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TREFFPUNKT FORSCHUNG 276 © 2012 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.chiuz.de Chem. Unserer Zeit, 2012, 46, 274 – 278 PHOSPHOR UNABDINGBAR Arsenat-Stoffwechsel widerlegt Vor zwei Jahren erregten Forscher großes Aufsehen mit der Behauptung, ein auffallend arsenresistenter Bakterienstamm aus einem Salzsee in Kalifornien könne in seinem Stoff- wechsel und womöglich gar in seiner DNA Phosphat durch Arsenat ersetzen [1]. Zwei eingehendere Studien haben dies jetzt widerlegt. konnten bestätigen, dass GFAJ-1 tat- sächlich außergewöhnlich resistent gegen Arsenat ist und sogar einen 10.000-fachen Überschuss (Arsenat zu Phosphat) toleriert [3]. Vorher be- kannte arsenresistente Bakterienar- ten vertragen höchstens einen hun- dertfachen Überschuss, während eine Variante des Schimmelpilzes Asper- gillus bis zu tausendfachen Arsen- überschuss überlebt. Dennoch konnten sie keinen Hin- weis darauf finden, dass die Bakterien Arsenverbindungen tatsächlich ver- wenden. Offenbar können sie sehr effizient die letzten Spuren von Phos- phat aus dem Medium zusammenkrat- zen und in ihren Zellen anreichern, was angesichts des bis zu 10.000-fa- chen Arsenatüberschusses eine be- merkenswerte Trennleistung ist. Doch selbst mit modernsten mas- senspektrometrischen Methoden konnten die Züricher Forscher kein Arsen in den Stoffwechselprodukten und Nucleinsäuren der Mikroben fin- den. Die einzigen arsenhaltigen Bio- moleküle, die sie nachweisen konn- ten, Hexose-Arsenate, bildeten sich auch in Kontrollexperimenten ohne die Bakterien, waren also vermutlich nicht biologischen Ursprungs. In einer weiteren, gleichzeitig er- schienenen Publikation untersuchte Rosemary Redfield von der Universi- ty of British Columbia in Vancouver zusammen mit Kollegen aus Princeton die DNA von GFAJ-1-Bakte- rien, die in Anwesenheit von Arsenat im Überschuss gezüchtet wurden [4]. Trotz Anwendung von höchst empfindlichen massenspektrometri- schen Methoden (Massenspektrome- trie mit induktiv gekoppeltem Plas- ma, ICP-MS) konnten die Forscher kein Arsen in der DNA nachweisen. Da Wolfe-Simon et al. vermutet hatten, dass die vermeintlich arsenat- haltige DNA der Bakterien möglicher- weise in der Zelle von Proteinen oder anderen Faktoren stabilisiert werden könnte, untersuchten Red- field und Kollegen auch die Stabilität der hochgradig gereinigten DNA und fanden stabile Fragmente von mehr als 30.000 Nucleotiden Länge, unab- hängig davon, ob die Zellen in Anwe- senheit von Arsenat gezüchtet wur- den oder nicht. Demnach kann die DNA höchstens eine Arsenatgruppe je 30.000 Phosphatgruppen enthal- ten, was für das Überleben bei Phos- phatknappheit unerheblich wäre. Darüber hinaus stellten Redfield und Kollegen auch die ursprüngliche Beobachtung in Frage, dass Arsenatlö- sung das Wachstum der Bakterien bei Phosphatknappheit erleichtere. Sie konnten dieses Ergebnis nicht repro- duzieren, fanden aber, dass die Bakte- rien zusätzlich zu dem von Wolfe-Si- mon beschriebenen Medium Gluta- mat benötigten. Daraus leiten sie ab, dass die wundersame Wirkung der Arsenatlösung womöglich auf eine Verunreinigung zurückzuführen war, deren physiologische Funktion der des Glutamats in den neueren Expe- rimenten entsprach. Insgesamt ergibt sich also, dass die untersuchten Bakterien aufgrund ihrer konkurrenzlosen Resistenz ge- gen Arsenat in hohem Überschuss ge- genüber Phosphat durchaus hochin- teressant sind und weiter untersucht werden sollten. Die Lehrbuchweis- heit, dass Phosphor für die Bioche- mie irdischer Lebewesen unabding- bar ist, widerlegen sie jedoch nicht. Literatur [1] siehe M. Groß, Chem. Unserer Zeit 2011, 45, 8. [2] F. Wolfe-Simon et al., Science 2011, 332, 1163. [3] T. J. Erb et al., Science 2012, 337, 467. [4] M. L. Reaves et al., Science 2012, 337, 470. Felisa Wolfe-Simon und Kollegen vom Astrobiology Institute der NASA hat- ten damals den Bakterienstamm GFAJ-1 aus dem arsenhaltigen Salzsee Lake Mono isoliert und kultiviert. Da das Bakterium der Gattung Halomo- nas offenbar eine bemerkenswerte Resistenz gegenüber dem für die meisten Lebewesen giftigen Arsen aufwies, gingen die NASA-Forscher der gewagten Vermutung nach, es könne womöglich bei Phosphor- knappheit Arsenate in seinem Stoff- wechsel nutzen. Sie kultivierten die Bakterien bei immer niedrigeren Phosphatkonzentrationen und fan- den, dass diese den Phosphatentzug jenseits einer gewissen Schwelle nur dann tolerieren konnten, wenn sie dem Medium eine Arsenatlösung hin- zufügten – was ihre Vermutung zu bestätigen schien [2]. Andere Experten erhoben so- gleich Einwände, und zwar sowohl gegen die Methoden (die zugesetzte Arsenatlösung kann Spuren von Phosphat enthalten sowie weitere Substanzen, die das Wachstum der Bakterien unter schwierigen Bedin- gungen erleichtern), als auch funda- mental biochemische (Arsenat-Ester sind so instabil, dass zum Beispiel DNA mit Arsenatbrücken spontan hy- drolysieren würde). Erst jetzt allerdings haben zwei detailliertere Studien gezeigt, dass die fraglichen Bakterien zwar wirklich erstaunlich resistent gegen Arsen sind, das Element aber weder in ih- rem Stoffwechsel verwenden noch in ihre Nucleinsäuren einbauen. Außergewöhnlich resistent gegen Arsenat Tobias Erb und Julia Vorholt und ihre Kollegen an der ETH Zürich wieder- holten die Wachstumsanalysen und ES BLEIBT DABEI: PHOSPHOR IST FÜR DIE BIOCHEMIE IRDISCHER LEBEWESEN UNABDINGBAR Michael Groß www.michael gross.co.uk

Arsenat-Stoffwechsel widerlegt

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276 © 2012 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.chiuz.de Chem. Unserer Zeit, 2012, 46, 274 – 278

PH OS PH O R U N A B D I N G BA R

Arsenat-Stoffwechsel widerlegtVor zwei Jahren erregten Forscher großes Aufsehen mit der Behauptung, ein auffallend arsenresistenter Bakterienstamm aus einem Salzsee in Kalifornien könne in seinem Stoff-wechsel und womöglich gar in seiner DNA Phosphat durch Arsenat ersetzen [1]. Zwei eingehendere Studien haben dies jetzt widerlegt.

konnten bestätigen, dass GFAJ-1 tat-sächlich außergewöhnlich resistentgegen Arsenat ist und sogar einen10.000-fachen Überschuss (Arsenatzu Phosphat) toleriert [3]. Vorher be-kannte arsenresistente Bakterienar-ten vertragen höchstens einen hun-dertfachen Überschuss, während eineVariante des Schimmelpilzes Asper-gillus bis zu tausendfachen Arsen-überschuss überlebt.

Dennoch konnten sie keinen Hin-weis darauf finden, dass die BakterienArsenverbindungen tatsächlich ver-wenden. Offenbar können sie sehr

effizient die letzten Spuren von Phos-phat aus dem Medium zusammenkrat-zen und in ihren Zellen anreichern,was angesichts des bis zu 10.000-fa-chen Arsenatüberschusses eine be-merkenswerte Trennleistung ist.

Doch selbst mit modernsten mas-senspektrometrischen Methodenkonnten die Züricher Forscher keinArsen in den Stoffwechselproduktenund Nucleinsäuren der Mikroben fin-den. Die einzigen arsenhaltigen Bio-moleküle, die sie nachweisen konn-ten, Hexose-Arsenate, bildeten sichauch in Kontrollexperimenten ohnedie Bakterien, waren also vermutlichnicht biologischen Ursprungs.

In einer weiteren, gleichzeitig er-schienenen Publikation untersuchteRosemary Redfield von der Universi-ty of British Columbia in Vancouverzusammen mit Kollegen ausPrinceton die DNA von GFAJ-1-Bakte-rien, die in Anwesenheit von Arsenatim Überschuss gezüchtet wurden

[4]. Trotz Anwendung von höchstempfindlichen massenspektrometri-schen Methoden (Massenspektrome-trie mit induktiv gekoppeltem Plas-ma, ICP-MS) konnten die Forscherkein Arsen in der DNA nachweisen.

Da Wolfe-Simon et al. vermutethatten, dass die vermeintlich arsenat-haltige DNA der Bakterien möglicher-weise in der Zelle von Proteinenoder anderen Faktoren stabilisiertwerden könnte, untersuchten Red-field und Kollegen auch die Stabilitätder hochgradig gereinigten DNA undfanden stabile Fragmente von mehrals 30.000 Nucleotiden Länge, unab-hängig davon, ob die Zellen in Anwe-senheit von Arsenat gezüchtet wur-den oder nicht. Demnach kann dieDNA höchstens eine Arsenatgruppeje 30.000 Phosphatgruppen enthal-ten, was für das Überleben bei Phos-phatknappheit unerheblich wäre.

Darüber hinaus stellten Redfieldund Kollegen auch die ursprünglicheBeobachtung in Frage, dass Arsenatlö-sung das Wachstum der Bakterien beiPhosphatknappheit erleichtere. Siekonnten dieses Ergebnis nicht repro-duzieren, fanden aber, dass die Bakte-rien zusätzlich zu dem von Wolfe-Si-mon beschriebenen Medium Gluta-mat benötigten. Daraus leiten sie ab,dass die wundersame Wirkung derArsenatlösung womöglich auf eineVerunreinigung zurückzuführen war,deren physiologische Funktion derdes Glutamats in den neueren Expe-rimenten entsprach.

Insgesamt ergibt sich also, dassdie untersuchten Bakterien aufgrundihrer konkurrenzlosen Resistenz ge-gen Arsenat in hohem Überschuss ge-genüber Phosphat durchaus hochin-teressant sind und weiter untersuchtwerden sollten. Die Lehrbuchweis-heit, dass Phosphor für die Bioche-mie irdischer Lebewesen unabding-bar ist, widerlegen sie jedoch nicht.

Literatur[1] siehe M. Groß, Chem. Unserer Zeit 2011, 45,

8.[2] F. Wolfe-Simon et al., Science 2011, 332,

1163.[3] T. J. Erb et al., Science 2012, 337, 467. [4] M. L. Reaves et al., Science 2012, 337, 470.

Felisa Wolfe-Simon und Kollegen vomAstrobiology Institute der NASA hat-ten damals den BakterienstammGFAJ-1 aus dem arsenhaltigen SalzseeLake Mono isoliert und kultiviert. Dadas Bakterium der Gattung Halomo-nas offenbar eine bemerkenswerteResistenz gegenüber dem für diemeisten Lebewesen giftigen Arsenaufwies, gingen die NASA-Forscherder gewagten Vermutung nach, eskönne womöglich bei Phosphor-knappheit Arsenate in seinem Stoff-wechsel nutzen. Sie kultivierten dieBakterien bei immer niedrigerenPhosphatkonzentrationen und fan-den, dass diese den Phosphatentzugjenseits einer gewissen Schwelle nurdann tolerieren konnten, wenn siedem Medium eine Arsenatlösung hin-zufügten – was ihre Vermutung zubestätigen schien [2].

Andere Experten erhoben so-gleich Einwände, und zwar sowohlgegen die Methoden (die zugesetzteArsenatlösung kann Spuren vonPhosphat enthalten sowie weitereSubstanzen, die das Wachstum derBakterien unter schwierigen Bedin-gungen erleichtern), als auch funda-mental biochemische (Arsenat-Estersind so instabil, dass zum BeispielDNA mit Arsenatbrücken spontan hy-drolysieren würde).

Erst jetzt allerdings haben zweidetailliertere Studien gezeigt, dass diefraglichen Bakterien zwar wirklicherstaunlich resistent gegen Arsensind, das Element aber weder in ih-rem Stoffwechsel verwenden noch inihre Nucleinsäuren einbauen.

Außergewöhnlich resistent gegen ArsenatTobias Erb und Julia Vorholt und ihreKollegen an der ETH Zürich wieder-holten die Wachstumsanalysen und

ES BLEIBT DABEI: PHOSPHOR

IST FÜR DIE BIOCHEMIE

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