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möRRR 24 Foto: Henner Bruch ARCHITEKTUR DER FREIHEIT

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Oktober 2015: In Schloss Tempelhof in Baden-Württemberg beginnt der Bau eines, gelinde gesagt, unkonventionellen Gebäudes. Es besteht zum Großteil aus mit Sand gefüll-ten alten Autoreifen und erinnert an einen umgestülpten Schiffsrumpf. Ein Earthship. Dass dieses Projekt als erstes seiner Art in Deutschland eine Baugenehmigung erhalten hat, zeigt, dass die Stunde der Außenseiter geschlagen hat und alternatives, ökologi-sches Bauen grünes Licht sieht. Man kann kaum die sozialen Medien aufschlagen, ohne ständig von neuen, atemberaubenden Er-findungen zu lesen, wie man auf kleinstem Raum unabhängig, freier, leben kann; ob am Wasser, in der Wüste oder im kalten Norden.

Rebel architects

So werden diese Erfinder oft genannt, obwohl sie nicht unbedingt gelernte Architekten sind. Was sie verbindet, ist die Suche nach Antworten auf die Herausforderungen unserer Zeit: Klimawan-del und damit einhergehende Naturkatastrophen, Wirtschafts-krisen und Armut, steigende Flüchtlingszahlen. Ein gerechtes Zusammenleben in dieser Zukunft erfordert, das Wohnen neu zu denken. Gefragt sind heute Flexibilität, Unabhängigkeit, Ver-antwortung des Einzelnen. Die meisten dieser neuen Behau-sungsformen sind daher klein, einfach, oft mobil, CO2 neutral, und autark. Dass jeder „Haus“-Besitzer selbst für seinen Strom sorgt, sein eigenes Wasser erntet und wieder aufbereitet und sein eigenes Gemüse anbaut, bedeutet allerdings nicht, dass es hier um Technologiefeindlichkeit oder den Rückzug in die Einsamkeit geht. Photovoltaik oder Windenergie-Anlagen sind Hightech; Gemeinschaft wird in dieser „Szene“ gross geschrie-ben. Aus den USA hört man schon von einem „Tiny-House Move-ment“ und genossenschaftlich organsierten Dörfern. „off the Grid“ zu leben, die Abnabelung von kommunalen Strom- und Wassernetzen, reduziert nicht nur die privaten Aus-gaben und den Carbon Footprint, sondern beschert auch ein Hochgefühl von Unabhängikeit. Freiheit vor Besitz! Wer diese Wahl trifft, wird die Rebel Architects lieben. Diese Architektur der Freiheit stellt den Menschen an die erste Stelle und der Würde des Menschen wird vernetztes Leben mit Reglemen-tierung und Überwachung, wie z.B. in den Waben von „Smart Cities“ (siehe S. 4) nun einmal nicht unbedingt gerecht.Die Ästhetik dieser Bauten, die auf sich selbst gestellt sind wie ein Raumschiff im All, ist denn auch ein wichtiger Aspekt – auch für die Earthships. Die gefüllten Autoreifen werden mit Lehm ummantelt und gerade dieser Lehm verleiht den Earthship-Häu-

Mit Sand gefüllte alte Autoreifen und alte Glasflaschen, das sind die Haupt-Zutaten für ein Earthship: auch sonst werden lokal verfügbare, wieder verwertete oder natürliche Baumaterialien verwendet. Baut man für eine vierköpfige Familie, braucht man circa 4.000 Reifen. Auf dem Dach werden Passiv-Solaranlagen oder Photovoltaik und Windrä-der montiert. Das Dach ist auch Auffangbecken für Regen-wasser, das dann in eine Zisterne hinter dem Haus geleitet und von dort ins Haus gepumpt wird. Die Kosten richten sich danach, wie viele Leute beim Bau mithelfen. Ein Simple Survival Earthship mit circa 50 m2 Wohnfläche kostet in den USA bei hoher Eigenleistung ab 50.000 Dollar. Das Know-how wird in der Earthship Academy von Michael Reynolds in Taos, New Mexico, vermittelt. Zehn Deutsche waren bisher auf der Academy, Johannes Comeau Milke absolvierte sie 2012. Er und Jost Völker, beide von Earthships Biotecture Deutschland, beantworten alle weiteren Fragen.

warum baut ihr eigentlich Earthships?Johannes: Ich glaube, das wirklich Wichtige ist, dass man in Freiheit leben kann, sein eigenes Wasser hat, seinen eigenen Garten, seine eigene Stromversorgung. Im Winter ist es warm, im Sommer kalt. Es kann auch eine Antwort auf viele politische und gesellschaftliche Probleme sein.

Das ist ein sehr persönlicher ansatz.Jost: Ein Überleben der Menschheit ist nur durch Koope-ration möglich. Es geht nicht darum, dass jeder Mensch ein Earthship hat, überhaupt nicht, sondern darum, dass Menschen gemeinsam ein Earthship bauen, oder ein anderes Öko-Haus. Wir machen das auch, um die Welt zu retten, selbstverständlich, aber wir können und wollen auch gar nicht global agieren, sondern wir fangen einfach an, gemeinschaftlich zu bauen. Und das kann dann auch ein Beispiel für andere Menschen sein.Johannes: Vor zwei Jahren haben sich daher in ganz

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Europa Interessierte zusammengeschlossen und einzelne „radikale Zellen“ gegründet. Es sind Gemeinschaften, die sich lokal organisieren und ein Netzwerk von Menschen bil-den, die das Know-how haben und verbreiten wollen. Und eine dieser Gruppen ist Earthships Biotecture Deutschland.

wie viele leute braucht man, um ein Earthship für eine vierköpfige Familie zu bauen?Johannes: In der Regel sind das 20–50 Helfer, wobei eine Crew von fünf bis zehn Experten dabei ist. Dann kann man ein Gebäude mit drei bis vier Zimmern in einem Monat bauen.

wo kriegt ihr die autoreifen her?Johannes: Man geht halt ein bisschen sammeln: bei Mülldeponien oder Reifenhändlern. Oder man findet sie am Straßenrand oder im Meer. In den letzten 50 Jahren wurden circa zehn Milliarden Autoreifen über Bord gewor-fen. Das ist ein natürlicher Rohstoff unserer Zivilisation sozusagen.

seht ihr euch als Rebel architects? >> langes Schweigen <<<

beide: Nein.Johannes: In der Architekturszene ist es mit Sicherheit

sern ein weiches, rundes Aussehen. Durch eingebaute farbige Glasflaschen fällt das Sonnenlicht und taucht das Innere in ein sanftes Farbspiel. Die vielen Pflanzen, die außen und innen im Earthship wachsen, erzeugen ein angenehmes Klima als würde man sich unter freiem Himmel oder im Wintergarten befinden.

In ihrer Gestaltung erinnern die Earthships an die berühmten Bauten des spanischen Architekten Antoni Gaudi (1852 – 1926). Auch er wollte in erster Linie den Menschen angenehme und würdige Behausungen schaffen. Viele seiner farbintensiven, organisch geformten Gebäude schmücken Barcelona. Sie setzen bis heute einen Kontrapunkt zu den Bauformen, die den rech-ten Winkel betonen. Gaudis den rechten Winkel verschmähende Ästhetik trifft sich mit der der Earthship-Erbauer und -Gestalter. Sie bezeichnen graue, reglementierte Beton-Ästhetik als tot.

Die Idee der Verwertung von in der Umwelt vorhandenen Über-resten wohnt der Menschheit inne – allein schon aus Gründen des Überlebens. So verwendeten bereits vor 200.000 Jahren die Menschen der Steinzeit buchstäblich bis auf das letzte Haar alle Teile der erlegten Tiere. Aus ihren Knochen konstruierten sie kuppelförmige Behausungen. Diese boten ihren Bewohnern Schutz vor wilden Tieren und der unberechenbaren Natur – waren sie doch stabil und einigermaßen bruchsicher. Die Knochen von damals sind vielleicht die Autoreifen von heute – sie werden zu Schaukeln umfunktioniert, oder eben in ein Gerippe

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rebellisch und revolutionär, weil normale Architektur tot ist. Unsere Architektur ist, so wie wir sie sehen, lebendig und organisch.

was meinst du damit, das architektur tot ist?Johannes: Wenn man sich die meisten Gebäude anschaut, die nur aus Beton und in Blockform gebaut sind, sind sie grau und ohne Leben. Unsere Häuser sind eher rund, oft auch bunt, und im Einklang mit der Natur errichtet.

Ihr seht den wohlfühlfaktor als wichtig an?Johannes: Ja natürlich. Es ist eine ganz andere Luft, wenn du Pflanzen im Wohnzimmer hast. Da ist auch ein ganz anderes Raumklima – du siehst auch nichts von den Auto-reifen – die Gebäude werden mit Lehm verputzt und mit Holz gebaut, und durch die Mosaike aus Flaschensteinen scheint die Sonne durch.

Kann man Earthships eigentlich auf jedem Grund bauen?Jost: Es gibt Gründe, auf denen man nicht bauen sollte, aber grundsätzlich ja.

und wie sieht das von rechtlicher seite aus? Kann ich überall mein ship hinstellen?Jost: Es hängt davon ab, in welchem Land du bist. In vielen Ländern gibt es sogenannte „Pockets of Freedom“, auf die du, wenn dir jemand das Land zur Verfügung stellt, einfach bauen kannst. So in Amerika und weltweit. In Europa sind es eher wenige, und deshalb sind wir auch gerade interessiert daran, in Deutschland ein Beispiel-modell zu schaffen. Und ich glaube auch, dass unsere Behörden das Richtige genehmigen wollen.

seht ihr euch als architekten?Jost: Ich bin kein Architekt.Johannes: Ich bin auch kein Architekt. Wir haben aber eine Architektin im Team, eine Mitgründerin der Lebens-gemeinschaft Tempelhof, die an der UDK in Berlin ihre Diplomarbeit über Earthships geschrieben hat: Sara Serodio. Sie arbeitet überall auf der Welt im Earthships Biotecture-Team, um Erfahrungen zu sammeln: die erste in Deutschland, die so etwas bauen darf.Das könnte also wirklich ein Anfang für eine neue Archi-tektur-Richtung sein ...Jost: Das wird ein Anfang für eine neue Architektur-Richtung sein, da können wir den Konjunktiv rausnehmen. Nach diesem Projekt gibt’s schon Kunden für die nächs-ten Gebäude, also das geht grade los. ■

eingebaut, das an den Brustkorb eines Dinosauriers erinnert. Aber auch der Drang danach, sich ein autarkes Haus zu erschaf-fen, welches an vielen Orten in relativ kurzer Zeit mit wenigen Mitteln zu errichten ist, ist ein sehr alter. Vielleicht hat die Architektur der Freiheit mit Diogenes begon-nen. Der Mythos aus dem Alten Griechenland erzählt uns von jenem Philosophen, der zum Wohnen nur in seiner Tonne lebte. Und die Tonne war sogar beweglich. Ließ sich überallhin rollen. Als der damals größte und bekannteste Feldherr des Altertums, Alexander der Große, Diogenes besuchte, soll er sinngemäß ge-sagt haben, er verstelle ihm die Sicht auf die Sonne. Eine der unzähligen Nachbauten der Tonne steht an einem See in Brandenburg. Aber die Diogenese von heute scheinen mit der Kälte zu hadern. Denn im Winter und Frühjahr, wenn die Nächte kalt sind, bleibt die Tonne unbewohnt. Diogenes soll sich im Winter mit dem Schnee auf den Statuen abgerieben haben, um so gefühllos zu werden wie sie – und die Kälte nicht mehr zu spüren.

International anders

Weltweit sind die Rebel Architects am Werk. Allein die Earth-ships gibt es in jedem amerikanischen Bundesstaat, in Indien, auf den Philippinen; in Sierra Leone errichteten Aktivisten eine Waldorfschule, im erdbebengebeutelten Haiti einzelne Wohn-häuser. Vor allem in den USA haben sich als Reaktion auf die Finanzkrisen der letzten Jahre Tiny-Houses verbreitet. Winzi-ge Holzhäuschen, auf rollenden Rädern erbaut. Nicht teuer in der Anschaffung erfüllen sie trotzdem den Traum vom eigenen Heim. Und dank der Tiny-Houses müssen sich ihre Käufer nicht ein Leben lang verschulden, weil sie überteuerte Kredite für ein teures, aber fragiles Haus aufnehmen. Was dann dazu füh-ren kann, dass Familien, wie in der Finanzkrise im Jahre 2009 geschehen, ihre Häuser und ihre Bleibe verlieren, von einem Tag auf den anderen ohne Obdach sind. Sie kamen in Zeltstäd-ten unter. Die Tiny-Houses wollen vor einem solchen Schicksal absichern. Es gibt sie in rosa, grünem Anstrich, oder in dunk-leren, naturbraunen Farbtönen. Und sollten Eigentümer der Tiny-Houses einen Job in einer anderen Stadt finden, so ziehen sie mit ihrem Haus einfach weiter.Diese Vorteile suchen natürlich auch die Menschen, die in den USA seit jeher im Wohnwagen von Trailer Park zu Trailer Park ziehen. Allerdings wird auf sie dort das Stereotyp „Trailer Trash“ angewendet, sie werden oft als soziale Randgruppen mit Alkohol- und Drogenproblemen angesehen. Vielleicht wird das Tiny-House Movement, mit seiner Betonung von ökologischen Faktoren und hoher Lebensqualität, diesen Blickwinkel ja lang-fristig verändern. Mit den Tiny-Houses wird nämlich auch die Philosophie des freien Lebens auf kleinem Raum verkauft. Denn übervolle Schränke, Überflüssiges und über Jahre angesammelter, im Keller oder Aufbewahrungssystemen aufbewahrter Hausrat ha-ben dort keinen Platz mehr. Und wenig Besitz belastet das Le-ben nicht mit Putzen, Aufräumen und Ordnen, sondern macht

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Häuser aus legosteinen,

legosteine aus sand:

Fragen an Dr. Gerhard Dust, CEO von PolyCare

„Ich frage mich jeden tag aufs neue, wieso da keiner vor uns drauf gekommen ist.“

1,5 Milliarden Menschen auf der Erde haben kein Dach über dem Kopf. Weitere zwei Milliarden Menschen leben in Elends-behausungen, in Rundhütten, unter Wellblechdächern oder unter Plastikplanen. Laut dem Flüchtlingshilfswerk der UNO, UNHCR, befinden sich derzeit rund 60 Millionen Menschen auf der Flucht. Das ist die höchste jemals erfasste Zahl. Neun von zehn Flüchtlingen befinden sich in Entwicklungs-ländern. Die Bilder von Zeltstädten bis zum Horizont kennen wir alle aus den Nachrichten. In Pakistan erfroren nach dem verheerenden Erdbeben 2005 Hunderte von Menschen in ihren Zelten. Jahre später gibt es die Zeltstädte immer noch. Aber auch in Deutschland werden immer mehr Flüchtlinge in Zelten untergebracht.

Die Firma Polycare aus Gehlberg in Thüringen hat „Legosteine“ aus Sand und Polyesterharz entwickelt, die das Unterbringungsproblem lösen könnten. Mit Sand ist dabei auch Wüstensand gemeint, der zur Herstellung von Zementbeton für das konventionelle Bauen komplett ungeeignet ist ...

es überschaubarer. Und diese Überschaubarkeit macht frei für Gedanken und Ideen – kleine Räume als Pforte zu den endlo-sen Räumen der Kreativität. Und vielleicht für jene Freiheit, die Diogenes genoss.

Auch in Europa setzt man auf Klein als Zukunftsmodell. 2014 schrieb der in Köln lebende Philosoph Lars Lange den „Rachel Architekturwettbewerb“ aus. Ein Tiny-House in Modulbauweise, also stapelbar, geeignet für ko-operatives Wohnen, leicht auf- und abzubauen, energieautark – die Baukosten sollen 25.000 Euro nicht überschreiten, die Baupläne sind Open-Source. Ein Prototyp steht in Berlin, gebaut von Wieder Wild.

Inspiriert von der Idee des einfachen und energieunabhängigen Lebens bauten Wieder Wild ihr „Das Nest“ genanntes Tiny-Haus zusammen mit allen, die interessiert waren. In Workshops wird das Know-how zum Nachbau nach den online gestellten Plänen vermittelt. (zu Berlin und Van Bo Le-Mentzel siehe S. 35)

„Autarkie als Luxus“ ist das Motto des österreichischen Start-Ups Wohnwagon. Der Wohnwagon bietet 25 Quadratmeter mit einer integrierten Photovoltaikanlage, einer Bio-Toilette und Wasseraufbereitungsanlage. Theresa Steininger und Christian Frantal wollen ihn bald in Serie produzieren, zu kaufen ist er im Autarkieshop.

Manche Projekte, wie der Wohnwagon, werden durch Crowdfun-ding finanziert, manche können bestellt und gekauft werden. So wie ein an Weltraumästhetik erinnerndes eiförmiges Wohn-objekt: die Ecocapsule namens „Nikita“. Sie stammt aus dem slowenischen Büro Nice Architects, das aus drei gelernten Architekten besteht. Die ovale Form maximiert die Energieef-fizienz; das Mini Apartment verfügt über Solarzellen und eine

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Herr Dr. Dust, inwiefern verbessert Ihr Produkt die welt?Unsere Erfindung gibt den Ärmsten der Armen die Möglich-keit zu einem Haus zu kommen. Weil die Baumaterialien vor Ort vorhanden sind und der Bau denkbar einfach ist.

wie funktioniert es?Unsere Häuser bestehen zu 87 % aus Materialien, die man vor Ort findet. Mit Wüstensand kann man normalerweise nicht bauen. Mit unserem Verfahren stellen Sie aus dem vorhandenen Wüstensand und Polyesterharz Bausteine her. Die stecken Sie zusammen und fertig ist das Haus. Sie brauchen nicht mal ausgebildete Bauarbeiter dafür. Ich frage mich jeden Tag auf‘s Neue, wieso da keiner vor uns drauf gekommen ist.

was ist das Geniale daran?Dass das Häuserbauen so einfach ist. Sie brauchen die Maschine zur Produktion der Steine. Die hält 25 Jahre und kann jeden Tag die Bausteine für ein Haus produzie-ren. Das sind 7.500 Häuser. Die Steine härten in 20 bis 25 Minuten aus und können dann sofort verbaut werden (zum Vergleich: Beton braucht 25 Tage). Polymerbeton ist viermal so hart wie Zementbeton, wasserabweisend, nicht brennbar und die Steine können immer wieder verwendet werden wie bei LEGO.

was kostet so ein Haus?Wenn die Leute mithelfen, was Teil der Idee ist, dann kos-tet ein Haus mit 80 Quadratmetern unter 10.000,00 €.

Das klingt toll. Gibt es auch nachteile?Die Leute, die das brauchen, haben in der Regel über-haupt kein Geld. Die Hilfsorganisationen müssten es bezahlen. Die kaufen aber lieber alle drei Monate neue Zelte. Die Budgets sehen die Investition für die Maschine nicht vor. Da sind wir aber dran. Wir haben schon mit dem Chefeinkäufer des UNHCR gesprochen. Ein weiterer Nachteil ist, dass das Harz aus Erdöl gewonnen wird. Es gibt aber schon erste Versuche, das Harz aus nach-wachsenden Rohstoffen herzustellen. Sobald das möglich ist, ist die konventionelle Bauindustrie am Ende.

In Berlin soll ja zunehmend in die Höhe gebaut werden, weil die Berliner es nicht mögen, wenn die Flächen zu-gebaut werden. Ihre Häuser gibt es aber nur bis zu drei Stockwerken.Hochhäuser werden nicht mit Steinen, sondern mit Säulenstrukturen gebaut. Wir gehen davon aus, dass das mit größeren Polymerbetonsteinen auch möglich ist. Wir bräuchten ungefähr ein Jahr für die Entwicklung. In den Ländern, in denen unsere Häuser zunächst zum Einsatz kommen sollen ist aber meist genügend Fläche vorhan-den. Da baut man schneller und unkomplizierter Einge-schosser. Wir beiden könnten zusammen in einem Tag ein

ausfahrbare Windturbine und kann zwei Personen beherbergen. Nach Darstellung von Nice Architects können die silberweißen Wohn-Eier mit einem speziellen Kran auf den Dächern von Hochhäusern oder auf kargen Felsen einsamer Gebirge „abge-stellt“ werden. Oder für rund 2.500 Euro von Slowenien nach New York versetzt werden. 2016 sollen die ersten Ecocapsules geliefert werden. Nicht nur ökologische Überlegungen, sondern auch brennende soziale Fragen bewegen die Rebel Architects. Mit Leidenschaft und Beharrungsvermögen errichten sie Gebäude, die denjeni-gen Menschen dienen, die in größter Armut leben. Statt weite-rer Luxuswohnungen, die nur die Bedürfnisse weniger bedienen, arbeiten sie mit viel Phantasie und unkonventionellen Lösun-gen daran, die Lebensbedingungen der Ärmsten zu verbessern. So wie der brasilianische Architekt Ricardo di Oliviera, Bewoh-ner einer Favela, der Umbauten und Neubauten in den Favelas entwirft. Mit seiner Frau und seinen zwei Söhnen wohnt er dort in einem Ein-Raum-Häuschen. Seine Zeichnungen fertigt er zuweilen mit Kreidestiften auf brüchigem Betonboden an. Mehr als 100 Häuser hat er so gebaut.

In Nigeria, wo Obdachlosigkeit ein grosses Problem ist, hat man angefangen, Häuser aus Plastikflaschen und Schlamm zu bauen. Ausgangspunkt war die Initiative von zwei gemeinnützigen Ver-einen: Development Association for Renewable Energies (DARE) und der Londoner Africa Community Trust. Für den Hausbau von bis zu drei Stockwerken werden alte Plastikflaschen mit Sand gefüllt und dann mit Schlamm und Zement ummantelt. Die Häuser sind erdbebensicher, feuersicher und CO2-frei, der Schlamm sorgt für ein angenehmes Raumklima. Strom wird von Solarzellen und Methangas aus Abfällen erzeugt.

Auch aus Stoff kann man bauen. Die Architektin, Künstlerin und Designerin Abeer Seikaly spannt wetterfesten Stoff auf einen biegsamen Plastikrahmen. Taschen im Stoff sammeln Regen-wasser, das zum Trinken und Waschen genutzt wird. In heißen Umgebungen sorgt der Stoff für Ventilation und Luftbewegung, in kalten Gegenden bietet er Isolierung. Außerdem ist er mit Solarzellen verwoben, die aus Sonnenlicht genug Energie für Beleuchtung oder Batterien produzieren. Dieses Zelt von Wea-ving Home, „ein Zuhause Weben“, war ursprünglich als Behau-sung für Flüchtlinge gedacht, hat aber durch sein futuristisches Design allgemein viel Beachtung gefunden und Preise gewonnen.

Die pakistanische Architektin Yasmeen Lari entwirft Häuser aus Holz, die auf hohen „Beinen“ stehen, und so am Wasser liegen-de Dörfer vor Flutkatastrophen schützen sollen. In einem auf diese Weise errichteten Gemeinschaftshaus lagern die Dorfbe-wohner wertvolle Dinge in verschlossenen Kisten. Das nächste Hochwasser wird sie nicht wegschwemmen. Lari baut auch von der Flut zerstörte Häuser wieder auf, und zwar in althergebrach-ter Bauweise. Seit 2010 hat sie 36.000 davon errichtet.

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„Das nest“ von Wieder Wild steht im Prinzessinnengarten.

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Überschwemmungen gefährden immer wieder das Mekong Delta in Vietnam. Der vietnamesische Architekt Vo Trong Nghia hat schon Preise für seine vertikalen Farmen und begrünten Oasen in vietnamesischen Städten gewonnen. Jetzt will er für die Bau-ern im Mekong Delta erschwingliche einfache Häuser bauen. Durch billige Materialien und einfaches Design will er den Preis für ein Haus auf 3.000 US-Dollar senken.

Der Anblick der halbfertigen Neubauruinen seiner Heimatstadt Sevilla bewegte den spanischen Architekten Santiago Cirugeda. Über 500.000 Gebäude in Spanien wurden im Zuge der Finanz-krise nicht fertig gebaut. Dem Wetter ausgesetzt sind sie dem Verfall preisgegeben. Die sie umgebende trostlose Atmosphäre inspirierte Santiago Cirugeda. Die modernen Ruinen wollte er für die Öffentlichkeit nutzbar machen: in einer richtete er einen Zirkus ein. Mit vielen Vorstellungen machten beherzte Artisten und enthusiastische Zuschauer die toten Betongerippe leben-dig. Andere Ruinen wandelte Cirugeda durch zufällig gefundenes oder gespendetes Material in bewohnbare Behausungen um. Er baut schnell wie ein Guerilla-Architekt und all seine Projekte dienen sozialen Zwecken. Ihn unterstützen Architekten aus ganz

Spanien, aber aus Gründen des Baurechts stoppte die spani-sche Regierung das Engagement Cirugedas. In Deutschland ist diese Architekturbewegung einer breiteren Öffentlichkeit bisher recht unbekannt.

Raumschiff Erde

Auch den Universalgelehrten, Erfinder, Architekten, Designer, Philosophen und Schriftsteller Richard Buckminster Fuller (siehe Seite 32) könnte man als Rebel Architect bezeichnen. Bekannt wurde er durch den Bau geodätischer Kuppeln: Polyeder, die nach einer bestimmten Formel zusammengesetzt sind. Aus vielen abgeflachten Metallrohren werden Dreiecke ge-bildet, die dann zusammengeschraubt eine Kugelform mit ho-her Stabilität (Erdbebensicherheit) ergeben. Sehr beliebt war diese Bauform bei den Hippies der 60er-Jahre. Wir kennen sie aus Science-Fiction-Filmen und Planetarien. Wegen ihrer einzig-artigen Akustik verbergen sich in den hellweißen Kuppeln zu-weilen Radaranlagen, die für militärische Zwecke genutzt wer-den. Wegbereitend waren die Arbeiten des Ingenieurs Walther Bauersfeld. Für das im Jahre 1926 eröffnete Zeiss-Planetarium

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Die PolyCare Maschine

Haus bauen. Wenn die Flächensiedlung dann irgendwann geändert werden soll, nimmt man die Häuser auseinander und baut etwas Neues. Eine Klinik zum Beispiel.

Gibt es gesundheitliche Probleme mit dem Erdölprodukt?Im Gegenteil, das ist der einzige Baustoff, der in Wasser-schutzgebieten verwendet werden darf. Einmal ausge-härtet nimmt der Polymerbeton nichts mehr auf und gibt nichts mehr ab. Das Harz wird auch in Anlagen der Lebensmittelindustrie beispielsweise für Rohre verwendet.

sind die Häuser schon irgendwo im Einsatz?Wir haben eine Maschine nach Libyen geliefert, nach Tripolis. Leider können wir sie nicht aufbauen, weil dort ständig geschossen wird. Es ist einfach zu gefährlich. In Delhi in Indien haben wir ein Musterhaus gebaut. Dort bahnt sich eine Kooperation mit TATA Projects an. Die haben auch einen humanitären Unternehmensbereich. Und natürlich kann man Musterhäuser hier in Gehlberg besichtigen. Das Interesse ist riesengroß. Wir haben hier alle zwei Tage neue Delegationen aus Asien und Afrika. ■

in Jena war er maßgeblich an der Konstruktion einer selbst-tragenden Kuppel beteiligt. In Gewächshäusern und in bo-tanischen Gärten erlauben es diese Konstruktionen, dass die Pflanzen zu jeder Tageszeit in einer (sonnen-)licht durchfluteten Umgebung gedeihen können. Für die Weltausstellung im Jahre 1967 entwarf Buckminster Fuller einen Pavillon mit den Eigen-schaften geodätischer Kuppeln, der mit 76 Metern Durchmes-ser und 67 Metern Höhe die Vereinigten Staaten von Amerika repräsentierte. Heute beherbergt das Gebäude das Wasser- und Umweltmuseum Biosphere in Montreal. Die Kuppel ist mit einem komplizierten System von Sonnenschirmen ausgestattet. Sie sorgen für eine angenehme Innentemperatur des Museums während der langen kanadischen Winter. Im gleichnamigen Institut lebt das Erbe Buckminster Fullers fort. In seinem Sinne forschen Wissenschaftler aus aller Welt an der Entwicklung einer „Bedienungsanleitung für das Raumschiff Erde“. In dem wir alle reisen.

Auch die Mitglieder der Gemeinschaft von Schloss Tempelhof wollen sich nicht nur ein Haus errichten. Sie wollen eine Alter-native leben zu umweltzerstörenden Lifestyles und suchen ande-re Lebensmodelle; einen Gegenentwurf zu Verschwendung und Konsum. Sie leben den Versuch, das eigene Leben konsequent im Einklang mit der Natur zu führen. Und sie wollen nicht vereinzelt leben, sondern in Gemeinschaft. Für 28 Menschen wird dieses erste Earthship in Deutschland Lebensmittelpunkt sein. Kochen, Duschen, Spielen, Kinder erziehen, Abhängen, all das wird sich im Earthship abspielen. Die „Einzelzimmer“ werden in Bauwagen und Jurten darum herum in der Natur angeordnet. Entwickelt hat das Earthship der amerikanische Architekt Michael Reynolds. Die von ihm gegründete Firma Earthship Biotecture führt in Taos, New Mexiko, regelmäßig zwei Monate andauernde Workshops durch. Die Teilnehmenden werden in Theorie und Praxis des Baus eingeführt und stellen ihn selbst fertig. Sie müssen keine Architekturstudenten sein, aufgenom-men werden diejenigen, die gut begründen, warum sie so ein Ship bauen wollen.Es ist ein heißer Landstrich. Junge Männer mit freiem Oberkör-per und Frauen in Sandalen schleppen Autoreifen und arbeiten mit Lehm. Strahlen in die Fotokameras. Der mittlerweile über siebzig Jahre alte Michael Reynolds, dessen Gesicht von langen, weißen Haaren umrahmt ist, errichtete bereits im Jahr 1971 ein Haus aus gebrauchten Getränkedosen. Und experimentier-te weiter in der wüstenähnlichen Region. Baute Vorläufer der jetzigen Earthships im Auftrag diverser Kunden. Zu ihnen zähl-ten auch zwei amerikanische Schauspieler, die der Einzug in ein Ship und das Leben „Off the Grid“ reizte. Jedoch haben sich die Häuser in der Vergangenheit nicht immer als wetterfest erwiesen. Michael Reynolds wurde mit Klagen wegen schlecht funktionierender Earthships überhäuft; die Prozesse stellten die Seriosität des Architekten infrage. Durch den aus dem Jahre 2007 stammenden Dokumentarfilm „Garbage Warrior“ gelang es Michael Reynolds, sich zu rehabilitieren. In diesem Film setzt er sich vehement für umweltgerechtes Bauen ein.

>> weiter auf Seite 34

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Buckminster Fullerund der whole Earth catalog

„Du hast genau zehn Minuten Zeit, um auf Deine Einfälle zu reagieren, bevor sie wieder ins Reich der Träume verschwin-den.“ Diese Erkenntnis von Buckminster Fuller fiel Stewart Brand, dem Elder Statesman radikaler Ideen, gerade noch rechtzeitig ein, bevor sich 1968 seine Idee zum whole Earth catalog wieder verflüchtigte. Das Opus Magnus der Gegenkul-tur hätte nie das Licht der Welt gesehen, das Buch, das in den Augen vieler die Welt veränderte, wäre nie geschrieben worden. Dabei sollte es nur eine Art Versandhauskatalog werden, ganz nach dem Vorbild der traditionellen Outdoor Mailorder Firma L.L.Bean, die seit Anfang des 20. Jahrhunderts in den USA Kleidung und Gerätschaft noch in die hinterste Farm liefert. Nur, dass es Stewart weniger um konkrete Produkte als vielmehr um deren Ideenkerne und deren Vermittlung ging. Er träumte von der Selbstermächtigung der Menschen, von einer Alternative zur Warenwelt. Er wollte nicht Bienenstöcke verkaufen, sondern die Information, wo man sie kaufen kann und was man dazu alles wissen sollte. Er träumte von einem Katalog von Artikeln, die nichts dem Lieferanten, dafür alles dem Nutzer schulden. Ein Katalog, der sich durch seine Nutzer ständig aktualisiert und in Bewegung ist, eine Gebrauchsanleitung gemäß dem Motto „How To Make The World Work“. Im Grunde träumte Stewart von einem Internet noch bevor der Personal Compu-ter erfunden war. Entsprechend wild war aus heutiger Sicht die Produktionsweise: Das überdimensionierte A3 Format be-stand aus engbekritzelten und bebilderten, raufaserigen Seiten in schwarzweißer Collageoptik, zusammengeschnippelt und geklebt, komplett werbefrei, zunächst in 1000er Auflage, die sich mit zunehmenden Erfolg bis auf eine halbe Million Ex-emplare erhöhte. Von anfänglich 64 Seiten Umfang wuchs er auf 768 Seiten heran, die in zwei Bänden erscheinen mussten. Der whole Earth catalog wurde für ein größeres Publikum zum ersten Forum wegweisender Ideen zu ökologischer Land-wirtschaft, Sonnenenergie, Recycling, Windkraft, Kommunen, Mountain Bikes, weiblichem Orgasmus, sanfter Geburt und elektronischen Synthesizern. (Fred Turner: From Counterculture to Cyberculture: Stewart Brand, the Whole Earth Network, and the Rise of Digital Utopianism, USA, 2006). Das erste relevante Netz-

werk einer Gegenöffentlichkeit mit Geburtshelferfunktion für Entwicklungen, die weit über die ursprünglichen Intentionen hinauswuchsen, und der Architekt und Vordenker Buckminster Fuller wurde einer der Hauptautoren. Stewart Brand: „Es gab ein paar Inspiratoren aber keine Führer.“ Und für ihn gab Buck-minster Fuller einige der Grundregeln aus: Geh nur dahin, wo Du eingeladen bist; zeige keine unfertigen Arbeiten; bedenke die Würde der physischen Welt. (zitiert nach Richard Buckminster Fuller: Ideas And Integrities, Englewood Cliffs, NJ, 1963) In den Augen von Buckminster Fuller war der whole Earth catalog Teil seiner Theorie der Gebrauchsanleitung: „Ich halte es für sehr aufschlussreich, daß es für unser Raumschiff Erde keine Anlei-tung für die richtige Bedienung gibt. Wenn man sich vorstellt, mit welch unendlicher Sorgfalt alle anderen Details von unse-rem Schiff vor uns ausgebreitet sind, dann muss man es als absichtlich und planvoll ansehen, wenn ein Anleitungsbuch fehlt.“ (Ebenda) Niemand hat sich durch den whole Earth catalog mehr inspirieren lassen als Apple-Gründer Steve Jobs. „Wir frühen Hippies ließen uns durch die Beatnicks prägen, während spä-te Hippies wie Steve Jobs von uns frühen Hippies geprägt wur-den. So geht es immer weiter.“ Sagt der mittlerweile 75 jähri-ge Stewart Brand, immer noch aktiv und visionär, der sich in der letzten Ausgabe des whole Earth catalog mit den Worten verabschiedete: Stay Hungry, Stay Foolish.

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Ein Fenster. Eine Tür. Eine Treppe.

Dinge mit einer hohen Symbolkraft.

Die Psyche wohnt mit.

wie wollen wir leben?

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Quellen: aljazeera.com, trueactivist.com, Eigeninformation.Siehe auch „Rebel Architecture“, das Open Source Architecture Movement auf Facebook.

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»Umweltverschmutzung ist nichts anderes als Ressourcen, die wir nicht ernten. Wir lassen zu, dass sie sich zerstreuen, weil wir ihren Wert nicht erkannt haben.«

Richard Buckminster Fuller, 1971

Im grün-rot regierten Baden-Württemberg wird dieser Appell umgesetzt. Allerdings ist die Baugenehmigung für dieses Earth-ship an einen Kompromiss gebunden: Der Bau muss an das kommunale Wasser-und Abwassernetz angeschlossen werden. Was hier als Einschränkung zu verstehen ist, könnte für Rebel Architects allerdings auch der Weg vom freien Land, von Slums, von Krisengebieten und verlassenen Ruinen hinein in die nor-

male Stadtplanung sein – zumindest was Deutschland betrifft. Vielleicht werden sich die Vorzüge der Architektur der Freiheit einmal mit den Zwängen kommunaler Versorgung paaren, für lebenswertere, für freiere Städte.