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Sperrfrist/Sendesperrfrist: 20. Mai 2015, 11:30 Uhr
Argumentationslinie des Präsidentendes Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie e.V.,
Prof. Thomas Bauer,
für die Jahrespressekonferenz zum
Tag der Deutschen Bauindustrieam 20. Mai 2015
im Haus der Bundespressekonferenz, Berlin.
Es gilt das gesprochene Wort!
- 2 -
1. Baukonjunkturelle Lage: Verhaltener Optimismus trotz winterlicher Umsatz-schwäche
Wind und Wetter haben den deutschen Bauunternehmen im 1. Quartal zu schaffen gemacht:
Deutlich mehr Unternehmen als im Vorjahr meldeten witterungsbedingte Produktionsausfälle
(38 % statt 25 %). Entsprechend sind auch die Umsätze im Bauhauptgewerbe nach
Schätzungen des Hauptverbandes um 3 % hinter dem Vorjahresergebnis zurückgeblieben.
Trotz der „Rückkehr zum Normalwinter“ und der damit verbundenen Produktionsausfälle ist
die Stimmung der Bauunternehmen zu Beginn des 2. Quartals verhalten optimistisch: Zwar
ist jahreszeitgemäß die Mehrzahl der Bauunternehmen mit ihrer aktuellen Geschäftslage
nicht zufrieden; mit Blick auf das kommende Sommerhalbjahr überwiegt jedoch deutlich der
Optimismus.
218
Wohnungsbau Wirtschaftsbau Öffentlicher Bau Gesamt2,0 -3,0 -6,0 -3,0
Baugewerbliche Umsätze im Bauhauptgewerbe 1. Quartal 2015*- nominale Veränderungsrate zum Vorjahreszeitraum -
* Betriebe mit 20 und mehr Beschäftigten, Schätzung HDB
- 3 -
Diese Aufhellung der Stimmung am Bau geht mit einer Verbesserung der gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen einher:
Die Konjunktur im Euro-Raum, insbesondere in Spanien und Portugal, hat sich
etwas erholt.
Der Wertverlust des Euros erleichtert die Exporte in die Märkte außerhalb des Euro-
Raums.
Durch den Rückgang vieler Rohstoffpreise konnte die drohende Verteuerung der
Importe im Zaum gehalten werden.
Zusätzlich haben die geopolitischen Risiken, insbesondere in Bezug auf Russland und die
Ukraine, sowie die Schuldenkrise Griechenlands abgenommen, sind allerdings sicherlich
nicht verschwunden.
Der verhaltene Optimismus wird aber auch von der Auftragslage im Bauhauptgewerbe
selbst gestützt:
Die Unternehmen verfügten zu Jahresbeginn über Rekordauftragsbestände – und
das im dritten Jahr in Folge.
Steigende Auftragseingänge haben die Auftragsbücher der Unternehmen sogar
noch weiter gefüllt. Der Hauptverband rechnet für das 1. Quartal mit einem Auftrags-
plus von 3 %.
318
- 4 -
Entsprechend liegt die Reichweite der Auftragsbestände mit knapp drei Monaten
deutlich über dem langfristigen Durchschnitt von 2,6 Monaten.
Manches spricht deshalb heute dafür, dass sich das Umsatzwachstum im deutschen
Bauhauptgewerbe nicht ganz so stark abschwächen wird, wie wir noch zu Beginn des Jahres
befürchtet hatten. Für eine Anpassung unserer Jahresauftaktprognose von nominal 2 %
bzw. real 1 % Umsatzwachstum ist es jedoch mit Blick auf die erst allmählich anlaufende
Bausaison noch zu früh.
2. Wohnungsbau: Geschoßwohnungsbau bleibt auf Expansionskurs
Treiber der Baukonjunktur bleibt auch 2015 der Wohnungsbau: Die positive Auftragsent-
wicklung des vergangenen Jahres hat sich fortgesetzt. Der Hauptverband erwartet für das 1.
Quartal ein Auftragsplus von 9 %.
Die Gründe für den seit 2009 anhaltenden Aufwärtstrend im Wohnungsbau haben sich in
den vergangenen zwei Jahren nicht verändert:
die hohe Nettozuwanderung nach Deutschland (2013: 429.000, 2014: etwa
470.000),
das anhaltend niedrige Zinsniveau (März 2015: 1,9 % im Durchschnitt aller
Laufzeiten für Hypothekarkredite),
weiter steigende Beschäftigungszahlen, verbunden mit einem realen Wachstum
der verfügbaren Einkommen und positiven Einkommenserwartungen, sowie
ein hohes Interesse der Kapitalanleger an der Wohnimmobilie, auch aufgrund
fehlender renditestarker Anlagealternativen.
Die gute Wohnungsbaukonjunktur kommt jedoch längst nicht allen Marktsegmenten und
allen Regionen gleichermaßen zugute; wir stellen zunehmend eine Konzentration der
Wohnungsbauaktivitäten auf den Geschosswohnungsbau in Ballungszentren fest:
418
Wohnungsbau Wirtschaftsbau Öffentlicher Bau Gesamt9,0 -4,0 8,0 3,0
Auftragseingang im Bauhauptgewerbe 1. Quartal 2015*- nominale Veränderungsrate zum Vorjahreszeitraum -
* Betriebe mit 20 und mehr Beschäftigten, Schätzung HDB
- 5 -
Im Bereich der Mehrfamilienhäuser ist 2014 die Zahl der neugenehmigten Wohnun-
gen um 9 % auf 130.000 Einheiten gestiegen. Gegenüber dem Tiefpunkt der Entwick-
lung im Jahre 2008 haben sich damit die Genehmigungszahlen um 120 % erhöht.
Dagegen ist die Zahl der genehmigten Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern 2014 um 2,2 % auf 107.000 zurückgegangen. Mit anderen
Worten: Das Eigenheimsegment stößt offenbar an Wachstumsgrenzen,
möglicherweise aufgrund der explodierenden Bodenpreise im Umfeld unserer
Großstädte, die auch durch Niedrigzinsen und wachsende Einkommen nicht mehr
ausgeglichen werden können.
Gleichzeitig konzentrieren sich die Zuwächse im Geschosswohnungsbau nahezu
vollständig auf die Ballungsräume. In zehn deutschen Großstädten ist die Zahl der
genehmigten Wohnungen 2014 um gut 30 % gestiegen, in Berlin sogar um 78 % und
in Köln um 50 %. Dagegen hat die Zahl der Genehmigungen außerhalb dieser
Ballungszentren nur um 2,5 % zugenommen. Entsprechend wurden in diesen Groß-
städten 3,7 Wohnungen je 1.000 Einwohner genehmigt, im restlichen Bundesgebiet
waren es lediglich 1,4 Wohnungen.
518
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Hinter den stark wachsenden Neubauinvestitionen bleiben die
Bestandsmaßnahmen deutlich zurück. Von 2010 bis 2014 legten die Investitionen in
neue Wohngebäude jährlich um 11 % zu, die Maßnahmen im Wohnungsbestand
dagegen nur um 3 %.
Vieles spricht dafür, dass sich die wichtigsten Rahmendaten für den Wohnungsbedarf - die
anhaltende Zuwanderung nach Deutschland, aber auch der demographische Wandel hin zu
immer kleineren Haushalten - in den nächsten Jahren nicht verändern werden. Für uns liegt
deshalb die neue Wohnungsbedarfsprognose des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) mit einem Fertigstellungsbedarf von jährlich 272.000 Wohnungen
bis 2020 eher am unteren Rand des Prognosespektrums.
Geht man von einem Nachholbedarf aus den Jahren der Wohnungsbaukrise von etwa
300.000 Wohneinheiten allein für die Jahre 2009 bis 2014 aus, dürfte der
Fertigstellungsbedarf auf mittlere Sicht eher bei jährlich 300.000 Wohnungen liegen. Mit
anderen Worten: Die 240.000 Wohnungsfertigstellungen im vergangenen Jahr und die
erwarteten 255.000 Fertigstellungen im laufenden Jahr reichen weiterhin nicht aus, um den
jährlichen Wohnungsbedarf zu decken.
Dennoch bleibt der Wohnungsbau auch 2015 der Wachstumstreiber für unsere Branche.
Wir halten die Prognose eines nominalen Umsatzwachstums von 3,0 % weiter aufrecht.
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Zahl der Wohnungen in % je 1.000 Ein-2013 2014 2014/2013 wohner 2014
Dresden 1.423 2.695 89,4 5,0 Berlin 7.918 14.131 78,5 4,1 Köln 1.742 2.621 50,5 2,5 Hannover, Region 782 1.100 40,7 1,0 München 5.352 6.750 26,1 4,8 Düsseldorf 1.679 2.111 25,7 3,5 Hamburg 7.065 8.421 19,2 4,8 Bremen 976 1.155 18,3 2,1 Stuttgart 1.263 1.202 -4,8 2,0 Frankfurt/Main 4.624 3.217 -30,4 4,6 10 Großstädte 32.824 43.403 32,2 3,7 Deutschland 125.723 138.669 10,3 1,7 Deutschlandohne 10 Großstädte 92.899 95.266 2,5 1,4
Neubaugenehmigungen für Wohnungenin Mehrfamilienhäusern (inklusive Wohnheime)
- 7 -
Wohnungsbaupolitik, Wohnungswirtschaft und Bauwirtschaft stehen in den nächsten Jahren
vor einer doppelten Herausforderung:
Zum einen gilt es gerade dort, wo die Menschen zuwandern, also in den Ballungs-
gebieten, ausreichend Wohnraum zu schaffen. Das geht nicht ohne die Ausweisung von zusätzlichem Bauland. Hier sind die Kommunen am Zug.
Zum anderen gilt es, Wohnraum zu schaffen, der für die Zuwanderer in unseren
Städten auch bezahlbar ist. Das geht nicht, ohne den gesamten Regulierungsrah-men, unter dem Wohnungsbau heute stattfindet, auf den Prüfstand zu stellen. Denn
immerhin 40 % der Kostensteigerungen im Wohnungsbau seit dem Jahr 2000 sind
auf staatliche Vorgaben zurückzuführen. Die Stichworte heißen hier:
Überprüfung, zumindest aber keine weitere Verschärfung der Energieeinspar-verordnung (EnEV), die allein für ein Fünftel der Kostensteigerung der vergange-
nen 15 Jahre verantwortlich ist,
mehr Augenmaß im Naturschutz und im Bodenschutz, die in den vergangenen
Jahren durch die Forderung nach Ausgleichsflächen und Auflagen für die Wieder-
verwertung von Bodenaushub die Erschließungskosten für Bauland in die Höhe
getrieben haben,
Kostenentlastung der Investoren, z. B. durch Rückkehr zu moderaten Grund-
erwerbsteuersätzen oder den Verzicht auf die Mitfinanzierung von sozialer Infra-
struktur,
Schaffung neuer Anreize für Investoren, z. B. durch höhere
Abschreibungssätze für Investitionsvorhaben in Gebieten, wo die
Mietpreisbremse gelten soll.
Mit anderen Worten: Wir sehen bei der Schaffung bezahlbaren Wohnraums vor allem auch
den Staat in der Pflicht. Man kann nicht auf der einen Seite durch immer neue Auflagen
bzw. Steuererhöhungen die Gesamtinvestitionskosten und damit auch die Mieten nach oben
treiben und andererseits die Mietpreissteigerung beklagen.
Wohnungswirtschaft und Bauwirtschaft müssen aber auch ihren eigenen Beitrag leisten.
Für mich heißt das:
weitere Optimierung der Bauprozesse durch Nutzung der Möglichkeiten der
Digitalisierung, damit auch Wohngebäude künftig schneller, termin- und auch
kostensicherer gebaut werden können, 718
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die Rückbesinnung auf die Vorteile des seriellen Wohnungsbaus, ohne die Bausün-
den des Plattenbaus zu wiederholen, und
die Auslotung aller Möglichkeiten für den verstärkten Einsatz von Fertigteilen.
All diese Probleme werden Politik, Wohnungswirtschaft und Bauwirtschaft nur in einer
gemeinsamen Kraftanstrengung bewältigen können. Wir begrüßen deshalb ausdrücklich,
dass Bundesbauministerin Dr. Barbara Hendricks ein „Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen“ ins Leben gerufen hat, in dem alle Kräfte gebündelt werden sollen.
Ministerin Dr. Hendricks wird darüber morgen zu Beginn unseres „Tages der Deutschen
Bauindustrie“ berichten.
3. Wirtschaftsbau: Hoffen auf die gesamtwirtschaftliche Belebung
Der deutsche Wirtschaftsbau bewegt sich weiterhin im Schlepptau der Gesamtwirtschaft: Mit
der konjunkturellen Abkühlung im Verarbeitenden Gewerbe wie auch im
Dienstleistungssektor im 2. Halbjahr 2014 sind die Vorlaufindikatoren für den deutschen
Wirtschaftsbau eingebrochen. Der Hauptverband rechnet deshalb für das 1. Quartal mit
einem Rückgang der Wirtschaftsbaunachfrage von 4 %.
Inzwischen zeichnet sich jedoch in der deutschen Wirtschaft ein deutlicher Stimmungs-umschwung ab, der möglicherweise schon im 2. Quartal zu einer Revision der Investitions-
planungen und damit auch zu einer wieder anspringenden Wirtschaftsbaunachfrage führen
könnte. Darauf deuten hin:
eine wieder steigende Investitionsneigung des Verarbeitenden Gewerbes nach
der DIHK-Umfrage zu Jahresbeginn,
ein Auslastungsgrad der Kapazitäten im Verarbeitenden Gewerbe, der zu Beginn
des 2. Quartals bereits wieder deutlich über dem langfristigen Durchschnitt liegt,
der Mangel an rentablen Anlagealternativen, der tendenziell dem Bürogebäude-segment zugutekommt, und
als Sondereffekt die Ankündigung der Bahn, schon 2015 verstärkt in die Erhaltung und den Ausbau des Schienennetzes investieren zu wollen.
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Für einen deutlichen Schub reichen diese Impulse aus unserer Sicht jedoch noch nicht aus.
Wir erwarten für den Wirtschaftsbau nach wie vor ein nominales Umsatzwachstum von etwa 1,5 %.
Für uns ist die etwas „lustlose“ Verfassung des Wirtschaftsbaus lediglich ein Reflex der
schon länger anhaltenden gesamtwirtschaftlichen Investitionsschwäche, wie sie zuletzt
auch die Expertenkommission „Stärkung der Investitionen in Deutschland“ unter Prof. Marcel
Fratzscher beschrieben hat. Die Nettoinvestitionsquote der Wirtschaft, also die Brutto-
investitionen abzüglich der Abschreibungen in Prozent des Bruttoinlandsprodukts, ist inzwi-
schen deutlich unter 1 % gefallen und kommt damit der Nulllinie bedrohlich nahe. Es
gelingt uns nur mit Mühe, den Unternehmenskapitalstock am Standort Deutschland zu
erhalten, geschweige denn weiter aufzubauen.
Ganz bedrohlich stellt sich die Situation in den energieintensiven Branchen (Metallerzeugung
und -bearbeitung, Herstellung von chemischen Erzeugnissen, von Gummi-, Kunststoff- und
Glaswaren) dar; die Nettoinvestitionsquote ist in diesen Bereichen bereits seit einigen Jahren
negativ. Diese Branchen beklagen nicht nur – im internationalen Vergleich – hohe Industrie-
strompreise, sondern vor allem eine tiefe Unsicherheit über die weitere Entwicklung.
Insgesamt schätzt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung Berlin inklusive der staat-lichen Investitionen eine Investitionslücke von 3 % des Bruttoinlandsprodukts bzw. rund 80 Mrd. Euro pro Jahr.
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Gleichzeitig beobachten wir, wie in Deutschland gebildete Ersparnisse ins Ausland
transferiert werden, um dort zu einem nicht unbeträchtlichen Teil „verbrannt“ zu werden. Was
liegt also näher, als dieses anlagesuchende Kapital zur Bekämpfung der
Investitionsschwäche in Deutschland zu nutzen. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass sich
die Politik darauf zurückbesinnt, dass nicht Regulierung und Umverteilung, sondern nur investitionsfreundliche Rahmenbedingungen die Grundlage für Wachstum und
Beschäftigung in einer Volkswirtschaft bilden.
Für eine investitionspolitische Umbesinnung ist es in dieser Legislaturperiode noch nicht zu
spät:
Mit dem seit Jahren angekündigten Bürokratieabbau muss endlich Ernst gemacht
werden. Es kann nicht sein, dass immer neue „Bürokratiemonster“, wie die völlig überzogene Mindestlohndokumentationspflichten-Verordnung (MiLoDokV), in
die Welt gesetzt werden.
Die Energiepolitik in Deutschland muss so umgebaut werden, dass auch energie-
intensive Industrien am Standort Deutschland langfristig eine Chance behalten.
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Wir müssen den digitalen Modernisierungsprozess stärker vorantreiben. Die Breit-
bandinitiative der Bundesregierung muss für schnelles Internet bis in die ländlichen
Regionen Deutschlands hinein sorgen.
In der Rentenpolitik müssen wir die „Rolle rückwärts“ beenden. Vor dem Hintergrund
der demografischen Entwicklung in Deutschland sollten wir weniger darüber nach-
denken, wie wir dringend benötigte Fachkräfte in den Ruhestand schicken; wir sollten
stattdessen mehr dafür tun, dass wir diese Fachkräfte möglichst lange in unseren
Unternehmen halten können.
Die Attraktivität des Investitionsstandortes Deutschland steht und fällt mit der
Leistungsfähigkeit seiner Verkehrswege. Wir können es uns deshalb nicht länger
leisten, dass Schwertransporte große Umwege fahren müssen, nur weil immer mehr
marode Brücken für solche Transporte gesperrt werden.
4. Öffentlicher Bau: Hoffen auf die Investitionswende
Unsere stetige Kritik am Zustand der Infrastruktur und an der Investitionszurückhaltung von
Bund, Ländern und Gemeinden scheint inzwischen Früchte zu tragen. Insbesondere der
Bund hat in den vergangenen Monaten – lange haben wir darauf gewartet – die Grundlagen für eine öffentliche Investitionswende gelegt.
Das Bundesfinanzministerium hatte bereits im Herbst 2014 ein 10-Mrd. Euro-Programm für Bundesinvestitionen angekündigt. Seit Februar stehen die Eckwerte fest:
3,3 Mrd. Euro werden in die Verkehrswege des Bundes fließen. Die Investitionslinie Verkehr wird von 10,8 im Jahr 2015 auf knapp 13 Mrd. Euro im Jahr 2017 steigen.
1,1 Mrd. Euro gehen in den Ausbau der Breitbandnetze.
Weitere 500 Mio. Euro werden für die energetische Sanierung im Gebäudebestand,
den altersgerechten Umbau von Wohnungen und den Bau von Studentenheimen und von Unterkünften für Auszubildende zur Verfügung gestellt.
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Gleichzeitig wird das Bundesverkehrsministerium eine neue Generation von ÖPP-Ver-kehrsprojekten an den Markt bringen. Die neue Staffel soll zehn Projekte mit einem Investi-
tionsvolumen von 7 Mrd. Euro umfassen. Wir rechnen damit, dass die Ausschreibungs-
verfahren für die ersten beiden Projekte bereits in diesem Jahr eröffnet werden.
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Darüber hinaus setzt Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt seinen Mautfahrplan konsequent um: Mit der Ausweitung der Lkw-Maut auf weitere 1.100 km Bundesstraßen und der Absenkung der Mautpflichtgrenze auf 7,5 Tonnen sowie der Einführung der Pkw-Vignette sollen ab 2017 jährlich etwa 900 Mio. Euro zusätzlich in den
Bundesfernstraßenhaushalt fließen.
Aber auch die Kommunen sollen am Ende nicht leer ausgehen: In einem Sondervermögen „Kommunalinvestitionsförderungsfonds“ sollen für die Jahre 2015 bis 2018 3,5 Mrd.
Euro für Investitionen von finanzschwachen Kommunen bereitstehen. Als
Investitionsschwerpunkte nennt das Gesetz die Bildungsinfrastruktur und den Klimaschutz.
Mit diesen Maßnahmen hat die Bundesregierung viel zur Aufhellung der Stimmung im
Öffentlichen Bau beigetragen. Offenbar haben die Pläne des Bundes viele öffentliche
Auftraggeber dazu veranlasst, bereits „in Vorleistung“ zu gehen. Die öffentliche Baunachfrage lag jedenfalls im 1. Quartal mit 8 % deutlich im Plus.
Mit diesem Maßnahmenpaket reagiert die Bundesregierung auf die auch von der
Bauindustrie in den vergangenen Jahren immer wieder vorgetragenen Klagen über einen
schleichenden Werteverzehr des öffentlichen Kaptalstocks. Wir begrüßen deshalb
ausdrücklich, dass der Bund die längst überfällige Wende in der öffentlichen
Investitionspolitik endlich eingeleitet hat.
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Trotzdem werden wir auch 2015 noch mit negativen öffentlichen Nettoanlageinvestitionen
leben müssen. Viele der angekündigten Maßnahmen werden wohl im laufenden Jahr noch
nicht auftragswirksam werden; die Hoffnungen der Bauindustrie richten sich deshalb auf die
Jahre 2016 und 2017. Für die Bauwirtschaft wird – aufgrund des guten Jahresstarts – jedoch
immerhin ein moderates Umsatzplus herauskommen: Wir haben unsere
Umsatzerwartungen für 2015 deshalb leicht nach oben revidiert – und zwar auf nominal +
1,5 %.
Mit der Bereitstellung zusätzlicher Investitionsmittel ist es aber sicherlich allein nicht getan.
Es kommt jetzt im nächsten Schritt darauf an, dass diese Investitionsmittel auch tatsächlich in Projekte umgesetzt werden. Daran haben wir jedoch mit Blick auf die
Verfassung vieler Bauverwaltungen derzeit noch unsere Zweifel.
Wir sollten deshalb alle Möglichkeiten nutzen, um die drohenden Engpässe im Pla-nungsbereich zu beseitigen; für uns heißt das:
Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit der öffentlichen Bauverwaltungen durch
Personalaufstockung,
Nutzung des Know-hows der Bauunternehmen in der Ausführungsplanung, z. B.
durch Design-and-Build-Verträge da, wo die Kapazitätslücken nicht schnell genug
geschlossen werden können, und
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Vereinfachung und Verkürzung der Planungs- und Genehmigungsverfahren, zumin-
dest für Ersatzbauwerke.
Darüber hinaus müssen wir aber auch dafür sorgen, dass Bauprojekte künftig termintreuer und kostensicherer umgesetzt werden. Für mich geht dies nur über mehr Partnerschaft in der Zusammenarbeit zwischen Bauherren, Planern und Bauwirtschaft. Dazu gehören:
die frühe Einbindung der Baukompetenz in den Planungsprozess (Early-Contractor-
Involvement),
die gemeinsame Weiterentwicklung von Projekten auch nach der Zuschlagserteilung
(Value-Engineering),
die Entwicklung von Anreizsystemen zur Hebung von Effizienzreserven (Pain-Gain-
Share) sowie
die Entwicklung von internen und externen Streitschlichtungsverfahren bis hin zur
gesetzlich verankerten, verpflichtenden Adjudikation auf Verlangen eines Projektpart-
ners nach britischem Vorbild.
Termintreue und Kostensicherheit sind aber auch eng mit der Optimierung der Baupro-zesse selbst verbunden. Wir haben deshalb unseren „Tag der Deutschen Bauindustrie“
unter die Überschrift
„Bauen 4.0 – Neuen Ideen Raum geben“
gestellt.
Wir möchten damit deutlich machen, dass die Bauwirtschaft den Anschluss an den Digi-
talisierungsprozess finden muss, der derzeit die gesamte deutsche Wirtschaft erfasst.
Das sind auch Ergebnisse der Reformkommission „Bau von Großprojekten“, über die
morgen sicherlich Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt zum Abschluss unseres
Tages der Deutschen Bauindustrie berichten wird.
5. Beschäftigung: Maßnahmen gegen die drohende Facharbeiterlücke
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Dank der weiter moderat steigenden Bauproduktion wird sich der Beschäftigungsaufbau im
deutschen Bauhauptgewerbe auch 2015 fortsetzen: Im Jahresdurchschnitt werden vorraus-
sichtlich knapp 760.000 Menschen eine Beschäftigung in unseren Unternehmen finden; das
sind 3.000 mehr als 2014 und 55.000 mehr als zum Beschäftigungstiefpunkt der Branche im
Jahre 2009.
Inzwischen stößt der Beschäftigungsaufbau allerdings an Grenzen. Die Arbeitskräftereser-ven auf dem deutschen Bauarbeitsmarkt sind weitgehend ausgeschöpft:
Die Zahl der arbeitslosen Baufacharbeiter erreichte im Jahresdurchschnitt 2014 mit
36.500 einen historischen Tiefstand.
Gleichzeitig sind im Vorjahr fast 16.000 gewerbliche Fachkräfte in den Ruhestand gegangen.
Aber nur 10.600 neue Ausbildungsverträge konnten im gewerblichen Bereich abge-
schlossen werden.
Bislang konnte die drohende Facharbeiterlücke noch abgewendet werden: zum einen durch
die Anwerbung von Fachkräften aus dem europäischen Ausland, zum anderen durch den
Wechsel von Selbständigen aus anderen EU-Mitgliedstaaten in eine sozialversicherungs-
pflichtige Beschäftigung, eine Folge der uneingeschränkten Arbeitnehmerfreizügigkeit.
Darauf deutet der seit 2010 zu beobachtende Anstieg der Zahl der Beschäftigten mit ausländischem Pass hin: Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten lag im
September 2014 um 40.000 über dem Niveau von September 2009, davon hatten 33.000
einen ausländischen und nur 7.000 einen deutschen Pass. Entsprechend ist der Anteil
ausländischer Beschäftigter in den Belegschaften des deutschen Bauhauptgewerbes von
7,8 % auf 11,8 % gestiegen.
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Auf diesen Anwerbeerfolgen dürfen wir uns jedoch nicht ausruhen, wenn wir verhindern
wollen, dass der Fachkräftemangel in Zukunft zu einem Risiko für die wirtschaftliche Entwick-
lung unserer Branche wird. Bereits im Februar gaben 54 % der vom Deutschen Industrie-
und Handelskammertag (DIHK) befragten Bauunternehmen an, dass sie den
Fachkräftemangel als Risiko für ihr Unternehmen sehen. Für mich heißt das:
Unser Image weiter verbessern: Es gilt deutlich zu machen, dass die Bauwirtschaft
nicht nur einen sicheren und gut bezahlten Arbeitsplatz, sondern auch anspruchsvolle
technische Herausforderungen bietet.
Dem Nachwuchs Karriereperspektiven aufzeigen, um ihn langfristig an die
Branche zu binden.
Das Potential nicht ausbildungsreifer Jugendlicher heben: Pilotprojekte wie
„Berufsstart Bau“, in denen Jugendliche, die noch nicht alle Voraussetzungen für eine
Ausbildung erfüllen, auf eine Ausbildung in der Bauwirtschaft vorbereitet werden,
müssen stärker genutzt werden.
Damit ist es aber nicht getan. Wir benötigen auch ein modernes Zuwanderungsrecht, welches die Bedürfnisse der Wirtschaft berücksichtigt, und ein Integrationskonzept, um
Einwanderern und Asylsuchenden die Eingliederung in den deutschen Arbeitsmarkt zu
erleichtern.
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Nur so kann unsere Branche der zunehmenden Herausforderung eines sinkenden Arbeits-
kräfteangebots begegnen.
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