56
LANDESARCHIV BADEN-WÜRTTEMBERG Nr. 52 / März 2016 Europa vernetzt Ein Hohenzollernprinz auf dem rumänischen Thron Württemberg, das Haus Urach und Monaco Raubkunst im Archiv? Vom „Hundertmeterbau“ zum Grundbuchzentralarchiv ARCHIVNACHRICHTEN

ARCHIV NACHRICHTEN - landesarchiv-bw.de · auf die Reise. Dabei musste er alle, seine wahre Identität verratenden Dokumente zurücklassen und selbst sein Mono-gramm aus den Accessoires

  • Upload
    others

  • View
    3

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: ARCHIV NACHRICHTEN - landesarchiv-bw.de · auf die Reise. Dabei musste er alle, seine wahre Identität verratenden Dokumente zurücklassen und selbst sein Mono-gramm aus den Accessoires

LANDESARCHIVBADEN-WÜRTTEMBERG

Nr. 52 / März 2016

Europa vernetzt

Ein Hohenzollernprinz auf dem rumänischen Thron

Württemberg, das HausUrach und Monaco

Raubkunst im Archiv?

Vom „Hundertmeterbau“zum Grundbuchzentralarchiv

ARCHIVNACHRICHTEN

Page 2: ARCHIV NACHRICHTEN - landesarchiv-bw.de · auf die Reise. Dabei musste er alle, seine wahre Identität verratenden Dokumente zurücklassen und selbst sein Mono-gramm aus den Accessoires

Verena Türck3 || Editorial

EUROPA VERNETZT

Clemens Rehm4 || Grenzüberschreitung im Archiv

Birgit Meyenberg6 || Inkognito zum Thron. Ein Hohenzollernprinz in Rumänien

Franz-Josef Ziwes9 || „Eine sociale Revolution“. Die Judenemanzipation in Rumänien

Ioan Dragan10 || Carol I. von Rumänien. Die Heiratsprojekte eines Fürsten aus demHause Hohenzollern-Sigmaringen

Birgit Meyenberg12 || Dichtung und Wirklichkeit. Zum 100. Todesjahr der ersten KöniginRumäniens

Peter Rückert14 || Margarethe von Savoyen (1420–1479) und ihre Briefe

Maria Magdalena Rückert16 || Quellen zur europäischen Ver-netzung des Deutschen Ordens imStaatsarchiv Ludwigsburg und im Netz

Maria Magdalena Rückert18 || Die Studienreisen des FerdinandGeizkofler an die europäischen Höfe sei-ner Zeit

Thomas Fricke / Thorsten Huthwelker20 || Das Gemäldekabinett und die Korrespondenz der Markgräfin KarolineLuise von Baden (1723–1783) gehen online

Martina Heine21 || Unterwegs in Europa. Adelsnetz-werke am Beispiel der katholischen Linieder Löwenstein-Wertheimer

Marionela Wolf22 || Migrationsnetzwerke – von Odessaüber Strümpfelbach nach Montreal

Claudia Wieland23 || Idyllisches Exil im Taubertal. Der abgedankte portugiesische KönigMiguel I. de Braganza in Bronnbach

Eberhard Merk24 || Württemberg, das Haus Urachund Monaco

Kai Naumann26 || Das Künstlernetzwerk und seinSpeichergedächtnis

Susanne Laux / Christina Wolf28 || Forschungsprojekt „Von der Mo-narchie zur Republik“ gestartet

Peter Müller30 || Wider „die geistige Isolierung des Archivars und der Archive“. 70 JahreSüdwestdeutscher Archivtag

Irene Brückle / Anna Haberditzl31 || Konservierung ohne Grenzen

ARCHIV AKTUELL

Robert Kretzschmar32 || Jahresbericht für 2015

Lutz Bannert / Ulrike Vogl35 || Raubkunst im Archiv? Provenienzforschung im Generallandes-archiv Karlsruhe

Gabriele Löffler36 || Deutsches Kulturgut bei eBay

Thorsten Huthwelker37 || Theater trifft Archiv

QUELLEN GRIFFBEREIT

Peter Müller38 || Reichsstädtische Urkunden imLandesarchiv werden digitalisiert

KULTURGUT GESICHERT

Alexandra Haas39 || Entdeckt und gesichert: Pläne undZeichnungen aus der württembergischenKirchenratsregistratur

Nadja Göhlich40 || Die Waffen der Restauratoren.Heute: Die Airbrushpistole und woraufPergamentrestauratoren abzielen

Anna Haberditzl 41 || DIN – EN – ISO. Normung für Bestandserhaltung auf nationaler undinternationaler Ebene

ARCHIVE GEÖFFNET

Erwin Frauenknecht42 || Kaiser Karl IV. (1316–1378) unddie Goldene Bulle. Ausstellung im Haupt-staatsarchiv Stuttgart

Konrad Krimm43 || War er wirklich wunschlos? EinAusstellungsprojekt des Generallandes-archivs Karlsruhe zu Prinz Max vonBaden

HÄUSER MIT GESCHICHTE

Michael Aumüller44 || Vom „Hundertmeterbau“ zumGrundbuchzentralarchiv

JUNGES ARCHIV

Lara A. Sauer45 || Von der Hohenzollern-Prinzessinzur Königin von Portugal

Vincent Lenk46 || Ein Bibliotheksstudent auf Abwegen

GESCHICHTE ORIGINAL: QUELLEN FÜR DEN UNTERRICHT 51

Dieter Grupp47 || Europäische Vernetzung in der Frühen Neuzeit. Das Schicksal des Christian Bantlen aus Heselwangen

Archivnachrichten 52 / 20162

Inhalt

Page 3: ARCHIV NACHRICHTEN - landesarchiv-bw.de · auf die Reise. Dabei musste er alle, seine wahre Identität verratenden Dokumente zurücklassen und selbst sein Mono-gramm aus den Accessoires

Archivnachrichten 52 / 2016 3

die Zusammenarbeit im Bereich der di-gitalen Langzeitarchivierung geschlossen.Und seit dem Herbst wird das Archiv des Landtags vom Landesarchiv fachlichbetreut.Das Thema Provenienzforschung be-schäftigt derzeit auch die Abteilungendes Landesarchivs. In Karlsruhe wird hier-zu ein Projekt zur Recherche von rele-vanten Informationen in Archivbeständendurchgeführt. Und unsere Restauratorenentwickeln ihre Methoden ständig weiterund berichten diesmal über Airbrush-Pistolen im Archiv.In diesem Frühjahr und Sommer lädtdas Landesarchiv zu Ausstellungen überKaiser Karl IV. und Prinz Max von Badenein. Durch die Präsentationen werdendiese Persönlichkeiten im Kontext ihrerjeweiligen Zeit gezeigt – auch hier wer-den adlige und grenzüberschreitende Ver-netzungen sichtbar.Als Quellen für den Unterricht stelltDieter Grupp das Schicksal des ChristianBantlen aus Heselwangen vor. DessenWeg auf der Suche nach Arbeit führteihn im 18. Jahrhundert quer durchEuropa und ist ein Beispiel für europäi-sche Migrations- und Wanderungsbe-wegungen.Wie bereits in den letzten Archivnach-richten zu lesen war, hat sich in der Redaktion ein Wechsel vollzogen. Seitmittlerweile einem Jahr bin ich in derAbteilung Fachprogramme und Bil-dungsarbeit nun für die Archivnachrich-ten zuständig und freue mich über dieseabwechslungsreiche Aufgabe und aufIhre Rückmeldungen.Eine gute Lektüre wünscht Ihnen

IhreDr. Verena Türck

Editorial

Europa vernetzt – dies ist uns gegenwär-tig besonders präsent. Täglich erfahrenwir über die Nachrichten, wie eng dieVerflechtungen auf politischer, sozialerund gesellschaftlicher Ebene in Europamittlerweile sind.Europa vernetzt – das galt aber auchschon in vergangenen Jahrhunderten. Sowurde vor 150 Jahren Prinz Karl vonHohenzollern zum rumänischen Fürstenerwählt. Ab 1881 regierte er als KönigCarol I. über Rumänien. Diese Verbin-dung zwischen Hohenzollern und Ru-mänien ist für uns Anlass, dieses Heft derArchivnachrichten der europäischen Vernetzung zu widmen.Nicht nur die Ereignisse in Rumänienbeleuchten wir in unserem SchwerpunktEuropa vernetzt ausführlich, sondernauch Briefnetzwerke, Studienreisen, Hei-ratsverbindungen, Ordensnetzwerke undaktuelle Kooperationen im Archivwesen.In vielen Artikeln dieser Archivnachrich-ten beschäftigen sich die Autorinnen undAutoren mit adeligen Personen und Fa-milien. Dies ist kein Zufall, war doch derAdel in der Frühen Neuzeit in Europa diemobilste Bevölkerungsgruppe und un-tereinander durch politische und persön-liche Beziehungen eng verbunden. Aberauch die einfache Bevölkerung reistedurch Europa – freilich oft aus anderenBeweggründen. Gerade aus dem deut-schen Südwesten wanderten im 17. bisins 19. Jahrhundert viele Menschen ausund suchten ihr Glück in der Ferne.In der Rubrik Archiv aktuell finden Sieden Jahresbericht des Präsidenten Prof.Dr. Kretzschmar. Kooperationen undVernetzungen spielten auch im Jahr 2015wieder eine wichtige Rolle in der Arbeitdes Landesarchivs. So wurden erste Ver-träge mit den kommunalen Rechenzen-tren und den Kommunalarchiven über

Page 4: ARCHIV NACHRICHTEN - landesarchiv-bw.de · auf die Reise. Dabei musste er alle, seine wahre Identität verratenden Dokumente zurücklassen und selbst sein Mono-gramm aus den Accessoires

1

Archivnachrichten 52 / 2016 Europa vernetzt4

Grenzüberschreitung im Archiv

Der Liedermacher Reinhard Mey be-schreibt 1970 in dem Lied Vertreterbe-such, wie ihm ein Globus verkauft werden soll. Doch den Kauf lehnt er alsunnötig ab, wenn die Mächtigen der Welt die Grenzen wöchentlich neu ziehen.Aber er ist nicht ganz ohne Hoffnung aufEinsicht und Frieden und vertröstet denVertreter:Schreiben Sie in Ihr Notizbuchfür das Jahr 2003:Nicht vergessen zu besuchen:Wegen Globus zu Herrn Mey!Mehr als zehn Jahre nach der Jahrtau-sendwende sind in Europa nach Zeitender Erleichterung bei GrenzübertrittenGrenzen wieder zum Thema geworden.Abseits jeder Tagesaktualität lohnt in sol-chen Momenten ein Blick in die Archive;mit dem dort verwahrten Archivgut wird menschliches Wollen, Wirken undLeiden über Jahrhunderte dokumentiertund zugänglich gemacht.In vielen Festreden werden Archive alsInstitutionen gefeiert, in denen die iden-

titätsstiftende historische Überlieferunggesichert und genutzt wird. Und in derTat werten seit dem 19. Jahrhundert un-gezählte lokal- und regionalhistorischInteressierte die in Archiven verwahrtenDokumente, diesen einzigartigen Schatz,zur Erstellung von Ortsgeschichten, zurErarbeitung von biografischen Studienoder zur Vorbereitung von historischenAusstellungen aus.Selbstverständlich können dabei Ur-kunden, Akten, Karten und Bilder zurLegitimation eigener Vorstellungen her-angezogen und zur Bestätigung von(Vor-)Urteilen zitiert werden – auch daseine Möglichkeit lokaler und regionalerIdentitätsbildung und Abgrenzung.Das ist aber nur die halbe Wirklichkeit.Denn unabhängig davon, ob die Ge-schichte von Herrscherfamilien oder derkleinen Leute in den Blick genommenwird, unabhängig davon, ob die AspektePolitik, Wirtschaft oder Kultur im Zen-trum des Interesses stehen – stets findensich im Archiv Informationen zum

Gegen-, Neben- und Miteinander. KeineDokumentation von diplomatischenVerhandlungen ohne Hinweise auf dieVorstellungen des Verhandlungspartners,keine Gerichtsakte ohne mindestens zwei unterschiedliche Auffassungen,keine Kriegsberichterstattung ohne Geg-ner, kein Geschäftsabschluss ohne Käuferund Verkäufer. Schriftlichkeit bedeutetKommunikation. Und es ist Kern bei derAuswertung archivischer Quellen, Dingeauch immer mit den Augen der anderenbetrachten zu können. Daher ist auch der Blick über den Tellerrand mit archivierten Unterlagenselbstverständlich möglich und üblich.Beispielsweise wird im deutschen Süd-westen beim Thema Ein- und Auswande-rung offenkundig, dass die Geschichteeines noch so kleinen Gemeindeteilsohne eine grenzüberschreitende Perspek-tive unvollständig bleibt: Aus wirtschaft-lichen oder religiösen Gründen verließenMenschen den Ort – oder siedelten sichan.

Page 5: ARCHIV NACHRICHTEN - landesarchiv-bw.de · auf die Reise. Dabei musste er alle, seine wahre Identität verratenden Dokumente zurücklassen und selbst sein Mono-gramm aus den Accessoires

Archivnachrichten 52 / 2016 5

Als historische Tatsache ist Grenzüber-schreitung fast in jedem Archiv greifbar.Die Archive sind sich dessen bewusstund haben in vielfältigen Aktivitäten dieBegrenztheit einer einseitigen Sicht thematisiert. Zeitlich und räumlich gibtes für das Thema Grenzen und Vernet-zungen keine Einschränkungen. Doku-mentiert sind mittelalterliche Handels-beziehungen ebenso wie neuzeitlicheReisepässe, dynastische Verbindungenebenso wie Verzeichnisse von durchrei-senden Fremden in Gemeindearchivenund selbstverständlich historische Kar-ten, auf denen die Zeitbedingtheit vonGrenzen offenkundig wird.Aber neben diesen inhaltlichen Aspek-ten ist die Institution Archiv auch alsFachbehörde beim Thema Grenzen ge-fragt.Entstanden als Verwaltungsdokumen-tation von Herrschaften spiegelt sich inArchiven die historische Dimensioneiner politischen Einheit, sei es eine Ge-meinde oder Stadt, ein Bundesland oder

lagen dort angesiedelter staatlicher Stel-len befinden sich im Generallandesar-chiv Karlsruhe, weil dieses Archiv seit derKreisreform für die staatlichen Unterla-gen des nordbadischen Regierungsbe-zirks zuständig ist, zu dem Freudenstadtinzwischen gehört.Die Zuständigkeit eines Archives de-finiert sich also gerade nicht durch aktu-elle Grenzen, sondern durch historischeEntwicklungen. Wer heute die Ge-schichte eines Ortes oder einer Regionuntersuchen will, muss zwangsläufig die-jenigen Archive aufsuchen, in denen dieUnterlagen der verschiedenen histori-schen Epochen jeweils gesichert sind. Ermuss damit selbst Grenzen überschrei-ten, sonst bleibt sein Blick unvollständig.Archive waren und sind aufgrund ihrerGeschichte und ihrer Grundsätze Insti-tutionen der Grenzüberschreitung – eineChance, die zu nutzen sich lohnt.

Clemens Rehm

Europa vernetzt

2

1 | Großherzoglich badisches Wappen auf einemGrenzstock für das Großherzogtum Baden aus dem19. Jahrhundert.Vorlage: Landesarchiv GLAK J-K B 23

2 | Handels- und Schifffahrtsvertrag Badens mit derOttomanischen Pforte vom 14. Mai 1862.Vorlage: Landesarchiv GLAK 48 Nr. 6641

ein Staat. Deren Gebiete haben sich aberdurch die Jahrhunderte immer wiederverändert; Grenzen wurden bis ins 20.Jahrhundert neu gezogen, wie in Baden-Württemberg zuletzt bei der Gemeinde-und Kreisreform in den 1970er Jahren.Wo kann nun ein interessierter NutzerUnterlagen z.B. zu Freudenstadt finden –gegründet 1599 von Herzog Friedrich I.von Württemberg als befestigte Residenz,heute zum Regierungsbezirk Karlsruhegehörig? Wie schlägt sich ein solcherProzess von Grenzveränderungen in denArchiven nieder?Die Antwort der Archive lautet Prove-

nienzprinzip: Es bedeutet, dass Unterlagenstets in ihren ursprünglichen Entste-hungszusammenhängen und den dafürzuständigen Archiven gesichert werden.Die Pläne für die württembergischePlanstadt Freudenstadt von HeinrichSchickhardt befinden sich im Hauptstaats-archiv Stuttgart, weil dort die Unterlagendes württembergischen Baumeisters liegen. Die ab 1973 entstandenen Unter-

Page 6: ARCHIV NACHRICHTEN - landesarchiv-bw.de · auf die Reise. Dabei musste er alle, seine wahre Identität verratenden Dokumente zurücklassen und selbst sein Mono-gramm aus den Accessoires

auf die Reise. Dabei musste er alle, seinewahre Identität verratenden Dokumentezurücklassen und selbst sein Mono-gramm aus den Accessoires entfernen,um bei seiner Reise durch Österreichund Ungarn nicht enttarnt zu werden.Denn Österreich hatte sich gegen dieWahl des hohenzollerischen Prinzenzum rumänischen Staatsoberhaupt aus-gesprochen.Um die Annahme der Wahl durch den Prinzen zu verhindern, wurde jederseiner Schritte bereits auf deutschemBoden argwöhnisch überwacht. Selbstvon seinen Eltern musste er heimlichAbschied nehmen. Er vertauschte seineUniform mit Zivilkleidung und reistezunächst in die Schweiz und von dortper Bahn und Schiff nach Rumänien.Um diese Reise ranken sich einige Anek-doten.So war Prinz Karl in Österreich, wosich am Vorabend des Deutsch-Deut-

2

Inkognito zum ThronEin Hohenzollernprinz in Rumänien

Archivnachrichten 52 / 20166 Europa vernetzt

Alter 26 JahreGröße 5 Fuß 7 ¼ ZollStatur schlankHaare und Augenbrauen schwarzAugen grauNase spitzigMund mittlerKinn rundBart braunGesicht länglichKennzeichen: trägt eine Brille.

So lautet das Signalement des am15.Mai1866 in der Schweiz auf den NamenCarl Hettingen, Partikulier von Thal, Bez.Unterheinthal, zur Reise nach Odessaausgestellten Passes. Tatsächlich jedochwar dieser Pass für den Prinzen Karl vonHohenzollern-Sigmaringen bestimmt.Hettingen ist eine kleine Stadt im ehe-maligen Fürstentum Hohenzollern-Sigmaringen und das dortige Schloss be-fand sich im Eigentum der Familie des

Prinzen. Dieser war jedoch nicht aufdem Weg nach Odessa, sondern nachRumänien, wo er per Volksabstimmungzum Fürsten gewählt worden war. Diebeiden Donaufürstentümer Moldau undWalachei waren 1859 von dem rumäni-schen Fürsten Alexandru Ioan Cuza ver-einigt, Cuza jedoch bereits im Frühjahr1866 gestürzt worden. Um internenMachtkämpfen und Separationstenden-zen vorzubeugen, sollte der nächsteFürst ein aus dem Ausland stammenderPrinz sein. Die Wahl des Prinzen Karlvon Hohenzollern war von Napoleon III.,Kaiser der Franzosen, unterstützt wor-den, nachdem Graf Philipp von Flanderndie rumänische Fürstenkrone abgelehnthatte.Prinz Karl suchte als preußischer Offi-zier um Urlaub von der Truppe nachund begab sich mit Duldung des preußi-schen Königs Wilhelms I., des Ober-haupts des Gesamthauses Hohenzollern,

1

Page 7: ARCHIV NACHRICHTEN - landesarchiv-bw.de · auf die Reise. Dabei musste er alle, seine wahre Identität verratenden Dokumente zurücklassen und selbst sein Mono-gramm aus den Accessoires

schen Krieges die Mobilmachung bereitsdurch erhöhte Militärpräsenz abzeich-nete, in ernsthafter Gefahr entdeckt undarretiert zu werden. Am SalzburgerBahnhof soll er von einem Beamtennach seinem Namen gefragt wordensein. Aber gerade in diesem Augenblickwar dem Prinzen das Pseudonym entfal-len. Sein geistesgegenwärtiger Begleiterdrängte sich in eigener Angelegenheitdazwischen, so dass der Inkognito-Rei-sende genügend Zeit hatte, seinen Passherauszusuchen.Die Reise ging per Schiff weiter überdie Donau und bei Turnu Severin betratKarl zum ersten Mal rumänischenBoden. Dort wurde er vom liberalen Po-litiker Joan C. Bratianu, der ihm denFürstenthron angeboten hatte, am20. Mai 1866 empfangen. Begeistert be-grüßte die Bevölkerung den Prinzen in Bukarest. Karl leistete als Fürst Carolvon Rumänien seinen Eid auf die neu

Archivnachrichten 52 / 2016 7

erlassene rumänische Verfassung undbegann sich den Problemen seinesneuen Heimatlandes zu stellen. Einesdavon war die Suzeränität des Osmani-schen Reiches über Rumänien. DerenFolgen waren zwar nicht drückend, be-deuteten jedoch für den jungen Staateinen Prestigeverlust. Bei seinem An-trittsbesuch in Konstantinopel meisterteder junge Fürst die Situation souverän:Der Sultan empfing den Gast in einemRaum seines Palastes, indem er ihm biszur Tür entgegenging. Für den Sultanstand in dem Raum ein Diwan bereit,daneben ein Sessel für den Gast, den Va-sallen. Carol setzte sich aber nicht aufdiesen, sondern direkt neben den Sultan,um seine Gleichrangigkeit zu demon-strieren.Die ersten Regierungsjahre waren ge-prägt von Versuchen zur Modernisie-rung des Landes und der Stärkung dereigenen Machtposition. Als Carol

Europa vernetzt

3

schließlich eine autoritäre Verfassunggegen die politischen Kräfte von Konser-vativen und Radikalliberalen durch-zusetzen suchte, scheiterte er. Äußerstkritisch beäugte die frankophile Ober-schicht Rumäniens ihren Herrscherwährend der französisch-preußischenAuseinandersetzungen. Aufgrund zu-nehmender innenpolitischer Problemeund des Verlusts der fürstlichen Auto-rität, nicht zuletzt wegen der Affäre umdie rumänische Eisenbahn, trug sichCarol zu Beginn des Jahres 1871 mit Ab-dankungsgedanken.Nach dieser Krise änderte der Fürstseine Amtsauffassung. Er lernte die ihmper Verfassung zugewiesene Rolle auszu-füllen. Von seiner bisherigen autoritärenHaltung abgekommen, suchte er nunhäufiger den Konsens mit Parlament undRegierung und war notfalls auch bereitnachzugeben. Bei nationalen Problemenwie der Lage der Bauern oder der Juden-

Page 8: ARCHIV NACHRICHTEN - landesarchiv-bw.de · auf die Reise. Dabei musste er alle, seine wahre Identität verratenden Dokumente zurücklassen und selbst sein Mono-gramm aus den Accessoires

Archivnachrichten 52 / 20168 Europa vernetzt

emanzipation hielt er sich zurück.Durch seine veränderte innenpolitischeHaltung und sein außenpolitisches Ansehen festigte sich seine Position er-heblich.Infolge des Russisch-Türkischen Krie-ges (1877–1878) gelang es Rumänienseine volle Souveränität zu gewinnen.Bei der Schlacht von Plewen waren rumä-nische Truppen an der Seite Russlandsbeteiligt. Dank der Neuorganisation derArmee durch Carol und seines militä-risch-strategischen Talents waren die ru-mänischen Truppen erfolgreich. Infolgedieses Krieges erlangte Rumänien seineUnabhängigkeit vom Osmanischen Reichund erklärte sich 1881 zum Königreich.Die rumänische Königskrone wurde auseiner vom osmanischen Heer in derSchlacht von Plewen erbeuteten Guss-stahlkanone hergestellt.Mit der Erlangung der Unabhängigkeitseines Landes erreichte Carol sicherlich

seinen politischen Zenit. Eine der dun-kelsten Stunden erlebte er bei Ausbruchdes Ersten Weltkrieges. Er selbst, imHerzen immer noch preußischer Offi-zier, votierte im Kronrat für einenKriegseintritt an der Seite der Mittel-mächte. Er wurde jedoch überstimmtund das Land blieb neutral. Am 10. Ok-tober 1914 verstarb der erste König vonRumänien. Zwei Jahre später trat Ru-mänien unter seinem Nachfolger KönigFerdinand an der Seite der Entente inden Ersten Weltkrieg ein.

Birgit Meyenberg

54

1 | Der Reisepass der Schweizerischen Eidgenossen-schaft des inkognito reisenden Fürsten, 1866.Vorlage: Rumänisches Nationalarchiv BukarestC.R., Miscelanee ds. 4

2 | Der junge Prinz Karl von Hohenzollern-Sigma-ringen.Vorlage: Fürstlich Hohenzollernsche Sammlungen

3 | Ergebnis des Plebiszits nach der Proklamationdes Prinzen Karl von Hohenzollern-Sigmaringenzum Fürsten von Rumänien vom 30.3./11.4.1866:685.969 Stimmen dafür, 224 Gegenstimmen.Vorlage: Landesarchiv StAS FAS HS 1-80 T 1-6 R 53,1436

4 | Briefkopf mit Abbildung von Schloss Peles imKarpatengebirge. Carol ließ das Schloss als Sommer-residenz errichten.Vorlage: Landesarchiv StAS FAS HS 1-80 T 8 Nr. 622

5 | „Auf der Reise nach der Wallachei“ im Mai 1866 – Tagebucheintragungen.Vorlage: Rumänisches Nationalarchiv BukarestC.R., Personale, Carol I, Memorii.ds.III.26

Page 9: ARCHIV NACHRICHTEN - landesarchiv-bw.de · auf die Reise. Dabei musste er alle, seine wahre Identität verratenden Dokumente zurücklassen und selbst sein Mono-gramm aus den Accessoires

Archivnachrichten 52 / 2016 9Europa vernetzt

Brief des Fürsten Carol von Rumänien an seinenBruder, den Erbprinzen Leopold von Hohenzollern,Juni 1879.Vorlage: Landesarchiv StAS FAS HS 1-80 T 8 Nr. 580

Die sozialen Spannungen, erheblicheantijüdische Ressentiments in einflussrei-chen nationalistischen, konservativenund liberalen Kreisen sowie die ungedul-dige Haltung Bismarcks setzten auch denFürsten Carol erheblich unter Druck.Ganz offen brachte er seine zwiespältigeHaltung in der privaten Korrespondenzmit seinem Bruder, dem Erbprinzen Leo-pold von Hohenzollern zum Ausdruck.Er schrieb von der Judenemanzipationals einer socialen Revolution, die tief insStaatsleben einschneidet und eine natio-nale Gefahr birgt. Der Occident befindesich in einer vollen Unkenntnis in dieserAngelegenheit und verlange trotzdem,dass das Unmögliche möglich gemachtwerde. Bismarck fahre fort, ihn zu drang-salieren und übergehe seinen, also Carolsdiplomatischen Vertreter in Berlin geflis-sentlich. Es ist dies wieder ein Mal eineBrutalität à la B[ismarck] gegen welche mannicht ankämpfen kann. In teils gitterför-

mig angelegten und damit nur schwerentzifferbaren Briefzeilen beschwerte ersich über den schlechten Willen in denparlamentarischen Kammern und diegroße Unentschlossenheit der rumäni-schen Regierung. Er selbst habe die dro-hende Gefahr einer Intervention vom Aus-lande als Schreckensbild aufgestellt, undtrotzdem sei die Aversion gegen die Judenso bedeutend, dass man so wenig wie mög-lich geben werde. Carol selbst brachte denJuden seines Landes durchaus Wohlwol-len entgegen. Zu einem konsequentenEintreten für deren Gleichberechtigungfehlten ihm jedoch Mut und Durchset-zungskraft. Dessen ungeachtet fand Ru-mänien recht bald die internationale Anerkennung. Für Rumäniens Juden frei-lich sollten sich erst in den zwanzigerJahren des nachfolgenden Jahrhundertsgrundlegende Verbesserungen ergeben.

Franz-Josef Ziwes

Der Berliner Vertrag vom Juli 1878 stelltedem Fürstentum Rumänien die lang-ersehnte internationale Anerkennung alsunabhängigem Staat in Aussicht. Aller-dings waren zwei Bedingungen daran ge-knüpft: Zum einen musste Rumänienden südlichen Teil Bessarabiens wiederan Russland abtreten, zum anderen for-derten die Vertragsmächte die verfassungs-mäßig verankerte Gleichberechtigung der Juden in Rumänien. So verlangte derArtikel 44 des Vertragswerks: In Rumä-nien darf der Unterschied des religiösen Glaubens und der BekenntnisseNiemandem gegenüber geltend gemachtwerden als ein Grund der Ausschließungoder der Unfähigkeit bezüglich des Genus-ses der bürgerlichen und politischen Rechte,der Zulassung zu öffentlichen Diensten,Ämtern und Ehren oder der Ausübung derverschiedenen Berufs- und Gewerbszweige,an welchem Orte es auch sei.Damit waren in erster Linie natürlichdie jüdischen Bewohner des jungen Fürs-tentums gemeint. Insbesondere in derMoldau hatte deren Anteil an der Bevöl-kerung durch Zuwanderung, vor allemaber durch eine günstige demografischeEntwicklung beachtlich zugenommen.Die Einbürgerung blieb den Juden aller-dings nach wie vor verwehrt. Alleinschon die öffentliche Diskussion derEmanzipationsfrage in der Verfassung-gebenden Versammlung und in der Par-lamentskommission sollte gewalttätigeAusschreitungen gegen Juden zur Folgehaben.

„Eine sociale Revolution“Die Judenemanzipation in Rumänien in den Briefen des Fürsten Carol I.

Page 10: ARCHIV NACHRICHTEN - landesarchiv-bw.de · auf die Reise. Dabei musste er alle, seine wahre Identität verratenden Dokumente zurücklassen und selbst sein Mono-gramm aus den Accessoires

ans, Maria Alexandrovna, die noch minderjährige Tochter des Zaren Alexan-der II. – eine von Bismarck ins Gesprächgebrachte Option, um Russland wohl-zustimmen – die Prinzessinnen Marieund Anne Sophie von Sachsen-Weimar,Marie von Holland, Thyra von Däne-mark und Sophie von Bayern, die Schwe-ster von Elisabeth (Sissi), Kaiserin vonÖsterreich und Königin von Ungarn.Gegen Ende des Jahres 1868 reduzierteder Vater des Fürsten die möglichen Heiratspartien auf drei: mit Thyra vonDänemark, Elisabeth zu Wied – eine alszweckdienlich erachtete Partie, wennauch ihre Familie in Rumänien wenigbekannt war – und eine Anwärterin ausdem Hause Coburg. Eine ebenfalls in Er-wägung gezogene Heirat mit Herminevon Schaumburg-Lippe scheiterte auskonfessionellen Gründen: Carol war ka-tholisch und die streng religiös erzogenePrinzessin protestantisch, die Kinderwiederum mussten laut Staatsverfassungorthodox getauft werden.Am 21. April 1869 verlangte Karl Antonvon seinem Sohn die Einwilligung, Ver-handlungen um die Hand Elisabeths vonWied einleiten zu können, obwohl andereheiratspolitische Optionen weiterhinoffen blieben. Ermutigt durch den preu-ßischen Kronprinzen machte Carol I.während seiner ersten Auslandsreise nachder Thronbesteigung im Herbst 1869 Elisabeth einen Heiratsantrag. Die reli-giöse Trauung fand am 15. November 1869in Neuwied statt. Anschließend begabsich das Fürstenpaar nach Bukarest. DieHeirat mit Elisabeth erbrachte dem Lan-desfürsten zwar moralische Vorteile, aberaufgrund der geringen Erbanwartschaftder Prinzessin keine materiellen. Diejunge Fürstenfamilie sah sich genötigt,ein bescheidenes und genügsames Hof-leben zu führen.

Ioan Dragan

Carol I. von RumänienDie Heiratsprojekte eines Fürsten aus dem Hause Hohenzollern-Sigmaringen

Am 10. Mai 1866 wurde Carol (Karl),Sohn des Titularfürsten des Hauses Ho-henzollern-Sigmaringen, Karl Anton,nach einer Volksabstimmung vom Parla-ment in Bukarest zum Herrscher von Rumänien (rum. domnitor al României)proklamiert. Er stützte sich auf die dis-krete Zustimmung von Kaiser Napoleon III.und Reichskanzler Bismarck, sah sichaber auch mit der offenen Ablehnungdurch das Osmanische Reich, Österreichund Russland konfrontiert. Mit der Be-rufung eines ausländischen Herrschersverfolgten die führenden rumänischenPolitiker die Konsolidierung der 1859vollzogenen Einigung der beiden Donau-fürstentümer Moldau und Walachei und die Anerkennung ihrer staatlichenEigenständigkeit gegenüber dem Osma-nischen Reich.Der junge Prinz setzte sich schon in den ersten Tagen nach seiner Ankunftmit aller Kraft für die innere und äußereKonsolidierung des jungen Staates ein.Dabei nahm er auch die Unterstützungseiner Familie in Anspruch, vor allemjene seines Vaters Karl Anton, dem dieVerleihung der rumänischen Staatsbür-gerschaft und ein Parlamentssitz in Aus-sicht gestellt wurden. Bis zu seinem Todim Jahre 1885 war der ehemalige preu-ßische Ministerpräsident der wichtigste Berater des rumänischen Herrschers so-wohl in privaten als auch in öffentlichenBelangen. Er war sein privater Botschafterin Preußen und bei den europäischenHöfen und Regierungen. Davon zeugendie ca. 250 Briefe an seinen Sohn aus dem reichhaltigen Archiv der königlichenFamilie, das im Rumänischen National-archiv Bukarest aufbewahrt wird.Die Hochzeit des bei seiner Inthronisa-tion 27 Jahre alten Fürsten Carol warnicht nur eine Angelegenheit des HausesHohenzollern, sondern gleichsam einevon staatspolitischer Tragweite. Vor sei-ner Berufung zum rumänischen Landes-

herrscher war Prinz Karl in die Nichtevon Kaiser Napoleon III., PrinzessinAnna Murat, verliebt. Das Heiratsprojektscheiterte jedoch, ebenso wie eine weiterefranzösische Option mit Margaret de Ne-mours, der Enkelin des von der Revolu-tion abgesetzten Königs Louis Philippe I.d' Orléans. Während der Berufungsver-handlungen und der Inthronisationscheinen die Heiratsprojekte vorüberge-hend ins Stocken geraten zu sein. Demrumänischen Landesherrscher eröffnetensich nun diesbezüglich neue Perspekti-ven. In einem Schreiben vom 14. Juni1866 bat der Vater den Sohn inständig,sich keinen weiblichen Versuchungen, dieseiner Position als Herrscher abträglichwären, auszusetzen. Er empfahl, den Zeit-punkt der Eheschließung noch hinaus-zuzögern.In den nachfolgenden Monaten kamauch Karl Anton zu der Einsicht, dass dievon Abgesandten der rumänischen Regierung mit dem russischen KanzlerGortschakow besprochene Heirat mitPrinzessin Eugenie von Leuchtenberg,einer Enkelin des Zaren, die Position desteils weiterhin beanstandeten jungenFürsten im Lande stärken könnte. Im Ver-gleich mit anderen Anwärterinnen ausden Häusern Bourbon-Parma, Coburg,Orléans und Bayern schien diese sowohlaus politischen und konfessionellen – Eugenie war der griechisch-orthodoxenKonfession des Landes zugehörig – Über-legungen heraus, als auch hinsichtlich des Besitzstandes, die komfortabelsteHeiratspartie zu sein. Carols wichtigsteeuropäische Protektoren, ReichskanzlerBismarck und Kaiser Napoleon III., setzten sich für die letztlich gescheiterterussische Partie ein.Am 5. April 1868 legte Karl Anton seinem Sohn das Ergebnis seiner europa-weiten Brautschau vor: Therese von Oldenburg, Amalie von Sachsen-Coburg,die Prinzessinnen aus dem Hause Orlé-

Archivnachrichten 52 / 201610 Europa vernetzt

Page 11: ARCHIV NACHRICHTEN - landesarchiv-bw.de · auf die Reise. Dabei musste er alle, seine wahre Identität verratenden Dokumente zurücklassen und selbst sein Mono-gramm aus den Accessoires

Archivnachrichten 52 / 2016 11Europa vernetzt

1 | Carol I. von Rumänien, Fürst von Hohenzollern-Sigmaringen (ohne Datum).Vorlage: Rumänisches Nationalarchiv Bukarest BU-F-01073-2-00001-1

3 | Fürst Carol I. und Fürstin Elisabeth auf derSuche nach einem geeigneten Standort für die Som-merresidenz Schloss Peles in Sinaia, 1872.Vorlage: Rumänisches Nationalarchiv Bukarest BU-F-01073-1-17

2 | König Carol I. und Königin Elisabeth, Holzstichvon J. Wach nach einer Zeichnung, 1890.Vorlage: Rumänisches Nationalarchiv Bukarest BU-F-01073-2-02970

Page 12: ARCHIV NACHRICHTEN - landesarchiv-bw.de · auf die Reise. Dabei musste er alle, seine wahre Identität verratenden Dokumente zurücklassen und selbst sein Mono-gramm aus den Accessoires

Die Braut, die Fürst Carol von Rumänienam 15. November 1869 zum Traualtarführte, war beinahe 26 Jahre alt, für diedamalige Zeit ein recht reifes Alter. Dochbeide Brautleute hatten zuvor schon ei-nige Eheverbindungen in Aussicht ge-habt. Die Braut, Elisabeth zu Wied, warsogar im Gespräch als Gemahlin für denbritischen Thronfolger Edward, danachfür dessen Bruder Alfred gewesen. Auchfür den jungen Fürsten von Rumänienwar es nicht leicht, eine standesgemäßeGattin zu finden. Denn der rumänischeThron galt als ein unsicherer, war dochCarols Vorgänger drei Jahre zuvor ge-stürzt worden.

Dem Paar wurde nur eine Tochter gebo-ren, die im Kleinkindalter starb. DenVerlust des einzigen Kindes und die zahl-reichen erlittenen Fehlgeburten verarbei-tete Elisabeth zu Wied, seit 1881 Königinvon Rumänien, in einer Vielzahl von Gedichten und literarischen Werken, diesie meist unter dem Pseudonym CarmenSylva veröffentlichte. Für ihr literarischesWerk erhielt sie internationale Anerken-nung, für den Aphorismenband Les pensées d’une reine 1888 sogar den PrixBotta der Académie française. Neben ei-genen Werken widmete sich die KöniginÜbersetzungsarbeiten. Auf literarischemGebiet verband sie eine Freundschaft zu

Die Hochzeit fand in Neuwied, der Hei-mat der Braut, statt und wurde sowohlnach evangelischem wie auch katholi-schem Ritus zelebriert. Allerdings wardabei von einer Trauungsaffäre dieRede. Denn der Neuwieder katholischePfarrer durfte auf Weisung seines Bi-schofs die Trauung nicht vollziehen, dagemäß der rumänischen Verfassung, dieder aus dem katholischen FürstenhausHohenzollern stammende Fürst unter-zeichnet hatte, die zu erwartenden Kin-der im orthodoxen Glauben erzogenwerden sollten. Die katholische Trauungzelebrierte schließlich ein Militärgeist-licher.

Dichtung und WirklichkeitZum 100. Todesjahr der ersten Königin Rumäniens

Archivnachrichten 52 / 201612 Europa vernetzt

1

Page 13: ARCHIV NACHRICHTEN - landesarchiv-bw.de · auf die Reise. Dabei musste er alle, seine wahre Identität verratenden Dokumente zurücklassen und selbst sein Mono-gramm aus den Accessoires

Archivnachrichten 52 / 2016 13Europa vernetzt

Kaiserin Elisabeth von Österreich. Dochstellte die Königin ihre literarische Arbeitin den Dienst der rumänischen Monar-chie und unterstützte damit die Ziele desKönigs, das Land zu modernisieren. Einimmer wiederkehrendes Thema in ihremWerk ist daher Pflicht. Sie zog renom-mierte Künstler wie Dora Hitz, AugustBungert oder Pierre Loti an ihren Hofund förderte junge Talente wie GeorgeEnescu.Nachdem Carols Neffe Ferdinand vonHohenzollern zum Kronprinzen ernanntund nach Rumänien übergesiedelt war,versuchte Elisabeth dessen Neigung zuihrer rumänischen Ehrendame ElenaVacarescu zu fördern und veranlasste

sogar die Verlobung der beiden. Aller-dings war verfassungsgemäß eine Ehedes Thronfolgers mit einem Landeskindnicht statthaft, und so löste Ferdinanddie Verlobung. Zwischen Königin undKönig kam es deshalb zum Zerwürfnis.Elisabeth verließ für drei Jahre das Land.Erst 1894, im Jahr ihrer Silberhochzeit,kehrte sie in ihr geliebtes Rumänien zu-rück. Mit dem Tod Carols am 10. Oktober1914 endete die nicht immer einfacheBeziehung zwischen dem nüchternenStaatsmann und der romantischen Dich-terin. Elisabeth verstarb am 2. März1916. Beide liegen in der Kathedrale inCurtea de Arge begraben.

Birgit Meyenberg

2

3

1 | Königin Elisabeth von Rumänien im Jahr 1894.Lithographie von A. J. Falcoyano.Vorlage: Landesarchiv StAS FAS Ef 82 G

2 | Gedicht „Waldvogels Lied“ der Königin Elisa-beth, das sie den deutschen Gesangsvereinen widmete. „Prinz Waldvogel“ heißt auch eines ihrerMärchen.Vorlage: Landesarchiv StAS FAS HS 1-80 T 13 Nr. 63

3 | Schreiben der rumänischen Königin Elisabeth an ihre Schwiegermutter Fürstin Josephine von Ho-henzollern vom 17. Februar 1899.Vorlage: Landesarchiv StAS FAS HS 1-80 T 8 Nr. 624

„Freude ist das Leben durch einenSonnenstrahl hindurch gesehen.“Carmen Sylva alias Königin Elisabeth von Rumänien (1843–1916)

Page 14: ARCHIV NACHRICHTEN - landesarchiv-bw.de · auf die Reise. Dabei musste er alle, seine wahre Identität verratenden Dokumente zurücklassen und selbst sein Mono-gramm aus den Accessoires

Margarethe von Savoyen (1420–1479). Ausschnittaus einer Altartafel von Ludwig Fries, um 1472/80.Vorlage: Landesmuseum Württemberg, Inv. Nr.13721

Die europäische Vernetzung des HausesWürttemberg tritt im späteren Mittel-alter vor allem durch seine grenzüber-schreitenden dynastischen Verbindungenhervor. Margarethe von Savoyen (1420–1479) als Gemahlin Graf Ulrichs V. undBarbara Gonzaga von Mantua (1455–1503), Frau Graf Eberhards V., sinddafür als namhafte Persönlichkeiten amwürttembergischen Hof bekannt. Sie ste-hen nicht allein für familiäre Netzwerke,sondern auch für nachhaltigen Kultur-transfer und politische Allianzen, geradeüber die Alpen nach Oberitalien.Im Gegensatz zu den übrigen Gräfinnenim Hause Württemberg hat sich fürMargarethe von Savoyen ein umfangrei-cher Briefwechsel im HauptstaatsarchivStuttgart erhalten, der einen großartigenEinblick in die Schriftkultur ihrer Zeitbietet (Bestand A 602 Nr. 260). Margare-the, die zuvor bereits mit Ludwig III. vonAnjou und Kurfürst Ludwig IV. von derPfalz verheiratet gewesen war, hatte 1453die Ehe mit Graf Ulrich V. von Württem-berg geschlossen, der ebenfalls bereitsdoppelt verwitwet war. Als Tochter Her-zog Amadeus‘ VIII. von Savoyen, der als Papst Felix V. (1439–1449) Furoremachte, entstammte Margarethe feinstenfürstlichen Kreisen; sie war eine geistigwie künstlerisch vielseitig begabte undinteressierte Frau. Ihre Vorliebe für Bü-cher und Literatur fand in prachtvollenWerken, die sie in Auftrag gab und dieihre kostbare Bibliothek schmückten,prominenten Ausdruck.Margarethes persönliche Vernetzung,ihre intensiven Kontakte zur internatio-nalen gelehrten Welt, spiegeln ihre fast150 Briefe – eingehende wie ausgehende

Schreiben – die ihre Bildung, Interessenund Weltläufigkeit demonstrieren. Indiesem Briefwechsel mit über 50 ver-schiedenen Personen und Persönlichkei-ten aus dem In- und Ausland begegnetman unterschiedlichen Gesellschafts-schichten: Margarethes Briefpartner sindebenso hohe adelige und geistliche Her-ren aus ihrer Umgebung, Amtmännerund Diener aus der württembergischenVerwaltung, wie Künstler und Gelehrteaus dem weiteren Umkreis. Sie korres-pondierte mit wichtigen Herrschaftenbzw. Fürstengenossen vor allem inBaden, Bayern und der Pfalz, aber auchin Frankreich, Burgund und den italieni-schen Fürstentümern Mailand, Piemontund Savoyen, also mit ihrer eigenen Familie. Sie erhielt Briefe in Deutsch, Latein, Französisch und Italienisch. Wirerfahren anhand ihrer eigenen Briefent-würfe, dass sie diese nicht nur verstand,sondern auch beantwortet bzw. provo-ziert hat.Bislang ist der Briefwechsel von Marga-rethe von Savoyen noch kaum wissen-schaftlich ausgewertet, und auch nachder Gegenüberlieferung ihrer Korres-pondenzpartner wurde noch nicht ge-fragt. Ein neues Erschließungsprojekt,ausgerichtet an mittelalterlichen Briefen,soll im Landesarchiv Baden-Württem-berg bald den wissenschaftlichen Zugangzu dieser großartigen Überlieferung erleichtern, wie auch die historische An-näherung an eine besondere Frau, diespätmittelalterliche Schriftkultur in ihrereuropäischen Vernetzung ganz persön-lich vermitteln kann.

Peter Rückert

Archivnachrichten 52 / 201614 Europa vernetzt14

Margarethe von Savoyen (1420–1479) und ihre BriefeSchriftkultur in europäischer Vernetzung

Page 15: ARCHIV NACHRICHTEN - landesarchiv-bw.de · auf die Reise. Dabei musste er alle, seine wahre Identität verratenden Dokumente zurücklassen und selbst sein Mono-gramm aus den Accessoires

Archivnachrichten 52 / 2016 15Europa vernetzt

Brief des berühmten Literaten und Arztes Dr. Lud-wig Steinhöwel an Margarethe von Savoyen vom 27. Mai 1474.Vorlage: Landesarchiv HStAS A 602 Nr. 260

Das Online-Findmittel zum Bestand„Württembergische Regesten“ des Haupt-staatsarchivs Stuttgart mit den Digita-lisaten der Briefe von Margarethe von Sa-voyen (Bestand A 602 Nr. 260) sieheunter: http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=1-21969.

Weiterführende Literatur: Briefe aus dem Spätmittelalter. Herrschaftliche Kor-respondenz im deutschen Südwesten. Hg. von Peter Rückert, Nicole Bickhoff,Mark Mersiowsky. Stuttgart 2015.

Page 16: ARCHIV NACHRICHTEN - landesarchiv-bw.de · auf die Reise. Dabei musste er alle, seine wahre Identität verratenden Dokumente zurücklassen und selbst sein Mono-gramm aus den Accessoires

festgehalten, um ihre Memoria begehenzu können. Der Eintrag zum 20. Märzgilt dem bedeutenden Hochmeister Her-mann von Salza, einem engen VertrautenKaiser Friedrichs II. (StAL B 279 II U 1).Diese und weitere Stücke von überre-gionaler Bedeutung, die die europäischeVerflechtung des Deutschen Ordens vorAugen führen, sollen die Wanderausstel-lung des Deutschordensmuseums BadMergentheim ergänzen, die im Rahmender Heimattage Baden-Württemberg imStaatsarchiv Ludwigsburg gezeigt werdenwird.

Maria Magdalena Rückert

Quellen zur europäischen Vernetzung desDeutschen Ordens im Staatsarchiv Ludwigs-burg und im Netz

eint, die den Orden insgesamt von sei-nen Anfängen im Mittelmeerraum bisins 19. Jahrhundert betreffen. Ihr kommteine besondere Bedeutung zu, da sieauch Stücke umfasst, die nicht mehr imOriginal überliefert sind.Um die Erforschung der Geschichte des international vernetzten DeutschenOrdens zu fördern, hat das StaatsarchivLudwigsburg nicht nur alle einschlägigenFindbücher, sondern auch herausra-gende Archivalien im Internet zur Verfü-gung gestellt, wie etwa 2.000 Pergament-urkunden. Auf der von ICARUS be-triebenen Plattform monasterium.netwurden sie mit Urkunden aus demDeutschordenszentralarchiv (DOZA)Wien in einer Sammlung zusammenge-führt, die sukzessive um Bestände ande-rer europäischer Archive erweitert wird.Online einsehbar sind hier auch die Ahnenproben aus dem DOZA in Wien.Diese können nun im Internet mit denin Ludwigsburg lagernden Stammtafeln(StAL B 241 a) verknüpft werden.Ins Netz gestellt wurden weiter Kartenund Pläne des Deutschen Ordens, aberauch Einzelstücke, an denen die interna-tionale Vernetzung der Ordensritterbesonders deutlich wird. Erwähnt seieine Chronik von 1525 (StAL B 236 Bü106), die kolorierte Wappen der Hoch-meister bis zu Albrecht von Brandenburgenthält, der 1525 zum Luthertum über-trat und damit das Ende des Ordens inPreußen besiegelte. Ein weiteres Zeugnisfür seine europaweite Dimension stelltder älteste vollständig erhaltene Nekro-log des Deutschen Ordens aus dem Jahr1346 dar. Hier wurden die Namen derverstorbenen Mitbrüder und Wohltäter

Archivnachrichten 52 / 201616 Europa vernetzt

1 | Chronik des Deutschen Ordens, 1525: Wappendes letzten Hochmeisters in Preußen, Albrecht vonBrandenburg.Vorlage: Landesarchiv StAL B 236 Bü 106, Fol. 251v

2 | Ahnenprobe des Deutschordensritters Max JosefRichard von Lützelburg, 1742.Vorlage: Landesarchiv StAL B 241 a Bü 27 Qu. 1r

3 | Ergänzung des Ordenswappens durch den fran-zösischen König Ludwig den Heiligen (1214–1270),Kupferstich von 1790.Vorlage: Landesarchiv StAL JL 425 Bd. 1 Qu. 1

4 | Sammlung Breitenbach: Bestätigung des Rechtsder Gebietiger in Livland zur freien Wahl einesLandmeisters vom 8. Juni 1528.Vorlage: Landesarchiv StAL JL 425 Bd 6 Qu. 17

Der vor über 800 Jahren im Heiligen Landgegründete Deutsche Orden hat tiefeSpuren in der Geschichte Europas hinter-lassen. Dies zeigt sich an hinterlassenenBauwerken von Königsberg bis Palermound in seiner schriftlichen Überlieferung,die über ganz Europa verteilt ist.Nach dem Verlust der preußischen Gebiete residierte der Hoch- und Deutsch-meister in Mergentheim. Von dort auswurde der zentralistisch organisierteOrden gesteuert, bis Napoleon seine Auf-lösung in den Rheinbundstaaten ver-fügte. Im Mergentheimer Hauptvertragwurde 1815 das Schicksal des an Schät-zen überaus reichen MergentheimerDeutschordenshauptarchivs besiegelt,dessen Bestände nach dem territorialenPertinenzprinzip unter den Rechtsnach-folgern des Ordens aufgeteilt wurden.Die heute im Staatsarchiv Ludwigsburgaufbewahrten Unterlagen des DeutschenOrdens (630 lfd. Meter) stellen im Wesentlichen den auf Württemberg reduzierten Rest des ehemaligen Mergent-heimer Hauptarchivs dar. Hinzukom-men aber auch unteilbare Akten, die sichauf den Gesamtorden beziehen. Zu nen-nen sind etwa die in Abschrift überliefer-ten General- und Balleikapitelbeschlüsse,die für die Zeit vom 14. bis ins 19. Jahr-hundert vorliegen, sowie umfangreiche Serien von Rechnungen und Protokollender Zentralbehörden, die im 16. Jahr-hundert einsetzen und weit über Frankenund Württemberg hinausweisen. Nichtzu vergessen ist die noch in Mergent-heim entstandene Sammlung Breitenbach(StAL JL 425), die Regesten und Ab-schriften, aber auch Ausfertigungen vonbedeutenden Urkunden und Akten ver-

Page 17: ARCHIV NACHRICHTEN - landesarchiv-bw.de · auf die Reise. Dabei musste er alle, seine wahre Identität verratenden Dokumente zurücklassen und selbst sein Mono-gramm aus den Accessoires

AusstellungLebendiger Orden mit großer Tradition. Die Geschichte des Deutschen Ordens1190 bis heute

Öffnungszeiten22. April – 14. August 2016Montag bis Donnerstag 9.00 – 16.30 UhrFreitag 9.00 – 15.30 UhrSonderöffnungen an den Sonntagen 1.5.,5.6., 3.7., 7.8. jeweils 14.00 – 17.00 Uhr

Informationen und Anmeldung zu FührungenLandesarchiv Baden-Württemberg- Staatsarchiv Ludwigsburg -Arsenalplatz 371638 LudwigsburgTelefon: 07141/186310E-Mail: [email protected]: www.landesarchiv-bw.de/stal

Archivnachrichten 52 / 2016 17Europa vernetzt

1

2

3 4

Page 18: ARCHIV NACHRICHTEN - landesarchiv-bw.de · auf die Reise. Dabei musste er alle, seine wahre Identität verratenden Dokumente zurücklassen und selbst sein Mono-gramm aus den Accessoires

Archivnachrichten 52 / 201618

Stuttgart, wurde im Alter von 18 Jahrenauf Reisen geschickt, um an den europäi-schen Höfen seiner Zeit Kontakte zuknüpfen und diplomatische Umgangs-formen und sprachliche Gewandtheit zuerlernen. Um letztere unter Beweis zustellen, schrieb er seinem Vater vom19. April 1611 bis zum 14. April 1612wöchentlich Briefe, die er abwechselndin verschiedenen Sprachen abfassenmusste. Überliefert sind von ihm 24 la-teinische, neun französische, acht italie-nische und sechs spanische Briefe. Hin-gegen bediente sich sein Hofmeister undLehrer Dominikus Orth nur der deut-schen Sprache.Die Briefe beleuchten die Erziehungdes jungen Mannes, der auf den Staats-

Der große Wert des Geizkoflerschen Ar-chivs im Staatsarchiv Ludwigsburg (StALB 90) für die allgemeine Reichs- bzw.Reichsfinanzgeschichte der ersten Hälftedes 17. Jahrhunderts ist gemeinhin be-kannt. Über die europäische Vernetzungder Familie des Zacharias Geizkoflergeben jedoch nicht nur seine Geschäfts-bücher und Schriftwechsel mit Handels-firmen, geistlichen und weltlichen Herrschaften von Warschau bis Venedigberedt Auskunft, sondern auch ein Konvolut von 47 Briefen. Diese sandtesein einziger Sohn von seinen Studien-reisen an den Vater in Haunsheim.Ferdinand Geizkofler (1592–1653), derspätere Hofkanzleidirektor und Statthal-ter des württembergischen Herzogs in

Die Studienreisen des Ferdinand Geizkofler an die europäischen Höfe seiner Zeit im Spiegel seiner mehrsprachigen Korrespondenz

dienst vorbereitet werden sollte. Zu seinen täglichen Studien gehörten nebenden Sprachen Unterweisungen in Ge-schichte, Jura und Festungsbau sowieÜbungen im Fechten. Vor allem abergibt die Korrespondenz Einblicke in dasLeben an den verschiedenen europäi-schen Höfen aus der Perspektive des jun-gen Reisenden. Sein Reiseweg führte ihnvon April bis Oktober 1611 über Stutt-gart, Heidelberg, Frankfurt und Köln anden Düsseldorfer Hof. Nach Abstechernnach Westfalen erreichte er am 19. JuniAmsterdam und bereiste zwei Wochenlang die Niederlande. Anschließend trater nach wetterbedingten Verzögerungenvon Calais aus die sieben Stunden dau-ernde Überfahrt nach England an. Nach

Europa vernetzt

1

2

Page 19: ARCHIV NACHRICHTEN - landesarchiv-bw.de · auf die Reise. Dabei musste er alle, seine wahre Identität verratenden Dokumente zurücklassen und selbst sein Mono-gramm aus den Accessoires

Archivnachrichten 52 / 2016 19Europa vernetzt

Jagdleidenschaft des Sohnes der MariaStuart – sondern auch über aktuelle Er-eignisse. So beschreibt er die Folgen desKalmarkrieges für den dänischen Königoder die Landung von sechs Indienfah-rernmit unermesslichen Reichtümern inden Niederlanden. Unterkunft boten in der Regel die Geschäftspartner des Va-ters, Handelsfirmen oder Bankhäuser,bei denen auch die benötigten Reisemit-tel hinterlegt wurden. Die nicht nur inkulturgeschichtlicher Hinsicht interes-santen Briefe des Ferdinand Geizkofler(StAL B 90 Bü 3552–3553) zeigen aufeindrückliche Weise, wie die Netzwerkedes ehemaligen Reichspfennigmeistersüber ganz Europa funktionierten.

Maria Magdalena Rückert

3

4

5

einem einmonatigen Aufenthalt in Lon-don und Umgebung durfte er weiternach Schottland reisen, wo er sich einesDolmetschers bediente. Mitte Oktoberwar er zurück in Brüssel, um ein halbesJahr lang seine Studien fortzusetzen.Ausgestattet mit Empfehlungsschreibennicht nur des Vaters, der mit zahlreichenHerrschern, wie z. B. Wolfgang Wilhelmvon Pfalz-Neuburg, Finanzgeschäfte getätigt hatte, sprach Ferdinand an denjeweiligen Höfen, etwa bei König Jakobvon England, vor und wurde direkt odernach längeren Wartezeiten vorgelassen.Er berichtet nicht nur über die Unter-schiede im Zeremoniell und in der Gast-freundschaft – Austerität am Stuttgarter,Überfluss am Heidelberger Hof oder die

Weiterführende Literatur:Karl Otto Müller: Ferdinand GeizkoflersStudienreise nach den Niederlanden undEngland in den Jahren 1611/12. In: Besondere Beilage des Staats-Anzeigers fürWürttemberg 1 (1922) S. 1–14.

1–5 | Briefe Ferdinand Geizkoflers an seinen VaterZacharias Geizkofler.Alle Vorlagen: Landesarchiv StAL B 90 Bü 3552

Page 20: ARCHIV NACHRICHTEN - landesarchiv-bw.de · auf die Reise. Dabei musste er alle, seine wahre Identität verratenden Dokumente zurücklassen und selbst sein Mono-gramm aus den Accessoires

Archivnachrichten 52 / 201620

luise.la-bw.de). Diese Präsentation ist aufdie wissenschaftlichen Bedürfnisse derNutzer abgestimmt und wurde durch dasLandesarchiv Baden-Württemberg pro-grammiert. Die Website bietet vielfältigeZugriffsmöglichkeiten in übersichtlicherForm und eine sehr differenzierte Such-funktionalität.Der schöne Nebeneffekt für Historikerjeglicher Couleur ist, dass gerade in derKorrespondenz nicht nur kunsthistorischeThemen traktiert, sondern auch viele andere Bereiche berührt werden. Beispiels-weise finden sich darin auch die Brief-wechsel mit solch illustren Gelehrten wieVoltaire (1694–1778), Carl von Linné(1707–1778) oder Johann Daniel Schöp-flin (1694–1771). Die weiteren bereitsgescannten Bände dieses so reichenNachlasses sollen nach und nach in denKatalog des Landesarchivs eingespeistwerden.

Thomas FrickeThorsten Huthwelker

Die Markgräfin Karoline Luise vonBaden war womöglich die am besten in-formierte Fürstin des 18. Jahrhunderts –zumindest auf dem Gebiet der Kunst. Sie unterhielt in ganz Europa ein Netzvon Agenten, die sie mit Katalogen vonSammlungen, Stichfolgen, kunstästhe-tischer Literatur und allerhand Informa-tionen zu Sammlern und deren Samm-lungen versorgten. Mit diesem reichenWissensschatz ausgerüstet baute sie sichmithilfe ihrer Agenten innerhalb wenigerJahre ein aus 205 Gemälden bestehendesMalereikabinett auf. Dieses sollte späterden Grundstock für die Staatliche Kunst-halle Karlsruhe bilden.Diesen Zusammenhängen widmetesich ein zweijähriges Forschungsprojekt –eine Kooperation des Generallandes-archivs Karlsruhe, der Staatlichen Kunst-halle Karlsruhe und der Università dellaSvizzera italiana in Mendrisio, gefördertvon der VolkswagenStiftung in Hanno-ver. Als Grundlage für die angestrengtenForschungen diente der aus 154 Bändenbestehende Nachlass der Markgräfin, der

im Großherzoglichen Familienarchiv desHauses Baden im GenerallandesarchivKarlsruhe liegt. Er enthält ungefähr10.000 Briefe, von und an Karoline Luise,samt ihren Aufzeichnungen und ver-schiedenen gesammelten Schriftstücken.Dieses gesamte Konvolut konnte mitGeldern der Stiftung Kulturgut Baden-Württemberg digitalisiert werden.Alle Bände mit Schriftstücken, die mitdem Kunstverständnis der Fürstin in Zu-sammenhang stehen, wurden in einerwebbasierten Datenbankanwendung ver-zeichnet und mit den Gemälden aus derKunsthalle in Beziehung gesetzt und verknüpft. Die aufgenommenen Perso-nen wurden auch durch Schlagworte erfasst und diese – soweit möglich – mitden zugehörigen Nummern der Ge-meinsamen Normdatei (GND) derDeutschen Nationalbibliothek versehen.Unter dem Titel Karoline Luise vonBaden – Kunst und Korrespondenz wer-den all diese Informationen in einer Internetpräsentation der Öffentlichkeitzugänglich gemacht (www.karoline-

Europa vernetzt

Das Gemäldekabinett und die Korrespondenzder Markgräfin Karoline Luise von Baden(1723–1783) gehen online

Johann Georg Wille (1715–1808): Beurteilung derErwerbungswünsche aus der Sammlung des Comtede Vence, Autograf, 1760.Vorlage: Landesarchiv GLAK FA 5 A Corr 96, 78(Eigentum des Hauses Baden)

Page 21: ARCHIV NACHRICHTEN - landesarchiv-bw.de · auf die Reise. Dabei musste er alle, seine wahre Identität verratenden Dokumente zurücklassen und selbst sein Mono-gramm aus den Accessoires

Archivnachrichten 52 / 2016 21

Die Mobilität war vor allem beim Adelschon früh stark ausgeprägt. Nur so ließen sich die Besitzungen, die zum Teilin den unterschiedlichsten GegendenEuropas lagen, verwalten und beaufsich-tigen. Im Mittelalter kam dazu die Not-wendigkeit, im Rahmen des Lehenswesensan den verschiedenen Feldzügen teil-zunehmen oder auch bei Gerichtstagenanwesend zu sein.Als es im 18. Jahrhundert üblich wurde,Bildungsreisen oder Kavaliersreisen zuunternehmen, waren auch Angehörigeder Familie Löwenstein-Wertheim-Rosenberg dabei. Vornehmlich die künf-tigen regierenden Grafen und Fürstenwurden an fremde Höfe in ganz Europagesandt, um ihren Horizont zu erweiternund Bekanntschaften zu knüpfen, die sie später pflegen und weiter verwendenkonnten. Eine reine Bildungsreise nachHolland unternahm Erbprinz Constan-tin zu Löwenstein-Wertheim-Rosenbergim Jahr 1819 in Begleitung seines Vaters.Von ihr liegt ein Tagebuch vor, das inForm einer Edition nachgelesen werdenkann. Ebenfalls ein Reisetagebuch gibt esvon der Fahrt über Italien in den Orient,die sein Sohn Karl Heinrich in den Jah-

ren 1857/58 unternahm, bevor er diePflichten eines Fürsten übernahm. Vorallem in Rom, einem Drehpunkt der damaligen besseren Gesellschaft, traf erBekannte und lernte über sie wiederneue Leute kennen.Auch für Verwandtschaftsbesuchebegab man sich auf Reisen, die ins euro-päische Ausland führten. Da gab es Ver-wandte in England, Österreich, Böhmenund Frankreich zu besuchen. Diese Ver-bindungen waren meist durch Eheschlie-ßungen zustande gekommen. Die Näheder katholischen Linie zum Kaiserhof inWien führte zu einer intensiven Reisetä-tigkeit vor allem in diese Richtung. Dortkonnte man seinen Geschäften und Ver-gnügungen nachgehen.Ein absolutes Muss waren allerdings die Reisen zu den verschiedenen Gütern.Diese lagen u.a. im heutigen Belgien, inFrankreich, Österreich und dem heutigenTschechien. Die in Böhmen liegendenGüter waren seit 1712 nach und nachdurch Ankauf und Erbschaft in den Be-sitz der Familie gelangt. Bleiben wir beidiesem Beispiel. Für die umfangreichenGüterkomplexe um Weseritz und Haidgab es anfangs eine Lokalverwaltung,

die der Zentralverwaltung in Wertheimunterstand. Jedoch schon im 18. Jahr-hundert gab es erste Bestrebungen, deranfänglichen Gutsverwaltung mehr Ver-antwortung zu überlassen. Dies führte ab 1855/56 zur Einrichtung einer eige-nen Zentralverwaltung. Zusammen mitderen Überlieferung blieben auch Aktenaus Wertheim bis 1945 in Haid. Nachdem Kriegsende mussten die ehemaligenBesitzer in Begleitung ihrer Bedienstetendas Land verlassen. Das Schriftgut bliebvor Ort und wurde nach Klattau, einerDependance des Staatsarchivs Pilsen ge-bracht. Über den dortigen Bestand Zen-tralverwaltung der LöwensteinischenGüter in Böhmen mit 125,4 lfd. Meterwurde im Jahr 1963 ein Inventar intschechischer Sprache verfasst.Last but not least dürfen an dieserStelle nicht die europäischen und außer-europäischen Reisen vergessen werden,die drei Generationen des Hauses Lö-wenstein im Rahmen ihres Engagementsfür den Laienkatholizismus unternahmenund die zu interessanten Verbindungenführten.

Martina Heine

Europa vernetzt

Schloss Fischhorn im Pinzgau/Österreich. DasSchloss aus dem Besitz der Gemahlin des FürstenKarl Heinrich zu Löwenstein-Wertheim-Rosenberg,Sophie geb. Prinzessin von und zu Liechtensteinwurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundertsim neugotischen Stil umgebaut. Nach einem Brand1920 erfolgte sein Wiederaufbau in wesentlichschlichteren Formen.Vorlage: Landesarchiv StAWt-A 61 Nr. 726

Unterwegs in EuropaAdelsnetzwerke am Beispiel der katholischen Linie der Löwenstein-Wertheimer

Page 22: ARCHIV NACHRICHTEN - landesarchiv-bw.de · auf die Reise. Dabei musste er alle, seine wahre Identität verratenden Dokumente zurücklassen und selbst sein Mono-gramm aus den Accessoires

Wann hier die Handlung starg geht, sokann man schwer geld verdinen.Migration zerriss und vereinte Familien-verbände. Oft schlugen Familienmitgliederunterschiedliche Migrationsrichtungenein und gingen getrennte Wege. Damit er-gaben sich im Briefverkehr bezeichnendekommunikative Dreiecksbeziehungen. Sowollten beispielsweise die Briefschreiberaus Odessa die Verbindung mit einemnach Übersee ausgewanderten Familien-angehörigen wieder aufnehmen: Jetz bitteich meine Lieb werteste Freinde diesen in-liegenden Brif, die adres darauf zu schrei-ben an unser Bruder Johan Georg Schmidund nach Ammerika zu schiken. Nichtswünschen wir uns als einen Brif von unsersBruders hand. Wir bitten sie, schreiben sieuns die adras [Adresse] auch von Amerika,das wier von hier auch an ihn schreibenkennen.Den Adressaten Johann GeorgSchmidt hatte es nach Kanada verschla-gen. Am 22. September 1806 beklagte erin einem religiös grundierten Schreibennach Strümpfelbach sein Migranten-schicksal und die Unstetigkeit mensch-lichen Daseins: […] uns dreye soh weit in der Welt von Ein andern ver schieden indieser Welt. Wier Minschen reisen in derWelt hin und her und suchen ruh und friden aber wir fanden Es nicht in der Welt.

Marionela Wolf

nellen Netzwerken zurückzuführen. DieBriefe enthalten oft relevante Botschaftenfür anstehende Wanderungsentscheidun-gen zurückgebliebener Personen. Sie mo-tivierten meistens zur Auswanderung undlösten Kettenwanderungen aus: Familien-angehörige, Verwandte und Freundezogen nach.Die 1804 nach Südrussland ausgewan-derte Handwerkerfamilie Anna Mariaund Johann Keller schrieb am 9. März 1810aus Odessa an ihre Verwandten inStrümpfelbach. Es war die Antwort aufeinen vor vier Jahren erhaltenen Brief,was angesichts der damaligen Postinfra-struktur und der dauerhaften Kriegssitua-tion auf dem Kontinent nicht verwun-derlich ist. Trefflich wird die Siedlungs-situation und das multiethnische, jatranskontinentale Umfeld geschildert:Hier ist es besser als wie im Deischland.[…] Wier brauchen keine abgaben zu be-zahlen. Was wir haben ist unser. Es seynschon 20 deischen dörfer angele[g]t. Ineinem dorf seyn 80 bis 100 Heißer. Die dör-fer liegen nicht weit von der stadt Odessa,das weiteste ist 12 Meil. Sie [die Ansiedler]kennen alles gut verkaufen. Es ist eine groseSee und Handlungs Stadt. Wier habenimmer 4 bis 5 gesellen. Es seyn deischenHerschaften hier, auch Franßhoßen [Fran-zosen], Griche, Dürken, Englinder. Es seynLeiden hier von all vir theilen der Welt.

Archivnachrichten 52 / 201622

Migrantennetzwerke bilden die Grund-lage für kommunikative Handlungsstruk-turen zwischen den in ihrem Zielgebietangelangten Auswanderern und zurück-gebliebenen Familienangehörigen, Ver-wandten und Freunden. Nicht nur beiwürttembergischen Auswanderern nachRussland und Übersee spielen kommuni-kative Netzwerke eine besondere Rolle.Diese entstehen mit der Auswanderungs-entscheidung, verdichten sich währendder Reise und entwickeln sich im Zielge-biet der Wanderung weiter. Je größer dieDistanz zwischen dem Herkunfts- unddem Zielort der Wanderung ist undFremdheit intensiver wahrgenommenwird, umso mehr sind Auswanderer aufsolche Netzwerke angewiesen. Diese fe-dern emotionale Belastungen ab und ver-ringern finanzielle Kosten und Risiken,die mit der Wanderung einhergehen.Privatbriefe in die alte Heimat, die sichin den amtlichen Akten des Landesarchivsebenso finden lassen wie in zahlreichenKommunalarchiven, vermitteln Kennt-nisse über die im Zielgebiet vorgefundenenZustände und sozialen Aufstiegschancen.Die Entstehung räumlicher Konzentratio-nen von Einwanderern aus Württembergund Baden in den südrussischen Koloni-sationsgebieten (Bessarabien, Schwarz-meergebiet) im frühen 19. Jahrhundert istauch auf die Wirksamkeit von konfessio-

Europa vernetzt

Migrationsnetzwerke – von Odessa über Strümpfelbach nach Montreal

1 | Brief des Johann Georg Schmid aus Montreal anden gleichnamigen Schultheißen von Strümpfelbachvom 22. September 1806.Vorlage: Stadtarchiv Weinstadt, GemeindearchivStrümpfelbach Box 59

2 | Kolorierte Kartenskizze des westlichen Schwarz-meergebiets, beschlagnahmt bei einem Auswanderer,1804.Vorlage: Landesarchiv StAL D 1 Bü 1351

1 2

Page 23: ARCHIV NACHRICHTEN - landesarchiv-bw.de · auf die Reise. Dabei musste er alle, seine wahre Identität verratenden Dokumente zurücklassen und selbst sein Mono-gramm aus den Accessoires

Archivnachrichten 52 / 2016 23

Manchmal kommt es zu seltsamen Kon-stellationen, landet die große Welt un-verhofft in der Provinz. Dom Miguel deBraganza, 1802 in Lissabon geboren, inBrasilien aufgewachsen und 1828–1834König von Portugal, verbrachte seineletzten Lebensjahre im ehemaligen Zi-sterzienserkloster Bronnbach im Tauber-tal. Nach Abdankung und Exil-Jahren an europäischen Fürstenhöfen hatte er1851 Prinzessin Adelheid zu Löwenstein-Wertheim-Rosenberg geheiratet. Ausderen Familienbesitz stammte der ge-meinsame künftige Wohnsitz. 1856 bezogdie Familie den einst für den Bronn-bacher Abt erbauten Trakt der Kloster-anlage. Dessen baulicher Zustand, seitJahrzehnten eher vernachlässigt, ent-sprach allerdings nicht den gehobenenAnsprüchen des herzoglichen Paares.Bisher war Bronnbach höchstens Schau-platz kurzer Aufenthalte des fürstlichenHauses gewesen. Man veranstaltete dortmeist nur Jagdgesellschaften.Umfangreiche Baumaßnahmen warendaher im Vorfeld des Einzugs zu bewerk-stelligen. Neue Wege und Straßen um die Klosteranlage wurden angelegt, derGarten hergerichtet, der mit repräsenta-tiven Stuckdecken ausgestattete Abteibaueiner Renovierung und Modernisierungunterzogen. Eine moderne eiserne Wen-deltreppe verband nun die zwei Wohn-geschosse, edle Porzellanöfen beheizten

die tapetengeschmückten Räume, eineleistungsfähige Großküche inklusiveeines Eiskellers wurde im Erdgeschosseingerichtet. Für den Fuhrpark wurdeeine Chaisenremise errichtet, dort wurdeauch die Feuerspritze untergestellt. Diefürstlichen Pferde kamen dagegen imehemaligen Refektorium des Klostersunter – vom Speisesaal zum Pferdestall.Die erhalten gebliebenen Umbaurech-nungen geben weitere schöne Detailspreis. So wurde der Schreiner für die An-fertigung eines Bouttelliengestells füretwa 700 Flaschen portugiesischen Weinsentlohnt. Man konsumierte ebenso hei-matverbunden wie international.Doch nicht nur das Gebäude selbstmusste ertüchtigt werden, auch die In-frastruktur Bronnbachs wurde den ge-stiegenen Bedürfnissen angepasst. Gün-stigerweise ergab sich die Verlegung derPostwagenlinie Tauberbischofsheim-Wertheim von der Höhe ins Taubertal,sodass 1857 eine Postexpedition inBronnbach eingerichtet werden konnte.Beim Bau der Eisenbahnlinie einigeJahre später wünschte man für denBahnhof einen Wartesaal für die hohenHerrschaften. Man stellte dafür sogareinen Baukostenzuschuss sowie Mobiliarin Aussicht. Als jedoch nur ein Wartesaal1. und 2. Klasse gebaut wurde, kamprompte Reaktion: Natürlich zahle ichnun keinen Kreuzer.

Einem gewissen Repräsentationsan-spruch geschuldet waren wohl auch diebeiden Ölgemälde von Bronnbach, fürdie der Münchner Landschaftsmaler Joseph Mosbrugger im Jahr 1857 bezahltwurde. Sicher wollte man die neue her-zogliche Residenz gebührend in Szenesetzen.Auch nach dem Tod von Miguel deBraganza 1866 blieb Bronnbach Treff-punkt europäischer Adelshäuser. Hattenseine Kinder – ein Sohn und sechs Töchter gingen aus der Ehe hervor –doch u.a. eine Prinzessin von Thurn undTaxis, einen Erzherzog von Österreich,einen bayerischen Herzog, einen Prinzenvon Bourbon und Herzog von Parmaund einen Großherzog von Luxemburggeehelicht.

Claudia Wieland

Europa vernetzt

1 | Porträt des jugendlichen Dom Miguel, Prinz vonPortugal, um 1820.Vorlage: Landesarchiv StAWt-A 56 Nr. 52

2 | Ansicht des Abteibaus bzw. „Fürst Löwen-stein’sches Schloß“ in Bronnbach, vor 1917.Vorlage: Landesarchiv StAWt-A 60 Nr. 343

1 2

Idyllisches Exil im TaubertalDer abgedankte portugiesische König Miguel I. de Braganza in Bronnbach

Page 24: ARCHIV NACHRICHTEN - landesarchiv-bw.de · auf die Reise. Dabei musste er alle, seine wahre Identität verratenden Dokumente zurücklassen und selbst sein Mono-gramm aus den Accessoires

Rückkehr nach Deutschland eng. Häufigbesuchten die Brüder ihre Verwandtenim Fürstentum. Mit ihrem Vetter FürstAlbert I. waren Wilhelm und Karl be-freundet. Der Fürst erwog sogar, Angehö-rige des Hauses Urach als seine Erbeneinzusetzen, da das Verhältnis zu seinemSohn, dem späteren Fürsten Louis II., beeinträchtigt war. Zudem hatte Louiskein eheliches Kind, sondern aus der Ver-bindung mit einer algerischen Wäscherinnur eine uneheliche Tochter, CharlotteLouvet. Als jedoch die Regierung Frank-reichs von den Absichten des Fürstenhörte, intervenierte diese sofort. Eindeutscher Adliger aus dem Hause Urachals Fürst von Monaco war für Frankreichabsolut inakzeptabel. Schließlich erließFürst Albert I. 1911 eine neue Thron-folge-Regelung, nach der das Haus Urachvon der Thronfolge ausgeschlossen undCharlotte Louvet als Thronfolgerin ein-gesetzt wurde. Später heiratet Charlotteden Grafen Pierre de Polignac, der aufseinen Namen und seine Titel verzichteteund den Namen Grimaldi annahm. Ausdieser Ehe ging unter anderem Fürst Rainier III., der Vater des jetzigen FürstenAlbert II., hervor.Durch die Heirat Florestines gelangtenauch Unterlagen, wie Ansichten von Monaco und Briefe von Fürsten und Für-stinnen des Herrscherhauses, in das Ar-chiv der Herzöge und Fürsten von UrachGrafen von Württemberg. Dieses wirdseit1987 als Depositum unter Eigentums-vorbehalt im Hauptstaatsarchiv Stuttgartverwahrt und erschlossen.

Eberhard Merk

Archivnachrichten 52 / 201624 Europa vernetzt

Württemberg, das Haus Urach und Monaco1 | Albert I. Fürst von Monaco (1848–1922) betä-tigte sich auch als Erforscher der Ozeane und grün-dete in Monaco das Ozeanographische und das Anthropologische Museum, den Exotischen Gartenund das Lycée Albert I. Obwohl er hier in Uniformabgebildet ist, war er ein überzeugter Pazifist undunterstützte die Haager Friedenskonferenzen unddie Friedensnobelpreisträgerin Bertha von Suttner.Vorlage: Landesarchiv HStAS GU 99 Nr. 148

2 | Wilhelm (II.) Herzog von Urach Graf von Würt-temberg (1864–1928). Weil er ein deutscher Generalwar, konnte Frankreich ihn und seine Nachkommenals potenzielle Fürsten von Monaco nicht akzeptie-ren.Vorlage: Landesarchiv HStAS GU 99 Nr. 483

3 | Florestine Herzogin von Urach Gräfin von Würt-temberg, geborene Prinzessin von Monaco (1833–1897) war die Tochter von Florestan Fürst von Mo-naco und die Schwester von Charles III. Fürst vonMonaco. 1863 heiratete sie Wilhelm Graf von Würt-temberg, den späteren ersten Herzog von Urach.Vorlage: Landesarchiv HStAS GU 99 Nr. 485

Im November 2015 sah Dr. ThomasFouilleron, Direktor des Archivs und derBibliothek des Fürsten von Monaco, imHauptstaatsarchiv neben Briefen der Fürsten von Monaco auch seltene Fotosvom Grimaldi-Palast ein, die für dessenRenovierung relevant sind.Wieso finden sich im HauptstaatsarchivUnterlagen zu Monaco? Um diese Fragezu beantworten, muss man in die Ge-schichte der Fürstenhäuser Grimaldi(Monaco) und Württemberg bzw. Uracheintauchen.Die Geschichte begann 1863, als Prin-zessin Florestine von Monaco (1833–1897), Tochter von Fürst Florestan I. undSchwester von Fürst Charles III., den verwitweten Grafen Wilhelm von Würt-temberg (1810–1869) heiratete. Dieserhatte aus der ersten Ehe nur Töchter undkeinen Sohn, der den Fortbestand dergräflichen Linie des Hauses Württem-berg, einer Seitenlinie des Königshauses,garantierte. Also heiratete er ein zweitesMal. 1867 wurde er durch Karl König vonWürttemberg zum Herzog von Urach erhoben, kurz darauf seine Kinder zuFürsten und Fürstinnen von Urach. DenGrafentitel behielt die Familie bei. Fürdas Haus Grimaldi bedeutete die Heirateinen Prestigegewinn, war doch derBräutigam Mitglied der Seitenlinie einesKönigshauses. Deren Fortbestand wurdemit den Geburten von Wilhelm (II.) Herzog von Urach (1864–1928) und KarlFürst von Urach (1865–1925) gesichert.Nach dem Ableben ihres Gemahls1869lebte Florestine mit den beiden Söhnenzeitweise in Monaco, wo Letztere auchdie Schule besuchten. Die Beziehungenzu Monaco blieben auch nach deren

1 2 3

Page 25: ARCHIV NACHRICHTEN - landesarchiv-bw.de · auf die Reise. Dabei musste er alle, seine wahre Identität verratenden Dokumente zurücklassen und selbst sein Mono-gramm aus den Accessoires

Europa vernetzt Archivnachrichten 52 / 2016 25

4 | Die Eisenbahnbrücke und die WallfahrtskapelleSte. Dévote in dem zum Fürstentum Monaco ge-hörenden Stadtbezirk La Condamine auf einer Post-karte, 1912.Vorlage: Landesarchiv HStAS GU 128 Bü 21

5 | Ansicht des Stadtbezirks La Condamine im Fürs-tentum Monaco auf einer Postkarte, 1911.Vorlage: Landesarchiv HStAS GU 128 Bü 20

6 | Der Fürstenpalast in Monaco-Ville auf einerPostkarte der Édition d’Art, Rostan & Meunier inNizza. Um 1200 als genuesische Festung errichtet,erfuhr der Bau im Laufe der Jahrhunderte zahl-reiche Änderungen. Der Palast, der bis heute die Residenz der Fürstenfamilie von Monaco ist, ver-einigt Stilelemente der Renaissance, des Barock und des Historismus.Vorlage: Landesarchiv HStAS GU 99 Nr. 668

4

6

5

Page 26: ARCHIV NACHRICHTEN - landesarchiv-bw.de · auf die Reise. Dabei musste er alle, seine wahre Identität verratenden Dokumente zurücklassen und selbst sein Mono-gramm aus den Accessoires

Archivnachrichten 52 / 201626 Europa vernetzt

Das Künstlernetzwerk und seinSpeichergedächtnis

Innerhalb der internationalen Land-schaft der Künstlerförderung nimmt die1990 eröffnete Akademie Schloss Soli-tude eine besondere Stellung ein. Imspätbarocken Kleid über den Dächernder Kultur- und IndustriemetropoleStuttgart angesiedelt, hat die Akademiedie Aufgabe, vor allem jüngere, besondersbegabte Künstler durch Wohnstipendienzu fördern und durch die Veranstaltungvon Aufführungen, Lesungen, Konzertenund Ausstellungen dieser Künstler in dieÖffentlichkeit zu wirken. Sie will dabei –der Name ist Programm – ihren Gästen

Rückzugsort und Freiraum für Kunstund Leben sein. Die Akademie wirktaber auch nach außen, ist Ausstellungs-ort, Versuchslabor und Diskursarena, ein Teil des globalen Netzwerks der in-ternationalen Kunstszene.Im Jahr 2009 entschied sich die Akade-mie ganz bewusst dafür, aus ihren Regi-straturen und Sammlungen ältere Teilean das Staatsarchiv Ludwigsburg abzuge-ben. Grundgedanke war dabei, die brei-ten Kompetenzen des Landesarchivs in der Bestandserhaltung zu nutzen, um an einem Ort und in einem Recherche-

Kontext das gesamte Werk der auf derSolitude betreuten Künstler zugänglichzu machen. So sind inzwischen bereitsDias, Künstlerpersonalakten und audio-visuelle Medien im Staatsarchiv an-gekommen. Selbst genuin digitale Auf-zeichnungen wie E-Mails, Digitalfotosund Datenbanken sind übergeben worden.Beim Landesarchiv gibt es dafür neuer-dings ein Ingestwerkzeug, also eine Soft-ware, die wie ein Baukasten vorhandeneMetadaten und Dateien umformt und ineine dauerhafte Umgebung einpflegt.

Page 27: ARCHIV NACHRICHTEN - landesarchiv-bw.de · auf die Reise. Dabei musste er alle, seine wahre Identität verratenden Dokumente zurücklassen und selbst sein Mono-gramm aus den Accessoires

Archivnachrichten 52 / 2016 27

im Internet anzubieten. Videoaufnah-men und Briefe, Partituren, Plakate undE-Mails lassen sich übersichtlich undvergleichend betrachten. Um die Rechteder Künstlerinnen und Künstler zu wah-ren, ist die Benutzung der Objekte in derRegel auf den Lesesaal der Staatsarchivebeschränkt.DIMAG gewährleistet das Überlebenvon digitalen Objekten, die von Obsoles-zenz bedroht sind. Formate veralten, weil sich keine Abspielumgebung mehrfindet. Das Landesarchiv wirkt dem ent-gegen, denn es entwickelt im Einklang

Das Ingestwerkzeug ist der Beitrag Hes-sens zu einer Entwicklungspartnerschaftnamens DIMAG, die gemeinsam eineSoftware-Suite für die Erhaltung digita-ler Archivalien aller Art erstellt. Abge-deckt sind die Prozesse der Nutzung, derLagerung, der Bestandserhaltung undder Zugangsbearbeitung.Das Ingestwerkzeug kann Metadaten,die in der Akademie erhoben wurden, in die Systeme des Landesarchivs über-führen, anpassen und aufbereiten. DiesesVorgehen erlaubt es, eine detaillierteListe aller Unterlagen zu einem Künstler

mit der internationalen Forschung eineInfrastruktur, die die vom Aussterben bedrohten Formate überwacht und recht-zeitig Migrationen in andere Formateanstößt. Auch die Möglichkeit von Emu-lationen wird dabei in Erwägung gezo-gen, sofern sich die Objektart dafür anbietet. Audiovisuelle Medien der Aka-demie werden im HauptstaatsarchivStuttgart verwahrt und bei Bedarf um-kopiert oder in rein digitale Objekte umgewandelt.

Kai Naumann

Europa vernetzt

Das Ingestwerkzeug erlaubt es, Metadaten aus Dateinamen, Verzeichnisnamen, XML-Objektenoder Textdateien zu entnehmen und diese mit weiteren Metadatenquellen (Lookup-Funktion) anzureichern. So entstehen aus sich selbst herausverständliche, archivgerechte Einheiten.Vorlage: Landesarchiv StAL

Szenen aus dem Leben und Wirken der Akademie-Stipendiaten.Aufnahmen: Frank Kleinbach

Page 28: ARCHIV NACHRICHTEN - landesarchiv-bw.de · auf die Reise. Dabei musste er alle, seine wahre Identität verratenden Dokumente zurücklassen und selbst sein Mono-gramm aus den Accessoires

Archivnachrichten 52 / 201628

Seit dem 1. Juni 2015 bearbeitet das Lan-desarchiv ein Forschungsprojekt zur Demokratiegeschichte im deutschenSüdwesten. Ziel des Projekts ist es, durchdie Digitalisierung und wissenschaftlicheEinordnung unterschiedlichster Quellendie gewaltigen Transformationsprozesseim Übergang von der Monarchie zur Demokratie ab den letzten Kriegsmonaten1918 bis etwa 1923 zu veranschaulichen.Dabei werden neben dem politischenWandel auch Quellen zu gesellschaftlichen,ökonomischen und kulturellen Wand-lungsprozessen in den Blick genommenund in einer sachthematischen Online-Quellensammlung aufbereitet. Diese

Quellensammlung soll über die zweiein-halbjährige Projektlaufzeit hinaus einenImpuls für die weitergehende wissen-schaftliche Erforschung dieser Umbruch-phase auf regionaler Ebene geben. Ge-fördert wird das Vorhaben vom Ministe-rium für Wissenschaft, Forschung undKunst Baden-Württemberg.In einem ersten Arbeitsschritt wurdenThemenbereiche definiert, welche dieEinordnung der Quellen in den Kontextgesamtgesellschaftlicher Prozesse er-leichtern. Weiter wurden aus den Be-ständen des Landesarchivs projektrele-vante Archivalien ausgewählt. In diesenspiegeln sich die zeitgenössischen Ein-

Forschungsprojekt „Von der Monarchie zurRepublik“ gestartetDigitalisierung von Quellen zur Demokratiegeschichte im deutschen Südwesten 1918–1923

stellungen beispielsweise zu den wirt-schaftlichen und sozialen Folgen des Ersten Weltkrieges, zum Beginn des par-lamentarischen Systems und den neuenFreiräumen in der Selbstorganisationgesellschaftlicher Kräfte in Vereinen undVerbänden wider. Die detaillierte inhalt-liche Analyse sowie die themenspezifischeEinordnung und die wissenschaftlicheAufbereitung erfolgen in Zusammen-arbeit mit dem Historischen Institut derUniversität Stuttgart.In einem nächsten Schritt werden dieQuellen digitalisiert, mit den zugehörigenErschließungsinformationen verknüpftund für eine sachgerechte Präsentation

Europa vernetzt

1

Page 29: ARCHIV NACHRICHTEN - landesarchiv-bw.de · auf die Reise. Dabei musste er alle, seine wahre Identität verratenden Dokumente zurücklassen und selbst sein Mono-gramm aus den Accessoires

Archivnachrichten 52 / 2016 29

aufbereitet. Eine besonders wichtigeRolle nimmt dabei die Anreicherung derErschließungsdatensätze mit der Ver-gabe von Normdaten für Personen undOrte ein. Zur Referenzierung einschlägi-ger Personen dient die entsprechende IDder Gemeinsamen Normdatei (GND).Orte werden über das OrtslexikonBaden-Württemberg vernetzt. DieNormdaten gewährleisten eine seman-tische Verknüpfung zwischen den projekt-relevanten Quellen, aber auch darüberhinaus. Die Verbesserung der Suchfunk-tionalitäten und Suchergebnisse, die dadurch erreicht werden kann, bietet denNutzerinnen und Nutzern bei der Arbeitmit den Quellen einen beträchtlichenMehrwert.Die Ergebnisse werden bis 2018 zumeinen als Quellensammlung in das On-line-Informationssystem des Landes-archivs eingestellt und zum anderen ineinem neu entwickelten Themenschwer-punkt im landeskundlichen Informa-tionssystem LEO-BW (www.leo-bw.de)online bereitgestellt. Damit stehen sieder Wissenschaft und Forschung sowieallen interessierten Nutzerinnen undNutzern frei zugänglich zur Verfügung.Darüber hinaus werden die Ergebnissemit den Angeboten anderer Einrich-tungen vernetzt, zum Beispiel über die Präsentation der Digitalisate in derDeutschen Digitalen Bibliothek(www.deutsche-digitale-bibliothek.de)und dem zugehörigen Archivportal-D(www.archivportal-d.de).

Susanne LauxChristina Wolf

Europa vernetzt

1 | Maueranschlag „Bauer hilf, die Städte hun-gern!“, herausgegeben vom Landesausschuss der Soldatenräte Württembergs, Mai 1919.Vorlage: Landesarchiv HStAS E 135 b Nr. 552

2 | Maueranschlag anlässlich der Verhängung desBelagerungszustands „An die Einwohner Stutt-garts“, herausgegeben vom Landesausschuss der Arbeiter- und Soldatenräte, April 1919.Vorlage: Landesarchiv HStAS E 135 b Nr. 549

3 | Die badische vorläufige Regierung, 1919.Vorlage: Landesarchiv GLAK J-Ac B 116

2

3

Themenseite zum Projekt auf der Home-page des Landesarchivs:http://www.landesarchiv-bw.de/web/59763

Page 30: ARCHIV NACHRICHTEN - landesarchiv-bw.de · auf die Reise. Dabei musste er alle, seine wahre Identität verratenden Dokumente zurücklassen und selbst sein Mono-gramm aus den Accessoires

auch in den jährlich erscheinenden Publikationen des Landesarchivs Baden-Württemberg über den Archivtag. Derjüngste Band mit den Vorträgen des75. Südwestdeutschen Archivtags in Rot-tenburg, der sich in Anlehnung an dieGrundideen der Gründerväter der Ver-anstaltung mit modernen Aspekten derVernetzung und Zusammenarbeit vonArchiven beschäftigte, wird im Frühjahrerscheinen. Dass die Tagung von der Züricher Stadtarchivarin als Tagungsprä-sidentin inhaltlich vorbereitet wurde und von den acht Referenten drei aus derSchweiz und einer aus Österreich kamen,demonstriert nachdrücklich, wie leben-dig die Ideen der Gründerväter gebliebensind. Auch auf dem diesjährigen 76. Ar-chivtag werden – moderiert von einemrenommierten Experten aus der Schweiz –wieder Referentinnen und Referentenaus den Nachbarländern erwartet. DieVeranstaltung findet am 16. und 17. Juniin Bad Mergentheim statt. Thematisiertwerden Film- und Tondokumente imArchiv. Wer noch nicht dabei war, solltesich die Gelegenheit zu einem Besuch in der Kurstadt an der Tauber nicht ent-gehen lassen.

Peter Müller

Archivnachrichten 52 / 201630

Im Oktober 2016 wird es 70 Jahre hersein, dass sich in Aulendorf ein kleinerKreis von Archivaren aus dem deutschenSüdwesten zu einem fachlichen Gedan-kenaustausch traf. Aus der zunächst fastnoch intimen Zusammenkunft wurde imLaufe der Jahre das wichtigste regionaleTreffen des Berufsstands in Baden-Würt-temberg und den angrenzenden Regionen.Sie wird regelmäßig von über einhundertKolleginnen und Kollegen besucht undkonnte im letzten Jahr in Rottenburg mitder 75. Tagung ein rundes Jubiläum fei-ern. Kennzeichnend für den Südwest-deutschen Archivtag war von Anfang ansein grenzüberschreitender Anspruch.Nach dem Zweiten Weltkrieg versuchteman so den Dialog mit dem deutsch-sprachigen Ausland und innerhalbDeutschlands auch über die neu gezoge-nen Zonengrenzen hinweg wieder inGang zu bringen, um auf diesem Weg diegeistige Isolierung des Archivars und derArchive – so der damalige KonstanzerStadtarchivar Dr. Feger – zu überwinden.Schon 1946 gingen Einladungen an Ar-chive in der Schweiz und Österreich, spä-ter stießen auch Archive in Frankreichhinzu. Seit 1950 sind Archivarinnen undArchivare aus den Nachbarländern regel-mäßig auf den Südwestdeutschen Ar-

chivtagen zu Gast. Sie engagieren sich alsVortragende, Tagungspräsident(inn)enund im Triarium, das sich als geschäfts-führendes Gremium zusammen mit demPräsidenten des Archivtags um die Orga-nisation der Archivtage kümmert. Auchbei der Wahl des Tagungsortes wurdenmehrfach die Ländergrenzen überschrit-ten: 1954 richtete mit Bregenz erstmalseine österreichische Stadt den Archivtagaus; 1966 (Basel), 1980 (St. Gallen) und2001 (Schaffhausen) war man in derSchweiz und 1995 auch in Frankreich(Wissembourg) zu Gast. In Südwest-deutschland haben sich neben zahlreichenStädten in Baden-Württemberg – man-che von ihnen schon mehrfach – Kom-munen in Bayern (Memmingen 1951,Lindau 1952 und 2005, Nördlingen 1955,Ottobeuren 1964, Kempten 1973, Augs-burg 1991 und Aschaffenburg 1997) und Rheinland-Pfalz (Landau 1965,Neustadt a. d. Weinstraße 1973, Speyer1989 und Bad Bergzabern 2012) als Ausrichter betätigt.Wie kaum ein anderer regionaler Ar-chivtag in Deutschland steht der Süd-westdeutsche Archivtag damit für eineeuropaweite Vernetzung des Berufs-stands. Nachvollziehen kann man denfachlichen Austausch seit einigen Jahren

Europa vernetzt

Wider „die geistige Isolierung des Archivarsund der Archive“70 Jahre Südwestdeutscher Archivtag

Archivare als Schauspieler bei der Auftaktveranstal-tung zum 72. Südwestdeutschen Archivtag 2012 inBad Bergzabern.Aufnahme: Landesarchiv Baden-Württemberg

Sitzung der Triarier beim 68. Südwestdeutschen Archivtag 2008 in Ulm.Aufnahme: Gerhard Rechter

Page 31: ARCHIV NACHRICHTEN - landesarchiv-bw.de · auf die Reise. Dabei musste er alle, seine wahre Identität verratenden Dokumente zurücklassen und selbst sein Mono-gramm aus den Accessoires

Archivnachrichten 52 / 2016 31

Papierrestaurierung ist ein hochspezia-lisiertes Fach. Über weite Strecken seinerGeschichte entfaltete es sich durch vie-lerorts gleichzeitige Entwicklungen –vernetzt über Aus- und Fortbildungenals wichtigste Instrumente der Metho-denvermittlung.Ein verschriftlichtes Wissensfundamentzu einem wichtigen Teilgebiet entstandmit dem 2013 in den USA vom AmericanInstitute for Conservation preisgekrön-ten Lehrbuch Paper and Water. A Guidefor Conservators (Gerhard Banik, IreneBrückle, Elsevier, 2011). Dieses wurdedurch die Europäische Kommission imRahmen ihres Leonardo da Vinci-Pro-gramms am Studiengang Restaurierungund Konservierung von Kunstwerkenauf Papier, Archiv- und Bibliotheksgutan der Staatlichen Akademie der Bilden-den Künste Stuttgart zwischen 2002 und2005 gefördert und in Zusammenarbeitmit internationalen Partnern – demCentre for the Study of the Preservationand Restoration of Cultural Property(ICCROM), dem Institute of Paper Con-servation (ICP) und dem größten euro-päischen Fachverband, der Internatio-nalen Arbeitsgemeinschaft der Archiv-,Bibliotheks- und Grafikrestauratoren(IADA) – entwickelt. In der Entwicklungund Folge dieses Lehrbuchs wurdenzahlreiche Kurse gegeben, darunter aucham Institut für Erhaltung in Ludwigs-burg. Die didaktisch umfassend aufbe-reitete Wissensbasis des englischen Lehr-buchs ist nun 2015 mit dem Titel Papierund Wasser. Ein Lehrbuch für Restaura-toren, Konservierungswissenschaftler undPapiermacher in deutscher Sprache er-schienen (Verlag Anton Siegl). Damitkonnte am Studiengang das 2001 vonGerhard Banik und Irene Brückle, diedamals am Buffalo State College war undheute in Baniks Nachfolge als Leiterin

des Studiengangs tätig ist, begonneneProjekt nach 15 Jahren intensiver ge-meinsamer Arbeit abgeschlossen werden.Neben diesem beispielhaften Projekthat die EU eine ganze Reihe von Vorha-ben zur Konservierungsforschung geför-dert bzw. fördert sie noch. Diese habenso klangvolle Namen wie MEMORI,MUSECORR, INKCOR, IDAP, PAPER-TREAT, PAPYLUM und SURVENIR.Auch haben die Restauratorenverbändewie die IADA ihr Fachgebiet längst inter-nationalisiert. Vielfältige Fortbildungs-und Tagungsangebote vernetzen die Wis-senschaftsgebiete der Restaurierung undNaturwissenschaften effektiv; auch derFörderverein Papierrestaurierung Stuttgartist hier aktiv (www.foerderverein-papier-restaurierung.de). Verbandszeitschriftenwie das Journal of Paper Conservation(IADA) vermitteln die papierrestaurato-rische Forschung internationaler Stu-dienprogramme. In diesem und anderenFachorganen wie dem Restaurator wer-den auch aus dem Stuttgarter Studien-gang traditionell eine Vielzahl der Abschlussarbeiten publiziert. Viele davonsind in externen, teils internationalenKooperationen entstanden.Eine europäische Kooperation speziel-ler Art bildete sich als Reaktion auf dieFlutkatastrophen der vergangenen Jahre,die naturgemäß keine politischen Gren-zen kannten: Unter dem Namen EURA-NED (European Archival Network forDisaster Management) haben Archivareaus Deutschland, Polen und Tschechienmehrsprachige Informationen zur Not-fallvorsorge und -bewältigung auf derHomepage www.euraned.eu zusammen-getragen.

Irene BrückleAnna Haberditzl

Europa vernetzt

Konservierung ohne GrenzenEuropäische Projekte der Forschung, Lehre und Fortbildung

1 | Kurssituation mit Demonstration einer dosiertenWasserapplikation.Vorlage: Staatliche Akademie der Bildenden KünsteStuttgart

2 | Gerhard Banik, Irene Brückle: Papier und Was-ser. Ein Lehrbuch für Restauratoren, Konservierungs-wissenschaftler und Papiermacher. 2015.Vorlage: Gerhard Banik und Irene Brückle

1

2

Page 32: ARCHIV NACHRICHTEN - landesarchiv-bw.de · auf die Reise. Dabei musste er alle, seine wahre Identität verratenden Dokumente zurücklassen und selbst sein Mono-gramm aus den Accessoires

Archivnachrichten 52 / 201632

In der Überschrift sind bereits einige wesentliche Meilensteine genannt, die dasLandesarchiv im vergangenen Jahr er-reicht hat. Im Herbst wurde nach langenVerhandlungen eine Verwaltungsverein-barung mit dem Landtag von Baden-Württemberg geschlossen, mit der dasLandesarchiv auf der Grundlage des Lan-desarchivgesetzes die archivische Betreu-ung der Unterlagen der Landtagsverwal-tung übernommen hat. Eine wesentlicheVoraussetzung dafür war die Zuweisungvon zwei zusätzlichen Stellen für ein neueingerichtetes Sachgebiet im Hauptstaats-archiv Stuttgart, das nun für die Erfas-sung, Bewertung, Erschließung und dau-erhafte Erhaltung der bedeutsamenÜberlieferung des Landtags zuständig ist.Ebenfalls erfolgreich abgeschlossenwurden Gespräche mit den kommunalenRechenzentren und Arbeitsgemeinschaf-ten der kommunalen Archive in Baden-Württemberg über die Kooperation aufdem Feld der Archivierung genuin digita-ler Unterlagen. Sie mündeten in Vertrags-abschlüsse mit den Rechenzentren undbis Jahresende mit bereits fünf Kommu-nalarchiven über die Nutzung der vomLandesarchiv mit seinen Verbundpartnernauf Länderebene entwickelten Software-Lösung DIMAG ein.Neben der digitalen Archivierung ver-folgt das Landesarchiv mit einer Anzahlweiterer Projekte das Ziel, sich kunden-orientiert im digitalen Zeitalter auszu-richten. Im landeskundlichen Informati-

onssystem LEO-BW Landeskunde entde-cken online wurde als Ergebnis eines ge-meinsamen Projekts mit der Kommissionfür geschichtliche Landeskunde inBaden-Württemberg und dem Landes-amt für Geoinformation und Land-entwicklung der Historische Atlas vonBaden-Württemberg integriert. Die neueingerichtete Präsenz von LEO-BW in Facebook stößt auf viel Resonanz. Das-selbe gilt für die vom Landesarchiv neuüber den Online-Dienst Twitter bereitge-stellten Informationen zum Angebot inder Deutschen Digitalen Bibliothek (DDB)bzw. dem darin realisierten Archivportal-D (vgl. Jahresbericht für 2014).Plangemäß aufgenommen wurde dieArbeit an einem wiederum von der Deut-schen Forschungsgemeinschaft (DFG)geförderten Folgeprojekt zur Weiterent-wicklung des Archivportals-D. Das eben-falls von der DFG geförderte TeilprojektDigitalisierung archivalischer Fotobeständeim Rahmen des DFG-ProduktivpilotenDigitalisierung archivalischer Quellenwurde erfolgreich abgeschlossen; die dar-aus entstandenen Digitalisate sind bereitsonline.Bei der Überlieferungsbildung werdenin zunehmendem Maße digitale Unter-lagen der vielfältigsten Art gesichert. Be-sondere Aufmerksamkeit ist Entwicklun-gen zu widmen, in deren Folge Schriftgutauf Papier in der Verwaltung durch er-setzendes Scannen digitalisiert wird; ent-sprechende Projekte der Justiz erfolgen

bereits in Abstimmung mit dem Landes-archiv. Konzeptionell hat sich das Landes-archiv 2015 auch vertieft mit der Über-nahme von E-Mail-Accounts befasst, ein-schließlich des archivrechtlichen Aspektsder Anbietungspflicht. Von größter Be-deutung ist die frühzeitige Beteiligungdes Landesarchivs an allen Vorhabenelektronischer Aktenführung. Vorbildlichfür das notwendige Zusammenwirkenzwischen den Stellen, die Unterlagen pro-duzieren, und den Archiven war das aufBundesebene durchgeführte Projekt zurBehandlung von Geobasisdaten, das Leit-linien zur bundesweit einheitlichen Archi-vierung von Geobasisdaten zum Ergebnishatte.Unserer Präsenz in der digitalen Weltdient insbesondere auch die Zugänglich-machung von Archivgut in Form von Digitalisaten im Netz. Die Zahl der ab-rufbaren Digitalisate konnte gegenüberdem Vorjahr von 4,2 auf 6,2 Mio. erhöhtwerden. Wie schon 2015 war dies durcheine starke Konzentration auf die Digita-lisierung von vorliegenden Mikrofilmenaus der Sicherungsverfilmung möglich.Das Ziel, im Einklang mit soweit fest-gelegten und laufend zu überprüfendenPrioritäten die Digitalisierung von Ar-chivgut zu intensivieren, wurde damit erreicht.Auch die übrigen abteilungsübergrei-fenden Eckpunkte der mittelfristigen Planung konnten umgesetzt werden. DerGesamtumfang des in Online-Findmit-

Archiv aktuell

Neue Partner: Landtag und KommunenJahresbericht des Landesarchivs Baden-Württemberg für 2015

Page 33: ARCHIV NACHRICHTEN - landesarchiv-bw.de · auf die Reise. Dabei musste er alle, seine wahre Identität verratenden Dokumente zurücklassen und selbst sein Mono-gramm aus den Accessoires

Archivnachrichten 52 / 2016 33

teln erschlossenen Archivguts wurde auf53,7 % gesteigert, was wie in den Vorjah-ren durch Fördermittel der DFG unter-stützt wurde. Der Umfang der erschlosse-nen und sachgerecht konservierten Be-stände konnte erneut erhöht und somitRückstände abgebaut werden: 1.405 Regalmeter an neu hinzugekommenem Archivgut stehen 2.164 Regalmeter anfachgerecht verpacktem und 4.351 Regal-meter an neu erschlossenem Archivgutgegenüber.Im Einklang mit dem Ausbau der On-line-Informationsangebote des Landes-archivs erhöhten sich wiederum die Zugriffe darauf; sie lagen bei 74 Mio. ge-genüber 66 Mio. im Vorjahr. Auch hattedie wachsende Präsenz im Netz wie-derum ihre Auswirkungen auf die Anzahlder schriftlichen Auskünfte, die auf10.788 (2014: 9.873) anstieg. In den Lese-sälen des Landesarchivs blieb die Nut-zung auf hohem Niveau konstant; erneuterhöht hat sich jedoch die Zahl der ab-gegebenen Reproduktionen (384.289;2014: 362.954).Vielfältig waren wiederum die Angeboteund Veranstaltungen des Landesarchivsin der vermittelnden Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit. Alle Archivabtei-lungen waren mit Foyer- oder laufendenWanderausstellungen daran beteiligt,wie aus Berichten in den jüngsten Aus-gaben der Archivnachrichten sowie denJahresberichten der einzelnen Häuser im Netz deutlich wird. Insgesamt haben

im vergangenen Jahr 67.571 Personen 19Ausstellungen des Landesarchivs be-sucht (2014: 56.983). Besonders ein-drucksvoll war das große Interesse amFestakt und einer Ausstellung des Staats-archivs Sigmaringen zum 150-jährigenJubiläum der Einrichtung. Im Rahmeneiner Kooperation mit der StaatlichenKunsthalle in Karlsruhe bei der Ausstel-lung Die Meister-Sammlerin. KarolineLuise von Baden war das Landesarchivüber seine Abteilung Generallandesar-chiv Karlsruhe zudem erstmals offiziellerPartner einer Großen Landesausstellung.Die Abteilung Zentrale Dienste des Landesarchivs hat hierfür eine digitalePräsentation erarbeitet.Die vom Sozialministerium als Projektfinanzierte Beratung ehemaliger Heim-kinder wurde wegen der großen Nach-frage verlängert. Zur Sensibilisierung derbreiteren Öffentlichkeit hat das Landes-archiv hierzu eine Wanderausstellung erarbeitet, die zuerst im Haus der Abge-ordneten an der Stuttgarter Kulturmeilegezeigt wurde.Die Zahl der Print-Publikationen desLandesarchivs beläuft sich für 2015 aufsieben, wobei es sich um vier Ausstel-lungskataloge bzw. Begleitbücher zuAusstellungen und drei Tagungsbändehandelt.Die Integration des Instituts für Erhal-tung von Archiv- und Bibliotheksgut indie Abteilung Zentrale Dienste des Landes-archivs verlief reibungslos. Die Leistun-

Archiv aktuell

Feierlicher Festakt zum 150-jährigen Jubiläum desStaatsarchivs Sigmaringen am 19. Oktober 2015,von rechts nach links: Archivleiter Trugenberger,Präsident Kretzschmar, Ministerialrätin Bernhardt,Staatssekretär Walter, Albrecht Prinz von Hohen-zollern, Bürgermeister Schärer.Aufnahme: Gabriele Loges

gen für das Landesarchiv übertrafen dieWerte des Vorjahres sowohl bei der Verfil-mung (221,75 Regalmeter Archivgut2015 gegenüber 195,60) als auch bei denrestaurierten Archivalieneinheiten (4.281Einheiten 2015 gegenüber 2.441).Im Grundbuchzentralarchiv Kornwest-heim wurden 2015 rund 2,5 Mio. Einhei-ten auf 36.000 Regalmetern eingelagert,was fast eine Verdoppelung des Bestandesbedeutet. Der Ausleihverkehr mit dengrundbuchführenden Stellen erreichtemit rund 130.000 Einheiten (2014:77.000) einen neuen Höchststand.In vielfacher Hinsicht hat sich das Lan-desarchiv auch 2015 in bundesweite Gremien und Projekte eingebracht. SeinPräsident nahm turnusmäßig den Vorsitzder Konferenz der Leiterinnen und Leiterder Archivverwaltungen des Bundes undder Länder (KLA) wahr, deren Sitzungenin Stuttgart und Karlsruhe stattfanden.Als Vorsitzender hat er unter anderem die gemeinsam mit der Vermessungsver-waltung erarbeiteten Leitlinien für dieBehandlung von Geobasisdaten gezeich-net. Ein Mitarbeiter des Landesarchivshat als Mitglied des KLA-Ausschusses Ar-chive und Recht darüber hinaus für dieKLA zwei Mal federführend eine Stel-lungnahme zum Entwurf des novellier-ten Bundesarchivgesetzes erarbeitet. InGremien und Arbeitsgruppen der DDB,im Kompetenznetzwerk nestor auf demFeld der Archivierung digitaler Unter-lagen sowie in den Gremien der Archiv-

Page 34: ARCHIV NACHRICHTEN - landesarchiv-bw.de · auf die Reise. Dabei musste er alle, seine wahre Identität verratenden Dokumente zurücklassen und selbst sein Mono-gramm aus den Accessoires

Archivnachrichten 52 / 201634 Archiv aktuell

Das Landesarchiv in Zahlen

Das Wesentliche auf einen BlickGesamtumfang des Archivguts am 31. Dezember 2015 (in Metern) 150 101Urkunden (Stück) 313 271Karten, Pläne (Stück) 353 281Bilder (Stück) 1 270 050Gespeicherte elektronische Unterlagen (in Gigabyte) 2 600Gespeicherte elektronische Unterlagen (in Millionen Datensätzen) 211Auslastung der Magazine (in %) 92,6 %Zu betreuende Registraturen 2 659Erschlossenes Archivgut (leicht zugänglich) 62,5 %In online verfügbaren Findmitteln erschlossenes Archivgut (in % des Gesamtumfangs) 53,7 %Digitalisate von Archivgut im Internet 6 250 460Zahl der Stellen im Haushaltsplan (inkl. Vorbereitungsdienst, Stand: 31.12.2015) 179

Unsere Leistungen im Jahr 2015Nutzungen 12 179Vorgelegte Archivalien 67 791Abgegebene Reproduktionen 384 289Schriftliche Auskünfte der Archivabteilungen 10 788Online-Zugriffe auf Informationsangebote (in Mio.) 73,8davon Zugriffe auf Findmittelseiten (in Mio.) 64,7Neu hinzugekommenes Archivgut (in Metern) 1 405Fachgerecht verpackte Archivalien (in Metern) 2 165Erschlossenes Archivgut (in Regalmetern) 4 531Ausstellungen und Präsentationen 19Besucher bei Ausstellungen und Präsentationen 67 571Führungen 664Geführte Personen 18 100davon Schüler/innen 2 643

Der vollständige Jahresbericht mit den ausführlichen Berichten der einzelnenAbteilungen und weiteren statistischen Daten sind auf der Website des Landesarchivs(www.landesarchiv-bw.de) unter „Das Landesarchiv –> Jahresberichte“ abrufbar.

schule Marburg (um nur noch einige zunennen) haben sich ebenfalls Mitarbeite-rinnen und Mitarbeiter des Landesar-chivs stark engagiert. Dies erfolgt aus derÜberzeugung heraus, dass die aktuellenHerausforderungen des Archivwesensnur kollaborativ und mit verteilten, ge-meinsam getragenen Lasten bewältigtwerden können. Aus demselben Motivund mit derselben Erwartung beteiligtsich das Landesarchiv im Rahmen seinerMöglichkeiten auch an der Ausbildungvon Archivarinnen und Archivaren. Am Ende dieses Berichts sei allen Mitar-beiterinnen und Mitarbeitern des Lan-desarchivs herzlich für ihr Engagementund ihre qualitätsvolle Arbeit gedankt.Nur durch sie konnten die zuvor skizzier-ten guten Ergebnisse und positiven Ent-wicklungen erreicht werden. Gedankt seiauch den vielen Partnern des Landes-archivs aus den anbietungspflichtigenDienststellen, anderen Archiven, Ge-dächtnis- und Bildungseinrichtungen,Schulen und Hochschulen. Nicht zuletztsei auch allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Ministerium für Wissen-schaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg Dank ausgesprochen, diesich für die Belange des Landesarchivseingesetzt haben.

Robert Kretzschmar

Zeichnung der „Leitlinien zur bundesweit einheit-lichen Archivierung von Geobasisdaten“ durch Andreas Schleyer als Vorsitzendem der Arbeits-gemeinschaft der Vermessungsverwaltungen derLänder der BRD (ADV) und Prof. Dr. Robert Kretzschmar als Vorsitzendem der Konferenz derLeiterinnen und Leiter der Archivverwaltungen des Bundes und der Länder (KLA) am 4. November2015 in Hamburg.Aufnahme: Staatsarchiv Hamburg, Corinna Jockel

Page 35: ARCHIV NACHRICHTEN - landesarchiv-bw.de · auf die Reise. Dabei musste er alle, seine wahre Identität verratenden Dokumente zurücklassen und selbst sein Mono-gramm aus den Accessoires

Archivnachrichten 52 / 2016 35

Die Frage nach den historischen Eigen-tumsverhältnissen an Kulturgut, dasdurch Verfolgungsmaßnahmen im Na-tionalsozialismus entzogen wurde, ist für die Archive in doppelter Hinsicht relevant. Zum einen können sie selbst be-troffen sein, wenn sich in ihren Bestän-den unrechtmäßig erworbene Objektebefinden. Zum anderen verwahren sieVerwaltungsunterlagen, anhand derersich die Herkunft von Kulturgut in ande-ren Einrichtungen nachvollziehen lässt.Beiden Problemstellungen geht das Ge-nerallandesarchiv Karlsruhe als eines vonbundesweit erst sechs durch die StiftungDeutsches Zentrum Kulturgutverlustegeförderten Archiven seit Mai 2015 nach.Anhand der Geschäftsakten und Zu-gangsbücher des Archivs werden auffäl-lige behördliche Abgaben, Übernahmenaus den besetzten Gebieten und Erwer-bungen von Sammlungsgut aus nicht-staatlicher Hand überprüft. Auch die

Zugänge der Dienstbibliothek 1933–1945 sind zu hinterfragen. Für jeden Ver-dachtsfall werden Recherchewege undErgebnisse dokumentiert. Als Resultatkann festgehalten werden, dass das Generallandesarchiv in einer Art Wettlaufam Raub von Kulturgut aktiv beteiligtwar. Zu Beginn des Projekts war bekannt,dass geraubte Objekte nach Kriegsendewieder abgegeben worden sind. Als falscherwiesen hat sich aber die Annahme,dass dies vollständig geschah. Bislangkonnten zweifelsfrei vier Archivalien unddrei Bücher ermittelt werden, die nachwie vor in den Beständen vorhandensind und als verfolgungsbedingt entzogenangesehen werden müssen. Hinzu kom-men offene Verdachtsfälle. Des Weiterenhaben sich Verbindungen zu anderenKultureinrichtungen ergeben. Beispiels-weise konnte aufgrund der Recherchenein entscheidender Hinweis gegebenwerden, der zur Rückgabe eines Buches

aus der Stürmer- und Streicher-Bibliothekin Nürnberg führte.Parallel zur Suche nach Raubgut inden Beständen des Archivs wird die fürProvenienzrecherchen einschlägige Akten-überlieferung in einem sachthemati-schen Inventar erfasst und genauer be-schrieben. Jeder Verwaltungszweig wirdauf Zuständigkeiten für die Entziehungvon Vermögenswerten überprüft. Hier-für sind unterschiedliche Varianten derArisierung zu berücksichtigen (z. B. fis-kalische Ausplünderung, Beschlagnahmebei Auswanderung, Vermögenseinzie-hung nach Deportation), die sich in denAkten an unterschiedlicher Stelle nie-derschlagen. Dieses sachthematische In-ventar soll im Internet zugänglich ge-macht werden.

Lutz Bannert Ulrike Vogl

Archiv aktuell

Raubkunst im Archiv?Provenienzforschung im Generallandesarchiv Karlsruhe

Zugangsbuch des Generallandesarchivs mit Ver-dachtsfällen (Bsp. Zugänge Nr. 1 und Nr. 2, 1942).Vorlage: Landesarchiv GLAK General-LandesarchivEinkunftsbuch 1919–1966

Abgabe des Finanzamts Karlsruhe an das General-landesarchiv, „Verwaltung für das jüdische Vermö-gen“ (1941).Vorlage: Landesarchiv GLAK Ax 15

Abgabe des Reichsarchivs an das Generallandes-archiv aus einer „Vermögenseinziehung durch denOberfinanzpräsidenten Weser-Ems“ (1942).Vorlage: Landesarchiv GLAK 38 Nr. 798

Page 36: ARCHIV NACHRICHTEN - landesarchiv-bw.de · auf die Reise. Dabei musste er alle, seine wahre Identität verratenden Dokumente zurücklassen und selbst sein Mono-gramm aus den Accessoires

Archivnachrichten 52 / 201636 Archiv aktuell

Deutsches Kulturgut bei eBayRückführung württembergischer Urkunden aus Frankreich in das

Hauptstaatsarchiv Stuttgart

1 | Jagdbewilligung des Herzogs Johann Friedrichvon Württemberg für Arnold von Wolff, Ellwan-gischer Obervogt zu Tannenburg, 12. März 1627, Pergament, Siegel in Holzkapsel.Vorlage: Landesarchiv HStAS A 163 U 541

Im Juli des vergangenen Jahres übermit-telte das Staatsarchiv Nürnberg die In-formation, dass eine Pergamenturkundewürttembergischer Herkunft bei eBayversteigert worden sei. Ein amerikani-scher Privatmann hatte besagtes Doku-ment auf dieser Plattform erworben. Eswar ein Glücksfall, dass der Käufer überKenntnisse des entsprechenden histori-schen Hintergrundes verfügte. Zudemhatte er in ähnlichen Fällen früher schonmit dem Staatsarchiv Nürnberg zusam-mengearbeitet. Er kooperierte auch jetztmit dem Landesarchiv Baden-Württem-berg. Nach seiner Auskunft handelte essich bei der Urkunde um eine Jagdbe-willigung des Herzogs Johann Friedrichvon Württemberg für Rudolf von We-sterstetten, Ellwangischer Obervogt zuKochenburg. Die Zuordnung zu den Be-ständen des Hauptstaatsarchivs Stuttgartwar relativ schnell möglich, nicht zuletztauch durch die rückseitigen Archivver-merke: Das Archivale gehörte ursprüng-lich zu Bestand A 163 (Jagdreverse). Dasbestätigte sich mit der Überprüfung

des entsprechenden Findmittels. Darausging eindeutig hervor, dass dieses sowieweitere, unten aufgeführte Dokumentezu einem früheren Zeitpunkt im Besitzdes Hauptstaatsarchivs gewesen waren.Wie nun gelangten diese Archivalien auf den offenen Markt? Der erwähnte Bestand wurde während des ZweitenWeltkrieges in das Schleglerschloss inHeimsheim ausgelagert. Es liegt hier dieVermutung nahe, dass die Verluste aufPlünderungen französischer Soldatenbei Kriegsende zurückzuführen sind. Allerdings entdeckte man erst bei einerRevision Anfang der 1960er Jahre, dassArchivalien aus diesem Bestand fehlen.Interessanterweise tauchen gerade inden letzten Jahren wiederholt entspre-chende Urkunden auf dem Markt auf.In Kenntnis dieser Vorgeschichte über-rascht es nicht, dass der in Frankreichansässige eBay-Verkäufer noch weitereArchivalien aus dem Bestand A 163 inseinem Besitz hatte. Bei den eilig initi-ierten Verhandlungen war es glücklicher-weise möglich, auch die übrigen Do-

kumente für das Archiv zu sichern: ins-gesamt sechs Pergamenturkunden ausden Jahren 1522, 1594, 1610, 1621 und1627 sowie 29 begleitende Aktenstücke.Aus restauratorischer Sicht sind alle inrelativ gutem Zustand.Alles in allem ein Happy End? Der ge-schilderte Vorgang zeigt einmal mehr,wie sehr die Archive bei der Rückfüh-rung von Archivgut auf die Mithilfe ent-sprechend sensibilisierter Bürger an-gewiesen sind und in verstärktem Maßebleiben. Denn zukünftig ist mit einerZunahme solcher Funde und Angebotegerade im Internet zu rechnen.

Gabriele Löffler

Page 37: ARCHIV NACHRICHTEN - landesarchiv-bw.de · auf die Reise. Dabei musste er alle, seine wahre Identität verratenden Dokumente zurücklassen und selbst sein Mono-gramm aus den Accessoires

Archivnachrichten 52 / 2016 37Archiv aktuell

Am 7. Oktober 2015 ereignete sich imGenerallandesarchiv Karlsruhe etwasdurchaus Ungewöhnliches: Zwei Schau-spieler des Badischen StaatstheatersKarlsruhe trugen in einer szenischen Le-sung aus den Briefen der Markgräfin Ka-roline Luise von Baden (1723–1783) vor.Den Hintergrund bot ein zweijährigesForschungsprojekt (siehe dazu den Arti-kel Karoline Luise geht online). In dessenRahmen wurden auch Teile der rund10.000 Briefe aus ihrem Nachlass ausge-wertet, welche die äußerst gebildete Fürstin mit ungefähr 750 Korrespon-denzpartnern in ganz Europa gewechselthatte. Die Projektmitarbeiter hatten eigens für diesen Abend eine kleine abererlesene Auswahl daraus zusammen-gestellt. Von der Dramaturgin Brigitte A.Ostermann bearbeitet, gaben die Schau-spieler Antonia Mohr und SebastianReiß die Texte zum Besten. Sie entführtendie Zuschauer in den Gedankenaus-

tausch der Markgräfin mit dem von ihrüberaus geschätzten Dichter und DenkerVoltaire (1694–1778), der Karlsruhenach seinem Besuch als Asyl der Ruhe inden unruhigen Zeiten des SiebenjährigenKriegs pries. Ästhetische Fragen kamenin den Briefen mit ihrem KunstagentenJohann Friedrich Reiffenstein (1719–1793) zur Sprache. Er informierte Karo-line Luise über die Straßburger Kunst-sammlungen und berichtete von seinenReisen. Zuletzt war es der innige Brief-wechsel mit ihrem Gatten Karl Friedrich(1728–1811), der die Zuschauer fesselte.Immer wenn der Markgraf auf Reisenwar, schrieb er seiner geliebten Gemahlinnach Hause. Seine gute Alte, wie sich Karoline Luise selbst einmal spöttelndnannte, antwortete ihm dann in flammen-den und oftmals mit Witz garniertenLiebesbriefen.Der Dramaturgin Brigitte A. Oster-mann, ist es zu verdanken, dass die un-

geheuer vielschichtigen Inhalte der Kor-respondenz im Dialog der Schauspielererfahrbar und geradezu greifbar wurden.Sie arrangierte die Briefe zu einem ra-schen Wechsel der Szenen und damit zueinem kurzweiligen Erlebnis. Die Schau-spieler wiederum schafften es, auf kon-geniale Weise die Ideen der Dramaturginumzusetzen. Sie beherrschten nicht nurdie Sprache des 18. Jahrhunderts undden höfischen Umgang in Perfektion,sondern sie brachten auch die Untertöneund den Subtext zum Schwingen. Damitbescherten sie der zahlreich erschienenGästeschar einen unvergesslichen Abend.

Thorsten Huthwelker

Theater trifft ArchivSzenische Lesung mit Schauspielern des Badischen Staatstheaters

im Generallandesarchiv Karlsruhe

Das Badische Staatstheater inszeniert im General-landesarchiv ein Gespräch zwischen Voltaire undMarkgräfin Karoline Luise.Aufnahme: Brigitte A. Ostermann, BadischesStaatstheater

Page 38: ARCHIV NACHRICHTEN - landesarchiv-bw.de · auf die Reise. Dabei musste er alle, seine wahre Identität verratenden Dokumente zurücklassen und selbst sein Mono-gramm aus den Accessoires

Archivnachrichten 52 / 201638 Quellen griffbereit

Reichsstädtische Urkunden im Landesarchivwerden digitalisiertKooperation zwischen Landesarchiv und Stadtarchiven

1 | Urkunde aus dem Jahr 1263 aus dem Archiv derReichsstadt Schwäbisch Gmünd.Vorlage: Landesarchiv StAL B 177 S U 1799

2 | Rathaus Ulm, Sitz des reichsstädtischen Archivsim frühen 19. Jahrhundert, kolorierter Stahlstichvon 1820.Vorlage: Stadtarchiv Ulm

den retrokonvertiert und ins Internet gestellt. Für die Katalogisierung der teil-weise bislang völlig unzulänglich er-schlossenen Urkundenüberlieferung derReichsstadt Hall stellte vor Kurzem über-dies die Stiftung Kulturgut Baden-Würt-temberg Mittel zur Verfügung. In einemzweiten Schritt folgt nun die Digitalisie-rung und Onlinestellung der Urkundenals wertvollster Teil der Überlieferung.Für die mehr als 2.100 Pergamenturkun-den der Reichsstadt Schwäbisch Gmünd(mit Kloster Gotteszell, Bestände B 177 Sund 185) konnte das mit Sondermittelndes Landes bereits realisiert werden. DieDigitalisierung der Urkundenüberliefe-rung aus Ulm (Bestände B 207 und 207M mit fast 1.700 Nummern) und Schwä-bisch Hall (mit Stift Comburg, BeständeB 186, B 375 und 375 M mit fast 4.000Nummern), für die – auch mit tatkräfti-ger Unterstützung der betroffenen Stadt-archive – Sponsorengelder eingeworbenwerden konnten, ist gerade im Gange.Weitere Stadtarchive haben bereits Inter-esse an vergleichbaren Projekten signali-siert; dabei ist auch eine Ausweitung aufdie Aktenüberlieferung denkbar. Aucherste Überlegungen, wie die in staatli-chem Besitz befindlichen Dokumentevirtuell mit den Urkundenbeständen ausden Stadtarchiven vor Ort zusammen-geführt werden können, gibt es bereits. Anders als vor 200 Jahren arbeiten Lan-desarchiv und Kommunalarchive heuteintensiv zusammen, um die Folgen der Archivalienaushebungen des 19. Jahr-hunderts für die Benutzer weitgehendvergessen zu machen.

Peter Müller

Zu den problematischsten archivpoliti-schen Eingriffen in Württemberg gehörtsicherlich die Herausgabe der wertvoll-sten Urkunden und Akten, die man denAnfang des 19. Jahrhunderts media-tisierten Reichsstädten abverlangt hat. Hunderte von Urkunden und zahlreiche Papierdokumente wanderten aus denehemals reichsstädtischen Archiven zwi-schen 1825 und 1829 in das württember-gische Staatsarchiv nach Stuttgart. DieAnsprüche, die der Geheime ArchivarLotter bei seinen Besuchen vor Ort gel-tend machte, betrafen vor allem Archiva-lien zur politischen und allgemeinen Geschichte der Reichsstädte. Unterlagenüber die inneren Verhältnisse und die Finanz- und Wirtschaftsverhältnisseblieben in den Archiven vor Ort zurück. Die Auswahl spiegelt somit insbesonderedas historische Interesse des 19. Jahr-hunderts wider.Für die lokal- und heimatgeschichtlicheForschung bedeutete dieser Aderlass für anderthalb Jahrhunderte ein großesHemmnis, musste man doch neben denStadtarchiven vor Ort immer auch dieArchive in Stuttgart und Ludwigsburgkonsultieren. Erst mit der Möglichkeitzur Mikroverfilmung setzten nach demZweiten Weltkrieg Bemühungen ein, dieÜberlieferungslücken in den städtischenArchiven wenigstens über Reprodukti-onen zu schließen. Das Internetzeitaltereröffnet nunmehr ganz neue, komfor-table Wege zur virtuellen Zusammenfüh-rung der Bestände. Mit hoher Prioritätwerden beispielsweise im StaatsarchivLudwigsburg seit einigen Jahren – zumTeil mit Unterstützung der DeutschenForschungsgemeinschaft – die Find-bücher zu den reichsstädtischen Bestän-

1

2

Page 39: ARCHIV NACHRICHTEN - landesarchiv-bw.de · auf die Reise. Dabei musste er alle, seine wahre Identität verratenden Dokumente zurücklassen und selbst sein Mono-gramm aus den Accessoires

Archivnachrichten 52 / 2016 39

Die Überlieferung der Ämterregistraturdes württembergischen Kirchenrats (Be-stand A 284) stellt mit etwa 23.000 Bü-scheln, 51 Urkunden und einem Umfangvon 470 lfd. Metern einen der größtenBestände des Hauptstaatsarchivs Stutt-gart dar.Als Teil der kirchlichen Zentralbehördeder altwürttembergischen Regierung hatteder Kirchenrat seit der Reformation diesäkularisierten Kirchengüter zu verwaltenund 115 Ämter zu beaufsichtigen. Wäh-rend der Kirchenrat in derVerschlossenenRegistratur (HStAS A 282) Akten aufbe-wahrte, die als besonders wichtig und ge-heim eingestuft wurden, enthält Bestand A284 Akten, die bei laufenden Angelegen-heiten anfielen. Diese Unterlagen beziehensich auf die örtliche Selbstverwaltung der Ämter mit ihren Gebäuden und Be-diensteten sowie auf die Betreuung derGemeinden in Fragen der Besitzgüter, Le-hensrechte und des Renovationswesens.

Seit 2013 werden die handschriftlichenFindmittel des topographisch angelegtenBestandes retrokonvertiert und der Öffentlichkeit nach und nach online zu-gänglich gemacht. Gleichzeitig werdendie Archivalien neu verpackt. Im Zugedieser Arbeiten kamen prächtige Pläneund Zeichnungen, zumeist aus dem 18. Jahr-hundert, zum Vorschein, die noch nichtnäher erfasst waren.Häufig wurden solche Dokumente an-gelegt, um dem herzoglichen Kirchenratin Stuttgart die Lage vor Ort zu veran-schaulichen. Dazu ein Beispiel: In Bietig-heim war in den frühen Morgenstundendes 24. Januar 1707 im Schlosshof einFeuer ausgebrochen. Der Plan zeigt denBrandherd im alten Schlossbau und dieAusbreitung des Feuers, durch das dieherzoglichen Gebäude zerstört wurden,bevor es an der Mauer des neuen Schlos-ses erlosch. Mit großem finanziellemAufwand wurden Teile der Gebäude an-

schließend wieder aufgebaut. Um sol-chen Unglücken vorzubeugen, kauftedie Regierung bald für einige ÄmterLöschfahrzeuge und holte Angebote vonKunstgießern ein, die in prächtigenFarbzeichnungen ihre Geräte anpriesen.Die neu entdeckten Pläne und Zeich-nungen werden zur weiteren Sicherungund Nutzung digitalisiert. BesondereStücke, die aus konservatorischenGründen eine Planlegung erforderlichmachen, werden gesondert gelagert.Demnächst soll die Ämterregistraturdes Kirchenrats komplett als Online-Findmittel über die Homepage des Lan-desarchivs Baden-Württemberg ein-zusehen sein. Etwa 1.800 Digitalisatevon den Plänen und Zeichnungenwerden damit für die Öffentlichkeit und die Forschung zugänglich gemacht.

Alexandra Haas

Kulturgut gesichert

Entdeckt und gesichert: Pläne und Zeichnungen aus der württembergischen Kirchenratsregistratur

1 | Plan mit dem zerstörten Bietigheimer Schlosshofnach dem Brand vom 24. Januar 1707.Vorlage: Landesarchiv HStAS A 284/13 Bü 101

2 | Kolorierte Zeichnung einer Feuerspritze, erfun-den von Johann Christoph Schmeltz, Kunstgießer inBiberach, um 1770.Vorlage: Landesarchiv HStAS A 284/9 Bü 175

3 | Kolorierte Zeichnung einer Schlangenspritze, an-geboten von Johann Schneidewind aus Frankfurt,1713.Vorlage: Landesarchiv HStAS A 284/9 Bü 1751

2 3

Page 40: ARCHIV NACHRICHTEN - landesarchiv-bw.de · auf die Reise. Dabei musste er alle, seine wahre Identität verratenden Dokumente zurücklassen und selbst sein Mono-gramm aus den Accessoires

Archivnachrichten 52 / 201640 Kulturgut gesichert

Mit Airbrush verbindet man in allerRegel erst einmal coole, bunte Bilder aufMotorhauben, T-Shirts, Leinwänden und Papier. Nicht so im Institut für Er-haltung von Archiv- und Bibliotheksgut:Hier fällt die Wahl eher auf Farbflächenin Beige, Braun und Grau in feinen Ab-stufungen.Fast alle Ergänzungsmaterialien sindoder werden gefärbt, egal in welchem Arbeitsbereich, damit die Restaurierung gemeinsam mit dem Objekt ein harmo-nisches Ganzes für das menschliche Augeergibt.Für die meisten Materialien gibt es bewährte Färbemethoden, nicht jedochfür Velourspergament. Die äußerst was-serempfindliche samtige Oberfläche istnicht so leicht zu färben; bei wässrigenFarben wird sie hart und je nach Fellsogar leicht transparent. Lange wurdendaher Kreiden und Pigmente regelrechteinmassiert, damit wenigstens die Haptikdes Velourspergaments erhalten bleibt.Es gibt allerdings einige Nachteile dieserTechnik: Größere Ergänzungsstücke sindeher schwierig gleichmäßig einzufärbenund es ist auch ein sehr langwierigerProzess, bis nichts mehr abfärbt. Die ver-wendeten Farbtöne lassen sich bei Bedarf

nur sehr schwer nachmischen und diestumpfe Farbwirkung der Pigmente undKreiden ist besonders im direkten Ver-gleich zu der Brillanz der Flüssigfarbenauffallend.Anlass, die bestehenden Färbemöglich-keiten zu überdenken, war der Besucheiner Fortbildung zum Thema Retuschevom Förderverein Papierrestaurierung in der Staatlichen Akademie der BildendenKünste Stuttgart unter der Leitung vonProf. Dr. Irene Brückle. Dort wurdenunter anderem Papiere zur Fotoergän-zung mittels Airbrush eingefärbt.Ausgehend von den technischen Mög-lichkeiten der Airbrushpistole war daherdie Überlegung, ob man nicht mit mi-nimalem Wasseranteil auch Velours-pergamente flächig, schnell und problem-frei gleichmäßig einfärben könnte. Dadie handelsüblichen Airbrushfarben mitWasser verdünnbar sind, eignen sichdiese hervorragend für Papier. Ergän-zungspapiere lassen sich so mit ein wenigÜbung sehr gut einfärben – und dies mit einem recht geringen Farbverbrauch.Für Velourspergamente werden nunnach einigen Versuchen die gleichenFarbstoffkonzentrate benutzt, mit denenim Institut für Erhaltung von Archiv-

und Bibliotheksgut auch Leder und dasglatte Narbenpergament gefärbt werden.Diese Konzentrate werden jedoch mitEthanol verdünnt. Durch den extrem feinen Sprühnebel der Airbrushpistoleund das schnelle Verdunsten des Alkoholsbleibt die Oberfläche des Veloursperga-ments erhalten.Einige Urkunden mit brandbedingtenFehlstellen aus dem Generallandesarchivin Karlsruhe sowie aus dem StaatsarchivLudwigsburg wurden bereits auf dieseWeise restauriert. Somit hat die vielseitigeAirbrushtechnik einen neuen Anwen-dungsbereich gefunden.

Nadja Göhlich

Die Waffen der Restauratoren Heute: Die Airbrushpistole und worauf Pergamentrestauratoren abzielen

1 | Schnelles und gleichmäßiges Färben mit Sprüh-nebel aus Airbrush-Pistole.

2 | Farbanpassung eines partiell mit Airbrush einge-färbten Velourspergaments als Ergänzungsmaterialfür eine hitzegeschädigte Urkunde.Vorlage: Landesarchiv StAL B 139a I U 82

3 | Brandgeschädigte Urkunde nach Restaurierungunter Anwendung der Airbrush-Färbetechnik.Vorlage: Landesarchiv StAL B 139a I U 106

Aufnahmen: Landesarchiv IfE

2 3

1

Page 41: ARCHIV NACHRICHTEN - landesarchiv-bw.de · auf die Reise. Dabei musste er alle, seine wahre Identität verratenden Dokumente zurücklassen und selbst sein Mono-gramm aus den Accessoires

Archivnachrichten 52 / 2016 41Kulturgut gesichert

Heute sind die meisten Industrie- undKonsumgüter, Technologien und Ver-fahrensabläufe normiert. Im Zuge derGlobalisierung werden auch bei unsimmer mehr internationale Normen indas nationale Normenwerk übernom-men – entweder obligatorisch im Fall dereuropäischen Normen EN oder freiwilligim Fall der ISO-Normen.Spontan erschließt sich kaum, welchegenormten Bereiche für Archive interes-sant sind. Deshalb: Seit 1927 kümmertsich der Normenausschuss Bibliotheks-und Dokumentationswesen (NABD) bei DIN um Normen zu Dokumentenund Daten. Seit Kurzem nennt er sichNormenausschuss Information und Dokumentation (NID).Innerhalb des NID ist der Arbeitsaus-schuss 14 zuständig für Bestandserhal-tung in Archiven und Bibliotheken. Seineehrenamtlichen Experten betreuen dessen Normen, d.h. sie überprüfen regel-mäßig deren Aktualität. Bei Bedarf ent-wickeln sie neue. Immer wichtiger undauch aufwendiger wird für den AA14seine Funktion als sogenanntem Spiegel-gremium des analogen Ausschusses bei

der International Organization for Stan-dardization (ISO), dem ISO/TC 46/SC10, dessen Geschäfte zur Zeit vom DINwahrgenommen werden. Die meistenNormen für die Bestandserhaltung sindursprünglich ISO-Normen, so etwa dieDIN ISO 9706 für alterungsbeständigesPapier und die DIN ISO 11799 für dieLagerung von Archiv- und Bibliotheks-gut. Aufgabe des AA 14 ist zu entscheiden,ob ISO-Normen ins deutsche Regelwerkübernommen werden. Der AA 14 wirdauch zur Verabschiedung und Über-prüfung von ISO-Normen befragt. Eineweitere Aufgabe des NID-AA 14 ist dieEntsendung von nationalen Experten ininternationale Arbeitsgruppen desISO/TC 46/SC 10, die neue ISO-Veröf-fentlichungen vorbereiten. Ein aktuellesBeispiel ist die internationale Spezifi-kation ISO/TS 18344 zur Effektivität derPapierentsäuerung.Die europäische Normung wird vomComité Européen de Normalisation(CEN) betreut. Es gibt bei CEN keinenAusschuss, der die Bestandserhaltung inArchiven und Bibliotheken deckungs-gleich zu den entsprechenden Gremien

bei ISO und DIN bearbeitet. Daher istauch im DIN nicht etwa der NID-AA14zuständig, sondern die jeweiligen Spie-gelgremien zu den CEN-Ausschüssen. So werden sämtliche europäische Normenzur Erhaltung des kulturellen Erbes (erarbeitet von CEN/TC 346) beim DINvom Normenausschuss Bauwesen ver-waltet.Für die Anwender ist das Wichtigste, ob ihnen praktikable Normen zur Verfü-gung stehen. Es kann für Archive und Bibliotheken daher nur von Nutzen sein,sich in der Normung auf jeder Ebene zu engagieren.

Anna Haberditzl

In Bibliotheken werdn zahlreiche Normen an-gewendet.Vorlage: DIN

DIN – EN – ISO Normung für Bestandserhaltung auf nationaler und internationaler Ebene

Page 42: ARCHIV NACHRICHTEN - landesarchiv-bw.de · auf die Reise. Dabei musste er alle, seine wahre Identität verratenden Dokumente zurücklassen und selbst sein Mono-gramm aus den Accessoires

Archivnachrichten 52 / 201642 Archive geöffnet

Kaiser Karl IV. (1316–1378) und die Goldene BulleEine Ausstellung im Hauptstaatsarchiv Stuttgart

stimmungen über die Kurfürsten zumAusdruck kommen. Weitere Exponateverdeutlichen Einfluss und BeziehungenKaiser Karls IV. gerade in den Südwestendes Reiches.Die württembergischen Grafen waren1359/60 noch Gegner des Kaisers. IhreÜbergriffe auf Reichsstädte und ihrBündnis mit dem Habsburger Rudolf IV.führten im Sommer 1360 zu einem kur-zen Reichskrieg. In dessen Folge musstendie Württemberger die Dominanz desLuxemburgers auch im Südwesten aner-kennen. In den Folgejahren gelang es vorallem Eberhard II., dem Greiner (1344–1392), das Vertrauen des Kaisers wiederzu gewinnen. Er wurde kaiserlicherLandvogt in Niederschwaben und erhielt von Karl wichtige Privilegien für dieGrafschaft Württemberg.

Erwin Frauenknecht

Jubiläen sind willkommener Anlass, anhistorische Ereignisse oder Persönlich-keiten zu erinnern. 2016 jährt sich derGeburtstag Kaiser Karls IV. (1316–1378)zum 700. Mal. Das HauptstaatsarchivStuttgart präsentiert deswegen Karlswichtigste gesetzgeberische Leistung, dieGoldene Bulle von 1356, und würdigtdamit diesen bedeutenden spätmittel-alterlichen Herrscher. Das ehemals Trie-rer Exemplar der Goldenen Bulle gehörtsicher zu den wertvollsten Archivalienim Landesarchiv Baden-Württembergund wurde 2013 zusammen mit den anderen Originalurkunden in die UNESCO-Liste des Weltdokumentenerbes auf-genommen.Als zentrales Verfassungsdokument des Alten Reiches blieb die Urkunde bis1806 in Geltung. Sie regelte das Wahlver-fahren der römisch-deutschen Königeund fixierte Vorrechte der Kurfürsten. Inder Ausstellung werden wesentliche In-halte der Goldenen Bulle in den Vorder-grund gestellt. Entstehung, Wirkung undRezeption dieses Reichsgrundgesetzeswerden ebenso thematisiert, wie Fragenzu Rang und Ritualen, die in den Be-

AusstellungKaiser Karl IV. (1316–1378) und die Goldene Bulle

Ausstellungseröffnung Mittwoch, 13. April 2016Öffnungszeiten14. April – 29. Juli 2016 Montag 10.00 –17.00 UhrDienstag und Mittwoch 8.30 – 17.00 UhrDonnerstag 8.30 – 19.00 UhrFreitag 8.30 – 16.00 Uhr

Information und Anmeldung zu FührungenLandesarchiv Baden-Württemberg - Hauptstaatsarchiv Stuttgart - Konrad-Adenauer-Straße 4Telefon 0711/212-4335Telefax 0711/212-4360E-Mail: [email protected]: www.landesarchiv-bw.de/hstas

Zur Ausstellung erscheint eine Begleit-publikation.

Rettung von Akten im Gemeindearchiv Jagstberg.Aufnahme: Joachim Feigl

Die Goldene Bulle. Die massive Silberkassette ließder neue Kurfürst Friedrich von Württemberg 1803nach dem Erwerb des Trierer Exemplars eigens an-fertigen.Vorlage: Landesarchiv HStAS H 51 U 589

Page 43: ARCHIV NACHRICHTEN - landesarchiv-bw.de · auf die Reise. Dabei musste er alle, seine wahre Identität verratenden Dokumente zurücklassen und selbst sein Mono-gramm aus den Accessoires

AusstellungDer Wunschlose. Prinz Max von Baden und seine Welt

ÖffnungszeitenJuni bis Oktober 2016Dienstag bis Donnerstag 8.30 – 17.30 UhrFreitag 8.30 – 19.00 UhrSonntag 13.00 – 17.30 UhrMontag und Samstag geschlossen

InformationenLandesarchiv Baden-Württemberg– Generallandesarchiv Karlsruhe –Nördliche Hildapromenade 376133 KarlsruheTel. 0721 / 926-2206E-Mail: [email protected]/glak

Zur Ausstellung erscheint eine Begleit-publikation.

Archivnachrichten 52 / 2016 43

Der Wunschlose war ein Deckname desPrinzen Max von Baden in seiner Kor-respondenz während der späten Kriegs-jahre. Vom Sommer 1917 bis zumHerbst 1918 beriet er sich mit Anhän-gern und Freunden über die Möglich-keiten einer Kanzlerschaft. Die Gruppedrängte ihn, neue Wege zur Kriegs- beendigung zu finden. Nur ein Wunsch-loser ohne eigene Interessen sei noch in der Lage, das Heil zu bringen, formu-lierte Kurt Hahn – etwas stark pathetisch,entgegen seinen sonst scharfsichtigenAnalysen. Aber wollte der Prinz? VieleEntwürfe für eine neue Reichsregierungentstanden, alle unter solchen Alias-namen, und der Wunschlose stand darinmanchmal an der Spitze, manchmal nur beratend am Rand. Prinz Max zogviele Projektionen auf sich, seine Kor-respondenzpartner reichten von ganzrechts bis in die linke Mitte.Das Generallandesarchiv Karlsruhemacht sich dieses Spiel mit den Deck-namen zunutze, um sich einer so viel-schichtigen, schwer greifbaren Persön-lichkeit in einer Ausstellung zu nähern.Der Wunschlose. Prinz Max von Badenund seine Welt wird die Ausstellung hei-

ßen, die im Sommer 2016 im General-landesarchiv und im Sommer 2017 inSchloss Salem in Kooperation mitSchlösser und Gärten Baden-Württem-berg gezeigt wird. Die Ausstellung giltvor allem seiner Welt: den Propheten derVorkriegszeit wie Johannes Müller inElmau, dem Verwandten (Wilhelm II.)wie dem Onkel (Ludendorff), Liberalen,Sozialdemokraten, Wissenschafts-instanzen wie Max Weber – und natür-lich Kurt Hahn, dem Unermüdlichen:Sie alle erlebten Krieg, Zusammenbruchund Republik und ihre Erfahrung wardie Erfahrung des Prinzen.Der Nachlass von Max von Baden wirdzur Zeit im Generallandesarchiv Karls-ruhe inventarisiert. Die Korrespondenzdes Prinzen und seines Sekretärs KurtHahn dokumentiert vor allem eines:einen Makrokosmos politischer Positio-nen. Die Ausstellung führt in eine Welt,der die Monarchie selbstverständlichund zugleich heillos schien, die Demo-kratie ablehnte und lernen musste, diealteuropäisch dachte und im Krieg dieModerne entfesselte.

Konrad Krimm

War er wirklich wunschlos?Ein Ausstellungsprojekt des Generallandesarchivs Karlsruhe zu Prinz Max von Baden

Archive geöffnet

Prinz Max von Baden, wohl 1914, Aufnahme vonWilhelm Paulcke.Vorlage: Privatbesitz

Großherzog Friedrich II. und Prinz Max von Badenvor dem Karlsruher Schloss,wohl 1913.Vorlage: Privatbesitz

Page 44: ARCHIV NACHRICHTEN - landesarchiv-bw.de · auf die Reise. Dabei musste er alle, seine wahre Identität verratenden Dokumente zurücklassen und selbst sein Mono-gramm aus den Accessoires

44 Häuser mit Geschichte

Namenszugs auf dem Dach des Hundert-meterbaus empor. Als Architekt wurde1903 Philipp Jakob Manz (1861–1936)gewonnen, der sich einen Namen als be-deutender Industriearchitekt gemachthatte. Manz setzte auf die Funktionalitätseiner Bauten und war bekannt für seinehervorragende Organisation der Bauab-läufe.In jedem der drei Stockwerke des

Hundertmeterbaus gab es den gleichenGrundriss, sodass sich lang gestreckteArbeitsräume bildeten, die durch diegroßen Fenster gut beleuchtet waren. Auf zeitgenössischen Abbildungen kannman sehen, wie die Arbeiterinnen in langen Reihen parallel zu den Fensternsitzen. Innerhalb der nächsten Jahre und Jahrzehnte wurden weitere Gebäudevom Architekturbüro Manz erbaut, diesich von der äußeren und inneren Ge-staltung am Hundertmeterbau orientier-ten. Das Verwaltungs- und Fabrikgebäude(Bau 1 & 2) ist 1925 allerdings durch dieArchitekten Schlösser & Weirether ent-worfen worden. Besonders die Eingangs-halle besticht durch ihren eindrucks-vollen Lichthof, der durch runde Ausspa-rungen über sechs Stockwerke hinweg,sein Licht durch ein Glasdach erhält.Im Bau 2 befindet sich heute die Ver-waltung beider Dienststellen des Grund-buchzentralarchivs (Justiz & Landes-archiv). Das Grundbuchzentralarchivübernimmt zwischen 2012 und 2017

sämtliche papiernen Grundbuchunter-lagen aus Baden-Württemberg mit insgesamt ca. 182.000 lfd. Metern undbeauskunftet aus diesen. Eingelagert wer-den die Unterlagen in den ehemaligenFabrikgebäuden 3 und 3a (heute Bau 3),entstanden 1912 bzw. 1950, sowie in denGebäuden 4 und 4a (heute Bau 7), die1922 nach Plänen aus dem Jahr 1912bzw. 1932 errichtet wurden. Während fürdie Schuhfabrikation weite helle Räumevon Vorteil waren, sind die idealen Lager-bedingungen für Archivgut ganz andere:möglichst dunkel, eine Temperatur um16 C° und eine Luftfeuchtigkeit von 50%.Aufgrund des Denkmalschutzes hat sichder Vermieter daher für eine Haus-in-Haus-Lösung entschieden, die den Anfor-derungen an ein modernes Archiv ent-spricht. In den einstigen großen Hallenentstehen 90 fensterlose Magazine miteiner Fläche von je ca. 200 qm in denendie Grundbuchunterlagen unter bestenBedingungen auf Dauer aufbewahrt werden können.Noch kann bei Führungen der frühereRaumeindruck, die Weite und Helligkeitvermittelt werden. Doch bereits in we-nigen Monaten werden die letzten freienFlächen in Archivmagazine umgebautsein. Der neue Raumeindruck ist ein völ-lig anderer, geprägt von langen schmalenFluren, die an den Magazinen vorbeiführen.

Michael Aumüller

Es ist noch nicht lange her, da wurdenauf dem Areal der ehemaligen SalamanderSchuhfabrik – 1891 als Firma J. Sigle undCie. von dem Kornwestheimer Schuh-machermeister Jakob Siegle und demStuttgarter Lederreisenden Max Levi ge-gründet – Millionen von Schuhen pro-duziert. In der Glanzzeit Ende der1960erJahre erreichte der Ausstoß über 14 Mil-lionen Paar. Doch nach knapp 80 Jahrenstetigen Wachstums ging es seit den1970ern bergab. 1995 betrug die Produk-tion noch 7,1 Millionen Paar. Nachmehrfachen Wechseln und Übernahmenwurde 2003 das Schuhgeschäft verkauftund sämtliche Werke in Deutschland ge-schlossen, darunter auch das Hauptwerkin Kornwestheim. Verblieben ist heutevon Salamander lediglich die Marke; aufdem Gelände in Kornwestheim ein Schuh-Outlet und natürlich ein ca. 90.000 qmgroßer, denkmalgeschützter Gebäude-komplex an der Bahnlinie Ludwigsburg –Stuttgart.Das rasante Wachstum der Schuhfabrikhatte zur Folge, dass zu Beginn des20. Jahrhunderts das ursprüngliche Fir-mengelände in der Jakobstraße in Korn-westheim viel zu klein geworden war.1904 wurde am Rande des Dorfes amOrtsweg Richtung Stammheim, gleich beider Bahnlinie, der Grundstein für denheutigen Gebäudekomplex gelegt. Dortragen immer noch die im typischenGrün gehaltenen Lettern des Salamander

Vom „Hundertmeterbau“ zum GrundbuchzentralarchivDas Salamander-Areal in Kornwestheim

Grundbuchzetralarchiv. Aufnahme: Rose Hajdu

Archivnachrichten 52 / 2016

Grundbuchzentralarchiv, Hauptportal. Aufnahme: Michael Aumüller

Page 45: ARCHIV NACHRICHTEN - landesarchiv-bw.de · auf die Reise. Dabei musste er alle, seine wahre Identität verratenden Dokumente zurücklassen und selbst sein Mono-gramm aus den Accessoires

Von der Hohenzollern-Prinzessin zur Königin von PortugalStephanie von Hohenzollern-Sigmaringen

Archivnachrichten 52 / 2016 45

Mit 21 Jahren ohne den Bräutigam Hoch-zeit gefeiert und dann an einen Ort ver-schifft, der über 2.000 km vom Geburts-ort entfernt liegt. Dies erlebte Stephanie,das zweite von sechs Kindern des Fürsten Karl-Anton von Hohenzollern-Sigmaringen.Geboren wurde Stephanie auf SchlossKrauchenwies bei Sigmaringen am15. Juli 1837. Bis heute unvergessen istsie vor allem in Düsseldorf, wo man ihrein Denkmal setzte und wo bis heute der Schützenverein jedes Jahr am 2. Maiden Stephaniengedenktag begeht.Wie gelangte eine Hohenzollern in dieStadt am Rhein? Stephanies Vater, FürstKarl-Anton, trat Ende 1849 die Souve-ränität seines Landes an Preußen ab.Daraufhin erhielt er 1852 das Amt desDivisionskommandeurs in Düsseldorf.Die Familie lebte von nun an dort, Stephanie war zu dieser Zeit 15 Jahre alt.Die Prinzessin war aufgrund ihrer hilfs-bereiten und mitfühlenden Art sehr beliebt im Volk. Diese Eigenschaften trugen ihr auch ihren Ehrentitel ein:Engel der Armen. Bereits in jungen Jah-ren kümmerte sie sich persönlich um die Armen und Schwachen, auch in Be-

gleitung ihrer Mutter, Josephine vonBaden.Bald sollte sich ihr Leben jedoch grund-legend ändern. 1857 ließ Dom Pedro V.,König von Portugal, durch einen Ge-sandten den Fürsten Karl-Anton um dieHand seiner Tochter bitten. Die Familieder zukünftigen Königin stimmte zu.Es war eine hochpolitische Eheverbin-dung, waren die Sigmaringer Hohen-zollern doch Teil des GesamthausesHohenzollern und damit des preußi-schen Königshauses. Um die Nähe zumpreußischen Königshaus zu betonen,fand deshalb die Hochzeit am 29. April1858 in der St. Hedwigskirche in Berlinstatt. Wie schon bei der Verlobungs-feier am 15. Dezember 1857 in Düssel-dorf, war der portugiesische Könignicht dabei. Es handelte sich um eineHochzeit durch Prokuration, bei derStephanies Bruder, der Erbprinz Leo-pold, die Stelle des Bräutigams versah.So konnte die Prinzessin offiziell alsKönigin das Schiff nach Portugal be-steigen. Erst in Lissabon begegnete sich das Brautpaar zum ersten Mal;dort fand noch einmal eine Trauungstatt.

Das portugiesische Volk gewann seinejunge Estefania bald lieb. Sie setzte sichauch hier ein für alle diejenigen, die in Not waren. Doch Stephanies Lebenals Königin währte nur kurz. Bereits 14Monate nach ihrer Ankunft in Lissabon,am17. Juli 1859, nur zwei Tage nachihrem 22. Geburtstag, verstarb sie anDiphtherie. Sie wurde tief betrauert, so-wohl in Portugal als auch in Düsseldorf.Dom Pedro schrieb in einem Brief: Esgibt wenig Trost und Linderung für solcheSchmerzen wie der, welcher mich augen-blicklich verfolgt. Er gründete in ihremAndenken das Krankenhaus Estefania,das bis heute Bestand hat.

Lara A. Sauer

Junges Archiv

1 | Programm zur Festvorstellung im DüsseldorferStadttheater anlässlich der Verlobung von Stepha-nie.Vorlage: Landesarchiv StAS FAS HS 1-80 T 19 Nr. 41

2 | Denkmal zu Ehren von Stephanie in Düsseldorf,1860 von Julius Bayerle geschaffen und im Botani-schen Garten Düsseldorfs errichtet, 1890 von Johan-nes Tüshaus erneuert und im Hofgarten platziert.Aufnahme: Volker Trugenberger, Sigmaringen

3 | Zeichnung des „Palácio das Necessidades“ in Lissabon, vermutlich von Stephanie selbst.Vorlage: Landesarchiv StAS FAS HS 1-80 T 8 Nr. 544

1

2

3

Page 46: ARCHIV NACHRICHTEN - landesarchiv-bw.de · auf die Reise. Dabei musste er alle, seine wahre Identität verratenden Dokumente zurücklassen und selbst sein Mono-gramm aus den Accessoires

Archivnachrichten 52 / 201646 Junges Archiv

Wie haben Menschen früher gelebt? Wiesahen die kulturellen Unterschiede imVergleich zur heutigen Zeit aus? Warjeder Bürger von 1933 bis 1945 ein Nazi?Wo liegen die schönsten Eisenbahn-strecken Nordwürttembergs?Die Antworten auf diese Fragen kannman dem schwarz-weißen Handout ausdem Geschichtsunterricht in der Schuleentnehmen, man kann auf n-tv abwar-ten, bis die nächste Doku läuft oder manliest sich auf Wikipedia Artikel durch,die jeder, ohne das entsprechende Wis-sen tatsächlich zu besitzen, verfassthaben könnte. Was aber, wenn man sichdie Antworten auf diese und natürlichmehr Fragen direkt im Archiv aneignenkönnte? Unverfälschte Informationendirekt aus der Quelle.Zwar hat meiner Meinung nach dasBild der Archive und deren Artverwand-ten, den Bibliotheken, in der Öffentlich-keit in letzter Zeit an Bekanntheit ein-gebüßt. Wenn man aber zum ersten Malein originales, historisches Dokument inden Händen hält – wie zum Beispiel einePergamenturkunde aus dem Jahr 1512 –dann spürt man, was die Aufgabe einesArchivs so besonders macht.Als Student im Fach Bibliotheks- undInformationsmanagement an der Hoch-schule der Medien in Stuttgart-Vaihin-gen durfte ich diesen besonderen Momentin der ersten Woche meines Praxisseme-sters im Staatsarchiv Ludwigsburg er-leben. Gemäß dem Leitspruch Archivgutals Teil des kulturellen Erbes und der Er-innerungskultur zu sichern, zu erhaltenund zugänglich zu machen, birgt dasStaatsarchiv nämlich ungeahnte Schätzeund nützliche wissenschaftliche Infor-mationen. Von der Ahnenforschung bishin zur Doktorarbeit gibt es nichts, was sich dank der nahezu 40 KilometerUnterlagen vor Ort nicht bewerkstelli-gen lässt.

Doch bevor es zum direkten Kontaktmit dem Nutzer kommt, bedeutet Ar-chivarbeit eine Menge Vorgänge hinterden Kulissen: Von der Annahme archiv-würdiger Unterlagen, zur Sichtung undErschließung dieser, von der Verpackungbis zum Finden eines geeigneten Lager-orts im Magazin, von der Nutzeranfragebis hin zur Recherche oder von der Bestellung der Archivalien bis hin zurBereitstellung im Lesesaal. Der Wegeiner Archivale mag lang sein. Er ist aberdurchaus notwendig, um die enthalteneInformation noch Jahrtausende haltbarzu machen und für die Nachwelt zu sichern.Nicht selten kommt es bei der Arbeitim Archiv vor, dass man der Erste ist, der ein bestimmtes Dokument nachJahrzehnten untersucht und erfasst. Einwirklich sonderbares, wenn auch aufre-gendes Gefühl war das für mich im Falleiner jüdischen Kundenakte eines Bank-hauses aus der NS-Zeit. Unter Stapelnvon alten Kontoauszügen fiel mir dasnoch versiegelte Testament des jüdischenBankkunden in die Hände. Aus konser-vatorischer Hinsicht war es meine Auf-gabe, dieses Testament 80 Jahre nachdem Verfassen zu öffnen und das nochschneeweiße Papier neben den zum Teilvergilbten Rest der Akte zu sortieren.Abgesehen davon ist es natürlich beson-ders spannend, seinen eigenen Vorfah-ren im Archiv nachzugehen und Detailsaus ihrem Leben zu entdecken.Im Endeffekt bin ich mehr als froh, denSchritt ins Archiv gewagt zu haben. Ichkonnte nicht nur meine historischen In-teressen ausleben und in meine Aufga-ben mit einfließen lassen, sondern dieseKenntnisse auch erheblich erweiternund mit einmaligen Erfahrungen anrei-chern.

Vincent Lenk

Ein Bibliotheksstudent auf AbwegenMein Praxissemester im Landesarchiv Baden-Württemberg

Vincent Lenk im Magazin des Staatsarchivs Lud-wigsburg.Aufnahme: Landesarchiv StAL

Page 47: ARCHIV NACHRICHTEN - landesarchiv-bw.de · auf die Reise. Dabei musste er alle, seine wahre Identität verratenden Dokumente zurücklassen und selbst sein Mono-gramm aus den Accessoires

von Christian Bantlen, Katharina Bant-len. Ihr hatte der besagte Christian Bant-len am 23. August 1783 aus Hollandeinen Brief geschrieben. Dieser Briefwurde den Hinterlassenschaften Katha-rina Bantlens beigefügt, da diese genausowie ihr Sohn Martin im März 1790 ver-storben war. Aufgegeben wurde der Briefin Livorno am 16. Mai 1789 – also sechs

Jahre, nachdem ihn Bantlen verfassthatte. Den Weg über die Alpen nahm erzusammen mit einem Schreiben einesanderen Matrosen an seinen Pfarrer inSchlath bei Göppingen. Dieser Pfarrerwiederum leitete den Brief an einenFreund in Heselwangen weiter, der ihnKatharina Bantlen, der eigentlichenEmpfängerin, übergab.

Quellen für den Unterricht 46

Quellen für den Unterricht 51 Dieter Grupp

Mobilität und Migration sind zentraleThemen der Menschheitsgeschichte:Immer schon ist der Mensch gewandert,hat aus unterschiedlichsten Gründenseine Heimat verlassen und sein Glück in einer neuen gesucht – oft auch unterZwang. Wo im 20. Jahrhundert oft Staa-ten und Regierungen hinter erzwungenerMigration steckten, war es im 18. Jahr-hundert noch die pure Not.Das Beispiel von Christian Bantlen,einem gebürtigen Heselwanger (heuteein Teilort der Kreisstadt Balingen), sollzeigen, wie es einen Menschen, ohnedass er dies wollte, in die weite und nichtfreundlich gesonnene Welt verschlug,und zwar auf das holländische Kriegs-schiff Gelderland, bei dem er als Matroseanheuerte. Von hier aus war er im Atlan-tik sowie im Mittelmeer unterwegs undhat dabei, wie sich in seinem Brief ausdem Jahr 1783 zeigt, seine Familie imkleinen Dorf Heselwangen am Fuße derSchwäbischen Alb nicht vergessen. Dasser sie dennoch nie wiedersah, hat meh-rere Ursachen, die sich dem Schüler indiesem Unterrichtsvorschlag erschließensollen.

Ein Fund im Inventarbuch

Ausgangspunkt dafür, dass man demSchicksal von Christian Bantlen nach-spüren kann, ist ein Schriftstück, das voreinigen Jahren im Balinger Stadtarchivaufgefunden wurde, und zwar an einemsehr ungewöhnlichen Ort: einem Inven-tur- und Teilungsbuch der GemeindeHeselwangen – darin wurden die Hinter-lassenschaften eines Verstorbenen erfasst,bevor darüber entscheiden wurde, werwas aus dem Erbe erhielt. Bei der Ver-storbenen handelt es sich um die Frau

Europäische Vernetzung in der Frühen NeuzeitDas Schicksal des Christian Bantlen aus Heselwangen, Taglöhner im Dienst der holländischen

Kriegsschifffahrt

Archivnachrichten 52 / 2016 47

1 | Inventur- und Teilungsbuch der Gemeinde Hesel-wangen.Vorlage: Stadtarchiv Balingen, Inventur- und Tei-lungsbuch Heselwangen 1790–96

Page 48: ARCHIV NACHRICHTEN - landesarchiv-bw.de · auf die Reise. Dabei musste er alle, seine wahre Identität verratenden Dokumente zurücklassen und selbst sein Mono-gramm aus den Accessoires

1789 tauchte Bantlen nochmals auf derMedemblik im Hafen von Livorno (Ita-lien) auf – dort nahm er den Rang eines2. Konstablers ein (Kanonier im Unter-offiziersrang). Danach verschwand er.

Warum wurde der Brieferst 1789 abgeschickt?Ganz klären lässt sich diese Frage sicher-lich nicht. Es ist aber gut möglich, dassChristian Bantlen keine Gelegenheithatte, das Schiff, auf dem er unterwegs

war, zu verlassen. Um ein Kriegsschiff

Archivnachrichten 52 / 201648

2 | Inventur- und Teilungsbuch der Gemeinde Hesel-wangen, Eintrag vom 20. April 1790, Nr. 49. Bei-gefügter Brief des Christian Bantlen vom 23. August1783, S. 1 (M1).Vorlage: Stadtarchiv Balingen, Inventur- und Tei-lungsbuch Heselwangen 1790–96

Historischer Kontext: Waswurde aus Christian Bantlenund seiner Familie?Der Historiker Frank Meier schreibt: Im Juli 1783 verließ die „Gelderland“, nunmit Christian Bantlen an Bord, zusam-men mit sechs anderen Schiffen Amster-dam und nahm Kurs auf die NordseeinselTexel. Im November 1783 lief die „Gelder-land“ den französischen Kriegshafen Toulon an. Um den Jahreswechsel 1783/84segelte sie als Teil einer Flotte mit Geschenken für den Dey von Algier nachNordafrika. Im März 1784 wurde die„Gelderland“ zur Küste von Flandern zu-rückkommandiert, um dort als Teil einesGeleites auf die sog. Oost-Indische Re-tourvloot zu warten und die Kauffahrernach Holland zu geleiten. Nach Erfüllungdieser Aufgabe finden wir das Linienschiffam 17. Juni 1784 im holländischen HafenVlissingen, um zusammen mit dem Schiff„De Lynx“ eine neue Geleitzugsaufgabe zuübernehmen. Am 29. Oktober erreichte die„Gelderland“ wieder den Vlissinger Hafen.Am 12. Dezember 1784 begleitete sie …eine Handelsflotte nach West-Indien undkehrte im Juli 1785 von dieser Reise zu-rück. Christian Bantlen musterte ab [undheuerte auf der Medemblik an] (Meier,Mobilität als Schicksal, S. 5).

M1: Der Brief des Tagelöhners Christian Bantlen vom 23. August 1783

Folgender Brief ist dem Eintrag zum 20. April 1790 im Inventur- und Teilungsbuch der Ge-

meinde Balingen beigelegt; erstmals wurde der Brief transkribiert von Prof. Frank Meier von der

PH Karlsruhe (Meier, Von Heselwangen auf ein Kriegsschiff).

Dieser Brief zukommen

Herrn Conrad Jetter,

Dorfsvogt in Heselwangen bey Balingen im Württemberger Land

abzugeben in Balingen

Württemberger Land

Heut. Dato 23. Aug. 1783

In seiner Gnade einen herzlichen Gruß an Dich, herzlich geliebte Ehegattin, und auch an mein klei-

nes Kind, wo ich gelassen habe. Ich hoffe, meine wenigen Zeilen werden auch Weib und Kind wie

auch meinen viele geliebten Schwagervater und Schwiegervater und auch meine Schwägerinnen in

guter Gesundheit antreffen.

Was aber mich belangt, bin ich allzeit reich und gesund, so lang Gott will. Ich will euch jetzt auch

berichten, wo ich jetzt bin. Ich habe Dienst genommen in Holland auf 4 Jahre. Wenn mir Gott das

Leben schenkt, so kann ich mich mit Weib und Kind reichlich ernähren. Ich habe jeden Monat 15

Gulden und dabei Fleisch und Trank, freie bezahlte Kleidung. Wenn aber die zerrissen ist, so muss

ich mich darin erhalten, wann das Schiff abgeht. Wir liegen jetzt vor der Insel Texel auf dem Meer.

Unsere Bezahlung ist so gewiss sobald die vier Jahre vorüber sind, so ist die völlige Bezahlung. Da

fehlt uns kein Heller. Das Schiff gehört dem Prinzen von Oranien, der Schiffskapitän heißt Stäring.

Und das Schiff hat seinen Namen Gellerland. Die Größe kann ich nicht beschreiben. Es hat 68 Ka-

nonen, darauf die Anzahl von Männern sei 500. Was für Brot, Fleisch, Bier und Wein darauf ist,

Branntwein, Butter, Käse und Nahrungsmittel, dass ist unzählbar. Denn wir müssen uns auf drei

oder vier Jahr versorgen. Ich weiß wohl, dass ich mich verzählt habe. Ich bete aber Tag und Nacht zu

Gott, dass er mir meine Missetat vergeben wollte.

Ich weiß auch, dass wenn ich wieder nach Hause komme, dass ihr mich das nicht vergelten lasst.

Denn Gott der Allmächtige wird auch an die Seinen denken, dass ihr alle meine Missetaten vergesst.

Denn ich will gewiss, wenn ich gesund bleibe, auch 300 Gulden mit nach Hause bringen. Ich bitte

euch mit heißen Tränen, bittet für mich, denn ich bin jetzt diese vier künftigen Jahre allezeit auf

dem Wasser. Das ist sicher mein Trost und meine Hoffnung, dass Gott zu Wasser ist als wie zu Land.

Obgleich Mast und Segel bricht, lässt Gott die Seinen nicht [ohne] Hilfe, die er aufgeschoben hat. Er

[hat] sie darum nicht aufgehoben. Hilft er nicht zu jeder Frist, so hilft er doch, wenn es nötig ist.

Jetzt kann ich es nicht unterlassen, auch einen herzlichen Gruß an meinen herzlich geliebten Beicht-

vater, Magister Hoffmann in Balingen [zu senden] und hoffe, sie wollen mich auch in ihr Gebet

einschließen, insbesondere auch einen herzlichen Gruß an den Vorsteher der Gemeinde Heselwan-

gen, namens Herrn Conrad Jetter, Dorfvogt, und bitte, er wolle mein Weib und Kind versorgen, bis

ich die Gnade von Gott erlange, dass ich sie selber versorgen kann. Jetzt will ich meiner Freundschaft

auch gedenken und sie auch mit einem herzlichen Gruß begegnen. Viel geliebter Vetter Jacob Dreher,

ich weiß, dass ihr alle, meine ganze Freundschaft, auch wollen für mich beten, auch insbesondere

meine geliebte Gevatterschaft und bitte, ihr wollt mein Kind nicht verlassen. Weiteres kann ich euch

diesmal nicht schreiben als einen tausendfachen Gruß an die ganze Freundschaft auf beiden Seiten.

Ihr werdet mir nicht schreiben können, denn ich kann den Brief schwerlich bekommen. Doch wenn

ihr schreiben wollt, so macht die Adresse an Johann Georg Vogel in Amsterdam, wohnt in Ren Arm-

steg im Goldenen Löwen und auch den Brief sicher an Christian Bantle, Matrose auf dem Schiff

Gellerland bei Kapitän Stäring.

Ich verbleibe euer getreuer Freund

T. Christian Bantle bis in den Tod.

Vorlage: Stadtarchiv Balingen, Inventur- und Teilungsbuch Heselwangen 1790–96, Ein-trag vom 20. April 1790, Nr. 49, beigefügter Brief des Christian Bantlen vom 23. August1783

Page 49: ARCHIV NACHRICHTEN - landesarchiv-bw.de · auf die Reise. Dabei musste er alle, seine wahre Identität verratenden Dokumente zurücklassen und selbst sein Mono-gramm aus den Accessoires

Archivnachrichten 52 / 2016 49

1789 tauchte Bantlen nochmals auf derMedemblik im Hafen von Livorno (Ita-lien) auf – dort nahm er den Rang eines2. Konstablers ein (Kanonier im Unter-offiziersrang). Danach verschwand er.

3 | Briefumschlag (M1).Vorlage: Stadtarchiv Balingen, Inventur- und Tei-lungsbuch Heselwangen 1790–96

4 | Brief des Christian Bantlen vom 23. August1783, S. 1 (M1).Vorlage: Stadtarchiv Balingen, Inventur- und Tei-lungsbuch Heselwangen 1790–96

5 | Brief des Christian Bantlen vom 23. August1783, S. 2–3 (M1).Vorlage: Stadtarchiv Balingen, Inventur- und Tei-lungsbuch Heselwangen 1790–96

3

4

5

Page 50: ARCHIV NACHRICHTEN - landesarchiv-bw.de · auf die Reise. Dabei musste er alle, seine wahre Identität verratenden Dokumente zurücklassen und selbst sein Mono-gramm aus den Accessoires

Archivnachrichten 52 / 201650

Warum wurde der Brief erst1789 abgeschickt?Ganz klären lässt sich diese Frage sicher-lich nicht. Es ist aber gut möglich, dassChristian Bantlen keine Gelegenheithatte, das Schiff, auf dem er unterwegswar, zu verlassen. Um ein Kriegsschiffverlassen zu können, benötigte ein hol-ländischer Matrose einen Bürgen anBord. Dieser hätte finanziell dafür auf-kommen müssen, wenn der Matrose de-sertiert wäre. Das war in Kriegszeitennicht ungewöhnlich: Zwischen 1783 und1789 desertierten ca. 14 Prozent der Besatzungen holländischer Kriegsschiffe.Ohne solch einen Bürgen konnte derMatrose, selbst wenn das Schiff im Hafenlag, nicht von Bord gehen.

Das Schicksal der Daheim-gebliebenenIn den Tauf-, Ehe- und Sterberegisterndes Pfarramts Heselwangen finden sichfolgende Einträge:1. Januar 1758: Geburt des ChristianBantlen27. Oktober 1781: Heirat von ChristianBantlen mit Katharina Jetter21. und 24. März 1790: Tod von Katha-rina Jetter und Sohn MartinÜber den Tod von Katharina Bantlengibt das Inventur- und Teilungsbuch Heselwangen Auskunft (M2). Die Hin-terlassenschaften Katharinas wurden zunächst in Administration gegeben biszum 70. Jahrestag nach der Taufe vonChristian Bantlen.

Einsatz im UnterrichtIn diesem Modul können die Schüler derGeschichte des Schriftstücks folgen wieein Geschichtsforscher: Sie lernen dieQuelle kennen, stellen auf deren BasisMutmaßungen über den Hintergrund anund entwickeln Fragen an die konkretehistorische Situation. Von hier aus erhal-ten sie weitere Spuren, mit denen sie rekonstruieren können, aus welchemGrund Christian Bantlen seinen Wegvon der Nordsee ins Mittelmeer genom-men hat. Schließlich entnehmen dieSchüler noch anderen Quellen zusätz-liche Informationen über das weitereSchicksal der Familie, um ihr Bild abrunden zu können und zu einem his-torischen Sachurteil zu kommen.Das Modul wird abgeschlossen durchÜberlegungen, die das Schicksal der Familie Bantlen in den historischenKontext der Migration im 18. Jahrhun-dert stellen.

Arbeitsschritte

1. Spurensuche (Fragekompetenz undMethodenkompetenz): Der Brief des Tagelöhners Christian Bantlena. Vergleiche die Transkription mit demOriginal und versuche einige Zeilen zulesen.b. Arbeite Anlass, Motiv und Inhalt desBriefes heraus und berücksichtige dabeiauch die sprachliche Form.c. Entwickle auf der Basis der QuelleFragen an die historische Situation.

2. Quellentableau (Methodenkompetenzund Sachkompetenz)a. Werte die Quellen im Hinblick aufweitere Informationen zu ChristianBantlen aus.– Das Soldbuch des niederländischen Linienschiffes Gelderland– Der Weg von Christian Bantlen auf derGelderland– Das Schicksal der Familieb. Rekonstruiere das Schicksal der Fami-lie Bantlen aus den vorliegenden Akten.c. Welche Schlüsse liegen bei folgendenFragen nahe, zu denen uns die Quellenkeine eindeutige Auskunft erteilen:Was wurde aus Christian Bantlen?Warum kehrte Bantlen nicht, wie ur-sprünglich geplant, nach vier Jahren zurück?Warum war der Brief von Bantlen sechsJahre lang unterwegs?

M2: Teilungsakte der Fam. Bantlen

HeselwangenBalinger OberamtsDatumd. 20. Apr. 1790in Gegenwart des Vogtes, Conrad Jetter,des Richters, Hans Martin KieferCatarina, geb. Jetterin, verheiratete sich an Martini 1781 an Christian Bantlen, Tagelöhner,welcher aber nach Verfluss [von] 1 1/4 Jahr nach Amsterdam ging und von da aus nachHaus schrieb, dass er auf das Wasser gehe und nach vier Jahren wieder mit seinem Gespar-ten heim kommen wolle. An dem 15. Mai 1789 aber die zweite Nachricht als vorgeblicher2. Konstabler auf dem holländischen Schiff Medemblik von Livorno aus nach Haus gab,dass er nach 2 Jahren mit seinem Vermögen nach Hause kommen wolle. Indessen begab sichdas Eheweib in Magdsdienste nach Balingen. Das mit dem Bantle erzeugte Kind, HansMartin, aber ihren Vater, A. Martin Jetter, dahinter 6 Jahre in die Kost. Die Mutter kamnach Haus und starb vor 7 Wochen, das hinterlassene Kind Hans Martin aber vor 14 Tagen,in einem Alter von 7 ½ Jahren. …

Vorlage: Stadtarchiv Balingen. Inventur- und Teilungsbuch Heselwangen 1790–1796,Eintrag vom 20. April 1790, Nr. 49, S. 62

Page 51: ARCHIV NACHRICHTEN - landesarchiv-bw.de · auf die Reise. Dabei musste er alle, seine wahre Identität verratenden Dokumente zurücklassen und selbst sein Mono-gramm aus den Accessoires

Archivnachrichten 52 / 2016 51

3. Integration (Urteilskompetenz): Migration im 18. Jahrhunderta. Fasse die Informationen zu ChristianBantlen und seiner Familie zusammen:– Ursache und Anlass für das Verlassender Heimat– Aufenthaltsdauer (geplant und tatsäch-lich)– Erwartungen, Hoffnungen und Realität– Auswirkungen auf die Daheimgeblie-benen (Familie, Dorfgemeinschaft)– offene Fragenb. Beurteile die Auswirkungen von Bantlens Entschluss, sich in holländischeDienste zu begeben, für sich und seineFamilie.c. Migration im 18. Jahrhundert: Über-prüfe, inwiefern der Titel von FrankMeiers Aufsatz Mobilität als Schicksal aufdie Biografie von Christian Bantlen zu-trifft.

Literatur

Frank Meier: Von Heselwangen auf einKriegsschiff – die Odyssee eines Tagelöh-ners im 18. Jahrhundert. In: 793–1993:1200 Jahre Endingen, Frommern, Hesel-wangen, Weilstetten, Zillhausen (Veröf-fentlichungen des Stadtarchivs Balingen5). Balingen 1993. S. 407–410.

Frank Meier: Mobilität als Schicksal.http://opus.bsz-bw.de/hsbwgt/voll-texte/2005/8/pdf/MobilitaetalsSchick-sal.pdf (16.11.2015).

Frank Meier: Mobilität als Schicksal.Zwei süddeutsche Matrosen auf hollän-dischen Kriegsschiffen des 18. Jahrhun-derts. http://hsbwgt.bsz-bw.de/front-door/index/index/docId/6 (16.11.2015)(mit Edition des Briefes von ChristianBantlen).

6 | Im Balinger Stadtarchiv reihen sich zahllose In-venturbücher aneinander, hierin wurden die Hinter-lassenschaften Verstorbener präzise verzeichnet.Vorlage: Stadtarchiv Balingen

Page 52: ARCHIV NACHRICHTEN - landesarchiv-bw.de · auf die Reise. Dabei musste er alle, seine wahre Identität verratenden Dokumente zurücklassen und selbst sein Mono-gramm aus den Accessoires

Archivnachrichten 52 / 201652

7

Das Unterrichtsmodul auf dem Landes-bildungsserver:http://www.schule-bw.de/unterricht/faecher/geschichte/unterricht/meth-zugaenge/spurensuche/index.html

Dieter Grupp ist Landeskundebeauftrag-ter des Kultusministeriums Baden-Würt-temberg im Regierungsbezirk Tübingenund Gymnasiallehrer in Albstadt.

Page 53: ARCHIV NACHRICHTEN - landesarchiv-bw.de · auf die Reise. Dabei musste er alle, seine wahre Identität verratenden Dokumente zurücklassen und selbst sein Mono-gramm aus den Accessoires

Archivnachrichten 52 / 2016 53

7 | Aus dem Soldbuch des niederländischen Linien-schiffes „Gelderland“:“Christiaan Bantele van Balinge12. April 1783: 15 Gulden15. April 1783: Anheuerungsdatum9. Juli 1785: af apt. Capt. BootSumme 535 ½ GuldenWerber Hageman 131 ½ Guldengesamte Heuer: 404 Gulden: monatlich 15 Gulden“.Vorlage: Nationaal Archief, Den Haag, Admirali-teitscolleges, nummer toegang 1.01.46, inventaris-nummer 2176

8

9

10

8 – 10 | Auszüge aus den Tauf-, Ehe- und Sterbe-registern des Pfarramts Heselwangen.Vorlage: Stadtarchiv Balingen

Page 54: ARCHIV NACHRICHTEN - landesarchiv-bw.de · auf die Reise. Dabei musste er alle, seine wahre Identität verratenden Dokumente zurücklassen und selbst sein Mono-gramm aus den Accessoires

„Auch das rein Geschichtliche muss fürden Staat von Bedeutung sein.“ Histori-sche Schätze aus dem Staatsarchiv Sig-maringenHerausgegeben von Volker TrugenbergerVerlag W. Kohlhammer Stuttgart 2015194 Seiten, fester Einband/Fadenheftung€ 19,–ISBN 978-3-17-029436-3

Briefe aus dem Spätmittelalter. Herrschaftliche Korrespondenz im deutschen SüdwestenHerausgegeben von Peter Rückert, Nicole Bickhoff und Mark MersiowskyVerlag W. Kohlhammer Stuttgart 2015234 Seiten, fester Einband/Fadenheftung€ 24,–ISBN 978-3-17-026340-6

Archivnachrichten 52 / 201654

Erinnern an den Ersten Weltkrieg. Archivische Überlieferungsbildung undSammlungsaktivitäten in der WeimarerRepublikHerausgegeben von Rainer Hering, Robert Kretzschmar und Wolfgang ZimmermannWerkhefte der Staatlichen Archiv-verwaltung Baden-Württemberg Serie AHeft 25Verlag W. Kohlhammer Stuttgart 2015256 Seiten, fester Einband/Fadenheftung€ 26,–ISBN 9738-3-17-029068-6

Neue Veröffentlichungen des Landesarchivs Baden-Württemberg

Die Bände sind im Buchhandel oder direkt beim Verlagerhältlich.

Alle Neuerscheinungen finden Sie auf der Homepage desLandesarchivs Baden-Württemberg (www.landesarchiv-bw.de) unter „Aktuelles > Neue Publikationen“.

Archivnachrichten und Quellen für den Unterricht findenSie auch auf der Homepage des Landesarchivs Baden-Würt-temberg (www.landesarchiv-bw.de) unter „Landesarchiv > Publikationen“.

Page 55: ARCHIV NACHRICHTEN - landesarchiv-bw.de · auf die Reise. Dabei musste er alle, seine wahre Identität verratenden Dokumente zurücklassen und selbst sein Mono-gramm aus den Accessoires

Landesarchiv Baden-Württemberg,Eugenstraße 7, 70182 Stuttgart,Telefon 0711/212-4238,Telefax 0711/212-4283,E-Mail: [email protected],Internet: www.landesarchiv-bw.de.

Redaktion: Dr. Verena TürckGestaltung: volker müller grafik design, Königsbach-SteinDruck: Asterion Germany GmbH, Viernheim

Das Heft erscheint halbjährlich und wird kostenlos abgegeben.ISSN 1437-0018

Im Lichte neuer Quellen: Wilhelm II. – der letzte König von WürttembergBearbeitet von Albrecht ErnstVerlag W. Kohlhammer Stuttgart 201596 Seiten, kartoniert€ 10,–ISBN 978-3-17-029911-5

Archivnachrichten 52 / 2016 55

Impressum

Titelfoto:Stephanie von Hohenzollern-Sigmarin-gen, Gemälde von Carl Sohn.Vorlage: Fürstlich HohenzollernscheHofbibliothek, Aufnahme: Reiner Löbe,Bingen

Verwahrlost und gefährdet? Heimerziehung in Baden-Württemberg1949–1975.Herausgegeben von Nastasja Pilz, Nadine Seidu und Christian KeitelVerlag W. Kohlhammer Stuttgart 2015158 Seiten, kartoniert€ 15,– ISBN 978-3-17-028872-0

Klassisch, kreativ und digital – Neue Ressourcen für „alte“ ArchiveVorträge des 74. Südwestdeutschen Archivtags am 23. und 24. Mai 2014Herausgegeben von Joachim Kemperund Peter MüllerVerlag W. Kohlhammer Stuttgart 201571 Seiten, kartoniert€ 10,–ISBN 978-3-17-028871-3

Page 56: ARCHIV NACHRICHTEN - landesarchiv-bw.de · auf die Reise. Dabei musste er alle, seine wahre Identität verratenden Dokumente zurücklassen und selbst sein Mono-gramm aus den Accessoires

Colombistraße 479098 Freiburg im BreisgauTelefon: 0761/38060-0Telefax: 0761/38060-13E-Mail: [email protected]

Nördliche Hildapromenade 376133 KarlsruheTelefon: 0721/926-2206Telefax: 0721/926-2231E-Mail: [email protected]

Arsenalplatz 371638 LudwigsburgTelefon: 07141/18-6310Telefax: 07141/18-6311E-Mail: [email protected]

Außenstelle des Staatsarchivs LudwigsburgSchloss74632 NeuensteinTelefon: 07942/94780-0Telefax: 07942/94780-19E-Mail: [email protected]

Landesarchiv Baden-WürttembergZentrale DiensteEugenstraße 770182 StuttgartTelefon: 0711/212-4272Telefax: 0711/212-4283E-Mail: [email protected]

mit:Institut für Erhaltung vonArchiv- und BibliotheksgutSchillerplatz 1171638 LudwigsburgTelefon: 07141/18-6600Telefax: 07141/18-6699E-Mail: [email protected]

Landesarchiv Baden-WürttembergFachprogramme und BildungsarbeitEugenstraße 770182 StuttgartTelefon: 0711/212-4272Telefax: 0711/212-4283E-Mail: [email protected]

mit:GrundbuchzentralarchivStammheimer Straße 1070806 KornwestheimTelefon: 07154/17820-500Telefax: 07154/17820-510E-Mail: [email protected]

Landesarchiv Baden-WürttembergEugenstraße 770182 StuttgartTelefon: 0711/212-4272Telefax: 0711/212-4283E-Mail: [email protected]

Karlstraße 1+372488 SigmaringenTelefon: 07571/101-551Telefax: 07571/101-552E-Mail: [email protected]

Konrad-Adenauer-Straße 470173 StuttgartTelefon: 0711/212-4335Telefax: 0711/212-4360E-Mail: [email protected]

im Archivverbund Main-TauberBronnbach 1997877 WertheimTelefon: 09342/91592-0Telefax: 09342/91592-30E-Mail: [email protected]

HAUPTSTAATSARCHIV STUTTGART

STAATSARCHIV SIGMARINGEN

STAATSARCHIV WERTHEIMSTAATSARCHIV LUDWIGSBURG

HOHENLOHE-ZENTRALARCHIV NEUENSTEIN

ArchivabteilungenServiceabteilungen

Präsident

Landesarchiv Baden-Württemberg

STAATSARCHIV FREIBURG

GENERALLANDESARCHIV KARLSRUHE