaterial für die Vermittlung kulturellen Erbes und der Entwicklung von Kulturbewusstsein und kultureller Ausdrucksfä-higkeit und sozialer und Bürgerkompetenz. Das Projekt “Die Kin-der von Guernica” ist Thema einer erfolgreichen, internationalen

Produktion. Der Film wurde in viele Sprachen übersetzt, darunter Englisch, Spanisch und Baskisch.

In diesem Projekt waren die Teilnehmerinnen SchülerInnen einer be-rufsbildenden Schule im Alter von ungefähr 17 Jahren. Das Projekt könnte aber auch für jüngere Kinder, im Grundschulalter passend sein. Insbesondere, weil die Protagonisten der Geschichte zwei adop-tierte Kinder aus Guernica sind, die erst 7 und 8 Jahre alt waren, als sie Spanien verließen.

III.Kontakt

Die Polizei von Gent in Kooperation mit der Ambrosia’s Tafel und IngeBEELD Kontakt Person: Paul Bottelberghs E-mail: [email protected]:http://www.platformrondmediawijsheid.be/new/ index_flash.jsp?v=488#/489

IVV Sint-VincentiusMolenaarsstraat 229000 GentBelgienTel: +32 (0)9 235 82 40

Die SchülerInnen der 5. Schulstufe des St. Vincent Instituts malen ihr eigenes Guernica (Foto: Ambrosia’s Tafel)

Das “neue Guernica”, ausgestellt in einem beliebten Einkaufszentrum in Genf (Foto: Ambrosia’s Tafel)

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I.ZusammenfassungdesProjekts

Schlüsselkompetenzen im Projekt:

Lernen LernenUnternehmerische KompetenzSoziale Kompetenz und BürgerkompetenzKulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeit

‘Cookies’ ist ein Konzept, das von De Veerman, einer Kunstvermitt-lungsorganisation, mit der Unterstützung von Breedbeeld, entwickelt wurde. Das Konzept soll Schulen befähigen, dass sie ihre eigenen Kulturprojekte entwickeln und durchführen. Das wichtigste Ziel von Cookies ist es, die SchülerInnen mit Unterstützung einer KünstlerIn und LehrerInnen zur Reflexion über das kulturelle Erbe zu befähigen. In einem Cookies-Projekt erschaffen die SchülerInnen mit ihrer Vor-stellungskraft ein Kunstwerk. Das Projekt geht also über das Lernen historischen Inhalts hinaus. Viele verschiedene Kunstwerke werden von den SchülerInnen geschaffen. Im Unterricht geben LehrerInnen Input, ein/e KünstlerIn leitet den kreativen Prozess und steht den Leh-rerInnen mit Rat zur Seite, wie sie passende Lerninhalte integrieren können und inspiriert die Kinder zu forschenden Aktivitäten. Mit künstlerischen Medien regt der/die KünstlerIn die SchülerInnen dazu an, kreativ zu werden und hilft ihnen so dem kulturellen Erbe neue Bedeutung zu geben.

Der lange Austausch zwischen den KünstlerInnen und den Lehre-rInnen macht dieses Projekt zu einer ergiebigen Erfahrung für alle Beteiligten. Über ein gesamtes Schuljahr arbeitet eine Schule in un-terschiedlichen Lernumfeldern an einem Cookies-Projekt z.B. in fä-cherübergreifenden Stunden, Ausflügen und Workshops.

Das Cookies-Projekt, das hier im Folgenden beschrieben wird, fand an der Fakultät für Bau- und Holzarbeiten der Royal Technical Athe-naeum in Halle, Belgien, statt, einer technischen, berufsbildenden Schule für SchülerInnen im Alter von 14 – 18 Jahren. Das Konzept ist aber auch für Lernende aller Alters- und Schulstufen geeignet.

II.Projektbeschreibung

Wie funktioniert ein Cookie-Projekt? Ein Projektteam aus LehrerInnen der Schule und einer KünstlerIn entscheiden sich für ein bestimmtes kulturelles Erbe, mit dem sie arbeiten wollen. Sie entscheiden sich für mögliche künstlerische Konzepte, an denen die Kinder arbeiten sollen oder dafür, dass diese Konzepte durch das Entdecken und die

Improvisation der SchülerInnen über das gesamte Schuljahr entste-hen und wachsen können. Ein Cookies-Projekt ist multidisziplinär und fächerübergreifend. Während des Schuljahres arbeitet jeder Leh-rer/jede Lehrerin in seinem/ihrem Fach an dem Projektthema. Der/die KünstlerIn unterstützt den kreativen Prozess von LehrerInnen und SchülerInnen.

Das Cookies Projekt beginnt mit motivierenden Aktivitäten, um die SchülerInnen mit dem kulturellen Erbe vertraut zu machen, das sie entdecken und über das sie im kommenden Schuljahr viel reflektieren werden. Das Projekt endet mit den Präsentationen der SchülerInnen an einem Tag des kulturellen Erbes oder einem Tag der offenen Mu-seumstür.

Das Royal Technical Athenaeum in Halle, Belgien, entschied sich für den Haller Wald (Hallerbos) als das kulturelle Erbe, mit dem sie ar-beiten wollten. Der Haller Wald lieferte Deutschland Holz im Zwei-ten Weltkrieg. Es ist sehr wahrscheinlich, dass dieses Holz auch zum Bau von Barackenblöcken in Konzentrationslagern benutzt wurde. Während ihres ersten Lehrausflugs diskutierten die SchülerInnen die Geschichte des Waldes, das Aufforstungsprogramm und die Funk-tion des Waldes. Hilde Braet, die am Projekt beteiligte Künstlerin, zeigte den Lernenden, wie man den Wald mit den Augen eines Künstlers sehen kann. Dazu wurden mit Einwegkameras Bilder von Materialien, die sie im Wald fanden, für eine Kollage gemacht. Die SchülerInnen erstellten Fotogramme, bei denen Gegenstände direkt auf Fotopapier gelegt und belichtet werden, ohne eine Kamera. Ei-nige Zeit wurde für Theorie und Reflexion verwendet. Während der Arbeitsstunden mit Holz entdecken die SchülerInnen die verschie-denen Holzarten.

Cookies (BE)

(Foto: Hilde Braet)

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Der zweite Ausflug war eine geführte Tour durch Fort Breendonk, ein Konzentrationslager während des Zweiten Weltkriegs. Viele der LehrerInnen und auch die KünstlerIn nutzten diesen Ausflug für ihren Unterricht und Aktivitäten. Während der Vorbereitung recherchierten die SchülerInnen im Internet über die verschiedenen Konzentrations-lager. Sie entschieden sich für ein Lager und erstellten am Computer einen Lageplan, den sie ausdruckten. In der Holzwerkstunde unter-suchten die SchülerInnen Betten aus Konzentrationslagern, und ent-warfen, zeichneten und bauten anschließend eines. In der Bautech-nikstunde wurde ein Plan eines Barackenblocks gezeichnet, der dann von der Fakultät für Holzbau gebaut wurde.

In der zweiten Phase wurden verschiedene Aufgaben gewählt, nicht nur um die technischen Fähigkeiten zu verbessern, sondern auch um die kooperative Kompetenz der SchülerInnen weiterzuentwi-ckeln. Im Fach Sozialkunde und Ethik wurden die Themen Krieg und Frieden und die Rolle der Konzentrationslager untersucht. In den Fotografiestunden wurden Aufgaben gewählt, die die Bedeu-tung von Breendonk zeigen sollten. Einige SchülerInnen machten Selbstportraits “Ich in einem Konzentrationslager” und erstellten unter dem Thema ‘Ein Gefangener in Breendonk” mit Fotogram-men Umrisse ihrer Silhouetten. Die SchülerInnen gaben sich Mühe, ausdrucksstarke Bilder zu erstellen und zeigten großes Interesse und starken Teamgeist.

Am Ende des Projekts organisierte die Schule mit den Ergebnissen der verschiedenen Fächer und den Kunstwerken eine Ausstellung am Tag des kulturellen Erbes. Ein Klassenzimmer wurde von den SchülerIn-nen in eine Baracke und so zum Ausstellungsraum verwandelt. Der Raum enthielt ein Bett, eine Reihe von Fotografien und Notizen von SchülerInnen, eine Videodokumentation über Konzentrationslager und persönliche Habseligkeiten eines Gefangenen, dessen Sohn von der Schule über die Ausstellung informiert wurde. Ein Schüler, der

nicht an dem Projekt beteiligt war, aber von der Ausstellung hörte, kam aus dem Urlaub zurück und trug eine Sammlung Militärhelme zur Ausstellung bei.

IIIKontakt

De Veerman vzwKronenburgstraat 342000 AntwerpenBelgienTel.: +32 3 290 69 66Fax: +32 3 290 69 66E-mail: [email protected]: http://www.veerman.be

Dienst Cultuur Provincie Vlaams-BrabantProvincieplein 13010 LeuvenBelgienTel.: +32 16 26 76 93E-mail: [email protected]

KTA Halle Kluisstraat 1 1500 HalleBelgienTel.: +32 2 361 59 59Fax : +32 2 356 83 63E-mail: [email protected]@pandora.beWebsite: http://www.kta-halle.be/

Pupils construct installations based on their heritage experiences (Foto: Hilde Braet)

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I.ZusammenfassungdesProjekts

Schlüsselkompetenzen im Projekt:

Lernen LernenUnternehmerische KompetenzSoziale Kompetenz und BürgerkompetenzKulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeit

Entlang der Straßenbahnlinie 92, die quer durch die Stadt Brüssel führt, von der Haltestelle Schaarbeek bis nach Fort Jaco, gibt es zahl-reiche kulturelle Sehenswürdigkeiten, Denkmäler, multikulturelle Bezirke und Geschichten, die es zu entdecken gilt. Im Projekt “Die Odyssee der Straßenbahnlinie 92” unternehmen GrundschülerInnen im Alter von 10 – 12 Jahren zwölf Straßenbahnfahrten, für die sie sich zwölf unterschiedliche Aufgaben stellen. Auf jeder dieser Fahr-ten entdecken die Kinder neue Orte, Geschichten und Denkmäler. Jede/r SchülerIn führt ein “Tram-Tagebuch”, das persönliche Notizen und Skizzen enthält. Alle Entdeckungen der SchülerInnen bilden die Basis einer Geschichte über ‚Yvette, die Fliege’, die die Motivation der SchülerInnen anregen soll, aber auch eine Struktur bietet, die den SchülerInnen dabei hilft, sich an all die entdeckten Orte zu erinnern und diese Erinnerungen mit anderen zu teilen. Eine professionelle Grafikerin hilft den Kindern dabei, ihre Zeichnungen, Skizzen, Noti-zen und Bilder zu einem Album zusammenzuführen.

„Die Odyssee der Straßenbahnlinie 92“ ist ein Kulturvermittlungs-projekt der Patrimoine à roulettes asbl in Zusammenarbeit mit einer professionellen Grafikerin, den SchülerInnen und LehrerInnen der Klasse 5A der Grundeschule Nr. 1 in Schaarbeek, Brüssel. Das ganze

Projekt wurde gefilmt. Daraus entstand der Dokumentarfilm ‘Le pa-trimoine, ça déchire!’ von Jacques Borzykowski, vom Centre Vidéo de Bruxelles.

Die Straßenbahnlinie 92 verläuft durch ganz Brüssel. Sie beginnt an der Haltestelle Schaarbeek und führt an zahlreichen multikulturel-len Stadtvierteln, Gegenden mit bedeutenden Denkmälern, Parks und Palästen vorbei, bis zur Endhaltestelle Fort Jaco. Auf zwölf Fahr-ten und Lernwegen entdecken die SchülerInnen den Reichtum und die Vielfalt des farbenprächtigen kulturellen Erbes, das die Stadt entlang der Linie 92 zu bieten hat. Jeder Schüler / Jede Schülerin führt ein eigenes “Tram-Tagebuch”, in dem sie ihre Beobachtun-gen, Notizen, Zeichnungen und Skizzen über ihre Entdeckungen und Konversationen mit anderen Passagieren festhalten. Während die SchülerInnen im Projekt arbeiten, bauen sie ihre Ergebnisse und Erfahrungen in die fantasievolle Geschichte von “Yvette, der Flie-ge” ein, deren Struktur den SchülerInnen dabei hilft, sich an all die entdeckten Orte zu erinnern und diese Erinnerungen mit anderen zu teilen. Mit der Unterstützung einer professionellen Grafikerin werden die Zeichnungen und Bilder zu einem Album.

Die erste Straßenbahnfahrt kann als die Motivationsphase des Pro-jekts gesehen werden: frei von theoretischem Input, machen sich die Kinder auf, um die Linie 92 zu sehen, zu hören, zu fühlen und zu erfahren. Es ist wichtig, dass die erste Aufgabe den SchülerIn-nen ein persönliches Erleben ermöglicht und sie das kulturelle Erbe emotional berührt. So können sie sich das Projekt zu eigen machen.

Ab dem zweiten Lernweg gibt es abwechselnd Aktivitäten und the-oretischen Input, die den Lernprozess der Kinder lenken. Es gibt Aufgabenkarten, die die wichtigsten Ziele einer Aufgabe zusam-menfassen, die während einer Straßenbahnfahrt erfüllt werden müssen, wie Beobachtungen, Interviews mit Passagieren oder mit Menschen um die Haltestellen etc. Dies geschieht in Kleingruppen oder mit der ganzen Klasse.

Die Aufgaben können dem Alter der Kinder entsprechend gewählt werden. Einige Beispiele aus dem Projekt: Beobachtungsübungen z.B. ein Haus, eine Skyline zeichnen, das Erkennen von ästhetischen Linien (Baustile), Farbschemen, die Detailbeobachtung mit Fernste-cher oder ein Fotoquiz, Fantasie- und Erlebnisschreibaufträge, di-gitale Fotos aus unterschiedlichen Perspektiven, ein kommentierter Videoreport und Interviews mit Menschen. Diese verschiedenen Aufgaben machen das Projekt reich an Aktivitäten und Erlebnissen.

In der Präsentationsphase begleitet eine professionelle Grafikerin die SchülerInnen. Nach einem theoretischen Input über die ver-schiedenen Schritte, der es für die Erstellung eines Albums bedarf,

Die Odyssee der Straßenbahnlinie 92 (BE)

Die Zeichnung einer Schülerin der Tram 92 (Foto: Jacques Borzykowski)

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geht es weiter mit der Arbeit vor Ort. In der Zwischenzeit wird die Ge-schichte der Fliege Yvette kreiert. Die Grafikerin begleitet die Kinder auf ihren Straßenbahnfahrten, um ihnen zu helfen ihre Entdeckun-gen in eine neue Form zu bringen. Das Endergebnis ist ein Faltalbum. Die eine Seite zeigt einen Stadtplan von Brüssel und der Linie 92, auf der anderen Seite sind abwechselnd Bilder, Zeichnungen und Skiz-zen aus den persönlichen “Tram-Tagebüchern” der SchülerInnen zu sehen.

III.Kontakt

Konzept:Patrimoine à roulettes asbl Rue du Tienne, 20 B-1495 Villers-la-VilleBelgienWebsite: [email protected]

Kontakt Person: Philippe CotteAdresse: 11 rue de la Poste 1030 BrüsselBelgienE-mail: [email protected] (DVD und Project Beschreibung): www.cvb-videp.be

Eine Straßenbahnfahrt – eine Zeichnung einer SchülerIn (Foto: Jacques Borzykowski)

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I.ZusammenfassungdesProjekts

Schlüsselkompetenzen im Projekt:

Lernen LernenUnternehmerische KompetenzSoziale Kompetenz und BürgerkompetenzKulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeit

Im Mittelpunkt des Projekts “Stadtgetümmel” stehen öffentliche Plät-ze und das kulturelle Erbe der Stadt Saint Jean d’Angely in der Region Poitou-Charentes in Frankreich. Das Projekt wurde für SchülerInnen im Alter von 8 – 12 Jahren entwickelt. In Zweier- oder Dreiergruppen wurden die Kinder zu ‘geografischen AkteurInnen’. Sie entwarfen eine Route für TouristInnen, die durch die Stadt und zu verschiedenen Kul-turstätten führte. Im Zentrum stehen die Themen „Kulturelles Erbe“ und „Architektur“. So lernen die SchülerInnen vertraute öffentliche Plätze mit neuen Augen zu sehen. Das Projekt wurde vom Zentrum für Europäische Kultur (Européenne / Service Educatif) und dem Collège Texier in Saint Jean d’Angely, Frankreich, organisiert.

II.Projektbeschreibung

In dem Projekt “Stadtgetümmel” lernen die GrundschülerInnen, im Alter von 8 – 12 Jahren ihren Beobachtungssinn zu entwickeln und mehr über das kulturelle Erbe in ihrem Umfeld.Die Aufgabe, die es zu lösen gilt, ist der Entwurf einer Touristenroute, die durch die Stadt zu den wichtigsten Kulturstätten von Saint Jean d’Angely führt. Im Zentrum stehen die Themen „Kulturelles Erbe“ und „Architektur“. Durch diese Aufgabe lernen die Kinder mehr über die Kultur in ihrem unmittelbaren Umfeld und schärfen ihren Beobachtungssinn. Das gemeinsame Erarbeiten der Aufgabe stärkt den Zusammenhalt und das gegenseitige Verständnis innerhalb der Gruppen.

Stadtgetümmel (FR)

Jugendliche entdecken ihre Stadt (Foto: Centre de Culture européenne)

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In dem Projekt formuliert der Kulturstadtrat den Plan, die römischen Kulturdenkmäler zu renovieren. In dieses Vorhaben soll die lokale Be-völkerung miteinbezogen werden. Die wichtigsten Kulturorganisati-onen, das Büro für Touristeninformation und die Vereinigung lokaler Gewerbetreibender, wurden gebeten, eine Route der wichtigsten Kulturdenkmäler zu entwickeln. Die SchülerInnen schlüpfen in die Rollen von Repräsentanten dieser Gruppen. Zu Beginn des Projekts “Stadtgetümmel” schwärmen die SchülerInnen in die Stadt aus, um ihr unmittelbares Umfeld näher unter die Lupe zu nehmen. Danach entwerfen sie Stadttouren durch St. Jean d’Angely. Diese Touren fin-det man in einer Touristenbroschüre, die in Zusammenarbeit mit dem Büro für Touristeninformation und der Stadt entstanden ist.

III.Kontakt

Centre de Culture Européenne / Service EducatifAbbaye Royale17400 Saint-Jean d’AngélyFrankreichTel. : +33 (0)5 46 32 60 60E-mail: [email protected] Website: www.cceangely.org

Collège Texier Kontakt Person: Frederic SamuelAdresse: 4 Rue du Professeur Texier 17400 Saint Jean d’AngélyFrankreich

Jugendliche besuchen die Fenioux Ausstellung (Foto: Centre de Culture européenne)

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I.ZusammenfassungdesProjekts

Schlüsselkompetenzen im Projekt:

Lernen LernenUnternehmerische KompetenzSoziale Kompetenz und BürgerkompetenzKulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeit

Eines der Fächer im Lehrplan französischer Mittelschulen ist das Fach Kunstgeschichte, das viele Themen beinhaltet wie urbane Kunst, Li-teratur, Alltagskunst, Audio Kunst, Tanz und Theater und Bildende Kunst. In Kunstgeschichte sollen SchülerInnen mehr über die gemein-same Kultur erfahren und ihren Wert schätzen lernen. Im Zentrum des Lehrplans französischer Mittelschulen steht das Studium von Kunstwerken, die auch Teil der national Prüfungen (Brevet natinal des collèges) am Ende der Sekundarschulbildung sind.

Die Mittelschule Collège Texier und das Zentrum für Europäische Kultur aus Saint Jean d’Angely (Frankreich) entwickelten ein fächer-übergreifendes Projekt rund um das Thema “Krieg: Kunst, Staat und Macht”. Ein Projektteam aus LehrerInnen der Fächer Geografie, Mu-sik, Geschichte und Bildende Kunst zeigten wie angewandte Kunst, Bildende Kunst, Kino, audiovisuelle Kunst, Tanz, Musik, Theater und Zirkuskunst verstärkt mit den Fächern Französisch und anderen mo-dernen und klassischen Sprachen, Politische Bildung, Philosophie, wissenschaftlichen, wirtschaftlichen, sozialen und technischen Fä-chern, sowie Turnen und Sporterziehung verknüpft werden können.

Das Projekt wurde für eine Gruppe 13-15-jähriger SchülerInnen ent-wickelt. In Kleingruppen recherchierten sie drei Themen anhand ver-schiedener Kunstwerke.

II.Projektbeschreibung

Das Projekt “Die Geschichte der Kunst” wurde von der Mittelschu-le Collège Texier und dem Zentrum für Europäische Kultur in Saint Jean d’Angely (Frankreich) entwickelt. Kunstgeschichte ist ein Fach, das Teil des Lehrplans französischer Mittelschulen und des nationalen Examens ist.

Die Geschichte der Kunst (FR)

France, History of Art, “The War” Triptych by Otto Dix, 1929-1932 (Foto: Frédéric Samuel)

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160 SchülerInnen der letzten Klasse der Unterstufe nahmen an dem Projekt teil. 20 davon hatten Dyslexie und Dyspraxie. An den Projekt-aktivitäten nahmen nur die SchülerInnen teil, die zur externen Prü-fung antreten würden, ihre LehrerInnen und die Kulturvermittler, die offizielle Mitglieder des Beurteilungskomitees für das Examen sind.

Das Projekt will die Neugier der SchülerInnen wecken und sie zur Kreativität ermutigen, besonders in Verbindung mit einer sensiblen Betrachtung künstlerischer Arbeit. Es soll die SchülerInnen auch dazu befähigen, Kunstwerke besser zu analysieren, ihr persönliches Be-wusstsein von Kultur zu schärfen, basierend auf ihren Entdeckungen und Analysen bedeutender Kunstwerke, und ihnen bewusst machen, welche Ausbildungen und Berufe es in den verschiedenen Feldern des Kunst- und Kulturbereichs gibt. Allgemeiner ausgedrückt, ist das Projekt Teil der neuen Prüfung und Teil der mittleren Reife (Brevet National des Collèges). Kunstgeschichte wird teilweise fächerüber-greifend angeboten.

Die Aktivitäten im Rahmen des Projekts sind eng mit den europä-ischen Schlüsselkompetenzen Kulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeit verbunden. Weitere Schlüsselkompetenzen zur Zielerreichung sind

• die soziale und Bürgerkompetenz, d.h. die Schülerinnen arbeiten in Fünfergruppen an jeweils einem Kunstwerk und reflektieren ihr gemeinsames kulturelles Erbe.

• Kommunikation in ihrer Muttersprache, d.h. die SchülerInnen ler-nen das Kunstwerk wahrzunehmen, zu beschreiben und zu analy-sieren, und diskutieren über ihre Gefühle.

• Eigeninitiative und Unternehmertum, d.h. die SchülerInnen orga-nisieren ihre Arbeit und verarbeiten Informationen, die sie recher-chieren etc.

Auch andere Kompetenzen werden durch die Aktivitäten in dem Pro-jekt angesprochen, z.B. durch die geografische und zeitliche Einord-nung eines Kunstwerks mit Hilfe künstlerischer Anhaltspunkte und unterschiedlichen Informationsmaterialien.

Wie wurden die Aqueduct-Schlüsselkompetenzen angesprochen? Die Kompetenzen Kulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähig-keit wurden gefördert, indem ein Kunstwerk geografisch und his-torisch einzuordnen war. Das erfordert zum Beispiel, dass die Schü-lerInnen an unterschiedlichen Darstellungen arbeiten, den Kontext recherchieren und herausfinden, was die zentrale Idee hinter dem Kunstwerk ist. Mit Hilfe dieser künstlerischen Anhaltspunkte können sich die SchülerInnen den historischen und kulturellen Kontext erar-beiten und Elemente der künstlerischen, visuellen und musikalischen Sprache meistern: hören, beobachten und beschreiben.

Der Umgang mit Informationen aus unterschiedlichen Quellen be-deutet: Informationen auszuwählen, einzuordnen, nach Prioritäten einzuteilen, sich mit den Inhalten auseinanderzusetzen, Dokumente

miteinander zu verbinden, diese Verbindungen argumentieren zu können, die Informationen mit Fachvokabular zu beschreiben, die wichtigsten Inhalte herauszufiltern und Argumente zu finden. Schritt für Schritt erwerben sich die SchülerInnen ein bestimmtes Maß an Kulturbewusstsein.

Verschiedenen Gruppen aus drei oder fünf SchülerInnen wird eines der folgenden Themen und Kunstwerke vorgestellt:

• Der Erste Weltkrieg und seine Konsequenzen durch die Analyse des Triptychons von Otto Dix “Der Krieg” (1929-1932) und des “Kriegrequiems” von Benjamin Britten, basierend auf den Gedich-ten von Wilfred Owen.

• Der Verlauf des Krieges, 1937 durch die Analyse von Pablo Pi-cassos Gemälde ‘Guernica’ (1937) und ‘La chanson l’exhibition’ (1937) von Georgius.

• Der Genozid im Zweiten Weltkrieg durch die Analyse des Fotos ‘Kunst, Zeuge der Vergangenheit’ von Kenna (1993) und Musik von Jean Ferrat ‘Nuit et Brouillard’ (1963) oder Dimitri Chosta-kovitchs Symphony Nr. 13 und ‘Babi Yar’ ein Gedicht über Musik mit Texten aus Konzentrationslagern: http://www.starzik.com/mp3:titres/Babi_Yar_Babi_Yar_Recitation-183432.html

Nachdem sich die SchülerInnen die Werke angehört, gesehen und gelesen haben, sollen sie sich über die Gedanken und Gefühle aus-tauschen, die die Werke in ihnen auslösten. In Gruppen diskutieren sie ihre persönlichen Ansichten. Dann sollen sie die Werke aus einem technischen Blickwinkel betrachten, die Arbeiten analysieren und den historischen Kontext mit Hilfe der untenstehenden Elemente be-schreiben:

Der historische Kontext Datum, Geschichtsepoche, Zentrale Idee

Formen Art der Arbeit, Genre, Stil, Struktur

Technik Materialien, Unterstützung, Instrumente

Bedeutung Die Botschaft und ihre Bedeutung

Nutzung Funktion als Kulturerbe, Ziel, Missbrauch, Ablehnung

Jede/r SchülerIn soll anschließend folgende Fragen beantworten und seine/ihre Antworten dann mit der Gruppe teilen:

• Welche Gefühle werden bei dem/der SchülerIn ausgelöst, bei Be-trachtung des Bildes, beim Hören der Musik?

• Historischer Kontext• Welche Elemente beinhaltet das Werk, d.h. Beschreibung des

Werks, darauf basierendes Gedicht?• Was will uns das Bild / die Musik sagen? Was ist die Botschaft des

Künstlers/der Künstlerin? • Verwendung einer bestimmten Sprache z.B. für das Gemälde, das

Foto oder die Musik.

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Die Evaluation der Lernergebnisse erfolgt nach folgenden Kriterien: Sprachkenntnisse, Kontextwissen, Kenntnisse in Kunstgeschichte, die Fähigkeit Kunstwerke wahrzunehmen, zu beschreiben, zu ana-lysieren und zu kommentieren. Und auf Verhaltensebene: Neugier, Aufmerksamkeit und Konzentration, Forschung und Anwendung des Wissens und kritisches Denken.

Das Projekt regte die Interaktion zwischen den SchülerInnen an. Sie haben sowohl eigene Standpunkte als auch technisches Verständnis entwickelt. Eine der Schwierigkeiten, die auftraten, war, dass die Ar-beit in Gruppen “Nebenwirkungen” hat: oft gibt es eine SchülerIn, die sich nicht einbringt und schweigt. Dieses Problem verschlimmert sich, wenn es darum geht, persönliche Gefühle in Zusammenhang mit einem Kunstwerk zu beschreiben. Wir dachten als Folge darü-ber nach, die zurückhaltendsten SchülerInnen die Prüfung in Zwei-erteams machen zu lassen, um beiden gleich viel Redezeit zu geben. Andere wollten die Prüfung alleine absolvieren, was aber nicht viel Sinn macht, weil so die Vorteile des Brainstormings im Team nicht gegeben wären. Die Absolvierung des Examens in Zweiergruppen scheint eine gute Idee zu sein und die Tatsache, dass der Kunstge-schichteunterricht in Frankreich ab jetzt in sehr jungen Jahren in den Lehrplan integriert ist, ist sehr wichtig, um dieses Problem langfristig in den Griff zu bekommen.

III.Kontakt

Centre de Culture Européenne / Service EducatifAdresse: Abbaye Royale 17400 Saint-Jean d’AngélyFrankreichTel.: +33 (0)5 46 32 60 60E-mail: [email protected] Website: www.cceangely.org

Collège Texier Frederic SamuelAdresse: 4 Rue du Professeur Texier 17400 Saint Jean d’AngélyFrankreichTel: +33 (0)5 46 32 04 13E-mail: [email protected]: charente-maritime.fr/colleges17/gt-st-jeandy/evaweb/

Zäune und Bewachung, Michael KENNA, Post Konzentrations Kunst, 1993 (Foto: Frédéric Samuel)

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I.ZusammenfassungdesProjekts

Schlüsselkompetenzen im Projekt:

Lernen LernenUnternehmerische KompetenzSoziale Kompetenz und BürgerkompetenzKulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeit

Das Projekt “Ein Tag im Leben eines Mönchs” wurde von der Mit-telschule Collège Georges Téxier und dem Zentrum für Europäi-sche Kultur in der Königlichen Abtei (Abbaye Royale), in Saint Jean d’Angely, Frankreich initiiert. In dem Projekt entdecken SchülerIn-nen im Alter von 6-12 Jahren, historische Kunstwerke im Herzen der Abtei z.B. Kalligrafien, Miniaturen, Lieder und Musik aus dem Mittelalter. In Gruppen von drei bis vier SchülerInnen lernen sie die Rolle der Kirche in der Gesellschaft kennen und erleben einen Tag im Leben eines Mönchs des 17. Jahrhunderts. Durch diesen Tag entdecken die SchülerInnen die charakteristischen Tätigkeiten eines Mönchs und die damit verbundenen Rollen z.B. Schreiber, Bäcker, Bauer, Doktor, Beichtvater. Ziel ist es, den SchülerInnen zu zeigen, wie präsent die Kirche im Alltag der Menschen in dieser Zeit war.

II.Projektbeschreibung

Die pädagogische Abteilung von Saint Jean d’Angely erarbeitet zu-sammen mit Kulturvermittlern dieses Projekt, das sie Schulen anbie-tet. Viele andere Personen wie KünstlerInnen und LehrerInnen betei-ligen sich daran. Im Projekt erwerben die SchülerInnen Wissen über die Geschichte der Kunst und die Königlichen Abtei von Saint Jean d’Angely. Dies geschieht, indem die SchülerInnen die verschiedenen Momente der täglichen Routine eines Mönchs durchleben.

Die SchülerInnen lernen in diesem Projekt:• wie man Anhaltspunkte der Geschichte in 3D Objekten findet und

nutzt. Die SchülerInnen identifizieren Charakteristika der Romanik und der Gotik.

• über verschiedene Episoden im Leben einer bekannten, lokalen Figur.

• wie man eine Abtei beschreibt. Mit der Hilfe eines Plans gehen die SchülerInnen durch das Gebäude und lernen wie eine Abtei organisiert ist.

• das Funktionieren der Abtei.• die wichtigsten Charakteristika einer Abtei. Sie zeichnen den

Grundriss einer Kirche und erkennen ihre architektonischen Ele-mente.

• über die katholische Religion im Mittelalter.• über den Alltag eines Mönchs und die Bedeutung der Mönche im

Mittelalter.• über den Anspruch der Kirche die Menschen moralisch anzuleiten

z.B. Dogmen und Bräuche, der Kampf gegen die Ketzerei, Inqui-sition etc.

• über die wirtschaftliche Macht der Kirche und ihre soziale und intellektuelle Rolle z.B. ihre Integration ins feudale System, Armen helfen, Erziehung.

• eine andere Art über die Geschichte des 16. bis 18. Jahrhunderts zu lernen.

Das Projekt beginnt damit, dass die LehrerInnen die Geschichte der Stadt und der Abtei vortragen. Die SchülerInnen erhalten den Plan der Abtei, den Ablauf eines Arbeitstags eines Mönchs und einen Auszug aus der Augustinusregel nach der die Benediktinermönche lebten. Die SchülerInnen werden motiviert, indem sie ihre Rolle sel-ber auswählen dürfen. Sie bekommen den Plan eines Arbeitstages eines Mönchs und entscheiden sich für eine Tätigkeit, die sie gerne ausüben möchten und organisieren sie anhand eines bestimmten Zeitplans. Die Gruppen entdecken die Abtei und gehen zu den Or-ten, die ihnen für ihre Tätigkeit am wichtigsten erscheinen. Durch ein Rollenspiel erfahren sie die tägliche Routine und Aktivitäten eines Mönchs in der Kirche.

Ein Tag im Leben eines Mönchs (FR)

Die Kirche von St. Jean D’Angély (Foto: Frédéric Samuel)

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Nachdem sie sich mit dem Ort und ihrer Tätigkeit vertraut gemacht haben, nehmen die SchülerInnen an einem von zwei Workshops teil:

• Workshop I: Die religiösen Aspekte im Leben eines Mönchs; die Unterschiede zwischen weltlichen und Ordenspriestern, Gebet, das Lesen in Kapiteln ihrer Ordensregeln, die Messe, Kirchenlieder, Beichte etc.

• Workshop 2: Alltag, Aktivitäten im Freien wie Landwirtschaft und Feldanbau, Holzhacken, der Verkauf von selbst produziertem Wein; Aktivitäten in der Kirche z.B. wie wird man ein Schreiber, Bäcker, Kalligraf, Koch oder Doktor etc.

Aus den Erfahrungen der SchülerInnen entsteht eine Ausstellung mit den Produkten aus den Workshops. Solche Produkte sind z.B. Notizen, Pläne der Kirche zum Ausfüllen, Entwürfe architektonischer Fassaden zum Ausmalen oder Erzählungen über den Tag im Leben eines Mönchs. Die SchülerInnen sollen ihre Erfahrungen reflektieren. Dadurch lernen sie die Rolle der Kirche und ihre Bedeutung in der Gesellschaft zu verstehen.

Für die Reflexion erhalten die SchülerInnen ein Blatt Papier, das in drei Spalten unterteilt ist. In die erste Spalte schreiben sie die Elemente, die sie während ihres Besuchs sammelten und ihre Erlebnisse. In der zweiten Spalte ordnen sie diese Elemente den Themen „religiös“, „kulturell“ und „wirtschaftlich” zu. In der letzten Spalte schreiben sie einen Text, der die Eingangsfrage beantwortet: “Wie nehme ich die Rolle der Kirche im Mittelalter durch die alltäglichen Tätigkeiten eines Mönchs wahr?

Wenn möglich, kann die Arbeit der SchülerInnen in den Workshops vertieft und dynamischer gemacht werden, indem man eine Über-nachtung in der Abtei organisiert. So dauert das Projekt zwei Tage

und die SchülerInnen können noch mehr über das mönchische Leben erfahren und mehr in den Workshops arbeiten.

Die Lehrperson könnte auch den Besuch eines Mönchs oder eines Geistlichen an der Schule organisieren. Oder die SchülerInnen könn-ten bei einem Konzert die Musik spielen, die sie in den Workshops gelernt haben, Brot backen oder zeigen, wie man kalligrafiert.

III.Kontakt

Zentrum für Europäische Kultur / Abbaye Royale Adresse: 17400 Saint Jean d’Angely FrankreichE-mail: [email protected] Website: www.cceangely.org

Collège Georges TéxierKontakt Person: Frédéric SAMUELAdresse: 4 rue du professeur Téxier17400 Saint Jean d’AngélyFrankreichE-mail: [email protected]

Die Kirche von St. Jean D’Angély (Foto: Frédéric Samuel)

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I.ZusammenfassungdesProjekts

Schlüsselkompetenzen im Projekt:

Lernen LernenUnternehmerische KompetenzSoziale Kompetenz und BürgerkompetenzKulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeit

Ziel des Projekts “Meine Vision von Europa” ist es, die Toleranz an-deren Kulturen gegenüber und das gegenseitige Verständnis für das kulturelle Erbe in Nord- und Südirland zu fördern. Es verbindet römisch-katholische und protestantische Schulen in Nordirland in einem gesellschaftsübergreifenden Projekt und verbindet diese wie-derum mit Schulen jenseits der Grenze, der Republik Irland. Darüber hinaus verbindet dieses Europastudienprojekt Schulen aus Ost und West, von den britischen Inseln bis zum restlichen Europa. Im Pro-jekt “Meine Vision von Europa” wurden verschiedene Workshops zur Vertrauensbildung, zur Förderung von Kulturbewusstsein, religiöser Toleranz und Bürgerkunde organisiert. Die SchülerInnen produzierten und verbreiteten Videos mit ihrer Vision des kulturellen Erbes Irlands und der Europäischen Union. Folgende Themen wurden bearbeitet:

• Stell dir vor, Irland wäre nicht Mitglied der EU – was wäre anders?• “Captain Europe” - ein europäischer Superheld der Menschen in

verschiedenen Konfliktgebieten Irlands rettet.• Stell dir vor, du bist ein außerirdischer Besucher, der in Irland lan-

det. Wie würdest du ihm die Europäische Union erklären?

II.Projektbeschreibung

Das kulturelle Erbe ist in Irland ein komplexes und potentiell kon-fliktträchtiges Thema. Junge Menschen nehmen ihre Identität und ihr “Irischsein” unterschiedlich wahr. In Nordirland, das Teil des Ver-einigten Königreichs ist, gibt es zwei verschiedene Teile der Gesell-schaft. Der eine Teil betrachtet sich selbst als “britisch”, der andere als “irisch”. Diese Teilung liegt in dem Zugehörigkeitsgefühl zu unter-schiedlichen Religionen begründet und die Geschichte gewalttätiger Konflikte in der Gegend trägt entscheidend dazu bei, dass diese Tei-lung weiterhin besteht. Zur Zeit gibt es eine Bewegung in Richtung einer “gemeinsamen Zukunft”, an der beide Teile der Gesellschaft auf Bürgerebene teilnehmen. Die Republik Irland spielt und spielte bei der Lösung des Konflikts eine entscheidende Rolle. Im Jahr 2005 gab sie ihre territorialen Ansprüche in Nordirland auf und führte entspre-chende Verfassungsänderungen durch. Die irische Regierung arbeitet

eng mit der lokalen und nationalen Regierung des Vereinigten König-reichs zusammen und es gibt zahlreiche länderübergreifende Initiati-ven für Schulen und Jugendliche zum Thema kulturelles Erbe.

Das Europastudienprojekt ist ein Teil des Lehrplans in Schulen, der 1986 von den beiden Bildungsministerien in Nord- und Südirland ins Leben gerufen wurde. Ziel des Projekts ist es, Verbindungen durch ei-nen gemeinsamen Unterricht entstehen zu lassen. Zur Zeit beschäfti-gen sich 300 Oberschulen mit Europawissenschaften. Darunter befin-den sich Realschulen, Gymnasien (selektiv), Schulen für SchülerInnen mit besonderen Bedürfnissen, Institute nicht -formaler Bildung und Pädagogische Hochschulen und andere Hochschulen.

Neben dem Team für Europastudien waren folgende Organisationen an dem Projekt beteiligt:

• Die Organisation für Beziehungen der Gemeinschaft in Schulen• Das Europäische Parlament in Irland• Die Europäische Kommission in Irland• Die Europäische Bewegung• Léargas (Die Nationale Agentur für die Republik Irland des Pro-

gramms für Lebenslanges Lernen) • Das irische Filminstitut

Das Projekt “Meine Vision für Europa” konzentriert sich auf die Visi-on von Europa von irischen SekundarschülerInnen. Es ist einzigartig, weil es auf allen Ebenen ein ausschließlich irisches Projekt ist, mit aus-schließlich irischen Partnern. Es nutzt die neuesten Innovationen der Kommunikationstechnologie, soziale und digitale Medien, wie You-Tube und TeacherTube. Es gibt nach wie vor eine starke Zusammen-arbeit mit dem Irischen Filminstitut, die für alle Partner sehr lohnend war. Das Ergebnis sind Videos, die von den SchülerInnen vollkom-men selbstständig produziert und verbreitet wurden. In den Videos werden unterschiedliche europäische Themen behandelt, aber immer aus der Sicht einer Person aus Irland.

Die Themen bisher: • Stell dir vor, Irland wäre nicht Mitglied der EU – was wäre anders?• “Captain Europe” - ein europäischer Superheld der Menschen in

verschiedenen Konfliktgebieten Irlands rettet.• Stell dir vor, du bist ein außerirdischer Besucher, der in Irland lan-

det. Wie würdest du ihm die Europäische Union erklären?

Die Zielgruppen waren Klassen mit SchülerInnen im Alter von 15 bis 16 Jahren. Im Norden wurde jedes Themengebiet akzeptiert. In der Republik Irland trifft diese Altersgruppe genau den Übergangsjahr-gang, für den keine formalen Prüfungen vorgesehen sind und in dem es SchülerInnen aller Begabungen gibt.

Europastudienprogramm: Meine Vision von Europa (IT)

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“Information und Kommunikationstechnologie” wird auf beiden Sei-ten der Grenze unterrichtet und ist ein sehr beliebtes Fach. Deshalb wurde dieses Projektthema im Lehrplan fix verankert. Die Schülerin-nen lernen auch die Geschichte Europas und über die Beziehungen von Nord- und Südirland zur EU. Neben den oben erwähnten Organi-sationen wurde das Projekt auch von professionellen Filmschaffenden unterstützt, die die Einreichungen beurteilten.

Als eine vorbereitende Aktivität recherchierten die SchülerInnen indi-viduell oder in der Klasse das von ihnen gewählte Thema. In dieser Phase wurden auch die Rollen für die Filmproduktion vergeben. Die Arbeit wurde auf die Website des Europastudienprojekts gestellt, wo die SchülerInnen über die Themen und Inhalte abstimmten.

Das Ergebnis war ein gemeinsames Camp für die Schulen der Finalis-tInnen, an dem alle SchülerInnen teilnahmen. In dieser Phase muss-ten sich die SchülerInnen mit Streitfragen rund um ihr gemeinsames und individuelles kulturelles Erbe konfrontieren. Im Camp wurden Workshops zu den Themen Vertrauensbildung, Kulturbewusstsein, religiöse Toleranz und Bürgerkunde organisiert. Die Workshops kon-zentrierten sich zunächst auf die eigene Identität, auf das eigene kul-turelle Erbe. Es folgte die Arbeit in Gruppen aus verschiedenen Natio-nen. In diesen Gruppen wurde Mythen nachgegangen und diskutiert, welche Stereotypen es über die Identität des jeweiligen Gegenübers gibt. Auch das Thema Gender wurde bearbeitet, da viele Schulen in der Republik Irland eine getrennte Klassenführung für Mädchen und Jungen vorsehen.

Die didaktischen Methoden waren learning by doing, Peer-Learning und individualisiertes Lernen. All diese Methoden trugen dazu bei, dass die SchülerInnen ihre Kommunikations- und Präsentationsfähig-keiten verbessern konnten. Das Endprodukt waren digitale Videos, die in einem gemeinsamen Abschluss im Irischen Filminstitut präsen-tiert wurden. Unter den Preisen war ein Besuch des Europäischen Parlaments in Straßburg.

Das Projekt musste ein Erfolg werden und wenn es nach den Orga-nisatorInnen geht, dann wird es 2012 wiederholt. Seine Stärke liegt auch darin, dass es kaum einer Leitung durch den/die LehrerIn be-darf. Die SchülerInnen sind selbst motiviert, das Projekt voranzubrin-gen und mehr über das kulturelle Erbe ihrer KollegInnen jenseits der Grenze zu lernen. Es ist gut möglich, dass das nächste Projekt mehr persönliche Treffen in der Anfangsphase beinhalten wird, in der Zeit, wenn die SchülerInnen mit ihren Forschungsaktivitäten beschäftigt sind.

III.Kontakt

European Studies ProjectKontakt Person: Maxine JudgeAdresse: South Eastern Education and Library Board 3 Charlmount Place The Mall Armagh BT61 9AXVereinigtes KönigreichE-mail: [email protected]: www.european-studies.org

SchülerInnen im Europäischen Parlament (Foto: European Studies Programme)

Die Gewinnergruppe (Foto: European Studies Programme)

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I.ZusammenfassungdesProjekts

Schlüsselkompetenzen im Projekt:

Lernen LernenUnternehmerische KompetenzSoziale Kompetenz und BürgerkompetenzKulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeit

“Wie es also weitergeht, liegt an uns!”C. Teilnehmerin des Projekts, 9 Jahre

Das Projekt ‘Percorsi emotivi per bambini e ragazzi alla Manifattura delle Arti’ begann im September 2010 und endete im Mai 2011. Es wurde in Zusammenarbeit folgender Projektpartner durchgeführt: dem Fondazione Istituto Gramsci Emilia, Romagna, der Associazione Mappe Urbane und dem Museumspädagogischen Dienst des MAM-bo, Museo d’Arte Moderna di Bologna. Die emotionale Verbindung zwischen der Stadt und ihrem kulturellen Erbe steht im Zentrum die-ses Projekts. In einem Museum begann die aufregende Entdeckungs-reise zweier Gruppen, einer Vor- und einer Grundschule, um ihr Viertel, den Manifattura delle Arti Bezirk zu erkunden. Die Beiträge der Kinder wurden gesammelt und auf geoblog gestellt, einer elekt-ronischen Landkarte des untersuchten Gebiets, das die emotionalen Pfade der SchülerInnen zeigt und von der wahren und wahrgenom-menen Identität der Gegend erzählt. Das Projekt endete mit einer Ausstellung der im Projekt produzierten Objekte.

II.Projektbeschreibung

Die Forschungsgruppe der Associazione Mappe Urbane arbeitete mit dem Fondazione Istituto Gramsci Emilia-Romagna in Bologna, Italien seit 2007 zusammen. Die Gruppe wird von der Forschungsleiterin Matilde Callari Galli koordiniert. Das allgemeine Ziel der Gruppe ist “die verschiedenen Beziehungen auszumachen, die urbane Plätze den BürgerInnen bieten, die dort leben und sie täglich erleben.”2009, nach zahlreichen Forschungsaktivitäten, entwarf die Associazi-one Mappe Urbane das geoblog. www.percorsi-emotivi.comDie Website soll den Dialog und die Interaktion zwischen den Bür-gerInnen von Bologna und der elektronischen Landkarte ihrer Stadt fördern. Die Menschen können dort ihre Gedanken, Vorschläge oder Erinnerungen, die durch einen bestimmten Ort oder Punkt auf der Landkarte geweckt werden, einzeichnen. Die Beiträge können Fotos,

Zeichnungen oder Texte sein, die neben dem echten ein alternatives Bologna schaffen, so wie es von den BürgerInnen erlebt wird. Das Projekt ‘Percorsi emotivi per bambini e ragazzi” wurde in diesem Zusammenhang ins Leben gerufen mit dem Ziel, ein neues geoblog mit einer neuen emotionalen Landkarte zu entwerfen, die den Kin-dern gewidmet und von und mit ihren Beiträgen gestaltet werden soll. Die Associazione Mappe Urbane entschloss sich den museum-spädagogischen Dienst des MAMbo, Museo d’Arte Moderna di Bolo-gna, an Bord zu holen. Die Partner entschieden sich auch mit Studie-renden des Kommunikations- und Kunsterziehungsstudienrichtung der Akademie der Bildenden Künste in Bologna zu arbeiten. Die Stu-dierenden waren in das gesamte Projekt eingebunden und schrieben ihre Abschlussarbeiten darüber. Die Associazione Mappe Urbane und der Museumspädagogische Dienst begleiteten alle Phasen, von der ursprünglichen Idee, die von Cristina Francucci, der Forschungslei-terin des Museumspädagogischen Diensts des MAMbos überwacht wurde, bis zum Ende des Projekts. Das Projekt setzte sich mit der Gegend Manifattura delle Arti auseinander, weil es Teil des Porto Viertels ist, in dem sich auch das Museum befindet und wegen der Veränderungen der letzten Jahrzehnte, die die Gegend von einem Industriegebiet zu einem kulturellen Brennpunkt werden ließen.

Es gab zwei verschiedene Gruppen im Projekt. Die erste bestand aus 20 SchülerInnen im Alter von 5 Jahren, der Mago Merlino Vorschule in Manifattura delle Arti. In der zweiten Gruppe waren 24 Kinder, im Alter von 9 Jahren, von der De Amicis Grundschule im Viertel Porto. Da es in beiden Gruppen viele Kinder mit unterschiedlichem ethnischen Hintergrund gibt, stand die Interaktion mit der Gegend

Percorsi emotivi per bambini e ragazzi alla Manifattura delle Arti (IT)Die bewegenden Pfade von Kindern und Jugendlichen in der Manifattura delle Arti

SchülerInnen arbeiten an der Landkarte von Manifattura delle Arti (Foto: MAMbo - Education Department)

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im Mittelpunkt des Projekts. Ein weiteres wichtiges Ziel des Projekts war die Förderung der Lernprozesse durch die Entdeckung des kul-turellen Erbes in einem urbanen Umfeld, einem Ort des kulturellen Austauschs. Des Weiteren sollten die Kinder dazu befähigt werden, eigenständig zu recherchieren und zu lernen, und Kunst und Fak-ten kritisch zu hinterfragen. Das Projekt untersuchte die Beziehung zwischen Subjekt und Umfeld, zwischen der privaten Identität und öffentlichem Raum. Die Kinder sollten soziale und Bürgerkompeten-zen entwickeln und darüber reflektieren, was es bedeutet, sich einem Gebiet zu Hause zu fühlen. Aufgrund des Lehrplans der Schule gab es zusätzlich noch eigene Ziele für jede Klasse:

• Die Vorschulgruppe sollte ihren Orientierungssinn verbessern und das Konzept von Zeit besser verstehen.

• Die GrundschülerInnen sollten bestimmte historische und geogra-fische Konzepte begreifen, die von ihren LehrerInnen erarbeitet wurden.

Vorweg wurden die allgemeinen Ziele des Projekts mit allen Partnern

besprochen. Dann traf sich die Museumspädagogin mit den LehrerIn-nen beider Schulen, um mehr über die Klassen, die Bedürfnisse und die Fähigkeiten der Kinder zu erfahren. Dann begann die praktische Phase des Projekts, die fünf Treffen für jede Gruppe beinhaltete. Alle Aktivitäten basierten auf Forschungskategorien, die auch den geo-blog stukturieren:

1. Was ich liebe/ wovor ich Angst habe;2. Was ich fand;3. Was war/ist da;4. Was ich gerne ändern möchte;

Die Vorbereitungsübung fand im MAMbo statt, wo die SchülerInnen die permanente Ausstellung besuchten. Im Mittelpunkt dieses Work-shops sollten sich die Kinder mit den Konzepten Pfad und emotionale Landkarte in Verbindung mit zeitgenössischen Kunstwerken ausei-nandersetzen. Das zweite Treffen fand im Museumspädagogischen Dienst statt. Durch die Aktivitäten im Workshop entdeckten die Schü-lerInnen die Geschichte der Gegend Manifattura delle Arti und wie sie sich im Laufe der Zeit veränderte. Das dritte und vierte Treffen

Die emotionale Landkarte” die alle Beiträge der Kinder zeigt und Teil der Ausstellung war (Foto: MAMbo - Education Department)

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fanden vor Ort statt. Während dieser Workshops nahmen die Kinder an sogenannten “ästhetischen Spaziergängen” teil, um die städti-schen Räume, emotional, kreativ und multisensorisch zu erkunden. Mit Hilfe von Werkzeugkisten und Kartonpapier erstellten die Kinder eine Palette der Farben, die sie auf Straßen und Gebäuden sahen. In Schaukästen sammelten sie Dinge im Park und machten Fotos von ihrem Umfeld. Das fünfte Treffen fand in den Klassenzimmern der Schulen statt. Die SchülerInnen sollten ihre Wünsche für die Gegend Manifattura delle Arti aufschreiben - z.B. was sie gerne noch hätten oder was sie an dem, was es bereits gibt, verändern würden.

Im Mai 2011 fand die Ausstellung des Projekts im museumspädago-gischen Dienst des MAMbo statt. Alle Partner, Kinder, und ihre Famili-en nahmen teil und machten die Ausstellung zu einem gemeinsamen Erlebnis. Sie bewarben die Ausstellung auch in der Umgebung. Alle Produkte der Kinder sind auf dem neuen geoblog mit einem graphi-schen Interface zu sehen. www.mamboedu.maps.percorsi-emotivi.com

Durch das Projekt ‘Percorsi emotivi per bambini e ragazzi’ entstand eine sinnvolle Zusammenarbeit zwischen den Partnern, die auch zu-künftig für Projekte und Kollaborationen genutzt werden wird. Die Kinder zeigten ihr Interesse und ihre Sensibilität bei der Suche nach ihren emotionalen Pfaden durch die Gegend Manifattura delle Arti. Sie entwickelten eine personalisierte Landkarte und starke emotio-nale Verbindungen zu den untersuchten urbanen Räumen. Das hat uns bewiesen, dass das Projekt ein Erfolg war. Die Evaluierungsakti-vitäten fanden während des Projekts statt: Die Museumspädagogin traf sich jede Woche mit den LehrerInnen, um mit ihnen ihre Ansich-ten und Vorschläge zu besprechen und ihnen die zukünftigen Akti-vitäten mitzuteilen. Die LehrerInnen beider Schulen führten weitere Evaluierungen(Workshops) in der Schule durch: Die Kinder sollten eine kreative Arbeit produzieren, in der sie ihre Erinnerungen und Eindrücke von dem Projekt verarbeiten sollten. Diese Arbeiten zeigen, dass die SchülerInnen, die mit den Zielen des Projekts verbundenen Kompetenzen erwerben und weiterentwickeln konnten.

III.Kontakt

MAMbo – Museo d’Arte Moderna di Bologna- Museumspädagogi-scher DienstKontakt Person: Ilaria Del Gaudio Adresse: Via Don Giovanni Minzoni 14- 40121 Bologna ItalienTel.+39 051 6496611E-mail: [email protected] Website: www.mambo-bologna.orgAssociazione Mappe UrbaneE-mail: [email protected] Website: www.mappeurbane.org

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I.ZusammenfassungdesProjekts

Schlüsselkompetenzen im Projekt:

Lernen LernenUnternehmerische KompetenzSoziale Kompetenz und BürgerkompetenzKulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeit

Monumenti Aperti feiert Kunst, Kultur, Geschichte und Traditionen, indem es freien Zugang zu Kulturdenkmälern in Sardinien (Italien) bietet, die normalerweise der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind oder deren Besuch mit Kosten verbunden ist. Seit 15 Jahren haben die Denkmäler und Kulturstätten ihre Türen für ein Wochenende im Jahr geöffnet. Zu diesen Kulturbauten zählen Schlösser, Schulen, Rat-häuser und Kirchen. Durch Monumenti Aperti haben die BürgerInnen einmal im Jahr die Gelegenheit verborgene Schätze zu entdecken und in den Genuss geführter Touren, Veranstaltungen und Aktivitä-ten, die von Freiwilligen geleitet werden, zu kommen.

In dem Projekt Monumenti Aperti wurde ein spezielles Fortbildungs-seminar entwickelt für LehrerInnen, die mit ihren Klassen solche Kul-turbauten besuchen wollen. Jedes Jahr nehmen viele Schulen teil und lassen Ihre SchülerInnen aktiv an der Eröffnung und der Bewerbung mitarbeiten. So werden die SchülerInnen zu aktiven Mitgliedern der Gemeinde. An dem hier beschriebenen Projekt beteiligten sich 142 SchülerInnen im Alter von 6 – 11 Jahren der Grundschule Circolo Didattico ‘Santa Caterina’, die Führungen für ihre Schule entwarfen und durchführten, die ebenfalls eine bedeutendes, kulturelles Bau-denkmal der Stadt ist.

II.Projektbeschreibung

Das Projekt Monumenti Aperti gibt es bereits seit 15 Jahren unter der Beteiligung verschiedener Organisationen, mit dem Ziel bei der jün-geren Generation ein Bewusstsein für ihr kulturelles Erbe und dessen Schutz zu schaffen und sie zur aktiven Bürgerschaft zu ermutigen.

Die allgemeine Koordination des Projekts wurde vom Kulturverband Imago Mundi übernommen, der die lokalen Partner bei der Organisa-tion dieser Veranstaltung unterstützte. Das Imago Mundi untersucht historische Fakten und Charakteristika von wichtigen Denkmälern und Kulturbauten der Stadt, und organisiert geführte Touren, um diese den Menschen näher zu bringen. In diesem Fall war der lokale

Partner die Grundschule Santa Caterina, die eine Monumenti Aperti Veranstaltung gemeinsam mit dem Kulturverband Imago Mundi und der Gemeinde Cagliari organisierte.

Die Zielgruppe bestand aus 142 SchülerInnen aus acht Klassen, im Alter von 6 – 11 Jahren. Im Projekt übernahmen die SchülerInnen verschiedene Rollen, entweder in der Recherche über die gewählten Objekte oder beim Entwerfen der geführten Tour oder durch die Füh-rung selbst. In diesem Fall war das zu untersuchende Objekt die Schu-le. Die Schule hat eine interessante Geschichte. Im 17. Jahrhundert stand dort ein Kloster mit einer Kirche, die im Laufe der Jahre zerstört und 1896 zu einer Schule wurde.

Die SchülerInnen vertieften sich in die historische Spurensuche. Am Ende des Lernprozesses schlüpften sie in die Rollen von FührerInnen und AssistenInnen der Monumenti Aperti Veranstaltung. Sie pro-duzierten Poster, Zeichnungen, verschiedene Materialien und eine Power-Point-Präsentation. Die älteren SchülerInnen führten und be-gleiteten die jüngeren.

Da der Erhalt des kulturellen Erbes eng mit Fächern wie Geschich-te, Geografie, Kunst und Gesellschaftskunde verbunden ist, wurde das Projekt perfekt in den Lehrplan und das Fortbildungsseminar für LehrerInnen integriert. Das Projekt Monumenti Aperti ermöglicht den Kindern auch in einem nicht-formellen Umfeld zu arbeiten. Die ExpertInnen, die sich an der Veranstaltung beteiligten, waren zum einen LehrerInnen, zum anderen KulturvermittlerInnen des Ima-go Mundi, die das Projekt unterstützten und pädagogisch leiteten.

Monumenti Aperti (IT)Tag der Offenen Kulturdenkmäler

Die SchülerInnen empfangen die BesucherInnen im Rahmen der Monumenti Aperti Veranstaltung (Foto Eugenio Schirru)

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LehrerInnenfortbildungsseminare zur Storyline-Methode wurden or-ganisiert und von national renommierten ExpertInnen gehalten.

Die angewandte Methode beinhaltet die Konstruktion zweier Mo-dule: eines theoretisch und eines für die Praxis. Bei beiden Modulen werden unterschiedliche Dimensionen und Spezifikationen integriert mit dem Fokus auf eine heuristische Methode, die die SchülerInnen dabei unterstützt, zu klassifizieren, zu rekonstruieren und die ver-schiedenen “Zeichen” von Kulturstätten und kulturellen Bauten zu lesen und zu interpretieren. Der Lernweg ist deshalb integrativ und interdisziplinär. Die SchülerInnen spüren, dass sie immer ein aktiver Teil ihrer Arbeit sind und werden so immer wieder motiviert zu reagie-ren und weiter zu lernen. An dem Projekt Monumenti Aperti haben alle BürgerInnen der Ge-sellschaft teil. Im Projekt der Santa Caterina Schule waren die Er-gebnisse in Bezug auf das individuelle Wachstum der Schülerinnen hervorragend. Es gab viel Weiterentwicklung in den Bereichen kri-tisches Denken, Reflexion des Inhalts und der Lernprozesse selbst. Durch den Vergleich mit anderen evaluierten sich die SchülerInnen selbst und erlebten eine kollaborative und partizipative Methode der Zusammenarbeit, bei der die Beiträge jedes/jeder Einzelnen genutzt und wertgeschätzt wurden.

Mit dem Projekt Monumenti Aperti fördert die Schule die Lernkom-petenzen der SchülerInnen. Die Kinder setzten sich mit ihren Erfah-rungen auseinander, lernten mit ihren Gefühlen umzugehen und Verantwortung für die Fertigstellung von Aufgaben zu übernehmen. Zudem wurde ihre Bereitschaft, sich um sich selbst, um andere und um das Umfeld, in dem sie leben, zu kümmern gesteigert. Eine lehr-reiche Erfahrung war auch die beratende Rolle, die von älteren Schü-lerInnen übernommen wurde. Sie leiteten die jüngeren Kinder an und halfen ihnen während des Besuchs und bei der Vorbereitung. Das spiegelt die konkrete Bedeutung des Monumenti Aperti Projekts wi-der, das weit über den formalen Unterricht hinausging und zeigt, wie Schlüsselkompetenzen erworben werden können.

IIIKontakt

Kontakt Person: Fabrizio FrongiaAdresse: Via S.Croce 18 09128 CagliariItalienE-mail: [email protected]: www.monumentiaperti.com

SchülerInnen besuchen im Rahmen des Projekts Monumenti Aperti die Schule S. Caterina (Foto Eugenio Schirru)

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I.ZusammenfassungdesProjekts

Schlüsselkompetenzen im Projekt:

Lernen LernenUnternehmerische KompetenzSoziale Kompetenz und BürgerkompetenzKulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeit

Das multisensorische Totem oder Totem Sensoriale ist eine Informa-tionsstelle für Menschen mit visueller Beeinträchtigung. Das Projekt wurde vom „Staatlichen Taktilen Museum Omero“ in Zusammen-arbeit mit dem Schulamt der Provinz Ancona und anderen lokalen Verantwortlichen geplant. An dem Projekt nahmen zwei Klassen der zweiten Stufe einer Realschule teil. Es sollte eine Kulturstätte gewählt werden, die die Stadt repräsentiert. Ziel war es, didaktische Hilfen und Materialien zu produzieren, um die Kulturstätte für Menschen mit visueller Beeinträchtigung sichtbar zu machen.

Im Projekt produzierten die SchülerInnen taktile Tonmodelle der St. Ciriaco Kathedrale in Ancona, ihrer Fassade und dem Inneren, so-wie eine taktile Landkarte der urbanen Umgebung. Das Totem, d.h. die Informationsstelle wurde, nach einer Überprüfung und Kontrolle durch visuell beeinträchtigte Menschen, in der Kathedrale aufgestellt. Die SchülerInnen mussten sich eine Zeit lang auch um seine Instand-haltung kümmern. Alle waren emotional sehr involviert, entwickelten eine besseres Verständnis dafür, was ein solche Beeinträchtigung be-deutet und lernten, Verantwortung zu übernehmen.

II.Projektbeschreibung

Totem Sensoriale ist eine Informationsquelle, die für Menschen mit visueller Beeinträchtigung entwickelt wurde. Das Projekt wurde vom Staatlichen Taktil-Museum Omero in Zusammenarbeit mit dem Schul-amt der Provinz Ancona und anderen lokalen Verantwortlichen ge-plant. An dem Projekt nahmen zwei Klassen im zweiten Schuljahr der Realschule ‘Istituto Comprensivo Cittadella Archi-Sud’ in Anco-na teil. Die meisten der SchülerInnen leben in Ancona, einige ha-ben Migrationshintergrund, zwei Lernbehinderungen. Die beiden Klassen hatten bereits ein Projekt begonnen, in dem sie mehr über ihre eigene Stadt erfuhren. Sie sollten dadurch auch den Wert ih-res kulturellen Erbes entdecken. Das Projekt “Ein Multisensorisches Totem” bot ihnen die Gelegenheit, dieses Wissen zu vertiefen und Möglichkeiten zu entwickeln, um dieses Wissen auch Menschen mit

visueller Beeinträchtigung leicht zugänglich zu machen. Zu Beginn des Projekts traf sich die Gruppe, begleitet von der KunstlehrerIn, mit blinden Menschen. So erfuhren die Kinder direkt, wie sehbehinderte Menschen Kunst und Realität wahrnehmen. Die SchülerInnen schlos-sen ihre Augen und erlebten, wenn auch nur für einen Moment, wie sich die Welt für einen blinden Menschen anfühlt. So erkannten sie, wie wichtig taktile Hilfen für sie sind. Sie besuchten das Omero Muse-um, wo sie durch interaktive Workshops für blinde Menschen geführt wurden. Sie trafen die beiden blinden Gründer des Museums und bekamen, dank ihrer Neugier und ihrer Fragen, einen Einblick in eine Welt, die ihnen zuvor unbekannt war.

Nach dieser Einführung gab es elf Treffen, an denen die SchülerInnen, ihre LehrerInnen und die MitarbeiterInnen des Museums teilnahmen. Die SchülerInnen sollten sich für eine Kulturstätte entscheiden, die sie reproduzieren wollten und wählten die St. Ciriaco Kathedrale in Ancona, die als Wahrzeichen der Stadt bezeichnet werden kann. Nachdem sie die Kathedrale erkundet und analysiert hatten, sollten die SchülerInnen drei taktile Modelle aus Karton produzieren. Dafür recherchierten sie die architektonischen Charakteristika der Kathed-rale genau. Durch diesen Prozess bekamen sie ein tieferes Verständnis für Architektur.

Das Omero Museum stellte der Schule Ton und andere Materialien zur Verfügung, die sie für den Bau der taktilen Hilfen benötigten. Das Museum stand den SchülerInnen auch mit Rat und guten Tipps zur Seite, wie man ein solches Modell bauen müsste, damit blinde Menschen und Menschen mit visueller Beeinträchtigung es lesen konnten. Die SchülerInnen bauen drei taktile Modelle aus Karton

Ein multisensorisches Totem (IT)

Das taktile Modell der Fassade der St. Ciriaco Kathedrale in Ancona(Foto: Archive Museo Omero)

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(300g, 30x30 cm), die die Fassade der Kathedrale, die Innenansicht und die Landkarte des städtischen Umfelds darstellten.

Die Modelle bestanden aus taktilen Profilen und alles wurde aus Recy-clingmaterialien hergestellt, wie z.B. Knöpfe, Bänder, verschiedenen Kartonarten mit verschiedenen Texturen, die die Kinder auftreiben mussten. Für jedes Modell sollten die Kinder eine Beschreibung vor-bereiten, Leseschlüssel und die Beschreibung der architektonischen Elemente in Braille. Aus den drei Modellen, Erklärungen und Lese-schlüsseln entstand ein umfangreiches Buch, in dem die Geschichte der Kathedrale und einige Kuriositäten zu lesen sind. Darüber hin-aus bastelten die Kinder ein Tonmodell der Kathedrale, das in ein-zelne Komponenten zerlegt werden kann, um die Formen und das Fassungsvermögen greifbar zu machen. Die SchülerInnen waren für Dekoration, Bemalung und die Anordnung der Teile des multisenso-rischen Totems verantwortlich, das nun nach der Begutachtung und Überprüfung durch visuell beeinträchtigte Menschen, beim Westein-gang der Kathedrale steht. Die SchülerInnen sind noch immer für die Wartung des Modells verantwortlich.

Ziel des Projekts ist das kulturelle und soziale Leben von blinden Men-schen zu verbessern, indem man ihnen Zugang zu den kulturellen Bauten und Stätten in ihrem Umfeld ermöglicht. Für die Schülerinnen gab es zwei Ziele: Sie sollten sich einerseits mehr darüber bewusst werden, was es heißt, mit einer Beeinträchtigung zu leben und an-dererseits mehr über ihr Umfeld und ihr kulturelles Erbe erfahren, um eine stärkere Bindung zu bekommen.

Die SchülerInnen waren sehr aktiv und arbeiteten gut zusammen – sie führten ihre Aktivitäten sogar nach Beendigung der Schulstunde fort. Ihnen wurde bewusst, welchen Problemen Menschen mit Be-einträchtigung, besonders Menschen mit visueller Beeinträchtigung, im Alltag begegnen. Sie hatten Freude an dem Gedanken, dass sie etwas produziert hatten, das einen gesellschaftlichen Nutzen erfüllt.

Die Schlüsselkompetenzen, die die SchülerInnen erwarben, waren: Lernen lernen, soziale und Bürgerkompetenz, Kulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeit. Die soziale und Bürgerkompe-tenz konnten in Gruppenarbeiten entwickelt werden. Ihre kulturelle Ausdrucksfähigkeit bewiesen die Kinder in öffentlichen Ansprachen während der Präsentationszeremonie für das Totem.

Das Projekt “Totem Sensoriale” wurde getestet und beurteilt und kann nun für andere Kontexte nutzbar gemacht werden, in denen Schulen und Kulturinstitutionen zusammenarbeiten, um das kulturel-le Erbe visuell beeinträchtigten Menschen kostengünstig, aber effek-tiv zugänglich zu machen.

III.Kontakt

Museo Tattile Statale Omero (Museumspädagogischer Dienst) Adress: Via Tiziano, 50 60125 Ancona ItalienTel. +39 071 2811935 Fax +39 071 2818358E-mail: Andrea Socrati: [email protected] Alessandrini: [email protected]: www.museoomero.it

Das Totem Sensoriali der St. Ciriaco Kathedrale in Ancona(Foto: Archive Museo Omero)

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I.ZusammenfassungdesProjekts

Schlüsselkompetenzen im Projekt:

Lernen LernenUnternehmerische KompetenzSoziale Kompetenz und BürgerkompetenzKulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeit

Das Projekt “Wäsche” basiert auf einer Idee des Künstlers Jöelle Gonthier. In dem Projekt entdecken GrundschülerInnen die charakte-ristischen Merkmale von Souks in Marrakesch, die wichtige kulturelle und touristische Orte in Marokko sind. Viele verschiedene Formen kulturellen Erbes können in Souks entdeckt werden, die von den Kin-dern in ihren Produkten und Ergebnissen gezeigt werden.

Während des Projekts nehmen die Kinder an Kunst-Workshops wie z.B. Zeichnen teil. Sie organisieren eine Ausstellung in einem Souk, wo sie ihre Zeichnungen an eine Schnur hängen, wie Wäsche an einer Leine. Viele verschiedene Länder haben sich an dem Projekt beteiligt, manchmal zur gleichen Zeit, was bewirkte, dass kulturel-le Charakteristika der Länder einander gegenübergestellt werden konnten.

II.Projektbeschreibung

Das Projekt wurde von LehrerInnen in Zusammenarbeit mit Touris-tenführern, Ladenbesitzern und Kunstexperten aus den Bereichen Illustration und Fotografie organisiert.

Die konkreten Ziele des Projekts:

• die Neugier der SchülerInnen wecken, ihre Kreativität anregen und Bewusstsein für ihre eigene Kultur schaffen.

• den Beobachtungssinn der SchülerInnen schärfen.• der Erwerb der Aqueduct-Schlüsselkompetenzen.• Kinder in einer lebendigen Art an das kulturelle Erbe heranführen.• marokkanische Architektur und lokale Produkte kennen lernen,

die Verwendung des richtigen Vokabulars in den Bereichen: Ge-bäude, einzelne kulturelle Elemente, öffentlicher Verkehr, Zeich-nungen, Bilder, Gemälde.

• Lernen, wie man eine Kamera benutzt und den Beobachtungssinn entwickeln.

• die Produktion von Kunstwerken; lernen, wie man eine Ausstel-lung organisiert.

Im ersten Schritt hielt ein Touristenführer eine Präsentation über Mar-rakesch und seine Souks. Die Idee ist, dass sich die SchülerInnen spä-ter an die wichtigsten Informationen über die Stadt erinnern können. Am Nachmittag besuchen die SchülerInnen die Souks, um Bilder, Ob-jekte und Gerüche dieses wichtigen Ortes in Marrakesch zu sammeln. Drei Tage lang arbeiten die SchülerInnen in ihren Klassenzimmern und zeichnen zwei Bilder pro Gruppe, von denen sie denken, dass sie das Souk charakterisieren. Der Zweck der Übung: zu lernen, zu beobachten und zu entwerfen. Zusätzlich wählen sie ein wichtiges Foto, das ihrer Meinung nach die kulturelle Diversität des Souks am besten zeigt.

Die Kunstwerke werden in einer Ausstellung in der Stadt gezeigt. Die SchülerInnen sollen einen Titel wählen und begeben sich in die Rolle eines Museumsdirektors. Sie organisieren die Veranstaltung mit einem Fotografen, einem Zeichner, einem Lehrer und einem Verant-wortlichen der “Dar Bellarj” Stiftung.

In wenigen Tagen haben die Kinder viel über die Kultur in den Souks von Marrakesch gelernt. Durch ihre Zeichnungen und Fotos entwi-ckelten sie ihren Beobachtungssinn und lernten, wie man mit Exper-tInnen eine Ausstellung organisiert.

Jeden Tag lernen die SchülerInnen mehr über sich selbst, ihre Kultur, die Gebäude, die Traditionen, Essen und Trinken etc. Am Ende des Tages haben sie Zeit, sich über die neu gewonnenen Informationen und Erlebnisse auszutauschen und zu entscheiden, was sie in ihrer Endpräsentation zeigen wollen.

Wäsche (MA)

(Foto: Maha El Madi)

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Die Zeichnungen und die Fotoworkshops ermutigen die Kinder sich dem kulturellen Erbe in den Souks wie einem Lebewesen anzunä-hern. Während des ganzen Prozesses entwickeln die SchülerInnen Ideen für ihre Schlusspräsentation. Gemeinsam entscheiden sie sich für das Thema der Ausstellung und organisieren diese mit der Hilfe von Tourismusexperten, ihren Fotos, Zeichnungen und ihren Lehre-rInnen. Die ExpertInnen arbeiten drei Tage mit den Kindern, um aus ihren Zeichnungen, Objekten, Fotografien, Notizen etc. eine Ausstel-lung entstehen zu lassen.

Ein wichtiges Ergebnis dieses Projekts sind die Beziehungen, die zwi-schen den SchülerInnen, den BewohnerInnen und LadenbesitzerIn-nen des Viertels entstanden sind. Es war auch eine Zusammenarbeit zwischen der älteren und der jüngeren Generation, um ein Viertel, das eine große kulturelle Bedeutung hat und mit dem TouristInnen die Stadt identifizieren, bekannter zu machen. Die SchülerInnen tauchten in das Souk ein, mit dem sie zwar jeden Tag in Berührung kommen, aber das sie bisher nicht wertschätzten.

Durch die Ausstellung lernten die SchülerInnen mehr über das Souk, über die Konstruktion und Organisation dieses Viertels. So entdeck-ten sie ihre Kultur und erwarben inhaltliches Wissen.

III.Kontakt

Zentrum für Europäische KulturAdresse: Abbaye Royale17400 Saint Jean d’Angély FrankreichE-mail: [email protected]

Ecole Auguste RenoirContact persons: Eva Benkarim & Maha El MadiRoute de la TargaBP 2406MarakeschMarokkoTel: 00-212 524 42 45 05E-mail: [email protected]: http://www.ambafrance-ma.org/efmaroc/renoir/index.html

(Foto: Maha El Madi)

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I.ZusammenfassungdesProjekts

Schlüsselkompetenzen im Projekt:

Lernen LernenUnternehmerische KompetenzSoziale Kompetenz und BürgerkompetenzKulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeit

Der König eines arabischen Staates steht vor dem Problem, dass heu-te zu viele Menschen in den alten arabischen Stadtteil, die Medina, kommen. Die Medina steht im starken Kontrast zu den modernen Stadtteilen. Der König möchte die Medina als kulturelles Erbe er-halten und schützen. Er fragt die Kinder um Rat und bittet sie um Vorschläge, wie man die Probleme, die durch die vielen Besucher entstehen und die Auswirkungen auf die dort lebenden Menschen, lösen könnte.

Durch diese Aufgabe entdeckten 27-30 SchülerInnen der Grundschu-le Auguste Renoir die wichtigsten Merkmale der historischen Medina und entwickelten ein Touristenprojekt. Über zwei Monate nahmen die SchülerInnen an Kunst-Workshops teil und lernten dort zum Bei-spiel Stuckarbeit (Verputz), um die Medina zu renovieren. Sie ent-deckten die alten Traditionen und die Kunst ihres Landes und dachten über die Restaurierung des Stadtteils und seine moderne Nutzung nach.

II.Projektbeschreibung

In dem Projekt “Medina” lernten die Kinder der Grundschule Au-guste Renoir über das kulturelle Erbe ihres Landes und ihrer Stadt. Sie selbst und ihre Eltern durch sie, wurden sich des kulturellen und architektonischen Werts der Souks (Marktviertel) und Fondouks (Wa-renlager) der Medina, des historischen Stadtteils, bewusst. Die Kinder erforschten und erarbeiteten Vorschläge für eine „lebendige Kultur“ der alten Medina. In Kunstworkshops, die das kulturelle Erbe mit mo-derner Kunst verknüpften, wurde die Kreativität der Kinder angeregt.

Zu Beginn sahen sich die SchülerInnen Fotos der alten Medina an, hörten Geschichten von ehemaligen BewohnerInnen und arbeiteten mit den Unterlagen, die sie vom Institute du Monde Arab (Paris) er-hielten. Die Kinder sollten folgende Kompetenzen durch das Projekt entwickeln: Lernen lernen, unternehmerische Kompetenz, soziale Kompetenz und Bürgerkompetenz, Kulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeit. Der König bittet die SchülerInnen um Vorschläge,

wie man die Probleme der Be-wohnerInnen der Medina lösen könnte, die durch den großen Ansturm von BesucherInnen entstehen. Die Kinder sollen einen Plan für die Medina ent-werfen. In Gruppen entschei-den sie sich für die Rollen von ArchitektInnen, KünstlerInnen, HändlerInnen, religiösen Fi-guren und Verantwortlichen einer kulturellen Einrichtung z.B. eines Museums, eines Frei-zeitzentrums, eines Sozialzent-rums, oder eines Vereins.

Die SchülerInnen besuchten den alten Stadtteil und schrieben einen Bericht, in dem sie diesen Stadtteil mit den modernen Bezirken der Stadt verglichen. Dann präsentierten sie ihre Ergebnisse und Pläne der ganzen Gruppe. Sie bekamen zu jedem Vorschlag Feedback und nahmen das Beste aus jedem Vorschlag, um daraus eine Ausstellung zu machen und um ihre Pläne für eine “neue Medina” zu präsen-tieren. Sie organisierten auch Workshops, in denen sie die Berufe demonstrierten, die sie in Medina gesehen hatten.

Die Medina (MA)

(Foto: Maha El Madi)

(Foto: Eva Benkarim)

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III.Kontakt

Zentrum für Europäische KulturAdresse: Abbaye Royale17400 Saint Jean d’AngélyFrankreichE-mail: [email protected]

Ecole Auguste RenoirKontakt Person: Eva Benkarim & Maha El MadiRoute de la TargaBP 2406MarrakeschMarokkoTel: 00-212 524 42 45 05E-mail: [email protected]: http://www.ambafrance-ma.org/efmaroc/renoir/index.html

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I.ZusammenfassungdesProjekts

Schlüsselkompetenzen im Projekt:

Lernen LernenUnternehmerische KompetenzSoziale Kompetenz und BürgerkompetenzKulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeit

“Im Mittelpunkt Rembrandt” ist ein Projekt, in dem Grundschulkinder in einem Theaterstück über das Leben und die Arbeit des berühmten niederländischen Malers Rembrandt lernen. Das Theaterstück wurde vor Eltern und MitschülerInnen aufgeführt. Zwischen 2000 und 3000 SchülerInnen der Grundschule in Leiden nahmen 2005 an dem Pro-jekt teil. Das Projekt wurde auch an einer Schule für Kinder mit Taub-heit und Hörbeeinträchtigung durchgeführt, und inkludierte auch einige autistische Kinder im Alter von 10-12 Jahren.

II.Projektbeschreibung

Das Projekt “Im Mittelpunkt Rembrandt” wurde von der Jugendthea-terschule Leiden (Jeugdtheaterschool Leiden) für das Rembrandt Jahr in Leiden im Jahr 2005 entwickelt. In mehreren Stunden sollen die SchülerInnen im Alter von 10-12 Jahren auf spielerische Art durch einen holistischen Ansatz in Kontakt mit ihrem kulturellen Erbe treten und an ihrem Kulturbewusstsein, ihren sozialen Kompetenzen und ihrem Spracherwerb arbeiten. Das Projekt wird in zehn Stunden pro Woche, einer Generalprobe und der Aufführung des Theaterstücks während neun Wochen durchgeführt.

Die Stunden werden von den SchauspiellehrerInnen der Jugendthe-aterschule geleitet. Aber auch die regulären LehrerInnen spielen eine wichtige Rolle in der Vorbereitung der Theaterstunden. Für diese Leh-rerInnen wurden Richtlinien entwickelt. Für die SchülerInnen gab es eine Broschüre, in der der Inhalt der Stunden vorgestellt wird. Ge-meinsam mit ihren SchülerInnen bereiten die LehrerInnen jede Stun-de mit dieser Broschüre vor und erklären die Konzepte, die in den Theaterstunden verwendet werden.

Theaterstunden haben großes Potential für ein bedeutungsvolles und holistisches Lernen. Das Theaterspiel ermöglicht Kindern, The-men aktiv zu erforschen, hilft ihnen Dinge in ihrem eigenen Leben besser zu verstehen und Selbstbewusstsein zu entwickeln. Darüber hinaus kann es den Wortschatz der SchülerInnen erweitern, sie ihr

eigenes Potential und neue Seiten an sich erkennen lassen. Es kann ein dynamisches Werkzeug des Lernens sein, hinsichtlich der sozialen Kompetenz, aber auch was historisches Wissen anbelangt. Kinder bekommen auch die Möglichkeit herauszufinden wie andere den-ken und fühlen. Es regt die Fantasie an und die Fantasie ist ein Lern-werkzeug. “Durch die Fantasie kann man sich die Realität vorstellen und Möglichkeiten erkunden.” (Making a World of Difference, DICE Handbuch, 2010). Ein besonderes Charakteristikum des Theaterspiels ist, dass es im Hier und Jetzt stattfindet. Das macht es sehr konkret. Aber während des Spiels sind Verschiebungen in der Zeit auf natürli-che Art und Weise möglich. Die SchülerInnen können während eines Stücks oder einer Theaterstunde in eine andere Zeit eintauchen. Und sie können aus diesen Phantasieerlebnissen lernen.

Im Mittelpunkt: Rembrandt (NL)

(Foto: Jeugdtheaterschool Leiden)

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In den Theaterstunden des Projekts “Im Mittelpunkt Rembrandt” er-leben und lernen die Kinder auf spielerische und natürliche Art und Weise über die Arbeit und Gewohnheiten des Künstlers und die Bräu-che seiner Zeit. Durch Rembrandts Werke lernen die Kinder, dass es ziemlich viele Ähnlichkeiten zwischen der Gegenwart und der Ver-gangenheit gibt. In den ersten fünf Stunden des Projekts “Im Mittel-punkt Rembrandt” geht es um fünf seiner Gemälde. Die folgenden Themen werden behandelt: Hüte, Charaktere, Status, Komposition und Emotionen. Echte Gegenstände wie Hüte und Krägen aus Rem-brandts Zeit werden verwendet. In den letzten fünf Stunden arbeiten die SchülerInnen an einer Präsentation bzw. dem Theaterstück über Rembrandts Leben. Das Stück wird als ‘tableau vivant’ inszeniert, mit einem großen Bilderrahmen mit dem berühmten Licht Rembrandts auf der Bühne und mit Kostümen aus seiner Zeit.

In der Schule für Kinder mit Taubheit und Hörbeeinträchtigung und mit den autistischen Kindern, verwendeten die SchauspiellehrerInnen der „Jeugdtheaterschool“ andere didaktische Methoden. Die Anwei-sungen waren kürzer und es wurde versucht, verbale Anweisungen, so gut wie möglich zu vermeiden. Das Tempo der Stunden war lang-samer als im regulären Unterricht. Die LehrerInnen achteten auch

darauf, die Kinder direkt anzusehen, wenn sie mit ihnen sprachen. Für Kinder mit Taubheit wurde in die Zeichensprache übersetzt.

Die „Jeugdtheaterschool“ führt das Projekt noch immer in Grund-schulen und sonderpädagogischen Schulen durch.

III:Kontakt

Stichting JeugdtheaterschoolPostbus 160432301 GA LeidenNiederlandeTel: +31 (0)71-5144614E-mail: [email protected] oder [email protected]: http://www.jtsleiden.nl

(Foto: Jeugdtheaterschool Leiden)

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I.ZusammenfassungdesProjekts

Schlüsselkompetenzen im Projekt:

Lernen LernenUnternehmerische KompetenzSoziale Kompetenz und BürgerkompetenzKulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeit

Das Projekt “Der Verkäufer und das Museum” wurde vom ‘Mu-seum ‘t Oude Slot’ in Veldhoven in den Niederlanden entwickelt. Das ‘Museum ‘t Oude Slot’ ist ein alter Bauernhof. Die Sammlung umfasst Objekte aus dem 18., 19. und 20. Jahrhundert, die haupt-sächlich von Bauern in De Kempen, einer Gegend im Süden der Niederlande verwendet wurden.

Die Sammlungen des Museums sind in folgende Themen eingeteilt: Helden und Idole, der menschliche Körper, Tod, Schweine, Fremde und Unterhaltung. Alte Objekte, Kunstwerke und zeitgenössische Materialien sind in einer Sammlung zusammengefasst. Das Muse-um fordert seine BesucherInnen, insbesondere Schulkinder heraus, sich ihre eigene Meinung über die historischen Objekte zu bilden. Die Zielgruppe des Projekts sind Kinder im Alter von 6 – 12 Jah-ren. Die zentrale Frage der Ausstellung ist: “Welche Informationen bietet ein Gegenstand und wie kann man die Geschichte hinter diesem Gegenstand interpretieren?”

II.Projektbeschreibung

Das Projekt “Der Verkäufer und das Museum” wurde von einem lokalen Museum in den Niederlanden, dem ‘Museum ‘t Oude Slot’, einem alten Bauernhof entwickelt. Die pädagogische Vermittlung ist ein wichtiges Ziel des Museums. Ein Video, das im Projekt gezeigt wurde, stammt von ‘Bureau Erfgoed Actueel’ (nach 2008 Erfgoed Niederlande). Die Zielgruppe des Projekts sind Kinder im Alter von 6 – 12 Jahren. In dem Projekt geht es um die Interpretation histori-scher Informationen und darum, das kulturelle Erbe zu erleben. Das zentrale Thema ist: Welche Informationen bietet ein Gegenstand und wie kann man die Geschichte hinter diesem Gegenstand inter-pretieren?

Das konkrete Ziel des Projekts ist, dass SchülerInnen lernen, dass Geschichte und materielles kulturelles Erbe auf verschiedene Arten interpretiert und imaginiert werden können. Im Speziellen:

• Interpretationen sind zeitabhängig.• alles beginnt und endet mit Gegenständen.• die SchülerInnen lernen über die Bedeutung kulturellen Erbes und

wie wichtig dessen Schutz ist.

Das Projekt dauert normalerweise ein bis zwei Tage, kann aber auf eine Woche ausgedehnt werden. Für Kinder von 12 bis 18 bietet das Museum ein ähnliches Projekt mit dem Titel “Die geheimnisvolle Absteige”.

Das Projekt beginnt mit einer Geschichte nach dem Werk des be-kannten niederländischen Autors Toon Tellegen. In der Geschichte geht es um einen Verkäufer, der nichts Brauchbares zu verkaufen hat. Deshalb geht auch nie jemand in seinen Laden und er muss ihn schlie-ßen. Der Laden steht für das Museum. Die Aufgabe der SchülerInnen ist es, den Laden bzw. das Museum und seine MitarbeiterInnen durch eine Werbekampagne zu retten. Sie werden alle zu Designern, die in einer Werbeagentur arbeiten, die auf “schwierige Kampagnen” spezialisiert ist. Das Endergebnis ist eine Werbekampagne, in der his-torische Objekte modern interpretiert werden.

Die SchülerInnen erkunden dann das Museum. Dort arbeiten sie, wenn möglich in Paaren und wählen ein Objekt, das sie gerne in ihrer Kampagne nutzen wollen. Sie machen Polaroidaufnahmen oder digi-tale Bilder von diesem Objekt. Nachdem sie das Bild und alle anderen wichtigen Materialien beisammen haben, beginnen sie im Klassen-zimmer ihre Kampagne zu entwerfen. Ziel der Kampagne ist es, so

De verkoper en het museum* (NL)Der Verkäufer und das Museum (NL)

* De Troyer, V., Vermeersch, J. e.a. Hereduc. Heritage in the classroom. A practical manual for teachers, 2005.

Die Kinder arbeiten an ihrer Werbekampagne (foto: Pieter Mols)

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viele Kunden und Kundinnen wie möglich in den Laden/das Museum zu locken.

Die SchülerInnen sehen sich auch das Video “Well spotted” in der Klasse an. Darin werden viele praktische Aktivitäten gezeigt, von denen die SchülerInnen inspiriert werden und eigene Ideen für die Inszenierung ihres Objekts bekommen. Abhängig von den Interessen jedes/jeder Einzelnen kann dies das Projekt erweitern oder zu ande-ren Aktivitäten führen.

Reflexion

Das Projekt bedient sich didaktischer Elemente der Storyline-Metho-de. Die Geschichte des Verkäufers motiviert die SchülerInnen und dient als Leitfaden. Die SchülerInnen wählen eine Rolle, mit der sie sich identifizieren können. Auch die ungeleitete Erkundung des Mu-seums ist eine Stärke dieses Projekts. Die SchülerInnen können wäh-rend des Projekts sehr oft selbst Entscheidungen treffen: Sie können sich ein historisches Objekt aussuchen, alleine oder gemeinsam arbei-ten und entscheiden, wie sie ihre Arbeiten gerne präsentieren möch-ten. Es gibt keine explizite Reflexion über die Schlüsselkompetenzen in diesem Projekt, eine solche kann aber mit den Präsentationen, der Öffentlichkeitsarbeit und den Aktivitäten, die im Video “Well Spot-ted” gezeigt wurden, verknüpft werden.

III.Kontakt

Museum ‘t Oude SlotAdresse: Hemelrijken 6, NL-5502 HM VeldhovenNiederlandeTelephone: + 31 40 253 31 60E-mail: [email protected]: http://www.museumoudeslot.nl

Kinder besuchen das Museum ‚t Oude Slot (Foto: Pieter Mols)

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I.ZusammenfassungdesProjekts

Schlüsselkompetenzen im Projekt:

Lernen LernenUnternehmerische KompetenzSoziale Kompetenz und BürgerkompetenzKulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeitt

Im Projekt “St-ART” machten Jugendliche unterschiedlicher kulturel-ler Herkunft und aus zwei Schulen der Sekundarstufe Dokumenta-tionsfilme, für die sie ältere Menschen unterschiedlicher kultureller Herkunft interviewten. Das besondere an dem Projekt ist der Dialog, der zwischen der älteren und der jüngeren Generation zustande kam. Sie redeten über Geschichte, Kultur, Religion, Politik, den Zweiten Weltkrieg, das Leben in einem japanischen Gefangenenlager in In-donesien, Diskriminierung, Liebe und Musik. Die Geschichten dieses immateriellen Erbes gaben den SchülerInnen die Möglichkeit, ihre Kompetenzen zu erwerben, während sie die Vergangenheit mit der Gegenwart verglichen.

Das Projekt ist auch ein “Sozialpraktikum”. In den Niederlanden ist ein Sozialpraktikum für SchülerInnen der Sekundarstufe verpflich-tend. Dies kann innerhalb oder außerhalb der Schule stattfinden. Ziel eines solchen Praktikums ist es, dass SchülerInnen durch freiwillige Arbeit etwas zur Gesellschaft beitragen. Im Projekt St-ART wurde das Sozialpraktikum mit künstlerischen und kulturellen Zielen verknüpft.

Da das Projekt so erfolgreich war, entwickelten die ProjektleiterInnen ein Handbuch, um auch anderen Schulen zu ermöglichen, dieses Pro-jekt zu realisieren.

II.Projektbeschreibung

Daisy Duivenvoorden und Pauline Min, Studentinnen der Amsterda-mer Kunsthochschule, entwickelten St-ART als eine Form des Sozial-praktikums, das alle niederländischen SekundarschülerInnen ab 2011 leisten müssen. Ein Sozialpraktikum hat mehrere Ziele. Jugendliche leisten freiwillige Arbeit und werden dadurch stärker in die Gemein-schaft eingebunden. Im Projekt St-ART wurde für SchülerInnen zwei-er Sekundarschulen das Sozialpraktikum mit künstlerischen und kul-turellen Zielen verknüpft.

Im Schuljahr 2008/2009 machten 42 SchülerInnen im Alter von 14 – 18 Jahren aus zwei Mittelschulen in Den Haag und Amsterdam

ihr Sozialpraktikum in Altersheimen. Dort erstellten sie Videoportraits von und mit den BewohnerInnen. So lernten sie mehr über die älte-ren Menschen, ihr Leben, ihre persönlichen Geschichten und über Geschichte im Allgemeinen. Sie lernten auch, wie man einen Doku-mentarfilm macht. Ziel des Projekts war, dass sich Jugendliche mit älteren Menschen auseinandersetzen. Studien besagen, dass sich von 2,6 Millionen NiederländerInnen im Alter von 65+ fast 1 Million einsam fühlt. Mehr als 100 000 (4%) davon fühlen sich sehr einsam. 200 000 von 4,1 Millionen Menschen im Alter von 55+ fühlen sich ebenfalls sehr einsam. (TNS/NIPO, 2008).

Kulturkunde ist Teil des Lehrplans der Schulen, die am Projekt teilnahmen. Das Cygnus Gymnasium in Amsterdam ist eine klei-ne, interkonfessionelle Schule in der hauptsächlich SchülerInnen niederländischer Herkunft unterrichtet werden. Das City+ College in Den Haag (MAVO-HAVO-VWO) unterrichtet SchülerInnen un-terschiedlicher Herkunft, hauptsächlich marokkanischer und tür-kischer Herkunft. Die SchülerInnen wurden mit älteren Menschen aus den Heimen in Den Haag und Amsterdam zusammengebracht. Die SchülerInnen des Cygnus Gymnasiums machten Videoportraits von BewohnerInnen des De Venser Altersheims in Amsterdam Zuid-Oost. Sie interviewten Menschen von den Antillen und aus Surinam. SchülerInnen des City+ Colleges sudanesischer, marokkanischer, nepalesischer und litauischer Herkunft machten Videoportraits von mehrheitlich niederländischen SeniorInnen aus dem Centrum Bezui-denhout in Den Haag.

Der Grund, warum sich das Projekt St-ART mit dem Medium Vi-deo auseinandersetzt, ist, dass Medien eine wichtige Rolle im Le-ben von Jugendlichen spielen. Das sollte sie motivieren. Soziale, kulturelle und technische Kompetenzen wurden durch den Einsatz solcher Medien, den Unterricht von DokumentarfilmexpertInnen, Interviews, das Schneiden von Filmen, und authentischer Kontex-te erlernt. Durch diesen holistischen und interdisziplinären Zugang konnten die Jugendlichen in einem ressourcenreichen Umfeld ler-nen. Sie lösten Probleme und arbeiteten in einem authentischen Umfeld zusammen.

Vor dem Projektstart bekamen die SchülerInnen eine Einführung in das Gestalten einer Videodokumentation. Das Projekt dauerte eine Woche, in der die SchülerInnen ausschließlich an ihren Dokumentati-onen arbeiteten. Während des Projekts nahmen sie an Workshops zu den Themen „Interviewführung“ und „Videotechnik“ teil und wur-den von ExpertInnen in diesen Gebieten gecoacht. Diese ExpertInnen stellten sicher, dass die SchülerInnen gut vorbereitet waren und ga-ben Feedback über ihre Videoportraits und ihre Interaktion mit den SeniorInnen.

St-ARTJugendliche erstellen Videoportraits über die Erinnerungen älterer Menschen (NL)

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Laut den ProjektleiterInnen war es sehr interessant, mitanzusehen, wie die gegenseitige Neugier zu angeregten Gesprächen über Ge-schichte, Kultur, Religion, Politik, den Zweiten Weltkrieg, das Leben in einem japanischen Gefangenenlager in Indonesien, Diskriminierung, Liebe und Musik, zwischen den älteren Menschen und den Jugend-lichen führte.

Die SchülerInnen fühlten sich immer mehr verantwortlich für die Se-niorInnen. Einigen von ihnen fiel der Abschied am Ende des Projekts schwer. Das Ergebnis waren schöne, berührende und manchmal auch lustige Videoportraits, die bei einer Veranstaltung mit den interview-ten SeniorInnen, den SchülerInnen, FreundInnen, Familien und ande-ren, gezeigt wurden. Da das Projekt so erfolgreich war, entwickelten die ProjektleiterInnen ein Handbuch mit ihren Erfahrungen, um es auch anderen Schulen zu ermöglichen, dieses Projekt zu realisieren.

In der Reflexion des Projekts sagten die LeiterInnen, dass dieses Pro-jekt für eine ganze Schulklasse weniger geeignet sei, da das Coa-ching der SchülerInnen viel Zeit und Arbeit in Anspruch nimmt. Das Projekt in einer Woche durchzuführen, scheint eine gute Entschei-dung gewesen zu sein. Die SchülerInnen und SeniorInnen lernten einander schnell kennen und die SchülerInnen konnten sehr viel in kurzer Zeit lernen. Auf der anderen Seite war es eine sehr intensive Woche, die die SchülerInnen und SeniorInnen auch sehr anstrengte.

III.Kontakt

Kontakt Person: Daisy Duivenvoorden (Künstlerin / Kunstlehrerin am Fioretti College in Lisse, Niederlande)[email protected]

Kontakt Person: Pauline Min ( Kunstlehrerin am Pieter Nieuwland College und im Cygnus Gymnasium in Amsterdam, Niederlande)[email protected]

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I.ZusammenfassungdesProjekts

Schlüsselkompetenzen im Projekt:

Lernen LernenUnternehmerische KompetenzSoziale Kompetenz und BürgerkompetenzKulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeitt

Während eines landesweiten Fortbildungstages des Aqueduct-Pro-jekts in Leiden, Niederlande, konnte eine Gruppe aus 15 Kulturver-mittlungsexpertInnen, LehrerInnen und LehrerInnenfortbildnerInnen den Aqueduct-Prozess und die dazu gehörenden Lernkompetenzen selbst in einem bedeutenden kulturellen Umfeld erfahren. Ausgangs-punkt der Fortbildung war eine Geschichte aus dem Buch “Die Fuß-note” (De Voetnoot) des Autors F.B. Hotz aus Leiden. In der Geschich-te geht es um ein schlimmes Zugunglück, das sich zwischen Leiden und Voorschoten im Jahr 1926 ereignete. Die Unfallstelle ‘De Groote Vink’ war früher ein wunderschöner Ort. Heute ist es eine ziemlich hässliche Gegend.

Die TeilnehmerInnen besuchten den Ort und lösten in drei Gruppen

eine kompetenzorientierte Aufgabe. Eine Gruppe entwickelte Kriteri-en für das Design eines Denkmals, eine Gruppe schrieb ein Drehbuch für ein Theaterstück und die dritte Gruppe entwickelte einen Entwurf für die Umgestaltung der Gegend. Gleichzeitig lernten sie mehr über die Geschichte der Gegend.

II.Projektbeschreibung

Der landesweite Fortbildungstag des Aqueduct-Projekts in den Nie-derlanden wurde von PLATO organisiert, einem Zentrum für For-schung und Entwicklung im Bildungsbereich und in der Fortbildung an der Universität Leiden, einem Partner im Aqueductprojekt. Die 15 TeilnehmerInnen waren ExpertInnen, die sich mit der Entwicklung von Unterrichtsprogrammen für die Vermittlung kulturellen Erbes beschäftigten, sowie LehrerInnen und LehrerInnenfortbildnerInnen.

Zunächst gab es eine Einführung in das Aqueduct-Leitbild, Lerntheo-rien und zusätzliche Information über kompetenzorientiertes Lernen und kompetenzorientierten Unterricht. Die meiste Zeit verbrachten die TeilnehmerInnen damit, kompetenzorientiertes Lernen selbst zu erfahren, wobei drei Aufgabenstellungen angeboten wurden. Das Er-lebnis begann mit einer Geschichte aus dem Buch “Die Fußnote” (De Voetnoot) des Autors F.B. Hotz aus Leiden. Hotz erzählt darin über ein

De Groote Vink - KulturvermittlerInnen, LehrerInnen und LehrerIn-nenfortbildnerInnen erleben den Aqueduct - Prozess (NL)

De Groote Vink heute (Foto: Ingrid Gussen)

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schweres Zugunglück, das sich 1926 zwischen Leiden und Voorscho-ten ereignete. Bei diesem Unglück wurde Hotz’ Tante schwer verletzt und zwei berühmte niederländische Schriftsteller, David und Greta Lobo Braakensiek, kamen ums Leben. Die Unfallstelle, ‘De Groote Vink’ war früher ein wunderschöner Ort. Damals kamen die Leute aus Leiden und Umgebung hierher, um sich zu entspannen und ihr Wochenende zu genießen. Es gab ein Restaurant und einen Spiel-platz. Heute ist von dieser Schönheit nur mehr wenig zu sehen.

Die TeilnehmerInnen besuchten den Ort und entwickelten in drei Gruppen Kriterien für das Design eines Denkmals, ein Drehbuch für ein Theaterstück und erstellten einen neuen Lageplan der Umge-bung. Dadurch lernten sie auch viel über die Geschichte der Gegend. Am Ende des Tages präsentierten die drei Gruppen ihre Ergebnisse und Pläne im Plenum. Durch die Aufgabenstellungen entwickelten die TeilnehmerInnen ihre soziale und Bürgerkompetenz, ihr Kulturbe-wusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeit. Durch die Kooperation erhöhten sie ihre Lernkompetenz und ihre Kompetenz im Umgang mit digitalen Medien. Am Ende des Tages waren alle sehr überrascht, wie viel sie über die Geschichte der Gegend gelernt hatten, während sie sich darauf konzentrierten, Pläne und Kompetenzen zu entwi-ckeln. III.Kontakt

PLATO / Leiden UniversityKontakt Personen: Ingrid Gussen-Benthem und Jaap van LakerveldWassenaarseweg 522333 AK LeidenNiederlandeTel: +31 (0)715273418E-mail: [email protected]: http://www.fsw.leidenuniv.nl/plato/

Ein Teilnehmer präsentiert den Entwicklungsplan für De Groote Vink (Foto: Ingrid Gussen)

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I.ZusammenfassungdesProjekts

Schlüsselkompetenzen im Projekt:

Lernen LernenUnternehmerische KompetenzSoziale Kompetenz und BürgerkompetenzKulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeitt

Das Projekt “War der Jugendstil weiblich?” entstand im Rahmen des Kunstwettbewerbs “Die Schätze von Malopolska”, das vom Małopolski Institut für Kultur organisiert wurde. Die Themen, die von der Unterstufe des Gymnasiums Nr. 6 in Tarnów (Gimnazjum nr 6 w Tarnowie) behandelt wurden, waren: Jugendstil in der Architektur, Malerei und Kunsthandwerk, mit Schwerpunkt auf dem Bild einer Frau, die in all diesen Kunstfeldern immer wieder auftaucht. Zu Be-ginn wählten die LehrerInnen die Skulptur des Kopfes einer Frau, ein architektonisches Detail der Fassade des Gebäudes in der ul. Klasztor-na 7 in Tarnów. Das Projekt wurde für SekundarstufenschülerInnen im Alter von 13 – 16 Jahren konzipiert.

II.Projektbeschreibung

Das Projekt wurde von drei Kolleginnen geleitet: Aneta Kopeć-Wilk, Geschichtslehrerin, Magdalena Latawska-Honkisz, Kunstlehrerin und Katarzyna Płachta, Französischlehrerin. 20 SchülerInnen im Al-ter von 13 – 16 Jahren aus vier Klassen nahmen an dem Projekt teil.

Die Workshops begannen am 25. November 2010 bei einem Tref-fen in der Schule. Ziel des Treffens war es, die SchülerInnen über die Unterrichtsschwerpunkte des Jahres aufzuklären, ihnen den Zeitplan für die geplanten Treffen auszuteilen und einen Überblick über die vorgeschlagenen Aktivitäten im Freien und in der Schule zu geben. Zur Einführung und um die Neugier der SchülerInnen zu wecken, präsentierten die LehrerInnen Beispiele aus dem Jugendstil in Form von Fotos der charakteristischen Architektur, Reproduktio-nen von Gemälden und Objekten, die sie von befreundeten Samm-lern erhielten.

Die SchülerInnen begannen ihre gemeinsame Arbeit mit Präsen-tationen über die wichtigsten Phänomene und Ereignisse, die den Geist der Zeit in Europa und Polen prägten. Die SchülerInnen stell-ten eifrig Fragen und diskutierten. Von besonderer Bedeutung ist jedoch, dass sie die Charakteristika der Epoche des Jugendstils ge-nau erfassten.

Im nächsten Schritt machten sie einen Ausflug in die Altstadt von Tarnów, um sich auf die Suche nach den Spuren des Jugendstils zu begeben. Die Suche begann an einem Ort, der versteckt hin-ter der Hauptstraße liegt, dem Gebäude in der ul. Klasztorna 7, einem der Jugendstilbauten in Tarnów. Alle richteten ihre Auf-merksamkeit auf den ungewöhnlichen Kopf, der in die Fassade geschnitzt war – eine junge, geheimnisvolle, stolze Frau von sla-wischer Schönheit. Auch die charakteristischen Ornamente, d.h. Paneele, florale, geometrische und metallene Elemente der Bal-kone waren beeindruckend. Der Ausflug wurde mit Fotos doku-mentiert. Zuerst leiteten die LehrerInnen die Aktivitäten im Frei-en, aber dann ergriffen die SchülerInnen schnell die Initiative. Sie untersuchten jeden Winkel und jedes Versteck in dem Gebäude und dem Innenhof. Sie machten Fotos von Stiegenaufgängen, bunten Glasfenstern, Balkonen und Details, die auf den ersten Blick unsichtbar schienen - z.B. von gut erhaltenen Jugendstilbal-konen oder Fassaden mit unorthodoxen Elementen. Von Anfang an erforschten sie die historischen Ursprünge ihrer Stadt. Um his-torische Objekte aus dieser Zeit genauer betrachten zu können, besuchten die TeilnehmerInnen einen Antiquitätenladen.

Im nächsten Treffen präsentierten die SchülerInnen alles, was sie während ihres Ausflugs gesammelt hatten. Sie zeigten ihre Bilder, auf denen die Frauenfigur der Fassade und die floralen und geo-metrischen Elemente zu sehen waren. Zu diesem Zeitpunkt hat-ten die SchülerInnen bereits sehr viel Wissen über den Jugendstil gesammelt.

Von diesem Zeitpunkt an beschäftigten sich die TeilnehmerInnen mit dem Leitmotiv des Projekts „Eine Frau im Jugendstil“.

“Was haltet ihr davon, ein 100 Jahre altes Fotostudio nachzubau-en? Davon Kostüme zu machen, handgefertigten Schmuck, Hüte, Regenschirme im Stil des Jugendstils? Man könnte sich wie die Frauen in der Zeit schminken und die Haare machen. Was haltet ihr davon, mit Requisiten und Tapeten des Jugendstils ein schö-nes Fotoshooting innerhalb eines Workshops zu machen oder in einem authentischen Jugendstilumfeld?“ So bereiteten wir ge-meinsam den nächsten Schritt für unsere Klasse vor, d.h. wir ge-stalteten künstlerische Arbeiten.

In kleineren Gruppen machten die SchülerInnen Kostüme, Ohrrin-ge, Ringe, Armbänder und Halsketten aus bunten Perlen, Model-lierton und Draht. Sie beklebten Regenschirme mit Spitzen und Tüll, stellten eine Vase aus Papiermaché her, sie bastelten Tapeten aus braunem Papier, das sie mit Acrylfarben bemalten und spä-ter in einem Fotoshooting à la Klimt verwendeten. Es tauchten auch Bilder in Anlehnung an das Gemälde von Alphonse Mucha

War der Jugendstil weiblich? Das Motiv einer Frau im Jugendstil (PL)

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auf. Ein Bild zeigte eine stillende Mutter, so wie in dem Bild von Stanisław Wyspiański, ein weiteres Bild zeigte eine reisende Frau, sowie andere Frauen in Schwarz, die direkt aus alten Fotografien stammten, wie z.B. die Femmes fatales aus dem Bild von Gustav Klimt. Zusätzlich zeigten die LehrerInnen Filme aus dem Internet über die Beginne der Kinematografie, die das Leben in der Stadt Ende des 19. Anfang des 20. Jahrhunderts zeigten. So sollten die SchülerInnen sehen, wie die Menschen aus der Zeit aussahen, wie sie sich kleideten, ihre Frisuren und Accessoires. Als die Kostüme und benötigten Requisiten fertig waren, begann die Arbeit am Set.

“Als das Fotoshooting vorüber war, waren wir ein bisschen traurig und unzufrieden, dass es bereits zu Ende war. Man könnte doch die Kostüme auch woanders einsetzen. Jemand schlug schüchtern vor, dass wir ein paar Modelle in einem authentischen Jugendstilumfeld zeigen könnten. Fast sofort kam die Idee “Die Bahnstation”. Dann gab es ein weiteres Fotoshooting im Inneren der Bahnstation von Tarnów, auf den schmalen Straßen und vor den Gebäuden, die in der Zeit gebaut wurden. Wir bewunderten die SchülerInnen,

die sich so natürlich in ihren Jugendstilkostümen durch die Stadt bewegten und ohne Unsicherheiten für Fotos posierten. Als wir uns die Fotos auf der Kamera ansahen, schlug jemand vor, einen

Kurzfilm über die alte Bahnhaltestelle zu drehen, ähnlich dem Film, den die SchülerInnen zuvor gesehen hatten. Warum nicht, wenn

wir schon den passenden Ort und willige SchauspielerInnen haben? Mit Hilfe der modernen Technik (modernen Kameras) produzierten wir einiges an Filmmaterial. Nun musste man nur mehr den Stil der Jahrhundertwende imitieren. Das machte sich eine Schülerin zur Aufgabe, die von ihren Freunden gebeten wurde, an dem Projekt

teilzunehmen. Das Ergebnis war Teil der multimedialen Präsentation, die die Produkte unseres Projekts zeigt.”

Szene aus dem Fotoshooting inspiriert von europäischen Gemälden (Foto: Aneta Kopec-Wilk)

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Die Wahl der Fotos, die der Ausgangspunkt für die Kunstwerke wa-ren, und die Entwicklung der Ideen für die Ausstellung, zählten zu den schwierigsten Momenten. Folgende Arbeiten wurden für den Wettbewerb eingereicht: ein gemeinsames Kunstwerk mit dem Ti-tel “Jugendstil in Tarnów im Kaiserpanorama” (Tarnowska secesja w fotoplastykonie), zwei vollständige Frauenkostüme und eine Jugend-stilvase aus Papiermaché. Als Kaiserpanaroma bezeichnet man ein um die Wende zum 20. Jahrhundert populäres Massenmedium, das es bis zu 25 Personen gleichzeitig ermöglichte, stereoskopische Bil-derserien zu betrachten.

Nach Fertigstellung der Kunstwerke und bevor diese verschickt wur-den, fand ein Treffen statt. Zu Beginn sahen alle eine multimediale Präsentation über die verschiedenen Projektphasen. Nun war es an der Zeit, die Schlüsselfrage im Titel unseres Projekts zu beantworten: War der Jugendstil weiblich?

“Meiner Meinung nach war der Jugendstil weiblich. Das sieht man zum Beispiel in den floralen Elementen, die charakteristisch für die Architektur der Zeit sind. Darüber hinaus wird Weiblichkeit mit An-mut, wellenförmigen Elementen und flatternden Bändern assozi-iert. Die Frau war die Muse von Jugendstilkünstlern, was man an den Skulpturen von schönen Frauengesichtern an den Fassaden der Gebäude sehen kann. Zarte Pastellfarben stehen für die Zartheit der Frauen.” Zuzanna – Klasse 2 D

Während des Projekts konzentrierten sich die LehrerInnen auf folgen-de Schlüsselkompetenzen:Lernen lernen – durch sorgfältige Beobachtungen, individuelle Re-cherche von Informationen, Vergleichsanalyse von Kunstwerken.Kulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeit – durch die Ver-mittlung des kulturellen Kontexts der Zeit, Leitlinien und Trends von ausgewählten Bereichen der Kunst;Eigeninitiative und Unternehmerische Kompetenz - verschiedene

Informationsquellen mussten für die Erstellung der Kunstwerke her-angezogen werden: Kleidung, Dekoration, Kaiserpanoramaes wurde auch auf Gruppenarbeit gesetzt und gemeinsame Verant-wortung für die Vorbereitung der Kunstwerke. So konnte jede/r nach seinen/ihren Fähigkeiten und Ambitionen teilnehmen.Vor der Durchführung des Projekts erläuterten die LehrerInnen, wie die Leistungen und künstlerischen Ziele in Beziehung zum Lehrplan stehen.

III.Kontakt

Małopolski Instytut Kultury (Malopolska Institute of Culture)Adresse: ul. Karmelicka 27 31-131 Kraków PolenTel.: +48 12 422 18 84 Fax: +48 12 422 55 62E-mail: [email protected]: www.mik.krakow.pl Gimnazjum nr 6 im. Jana Pawła II (Johannes Paul II Mittelschule Nr. 6)Adresse: ul. Krzyska 118 33-103 Tarnów PolenTel. +48 14 625 00 71E-mail: [email protected]: http://www.g6t.pl/

Nostalgie, ein Merkmal des Jugendstils (Foto: Aneta Kopec-Wilk)

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I.ZusammenfassungdesProjekts

Schlüsselkompetenzen im Projekt:

Lernen LernenUnternehmerische KompetenzSoziale Kompetenz und BürgerkompetenzKulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeitt

Das wichtigste Ziel des Projekts “Expedition zu den Toren der Weis-heit” war es, die SchülerInnen im Alter von 8-10 Jahren darin zu un-terstützen, ihre Fähigkeit nach Wissen und Weisheit zu suchen, wei-ter zu entwickeln. Dies taten sie im Umfeld der Jagiellonenuniversität in Krakau, die bekannt ist für ihre Tradition, die alten Gebäude und ihre wissenschaftlichen Disziplinen. Kulturelles Erbe umfasst nicht nur Gebäude sondern auch Geschichte, Menschen und kulturelle Fakten wie Literatur, Sprichwörter, Bräuche usw. Ein entscheidendes Element des Projekts war die Zeiteinteilung, d.h. genügend Zeit für den Be-such der Universität zu haben. Ein anderer wichtiger Punkt war die Reflexion der Klasse über Wissen, Lernen und das Phänomen Weis-heit.

In Zusammenarbeit mit der Grundschule Nr. 5, dem Museum der Jagiellonen-Universität und dem Restaurant ‘Media Aetas pod św. Janem Kapistranem’ wurde das Projekt von der Akademia Żakowska, Ośrodek Edukacyjno-Informacyjny w Krakowie konzipiert, die viele pädagogische und kulturelle Aktivitäten organisiert, durch die Kom-petenzen, die im Lehrplan gefordert werden, erworben werden kön-nen. Das Projekt bediente sich für die Vermittlung der Kerninhalte des Lehrplans kultureller Ressourcen. Bei der Planung der Aktivitäten achtete man darauf, dass die Themen für das Programm des Projekts “Expedition zu den Toren der Weisheit” bereits vorher im Unterricht vorkamen und die SchülerInnen bereits über die Hauptstädte und die wichtigsten Kulturstätten Polens gelernt hatten. Das sollte als Einfüh-rung für das nächste Thema dienen. Die SchülerInnen sollten über berühmte Polen lernen.

II.Projektbeschreibung

Das Projekt begann mit der Übung, die Definition von “Tor” und “Weisheit” im Lexikon nachzuschlagen. Dann sollten die SchülerIn-nen der Frage ihres Arbeitsblatts nachgehen: „Was bringt uns der Weisheit näher?“ In ein vorgezeichnetes “Rucksack-Diagramm” sollten sie in Kleingruppen all die Dinge notieren, die sie für eine

Forschungsexpedition für notwendig erachteten. In der anschließen-den Diskussion wurden sie auf den Unterschied zwischen einer Tou-ristenführung und einer Forschungsexpedition aufmerksam gemacht.

Jede Gruppe erhielt ein Arbeitsblatt, das sie am Weg von der Schule ins Stadtzentrum ausfüllen sollten. Auf dem Stadtplan markierten sie Namen von Bus- und Tramhaltestellen, von Orten, an denen sie das Transportmittel wechseln mussten und ihr Ziel. Durch diese Übung sollten sie ihren Orientierungssinn durch die genaue Beobachtung ihrer Umgebung schärfen.

Die Erkundung begann, nachdem sie aus der Straßenbahn gestiegen waren. Ihre erste Aufgabe war es, ein Gebäude in der Stadt zu fin-den, das auf einem Foto abgebildet war. Nachdem sie das Gebäude gefunden hatten und eine kurze Präsentation über die Geschichte und Funktion des Gebäudes genossen hatten, beschrieben sie die Wappen an der Fassade. Sie sollten zwei Wappen ausmalen, ei-nes war das Wappen von Krakau, das andere das der Jagiellonen-Universität. Das Wappen der Jagiellonen-Universität war nicht auf dem Collegium Novum zu finden, also mussten sie sich auf die Suche nach dem Gebäude machen, auf welchem dieses Wappen abgebildet war.

Nach einer kurzen Erkundung kannten sich die SchülerInnen be-reits gut im Universitätsviertel aus. Sie sollten ein Rätsel lösen und die Statue der Person finden, die im betreffenden Rätsel beschrie-ben war. Die beschriebene Nikolaus Kopernikus Statue steht ne-ben der Universität. Die SchülerInnen diskutierten astronomische Entdeckungen und darüber, wie viel Mut es erforderte, Wissen über bahnbrechende Entdeckungen zu veröffentlichen, die dem vorherrschenden Wissen widersprachen. Danach ging die Gruppe ins Collegium Maius, wo Nikolaus Kopernikus einst studierte. Im Innenhof lernten die SchülerInnen mehr über architektonische Ele-mente. Dann beschrieben sie die Gestaltung des Innenhofs , z.B. eine dekorative Uhr mit Zahlen/Figuren. Sie beschrieben Portale und Türen, die im Innenhof zu sehen waren. Sie lösten Rätsel mit Sprichwörtern und Morsecodes, deren Lösung “Das Tor der Weis-heit” war. Nun war es ihre Aufgabe zu sagen, welche Tür das Tor zur Weisheit sein könnte.

Die nächste Station war der Besuch eines Restaurants, das wie ein mittelalterlicher Gasthof gestaltet war. Hier suchten die Schü-lerInnen nach den Hinweisen eines geheimnisvollen Bibliothekars und lösten die Rätsel, die er ihnen aufgab. Zuerst erhielten sie Zi-tate zum Thema Weisheit, die sie in die richtige alphabetische Rei-henfolge bringen mussten. Dann bekamen sie Karten, auf denen Buchumschläge und berühmte Personen mit ihren Lebensdaten

Expedition zu den Toren der Weisheit (PL)Die Vermittlung des kulturellen Erbes von Malopolska soll die Lernmotivation der Kinder stärken

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abgebildet waren. Die Aufgabe war es, die Bücher den richtigen AutorInnen zuzuordnen. Als AssistentInnen des Bibliothekars mussten sie die Werke in die richtige chronologische Reihenfolge bringen und dann zwei Sätze lesen, die aus den Wörtern auf den Rückseiten der Bücher bestanden: Das lateinische Motto der Jagi-ellonen-Universität (Plus ratio quam vis) und dessen Übersetzung ins Polnische. Im Anschluss daran hatten sie für jeden Buchstaben des lateinischen Sprichwortes ein Wort zu finden, das sie mit den vergangenen Aktivitäten in Verbindung brachten. So kam ein ori-gineller Forschungsbericht zustande. Eine Beobachtung war, dass es in der polnischen Sprache keine Wörter gibt, die mit V oder Q beginnen.

Am nächsten Tag fand eine Reflexion im Klassenzimmer statt. In denselben Teams, in denen der Ausflug bestritten worden war, beschrieben die Kinder die Expedition und bereiteten eine Präsen-tation aus den gesammelten Materialien vor. Ihre Aufgabe war es, die Materialien zu klassifizieren und in einer Reihenfolge, die sie begründen konnten, auf einer Tafel anzuordnen. Andere Schü-lerInnen der Schule besuchten die Präsentation, was die Kinder besonders motivierte. Sie waren ExpertInnen, während die ande-ren MitschülerInnen ihre Botschaft verifizierten. Die Tafeln wurden anschließend im Klassenzimmer ausgestellt.

Nach zwei Wochen gab es ein weiteres Treffen. Die Kinder be-schrieben in eigenen Worten, was sie nun unter Weisheit verste-hen. Sie erinnerten sich, wie sie sich auf eine Expedition auf der Suche nach Weisheit vorbereitet hatten, wie das Tor zur Weisheit aussah, was daran ungewöhnlich war usw. Dann erhielten sie die Arbeitsblätter vom Beginn des Projekts noch einmal , wobei dies-mal deutlich mehr Aspekte berücksichtigt wurden als zu Beginn des Projekts. Im Anschluss erhielten die Kinder den lang ersehnten Preis. Durch das Tor des Collegium Maius, das die Kinder “Tor zur Weis-heit” nannten, gingen sie in das Museum der Jagiellonen-Universität. Nachdem sie die Schätze des Museums entdeckt hatten, empfingen

sie ihre symbolischen Diplome im Auditorium, das sehr viele bedeu-tende Gäste erlebt hat.

Die Stärke des Projekts war seine Komplexität und wie sich die einzel-nen Elemente ergänzten. Alle Aufgaben dienten nur einem Zweck: die vielen Wege, wie man Wissen und Weisheit erlangen kann, zu reflektieren. In der Praxis zeigte sich, dass die Unterscheidung von Wissen und Weisheit Sinn macht.

III.Kontakt

Akademia Żakowska Ośrodek Edukacyjno-Informacyjny – Aleksandra RzońcaAdresse: ul. Radzikowskiego 66/3531-315 KrakówPolenE-mail: [email protected], [email protected]: www.akademiazakowska.pl

Zespół Szkół Ogólnokształcących nr 51 w KrakowieLehrerin: Jolanta Błasiak – Vorschullehrerin E-mail: [email protected]: Al. Kijowska 830-079 KrakówPolenWebsite: www.zso51.edukonekt.pl

Diskussion um die Bedeutung von Elementen im Forschungsbericht(Foto: Aleksandra Rzonca)

Wo befindet sich die Statue von Nikolaus Kopernikus? (Foto : Ewelina Wisniewska)

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I.ZusammenfassungdesProjekts

Schlüsselkompetenzen im Projekt:

Lernen LernenUnternehmerische KompetenzSoziale Kompetenz und BürgerkompetenzKulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeitt

Das Malopolski Kultur Institut (MIK) in Krakau und das JPII Gymnasi-um in Golkowice initiierten ein Projekt, in dessen Mittelpunkt ein Ort ohne anerkannte historische Denkmäler oder Bauten steht. Die Kulisse der Stadt lässt ihre Teilung bereits erahnen. Es gibt Span-nungen zwischen den SchülerInnen von Ober- und Unter-Golkowice, wie die Orte hier genannt werden. Die SchülerInnen sind der Mei-nung, dass es in ihrem Teil der Stadt nichts Interessantes gäbe. An dem Projekt nahmen GymnasiastInnen im Alter von 13 – 16 Jahren teil. Ziel des Projekts war es, mittels immaterieller Quellen wie Inter-views, Geschichten, Legenden und Beobachtungen, die SchülerInnen mit der Geschichte ihrer Stadt und den mit ihr verbundenen Legen-den vertraut zu machen, um ihre “lokale Identität” zu stärken. Durch diese Aktivitäten lernten die Jugendlichen ihre Stadt besser kennen. Sie fanden heraus, dass die Geschichte von Golkowice vielfältig und interessant ist. Mit Freude erkundeten sie kleine, aber bedeutungs-volle Spuren der Vergangenheit und lernten, Quellen zu interpretie-ren. Die künstliche Trennung zwischen den Jugendlichen aus Ober- und Unter-Golkowice löste sich.

II.Projektbeschreibung

Die Workshops des Projekts wurden vom Malopolski Kultur Institut (MIK) in Krakau und dem JPII Gymnasium in Golkowice vorbereitet. Das Programm wurde von KünstlerInnen und TheaterpädagogInnen erstellt. In einer Übung sollten die SchülerInnen den Weg von ihrem Bett in die Schule auf eine Karte zeichnen. Auf jeder Karte nahm das Elternhaus sehr viel Platz ein, da für die morgendlichen Aktivitäten viel herum ge-laufen werden musste. Die Distanz zur Schule, meistens ein paar Kilo-meter, war in Relation kürzer. Nachdem die Karten verglichen wurden, dachten die SchülerInnen darüber nach, wie sich die Wahrnehmung des Raumes mit der Intensität der Erlebnisse, die in diesen Räumen stattfanden, änderte. Nach diesem Test wurde das Wort „Maßstab“ erläutert. Konnten so alle Karten und Pläne nach einem standardisier-ten Maß entworfen und gelesen werden? Diese Phase wurde in einer Power-Point Präsentation über verschiedene Karten in der Geschichte, aus anderen Kulturen und Fachbereichen zusammengefasst.

Dann zeichneten die SchülerInnen eine Art Sternenkarte, in der die Schule im Zentrum und ihre Wohnhäuser in einer bestimmten Rich-tung standen, in proportionaler Distanz. Das war die Basis für eine weitere Aufgabe. Die ganze Gruppe wanderte auf den naheliegen-den Hügel über Golkowice, wo sich vor langer Zeit eine slawische Stadt befand. Man sprach darüber, ob dieser Ort überhaupt passend für eine Stadt war und kam zu dem Schluss, dass die Einwohner eine schöne Aussicht hatten, die Straße entlang des Flusses kontrollieren konnten und die Stadt sicher war, weil man sie an diesem Ort schwer erobern konnte. Auf dem Hügel, in einem Holzrahmen mit den Ma-ßen 2m x 3m, bauten die SchülerInnen aus Objekten, die sie vor Ort fanden, die Landschaft von Golkowice nach. Ziel der Übung war es, dass die SchülerInnen lernten, Materialien und Symbole der Kunst zu

Die Kartierung von Golkowice (PL)

Auf der Suche nach Geschichten und Legenden der Nachbarschaft (Foto: Marcin Klag)

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interpretieren. Die SchülerInnen nutzen Kunstmaterialien und Kunst-techniken, um das Bild aus Schnüren, Ästen, Blättern, Stöcken, Gras-büscheln und Steinen, die sie in der Nähe der alten Stadt fanden, zu bauen.

Im nächsten Schritt sollten sie reale Geschichten über Golkowice sammeln und auswählen. Die SchülerInnen sammelten die Geschich-ten in Familiengesprächen und durch Interviews mit älteren Bewoh-nerInnen der Stadt. Die Orte wurden in der Karte verzeichnet und die Texte zu einem Buch zusammengefasst. Während der Arbeit gab es viele überraschende Informationen, die in Gesprächen mit dem Projektleiter näher besprochen wurden.

Die SchülerInnen wurden in zwei Gruppen geteilt. Die erste Gruppe arbeitete an einer Karte über die Legenden Golkowices. Das zweite Team entwarf ein Brettspiel, basierend auf den normalen und außer-gewöhnlichen Ereignissen der Geschichte Golkowices.

Die zweite Gruppe begann mit der Erstellung von Portraits und Selbst-portraits aus natürlichen Materialien. Wie schon beim Landschaftsbild achtete man auf die Symbolik der Materialien und manchmal auch nur darauf, ob der Name des Materials ähnlich klang wie der des dazustellenden Objekts. Im nächsten Schritt bastelten sie ein Spiel-brett in der Größe von 2m x 2m. Damesteine wurden als Spielsteine verwendet. Alle Hindernisse hatten einen Bezug zu Geschichten aus Golkowice. Der “sinkende Ton” und “der verzauberte Gasthof” be-einflussten die Bewegung der Damesteine und den Verlauf des Spiels. Dann wurden die SchülerInnen zu LehrerInnen, sie brachten anderen die Regeln des Spiels bei und organisierten einen Schulwettbewerb.

Die SchülerInnen der ersten Gruppe bekamen eine Einführung in die Interpretation grafischer Zeichen und Logos und entwarfen einige Piktogramme. Die ersten Entwürfe drückten simple Ideen aus, die nächsten zeigten abstraktere Konzepte wie Gefühlszustände und Emotionen. Jede/r SchülerIn wählte seine/ihre Lieblingsgeschichte über Golkowice und eine Zeit oder einen Ort dieser kulturellen Episo-de. Um die Geschichte besser erzählen zu können, fügten die Schüle-rInnen Gefühle und Emotionen auf der Karte hinzu, danach wählten sie die dazu passenden Farben und grafischen Elemente. Bei dem kurzen Ausflug wählte jede/r SchülerIn einen Stein, der am besten zu einer Figur aus ihrer Geschichte passte. Danach kopierten die Schüle-rInnen die Form des Steins mit Hilfe einer Reißtechnik und entwarfen so eine historische Figur, die auf einem passenden Platz auf der Karte auf ihre Geschichte hinweisen sollte.

Nach einer Analyse der Projekte benutzten die SchülerInnen weiße Farbe. Aus Pigmenten erstellten sie ihre eigenen Farben und malten ihr Projekt auf die von ihnen ausgewählten Steine. Die Steine wur-den auf weißem Schotter platziert, um daraus eine Karte entstehen zu lassen, die die wichtigsten Ereignisse zeigte. Die Karte repräsen-tierte die künstlerische Vision der tatsächlichen und fiktionalen Welt, die in den Erinnerungen der Menschen vorkommt. Die Arbeit der

SchülerInnen wurde in einer Ausstellung gezeigt. Bei einer Kulturver-anstaltung die ein paar Wochen später in der Stadt stattfand, führten die Schülerinnen durch Golkowice.

Der Erwerb von Schlüsselkompetenzen wurde insbesondere im Laufe der Suche nach lokalen Geschichten gefördert. In dieser Phase erwar-ben die SchülerInnen Lernkompetenzen durch die Durchführung von Interviews und Literaturrecherche. Um erfolgreiche Interviews führen zu können, mussten sie ihre sozialen Fähigkeiten einsetzen, die auch in den Gruppenarbeiten bei bestimmten Aufgaben erforderlich wa-ren. Durch das Zusammentreffen mit älteren Menschen lernten sie den Wert von Erfahrungen kennen. Sie lernten ältere Menschen zu respektieren, die die Geschichte und Traditionen der Stadt kannten. Die Organisation des Besuchs und der Kontakt mit Touristinnen för-derte ebenfalls ihre soziale Kompetenz.

Das wichtigste Ziel dieses Projekts war der Erwerb von Kulturbe-wusstsein und kultureller Ausdrucksfähigkeit. Mittels kreativer Tech-niken wurden Gefühle ausgedrückt. Diskussionen führten zu bes-seren Einschätzung und Interpretation künstlerischer Kommentare. Sie lernten also nicht nur technische Fertigkeiten, sondern wurden sich auch darüber bewusst, wie wichtig ein kritischer Blick auf die künstlerische Realität und Bewertungsmethoden von Kunst ist. Ein weiteres Ziel war es, das Wissen um ihr kulturelles Erbe zu vertie-fen. SchülerInnen sollten sich bewusst werden, welchen Einfluss es auf die Gegenwart hat und welche verschiedenen Formen künstle-rischen Ausdrucks es gibt. Die Übung, in der sie ein Landschaftsbild entwerfen sollten, zeigte, welchen Einfluss geografische Formen auf die Entwicklung von Zivilisationen haben. Die menschliche Einfluss-nahme auf Landschaften ermöglicht einen Einblick darauf, wie Dinge arrangiert sind. Die Arbeit mit den Logos wirkte sich unterschiedlich

SchülerInnen arbeiten an einem Spiel über die Legenden von Golkowice (Foto: Marcin Klag)

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aus. Zum ersten lernten die SchülerInnen, grafische Zeichen zu in-terpretieren. Zum zweiten ermöglichte die Übung die Synthese von Ideen und künstlerischen Methoden. Die Arbeit mit dem Brettspiel zeigte die interaktiven Aspekte zwischen Kunst, der Bedeutung des Spiels und kulturellen Konventionen.

Die Motivation der SchülerInnen steigerte sich mit ihrem individuel-len Engagement. Die SchülerInnen beteiligten sich begeistert an dem Projekt, da sie in vielen Momenten die Möglichkeit hatten, selbst Ent-scheidungen zu fällen und ihren kreativen Prozess selbst zu bestim-men. Durch die Tatsache, dass die Suche nach essentiellen Inhalten auch den SchülerInnen selbst zugutekam, machte es ihnen Spaß, ihr Wissen auch mit anderen SchülerInnen zu teilen. Nachdem sie wuss-ten, wie viel Aufwand es war, Informationen zu sammeln, schätzten sie die Ergebnisse und Präsentationen ihrer KollegInnen.

Die Evaluation der von den SchülerInnen gewählten Kompetenzen war möglich, weil sie ihre Arbeit nur fortführen durften, wenn sie zei-gen konnten, dass sie diese speziellen Fähigkeiten bereits erworben hatten. Sie arbeiteten mit viel Verantwortungsgefühl und Ernsthaftig-keit und freuten sich über die Möglichkeit, mit ihren Recherchen und Untersuchungen fortfahren und noch mehr Entdeckungen machen zu können. Jede Frage wurde ernst genommen und die Suche nach der Antwort wurde zu einer Herausforderung für die Recherche. Die Stärke des Projekts war die Selbstevaluationsmethode. Erst wenn die Kinder nachweisen konnten, dass sie bestimmte Aufgabe erfolg-reich lösen können, erhielten sie Material für ihre weitere Arbeit. Auch die klar definierten Kriterien für die Zusammenarbeit motivier-ten die TeilnehmerInnen.

III.Kontakt

Małopolski Instytut KulturyAdresse: ul. Karmelicka 27 31-131 Kraków PolenTel: +48 12 422 18 84, fax: +48 12 422 55 62E-mail: [email protected] Website: www.mik.krakow.pl

Gimnazjum im. Jana Pawła II w Gołkowicach33-388 Gołkowice Dolne PolenTel: 48 18 4463444E-mail: [email protected]: www.gim-golkowice.iap.pl

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I.ZusammenfassungdesProjekts

Schlüsselkompetenzen im Projekt:

Lernen LernenUnternehmerische KompetenzSoziale Kompetenz und BürgerkompetenzKulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeitt

Im Mittelpunkt des Projekt “Janelas Abertas” steht der Garten des Palacio Fronteira aus dem 17. Jahrhundert (Ziergarten, Frucht- und Gemüsegarten und Waldgebiet) in Lissabon (Portugal), der im Be-sitz der Fundação des Casas de Fronteira e Alorna ist. Zielgruppe des Projekts sind Grund- und MittelschülerInnen aus den ärmeren Vierteln der Stadt rund um den Palast, und Kinder, die Schwierig-keiten haben, sich ins Schulsystem zu integrieren (soziale Probleme, obdachlos, Opfer elterlicher Gewalt, Kinder mit Behinderung, unter gesetzlicher Vormundschaft). Das Projekt wurde von Bill Gates und Windows finanziert im Rahmen der Initiative „Innovative Nutzung von Technologie um Horizonte zu erweitern“. Die Projektpartner waren die Fundação des Casas de Fronteira e Alorna, das Umwelt-ministerium und Microsoft. Die Fundação initiierte das Projekt und setzte es um.

Die Kinder und Jugendlichen erkunden den Garten und Teile des Palasts. Sie lösen Aufgaben aus Mathematik, Physik, Biologie,

Sozialkunde und Informations- und Kommunikationstechnologie. Sie entdecken die Größe des Gartens, untersuchen, planen und disku-tieren und vergleichen dabei die Elemente und Charakteristika mit der heutigen Gesellschaft und der modernen Technologie. Es gibt zwei Ziele: Die Entwicklung von Umweltbewusstsein im Allgemei-nen, inklusive Bürgerkompetenz und Zivilcourage. Und die Nutzung innovativer Technologien unter besonderer Rücksichtnahme auf die praktische Nutzung der Informations- und Kommunikationstechno-logie, learning by doing, im Gegensatz zu einem rein theoretischen Zugang.

II.Projektbeschreibung

Die Philosophie des Projekts Janelas Abertas ist es, benachteiligte Ju-gendliche und Kinder zu motivieren, indem man ihnen Zugang zu In-formations- und Kommunikationstechnologien ermöglicht, wodurch sie vermehrt Kompetenzen in zwei Bereichen entwickeln. Einmal im Bereich Ökologie und Umweltkunde (Respekt für die Umwelt, soziale Fähigkeiten, Verantwortungsbewusstsein). Zweitens sollen die Schü-lerInnen in kreativen Projekten einen verantwortungsvollen Umgang mit neuen Technologien erlernen. Sie erhalten auch die Möglichkeit Gewohntes auf neue Art und Weise zu tun, sich Alternativen zu über-legen, ihre Erwartungen zu erweitern und sollen die Gelegenheiten bekommen, erfolgreich zu sein. Die Botschaft ist, dass die Gestaltung der eigenen Zukunft nicht nur ein Wunsch ist, sondern auch tatsäch-lich möglich, durch innovative Ideen und Technologien und durch die Entdeckung und den respektvollen Umgang mit dem historischen und kulturellen Erbe.

Das Projekt „Janelas Aberta“ führt in den Garten des 17. Jahrhunderts des Fronteira Palasts. Die Kinder nutzen die Informations- und Kom-munikationstechnologie wie eine Art “digitale Botanik” um diesen einzigartigen Ort zu erkunden, zu übersetzen und zu recherchieren. Die Kinder erfahren Informationen und Wissen, anstatt auswendig zu lernen. Die ProjektentwicklerInnen sagen: “An diesem einzigartigen Ort geben wir den SchülerInnen Lernwerkzeuge (Arbeitsunterlagen, ExpertInnen und Veranstaltungen), um ihnen alternative Mittel für ihren Wissenserwerb zur Verfügung zu stellen. Statt Frontalunterricht bieten wir ihnen Lernerlebnisse, um ihr Selbstbewusstsein zu stär-ken, sie zu Kreativität und Freiheit und Verantwortungsbewusstsein zu ermutigen.“

Das Programm ist eine Mischung aus praktischen Erfahrungen (wie “Fotosafaris” und “Feldforschungsdaten”) mit Hilfe von Informati-onstechnologie (“Digitale Botanik”) und Diskussionen. Die Kinder ar-beiten für 15 Minuten am Computer und widmen sich dann wieder

Janelas Abertas (PT)Offene Fenster – Junge Geister in Bewegung

Palácio Fronteira (photo: Palácio Fronteira)

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der praktischen Recherche vor Ort. Es ist wichtig, die Aufmerksam-keitsspanne der Kinder zu berücksichtigen und Aktivitäten abzu-wechseln, damit sie interessiert und aktiv bleiben.

Eine reguläre Einheit dieses Projekts beginnt mit der Ankunft der Kin-der und einem ersten Halt im Garten, wo ModeratorInnen ein Thema vorschlagen, das zwischen spezifischen Themen wie “Garten” bis zu Werten wie “Verantwortungsbewusstsein” variieren kann. Während einer Einheit erkunden die Kinder die Flora und Fauna des Gartens, seine architektonischen Merkmale. Mit Hilfe der zur Verfügung ge-stellten Unterlagen identifizieren die Kinder verschiedene Arten und notieren ihre Beobachtungen. Zusätzlich wird noch mit Hilfe der IKT recherchiert. Ausgehend von ihren gesammelten Informationen dis-kutieren sie gemeinsam mit dem/der ModeratorIn über den Schutz von Tierarten, wo diese Arten sonst noch gefunden werden können und erhalten Hintergrundinformationen zu den Arten. Sie reden über Zusammenhänge mit der Vergangenheit, z.B. ob sie die Tiere auf den Fliesen (azulejos) des Palastes erkennen können und was man für de-ren Erhalt tun könnte. Nach weiteren Aktivitäten werden Kreuzwort-rätsel und andere Spiele angeboten, die es den Kindern ermöglichen, ihre erworbenen Fähigkeiten und ihr Wissen zu festigen, wie z.B. die Zusammenarbeit mit anderen, Kultur- und Umweltbewusstsein.

LehrerInnen und SchülerInnen haben hinsichtlich der gewählten Zu-gänge und Methoden viele Freiheiten. So wird es jeder Gruppe er-möglicht, ihr Potential zu erkennen und so viel wie möglich aus den Erlebnissen zu profitieren. Wie Felipe Benjamin Santos, der General-sekretär der Foundation Fronteira e Alorna betont: “Die Kinder sollen nicht das Gefühl haben, dass ihnen geholfen wird sondern dass sie Unterstützung erfahren. Wir arbeiten nicht an der “Wertekrise” son-dern an den Werten und Fähigkeiten, die sie entwickeln sollen (Re-spekt, Pünktlichkeit, soziale Fähigkeiten, Toleranz und Demokratie). Wir wollen nicht lehren, wir wollen ein Umfeld schaffen, in dem sie aus Erfahrungen lernen können. Wir geben ihnen nicht einfach einen Fisch, wir bringen ihnen das Fischen bei.”

III.Kontakt

Kontakt Person: Felipe Benjamin SantosAdresse: Palácio FronteiraLargo de São Domingos de Benfica, 11500-554 Lisboa PortugalE-mail: [email protected]: http://www.fronteira-alorna.pt/index.htm

Unterrichtsmaterial (photo: Palácio Fronteira)

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I.ZusammenfassungdesProjekts

Schlüsselkompetenzen im Projekt:

Lernen LernenUnternehmerische KompetenzSoziale Kompetenz und BürgerkompetenzKulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeitt

Im Rahmen der Hauptausstellung des ASTRA Museums “Über die Kunst und Kultur der Welt – die Menschen der Welt”, wurde das Schattentheater-Projekt mit dem Titel “Little Actors Workshop” ent-wickelt. Zielgruppe sind primär SchülerInnnen im Alter von 10 – 18 Jahren. In dem Projekt wählen die SchülerInnen ein Drehbuch, das sie dann zur Aufführung bringen. Sie malen Bilder aus der Ausstellung nach, spielen Szenen und Momente daraus, verteilen die Rollen, be-treiben Öffentlichkeitsarbeit, erschaffen Charaktere und basteln die Kulissen.

II.Projektbeschreibung

“Die Geschichten der Welt im Franz Binder Museum” ist ein Pro-gramm das vom Franz Binder Museum für Allgemeine Völkerkunde initiiert wurde. Das Museum ist Teil des ASTRA National Museums-komplex in Sibiu, Rumänien. Das Programm verbindet zwei außer-gewöhnliche pädagogische Aktivitäten. Eine davon findet im Rah-men der Hauptausstellung “Über die Kunst und Kultur der Welt – die Menschen der Welt” statt. Dort wurde in drei Tagen im April 2011 ein neues Projekt, ein Schattentheater mit dem Titel “Little Actor’s Workshop” entwickelt. Die Zusammenarbeit zwischen den Schulen und dem Museum basiert auf einem Bildungsprojekt, d.h. es basiert auf einem Zugang, der den Lernprozess mit dem Vorwissen der Schü-lerInnen verbindet und so den Erwerb von kulturellem Wissen und Fähigkeiten ermöglicht. Die Workshops werden von den Kuratoren bestimmter Sammlungen des Museums koordiniert.

“The Little Actor’s Workshop” ist ein Workshop der primär für Mit-telstufenkinder im Alter von 10 – 18 Jahren konzipiert wurde. Es soll sie mit neuen Lernwegen vertraut machen. Die TeilnehmerInnen des Workshops, der von 10. Februar 2011 – 12. April 2011 stattfand, wa-ren 10 SchülerInnen der 5. Schulstufe (im Alter von 10 – 11 Jahren) der Gheorghe Lazăr National Mittelschule in Sibiu und 30 SchülerIn-nen der 9. Schulstufe (14 bis 15 Jahre) des Andrei Şaguna National Colleges.

Durch die Subtilität des Schattentheaters bekommen die Kinder ei-nen altersadäquaten Zugang zu den Geschichten der Welt und Ani-mationen. Basierend auf einem bestimmten Drehbuch, lernen die Kinder die notwendigen Figuren kennen. Das Bühnenbild wurde von den Kindern hergestellt. Sie lernen die Silhouetten mit ihren Händen zu formen und den Inhalt schauspielerisch mit ihnen nachzustellen. Das Wichtigste ist die Bedeutung des Museums als Stätte der Be-wahrung kulturellen Erbes zu erkennen. Die SchülerInnen erwerben durch das Rollenspiel und ihr empathisches Einfühlen in die Rollen nicht nur Wissen, sondern entwickeln auch Fantasie, praktische Fä-higkeiten und lernen, im Team zu arbeiten.

Das Projekt besteht aus mehreren Phasen. In der ersten Phase erhal-ten die Kinder eine thematische Einführung durch den Besuch der Hauptausstellung. Hier haben sie die Gelegenheit, rumänische Rei-sende und Menschen, die dem Museum Kunstwerke spendeten, zu treffen. Sie sehen Objekte über das Thema “Reisen” wie z.B. Mün-zen, Stöcke und eine kongolesische Gepäckstruhe. Das Universum der Heimat wird in einem Bild von einem Dorf mit Hütten gezeigt, in dem sich Haushaltsgegenstände aus Zentralafrika befinden. Die SchülerInnen lernen über Handwerke wie das Weben und Bemalen von Palmblättern, die Verarbeitung von Tierhäuten zu Haushaltsge-genständen oder Kleidung, über die Herstellung von Werkzeugen aus Holz und Früchten und auch über “Feuerhandwerke” wie Ke-ramik und Metallverarbeitung. Sie sehen die große Sammlung von Waffen, Kleidungsstücken, Schmuck, Dekorationsobjekten und an-thropomorphe, rituelle Statuen aus Afrika, Ozeanien und Australien. Am Ende der Ausstellung sehen die Kinder eine ägyptische Mumie und einen Sarkophag, die aufgrund der Sargbemalung und der Ban-dagen der Mumie einen großen ethnografischen Wert darstellt.

Im nächsten Schritt des Projekts wählen SchülerInnen und Erwachse-ne ein Drehbuch und setzen es um. Ausgehend von der Geschichte und in Anlehnung an die Ausstellung werden Bilder, Szenen und Mo-mente nachgestellt. Die SchülerInnen überlegen auch die Verteilung der Rollen, betreiben Öffentlichkeitsarbeit, entwerfen ihre Charakte-re und basteln Dekoration.

In der letzten und wichtigsten Phase des Projekts findet die Auffüh-rung der gewählten Geschichte statt. Jede Gruppe präsentiert ihr gewähltes Drehbuch mit den bereits produzierten Modellen und Sil-houetten.

Foto 2:

Während des Workshops stellten die SchülerInnen der fünften Schul-stufe zwei Szenen mit den Titeln “Seth und Osiris” und “Die Reise von Kleopatra” nach. Die SchülerInnen der 9. Schulstufe zeigten 5

Workshop für kleine Schauspieler/innen (RO)

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Szenen: “Die Hochzeit“, “Die Legende von Prinzessin Eniona”, “Die wundervolle Hütte des Häuptlings”, “Mr. Skarabäus und die Mu-mie” und “Der Kampf afrikanischer Stämme”. Diese Szenen wurden zwischen 2. und 8. Mai 2011 im Rahmen des Projekts LABIRINT, am Hauptplatz von Sibiu aufgeführt.

Die Kinder entwarfen innovative und unglaublich kreative Szenen. Die Teilnahme der LehrerInnen und Eltern bei der Produktion der Re-quisiten und dem Verfassen des Drehbuchs machten diesen Work-shop zu einem Szenario, an dem die drei wichtigsten Elemente für die Entwicklung und die Erziehung der Kinder zusammenkamen: Familie, Schule und Kulturinstitutionen. Das erklärt, warum das Projekt so ein großer Erfolg wurde.

Die Stärke des Projekts lag in den Gruppenarbeiten, dem Rollenspiel und in der Originalität des Programms. Die LehrerInnen waren zu Beginn etwas verunsichert, da sie nicht wussten, was sie erwarten würde.

Um die Aktivitäten noch besser zu gestalten, schlagen die Organi-satorInnen vor, zusätzlich in den Büchern des Museums mehr über afrikanische und ägyptische Legenden und Geschichten zu lesen. Die Kinder sind an diesen Geschichten sehr interessiert und es scheint, als würden sie gerne mehr über die Geschichten erfahren, die hinter der Ausstellung stecken. Entsprechend dem Hauptziel des Projekts ließen sich die SchülerInnen von den Objekten des Museums inspirieren, um ihre eigenen Legenden zu präsentieren. Sie wurden zu “kleinen SchauspielerInnen”.

III.Kontakt

ASTRA National Museumskomplex – Abteilung für Kulturmarketing, Museumspädagogik und das Touristen Informationszentrum in SibiuProjekt Umsetzung von Raluca Ioana Andrei (Musäumspädagogin) und Anca-Elena Mira (Museologin) in Kooperation mit dem ‘Franz Binder’ Museum für Allgemeine VölkerkundeAdresse: Piata Mica No. 21 Sibiu RumänienE-mail: [email protected], [email protected]: www.muzeulastra.ro

Kinder zeigen Silhouetten mit ihren Händen – Little Actor’s Workshop 1, Rumänien(Foto: Alexandru Olanescu)

Die Kinder präsentieren ihre Arbeit - Little Actor‘s Workshop 2, Rumänien (Foto: Raluca Andrei)

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I.ZusammenfassungdesProjekts

Schlüsselkompetenzen im Projekt:

Lernen LernenUnternehmerische KompetenzSoziale Kompetenz und BürgerkompetenzKulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeitt

Im Mittelpunkt des Projekts “Die Suche nach der Vergangenheit” steht das kulturelle Erbe des historischen Zentrums der Stadt Cluj in Rumänien, seine gotischen Bauten und das damit verbundene Hin-tergrundwissen. Es wurde für 9-14jährige MittelschülerInnen entwi-ckelt. Auf ihrer Suche konzentrieren sich die SchülerInnen auf unent-deckte Aspekte vertrauter Bauten und Orte. Statt Frontalunterricht, bei dem Informationen den SchülerInnen direkt vermittelt werden, schufen die OrganisatorInnen Situationen, in denen die SchülerInnen selbst auf Entdeckungssuche gingen und ihr eigenes Wissen kons-truieren konnten. So mussten die SchülerInnen in kleinen Gruppen auf ihre eigene Beobachtungskraft und Ressourcen vertrauen, um Verbindungen herzustellen, Außergewöhnliches zu identifizieren und Botschaften in Bildern zu decodieren. Dabei produzierten sie gleich-zeitig handgefertigte Objekte und schrieben Briefe.

II.Projektbeschreibung

“Die Suche nach der Vergangenheit” wurde entwickelt, um Kinder aus der Gegend dabei zu unterstützen, den besonderen Charme und die Einzigartigkeit der multikulturellen Stadt Cluj zu erfahren und schätzen zu lernen in der Hoffnung, dass sie durch dieses Wissen und diese Erfahrungen in der Lage sind, eine Beziehung zu ihrer Heimat-stadt aufzubauen.

Die Übung wurde, sowie die Buchpräsentation, zum ersten Mal wäh-rend der ungarischen Kulturtage in Cluj im Jahr 2010 organisiert. Mit der Unterstützung der Donát Foundation organisierten die LehrerIn-nen Fórizs Enikő und Zsigmond Ilka das Projekt. Es nahmen 45 Kinder und 10 Eltern teil, die von LehrerInnen und freiwilligen SchülerInnen der O. Ghibu Mittelschule in Cluj unterstützt wurden. Nachdem sie durch vorhergehende Werbung darauf aufmerksam gemacht wur-den, meldeten sich die 9-14jährigen vor Ort an. Da die Veröffentli-chung des Arbeitsbuches und “Die Suche nach der Vergangenheit” eng miteinander verbunden sind, werden sie in diesem Bericht als zwei Teile desselben Projekts behandelt.

“Entdecke das mittelalterliche Cluj!” basiert auf Materialien und Er-fahrungen des örtlichen Geschichtevereins, der in der ungarischen Abteilung der O. Ghibu Mittelschule aktiv ist. Da es bis dato keine Veröffentlichungen zum Thema kulturelle Vermittlung im Unterricht in Verbindung mit der Stadt Cluj gibt, schien es den AutorInnen not-wendig, ihr Wissen durch dieses Arbeitsbuch mit anderen zu teilen. Die 116 Übungen in dem Arbeitsbuch ermöglichen es den LeserIn-nen, sich mit den gotischen Bauten des Mittelalters vertraut zu ma-chen , aber auch mit der Kunst, der Gesellschaft und den Lebensge-wohnheiten der Zeit. Gemeinsam mit den nachfolgenden Büchern “Entdecke das Cluj der Renaissance!”, “Entdecke das barocke Cluj!” und “Entdecke Cluj um die Jahrhundertwende!”, soll diese Reihe als Unterrichtsunterlage für Heimatgeschichtestunden dienen. Um die Richtigkeit der Fakten sicherzustellen, waren von Anfang an der Kunsthistoriker Kovács Zsolt und der Historiker Radu Lupescu in das Projekt eingebunden.

Im Folgenden werden einige Aktivitäten erläutert, die den Inhalt die-ses Arbeitsbuches zeigen. Zu Beginn des Buches sollen die Schüle-rInnen eine Wortschlange in Wörter unterteilen und hören, dass der König 1316 Cluj den Rang einer Stadt und somit Privilegien verlieh. Um zu verstehen, wie sich Cluj im Mittelalter so schnell entwickeln konnte, müssen die Kinder drei Händler durch ein Labyrinth zu ihrem Ziel führen. Sowohl die Handelsbereiche als auch die Routen sind charakteristisch für die Zeit. Die Tatsache, dass sich alle Handelswege in Cluj treffen, hilft ihnen zu verstehen, wie wichtig es ist, sich dort zu positionieren, wo alle wichtigen Handelsrouten zusammentreffen. Das Arbeitsbuch enthält auch ein Volksmärchen, das die SchülerInnen

Die Suche nach der Vergangenheit (RO)Erlebnisorientierte Aktivitäten nach dem Kulturvermittlungsbuch “Entdecke das mittelalterliche Cluj!”

Kinder lesen in dem Textbuch – Rumänien, Auf der Suche nach der Vergangenheit 1 (Foto: Norbert Vicsai)

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richtig stellen müssen, ein Wappen zum Ausmalen, Siegelprägungen, Glasmalerei und Initial- Design, die das mittelalterliche Leben für Kinder verständlich und begreifbar machen sollen. Auf die Bedürf-nisse unterschiedlicher Lerntypen und auf Abwechslung wurde beim Schreiben dieses Arbeitsbuches immer geachtet. Abwechslung wird durch die gewählten Themen und unterschiedliche Aufgaben, die be-sonders für Kinder im Alter von 9 – 14 Jahren unterhaltsam sind, er-zeugt. Für die Lösung der Aufgaben brauchen die SchülerInnen eher Kreativität und einen guten Beobachtungssinn als Vorwissen.

Die Vermittlung kulturellen Erbes bietet die Möglichkeit an Persön-lichkeitsentwicklung zu arbeiten. Jede der Schlüsselkompetenzen des Aqueduct-Projekts kann direkt oder indirekt von diesen Aktivi-täten beeinflusst werden. Es ist aber “Die Suche” die den größten Einfluss auf die Entwicklung von Kompetenzen nimmt, auf den zwi-schenmenschlichen, interkulturellen und sozialen Bereich, sowie die Bereiche Kulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeit. “Die Suche nach der Vergangenheit” fördert sowohl den Wettbewerb zwischen Gruppen als auch die Kooperation innerhalb der Gruppe. Um als Gruppe erfolgreich zu sein, müssen alle Mitglieder aktiv, effi-zient, konstruktiv und kooperativ und doch durchsetzungsfähig, of-fen für Verhandlungen, empathisch, tolerant und ermutigend sein. Das Wissen um Situationen friedlichen Zusammenlebens zwischen den Kulturen, aber auch um die Konsequenzen von Feindseligkeit, erlaubt Kindern eine verantwortungsvolle Beziehung zu anderen Kul-turen zu entwickeln. Diese lustvollen Entdeckungen ermöglichen es den Kindern, ihr kulturelles Erbe und die Traditionen der Stadt zu er-forschen. Dadurch werden sie darin unterstützt, mehrdimensionales Wissen zu erwerben. Zudem wird die Entwicklung ihrer Identität in einem multikulturellen Umfeld gefördert. Die praktischen Aktivitäten vervollständigen den Besuch, und geben den Kindern die Möglich-keit, in die Fußstapfen der Handwerker und Gewerbetreibenden zu treten, die ihre Spuren in der Stadt hinterließen. So lernen sie die Fähigkeiten und Talente schätzen, die es brauchte, um die Kunstwer-ke zu erschaffen, über die die SchülerInnen heute lernen. Zu guter Letzt verbessern diese Aktivitäten alle Schlüsselkompetenzen, die mit Kommunikation in der Muttersprache in Verbindung stehen. Beispie-le alter Texte im Arbeitsbuch bringen den Kindern die alte Sprache näher. Sie interpretieren die Texte, indem sie die Aufgaben lösen, die in diesem Zusammenhang gestellt werden.

Die Organisation des Programms beginnt mit der Auswahl der Ziel-gruppe. Die Route und die Aktivitäten werden dann entsprechend den Bedürfnissen, Vorlieben und dem Wissen dieser Gruppe gewählt. Die Gruppen werden vor Aufgaben gestellt, die die Fähigkeiten des Individuums übertreffen, aber von der Gruppe als Ganzes gelöst werden können. Der Lernzyklus besteht aus den Phasen Motivation, Erfahrung, Demonstration und Reflexion, diese werden bei jedem Schritt bis zu einem gewissen Grad wiederholt, aber auch die ganze Stadttour basiert auf diesen Phasen.

Das Lernergebnis variiert in Abhängigkeit von den Interessen der

Gruppenmitglieder. Es kann zum Schreiben langer Texte führen oder ein Brief sein, eine Zeichnung, eine Schnitzerei, ein Siegel oder ein Be-richt über ein Erlebnis oder die Übungen im Arbeitsbuch. “Die Suche nach der Vergangenheit” als Anleitung für Schulklassen ist schon für sich ein unerwartetes Resultat. Es wurde als Unterstützung für Lehre-rInnen entwickelt, die die Absicht haben, Heimatgeschichte und die Vermittlung kulturellen Erbes in ihren Unterricht zu integrieren. Das Ziel der OrganisatorInnen ist es, mehr LehrerInnen davon zu überzeu-gen, solche Aktivitäten systematisch als Wahlfächer anzubieten. Das Buch “Entdecke das mittelalterliche Cluj!”, gemeinsam mit anderen unterstützenden Materialien, die in Zukunft geplant sind, werden zu wertvollen Quellen für ihre Arbeit. Gemeinsam mit den Mitgliedern des Orientierungslaufvereins ist im Rahmen der Ungarischen Kultur-tage in Cluj 2011 auch eine Orientierungstour für Familien in der Stadt geplant.

Obwohl das Projekt noch in seiner Anfangsphase steckt, kann man aufgrund seiner Gestaltungselemente bereits jetzt seinen Erfolg er-kennen. Die spielerische Atmosphäre und die Aufgaben, die Kinder mit unterschiedlichen Lernstilen und unterschiedlicher Intelligenz ansprechen, geben allen die Chance, sich konstruktiv einzubringen. Laut den OrganisatorInnen kann das Projekt durch die Implementie-rung eines Systems, das es allen LehrerInnen der Stadt ermöglicht den Vorteil dieses Services zu nutzen, noch verbessert werden.

III:Kontakt

Donát Foundation, Cluj-Napoca Projektorganisation: Zsigmond Ilka and Fórizs EnikőAdresse: Str Donat 113/32 400331 Cluj-NapocaRumänienE-mail:[email protected]: questforthepastcluj.blogspot.com

Kinder, LehrerInnen und Eltern “auf der Suche” - Rumänien, Auf der Suche nach der Vergangenheit 2 (Foto: Norbert Vicsai)

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I.ZusammenfassungdesProjekts

Schlüsselkompetenzen im Projekt:

Lernen LernenUnternehmerische KompetenzSoziale Kompetenz und BürgerkompetenzKulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeitt

Das Projekt des Tarisznyás Márton Museums in Gheorgheni basiert auf dem materiellen Erbe der Szekler, das die Erhaltung von Tradition, das Wissen über den kulturellen Wert der Umgangssprache und das Lernen alter Handwerke widerspiegelt. Es wurde für Grundschulklas-sen konzipiert, es könnten aber auch 10 -14jährige an den Aktivitä-ten teilnehmen. Das Programm beinhaltet verschiedene einzigartige, traditionelle Handwerkskünste und Aktivitäten z.B. Kinderspiele. Der Unterricht ist nicht frontal, sondern basiert auf Aktionen und Aktivi-täten, die SchülerInnen tolle Erlebnisse bieten und sie motivieren, ihre eigenen Vorfahren, die Szekler, und ihre Kultur und Traditionen bes-ser zu verstehen. Die Kinder erwerben theoretisches und praktisches Wissen über traditionelle Handwerke, sowie Fähigkeiten, die sowohl im Alltag als auch in der Schule anwendbar sind.

II.Projektbeschreibung

Das Projekt “Die traditionellen Handwerke der Szekler” gibt es be-reits seit 5 Jahren. Es begann 2006 mit der Initiative des Tarisznyás Márton Museums in Gheorgheni in Zusammenarbeit mit der Porté-ka Gesellschaft und konzentriert sich auf die Vermittlung von Kultur für Kinder. Beide Organisationen engagieren sich für die Erhaltung und Pflege lokaler Traditionen. Die Portéka Gesellschaft ist auch Mitglied des “Élő örökség” (Lebendiges Erbe), einem Programm von Transylvania Authentica. Ihre Arbeit wird von einigen anderen Bürgerorganisationen und enthusiastischen Freiwilligengruppen un-terstützt.

Ort des Projekts ist ein Theater. Vor fast 10 Jahren vom Tarisznyás Márton Museum gegründet, finden dort viele Veranstaltungen, Ak-tivitäten und Präsentationen von Handwerken und Gewerbezweigen statt. Es war immer das Ziel des Theaters aufzuklären, weiterzubilden und den TeilnehmerInnen im Rahmen seiner Programme interessante persönliche Erfahrungen zu bieten. Die Zielgruppe dieser Aktivitäten sind Kinder in Grundschulklassen. Es können aber auch jüngere und ältere Kinder teilnehmen. So können Kinder im Alter von 3 – 15 leicht

in diese Programme integriert werden, die von ExpertInnen, wie den Museums-mitarbeiterInnen und Traditionshandwerkern geleitet wer-den. Die Fluktuation bei der Anzahl der TeilnehmerInnen hat mit der Diversität der organisierten Aktivitäten zu tun. Es variiert von 15 bis 100 Kindern an Wochenenden.

Eine Veranstaltung beinhaltet zwei bis drei Aktivitäten und das Pro-gramm enthält auch einen theoretischen Unterricht. Je nach aktu-ellem Festanlass wird über dessen Ursprünge, die Organisation, die mundartlichen Traditionen und die Symbole, die mit diesem Fest ver-bunden sind, gesprochen. Diese Einleitung führt die Kinder in eine neue Welt, in der sie Geschichten erzählen und über die Rolle ihrer Groß- und Urgroßeltern diskutieren und darüber, wie sie sich auf die Feierlichkeiten vorbereiteten. Danach folgt die Aktivität selbst, die handwerklichen Workshops und die individuell vorbereiteten Objekte und Speisen.

Das Programm beinhaltet viele traditionelle Handwerke und Spie-le. Es werden Textilien aus Flachs und Hanf hergestellt, lokale Mal-techniken basierend auf Pflanzen gezeigt, Einrichtungsmalerei, Holz geschnitzt, Eier bemalt, Stroh gesponnen, Speisen für traditionelle Feierlichkeiten zubereitet, traditionelle Kinderspiele gespielt, Kerzen und Tonwaren mit Hilfe der Töpferscheibe, hergestellt, Kupfer ge-prägt und gefilzt. Den Kindern wird theoretisches und praktisches Wissen über das traditionelle Handwerk näher gebracht und sie er-werben Fähigkeiten, die sowohl im Alltag als auch in der Schule nützlich sind.

Die traditionellen Handwerke der Szekler (RO)

Kinder spinnen Stroh – Rumänien

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Die ExpertInnen zeigen den Kindern das Erbe, das ihre Vorfahren zurückließen. Besondere Aufmerksamkeit kommt folgenden The-men zu: Erhaltung des Erbes, Präsentation und praktische Erfahrung traditioneller Handwerke, Vermittlung von Wissen über kulinarische Spezialitäten.

Dieses umfassende Programm dient nicht nur dazu, grundlegendes Wissen über die Ursprünge und Entwicklung der Festlichkeiten, der Kostüme und Traditionen zu vermitteln, sondern motiviert die Kinder, auch aktiv teilzunehmen.

Die Präsentation des Handwerks bei der Eröffnungs- und Abschluss-veranstaltung bietet üblicherweise ein sehr buntes Programm. Die Aktivitäten in Bezug auf Weihnachten zum Beispiel ermöglichen es, wertvolle Objekte zu produzieren, die die Kinder mit nach Hause neh-men können. Das motiviert sie natürlich.

Nach Beendigung aller Aktivitäten essen sie gemeinsam das vorbe-reitete Festmahl.

Das Projekt bereichert die Kinder durch die Vermittlung theoretischen Wissens über Materialien und Objekte, die für die Handwerke be-nutzt wurden. Zudem wurden deren Geschichte und die Bedeutung der Objekte für die Kultur der Szekler behandelt. Sie haben die Mög-lichkeit über die kulturellen Werte und den Wert der Umgangsspra-che ihrer Ahnen zu lernen und über verschiedene Gewerbe und sie können sich Fähigkeiten erwerben, die sie im Alltag brauchen kön-nen. Die Betonung liegt trotzdem auf den praktischen Fähigkeiten. Kinder haben die Möglichkeit, Gegenstände zu verwenden, die nicht leicht aufzutreiben sind wie z.B. die Töpferscheibe, und Produkte selbst zu fertigen. Die Aktivitäten sind komplex. Auf der einen Seite sind sie geeignet, das Wissen der Kinder über die Geschichte ihrer

Heimat, Geografie, Kunst, Literatur, Ästhetik und Volkskunde zu ver-tiefen. Auf der anderen Seite entwickeln sie manuelle Fähigkeiten, die sie auf das Leben in der Gemeinschaft vorbereiten z.B. durch eine erfolgreiche Kooperation in der Gruppe.

Jährlich nehmen in etwa 1300 Kinder an den Workshops teil, die so erfolgreich sind, dass viele andere LehrerInnen ankündigten, in Zu-kunft mit ihren Schulklassen kommen zu wollen. Aufgrund dieser Rückmeldungen bieten die OrganisatorInnen des Theaters Gruppen-einheiten für Schulklassen ab Herbst 2010 an.

Die OrganisatorInnen sind sich ihrer Hauptschwäche bewusst. Der dauernde Mangel an finanziellen Ressourcen hat einen entscheiden-den Einfluss auf die Qualität der Aktivitäten. Trotzdem geben sie nicht auf. Zukünftig wollen sie zusammen mit LehrerInnen noch mehr Pro-gramme entwickeln, die an den Lehrplan anknüpfen und den Eltern dabei helfen, motivierte und bewusste SchülerInnen zu erziehen, die die Bedeutung von Traditionen und kulturellem Erbe an ihre eigenen Kinder weitergeben werden.

III.Kontakt

Tarisznyás Márton MuseumKontakt Person: Zsuzsánna SzőcsAdresse: Rákóczi Ferenc street, no. 1 535500 Gheorgheni HargitaRumänienE-mail: [email protected]: www.jatszohaz.tmmuzeum.ro

Kinder und ihre Eltern bei einem traditionellen Szekler Festmahl

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I.ZusammenfassungdesProjekts

Schlüsselkompetenzen im Projekt:

Lernen LernenUnternehmerische KompetenzSoziale Kompetenz und BürgerkompetenzKulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeitt

Das Landesmuseum von Jämtland ist ein Freiluftmuseum in Zent-ralschweden. Es entwickelte einige Aktivitäten, die formalen Unter-richt und den Kultursektor verbinden. Während das “traditionelle Museum” seine Rolle” zu sammeln, zu erhalten und zu zeigen“ erfüllt, erkennen der Museumsdirektor und seine Mitarbeiter, dass sie zusätzlich nach einer nachhaltigen gesellschaftlichen Rolle su-chen müssen. Gemeinsam mit anderen Museen quer durch Europa wollte diese Institution Aktivitäten entwickeln, die die Möglichkeit bieten, Menschen, die sonst ausgegrenzt sind, in die Gesellschaft einzubeziehen, um sich der nationalen Kultur zugehörig zu fühlen. Deshalb bewarb sich Jämtli über das Landesmuseum Jämtland bei der Stiftung für Kultur und Zukunft um finanzielle Unterstützung für die Implementierung eines pädagogischen Projekts über die Situation von Flüchtlingen. Das daraus resultierende Projekt ist Thema dieser Fallstudie.

Augrund seiner großen Erfahrung mit Rollenspielen wollte Jämtli, dass sich die Zielgruppe in die Rolle von AsylwerberInnen versetzt, um die verschiedenen Momente im “normalen” Leben eines/einer AsylwerberIn zu erfahren. Die Idee wurde von ähnlichen Initiativen inspiriert, die auf Rollenspielen im Nationalmuseum von Dänemark, in Kopenhagen und dem Nationalen Altertumsmuseum in Stockholm basieren. Es ist möglich, dass diese beiden Museen von einer beina-he identischen Initiative der Naxos Halle, dem Kulturellen Zentrum in Frankfurt, wussten und davon inspiriert wurden.

Die OrganisatorInnen des Projekts waren sich bewusst, dass Museen, die für gewöhnlich mit jungen Menschen zu tun haben, eine traditi-onelle Rolle erfüllen, die dazu dient, das Kulturbewusstsein und die kulturelle Ausdrucksfähigkeit zu fördern. Dieses Projekt setzte sich zum Ziel ein pädagogisches Programm zu entwickeln, das auch die Lernkompetenz und die soziale und Bürgerkompetenz fördert.

Das Projekt stellte das kulturelle Erbe von AsylwerberInnen in den Mittelpunkt, d.h von Menschen, die erst vor kurzem in Schweden angekommen waren und vornehmlich aus Bosnien-Herzegowina

stammten. Die Zielgruppe waren 16-jährige SchülerInnen aus Schwe-den. Über mehrere Wochen nahmen ca. 40 Klassen an dem Projekt teil. Das Projekt zeichnet sich durch verschiedene Punkte aus:

• Es setzte sich mit den Werten und Normen junger SchwedInnen auseinander, ihren Haltungen gegenüber Flüchtlingen und beson-ders mit ihren xenophoben Ansichten.

• Es nutzte den einzigartigen, räumlichen Zugang zu einem Frei-lichtmuseum

• Theatertechniken wurden für den Lernprozess verwendet• Das Projekt war mit dem strategischen Ziel des Museums verbun-

den, einen großen Teil seiner Aktivitäten dem Thema Multikul-turalismus und der Geschichte des 20. Jahrhunderts zu widmen.

• Es wollte zeigen, dass die Menschen, die weitgehend als “Asylsu-chende”, “ImmigrantInnen” und “Flüchtlinge” kategorisiert wer-den, Geschichten zu erzählen haben und selbst Individuen sind.

Durch Gefühle formen Menschen Werte, Bedeutungen und Haltun-gen. Das Projekt wollte Erfahrungen schaffen oder etwas das man “authentische Gefühle” nennen könnte. Das bedeutet, dass Schü-lerInnen Gefühle erfahren, die ident oder sehr ähnlich den Gefühlen echter Flüchtlinge sind. Ein Bericht eines Lehrers in Jämmerland fasst den Effekt zusammen:

“Rollenspiele sind sehr gut dazu geeignet, SchülerInnen dazu zu bringen, zu verstehen oder sich eine Meinung zu bilden. In der Schule sind wir sehr gut darin, die SchülerInnen mit

vorgefertigten Meinungen zu versorgen, aber auf diese Weise kann man ihr Innerstes erreichen. Die anschließende Diskussion war gut. Mehr könnte nicht erreicht werden. Die SchülerInnen

waren erschöpft nach all den neuen Eindrücken. Wir werden ihre neu gewonnenen Erfahrungen nutzen und mit ihnen arbeiten,

wenn wir zurück in der Schule sind.”

II.Projektbeschreibung

Die gesamte Veranstaltung in Jämtli dauerte fast vier Stunden. Zu Be-ginn wurde ein Theaterstück über Kriegserfahrungen von Menschen aus Bosnien-Herzegowina im Jahr 1990 gezeigt. Die TeilnehmerInnen bekamen ihre Rollen und Zeit, um sich mit ihrer Figur vertraut zu machen. Zur gleichen Zeit brachte man ihnen sorgfältig die Methodik von Rollenspielen bei, damit sie das meiste für sich aus den Erfahrun-gen heraus holen konnten, wenn sie aktiv waren und in ihre Rollen tauchten. Es wurde betont, dass die Teilnahme freiwillig war und die Leute das Rollenspiel abbrechen konnten, wenn sie dies wünschten, besonders wenn ihre emotionalen Reaktionen zu schmerzhaft waren.

Flüchtlinge im Freilichtmuseum: Das Museum als ein Ort für informel-les Lebenslanges Lernen (SE)

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Alle zusammen sahen sich eine Diashow an, die das tägliche Leben, die politische Unsicherheit, das Trauma von Menschen auf der Flucht in der ganzen Welt zeigten. Danach begann das Rollenspiel:

Die TeilnehmerInnen saßen in einem Raum, der plötzlich dunkel wur-de. Menschenschlepper betraten den Raum mit Taschenlampen und riefen bestimmte Gruppen von Flüchtlingen auf, zu ihnen zu kom-men. Die Flucht begann. Es gehörte dazu, mit den rauen Sitten der Schlepper und der anderen Flüchtlinge umzugehen, während man versuchte, die Grenze zu erreichen und zu überqueren. Nach einigen schlimmen Erfahrungen überquerten die TeilnehmerInnen schließ-lich die Grenze zu “Svezia” wo die Grenzpolizei in “Transit” sie in Empfang nahm. Die Asylsuchenden wurden verhört, Fotos wurden gemacht und ihre Hand- und Fingerabdrücke wurden genommen. Von Transit wurden sie ins Asylantenheim gebracht, wo der zermür-bende Teil begann. Warten und Stillstand wechselten mit Verhören durch die Immigrationsbehörde. Nach einer langen, langen Zeit, in der Wahrnehmung einiger TeilnehmerInnen, wurden sie zu einem Treffen gerufen, bei dem sie darüber informiert wurden, ob sie eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen würden oder nicht. Wie im realen Leben in Schweden bekamen nur zwei oder drei Menschen aus einer Gruppe von 25-30 TeilnehmerInnen in erster Instanz eine Aufenthaltsgenehmigung.

Dann ertönte eine Flöte und das Rollenspiel war vorbei. Eine der mu-seumspädagogischen Mitarbeiter sprach mit den Kindern über ihre Erfahrungen. Dieser Diaolog war zum Teil eine Nachbesprechung mit den TeilnehmerInnen, und zum Teil ein Versuch alle Fragen, die während des Rollenspiels aufgetaucht sein waren, zu beantwor-ten, zum Teil auch ein Bearbeiten simpler Übungen zu moralischen Fragen in Verbindung mit dem Rollenspiel. Im Allgemeinen waren die Reaktionen der Projektverantwortlichen, der SchauspielerInnen, PädagogInnen, SchülerInnen, LehrerInnen und einiger erwachsener

TeilnehmerInnen sehr positiv. Aber laut den Zielen des Projekts muss die Frage gestellt werden: Was lernten die TeilnehmerInnen als “Flüchtlinge” von Jämtli?

ReflexiondesProjekts

Während der Unterrichtseinheiten zu Moral und Ethik, gab es im Allgemeinen in jeder Klasse ein bis drei SchülerInnen, die sich offen kritisch über Flüchtlinge äußerten oder xenophobe Ansichten hatten. Dies entspricht in etwa dem Prozentsatz offen intoleranter Men-schen, den das sogenannte “Forum für lebende Geschichte” als Wert in einer Studie aus dem Jahr 2004 für ganz Schweden errechnete. Diese Meinungen äußerten am häufigsten Jungen aus Sekundarschu-len und es wurde klar, dass die Einstellung dieser Jungen gegenüber ImmigrantInnen und Flüchtlingen das einzige war,wodurch sie sich von ihren MitschülerInnen unterscheiden konnten, indem sie rauer und extremer waren. Das Erlebnis in Jämtli prägte auch die anderen TeilnehmerInnen und man hatte den Eindruck, dass die SchülerInnen generell ihre Haltung gegenüber ImmigrantInnen und Flüchtlingen ein wenig änderten, so wie dies in ähnlichen Projekten in Kopenha-gen und Stockholm geschehen war. Eine Lehrerin fasst den Bericht eines Schülers nach dem Besuch des Museums folgendermaßen zu-sammen (Bericht von Wargentinskolan 2004):

“Ein paar verstanden den Zweck dieser Übung nicht. Andere merk-ten, dass es darum ging, sich in die Situation eines Flüchtlings zu ver-setzen und man vorsichtig damit sein sollte, etwas zu kritisieren, über das man wenig weiß. Eine betonte, dass es jungen Menschen mehr Einblick gäbe und einige von ihnen vielleicht dazu veranlassen würde, ihre Meinung zu ändern. Als LehrerInnen sind wir sehr stolz, dass unsere SchülerInnen diesen Tag sehr ernst nahmen und sich selbst er-laubten, beeinflusst zu werden. Wir hoffen, dass diese Einsicht nicht nur kurzfristig wirkt, sondern längere Zeit bleibt...”

Das Überqueren der Grenze (Foto: Jamtli Foundation & Linköping University)

Zur Befragung gebracht (Foto: Jamtli Foundation & Linköping University)

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Ziel des Rollenspiels war es, die Haltungen und Meinungen der Teil-nehmerInnen zu beeinflussen, was auch ganz offen von den Muse-umsmitarbeiterInnen geäußert wurde. Die TeilnehmerIhnnen waren dieser Position gegenüber auch überhaupt nicht kritisch eingestellt. Es wird allgemein akzeptiert, dass das Museum Veranstaltungen an-bietet, deren Ziel es ist, die Haltungen und Meinungen der Besuche-rInnen zu ändern. Ziel der Übung war es, die TeilnehmerInnen davon zu überzeugen, dass es Parallelen gibt zwischen dem, was sie erleb-ten und Situationen in der realen unkontrollierten Welt außerhalb des Museums. Das Museum schuf Bedingungen für einen Lernprozess, der auf Aktivitäten, Kooperation, Sensibilität und Gefühlen basierte.

III.Kontakt

Jämtli Foundation & Linköping UniversitätName: Henrik Zipsane PhD (Direktor & Professor) Box 709 SE 8 31 28 Östersund SchwedenE-mail: [email protected]: www.jamtli.com and www.nckultur.org

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I.ZusammenfassungdesProjekts

Schlüsselkompetenzen im Projekt:

Lernen LernenUnternehmerische KompetenzSoziale Kompetenz und BürgerkompetenzKulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeitt

Der Yorkshire Wildlife Trust (YWT) ist eine wohltätige Organisation und Teil einer Partnerschaft aus 47 Stiftungen im gesamten Verei-nigten Königreich. Er wurde 1946 mit dem Ziel gegründet, wild le-bende Tiere und Orte zu schützen und Menschen aufzuklären, zu beeinflussen und zu befähigen. Das YWT verwaltet 80 Gebiete in der Grafschaft Yorkshire im Vereinigten Königreich und unterstützt Organisationen, wie lokale Verwaltungen ihre Naturschutzgebiete zu managen.

Ein Projekt des YWT trägt den Titel “Running Wild in York”, das für Kinder und Jugendliche konzipiert wurde. Die zwei Naturschutzge-biete, die im Zentrum dieses Projekts stehen, haben wichtige histo-rische Verbindungen zu der Stadt York, sind aber heute wertvolle Naturschutzgebiete. Ziel des Projekts ist es zu zeigen, wie die Schlüs-selkompetenzen junger Menschen weiter entwickelt werden können durch die Arbeit an Orten, die heute zum Naturerbe des Vereinten Königreichs zählen.

Die beiden Naturschutzgebiete sind im Besitz der Stadtverwaltung von York, können aber vom YWT für seine pädagogischen Projekte genutzt werden: St. Nicholas Field war früher ein Leprakrankenhaus. Später wurde dort Lehm abgebaut und Ziegel für die Stadt York erzeugt. 1950 war es ein Flickwerk aus Baulöchern, die zur Müll-ablagerung genutzt wurden. Durch die Hilfe Freiwilliger konnten in dem Gebiet wieder unterschiedliche Lebensräume entstehen. Über Clifton Backies gibt es sogar noch umfangreichere geschichtliche Aufzeichnung, was es zu einem idealen Ort für Beobachtungen und Aufzeichnungen über Veränderungen macht. Ursprünglich gehörte das Gebiet zur St. Mary Abtei. Nach der Auflösung der Klöster im 16. Jahrhundert wurde das Gebiet in ein Streifenanbausystem integriert, sogenannte Hochäcker. Einige kann man noch immer sehen. 1993 wurde das Gebiet zu einem Flugplatz, der 1949 als Luftbrücke nach Berlin genutzt wurde. Dann verwilderte die Gegend und wurde 2002 zum lokalen Naturschutzgebiet erklärt. Alle Gruppen lernen über den historischen Hintergrund dieser Orte, sowie deren aktuelle Bedeu-tung für das Wildleben.

Die Zielgruppe, die für das AQUEDUCT-Projekt relevant ist, sind Kin-der und Jugendliche im Alter von 8-18 Jahren. Die Aktivitäten sind sehr integrativ und in den Gruppen gibt es fast immer Kinder mit besonderen Bedürfnissen, manchmal kommen auch ganze Gruppen aus sonderpädagogischen Schulen. Es ist wichtig zu erwähnen, dass die Aufklärungsarbeit des YWT auf Familien und Individuen aller Al-tersgruppen und sozialer Schichten abzielt. Das wichtige und einzig-artige Merkmal dieser Arbeit ist, wie sie bestimmte Qualitäten in den Persönlichkeiten der Kinder und Jugendlichen fördert. Dazu gehören Teamwork, kommunikative Fähigkeiten, Selbstachtung und Risiko-management.

Was die Ergebnisse angeht, will das Projekt die jungen Menschen dazu ermächtigen, die lokalen Grünräume zu nutzen und wertzu-schätzen, Verbesserung aktiv zu planen und durchzuführen und sich so das Naturerbe zu eigen zu machen, um so vielleicht zukünftig Vandalismus und asoziales Verhalten an diesen Orten zu verhindern.

Die Wildnis von Yorkshire – Das ‘Naturerlebnisprojekt des Yorkshire Wildlife-Trusts (UK)

Die Kinder sammeln Materialien für ein Kunstwerk in einem der Naturschutzgebiete (Foto: Yorkshire Wildlife Trust)

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II.Projektbeschreibung

Die wichtigsten Partner des Projekts sind der Yorkshire Wildlife Trust und die Stadtverwaltung von York, aber auch zahlreiche andere so-ziale und wohltätige Organisationen spielen eine Rolle, darunter der wichtigste Geldgeber, die UK National Lottery. ExpertInnen des YWT waren für die Konzeption, Entwicklung und Finanzierungsanfragen des Projekts verantwortlich. Das Projekt knüpft an viele Fächer des englischen Schulplans an wie z.B. Lese- und Schreibfähigkeit, Ma-thematik, Wissenschaft und Bürgerkunde, aber es passt auch gut zu den speziellen Unterrichtsprogrammen für Jugendliche die schlechte Leistungen erzielen.

Vor dem Besuch der Naturschutzgebiete kommen YWT Mitarbeite-rInnen in die Schule, um über Risiken zu sprechen und die Kinder aktiv vorzubereiten. Eine Gruppe besteht üblicherweise aus 16 Kin-dern und 2 Erwachsenen. Die Gruppen sind kleiner, wenn Kinder mit speziellen Bedürfnissen dabei sind. Die Einheiten finden nach der Schule statt. Einige Kinder kommen nur einmal, andere öfters. Das Programm ist abhängig von der Jahreszeit, der Absprache mit den Kindern und den Wünschen der Schulen und den Besonderheiten des Gebietes selbst. Der didaktische Zugang soll junge Menschen er-mutigen, an praktischen Aktivitäten teilzunehmen, die Spaß machen, leicht zugänglich und herausfordernd sind.

Darunter:• Den Zugang und Pfade verbessern• Stockausschlag und Waldmanagement• Teichpräparation• Das Lernen über bestimmte Tiere• Kleintierjagden• Brutkästen bauen• Andere praktische Fähigkeiten, die der Erhaltung dienen

Die Aktivitäten tragen dazu bei, die Schlüsselkompetenzen junger Menschen zu fördern, die sozialen und Bürgerkompetenzen werden vermutlich am meisten gestärkt. Kinder und junge Menschen werden angeregt, die lokalen Grünräume zu nutzen und wertzuschätzen, die Teil ihren kulturellen Erbes sind und sich mehr zu bewegen und so ihre Gesundheit zu fördern. Darüber hinaus erweitert das Projekt das Wissen um Naturschutz, und die SchülerInnen entwickeln zwischen-menschliche Fähigkeiten, d.h. sie lernen besser zu kommunizieren, trainieren Teamarbeit und bekommen mehr Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl. Es gibt jedem/jeder Einzelnen einen gewissen “Ge-meinschaftsstolz” und stärkt ihr Zugehörigkeitsgefühl. Diese stärkere Wertschätzung des lokalen Umfelds und der Gemeinschaft führt län-gerfristig dazu, dass es weniger Vandalismus und asoziales Verhalten in den Naturschutzgebieten und in der Stadt York gibt.

“Sie haben sich richtig auf den Inhalt der Stunden eingelassen. Es ist schön zu sehen, wie sie Dinge tun, die sie normalerweise

nicht tun” – LehrerInnenfortbildungsfakultät

“Ich hätte nicht gedacht, dass mir das Freude bereitet, aber das hat es!” Teilnehmerin

Das Projekt gibt es nun seit acht Jahren. Es wird durch externe Mittel finanziert und die externe Evaluation der Stadtverwaltung von York weist darauf hin, dass die Arbeit weitergeführt werden soll. Das YWT bemüht sich aktiv, mehr finanzielle Mittel zu erhalten.

III.Kontakt

Kontakt Person: Vicky Harland (Community programme Manager)Adresse: 1 St George’s Place York YO24 1GN Vereinigtes KönigreichE-mail: [email protected]: www.ywt.org.uk

Kinder arbeiten zusammen, um Unterstände im Naturschutzgebiet zu bauen (Foto: Yorkshire Wildlife Trust)

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I.ZusammenfassungdesProjekts

Schlüsselkompetenzen im Projekt:

Lernen LernenUnternehmerische KompetenzSoziale Kompetenz und BürgerkompetenzKulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeitt

Diese Fallstudie beschäftigte sich mit den literarischen Assoziationen 14-15 jähriger Schülerinnen in Bezug auf den berühmten Roman Dracula und die Stadt Whitby, eine kleine malerische Hafenstadt an der Nordost Küste, ungefähr 150 km von Sheffield. Der Ort ist be-kannt für die Abtei Whitby, ein zerstörtes Kloster am Gipfel eines Felsens, das 657 n.Chr. von einem sächsischen König aus Northum-bria gegründet wurde. Whitby wurde offiziell zum UNESCO Welterbe erklärt. In der Nähe der Abtei befindet sich die St. Mary Kirche und ein Friedhof.

Die Autor Bram Stoker wurde für sein berühmtes Werk Dracula so-wohl vom Friedhof als auch von der Abtei in Whitby inspiriert. Er verbrachte einige Zeit in Whitby und recherchierte die Geschichte der Stadt, weshalb einige historische Bauten, wie die zerstörte Abtei, die St. Mary Kirche und der Fluss Esk, der durch die Stadt fließt, sehr genau in dem Roman beschrieben werden. Es ist wichtig zu erwäh-nen, dass die Stadt in den letzten Jahren wegen ihrer Verbindung zu dem Roman und seiner wahren Geschichte sehr berühmt wurde. Viele besuchen die Stadt nur aus diesem Grund. Withby veranstaltet nun zwei Gothik- Festivals, die diesem ziemlich isolierten Ort viele ökonomische Vorteile bringen.

Nach dem Besuch in Whitby schrieben die SchülerInnen 25 „grausi-ge Intrigen“. Durch die Erlebnisse in der Stadt verbesserten sich der Inhalt und der Stil ihrer kreativen Geschichten. Ein Buch wurde ver-öffentlich, das all diese Geschichten beinhaltet. „Die Chroniken von Whitby – 25 Geschichten dunkler Intrigen“. Dazu brauchte es ein Redaktionsteam aus SchülerInnen, die die Arbeiten Korrektur lasen und redigierten. Die SchülerInnen brauchten auch eine Verkaufsstra-tegie, um die Bücher an ihre Eltern und andere Leuten zu verkaufen.

II.Projektbeschreibung

Hauptakteur dieses Projekts ist das Englischinstitut der Meadowhead Schule. Das Projekt wurde von Denise Aitken einer erfahrenen Eng-lischlehrerin geleitet. Die teilnehmenden SchülerInnen waren 26

14-15jährige Buben und Mädchen der Meadowhead Schule, einer großen Gesamtschule am Rande von Sheffield, einer Stadt in Nor-dengland. Die Schule ist auf Sprachen spezialisiert. Die Teilnehmer/innen waren eine sehr talentierte Gruppe, die darauf vorbereitet wur-de, ihre erste externe Englischprüfung ein Jahr vor ihren Mitschüle-rInnen zu absolvieren.

Zur Vorbereitung lasen die SchülerInnen Dracula und recherchierten die wichtigsten Bauten in Whitby, wie die Abtei, die St Mary Kirche, den Fluss Esk und The Crescent, die Straße in der im Roman das Haus steht, in dem die beiden Hauptfiguren übernachteten. Sie setzten sich auch mit dem Gothic Genre in der englischen Literatur ausein-ander. Nach diesen Vorbereitungsarbeiten machte die Gruppe einen Ausflug nach Whitby, wo sie in einer Jugendherberge übernachte-ten. Gemäß den britischen Regeln für Schulausflüge begleiteten auch zwei Mitglieder der Schuladministration die Gruppe.

Während des Besuches wurden verschiedene didaktische Methoden angewandt: beobachten und lernen, Gruppendiskussionen und kri-tische Begutachtung der Texte durch KollegInnen. Die SchülerInnen sahen sich ausgewählte Passagen des Romans näher an und erkann-ten Landschaft und Atmosphäre als wichtige Komponenten der Ge-schichte. Die Orte und Bauten regten die Kreativität der SchülerInnen an. Sie notierten von jedem Ort ihre Eindrücke und lasen Auszüge aus dem Roman an den zu den Szenen passenden Plätzen. Sie lasen die Szenen noch einmal an den Orten, die im Roman tatsächlich vor-kamen.

Literarische Assoziationen in einer historischen Landschaft (UK)

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Als zusätzliche Anregung buchte die Schule eine Geistertour, bei der ein kundiger Führer auf die vielen kleinen Details in der Landschaft und Architektur hinwies, die den SchülerInnen vielleicht entgangen waren. Er zeigte ihnen zum Beispiel die einzigartigen Fenster aus Glasflaschen, die im Roman beschrieben werden.

Durch diesen Besuch wurden einige wichtige Ziele in Zusammenhang mit den Schlüsselkompetenzen erreicht:

Lernen lernenNach dem Besuch schrieben die SchülerInnen 25 Geschichten zum Thema “Dunkle Intrigen”. Der Inhalt und der Schreibstil ihrer Arbei-ten wurden durch ihre Erlebnisse in Whitby noch verbessert.

Unternehmerische KompetenzIhre Lehrerin Denise Aitken hat nun ein Buch veröffentlicht, das alle Arbeiten zusammenfasst: „Die Chroniken von Whitby – 25 Ge-schichten dunkler Intrigen“. Dazu brauchte es ein Redaktionsteam aus SchülerInnen, die die Arbeiten korrigierten und redigierten. Sie verfolgen eine Verkaufsstrategie, um die Bücher an ihre Eltern und andere Leute zu verkaufen. Das Buch hat 210 Seiten und wird für £ 5,00 verkauft.

Soziale und BürgerkompetenzenWährend des Ausflugs und auch danach gab es viele Gruppenarbei-ten. Es gab viele spezifische Rechercheaufgaben während des Be-suchs der Kulturbauten, so sollten die SchülerInnen z.B. die Namen auf Grabsteinen, von Pubs, Läden und Straßen notieren. Das sollte einen realen Bezug schaffen und die Atmosphäre einfangen, was dem kreativen Schreiben zugute kommen sollte. Die SchülerInnen sollten auch ein Plakat für die Schule machen, eine Präsentation vor

ihren Eltern halten und einen Bericht für den Newsletter der Schule verfassen.

Kulturbewusstsein und kulturelle AusdrucksfähigkeitDie SchülerInnen konnten ihr Kulturbewusstsein hinsichtlich der Zeitepoche vor 1914 erweitern, sie lernten über „Gothic“ Literatur, Architektur und Kunst. Das brachte sie dazu, nach anderen literari-schen Werken im Stile der „Gothic- Literatur“ zu suchen, sowie nach Verweisen in anderen Romanen wie Sturmhöhen von Emily Brontë.

In der Reflexion über das Projekt merkte Denise Aitken an, dass die Lernergebnisse die Erwartungen übertroffen hätten. Die jungen Men-schen lieferten exzellente Ergebnisse für diesen Teil der Kursarbeit in Englisch. Viele sagten, dass sie sich an diese Erlebnisse noch lange nach Beendigung ihrer Schulzeit erinnern würden. Dass bei all dem noch eine Sammlung ihrer Werke in Form eines Buches herauskam, war ein unerwarteter Bonus.

Das Projekt hätte auch ausschließlich im Klassenzimmer stattfinden können, aber die Kulturstätten von Whitby schenkten ihnen durch den Besuch der Orte, über die sie gelesen hatten, ein Erlebnis und die Möglichkeit zum kreativen Schreiben außerhalb des Klassenzimmers. Das Ergebnis war ein viel gründlicheres und gefestigteres Wissen über den Text, viele einzigartige Ergüsse kreativen Schreibens und als unerwarteter Bonus die Veröffentlichung eines Buches.

courtesy of Mark Denton Photographic

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III.KontaktundWeiterführendes

Kontakt Person: Denise AitkenAdresse: Meadowhead School and Language College Dyche Lane Sheffield, S8 8BRVereinigtes KönigreichE-mail: [email protected]: http://vle.meadowhead.sheffield.sch.uk/http://www.dracula-in-whitby.com/http://www.iknow-yorkshire.co.uk/tourist_information/ yorkshire_holidays/whitby/whitby.htm

courtesy of Scarborough Borough Council

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I.ZusammenfassungdesProjekts

Schlüsselkompetenzen im Projekt:

Lernen LernenUnternehmerische KompetenzSoziale Kompetenz und BürgerkompetenzKulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeitt

Das Wilberforce Haus stammt aus dem 17. Jahrhundert und ist so-mit eines der ältesten Häuser der Hafenstadt Hull an der britischen Ostküste. Es war die Heimat von William Wilberforce (1759 – 1833), einem unabhängigen Parlamentarier von Yorkshire, an den man sich heute aufgrund seiner führenden Rolle bei der Abschaffung des bri-tischen Sklavenhandels erinnert. Gemeinsam mit anderen war Wil-berforce für das erste Gesetz verantwortlich, das den Sklavenhandel beendete, den sogenannten Slave Trade Act aus dem Jahr 1807. Es sollte aber noch weitere 26 Jahre dauern, bis der Sklavenhandel in einem großen Teil des britischen Reichs illegal wurde. Wilberforce verstarb wenige Tage nachdem er diese Nachricht erfuhr. Sein Haus wurde 1906 zum Museum. Es ist heute das älteste Sklaverei-Museum der Welt. Es zeigt viele Objekte aus den Zeiten der Sklaverei, wie Miniaturen von Sklavenschiffen, Zeitungen und Portraits dieser Zeit. Eine Nebenausstellung widmet sich der modernen Sklaverei und Menschenrechtsfragen.

Das Haus wird schon seit Jahren von Schulgruppen besucht und hat seit Kurzem einen Schulungsraum in einem Nebengebäude. In die-sem Projektbericht geht es um die Erfahrungen einer Gruppe von ungefähr 30 GrundschülerInnen, während einer typischen zweistün-digen Einheit. Seit 2007 haben diese Besuche das Lernen über die Geschichte des Lebens und der Zeit von William Wilberforce erwei-tert. Dabei sollen die Kinder dazu angeregt werden, sich mit einem Thema zu beschäftigen, das sie als selbstverständlich ansehen.

Das Einzigartige an der Arbeit, die die SchülerInnen im Wilberforce Haus leisten ist, dass sie zeitnah ist, sie geschieht im Hier und Jetzt, obwohl sie in einem historischen Umfeld passiert. Die SchülerInnen erkennen, dass der Einsatz für Menschenrechte eine eigene Ge-schichte hat und gehen aus der Stunde mit dem Verständnis heraus, dass auch heute nicht alle Menschen die Rechte haben, die viele von ihnen für selbstverständlich erachten. Die SchülerInnen fühlen sich durch das Wilberforce Haus und das Lernerlebnis, das von diesem Kulturvermittler geboten wird, bestärkt zu glauben, dass sie etwas verändern können.

II.Projektbeschreibung

Die wichtigste Organisation in diesem Projekt ist die Pädagogische Abteilung des Hull Museums. Die Arbeit selbst wurde von Esther Lockwood, einer Leiterin von Bildungsprojekten, konzipiert, sie agiert als Vermittlerin in diesen Einheiten. Nach Beratungen und Erpro-bung von und mit anderen lokalen LehrerInnen, die es sehr schwierig fanden über Menschenrechte und Sklaverei zu unterrichten, stellte Esther diese Arbeit zusammen. Unterstützung kam auch von der UNICEF, die im Vereinigten Königreich ein Schulakkreditierungspro-gramm organisiert , das Schulen den Titel “Menschenrechtsschule” verleiht, die sich für Menschenrechten und den Rechten von Kindern einsetzen.

Schulen im Umkreis von 100km besuchen das Museum. Davor neh-men die meisten Schulklassen an Vorbereitungsübungen teil. Zusätz-lich besucht meist der/die LehrerIn zuerst das Wilberforce House, um die Aktivitäten zuerst durchzugehen (obwohl das nicht verpflichtend ist). Üblicherweise bestehen die Klassen aus ungefähr 30 SchülerIn-nen mit unterschiedlichen Fähigkeiten. Es können SchülerInnen mit besonderen Bedürfnissen darunter sein, sowie Kinder deren Mutter-sprache nicht Englisch ist oder Kinder mit mäßigen Lernschwierig-keiten oder Autisten. Ein/e AssitentIn begleitet für gewöhnlich die LehrerInnen, um die SchülerInnen zu unterstützen. Die didaktischen Methoden, die während dieser Einheiten angewandt werden sind: Geleitete Entdeckung, das Formulieren von Fragen, Gruppenarbeiten und Diskussionen. Der Lernraum ist gut ausgestattet mit einer inter-aktiven Tafel, die in allen Einheiten benutzt wird.

Freiheit und Fairplay nach William Wilberforce (UK)

Unterricht im Wilberforce Haus (Foto: Heritage Learning Service Hull City Council)

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Zu Beginn der Einheit wird den SchülerInnen das Wilberforce Haus vorgestellt. In einer Diskussion mit der Vermittlerin lernen sie das Konzept “Abhängigkeitsverhältnis” kennen. Die SchülerInnen wer-den gefragt, auf wen sie sich heute schon bewusst verlassen muss-ten: z.B. auf ihre Eltern, den Hausmeister, ihre LehrerInnen oder den/die BusfahrerIn und dann auf wen sie sich unbewusst verlassen muss-ten. Die SchülerInnen diskutieren ein Zitat von Martin Luther King “bevor du dein Frühstück beendest, warst du bereits von der halben Welt abhängig”. Die SchülerInnen diskutieren auch, ob sie sich heute schon auf andere Menschen in der Welt verlassen mussten.

In der Gruppe versuchen sie zu bestimmen, woher Güter wie Bananen und Kaffee kommen. Sie spielen ein Rollenspiel, indem die einzelnen Beteiligten der Versorgungskette repräsentiert werden. So lernen sie mehr über den globalisierten Handel. Die SchülerInnen sehen sich an, wie viel Geld jede/r einzelne Beteiligte beim Handel mit Schokolade erhält. Die SchülerInnen haben die Möglichkeit, diese Verteilung zu ändern und zu erklären warum. Die Vermittlerin erklärt, dass auch heute noch Menschen so schlecht behandelt werden, dass man es als Sklaverei bezeichnen könnte. Die Klasse diskutiert über Sklaverei und besucht an dieser Stelle die Sammlungen des Museums, um über Freiheit, Sklaverei und Menschenrechte zu recherchieren. Das ist eine Gruppenarbeit und jede Gruppe bekommt ein „Erkundungspaket”, das sie beim Lernen unterstützt. Das Paket enthält Schlüsselfragen, wie:

• Was denkst du passiert in diesem Bild?• Denkst du die Person lebt in Freiheit?• Warum denkst du, werden diese Fabriken “sweat shops” ge-

nannt?• Wie fühlst du dich, wenn dich jemand anlügt?

Die SchülerInnen bereiten sich auf eine Debatte über Handel und fai-ren Handel vor. Jede/r SchülerIn bekommt eine andere Rolle. Sie sam-meln „Beweisstücke“ im Museum, notieren, was sie herausgefunden haben und strukturieren ihre Argumente. Diese Arbeit wird durch “Informationspakete” unterstützt, welche Quellen wie Bilder, Zita-te, Replikationen, Aussagen, Poster und Broschüren enthalten. Die SchülerInnen müssen gemäß dem Standpunkt der ihnen zugewie-senen Rolle in die Diskussion eintreten. Der /die LehrerIn entscheidet aufgrund der Stärke der vorgebrachten Argumente, die sie aus den Quellen erarbeiteten, wer die Debatte gewinnt. Am Ende der Übung reflektieren die SchülerInnen über ihre Arbeit. Sie diskutieren, was sie gelernt haben und ob sie es als ihre Verantwortung sehen, darüber nachzudenken, wie ihre Taten das Leben anderer Menschen auf der ganzen Welt beeinflussen. Das wiederum knüpft direkt an das Leben des Aktivisten William Wilberforce aus dem 19. Jahrhundert an.

Die Klassen nehmen die Ergebnisse ihrer Arbeit mit, um sie für eine Schulausstellung zu nutzen und damit die SchülerInnen eine Plakat in der Schule produzieren können. Alle SchülerInnen nehmen die Bro-schüre der UNICEF über die Rechte von Kindern mit. Einige Schulen

nutzen diese Einheiten, um die SchülerInnen auf das UNICEF Schulak-kreditierungsprogramm, das Thema des Fairen Handels oder auf das Ziel eine Fair-Trade-Schule zu werden, einzustimmen.

II.KontaktundWeiterführendes

Kontakt Person: Esther Lockwood (Leiterin von Bildungsprojekten – Sozial Geschichte & Bürgerkunde)Adresse: 35 High St, HU1 1NQVereinigtes KönigreichE-mail: [email protected]:www.mylearning.org www.hgfl.org/go/museums www.understandingslavery.org

Recherche über Menschenrechte und die Arbeit der UNICEF (Foto: Heritage Learning Service Hull City Council)

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III. Aqueduct: The practice

IV. Aqueduct: Intrumente

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1.AnleitungfürAnwenderInnen

Kompetenzorientierte Vermittlung kulturellen ErbesDiese Bewertungsmethode dient als ein Instrument, um zu beurteilen ob ein pädagogisches Projekt oder eine Initiative den Kriterien ent-spricht, von denen die Partner des Aqueduct-Projekts meinen, dass sie für die Vermittlung kulturellen Erbes charakteristisch sind und in deren Zentrum die vier Schlüsselkompetenzen stehen, die im Rahmen des Programms Lebenslanges Leben von der Europäischen Kommis-sion definiert wurden:

1. Soziale und Bürgerkompetenz2. Unternehmerische Kompetenz3. Kulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeit4. Lernen lernen

Die Struktur des InstrumentsDas Bewertungsinstrument besteht aus einer Tabelle von Merkmalen. In der ersten Spalte steht der Lernprozess kompetenzorientierter Ler-nender, in der zweiten Spalte finden sich alle entsprechenden Cha-rakteristika eines adäquaten Lernumfelds, und in der dritten Spalte stehen die Elemente kulturellen Erbes, die das Lernumfeld beinhal-tet. Die Tabelle zeigt, wie sich kompetenzorientiertes Lernen und die Vermittlung kulturellen Erbes in einem Lernumfeld treffen und den idealen Zugang entsprechend dem Aqueduct-Leitbild. Authentische, bedeutungsvolle und ressourcenreiche Kontexte sind essentiell für kompetenzorientiertes Lernen und die Vermittlung in einem kultu-rellen Umfeld.

Bewertung versus TypologieNeben der Einteilung in drei Spalten, haben wir in der Tabelle auch die idealen und charakteristischen Merkmale der Vermittlung kultu-rellen Erbes, gemäß dem Aqueduct-Anspruch, aufgelistet. In Wirk-lichkeit jedoch finden wir nicht viele Beispiele, die allen Kriterien entsprechen. Darüber hinaus finden wir auch Beispiele, die gut sind, die aber nicht alle Kriterien erfüllen. Deshalb müssen wir bei der An-wendung der Kriterien vorsichtig sein. Es ist wichtig, sich vor Augen zu halten, dass die Methode einen Standard beschreibt, der sich nicht auf alle Kompetenzen im gleichen Ausmaß anwenden lässt. Deshalb werden in der ersten Spalte die Zahlen der vier Schlüsselkompeten-zen erwähnt, um zu zeigen, zu welcher der Kompetenzen diese Zei-le der Tabelle zuzuordnen ist. Und sogar dann ist es möglich, gute Beispiele zu finden, die nicht alle Standards erfüllen. Deshalb muss die Methode als ein Instrument gesehen werden, das eine pädagogi-sche Initiative/ein Projekt beschreibt und nicht definitiv beurteilt. Das Instrument ermöglicht AnwenderInnen eine Bestandsaufnahme der Merkmale eines zu bewertenden Projekts. Anstatt ein Projekt gleich zu disqualifizieren, kann der/die AnwenderIn Empfehlungen darüber abgeben, wie ein Projekt verbessert oder in einen breiteren pädagogi-schen Kontext eingebettet werden könnte. Wenn aber die Mehrheit der angewendeten Kriterien nicht erfüllt wird, muss man sich fragen, ob das untersuchte Beispiel wirklich ein Beispiel guter Praxis ist.

Intrument1

Aqueduct Einschätzungs- und BewertungsinstrumentFÜR KOMPETENZBASIERTES LERNEN IN EINEM KULTURELLEN ERBE UMFELD

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Learning process Learning context Heritage

Eigeninitiative/ selbstgesteuert O ressourcenreiches Lernumfeld O ein ergiebiges kulturelles Umfeld O

imaginativ O bedeutungsvoller Kontext O sinnträchtiges kulturelles Umfeld O

ganzheitlich O multidisziplinärer Zugang O verschiedene Felder/Bereiche O

konstruktiv O konstruktivistischer Zugang O konstruktive Aufgaben O

sozial O kooperativer Zugang O verschiedene Beitragende O

Inventive O Allowing for discovery O Heritage related problem O

erfinderisch O Dialoge O Begegnungen O

persönlich O personalisierter Zugang O persönliche Geschichten O

reflexiv O Möglichkeiten für Reflexion O verschiedene Standpunkte O

moralisch O bewertend O Wertestandpunkt/Perspektive O

forschend O Feedback O ergiebiges, inhaltliches Feedback O

aufgabenorientiert O erfordert ein Produkt O reagiert auf eineAufforderung O

produktiv O Demonstration/Präsentation O eine Plattform zur Verfügung stellen O

Diese Tabelle zeigt, wie kompetenzorientiertes Lernen und die Vermittlung kulturellen Erbes in einem Lernumfeld korrespondieren können, und enthält folglich wesentliche Merkmale eines dem Aqueduct-Leitbild entsprechenden Zugangs. Authentische, bedeutungsvolle und ressourcenreiche Kontexte sind essentiell für kompetenzorientiertes Lernen und die Vermittlung in einem kulturellen Umfeld.

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Intrument2

Der Aqueduct-Kompetenz-Navigator ist ein Instrument, das von Lernenden oder LehrerInnen verwendet werden kann, um Fortschritte der Lernenden in Verbindung mit den transversalen Schlüsselkompetenzen im Lebenslangen Lernens sichtbar zu machen. In der linken Spalte sind Aktivitäten, die in Zusammenhang mit den Schlüsselkompetenzen stehen, angeführt. In den freien Spalten kann mittels Anhaken der Grad der sozialen Komplexität des Umfelds, in dem die Lernenden ihre Leistungen erbringen, bewertet werden.

Das Instrument hat die Funktion eines Bezugsrahmens und wurde erstellt, um zu helfen, die Ausgangssituation zu klären, Fortschritte sichtbar zu machen und zu diskutieren. Es stellt nicht den Anspruch, eine gültige Bewertungsmethode zu sein, um die Leistungen Lernender zu beurteilen.

Der Aqueduct-Kompetenz-Navigator

A.SozialeKompetenzen mit einer anderen Person einer Gruppe einem weiteren Kreis

1. Kommuniziert/ hört zu

2. teilt Informationen

3. Geht Ideen nach

4. Evaluiert

5. Tauscht Informationen aus

B.UnternehmerischeKompetenz mit einer anderen Person einer Gruppe einem weiteren Kreis

1. Nimmt an Initiativen teil

2. Trägt Ideen bei

3. Initiiert unabhängig

4. leitet eine Initiative

5. Expandiert

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C.KulturbewusstseinundkulturelleAusdrucksfähigkeit mit

einer anderen Person einer Gruppe einem weiteren Kreis

1. Diskutiert über die eigene Kultur

2. Drückt kulturelle Merkmale aus

3. Schätzt kulturelle Unterschiede

4. Verbessert die eigene kulturelle Ausdrucksfähigkeit

5. Erweitert Potential kultureller Ausdrucksfähigkeit

D.Bürgerkompetenz mit einer anderen Person einer Gruppe einem weiteren Kreis

1. Redet über gesellschaftliche Fragen

2. Kennt Rechte und Pflichten

3. Nimmt an demokratischen Prozessen teil

4. Respektiert Gesellschaft anderer

5. Will die zivile Gesellschaft aktiv verbessern

E.LernenLernen mit einer anderen Person einer Gruppe einem weiteren Kreis

1. Diskutiert eigene Lernbedürfnisse

2. Sucht aktiv Lernmöglichkeiten

3. Kann einen Lernprozess planen

4. Kann das eigene Lernen reflektieren

5. Verbessert eigene Lernstrategien

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Die Listen in diesem Abschnitt des Handbuchs beschreiben eine idea-le Welt. Das bedeutet, dass man in der Realität nur selten Situationen begegnet, in denen alle Bedingungen vorgefunden werden. Trotz-dem fügen wir diese Listen unserem Handbuch bei, um es Anwende-rInnen zu ermöglichen, ihre eigene Situation zu reflektieren und sie vielleicht zu inspirieren, ihre Aktivitäten zu erweitern.

LernbedingungenundLehrkompetenzeninderkompetenzorientiertenVermittlung(KV)

Kompetenzorientierter Unterricht ist ein Prozess, bei dem Lehrende/PädagogInnen und Lernende miteinander interagieren, um sich ge-genseitig das Lernen zu ermöglichen. Der Lernprozess der SchülerIn-nen steht primär im Zentrum des Prozesses, aber um das Lernen und besonders das Lernen lernen zu ermöglichen, müssen sich auch Leh-rerInnen als Lernende sehen. Als Lernende passen LehrerInnen/Päd-agogInnen ihr Verhalten den SchülerInnen an. Um diesen Gedanken zu erläutern, zeigen wir in diesem Dokument die Bedürfnisse Lernen-der im Rahmen des kompetenzorientierten Lernens, die Bedingun-gen die Lernende brauchen, um diese Kompetenzen zu erwerben, die Bedürfnisse der LehrerInnen, die erfüllt werden müssen, um zu lernen wie sie zu kompetenzorientierten LehrerInnen/PädagogInnen werden, sowie die erforderlichen Bedingungen zur Erfüllung dieser Lernbedürfnisse um Kompetenzorientierung zu lehren. Es ist dersel-be Gedankengang auf zwei Ebenen: Zuerst kommen die Bedürfnisse und Bedingungen der SchülerInnen/Lernenden, um ihr Lernen zu un-terstützen, dann kommen die Lernbedürfnisse der LehrerInnen/Päd-agogInnen und die erforderlichen Bedingungen, um sie beim Lernen von KV zu unterstützen.

BedingungenfürkompetenzorientiertesLernen

Was Lernende für den Erwerb von Kompetenzen brau-chen:• Motivation• Erlebnisse/Erfahrungen• Reflexion

LehrerInnen/PädagogInnentätigkeiten, die kompetenzori-entiertes Lernen unterstützen• Motivieren• Lerngelegenheiten bieten• Feedback organisieren

Was LehrerInnen/PädagogInnen brauchen, um zu lernen, wie sie zu kompetenzorientierten VermittlerInnen werden:• Motivation• Eine Arbeitssituation die die KV ermöglicht• Eine reflexive Arbeitssituation

Bedingungen, die den LehrerInnen/PädagogInnen helfen, um zu lernen, wie sie zu kompetenzorientierten Vermittle-rInnen werden: • Motivierende Bedingungen• Unterstützung; institutionelle Rahmenbedingungen• Professionelles Feedback

LehrerInnen/PädagogInnen -Fortbildung für kompetenzo-rientierten Unterricht:• Professionelles Profil von kompetenzorientierten LehrerInnen• Lernumfelder für kompetenzorientierte PädagogInnen

Intrument3

Checkliste zur Evaluierung von kompetenzorientierten Lernumfeldern für Lernende/ Lehrende/PädagogInnen und die Voraussetzungen in der Organisation

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1. Was brauchen Lernende zum Erwerb von Kompetenzen?

1.Motivation

Lernende müssen...

• Hingabe/Engagement/Einsatz für ihren Beruf• sich anerkannt und bemerkt fühlen.• den Sinn und die Relevanz erkennen.• sich ihrer grundlegenden persönlichen Bedürfnisse bewusst sein.• sich sicher und geschützt fühlen.• ihre Lehrenden respektieren.• den Lernprozess für bewältigbar halten.• den Lernprozess als lohnend erachten.• das Ziel ihres Lernens kennen.• bereits positive Lernerfahrungen gesammelt haben.

2.Erfahrung

Lernende müssen...• ihren Wissenstand als Bezugsrahmen sehen.• professionellen Input bekommen z.B: Geschichten, Informatio-

nen, Fakten und Zahlen.• Zugang zu Wissen, Haltungen und Fertigkeiten haben.• die Möglichkeit haben, Gefühle zu zeigen und zu teilen.• Zugang zu realen Lernumfeldern haben.• die Möglichkeit haben, ExpertInnen bei ihrer Arbeit zuzusehen.• über sich und ihre Persönlichkeit Bescheid wissen.• mit verschiedenen Zugängen und Methoden konfrontiert werden. • Raum für Gespräche haben.• Gelegenheit haben zu experimentieren.• das Gefühl haben, Fehler machen zu dürfen.

3.Reflexion

Lernende müssen...• Feedback über ihre Leistungen/ihre Arbeit bekommen.• Feedback aus verschiedenen Blickwinkeln bekommen.• Wissen, was andere leisten.• weiterführende Vorschläge bekommen.• Die Gelegenheit erhalten, Optionen für ihre Weiterentwicklung zu

recherchieren.• über zukünftige Arbeiten/Tätigkeiten zu diskutieren.• Raum für Gespräche haben.• Platz für ihre Individualität haben.

Wenn die oben aufgelisteten Bedingungen notwendig sind, um den intendierten Lernprozess zu fördern, was könnten LehrerInnen/Päda-gogInnen tun, um sie zu schaffen? Diese Frage wird auf der nächsten Seite beantwortet.

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2 Lehrer/innen/PädagogInnen-tätigkeiten zur Unterstützung kompetenzorientierten Lernens

Was können LehrerInnen/PädagogInnen tun, um Bedingungen zu schaffen, die kompetenzorientiertes Lernen fördern?

1.Motivieren

LehrerInnen müssen...

• ein sorgfältiges Eingangsgespräch führen.• die Bedürfnisse der Lernenden herausfinden• Ziele klären und den Lernenden helfen, dies zu tun.• klären, was die LehrerInnen in der Rolle der Lernenden für sich

selbst erreichen möchten.• sich Lernenden respektvoll nähern.• den Lernenden die Bedeutung der Lernerfahrung bewusst ma-

chen.• den Umfang der Erfahrungsbereiche erläutern z.B. Wissen, Hal-

tungen, Fähigkeiten, Eigenschaften, Gefühle.• Möglichkeiten bieten, in denen Lernende sich mit Menschen und

Kontexten identifizieren können.• die Lerneinheit immer mit einer positiven Aussicht beenden.

2.Lernmöglichkeitenbieten

LehrerInnen müssen...

• Führung übernehmen und als WissensvermittlerInnen agieren.• eine Quelle von Expertise und Fähigkeiten sein.• Vorbilder als Lernende sein.• praktische Erlebnismöglichkeiten schaffen und organisieren• Methoden zur Reflexion und Selbstanalyse bereitstellen.• als PartnerInnen bei der Konzeptualisierung, der Gestaltung und

Planung von Aktivitäten agieren.• Standards, Maßstäbe, Kriterien und Normen zur Verfügung stel-

len.• professionelle Vorschläge anbieten• reflexiv und lehrreich sein.

3.Feedbackorganisieren

LehrerInnen müssen...

• Feedback über die Leistung geben.• Feedback durch MitschülerInnen, LehrerInnen, Eltern und Exper-

tInnen organisieren.• die Qualität der Leistung analysieren und diskutieren.• als „Sparringpartner“ bei der Erkundung von Optionen für Wei-

terentwicklung fungieren.• Möglichkeiten für Debatten mit MitschülerInnen und anderen bie-

ten.• Meinungsunterschiede zulassen• unterstützend sein.• zuhören, zuhören, zuhören.• sich auf die Tätigkeit konzentrieren.

Auf der nächsten Seite kommen wir zum nächsten Schritt unseres Gedankengangs. Bis jetzt haben wir die Bedingungen für kompeten-zorientiertes Lernen aufgelistet und was LehrerInnen dafür bereitstel-len können. Die logische nächste Frage lautet: “Was brauchen Lehre-rInnen, um zu kompetenzorientierten PädagogInnen zu werden und was sind die erforderlichen organisatorischen Rahmenbedingungen, damit LehrerInnen kompetenzorientiertes Lernen initiieren können?”

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3 Was brauchen LehrerInnen, um zu kompetenzorientierten LehrerInnen/PädagogInnen zu werden?

Im vorhergehenden Text konzentrierten wir uns auf die Bedürfnis-se der Lernenden und was die Organisation zu deren Erfüllung bei-tragen kann. Nun beschäftigen wir uns mit den Bedürfnissen der LehrerInnen und damit, was die Organisation zur Erfüllung ihrer Be-dürfnisse beitragen kann. Nachdem wir davon ausgehen, dass die Lehrenden selbst als Lernende gesehen werden können, präsentieren wir auf den nächsten Seiten eine Bestandsaufnahme der allgemeinen Bedingungen, die LehrerInnen brauchen, um professionell als Lernen-de agieren zu können. Am Ende listen wir die besonderen Merkmale eines professionellen Lehrumfelds auf, das es LehrerInnen/Pädago-gInnen ermöglicht, die professionellen Lernenden zu sein, von denen wir denken, dass sie sie sein sollten. Was brauchen LehrerInnen?

1.Motiviertsein

LehrerInnen sollen...

• das Gefühl haben, dass sich kompetenzorientierte Vermittlung lohnt.

• als kompetenzorientierte LehrerIn Anerkennung erfahren. • Ein gemeinsames Verständnis der Ziele und Zwecke kompetenzo-

rientierter Vermittlung haben.• dafür belohnt werden, ein/e kompetenzorientierte/r LehrerIn zu

sein, z.B. Stunden, Geld, Möglichkeiten etc.• sich als Teil der sozialen Gruppe von KV-Praktizierenden fühlen.• ein positives/konstruktives Gefühl gegenüber Lernenden haben. • die Möglichkeit haben, Erkenntnisse der Schule rückzumelden• die Freiheit haben, in Situationen zu arbeiten, in denen eine Über-

einstimmung zwischen LehrerInnen und Lernenden gefunden wurde.

2.EineArbeitssituationvorfinden,dieeineguteKVermöglicht.

LehrerInnen sollen...

• die Möglichkeit haben, das Lernen zu durchdenken, zu planen und organisieren.

• Zugang zu Informationen über die KV haben.• die Möglichkeit haben, andere bei ihrer Arbeit als Praktizierende

der KV zu beobachten.• einen guten Überblick über die Vielfalt der Aktivitäten von KV ha-

ben.• über die Kompetenzen, die Lernende brauchen, Bescheid wissen.• Wissen, in welche Richtung es beim lebenslangen Lernen von Le-

herInnen geht. • Eine Arbeitssituation vorfinden, die Lernen ermöglicht (auch das

Lernen von LehrerInnen).• Die Möglichkeit haben, KV in vielen verschiedenen Situationen zu

erleben.

3.EinereflexiveArbeitssituation

Die LehrerInnen sollen...

• Teil einer Gruppe sein, um Ideen und Erfahrungen auszutauschen zu können.

• Informationen über die Leistung Lernender in der Praxis bekom-men.

• Feedback über ihre eigene kompetenzorientierte Vermittlung be-kommen.

• die von ihnen angewendete praktische Theorie der KV weiterent-wickeln.

• Informationen bekommen oder zur Verfügung stellen, die Debat-ten ermöglichen, um die Methoden der KV zu verbessern.

• Qualitätsstandards für KV zur Verfügung haben.

Wenn es das ist, was LehrerInnen brauchen, um kompetenzorien-tierte Lehrende zu werden, dann müssen wir uns fragen, was die besten Bedingungen wären, damit sich LehrerInnen in diese Richtung entwickeln können. Was kann die Organisation (Schule, Museum, Schloss, Zentrum, Gesellschaft) dazu beitragen, um diese Bedingun-gen zu schaffen?

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4. Bedingungen, die Lehrenden helfen zu lernen, kompetenz-orientierte VermittlerInnen zu werden

Was kann die Organisation beitragen?

1.MotivierendeBedingungen

• Kompetenzorientierte PädagogInnen sind hoch angesehene Leh-rerInnen.

• Es gibt LehrerInnenfortbildung, die sie auf die KV vorbereiten.• Die LehrerInnen sollten mit einer offiziellen Qualifikation als KV-

PädagogIn belohnt werden.• LehrerInnen sollten Teil eines erweiterten Kreises professioneller

KV-PädagogInnen sein.• LehrerInnen arbeiten im sicheren Umfeld professioneller Leitlinien. • Die KV bietet PädagogInnen einige Vorteile, wie mehr Mobilität,

Kontakt mit Pädagogischen Hochschulen und und Mitgliedschaft in KV-Netzwerken.

• LehrerInnen sollten etwas Freiheit bekommen, um eine Überein-stimmung zwischen Lehrenden und Lernergruppen zu finden, an-statt in starre Rahmenbedingungen gezwungen zu sein.

• LehrerInnen werden gerecht entlohnt und in adäquaten Situatio-nen eingesetzt.

2.SystemischeBedingungen

• Kompetenzorientierung ist strukturell als Möglichkeit für Lernen-de organisiert.

• KV ist formalisiert, ohne rigide zu sein. • KV- Praktiker können als besondere Einheit in der Berufsgruppe

gesehen werden, die an ihrer eigenen professionellen Entwicklung arbeitet.

• KV ist in den Lehrplan und die LehrerInnenfortbildung eingebet-tet.

• KV ist organisatorisch in die Schule und den erweiterten Kontext von Institutionen (Pädagogische Hochschulen, Partnerschulen, Forschungsinstitute etc.) eingebettet.

• KV zieht sich kontinuierlich durch verschiedene Phasen des Lehr-plans.

• KV reicht von der LehrerInnenausbildung bis zur LehrerInnenfort-bildung.

3.ProfessionellesFeedback

• Die Kompetenzorientierte Bildung ist in professionelle Strukturen eingebettet, an denen verschiedene Akteure teilnehmen z.B. Ver-mittlerInnen kulturellen Erbes, Schulpersonal, LehrerInnenfortbild-nerInnen, PersonalentwicklerInnen, DirektorInnen, KoordinatorIn-nen etc.

• Kompetenzorientiertes Lernen wird als Quelle für Schulentwick-lung/Organisationsentwicklung gesehen und ist teilweise so or-ganisiert.

• Die Lernenden werden als wertvolle evaluative und innovative Re-sourcen gesehen.

• PädagogInnen haben ein Qualitätskontrollsystem und kollegiale Beratung.

• PädagogInnen haben regelmäßig die Gelegenheit, bestimmte Pro-bleme und Dilemmata mit ihren MentorInnen zu teilen.

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5. LehrerInnenfortbildung für kompetenzorientierte Vermitt-lung

Bis jetzt haben wir uns auf die Lernprozesse der Lernenden und ihrer LehrerInnen konzentriert. Nun möchten wir einen Schritt weiterge-hen und die Fortbildung von LehrerInnen und ihre FortbildnerInnen ins Zentrum rücken. Von den vier Bedingungsarten, die wir bis jetzt kennen lernten, kommen wir nun zum vorläufigen Berufsprofil für kompetenzorientierte LehrerInnen.

BerufsprofilfürkompetenzorientierteLehrerInnen.

LehrerInnen/PädagogInnen...

• sind sensibel und in der Lage, eine Verbindung zu Lernenden und ihren Bedürfnissen während der Lerneinheiten herzustellen.

• sind in der Lage, Lernende zu motivieren durch die Weitergabe ihrer Expertise und ihren Enthusiasmus.

• sind gute GeschichtenerzählerInnen, die Informationen persona-lisieren können z.B. eine Erzählung umschreiben, sodass in der Geschichte Menschen vorkommen, mit denen man sich gerne identifiziert.

• sind selbst forschende Lernende, die ihre Fähigkeiten als Vorbild demonstrieren.

• sind fähige LehrerInnen, die ihre Fähigkeiten, wenn nötig de-monstrieren können.

• können den Lernenden aufmerksam und einfühlsam zuhören.• können das Verhalten ihrer Lernenden während praktischer Übun-

gen und während Lerneinheiten genau beobachten.• sind offen in ihrer Einschätzung und Beurteilung des Verhaltens

und persönlicher Charakteristika der Lernenden.• können während Lerneinheiten adäquates Feedback geben, ent-

sprechend den Bedürfnissen der Lernenden.• finden einen Ausgleich zwischen Trost und Konfrontation z.B.

Feedback, das Dinge in Bewegung und nicht zum Stillstand bringt.• geben klare und präzise Botschaften.• sind sehr engagiert, aber halten professionellen Abstand und las-

sen den Lernenden auch Freiräume.• haben ein professionelles Interesse an Kompetenzorientierung,

wertschätzen ihre Rolle und verhalten sich entsprechend.• sind in der Lage strategisch und systematisch zu arbeiten, wäh-

rend der Stunden, aber auch in der Vorbereitung oder in Schul-entwicklungseinheiten mit ihren KollegInnen.

• kennen die Theorien, die sie anwenden. Sie wissen, dass sie ihr Handeln untermauern müssen und verhalten sich dementspre-chend.

• sind in der Lage, ihre Arbeit in Theorie und Praxis zu reflektieren.• sind in der Lage, die in den Lehreinheiten gewonnenen oder

beobachteten Informationen mit der Schulentwicklung, der Schul-politik und ihrem professionellen Wissen in Beziehung zu setzen.

• können mit Diversität umgehen z.B. Gender, Kultur, Stil, Alter, Stu-fe, sozialer Hintergrund

• evaluieren ihre Arbeit analytisch und sehen sie kritisch.

Das oben beschriebene Profil kann als Basis für die Entwicklung eines Programms zur LehrerInnenbildung gesehen werden, das die Lehre-rInnen auf kompetenzorientierte Vermittlung vorbereitet. Die beste Methode, LehrerInnen auf das kompetenzorientierte Lernen und Leh-ren vorzubereiten, ist ein kompetenzorientiertes Programm zur Leh-rerInnenfortbildung, in dem die praktische Arbeit und das Studium zu einem dualen Lernweg zusammengefasst werden. Solche Program-me müssen auf demselben theoretischen Fundament basieren, das in Abschnitt 3 erläutert wird. So werden LehrerInnen zu Lernenden und was noch wichtiger ist, zu kompetenzorientierten Lernenden und Pä-dagogInnen.

Weitere Zugänge und Instrumente, Beispiele

Bei den verschiedenen Initiativen und Pilotprojekten, die in diesem Handbuch beschrieben wurden, haben wir weitere nützliche Zugän-ge und Instrumente gefunden, die in bestimmten Situationen an-wendbar sind. Diejenigen, die wir hier nicht erwähnen konnten, sind auf der Aqueduct Website zu finden: www.the-aqueduct.eu

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Erwerb von Schlüsselkom

petenzen durch die Vermittlung von kulturellem

Erbe im U

nterricht

Dieses Dokument enthält ausschließlich die Meinungen der Aqueduct-Partner und die Kommission kann dafür nicht verantwortlich gemacht werden.

ISBN : 9789081794107

Projektkoordinator

Die Vermittlung kulturellen Erbes ist nicht nur ein Thema aus den Bereichen Geschichte, Kunst oder Kultur. Es umfasst einen Komplex „von Zielen außerhalb der Mauern”, die ein großes Potenzial haben, Motivation zu fördern und zu er-halten, innovative fächerübergreifende Ansätze bieten, Verbindungen zwischen Schule und Gesellschaft zu schaffen, die Dimension der europäischen Kultur einzubringen und die transversalen Schlüsselkompetenzen, die im Sinne des Le-benslangen Lernens und im Referenzrahmen definiert wurden, zu erreichen: Ler-nen lernen, soziale und Bürgerkompetenz, Eigeninitiative und unternehmerische Kompetenz und Kulturbewusstsein und kulturelle Ausdrucksfähigkeit.

Dieses Handbuch ist ein Produkt des multilateralen Comeniusprojekts „Aqueduct. Erwerb von Schlüsselkompetenzen durch Vermittlung von kulturellem Erbe“, das von der Landcommanderij Alden Biesen (BE) koordiniert und aus Mitteln des Le-benslangen Lernen Programms der Europäischen Kommission finanziert wurde.Übersetzungen dieses Handbuchs in Französisch, Deutsch, Italienisch, Polnisch, Niederländisch und Rumänisch sind auf der Aqueduct Homepage zugänglich: www.the-Aqueduct.eu

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