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Artbegnfiund Artbildung in botanischer Sicht 263 - 1982: Plant Speciation.In: Mechanisms of Speciation. Ed. by BARIGOZZI, C. Symp. Acad. Nac. dei Lincei, 1980. New York: Liss. pp. 21-39. Trrz, W., 1982: Uber die Anwendbarkeit biomathematischer und biostatischerMethoden in der Syste- matik (mit besonderer Beriicksichtigung multivanater Verfahren). Ber. Deutsch. Bot. Ges. 95, 149-154. Trrz, W.; Trrz, E., 1982: Analyse der Formenmannigfaltigkeit der Vakrjuna OffKinalis-Gruppe im zentralen Europa. Ber. Deutsch. Bot. Ges. 95, 155-164. Truuw, 1968: Evolutionary trends in the genus Ginkgo. Lethaia 1,63-101. Anschrift des Verfassers: Prof. Dr. FRIEDRICH EHRENDORWR, Institut fiir Botanik der Universitit Wien, Rennweg 14, A-1030 Wien Artabgrenzung und das Konzept der evolutionaren Art in der Palaontologie” Von W.-E. REIP Eingegangen am 2. Man 1984 1 Einleitung Geht man vom sogenannten ,biologischen‘Artkonzept aus, so ist offensichtlich, daf3 Arten durch direkte Anwendung dieses Konzeptes in der Palaontologie nicht abgegrenzt werden konnen. Das biologische Artkonzept wird folgendexmden definiert: ,,Erne Art ist eine Gruppe von Populationen, innerhalb derer mindestens potentiell kontinuierliche Fortpflan- zungs-Beziehungenbestehen, aber reproduktive Isolation von allen anderen solchen Grup- pen“ (s. WRIGHT 1978; s. a. MAYR 1963). In das Artkonzept geht also nicht nur der Genflua ein, sondern auch der Populations- begriff. Eine Population ist eine Gruppe von Individuen, die eine zeitliche Kontinuitiit auf- weist und die okologisch als Einheit fungiert (ROUGHGARDEN 1979, S. 1). Gruppen von Individuen, die dem Artkonzept geniigen, sind also nicht nur durch genetische Kompati- bilitiit, sondern auch durch ein hohes Ma13 an Obereinstimmung in Morphologie, Embryo- logie, Physiologie und Verhalten gekennzeichnet. Die Diagnose fossiler Arten wird von vielen Palaontologen unter rein pragmatischen Gesichupunkten betrachtet, insbesondere dann, wenn 1. Einzelfunde vorliegen, bei denen sich die Frage der Zugehorigkeit zu bereits bekannten Arten uberhaupt nicht stellt, 2. wenn die morphologischen Kriterien der Artabgrenzung sich unmittelbar anbieten durch Unter- brechungen im Eossilbericht und 3. wenn es um die moglichst praktikable Abgrenzung von Leitfossil-Arten geht. In der Literatur der neueren Zeit beg- die Diskussion um die Moglichkeiten einer biologisch sinnvollen Abgrenzung fossiler Arten erst nach der Etablierung der synthetischen Theorie (C” 1954; MCKERROW 1952; &ODES 1954; SIMPSON 1951). Sie kulminierte und endete weitgehend mit dem von SYLVESTER-BRADLEY (1956) herausgegebenem Symposium. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, wird die Diskussion seither nicht mehr in der ur- spriinglichen Breite weitergefiihrt. Die wichtigste neuere Entwicklung ist die Diskussion von SIMPSONS (1951) Konzept der ,evolutionaren Art‘ durch WILEY (1978), VAN VALEN (1976) und BONDE (1981) (s. a. Ax 1984). Nach einem Vortrag, gehalten a d dem 26. Phylogenetischen Symposion iiber ,Artbildung und Art- begriff’ vom 25.-27. 11. 1983 an der Freien Universitit Berlin. * Herrn Prof. Dr. ERNST fin, Harvard University of Cambridge zum 80. Geburtstag am 6. Juli 1984 gewidmet. U. S. Copyright Clearance Center Code Statement: 0044-3808/ 84/2203-0263$02.50/0 @ 1984 Verlag Paul Parey, Hamburg und Berlin ISSN 0044-3808/InterCode: ZZSEAA 2. ~001. Syst. Evolut.-forsch. 22 (1984) 263-286

Artabgrenzung und das Konzept der evolutionären Art in der Paläontologie,

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Artbegnfiund Artbildung in botanischer Sicht 263

- 1982: Plant Speciation. In: Mechanisms of Speciation. Ed. by BARIGOZZI, C. Symp. Acad. Nac. dei Lincei, 1980. New York: Liss. pp. 21-39.

Trrz, W., 1982: Uber die Anwendbarkeit biomathematischer und biostatischer Methoden in der Syste- matik (mit besonderer Beriicksichtigung multivanater Verfahren). Ber. Deutsch. Bot. Ges. 95, 149-154.

Trrz, W.; Trrz, E., 1982: Analyse der Formenmannigfaltigkeit der Vakrjuna OffKinalis-Gruppe im zentralen Europa. Ber. Deutsch. Bot. Ges. 95, 155-164.

Truuw, 1968: Evolutionary trends in the genus Ginkgo. Lethaia 1,63-101.

Anschrift des Verfassers: Prof. Dr. FRIEDRICH EHRENDORWR, Institut fiir Botanik der Universitit Wien, Rennweg 14, A-1030 Wien

Artabgrenzung und das Konzept der evolutionaren Art in der Palaontologie” ’

Von W.-E. REIP

Eingegangen am 2. Man 1984

1 Einleitung

Geht man vom sogenannten ,biologischen‘ Artkonzept aus, so ist offensichtlich, daf3 Arten durch direkte Anwendung dieses Konzeptes in der Palaontologie nicht abgegrenzt werden konnen. Das biologische Artkonzept wird folgendexmden definiert: ,,Erne Art ist eine Gruppe von Populationen, innerhalb derer mindestens potentiell kontinuierliche Fortpflan- zungs-Beziehungen bestehen, aber reproduktive Isolation von allen anderen solchen Grup- pen“ (s. WRIGHT 1978; s. a. MAYR 1963).

In das Artkonzept geht also nicht nur der Genflua ein, sondern auch der Populations- begriff. Eine Population ist eine Gruppe von Individuen, die eine zeitliche Kontinuitiit auf- weist und die okologisch als Einheit fungiert (ROUGHGARDEN 1979, S. 1). Gruppen von Individuen, die dem Artkonzept geniigen, sind also nicht nur durch genetische Kompati- bilitiit, sondern auch durch ein hohes Ma13 an Obereinstimmung in Morphologie, Embryo- logie, Physiologie und Verhalten gekennzeichnet.

Die Diagnose fossiler Arten wird von vielen Palaontologen unter rein pragmatischen Gesichupunkten betrachtet, insbesondere dann, wenn 1. Einzelfunde vorliegen, bei denen sich die Frage der Zugehorigkeit zu bereits bekannten Arten uberhaupt nicht stellt, 2. wenn die morphologischen Kriterien der Artabgrenzung sich unmittelbar anbieten durch Unter- brechungen im Eossilbericht und 3. wenn es um die moglichst praktikable Abgrenzung von Leitfossil-Arten geht.

In der Literatur der neueren Zeit beg- die Diskussion um die Moglichkeiten einer biologisch sinnvollen Abgrenzung fossiler Arten erst nach der Etablierung der synthetischen Theorie (C” 1954; MCKERROW 1952; &ODES 1954; SIMPSON 1951). Sie kulminierte und endete weitgehend mit dem von SYLVESTER-BRADLEY (1956) herausgegebenem Symposium. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, wird die Diskussion seither nicht mehr in der ur- spriinglichen Breite weitergefiihrt. Die wichtigste neuere Entwicklung ist die Diskussion von SIMPSONS (1951) Konzept der ,evolutionaren Art‘ durch WILEY (1978), VAN VALEN (1976) und BONDE (1981) (s. a. Ax 1984).

’ Nach einem Vortrag, gehalten a d dem 26. Phylogenetischen Symposion iiber ,Artbildung und Art- begriff’ vom 25.-27. 11. 1983 an der Freien Universitit Berlin. * Herrn Prof. Dr. ERNST fin, Harvard University of Cambridge zum 80. Geburtstag am 6. Juli 1984 gewidmet.

U. S. Copyright Clearance Center Code Statement: 0044-3808/ 84/2203-0263 $02.50/0

@ 1984 Verlag Paul Parey, Hamburg und Berlin ISSN 0044-3808/InterCode: ZZSEAA

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2 Das Konzept der biologischen Art

Im folgenden wird unterschieden werden zwischen 1. der Entwicklung eines Ankonzeptes, 2. der Diagnose konkreter Arten, 3. der Klassifiiation von Arten und 4. der Entwicklung einer umfassenden Speziationstheorie. Das Artkonzept spielt eine zentrale Role, da es hilft, Kriterien fiir die Abgrenzung von Arten zu formulieren. Zwischen der Speziationstheorie, dem Artkonzept und der Gesamtinfoxmation uber konkrete Arten bestehen enge Wechsel- beziehungen, da die Speziationstheorie vom Artkonzept ausgehen mu& sich aber in ihrer Erklarungsfunktion auf konkrete Einzelfde bezieht. Die Methoden und Probleme der Klassifikation liegen aderhalb des Rahmens dieser Arbeit. Es wird also davon ausgegangen, dai? die Methoden der Verwandtschaftsforschung auf der Artebene (d. h. die Zuordnung mehrerer Individuen zu einer Art) nicht notwendigerweise dieselben sind wie die der Ver- wandtschaftsforschung auf Oberartebene (d. h. die Ermittlung eines Kladogramms, eines phylogenetischen Diagramms, 0. a.).

Das biologische Artkonzept ist dimensionslos, d. h. es sagt nichts aus uber die Abgren- zung aufeinanderfolgender Arten und nichts uber die Abgrenzung riiumlich getrennter (allopatrischer) Arten. Es ist also strikt nur anwendbar auf sympatrische, bisexuelle Arten. Dariiber hinaus besteht eine erhebliche Unscharfe hinsichtlich der Anwendbarkeit des Konzeptes, da es zwischen kontinuierlichen Fortpflanzungs-Beziehungen und reproduk- tiver Isolation alle Ubergkge gibt. (Einwande gegen das biologische Artkonzept werden von Ax 1984 zusammengesteflt.)

Da zwischen Artkonzept und der Diagnose von Arten strikt unterschieden werden m d , ist es kein relevantes Argument gegen das Artkonzept, wenn in der Literatur immer wieder betont wird, dai3 die bei weitem meisten rezenten Arten nicht durch eine populations- genetische Analyse des Genflusses, sondem auf Grund anderer Kriterien (Morphologie, Verhalten, Biochemie, Biogeographie) diagnostiziert wurden. Diese Kriterien, die man anwendet, um sich moglichst gut einer biologischen Artdiagnose anzuniihem, werden hier ,Hilfskriterien' genannt.

Trotz aller Einwiinde gegen das biologische Artkonzept ist festzuhalten, dai? es haupt- sachlich die reproduktiven Isolationsmechanismen sind, die fur die Diversit& in der heuti- gen Lebewelt verantwortlich sind. Geographische Separationsbameren sind nur voriiber- gehender Natur. Es mu6 also Aufgabe der Speziationstheorie sein, die Entstehung repro- duktiver Isolationsmechanismen aufzuklaren und die Verbreitung einzelner Speziations- typen zu erklaren (z. B. WHITE 1978). Die Speziationstheorie mug also notwendigerweise vom biologischen Artkonzept ausgehen und sich auf populationsgenetische Daten stiitzen.

Schwierigkeiten in der Anwendung des biologischen Artkonzeptes entstehen dann, wenn es darum geht, in uberregionalen Untersuchungen die Diversit5t innerhalb von bio- geographischen Provinzen zu ermitteln (eine solche Liste schlieflt notwendigerweise s y m - patrische und allopatrische Arten ein) oder wenn die rezenten Arten klassifiziert werden sollen. Noch griider werden die (theoretischen und praktischen) Probleme bei der zeitlichen Abgrenzung von Arten im Fossilbericht.

Im ersten Hauptteil dieser Arbeit soll untersucht werden, inwieweit eke Anwendung des biolo- gischen Artkonzeptes in der Palaontologie moglich erscheint. Thema des zweiten Hauptteiles sind die Erweiterung des biologischen Artkonzeptes zum evolutionaren Artkonzept und die Frage, ob das evolutionare Artkonzept einen Einflut3 a d die S eziationstheorie hat und ob es objektive Kriterien zur

notwendigerweise ideengeschichtlichen Charakter. Wenn dabei die Fachgebiete einzelner Autoren angegeben werden, so geschieht das nicht, um eine Typologie von Spezialisten zu entwickeln, sondem um zu zeigen, welchen Erfahrungsbereich die einzelnen Autoren haben.

Abgrenzung ,evolutionarer Arten' liefert. Die P olgende Ubersicht uber den Stand der Diskussion hat

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3 Biologisches Artkonzept und Palaontologie

Pragmatische Artabgrenzungen spielen in der Palaontologie von jeher die entscheidende Rolle. Dies ist leicht zu verstehen angesichts der Unvollstkdigkeit des Fossilberichtes und der Notwendigkeit, leicht bestimmbare Leitfossilien zu definieren. Die Annaherung an eine moglichst sinnvolle Artabgrenzung geschieht in mehreren Stufen. Disartikulierte Skelette miissen rekonstmiert werden; Wachstumsstadien miissen zur ontogenetischen Abfolge zusammengesetzt werden (hierbei spielen Allometrie-Untersuchungen eine groge Rolle, z. B. GOULD 1966; REYMENT 1979). Zur Abgrenzung sympatrischer Arten miissen autochthone von allochthonen Elementen in einer Fossil-Vergesellschaftung getrennt werden.

Eine der grundsatzlichen Fragestellungen in der Palaobiologie ist die Abgrenzung sympatrischer Arten. Auf dem Niveau von Gattungen und hoheren Kategorien liegt in der Regel kein methodologisches Problem vor. Auf dem Artniveau dagegen ist man auf die Qualitiit des Fossilberichtes angewiesen. Nur relativ wenige Taxa (Foraminiferen, Radio- larien und andere Mikrofossilien, Brachiopoden, Mollusken, Echinodemen, einzelne Wirbeltiergruppen) kommen so haufig vor, da5 man statistisch-biometrische Analysen an Hand von Vergesellschaftungen durchfiihren kann, die von einem Fundpunkt und aus einem stratigraphischen Niveau stammen. Mit Hilfe von Univariat-, Bivariat- und Multi- variat-Analysen wird das Material in Gruppen gegliedert, die voneinander statistisch abtrennbar sind. Innerhalb einer Gruppe zeigen einzelne me5bare Merkmale eine unimodale Verteilung. Es ist prinzipiell nicht moglich, zu entscheiden, ob die Variabilitat, die man innerbulb einzelner Gruppen beobachtet, genetisch gesteuert ist oder auf Ukophhotypie zuriickzufiihren ist. Die Unterschiede zwkchen den einzelnen Gruppen werden als gene- tisch kontrolliert betrachtet und die einzelnen Gruppen als getrennte Arten angesprochen. Zwei Unsicherheiten konnen bei diesem Verfahren grundsatzlich nicht ausgeriiumt werden. Einerseits ist es moglich, daf3 innerhalb einer solchen statistisch ermittelten Gruppe zwei Sibling Species stecken. Andererseits kann die Art polymorph sein und sich aus mehr als einer sympatrischen Gruppe zusammensetzen.

Die Einfiihrung von statistisch-biometrischen Verfahren in die systematische Palaontologie fiihrte in einzelnen Fallen zu einem ,Splitting' von Arten, viel haufiger aber zu einem ,Lumping' bisher getrennter Arten (z. B. STOKES 1976; WESTERMA" 1966).

Genetisch kontrollierter Polymorphismus Idt sich bei fossilen Arten nur dann belegen, wenn sich die Moglichkeit eines unmittelbaren Vergleichs mit rezenten Taxa ergibt. Dies trifft insbesondere zu fiir den verbreiteten Dimorphismus bei Foraminiferen, der sich aus dem Generationswechsel ergibt. Der Gamont (oder die megalospharische Generation) hat in der Regel kleinere Gehause als der Agamont (mikrospharische Generation). Bei den meisten fossilen Gruppen mit Dimorphismus lassen sich die beiden Morphen relativ leicht auf- einander beziehen und in eine Art zusammenfassen (BOLTOVSKOY und WRIGHT 1976; Scon 1974).

Ein zweiter viel diskutierter genetisch gesteuerter Polymorphismus ist der Sexualdimor- phismus. Bei Saugetieren und vor allem tertiaren Invertebratengruppen 1a5t sich der im Skelett ausgepriigte Sexualdimorphismus unmittelbar durch den Bezug auf rezente Ver- gleichstaxa begriinden. 1st ein solcher Direktbezug nicht moglich, so mu5 anhand morpho- genetischer Untersuchungen gezeigt werden, daf3 die Jugendstadien der beiden in Frage stehenden Morphen iibereinstimmen. Andere wichtige Argumente sind sympatrisches und stratigraphisch gleiches Vorkommen der Morphen. Auger bei Saugetieren wurde Sexual- dimorphismus diskutiert bei Reptilien, Muscheln, Schnecken, Cephalopoden, Trilobiten, Ostracoden, Seeigeln und Brachiopoden (WESTERMANN 1969). Bei einigen Reptilgruppen weisen neuere Untersuchungen darauf hin, dai3 einzelne Wachstumsstadien (sogar einzelne Erhaltungsfonnen) und die beiden Geschlechter im Adultstadium als verschiedene Arten

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angesprochen worden sind. Eine biometrisch-statistische Revision fiihrt dann zu einer betschtlichen Reduktion der Artzahlen (z. B. GRINE und HAHN 1978; GRINE et al. 1978). Bei anderen Gruppen und insbesondere bei den genannten Invertebraten ist der im Skelett ausgepggte Sexualdimorphismus so gering, dai3 er innerhalb von Gruppen von Individuen gefunden wird, die ohnehin zu einer Art gestellt wurden.

Ein vie1 diskutiertes methodologisches und prakasches Problem, das aus dem Rahmen, der hier abgesteckt wurde, f i t , ist der Dimorphismus bei Ammonoideen. Je nach Gruppe ist er mehr oder weniger ausgepsgt. In jedem Fall aber auf3ert er sich in &em kleinen Adultus (Mikrokonch, vermutlich Minnchen) und einem groj'en Adultus (Makrokonch, vermutlich Weibchen). Mikrokonch und Makrokonch haben iibereinstimmende Jugend- stadien. Es wurden zahlreiche Kriterien zur Bestimmung des Adultstadiums ermittelt (Drkgung der Septalflachen; VeGderung der Schalenskulptur; VeGderung der Mun- dungsform). Die Existenz des Dimorphismus ist heute kaum Umstritten, auch nicht die Annahme, da8 es sich um einen Sexualdimorphismus handelt (MAKOWSKI 1962; LEHMANN 1976). Im Einzelfalle ergeben sich jedoch erhebliche Probleme. Die Haufigkeit von Mikro- und Makrokonchen ist oft erheblich verschieden (die urspriingliche Haufigkeitsrelation ist unbekannt); zuweilen l i t sich nur einer von beiden Morphen in einem Fundgebiet nach- weisen (dies konnte a d eine okologische Segregation beider Geschlechter deuten). In vielen F a e n stimmen die nachgewiesenen stratigraphischen Reichweiten beider Morphen nicht vollig iiberein (dies liede sich durch biostratinomische Effekte leicht erklaren). Ein entschei- dendes Problem fiir die Taxonomie ist aber, daf? die ,Evolutionsgeschwindigkeit' beider Morphen unterschiedlich sein kann. So hat in einem Falle (s. LEHMANN 1976) ein Mikro- konch dieselbe stratigraphische Reichweite wie ein Makrokonch und sein stratigraphischer Nachfolger. Der Makrokonch und sein stratigraphischer Nachfolger gehoren zweifellos zu einer Populationsreihe (Lineage), werden aber aus stratigraphischen Griinden taxonomisch voneinander getrennt. Ein solches Problem (zwei Makrokonche und ein Mikrokonch) ist taxonomisch nicht losbar, wenn man nicht die, hier eindeutig im Dienste der Stratigraphie stehende Nomenklatur und Systematik ganz auflosen will, urn nach anderen Abgrenzungs- kriterien zu suchen. In der Ammoniten-Systematik be l i t man daher die jeweiligen Mor- phen in der Regel in ihren herkommlichen Taxa, so dai3 sich Artenpaare herauskristalli- sieren, die oft verschiedenen Untergattungen, Gattungen oder gar Familien angehoren, in Wirklichkeit aber wahrscheinlich Minnchen und Weibchen derselben Art darstellen.

Andere als die bereits genannten Formen von Polymorphismus sind in der Palaontologie sehr schwer zu behandeln. Sie konnen sich entweder aus en ah relativ diskontinuierliche, multimodale Verteiiung eines rneabaren Merkmales oder als versckiene Merkmalszwtkde eines z;ihlbaren Merk- males. Der Polymorphismus zabarer Merkmale auf pakiozinen Ostracoden wwde von REnsEM und VAN VALEN (1969) mit dem von rezenten, nahe verwandten Ostracoden verglichen.

Mom und MINOURA (1983) fanden bei 792 Exemplaren von einem Fundort einer pleistozinen solitaren K o d e 15 Morphen, die sich hinsichtlich der Septenzahl unterscheiden. Die niedrigste Septen- zahl ist 20, die hochste 48. Die Zahl der Septen bleibt in der Ontogenese konstant und wird daher von den Autoren als genetisch kontrolliert betrachtet. Die verschiedenen Morphen stimmen au&r in der Septenzahl in d e n wichtigen Merkmalen voUig uberein. Die Haufigkeitsvefieilung der Morphen ist bimodal mit einem Maximum bei 24 und einem Maximum bei 36 Septen. Die Autoren nehmen an, daa auch diese BimodalitZt genetisch kontrolliert ist.

WArend es noch relativ einfach erscheint, sympatrische Arten, die von einem Fund- punkt und aus einem stratigraphischen Niveau kommen, zu trennen, ist die Artabgrenzung sehr schwierig bei regional differenzierten Populationen. Hat man mehrere Fundpunkte im selben stratigraphischen Niveau, in denen die Exemplare morphologisch voneinander dif- ferenziert sind, so ist es problematisch, zu entscheiden, ob eine Differenzierung in Rassen, eine h a l e Variation oder ein Satz allopatrischer Arten vorliegt. Bei tertiaren Ostracoden und Foraminiferen sind einzelne Beispiele b a l e r Variation entlang von Tiefen- und Salinitiitsgradienten deshalb gut belegt, weil sie durch den direkten Vergleich mit nahe verwandten rezenten Arten untersucht werden konnten (BARKER 1963; KEEN 1982; Scorn

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1974). Palaogeographische Untersuchungen von Rassen sind relativ selten, wiederum mit Ausnahme terdarer Beispiele (z. B. FREUDENTHAL 1965, 1968, uber Hamster in Europa). BRETSKY und BRETSKY (1975) gelang es, die regionale Variabilidt zweier ordovizischer Brachiopodenarten auf Meerestiefen-Gradienten (und damit verbundenen knderungen der Umweltbedingungen) zuriickzufiihren. Sehr gute stratigraphische Kontrolle durch vulka- nische Aschenlagen helfen bei der Analyse von tiefenabliiigiger klinaler Variation bei ordovizischen Trilobiten (CISNE et al. 1982; dort auch Hinweise auf weitere Literatur).

4 Das Problem des evolutionaren Artkonzeptes

Um die Unzuiinglichkeiten des biologischen Artkonzeptes zu beheben, wurde von SIMPSON (1951; wiederholt in 1961; mit Kommentarversehen und abgedruckt in SIMPSON 1980) ein ,evoludonares' Art- konzept fonnuliert, das anwendbar sein soll auf Arten rnit asexueller Fortpflanzung, auf allo atrische Populationen und auf das Problem der zeitlichen Abgrenzung fossiler Arten. Zum Teil Lrch die Diskussion mit diesem Konzept und zum Ted auf Grund von Speziationsmodellen haben sich in der neuen Literatur drei verschiedene Konzepte der evolutioniren Art herauskristallisiert, die einander nicht unerheblich widersprechen. Sie sollen in diesem Kapitel analysiert werden. Im Kapitel5 stellt sich dann die Frage nach der Anwendbarkeit eines evolutionaren Artkonzeptes auf konkrete, gut unter- suchte Beispiele im Fossilbericht.

4.1 Smpsons Konzept

SIMPSON (1980, S. 147) kommentiert den Abdruck seiner Arbeit von 1951 mit folgenden Worten: ,,The so-called biological or genetical definition of the category species, although useful and valid in many applications, is essentially non- or even pre-evolutionary. In this paper (1951) I proposed a truly evolutionary definition of the species as a phyletic lineage evolving independently of others. I also pointed out that the genetical species may be under- stood as a special case of the evolutionary species." Es ist sehr schwer, SIMPSON zuzustim- men, dai3 das biologische Artkonzept ,vor-evolutionar' sei. (Das Kreuzbarkeitskriterium im Experiment, oft als BumoN'sche Regel bezeichnet, darf keinesfalls mit dem biologischen Artkonzept verwechselt werden.) Das biologische Artkonzept kann schon deshalb nicht vor-evolutionar sein, wed es die Basis fur die Speziationstheorie darstellt.

SIMPSON fhrt in seinem Kommentarfort : ,,In the latter part of this paper I further consi- dered the special problem of species concepts in paleontological taxonomy. The analysis there given (. . .) has implications that turned out to be wider that here appear. That analysis showed that a criterion for species almost simultaneously proposed by the German entomo- logist HENNIG is impractical and illogical not only in paleontology but also in neontology." SIMPSON lehnt also vehement das Kriterium der Aufspaltung, wie es von HENNIG (s. u.) vor- geschlagen wurde, als Element eines evolutionaren Artkonzeptes ab.

SIMPSON (1951) definiert die evolutionare Art folgendermagen: ,,A phyletic lineage (ancestral-descendent sequence of interbreeding populations) evolving independently of others, with its own separate and unitary evolutionary role and tendencies, is a basic unit in evolution.". Die Tatsache des Genflusses zwischen allen Teilpopulationen der Art wird damit zum Hilfskriterium redutiert! ,,Most of the vagueness and differences of opinion involved in use of the genetical (biological) definition are clarified, at least, if not wholly resolved by taking the genetical (biological) criterion, or interbreeding, not as definitive in itself but as evidence on whether the evolutionary definition is fulfilled'' (1980, S. 151). SIMPSON fhrt fort, es stimme zwar mit dem evolutionaren Artkonzept uberein, wenn man die Vorfahrenpopulation und die beiden Tochterpopulationen nach einem Aufspaltungser- eignis als drei verschiedene Arten bezeichne. Das Verfahren sei jedoch unerwiinscht und un- praktisch. Bei einer Abzweigung veriindere sich die Mutterpopulation oft nicht wesentlich.

Als weiteres Argument weist SIMPSON auf die Problematik der Anwendung des Auf- spaltungskriteriums und auch des evolutionaren Artkonzeptes hin. Gegeben seien (Abb. 1 a)

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( C )

Abb. 1. Interpretationsmoglichkeiten des Fossilberichtes. a und c sind Schichtpopulationen, die stati- stisch untersucht wurden. Sie unterscheiden sich hinsichtlich ihres geographischen Vorkommens, ihrer Durchschnittsrnorphologie und ihres stratigraphischen Alters (Abb. 1 a). Es ist nicht zu entscheiden, ob a und c Teilen einer einheitlichen phyletischen Sequenz angehoren (Abb. 1 b) oder ob sic durch Spaltung aus einer Vorfahrenpopulation hervorgegangen sind (Abb. 1 c). (Aus SIMBON 1980, urngezeichnet)

zwei nicht uberlappende Populationen a und c verschiedenen stratigraphischen Alters. Weitere Informationen lagen nicht vor. Aus pruktischen Griinden werden a und c als ver- schiedene Arten angesehen. Theoretisch konnen sie Elemente einer kontinuierlichen Lineage sein (Abb. 1 b) oder sie konnen aus einem Aufspaltungsereignis hervorgegangen sein (Abb. 1 c), wobei auderdem noch offen ist, wie weit a und c von der Stammart divergiert haben. Es gibt kein Artkonzept, dai3 sich hier strikt anwenden rat.

Einen wesentlichen Fortschritt in der Erweiterung des biologischen Artkonzeptes stellt dieDefinitiondes Meeresbiologen undEvolutionstheoretikers GHISELIN (1975)dar: ,,Species are the most extensive units in the natural economy such that reproductive competition (for genes) occur among their parts."

Der Palaontologe VAN VALEN (1976) greift diese Definition auf, hdt sie aber fiir unvoll- stkdig. Er betont, dad 1. Gene nur von untergeordneter Bedeutung in der Evolution sind, 2. die Kontrolle der Evolution grodenteils durch die Okologie und die Limitiemngen der Ontogenese erfolgt und 3. die Selektion hauptsachlich auf die Phkotypen gerichtet ist, die die Bausteine der Lebensgemeinschaften darstellen. VAN VALEN (1976, S. 233) definiert: ,,A species is a lineage (or a closely related set of lineages) which occupies an adaptive zone minimally different from that of any other lineage in its range and which evolves separately from all lineages outside its range. (A lineage is a clone or an ancestral-descendent sequence of populations)."

VAN VALEN (1976) macht also explizit, da8 die von SIMPSON (1951) angefiihrten ,,eigenen getrennten und einheitlichen evolutionaren Rollen und Tendenzen" der Lineages zuriickzu- fiihren sind auf ihre abgesonderten adaptiven Zonen und dai3 damit letztlich die Selektion fur die Koharenz und Absondexung von Arten verantwortlich ist. Die Selektion ist dafiir verantwortlich, dai3 sympatrische, nahe verwandte Arten (insbesondere bei Protisten und Mlanzen) klar okologisch und morphologisch voneinander getrennt sind und dennoch (in geringem M d e ) Gene mineinander austauschen. Dies fiihrt zu einer Optimiemg der Adaptation. ,,. . ., incomplete reproductive isolation of species permits better evolutionary

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adaptation. Adaptations useful only to one species can easily be kept from the other, while adaptations useful to both can get to both wherever they originate." (VAN VALEN 1976, S. 236).

Die Absicht des Ichthyologen WILEY (1978) ist es, angesichts der vorausgegangenen Dis- kussionen ,,das Artkonzept von SIMPSON wiederadleben zu lassen und zu verteidigen, als das am besten geeignete fiir den Umgang mit Arten und ihren Urspriingen" (S. 17). Er formuliert: ,,A species is a single lineage of ancestral descendant populations of organisms which maintains its identity from other such lineages and which has its own evolutionary tendencies and historical fate" (S. 18). WILEY betont, dai3 der entscheidende Unterschied zu SIMPSONS Definition sei, dad bei ihm selber nicht betont werde, dad Arten evolvieren, sondern nur daB sie ihre Identitiit (z. B. in Phasen der Stasis) bewahren. Die Art verliert ihre Identitat durch eine ,Punktuation' (eine Storung des Gleichgewichts des Genpools), also z. B. durch eine Aufspaltung in zwei Tochterarten. ,,Evolution is composed of two geneo- logical processes. One, the continuum, ties all of life together. The other, punctuation of the continuum, produces diversity, when accompanied by differentiation followed by diver- gence, by providing independence of lineages" (WILEY 1978, s. 21). Ein Aufspaltungsereig- nis stellt nicht notwendigerweise das Ende der Stammart und den Beginn zweier neuer Arten dar. ,,. . . in most cases the methodological necessity of postulating extinction of ancestral species in phylogeny reconstruction as advocated by HENNIG (1966) is biologically (as well as methodologically) sound. However, an implication of the evolutionary species concept would seem to be that if the ancestral species can lose one or more constituent populations without losing its historical identity or tendencies, then it can survive such a split" (WILEY 1978, S. 21,22). Es ist also deutlich, dad WILEY sich im Vergleich zu SIMPSON dem kladisti- schen Standpunkt annahert, das Aufspaltungskriterium aber nicht zum Element seines Konzeptes der evolutionaren Art macht (fur eine gegensatzliche Interpretation vgl. Ax 1984). (Weitere Literatur: die Diskussion zwischen WILEY und L ~ T R U P 1979; WILEY 1979 b und 1981).

4.2 Die ,Tme-Bio-Species' der Kladisten

HENNIG (1950, 1966) geht vom biologischen Artkonzept aus und betont, dai3 das einzig objektive Kriterium f i r den Beginn und das Ende einer Art das Aufpaltungsereignis ist. ,,Ze&llt eine Art durch Aufhoren eines Teils der zwischen ihren Individuen bestehenden tokogenetischen Beziehungen in zwei Arten, so hort sie selbst auf als Art zu bestehen" (HENNIG 1950, S. 102). Dies gelte auch, wenn sich eine der beiden Tochterarten in nichts von der Stammart unterscheidet (1950, S. 11 1). Ein solches Kriterium habe fur die Palaontologie in der Regel nur indirekte Bedeutung: ,,In paleontology the incompleteness of the fossil record dictates the use of purely morphological species concepts as a basis for a purely formal classification" (HENNIG 1966, S. 63). HENNIG deutet damit an, dad bei einem weit- gehend vollstkdigen Fossilbericht das Aufspaltungskriterium angewendet werden kann, dai3 man sonst aber auf willkiirliche, Morphologie-bezogene Kriterien angewiesen ist. Allerdings sollte HENNIG nicht ,morphological species concepts' (sic), sondern ,morpho- logical species criteria' schreiben, wed es nicht um die Entwicklung eines, geschweige mehrerer Artkonzepte, sondern um die praktische Abgrenzung von Arten geht.

HENNIGS kladistisches Artkonzept wird in neuerer &it insbesondere von dem Palaon- tologen BONDE (1977, 1981) vertreten. Er fiihrt (1977) den Begriff ,Time-Bio-Species' dafiir ein und betont damit, dad es sich strikt um eine Erweiterung des biologischen Art- begriffes in der Zeitdimension handelt. Ukologische und andere Gesichtspunkte und Probleme allopatrischer Arten spielen also uberhaupt keine Rolle in diesem Konzept.

BONDE geht ausschliedlich vom Standpunkt des phylogenetischen Systematikers aus. ,,To identify a species or propose a new one amounts to hypothesize a phylogenetic re- lationship. Species concepts accordingly should by evaluated in a framework of phylogenetic analyses as carried out by cladistic methods" (BONDE 1981, S. 32). Dies widerspricht ein-

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deutig HENNIG, und es ist z. T. zu eng gesehen und z. T. falsch. HENNIG dagegen sagt: ,,Wen an author describes a new species he erects a hypothesis, the hypothesis that the specimens he is describing belong to a separate, previously unknown, reproductive commu- nity, all of whose members can be recognized with the aid of the characters given in the description" (HENNIG 1966, S. 67). Erne Artdiagnose impliziert durchaus nicht die An- nahme einer phylogenetischen Verwandtschaft. Will man in irgendeinem okologischen, biogeographischen etc. Zusammenhang Arten zMen (gleichgiiltig ob in der Neontologie oder in der Palaontologie), so geniigt es, die Arten voneinander abzutrennen, ohne etwas uber ihre Verwandtschaft auszusagen. (Es ist ein anderes Problem, daf3 die Konventionen unserer binaren Nomenklatur die Zuweisung jeder Art zu einer Gattung erfordem.)

4.3 Punctuated Equilibria Das von den Invertebraten-Palaontologen ELDREDGE und GOULD (1972) entwickelte Modell der ,Punctuated Equilibria' zielt nicht primar auf die Losung des Problems des evo- lutioniiren Artkonzeptes; in einem Zusammenhang betonen die Autoren sogar: ,,The dis- cussion is futile for a very simple reason: the issue is insoluble; it is not a question of fact (phylogeny proceeds as it does not matter how we name its steps), but a debate about ways of ordering information" (S. 93). ELDREDGE und GOULD entwickeln ein Modell der Geschwin- digkeiten und Ablaufformen der Evolution. Sie kommen jedoch dabei zu einer impliziten Definition eines evolutionaren Artkonzeptes, das sich signifikant von den bisher behandel- ten unterscheidet.

Es sei am Rande vemerkt, daf3 diese Arbeit von ELDREDGE und GOULD (1972; s. a. 1977) der Start- punkt einer haupts5chlich von GOULD (1982 a, b), GOULD und ELDREDGE (1977) und STANLEY (1979) publizierten Reihe von Arbeiten und Biichem ist, in denen die Unzulkglichkeit der synthetischen Evolutionstheorie gezeigt werden soll und in denen eine erweiterte bierarchische Evolutionstheorie entwickelt wird, die aufzeigt, daf3 die Makroevolution von der Mikroevolution ,endcoppelt' ist. Da es hier ausschlidlich um das Problem der evolutionaren Art geht, SOU dieses evolutionstheoretische Problem nicht weiterverfolgt werden, es sei lediglich a d Litenturiibersichten und Kritiken verwiesen ( G m 1983; HECHT et al. 1974; HOFPMAN 1981,1982,1983, im Druck; LEVINTON und SIMON 1980; SCHOPF et al. 1983).

ELDREDGE und GOULD (1972) gehen von einem biologischen Artkonzept aus, das sie aber erheblich umformulieren. Mit Bezug auf LERNER (1954) und MAYR (1963; ,genetic revolutions') betonen sie homijostatische Mechanismen auf zwei Ebenen : 1. ontogenetische Selbstregulation (also Homoostase auf dem Individualniveau), 2. Selbstregulation von Populationen (genetische Homoostase auf dem Niveau der Genpools). Daraus ergeben sich mehrere Konsequenzen. Die genetische Homoostase stabilisiert den Genpool. Der Genpool ist damit hochgradig gepuffert. Die ontogenetische Homoostase ist ein extrem konservativer Mechanismus, der den ontogenetischen Entwicklungsablauf stabilisiert . Die Kohkenz einer Art wird daher nicht durch den Genflu8 garantiert, sondem sie ist das automatische Resultat der Tatsache, daC alle Individuen einer Art dieselben ontogenetischen Homiiostasemecha- nismen geerbt haben ! ,,The coherence of a species, therefore, is not maintained by inter- action among its members (gene flow). It emerges, rather, as an historical consequence of the species' origin as a peripherally isolated population that acquired its own powerful homeo- static system'' (ELDREDGE und GOULD 1972, S. 114). Aus dem zweiten Ted des Zitates wird deutlich, da8 die Autoren vom Modell der allopatrischen Speziation durch Randisolate aus- gehen. Dieser Bezug auf ein bestimmtes Speziationsmodell wurde spater zuriickgenommen (GOULD 1982 b); dies veriindert jedoch den Kern des Modells nicht. Wenn also von ,Rand- isolaten' die Rede ist, so kann es sich nach dem neuen Modell auch um alle Sorten von kleinen Fragmenten von Populationen handeln, die sich parapatrisch oder sympatrisch als neue Arten etablieren.

Durch die genetische Homoostase sind die Genpools so stabilisiert, d d sie auch durch gerichtete Selektionsdrucke nicht aus dem Gleichgewicht gebracht werden konnen. In einer

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Artabgrenzung und d a s Konzept der evolutioniiren Art in der Paliiontologie 271

solchen Phase der Stasis kann man, so die Voraussage, keine gerichtete Veriinderung beobachten (,,no pattern of constant change"), sondern Oszillation (,,a pattern of oscillation in mean values", S. 95). Eine signifikante Storung des Gleichgewichts im Genpool kann nur in kleinen Randisolaten stattfiiden. ,,. . . , the importance of peripheral isolates lies in their small size and the alien environment beyond the species border that they inhabit - for only here are selective pressures strong enough and the inertia of large numbers sufficiently reduced to produce the ,genetic revolution' 1963, p. 533) that overcomes homo- eostasis" (ELDREDGE and GOULD 1972, s. 114). Die Etablierung des Randisolates auf einem neuen Gleichgewichtspunkt, im Gefolge einer ,genetischen Revolution', geschieht extrem rasch (liegt also unter der Auflosungsgrenze des Fossilberichtes). Sie stellt die Bildung einer neuen Art dar (in einzelnen konkreten F d e n solcher neuer Seitenzweige sprechen ELDREDGE und GOULD allerdings von Unterurten !). Jede dieser neuen Arten ist mit einem neuen genetischen und ontogenetischen homoostatischen System ausgestattet. Der Gesamt- ablauf besteht also nur aus Stasis der Arten, wobei Genpool und die durchschnittliche Mor- phologie um einen Mittelpunkt pendeln, und h k t u a t i o n , d. h. einer (im Fossilbericht unmedbar) schnellen Abzweigung einer Tochterart, die das homoostatische Gefiige der Mutterart nicht stijrt und zur Stasis der Tochterart fiihrt.

Die relativ einseitige populationstheoretische Basis dieses Modells soll hier nicht dis- kutiert werden (vergl. Beitrag SPERLICH), es sei lediglich auf die kritischen Literatur- ubersichten und Diskussionen verwiesen. Wichtig ist, dai3 ELDREDGE und GOULD die ,Punctuated Equilibria' als eine Alternative z v ,phyle$schen Gradualismus' formulieren und damit einen Leitfaden zur Interpretation des Fossilberichtes anbieten, der ad5quater sein soll als seine Alternative. (Das Modell des phyleuschen Gradualismus besagt, dad Art- bildungsvorgiinge allmZhlich sind, und zwar sowohl als Aufspaltung als auch als Artum- bildungen).

Da signifikante morphologische Ve&derungen nach den ,Punctuated Equilibria' an den Speziationsprozef3 gekoppelt sind (wahrend der Stasis findet keine signifikante morpho- logische Veriinderung statt), ergibt sich aus den ,Punctuated Equilibria' nicht nur ein evolu- tionares Artkonzept (jeder Seitenzweig ist eine Art), sondern auch gleichzeitig ein Hinweis, wie man Arten erkennt (jeder Seitenzweig, d. h. jede Tochterart, ist durch eine morpho- logische Liicke von der Mutterart getrennt).

In einer sehr wichtigen Kritik weisen LEVINTON und SIMON (1980) darauf hin, daf3 nach morphologischen, biochemischen und chromosomalen Untersuchungen in und zwischen rezenten Populationen evolutiver Wandel durchaus nicht notwendigerweise nur zum ,&it- punkt' der Speziation auftritt. Die Speziation selbst ist ein langsamer und komplexer Vorgang. ,,Many samples are known in which morphologically similar species are quite distinct genetically. Conversely, cases of genetically very similar species with divergent morphologies can be found. Speciation can be thought of as a continuum of change, hence workers may delineate ecotypes, subspecies, semispecies, species, sibling species, and super- species" (LEVINTON und S~MON 1980, s. 136). Die Autoren weisen weiter darauf hin, dad Stasis durch die Merkmale, die zur Artdiagnose fossiler Arten herangezogen werden, nur vorgetauscht wird. ,,Characters which change with constant tempo throughout a lineage's history are inherently poor fossil species-defining characters; they confer no discriminating power. On the other hand, characters which evolve sporadically (i. e. remain for long periods unaltered and then undergo rapid change) are ideal species-defining characters" (S. 136). ,,Because one must have definitive means of distinguishing parent and daughter species in order to track speciation events in the fossil record, the detection of morphological saltation is tautological" (S. 137). In anderen Worten, sobald ein neues Merkmal oder ein neuer Merkmalszustand vorliegt, ist der Sprung zur Tochterart vollzogen. ,,In answer to the question, ,Can rapid morphological change occur in the absence of speciation ?' we reply, ,In the fossil record rapid morphological change is speciation"' ( S . 137).

HOFPMAN (1982) betont, dai3 ,Punctuated Equilibria' und ,phyletischer Gradualismus'

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keine Altemativen seien, sondem Endpunkte eines Kontinuums. Er nimmt an, dafi das ganze Spektrum in der Natur tatsachlich vorkommt, zeigt aber zugleich, daf3 es praktisch unmoglich ist, beim gegebenen Einzelfall zu sagen, welches der Modelle hier verwirklicht ist; es ist nur eine Frage des Madstabes, ob Gradualismus oder eine Sene feiner Punktua- tionen ennittelt wird.

4.4 Gingerichs Chronospezies

Ein gro8er Ted der palaontologischen Literatur iiber das Artproblem versucht, die Diskre- panz zwischen einem theoretischen Artkonzept und der Notwendigkeit zu pragmatischen Losungen durch einen KompromiB zu beheben. Dabei bleibt bei den meisten Autoren offen, welchen Status eine solche Kompromidformel hat. Im Prinzip hat eine solche Kompromii3formel ausschlie13lich den Wen einer Arbeitsanweisung und nicht den Charak- ter eines Axioms (vergleichbar zum Beispiel mit dem biologischen Artkonzept), das als Grundlage einer Theorie verwendet wird. Mit anderen Worten, die Wfiurlichkeit einer solchen Arbeitsanweisung ist durch nichts zu beheben. In der Stellungnahme von SIMPSON (s. 0. und Abb. 1) kam schon zum Ausdruck, dai3 man in der Pakontologie also sowohl mit biologisch sinnvollen, wie mit biologisch irrelevanten (aber z. B. stratigraphisch oder taxo- nomisch praktikablen) Arten umgeht, ohne dad diese beiden Typen von Arten terminolo- gisch auseinandergehalten werden (SIMPSON 1980, S. 158).

Die pragmatische Formel, die der Sugetierpalaontologe GINGERICH (1979 a; s. a. GINGERICH 1976,1977,1979 b) kurzlich verijffentlicht hat, wird gegenwartig vie1 diskutiert. GINGEIUCH betont, da8 es moglich ist, Individuen, die verschiedenen Lineages angehoren, objektiv voneinander zu trennen. Die Abgrenzung von aufeinanderfolgenden Arten der- selben Lineage ist jedoch willkiirlich. Er definiert eine Art ah ,,an arbitrarily divided segment of an evolving lineage that differs morphologically from other species in the same or different lineages" (1979a, S. 48). Dies ist praktisch die Definition der Chronospezies friiherer Autoren (vgl. mehrere Arbeiten in SYLVESTER-BRADLEY 1956).

WILEY (1979 b) erhebt starke Einwhde gegen GINGERICHS Definition, und zwar haupt- sachlich deshalb, wed GINGERICH seine Definition zum Artkonzept erhebt und damit als Grundlage fiir phylogenetische Untersuchungen. Aus diesen phylogenetischen Unter- suchungen leitet GINGERICH wiederum Aussagen iiber Geschwindigkeiten und Ablauf- formen der Evolution ab. WILEY betont weiterhin, dad das Artkonzept, das man anwendet, die Zahl der Arten, die unterschieden werden, direkt beeinfludt und dafi GJNGERICHS Definition zu einer sehr hohen Artenzahl fiihrt.

5 Evolutionares Artkonzept und Fossilbericht

Es ist unumstritten, dai3 Arten die wichtigsten Einheiten auf dem iiberindividuellen Niveau in der heutigen Lebewelt sind. (Arten sind Einheiten und nicht etwa Sammelgruppen; vgl. die Diskussion in BONDE 1981 und WILEY 1979 a.) Es ist dagegen umstritten, welche Faktoren die Arten zusammenhalten, mit anderen Worten, fiir die zeitliche Kontinuitiit der Arten sorgen; als Faktoren kommen u. a. in Frage: Genflud (MAYR, WHITE, WRIGHT, etc.), Selektionsdruck ( GHISELIN, VAN VALEN), das ererbte homoostatische System (GOULD, ELDREDGE) oder der stabilisierende Selektionsdruck aus der speziesspezifischen okologi- schen Nische (siehe Beitrag SUDHAUS). VAN VAL^ (1982) betont, dafi nach heutigem Wissen elf verschiedene Faktoren (inklusive Genflud) in Frage kommen, die fiir den Zusam- menhalt von Arten verantwortlich sind. Wir sind noch weit davon entfernt, abschatzen zu konnen, welche Bedeutung die einzelnen Faktoren haben. Zahlreiche Autoren haben die Ansicht geaudert, dai3 es moglich ist, ein evolutionares Artkonzept zu formuheren, welches das biologische Artkonzept in der Sumlichen und insbesondere in der zeitlichen Dimension erweitert. Es besteht jedoch uberhaupt keine Einigkeit dariiber, welche Abgrenzungs-

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faktoren in ein solches Artkonzept eingehen sollen. Vorgeschlagen wurden: 1. die Pinde- rung der evolutionsokologischen Rolle (SIMPSON, VAN VALEN, WILEY); 2. das Aufspal- tungsereignis, als Ende der Vorfahrenart und Beginn zweier Tochterarten (HENNIG, BONDE, Ax, der sich hierbei a d WILEY beruft); 3. die Punktuation; in der Regel ein Abspal- tungsereignis, das zu einer neuen Tochterart fiihrt (ELDREDGE, GOULD).

Einige Autoren betonen, dai3 die pragmatische Artabgrenzung nach stratigraphisch und morphologisch sinnvollen Gesichtspunkten die einzige Moglichkeit ist, die in der Palaonto- logie zur Verfiigung steht (GINGERICH). MAR (1982, S. 295) sagt iiber das evolutionare Art- konzept beziiglich der Abgrenzung von Arten in Raum und b i t : ,,Here, biological evolu- tion fails to accomodate the wishes of the taxonomist. Fortunately, the fossil record is more accomodating. Its deficiencies usually provide sufficient gaps in the lineages to permit a delimitation of vertical species taxa, as artificial this may be". Dam Ax (1984, S. 161): ,,Aus der erzwungenen Beschsnkung auf Analysen und Vergleich fossilisationsf&ger Struktur- merkmale und der an sie gebundenen Verstiirkung der Unzuhglichkeiten in unseren Systemen von Beobachtung und Methode kann nicht die Spur einer Berechtigung abgeleitet werden, in der Palaontologie mit einem besonderen, fur die praktischen Moglichkeiten ,brauchbaren' Artkonzept zu operieren".

Andere Autoren (z. B. SIMPSON) sumen ein, dai3 in der Palaontologie je nach Datenlage eine pragmatische Artabgrenzung oder eine Abgrenzung nach dem evolutionaren (sensu SIMPSON) Artkonzept durchgefiihrt wird.

In diesem Kapitel SOU an konkreten Einzelbeispielen aus dem Fossilbericht iiberpriift werden, ob wenigstens eine der drei Versionen des evolutionaren Artkonzeptes objektive Kriterien zur Artabgrenzung liefert.

Nur wenige Fossilgruppen sind haufig genug, daC Lineages in einem engen geo raphischen Bereich (in einem Bohrkern, &em AufschiuC oder einigen nahe beieinander gelegenen Aufschlussen) an Hand von zahlreichen stratigraphisch eng aufeinander folgenden Proben (,Schicht opulationen').uber einen Zeitraum von einigen Hunderttausend bis zu etlichen Millionen Jahren ve&Igt werden konnen. Zur Kontrolle der in der Zeitdimension beobachteten Ereignisse i n dariiber hinaus auch eine Kontrolle der geographischen Variabilitat notig. Bei Wirbeltieren sind diese Bedingungen fast uberhaupt nie erfiillt. Die am besten dokumentierten Beispiele, alttertiare Saugetiere, wurden von GINGERICH (1976, 1977, 1979a, b) zusammengestellt. Bei invertebraten Metazoen und bei Protisten liegen relativ gut dokumen- tierte Beispiele vor von :

1. Foraminiferen (ALBERS 1952; BARTENSTEIN und BEITENSTAEDT 1962; BETTENSTAEDT 1952, 1958, 1962, 1968, 1973, 1979; GRABERT 1959; GRADSTEIN 1974; G R ~ I G und HERB 1980; HILTERMANN und KOCH 1950; HOHENECGER 1978; MALMGREN und KENNETT 1981; MEULENKAMP 1969; MICHAEL 1966; OZAWA 1975; REYMENT 1982 a, b; SPAAK 1983; THOMAS 1980; VAN DER ZWAAN 1982; VAN GORSEL 1975; VAN VESSEM 1978; ~ D L E R 1960, 1961).

2. Radiolarien (KELLOG 1975; KELLOG und HAYS 1975; PROTHERO und ~ A R U S 1980). 3. Graptolithen (COOPER 1973). 4. Conodontophoriden (DZIK und TRAMMER 1980; KLAPPER und JOHNSON 1975). 5. Ammoniten (HE- und HURST 1977; HOWARTH 1973; KLINGER und KENNEDY 1980; &UP und

6. Muscheln (GOULD 1972; HALLAM 1968; KAUFFMAN 1977). 7. SuCwasserschnecken (MENSINK 1967; REIF 1983 a, b; WILLIAMSON 1981 a, b; WILLMA" 1981). 8. Landschnecken (GOULD 1969). 9. Brachiopoden (HURST 1975; JOHNSON 1975; ZIEGLER 1966).

CRICK 1981, 1982; SYLVESTER-BRADLEY 1977; REYMENT 1975; TANABE 1975, 1977).

10. Trilobiten (FORTEY 1974; ROBISON 1975). 11. Echiniden (ERNST 1973; ERNST und SEIBERTZ 1977; ROWE 1899). 12. Coccolithophoriden (ROMEIN 1979). Die Datenqualitat ist bei den an efiihrten Publikationen sehr unterschiedlich. Die angefiihrten Arbeiten stellen jedoch den Grundstock k r die gegenwartigen Diskussionen (z. B. GOULD und ELDREDGE 1977; HOFFMAN 1982) iiber Geschwindi keiten und Entwicklungsablaufe der Evolution. Nur ein Teil der Arbeiten kann im folgenden n&er fommentiert werden.

Bei den meisten angefiihrten Beispielen wurde eine Lineage durch einen stratigraphischen Abschnitt verfolgt, ohne dail Abzweigungen oder Abspaltungen ermittelt wurden. Einige dieser Beispiele sollen zuerst besprochen werden.

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5.1 Lineages ohne Abzweigungen

Es ist eine stratigraphisch wie evolutionsbiologisch sehr wichtige Frage, wie Lineages, in denen uber einen betriichtlichen Zeitraum keine Abzweigungen zu ermitteln sind, taxono- misch behandelt werden konnen. Die Interpretationsmoglichkeiten eines solches Befundes sind alles andere als eindeutig. Da der Modus der allopatrischen Speziation von groi3er Be- deutung ist, kann man durchaus annehmen (sofem man keine palaobiogeographische Kontrolle hat), daS von der Lineage im Betrachtungszeitraum einige Tochterarten abge- spalten sind. Nach dem kladistischen Konzept der evolutioniiren Art ist eine solche Lineage (solange keine Abzweigungen festgestellt werden) in eine einzige Art zu stellen. Nach dem Artkonzept der Punctuated Equilibria ist zu untersuchen, wieviele Punktuationen und Stasisphasen die Lineage aufweist. Nach dem evolutionaren Artkonzept von SIMPSON und WILEY ist zu untersuchen, in wieviele Abschnitte mit eigener evolutionarer Tendenz und eigenem historischen Schicksal die Lineage eingeteilt ist.

Es konnen also durchaus gewichtige Griinde dafur angebracht werden, dai3 eine Lineage, in der keine Aufspaltungen nachgewiesen werden konnen, in mehrere Arten eingeteilt wird. Ax (1984, S. 16) hat recht, wenn er sagt : ,,Das Modell der Transformation von Arten rep&

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AM. 2. EinfluB des Artkonzeptes a d die Analyse mikroevolutionajer Prozesse. Die einzehen Arten werden jeweils durch unterschiedliche Symbole ekennzeichnet. Es wird angenommen, daf3 fiir jede der 3 Interpretationen (a bis c) jeweils der leiche ojer zumindest ein h l i c h e r Befund zugrunde liegt. Im Konzept von SIMPSON (weitergefiihrt furch v m VALEN und WILFY, vgl. Text) ist das Arab renzungs- kriterium die Vefiderung der evolutiven Rolle. Diese Vefidenmg kann mit einem Aukpaltungs- ereignis zusammenfallen, mul es aber nicht (vgl. Ubergang von Art 2 in Art 3 und Art 6 in Art 7). Im Konzept von HENNIG (weitergefiihrt von BONDE und Ax) &en (wenn man von Hybridisierungen absieht) nur Spaltungsereignisse, die immer zum Erloschen der Stammart fiihren. ELDREDGE und GOULD gehen davon aus, dad neue Arten aus Punktuationen hervorgehen. Punktuationen sind entweder die rasche Isolation von Randpopulationen (Abzwei gsereignis) oder die rasche Verschie-

bung des Gleichgewichtszustandes des Genpools ohne S p E g (Ubergang von Art 2 in Art 3)

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Artabgrenzwng und d a s Konzept der evolwtwniiren Art in der Paliiontologie 275

sentiert keinen Speziationsmodus der Natur; es ist das artifizielle Produkt einer fehlerhaften Gedankenfuhrung." Dies gilt aber streng genommen nur fiir das evolutioniire Artkonzept des Kladismus. Es gilt nicht fiir das evolutioniire Artkonzept von SIMPSON (Art 2 geht in Art 3 ohne Aufspaltung uber, Abb. 2 a) und auch nicht fur das Modell von ELDREDGE und GOULD (1972) (die Art 3 geht aus der Art 2 durch eine Punktuation hervor, die im Zusammenhang mit dem Erloschen der Mutterpopulation 2 steht). Es ist zweifelhaft, ob man eine solche Transformation ,Speziationsmodus' nennen soll. Speziationsmodi im eigentlichen S i n sind Thema der Speziationstheorie, die sich notwendigerweise auf das biologische Artkonzept stiitzt (vgl. WHITE 1978; BARIGOZZI 1982). In diesem Sinne bedeutet Speziation immer die Erhohung der Artenzahl, also ein ,kladogenetisches' Ereignis. Die Vel;dnderung, (Transfor- mation) einer Population im Laufe der Zeit ist dagegen ein ,anagenetischer' ProzeB.

WILLMANN (1981) untersuchte SiiBwasserschnecken in einem plio-pleistozhen See der Insel Kos (AgCs), der iiber mehrere hunderttausend Jahre bestand und dessen Geschichte in iiber 300m Sediment dokumentiert ist. WILLMA" geht strikt vom kladistischen Artkonzept aus und teilt innerhalb einer ungeteilten Lineage einzelne Abschnitte nach morphologischen (nicht statistisch-biometrischen) Gesichtspunkten in Chrono-Subspezies ein. (Die Verwen- dung von Chrono-Subspezies wird von BONDE 1981, und von SYLVESTER-BRADLEY 1977, sehr befurwortet). Da es sich um einen kleinen See handelt, ist eine gute regionale Kontrolle der Ereignisse gegeben. Bei einzelnen Arten findet WILLMA" zahlreiche einander ablo- sende Chrono-Subspezies ohne eine Abzweigung oder eine regionale Differenzierung. Bei anderen Arten beobachtet WILLMA" Aufspaltungen in zwei regionale Unterarten. Da die Individuen der beiden Unterarten nach der Wiedervereinigung der Populationen miteinan- der hybridieren, kommt WILLMANN zu dem Schlui, dai3 eine reproduktive Isolation, also eine Aufspaltung in zwei Arten innerhalb des Sees nicht stattgefunden haben kann. Wie zu erwarten, sind WILLMANNS Ergebnisse stark determiniert durch das zugrunde gelegte kla- distische Artkonzept. Unter Bezugnahme auf die ,Punctuated Equilibria' liege sich eine bio- metrische Untersuchung zum Nachweis von Punktuationen und Stasisphasen anfemgen. Auch die Verwendung von SIMPSONS Konzept wiirde vermutlich zu anderen taxonomischen SchluBfolgerungen fiihren.

ROWARTH (1973) beschrieb die Ductylwceras-Arten (Ammoniten) eines Profils von 10 m des Oberlias von England, das knapp eine Million Jahre repr2sentiert. Er fand 4 Arten, die aufeinander folgen und die morphologisch scharf voneinander getrennt sind. Stratigraphisch ist der Wechsel von einer Art in die nachste Art sehr abrupt. Innerhalb der einzelnen Arten liegt eine starke Variabilitiit vor, so daB nach der traditionellen Taxonomie jede von HOWARTHS Arten in 3 bis 4 Arten eingeteilt worden ware. HOWARTH konnte die 4 Arten in weiten Teilen Europas wiederfinden und schliei3t daher eine Differenzierung in geogra- phische Rassen aus. SYLVE~R-BRADLEY (1977) interpretiert die Ergebnisse HOWARTHS als ein Beispiel fiir Punctuated Equilibria, also als einen Fall, wo 4 aufeinanderfolgende Arten durch kune, nicht dokumentierte Punktuationen (Art 2 in Art 3 in Abb. 2 c) ineinander ubergehen. Da zwischen der Uberlieferung der einzelnen Arten jedoch Zeitliicken bestehen, betont HOPFMANN (1982), daB HOWARTHS Ergebnisse auch ganz anders interpretiert werden konnen, namlich als Aussterben jeweils einer Art und okologischer Ersatz durch eine neu eingewanderte Art, die durchaus nicht der nachste Verwandte der ausgestorbenen Art sein mug. Bei der gegenwartigen Datenlage stellt sich nur die Frage, ob es berechtigt ist, die verschiedenen Morphen innerhalb eines stratigraphischen Niveaus in eine Art zu packen, wie HOWARTH es getan hat. Die vertikale Abgrenzung ergibt sich durch die stratigraphi- schen Uberlieferungsliicken jedoch von selber. Keines der evolutionaren Artkonzepte kann hier weiterhelfen, da es relativ unwahrscheinlich ist, daB die 4 Arten in Wirklichkeit zu einer unaufgespaltenen Lineage gehoren. Ware dieser Fall gegeben, so miii3te man sie als eine Art im kladistischen Sinne betrachten.

KELLOGG (1975) verfolgte die Radiolarienart Pseudocubus v e m in einem Bohrkem aus der Antarktis. Die Art existierte von etwa 4,5 Millionen Jahre B.P. bis zu ihrem offensicht-

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lich nachkommenlosen Aussterben etwa 2,4 Millionen Jahre B.P. In diesem Zeitraum n a b die GriiBe des Gehauses (gemessen durch die Thorax-Weite) urn 50% zu. Quantitative Untersuchungen zeigen, dai3 der Trend der GriiBenzunahme einsinnig ist (Umkehrungen im Trend wurden nicht festgestellt). Die VerZnderungsgeschwindigkeiten des Trends schwanken jedoch stark; der Trend ist also getreppt' und nicht linear. KELLOG deutet ihre Ergebnisse als einen graduellen phyletischen Wandel innerhalb einer Art. ELDREDGE und GOULD deuten die ,getreppte' Form des Trends jedoch dahingehend, dai3 sich drei Plateaus, als Stasisphasen, von drei Punktuations-Ereignissen trennen lassen. Die letzte Punktuation endet mit dem Aussterben der Art, hat jedoch nicht notwendigerweise damit etwas zu tun. Dies wiirde bedeuten, dai3 es sich um die Aufeinanderfolge von 3 Arten von Pseudocubus handelt. Da das Projekt von KELLOGG keinerlei palaobiogeographische Kontrolle beinhal- tet, weist HOFFMAN (1982) darauf hin, dai3 KELLOGGS Ergebnisse auch als Verschiebung einer okologisch kontrollierten Kline gedeutet werden kann.

Dasselbe Problem der fehlenden palaobiogeographischen Kontrollmoglichkeit ergibt sich bei der Untersuchung der Foraminifere Afrobolivina afra, die von Ibmmmr iiber einen stratigraphischen Bereich vom Campan (Kreide) bis zum unteren Palaozh (Tertiar), also einen Zeitraum von etwa 10 Millionen Jahren, in einem einzigen Bohrloch in Nigeria ver- folgt wurde. REYMENT nahm Proben in insgesamt 92 stratigraphischen Niveaus und einige weitere Proben aus einem benachbarten Bohrloch. Mei3bare Merkmale (z. B. Proloculus- Durchmesser) zeigen ein starkes Oszillieren, also ein Hin- und Herpendeln yon Probe zu Probe, das sich aber zu einem relativ linearen einsinnigen Trend zusammensetzt. Es 1ai3t sich also keine Phase der Stasis nachweisen. Auch sonst ergeben sich keine Moglichkeiten oder Notwendigkeiten zur Untergliederung der Lineage. REYMENT deutet den Trend als Ergebnis einer schwachen Selektion, versdrkt durch okoph&otypische Reaktionen auf wechselnde Umweltbedingungen. Wiederum 1a5t sich die Alternative, n d i c h die Ver- schiebung einer Kline, nicht ausschliei3en.

Gute palaobiogeographische Kontrolle, niimlich uber den ostasiatischen h u m , ist in der Studie von OZAWA (1975) gegeben, in der eine einzige Foraminiferenaxt, Lepidolina multi- septuta, durch das Mittel- und Oberperm verfolgt wurde (20 Millionen Jahre). 9 verschie- dene Merkmale wurden untersucht; 5 ver5ndem sich iiber den Zeitraum nicht signifikant, von den 4 Merkmalen, die sich iindem, zeigt der Proloculus-Durchmesser eine gewisse Oszillation, aber insgesamt einen einsinnigen Trend, der von einem Durchschnittswert von 0,2mm zu iiber 0,5mm im gesamten Zeitraum zunimmt. Hier handelt es sich tatsachlich um eine graduelle Tendenz innerhalb einer Lineage, die zu bedeutenden Vefiderungen fiihrt, ohne daf3 sich jedoch eine Einteilung in mehrere Arten oder einigermaf3en objektivierbare Chrono-Supspezies anbietet.

MALMGREN und KENNEIT (1981) untersuchen eine Lineage planktonischer Foramini- feren der Gattung Globorotaliu, die aus mehreren Gegenden der sudlichen gemai3igten Breiten vollstihdig und gut dokumentiert ist. Die Lineage erstreckt sich iiber einen Zeitraum von 8 Millionen Jahre B. P. bis 1,0 Millionen Jahre B. P. 6 mei3bare oder ziihlbare Merkmale wurden untersucht. Alle Merkmale oszillieren, z. T. erheblich, zeigen aber klare Trends. 4 Trends sind einsinnig ; 2 Trends haben Richtungsumkehrungen. Kein Trend ist ,getreppt'. Durch die gute weltweite Kontrolle, die mehrere Tausend neogener Bohrkeme bieten, die bereits gezogen wurden, ist anzunehmen, dai3 die Lineage sich nie aufgespalten hat, da die Spaltung sonst gefunden worden ware. MALMGREN und B E N N ~ teilen die Lineage in 4 Arten ein, die kontinuierlich auseinander hervorgehen. A l s Abgrenzungskriterium dient die Zahl der Gehausekammem, ein Merkmal, das nur relativ schwach oszilliert und einen weitgehend linearen Trend aufweist. Die Autoren nennen die abgegrenzten Taxa ,phyle- tische Arten'. Ihre Bedeutung ist in erster Linie in ihrem Einsatz als Leitfossilien (auch in Gegenden, wo die Lineage nicht vollstkdig vorko'mmt, z. B. den Tropen und den nord- lichen gemai3igten Breiten) zu sehen. Zu keinem Zeitpunkt befand sich die Lineage in einer Phase der Stasis. Da keine Aufspaltungen stattfanden, konnten nach dem kladistischen

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Artabgrenzung und d a s Konzept der evolutioniiren Art in der Paliiontologie 277

Konzept der evolutionaren Art nur aufeinanderfolgende Crono-Subspezies unterschieden werden. Da die meisten Trends einsinnig sind, wiirde man auch nach dem Konzept von SIMPSON nur eine oder hochstens zwei Arten unterscheiden. Die zweite Art wiirde mit dem Verlust des Kieles der Foraminiferen-Schale beginnnen. Eine solche Artgrenze ist aber bei MALMGREN und KENNETT nicht vorgesehen.

RAUP und CRICK (1981, 1982) legten eine statistische Neuuntersuchung der Daten von BRINKMANN (1929) vor. BRINKMANN hatte in einem Mitteljuraprofil von 14 m in England kontinuierlich alle Exemplare von Arten der Ammonitengattung Kosmocerus (iiber 3000 Stuck) gesammelt und vermessen. BRINKMA" hatte insgesamt 4 Lineages (Subgattungen in seiner Taxonomie) ermittelt, in denen sich insgesamt 12 Arten morphologisch unterscheiden lieden. Abzweigungen und- Aufspaltungen waren in BRINKMANNS phylogenetischem Diagramm unbedeutend und sollen auch hier unberiicksichtigt bleiben. Die Neuunter- suchung durch RAUP und CRICK ergab, dad es sich wahrscheinlich nur um 2 Lineages je mit Mikro- und mit Makrokonchen handelt. (BRINKMA" hatte das Model1 des Sexualdimor- phismus abgelehnt.) RAUP und CRICKS statistische Analyse von BRINKMANNS Meddaten zeigt, dad die einzelnen Merkmale iiber den untersuchten Zeitraum deutliche, aber nicht ein- sinnige Trends aufweisen. Die Trends kehren sich mehrfach um. (Im feinen Mai3stab weisen die Trends Oszillationen auf.) RAUP und CRICK betonen, dad es sich nicht entscheiden ladt, ob Kosmocerus einer graduellen Evolution oder einer punktuierten Evolution unterworfen war. Die Daten lassen keine objektive Abgrenzung von aufeinanderfolgenden Arten zu, die sich durch eines der drei Konzepte der evolutiven Art begriinden lieden. Es steht auf einem anderen Blatt, dai3 eine gute regionale Kontrolle der von BRINKMANN unterschiedenen Arten in zahlreichen Gegenden Europas vorliegt. Auch diese Information bedeutet nur, dad Chronospezies aufgestellt wurden, die als Leitfossilien niitzlich sind. Eine Aufklarung des Evolutionsmodus oder eine Abgrenzung in evolutive Arten ist jedoch nicht gegeben.

5.2 Lineages mit Abzweigungen

Die Suche nach gut dokumentierten Aufspaltungen und Abzweigungen im Fossilbericht ist seit langem betrieben worden. Solche Nachweise wurden von jeher als ,Beweise' fiir die Abstammungstheorie angesehen. Tatskhlich fanden sich aber nur sehr wenige bis ins Detail belegbare Abzweigungen, was dann allgemein mit der Unvollstkdigkeir des Fossilberichtes erklart wurde. Dabei wurde eine entscheidende Diskrepanz zwischen zwei theoretischen Ansatzen, die man gleichzeitig vertrat, iibersehen. Einerseits wurde angenommen, da5 Arten in der iiberwiegenden Anzahl der Fdle durch allopatrische Speziation entstehen. Andererseits erwartete man, in einem Aufschlud (Steinbruch oder Bohrkem) die allmhliche Abspaltung oder Aufspaltung einer Art, gefolgt von einer zunehmenden morphologischen Divergenz, beobachten zu konnen. Diese Diskrepanz war der Ausgangspunkt des Punc- tuated Equilibria-Modells von ELDREDGE und GOULD (1972). Wenn man tatsachlich zwei Arten, die aus einem Auf- oder Abspaltungsereignis hervorgegangen sind, sympatrisch findet, so betonen diese Autoren, so hat das Speziationsereignis, nicht dokumentiert durch den Fossilbericht, bereits stattgefunden.

Zum Problem des Nachweises von Ab- bzw. Aufspaltungen im Fossilbericht lassen sich daher folgende Situationen auseinanderhalten : 1. Exemplare, die aus verschiedenen stratigraphischen Niveaus und verschiedenen Gegen-

den kommen, werden zu einem phylogenetischen Schema zusammengestellt. Es wird eine relativ vollshdige Uberlieferung im Fossilbericht vorausgesetzt. Als wichtigste Kriterien f i r die Erstellung des phylogenetischen Diagramms dienen das stratigraphische Alter und die Pihnlichkeit der Formen untereinander. Eine Dokumentation oder Uber- priifung von Abzweigungsereignissen ist bei dieser Datenlage nicht moglich. Dies ist der bei weitem haufigste Fall in der Literatur. (Es ist unerheblich fur den gegenwartigen Zu- sammenhang, dad sich mit den Kriterien der phylogenetischen Systematik u. U. das

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erstellte phylogenetische Diagram iiberpriifen liege. Aussagen uber die vorliegenden evolutiven Modi lassen sich dennoch nicht treffen.)

2. Durch eine gute palaobiogeographische Kontrolle l i t sich die Differenzierung einer Art in geographische Rassen und die Etablierung dieser Rassen in eigene Arten verfolgen. Solche F a e sind noch extrem selten in der Literatur. Em sehr wichtiges Beispiel wurde kiidich von AGER (1983) veriiffentlicht. Er zeigt, dais die Brachiopodenart Homoeo- rhynchiu rccuta (Unter-Jura) im europ5ischen und im mediterranen Raum weit verbreitet und in geographische Rassen aufgespalten ist. Aus einer Randpopulation entwickelt sich (offensichtlich in der Tschechoslowakei) eine neue Art (Homoeorhynchia maninensis = H . meridwnalis). Nach dem fast vollstkdigen Aussterben yon H . amta iibernimmt H . meridwnalis groCe Teile des Verbreitungsgebietes von H . anrta; H . mta selbst iiber- lebt offensichtlich fur einige Zeit in einer kleinen Population im auhrsten Norden ihres urspriinglichen Verbreitungsgebietes.

3. LaGt sich tatsachlich innerhdb eines Aufschlusses oder eines engen geographischen Raumes eine Auf- oder Abspaltung nachweisen, so sind folgende Interpretationsmog- lichkeiten gegeben: a. Es handelt sich um genetisch oder um okophhotypisch determinierte sympatrische

Morphen einer Population. b. Zu Beginn der Spaltung hat eine kurze r5umliche Separation stattgefunden, die

nicht nachweisbar ist, die aber f i r die Entstehung der reproduktiven Isolation aus- reichte.

c. Es liegt ein Fall von sympatrischer oder parapatrischer Speziation vor. Es wurde im vorigen Abschnitt bereits darauf hingewiesen, da8 das gSf3te Problem beim Verfolgen von Lineages durch ein stratigraphisches Profil die geographische Kontrolle ist, da die beobachteten Ereignisse, die wie Evolution am Ort aussehen, in Wirklichkeit nur Ver- schiebungen von Klinen zu sein brauchen. Dies ist zweifellos ein entscheidendes Problem bei den zahlreichen Beispielen von Lineages von benthonischen Foraminiferen, die von BEWENSTAEDT und Mitarbeitern erarbeitet wurden (ALBERS 1952; BARTENSTEIN und BETTENSTAEDT 1962; BEITENSTAEDT 1952; GRABERT 1959; HILTERMANN und KOCH 1950; MICHAEL 1966; ZEDLER 1960,1961) und von BEITENSTAEDT (1958,1962,1968,1973,1979) wiederholt zusammengefafit und kommentiert wurden. Die erarbeiteten Beispiele stammen alle aus der Kreide von Norddeutschland. Es wurden jeweils in relativ enger stratigraphi- scher Abfolge Proben genommen und die Verkderung der Lineage in der Zeit durch Univariat-Analysen dokumentiert. Trotz der angedeuteten Probleme sind die in Nord- deutschland erarbeiteten Beispiele sehr wichtig und verdienen es, kritisch neu interpretiert zu werden. Es genugt nicht, sie in Bausch und Bogen abzulehnen, mit der Begriindung, BETTENSTAEDT gehe vom Paradigma linearer Trends aus. ,,At best, a gradualistic bias leads to no obvious error but only to the neglect of important evidence for stasis. English-speaking paleontologists have rarely approached the zed of some continental workers who regard deflections from linear trends ,irregularities in the course of development' (,Unregelma&g- keiten im Entwicklungsablauf', BEITENSTAEDT 1962, S. 407)" (GOULD und ELDREDGE 1977, S. 118). Die Beispiele von BETTENSTAEDT bleiben wichtig, auch wenn er sein Konzept der Selektionstheorie nicht scharf genug von der Idee der intern gesteuerten Orthogenesen trennt (1979, S . 294).

1. Morphologische Konstanz 2. Kontinuiediche Arturnwandlung. Sie kann infra- oder transspezifisch ansetzen. Dieser

Grundvorgang jeder Artbildung ist auch in den anderen noch zu erlauternden Evolu- tionsmodi enthalten.

3. Abspaltung eines Seitenzweiges von einer morphologisch gleichbleibenden Stammlinie durch riumliche Absonderung kleiner Teilpopulationen. Aufspaltung eines Taxons in zwei morphologisch divergierende Xste.

BETTENSTAEDT (1979) fand mehrere verschiedene ,Evolutionsfiguren' (S. 292) :

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Attubgrenznng nnd d u s Konzept der evo1ution;iren Art in der Pukontologie 279

4. Die Differenzierung beschreibt die Auflosung eines extrem groben Variantenbestandes einer Art in mehrere Arten mit geringen Variationsbreiten. (Die Liste ist wortlich, aber gekiirzt entnommen aus B E ~ N S T A E D T 1979, S. 292).

Der von BEITENSTAEDT als Differenzierung bezeichnete Modus stimmt mit SYLVESTER- BRADLEYS (1977) Konzept der ,Reticulate Speciation' weitgehend iiberein.

Das komplizierteste Beispiel aus der BmmmDT-Schde sind die phylogenetischen Untersu- chungen von GRABERT (1959) an den benthonischen Foraminiferen Gundtyinu und Spiroplectinuta, besonders aus dem nordwestdeutschen Apt und Alb. Die Untersuchungen uberspannen eine Zeitraum von etwa 7 Millionen Jahren. Ausgewertet wurden 57 Proben aus 10 Fundorten Nordwestdeuuchlands (vorwiegend Erdolbohrungen) und Proben aus Oberiistemich, aus insgesamt 22 stratigraphischen Niveaus. Als abwandelndes Merkmal liegt den Untersuchungen die Kammerzahl des biserialen Stadiums zugrunde. (Andere Merkmde wurden nicht ausgewertet.) GRABERT geht von 5 Arten aus, die morphologisch ( ologisch) diagnostiziert werden, und versucht durch Univariatuntersuchungen (Kammerzahl deziserialen Stadiums) die Ph logenie der Arten zu verfolgen. Die Ausgangsart ist Gundryinu diwidens. Von dieser spaltet sich (of.!kichtlich durch kurkzeitige riumliche Separation) die Art Spiropkcrinata lata ab. (Dividens und lata unterscheiden sich so stark, dai3 sie in 2 verschiedene Gamngen genellt werden.) Sp. lata wiedem spaltet sich in die Arten Sp. annectens, Sp. mmplanuta und Sp. bettenstaedti auf. In der Darstellung von BETIZNSTAEDT (1979, S. 293) hybridisiert G. dividens sogarmit Sp. lata vor der Aufspaltung (,Differenderung' in BEI~ENSTAEDS Tenninologie) in die 3 Folge- m. GRABERT stellt diese Ereignisse in einer stratigraphisch angeordneten Sene von Univariat- darstellungen dar. Die Ergebnisse von GRABERT sind jedoch sehr schwer zu inte retieren. Die Zahl der Proben (22 Niveaus in 7 Millionen Jahren) ist relativ gering. Die ausschlie8che Verwendung der Kammerzahl des biserialen Stadiums ist nicht eeignet, die (vorher morphologisch diagnostizierten Arten) im Diagramm zu trennen. Vielmehr uberfappen ihre Spektren erheblich. Die geringe geographi- sche Kontrolle, die verfiigbar ist, geht nicht in das Diagramm ein. Das Diagramm zeigt deutlich (z. T. einsinnige) Trends innerbulb der einzelnen Arten. Weder Artgrenzen noch Aufspaltungsereignisse gehen deutlich aus dem Diagramm hervor. Die gegenseidge Verwandtschaft der Arten ergibt sich in erster Linie aus ihrer strati raphischen Verbreitung und erst sekundar aus der biometrischen Unter- suchung. Als weiteres Probfem fur diese und fiir zahlreiche andere Untersuchungen kommt hinzu, dai3 bisher nur sehr wenig iiber klinale und okophhotypische Variation, Polymorphismus etc. bei Forami- niferen bekannt ist (vgl. LUTZE 1962, 1964).

Wie in dem Beispiel der Insel Kos (WILLMA" 1981, s. 0.) gezeigt wurde, ist in Siibwas- serseen oft eine gute regionale Kontrolle gegeben. Der Nachteil ist, dab Siibwasserseen nur iiber geologisch relativ kurze Zeiten existieren. WILLIAMSON (1981 a, b) untersuchte Siib- wassermollusken im Turkana-Becken (Kenia). Das mehrere 100 m dicke Profil umfabt den Zeitraum von 4,5 Millionen Jahren B. P. bis zum Holoziin. Aus insgesamt 92 stratigraphi- schen Niveaus werden Proben entnornmen. Die Liicken zwischen einzelnen Proben sind allerdings nicht unerheblich. Insgesamt werden 13 Lineages untersucht, die zu Prosobran- chiern, Pulmonaten und Bivalven der verschiedensten Gattungen gehoren. Alle Lineages zeigen (nach nur z. T. publizierten biometrischen Untersuchungen) ein deutlich ausge- p-es Stasisverhalten, das nur durch sprunghafte Punktuationen (Umbildungen in der Lineage oder Abzweigung von Tochterarten, die aus RancZisolaten hervorgingen) unter- brochen wird. WILLIAMSON interpretiert folglich auch sein Resultat als das erste vollstiindig dokumentierte Beispiel f i r Punctuated Equilibria. E k e Beurteilung der Resultate ist noch sehr schwer, da die biometrischen Daten nicht vollstiindig publiziert sind. Auffidlig ist jedoch, dab die meisten Punktuationen (Umbildungen), die WILLIAMSON findet, an Tuff- lagen und Schichtliicken gebunden sind. (Die Tufflagen selbst konnen im Zusammenhang mit Schichtliicken stehen.) Spontane Umbildungen werden also wohl z. T. nur durch den Sedimentationsbericht vorgetauscht. Anders ist es mit den Abspaltungen. Dadurch, dab von keiner Gattung mehr als eine Art (mit nur einer Ausnahme) im unteren Bereich des Profils vorkommt, ist es relativ leicht, neu hinzukommende Arten als Abspaltungsprodukte bestimmter Mutterarten zu identifizieren. WILLIAMSON zieht keine taxonomische Konse- quenz aus seinen Ergebnissen. Nach seiner Darstellung (1981 a, Fig. 4) miibte es jedoch leicht sein, alle Formen warend ihrer Stasis-Phasen objektiv als Arten zu diagnostizieren. Eine kladistische Artfassung wZre dagegen sehr schwierig.

Das wohl komplizierteste Beispiel der Evolution in einem Siibwassersee bietet das

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Steinheimer Becken (Schwabische Alb; Durchmesser 3,s km; Alter 14,9 Millionen Jahre; Dauer des Sees vermutlich einige Hundemausend Jahre). Der See entstand durch einen Me- teoriteneinschlag. Die Evolution der Pulmonaten, dokumentiert durch die Seesedimente, wurde zum erstenmal durch HILGENDORP (1863; vgl. MENSINK 1967 und REIP 1983 a, b) untersucht. Neben anderen Schnecken wurde der See von Gyrauhs kleini besiedelt. k 1adt sich nachweisen, dad die Evolution von G. kleini in Steinheim vollkommen endemisch ver- lief. Es sind warend der Seegeschichte weder Artem ausgewandert noch eingewandert. Die Sedimentation war relativ kontinuierlich, bis der See austrocknete oder leerlief.

Die G. kleini-Lineage spaltet sich in 3 h e (Hauptast und 2 Seitenbte) auf. Ein Hauptast und ein Seitenast bdden wiederum insgesamt 8 Seitenzweige aus. Hinzu kommt, da5 in Haupt- und Seitenbten rasche kontinuierliche Umbildungen zu beobachten sind. Phasen der Stasis wurden nur in ganz unter- geordnetem M& gefunden (HILGENDORP 1879, zitiert in REIP 1983 a). Von allen Bearbeitem seit 1863 wurden phylogenetische Diagramme zusammengestellt, die a d morphologischer Khnlichkeit und auf straagraphischer Verbreitung beruhen. Je nach Bearbeiter wurden bis zu 20 Morphen unterschieden, die, wiederum abhbgig vom Bearbeiter, den Rang von Arten, U n t e m n oder Rassen (,Varie&en') erhielten. Bis zu 6 Morphen aus den verschiedenen Zweigen kommen synchron vor. Alle Morphen kommen aus wenigen nahe beieinanderliegenden Aufschlksen, miissen also in jedem Fall als sympa- trisch angesehen werden. Die friiher viel vertretene Ansicht, da13 es sich bei avlw kkini um eine extrem polymorphe Art mit a u s g e p w r Okophbotypie handelt, wurde in an T e r a Zusammenhang widerlegt (REIP 1983 b). Vielmehr mu13 angenommen werden, da5 die Art einem evolutiven Wandel unterlag, der sich sowohl in Aufspaltung in reproduktiv isolierte, sym amsche Einheiten als auch in einem mchen Formenwandel innerhalb von Lineages Pulkrte. Nach Ier bisherigen Datenlage ist es nicht moglich, ekes der evolutioniiren Artkonzepte auf die Taxonomie dieser Schnecken anzuwenden, um die bisheri e Einteilung nach Morphotypen zu ersetzen. Auch MENSINK (1967 und im Druck) geht von typologis& konzipierten Arten aus (nur innerhalb des Hau tastes; die Seitenbte bleiben unberiick- sichtigt), um mit Hilfe von Univariat-Untersuchungen die Au!einanderfolge von Arcen zu dokumen- tieren, wobei sich nach seiner Auffassung die Arten z. T. zeitlich erheblich iiberlappen. Bisher wurden keine Untersuchungen durchgefiihrt, urn zu p d e n , ob die einzelnen Morphen doch ein Stasis- verhalten zeigen (die Andeutung von HILGENDORP 1879 ist relativ schwach und u. U. zirkular). Die Seitenhte sind oft so kurzlebig, dai3 es nicht moglich ist, zu sagen, ob es sich tatskhlich urn reproduktiv isolierte Arten und nicht doch nur um kunlebige Standortrassen in separierten Mikrohabitaten handelt. Es ist nicht moglich, festzustellen, ob die Artabspaltungen im See sympamsch oder durch Rand- isolate stadanden.

Bei fossilen Siidwassexmollusken reicht es aus, eine regionale Kontrolle im See und eine Ubersicht uber die benachbarten Seen zu haben, um die endemische Evolution detailliert zu verfolgen und Umbildungs- und Aufspaltungsereignisse zu dokumentieren. Landorganis- men sind i. d. R. zu selten fiir eine regionale Kontrolle selbst innerhalb einer biogeogra- phischen Einheit. Bei marinen Organismen benotigt man dagegen, wenigstens theoretisch, eine weltweite Kontrolle. Die weltweit vorhandenen Tiefseebohrungen bieten tatsachlich bereits diese Kontrollmoglichkeiten. Bis zuriick zum spaten Miozb radt sich die Evolution planktonischer Mikrofossilien, die ein ausreichendes Fossilisadompotential haben, voll- stkdig dokumentieren, d. h. bezogen auf den Zeitpunkt der einzelnen Ereignisse und be- zogen auf den Wasserkorper, in dem die Ereignisse stattfanden. Die Moglichkeiten, die diese Bohrkerne aus der Tiefsee bieten, sind bisher nur zum kleinen Teil genutzt. PROTHERO und LAZARUS (1980) zeigen aber an einem konkreten Beispiel (nach Daten von HAYS 1970), welche Moglichkeiten dieser Ted des Fossilberichtes bietet.

Die Radiolarienart E~~cyrtidium calvertense ist weltweit im Pliozh und Pleistozh verbreitet (also etwa 5 Millionen Jahre B. P. bis zur Ge enwart . Vor etwa 1.7 Millionen Jahren zweigre von dieser Art E. matrcyumui ab, die auf den N o r d p d i k besckrkkt war und vor 1 Million Jahren ausstub. Univariat- analysen (einziges untersuchtes Merkmal: Gehausegrolk) zeigen, da5 die Mutte opulation (E. calver- tense) ihr Gehause-Griii3enspektrum im Zusammenhang mit der S altung einsr&inkt und verschiebt (Verschiebung des Medians zu kleineren Griilkn). E. matwyumui Eat sigdikant gdlkre Gehause als E. caleertense. Nach dem Abs altungsereignis verfallen beide Arten in eine Stasisphase; ihre Gehause- grofk veriindert sich fortan nictt rnehr. Wiederum stellt sich die Frage nach der biologisch sinnvollsten Artabgrenzung. Die von den Bearbeitem angewendete Ab renzung eschieht nach Abb. 2 c, geht also vom Fortleben der Stammart aus. Allerdings ware hier auca die Auffassung vertretbar, da5 es sich um eine Aufs altung mit 2 Tochterarten handelt. Nach den vorliegenden Daten waren Schichtpopulationen von E. cakertmse vor und nach dem Ereignis statistisch voneinander unterscheidbar.

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Artabgrenzung m d das Konzept der evolutionaren Art in der Palliontologie 28 1

6 Schlui3folgerungen

Es sind mehrere Griinde, weswegen sich die Diskussion des Artproblems zu einem beinahe endlosen Thema entwickelt hat. Einerseits wird oft nicht scharf genug unterschieden zwi- schen: 1. der Entwicklung eines Artkonzeptes, 2. der Diagnose konkreter Arten, 3. der Klassifikation von Arten und 4. der Entwicklung einer Speziationstheorie. Andererseits ist es sehr schwer, die Bediirfnisse der Taxonomie in Einklang zu bringen mit den Tatsachen, daf3 konkrete Arten meist nur durch Hilfskriterien abgegrenzt werden konnen und dad Arten oft nicht scharf abgrenzbar sind, weil die Artbildung ein lang andauemder Prozed sein kann, weil es verschiedene Artbildungsmodi gibt und weil es alle Ubergange zwischen geo- graphischen Rassen, Semispezies, Spezies und Superspezies gibt. Gerade bei Pflanzen schei- nen Superspezies (morphologisch und physiologisch abgetrennte Populationen, die unter- einander einen stark eingeschriinkten Genaustausch haben) eine grof3e Rolle zu spielen (vgl. Beitrag EHRENDORFER).

Die Annahme, daf3 es moglich ist, nicht nur ein Biospezies-Konzept, sondem sogar ein umfassendes Konzept einer evolutionaren Spezies zu entwickeln, stamrrit urspriinglich ausschlieiJlich von Taxonomen, die daran interessiert waren, den zeitlichen Beginn und das zeitliche Ende einer Art objektiv festzulegen. Wie oben dargestellt, unterscheiden sich die verschiedenen Konzepte der evolutionaren Art (Abb. 2) nicht unerheblich. Es lied sich also kein Konsens dariiber finden, welche Ereignisse zum Beginn und zum Ende einer Art fuhren. Daf3 Spaltungsereignisse zur Vermehrung von Arten fiihren, ist trivial und reicht als Kriterium nicht aus. Neben der Frage nach der eindeutigen Formulierung eines evolutio- naren Artkonzeptes stellt sich aber auch die Frage nach der Anwendbarkeit eines solchen Konzeptes. Die Anwendbarkeit des Biospezies-Konzeptes ist durch die Hilfskriterien klar formulierbar und, wenigstens theoretisch, sogar testbar. Dies trifft fur die Anwendbarkeit des Konzeptes der evolutionaren Art auf den Fossilbericht eindeutig nicht zu. RAUP und CRICK ( 198 1, S. 2 14) sagen am SchluS ihrer Neuuntersuchung der Kosmoceras-Lineages : ,,It may be that the most important lesson to be learned from this study is that even under nearly ideal conditions, fundamental questions about microevolutionary process cannot ordinarily be answered from the fossil record. Definitive answers to these questions may require yet better data and larger statistical samples than are available for Kosmoceras. It may be that truely adequate conditions exist only in the micropaleontological record of the late Cenozoic." (Die marinen Plankton-Organismen der letzten 10 bis 15 Millionen Jahre stellen natiirlich nur einen winzigen, wenn auch wichtigen Teil des gesamten Fossilberichtes dar) .

Was RAUP und CRICK iiber ,microevolutionary process' sagen, trifft genau den hier angeschnittenen Punkt. Die Aufhellung der mikroevolutionaren Ereignisse und die Abgren- zung von Arten stehen in einer Wechselbeziehung. Arten lassen sich nur dann objektiv abgrenzen, wenn die mikroevolutionZren Prozesse bekannt sind. Auf der anderen Seite lassen sich die mikroevolutionaren Ereignisse nur dam darstellen, wenn es objektive Art- abgrenzungskriterien gibt. (Mit der Verwendung des Begriffes mikroevolutionar ist hier keine Befiirwortung der Dichotomie Mikrowolution - Makroevolution, etwa im Sinne von STANLEY 1979, verbunden.) Selbst bei guter Datenlage wird es keine Moglichkeit geben, zu einer objektiven Artabgrenzung zu kommen. Vielmehr werden die Bearbeiter entweder die Veriinderung der evolutiven Tendenz oder ein (rekonstruiertes) Abspaltungsereignis oder ein (rekonstruiertes) Aufspaltungsereignis als entscheidendes Kriterium ansehen. Bei weniger guten Daten ist man a d Spekulationen uber die mikroevolutionaren Prozesse ange- wiesen. Bei normaler Datenlage, und dies ist bei weitem die Mehnahl der F a e , ist eineprag- matische Artabgrenzung nach morphologischen oder stratigraphischen Gesichtspunkten unumganglich, wobei statistisch-biometrische Untersuchungen nur unterstiitzende Funk- tion haben, aber keine Abgrenzungskriterien liefem (Abb. 1).

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Alle Interpretationen des Fossilberichts a d dem Artniveau (Untersuchung der Lebens- dauer von Anen, Diversitatsuntersuchungen, Ermittlung der Verwandtschaft von Arten etc.) sind daher immer mit einer erheblichen Unsicherheit behaftet, die sich auch durch noch so konsequente Methodologie nicht beheben lafit.

Zusammenfassung

Zahlreiche Autoren haben betont, da5 ,evolutionk Arten‘ objektive Einheiten im EvolutionsprozeS seien. Sie haben Artkonzepte formuliert, die solche Einheit.cn buchreiben und die als die Basis fiir die Identifikation konkreter evolutionkr Arten angesehen werden. Die verschiedenen Artkonzepte konnen jedoch in drei verschiedene Gruppen eingeteilt werden, je nachdern welche Betonun sie legen auf 1. Amransfonnation, 2. Aufspaltung von Arten und 3. Abzweigen neuer Arten. Es wirfgefolgen a. daL3 keines der vorgeschlagenen Konzepte objektive Kriterien f i r die Diagnose evolutionhr Arten liefert, und b. dad der Fossllbericht praktiich nie fur die direkte Anwendung von Artabgrenzungs- kriterien ausreicht.

Summary

Species-delimination and the concept of the evolutionary species in Palaeontology Several authors have claimed that ‘evolutionary species’ are objective entities in the evolutionary process. They have formulated species concepts which describe such entities and which are seen as the basis for the idendfcation of concrete evolutionary s ecies. However, the different species concepts can be grouped into three different classes according to i e different emphasis they put on: 1. species trans- formation, 2. splitting of species and 3. branching-off of new species. It is concluded: a. none of the proposed concepts leads to objective criteria for the diagnosis of evolutionary species and b. the fossil record is almost nowhere sufficient for the direct application of species-delimiting criteria.

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Ansch~ifi des Verfasers: Dr. WOLP-ERNST REIP, Institut und Museum fiir Geologie und Palaonto- logie, SigwartsuaiSe 10, D-7400 Tiibmgen 1

BUCHBESPRECHUNGEN

POPP, F.-A. : Biologie des Lichts. Grundlagen der ultraschwachen Zellstrahlung. Berlin und Hamburg: Paul Parey 1984. 160 S., 34 Abb., 2 Tab. Glanzkasch. DM 46,-. ISBN

In einer Besprechung des Werkes ,Die mitogenetische Strahlung' von A. G. GURWITSCH und L. D. GURWITSCH durch L E ~ findet sich die Anmerkung, man konne ,,in diesem Buch des Wissenswerte iiber die mitogenetische Strahlung erfahren, falls es eine mitogenetische Strahlung gibt" ( iner t nach Loos, Naturwiss. Rdschau 27, 1974, 108). Diese grun&ititzlichen Zweifel, z. T. auch durch die Methode von GURWITSCH provoziert, die ultraschwachen Strahlen nicht physikalisch, sondem an der Teilungsinduktion bei Hefezellen nachzuweisen, encheinen nach der Lektiire des vorgel en Bandes ,Biologic des Lichts' von F.-A. POPP nicht mehr angebracht. Der Autor, von Hause aus Xysiker, hat selbst an Gurkenkeimlingen diese sehr schwache biologische Strahlun untersucht, eine &gene MeS- methodik mit Photomultiplier entwickelt und s t d t in 17 Kapiteln Ergegbnisse und grundlegende biolo- gische Bedeutung des Phkomens dar. Obwohl von Bakterien bis zum Menschen diese ultraschwache Zellstrahlung im Bereich von 200 bis 800 mm nachgewiesen wurde, ist sie doch besonders intensiv bei Pflanzen untenucht worden, so d d tiersystematische Beziige weitgehend fehlen. Auf hochste An- spriiche beziiglich der biologischen Bedeutung der schwachen Strahlung wird jedoch nicht venichtet. Die Imperfections-Theorie, nach der diese Strahlung nur Abfallprodukt der normalen biochemischen Aktividt der Lebewesen sei, wird zuriickgewiesen und behauptet, dal3 in der Hierarchie der Regulation das elektromagnetische Signal an erster Stelle stehe. Erst riickkoppelnd wiirden biochemische Boten eingesetzt (S. 149). Ein Organismus ,,ist gekennzeichnet als ein System, das elektromagnetische Impulse aufsaugt, speichert und in die Stab&tSt der Struktunerung umsetzt. In gewisser Weise wird die ,&it', die das biologische System als irreversible, thermodynamische Einheit uberhaupt erst wahmehmen kann, gedehnt, im Laufe der Evolution immer mehr in die Lhge gezogen" (S. 140). Dies erinnert an I. PRIGOGINE, nach dem Organismen ihre Entropieproduktion minimieren. Als primare Quelle und Zielort der ultraschwachen Strahlung wird die DNA angesehen, die als Lichnredrker (Laser) wirken SOL Insbesondere das Heterochromatin (die repetitiven Sequenzen der DNA) soll Emitter von Pho- tonen sein, die aber nur in besonderen F a e n nach au5en zu MeSapparaturcn gelangen, noxmalerweise aber vom biologischen Substrat absorbiert werden, wo sie enzymatische VorgSnge, Zellreparaturen, Wachstum und Entwicklung beeinflussen. Es gibt in dem Buch neben iiben enden Darstellungen von Versuchsergebnissen auch vie1 Hypothetisches und Spekulatives. Konnten~ese I d e a in Zukunft durch Resultate gestiitzt werden, so wiirde dem A n ~ p ~ c h geniigt, ,,Wesentliche Prinzipien der biologischen Evolution zu entschlusseln" (S. 7). LAUDIEN, Kiel

3-489-61734-7.