Artikel-Armendienst_Anhaengerprojekt

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  • 7/31/2019 Artikel-Armendienst_Anhaengerprojekt

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    Fahrradanhngerbau mit vier Bewohnern der Vinzi-Nests beimsozialkonomischen Betrieb Bicycle

    Zielsetzung

    Nach Inkrafttreten des steirischen Bettelverbots hat sich die Frage gestellt, wie sich nun die Leuteaus Hostice ber Wasser halten knnen, die zuvor in Graz gebettelt haben. Arbeitsmglichkeitenaller Art permanent oder kurzfristig wurden gesucht. Dabei tauchte auch die Idee eines kleinenFahrradanhnger-Bauprojekts auf, das fr begrenzte Zeit fr einige der Roma aus Hostice einekleine Verdienstmglichkeit bieten wrde.

    Die Grundidee war die, im voraus einige Interessenten fr Fahrrad-Lastenanhnger zu finden, diedann nach Projektende einen Hnger gegen eine freiwillige Spende bernehmen. Das vorrangigeProjektziel war, aus den Spenden- Einnahmen abzglich der Materialkosten eine Untersttzung fr die Familien der Mitarbeiter zu erwirtschaften. Weiter sollte erkundet werden, welche Probleme beieinem derartigen Arbeitsprojekt in der Praxis auftreten zur Beantwortung der Frage, ob es in Graz in

    irgendeiner Weise kontinuierlich gemacht werden kann und ob es sich in entsprechend vernderter Form nach Hostice bertragen lassen wrde.

    Vorarbeiten

    Nachdem die Vinzenzgemeinschaft Eggenberg die Trgerschaft fr das Projekt bernommen hatund der sozialkonomische Betrieb Bicycle freundlicherweise einen Werkstattraum zur Verfgunggestellt hat, war die erste Aufgabe einerseits Interessenten fr die Anhnger zu finden undandrerseits Materialspender und sonstige Sponsoren zu gewinnen. Zur Interessentensuche wurdeeine Internetseite fr das Projekt eingerichtet, ber die sich die Interessenten anmelden konnten.Das hat gut funktioniert und ergab am Ende 24 Zusagen fr die bernahme eines Vinzi-Anhngers.

    Die Sponsorensuche war ebenfalls nach zahlreichen Versuchen am Ende erfolgreich. Es konntenzwar nicht fr alle Bauteile Materialspender gefunden werden, aber doch fr einen namhaften Teil.So hat uns die Firma Kastner & hler Gigasport auerordentlich grozgig bei den Fahrradteilenuntersttzt, weiter sind die Firma Zweirad Neubauer und die Firma Radsport Janger dankbar zuerwhnen. Das Bauholz wurde ebenfalls zu sehr gnstigen Konditionen von der Firma JAFZengerer GmbH zur Verfgung gestellt, die bentigten Schrauben von der Firma Kellner und Kunz.Die Metallteile hat die Firma Grosschdl Stahl gespendet und von Firma Baumax (Essl Foundation)haben wir einen groen Warengutschein erhalten. Weiter gab es kleinere Warengutscheine von denBaumrkten Obi, Bauhaus und dem Lagerhaus Graz Land. Allen Materialspendern wird sehr herzlich gedankt! Ohne ihre Grozgigkeit wre es nicht mglich gewesen, das Projektdurchzufhren.

    Bemerkenswert ist, dass alle Bemhungen, die groen Banken in Graz zu einem Sponsoring zu bewegen, erfolglos waren, obwohl diese Banken alle ein Budget fr die Frderung sozialer Aktivitten besitzen. Verstndlich wird die einhellige Ablehnung einer Frderung mglicherweisedadurch, dass es bei diesem Projekt um Hilfe fr eine mehrfach stigmatisierte Personengruppe geht(Auslnder, Roma und Bettler zugleich). Mit einer Untersttzung dieser Personengruppe sindanscheinend keine ausreichenden Vorteile fr eine Bank im Sinne von Marketing undKundenwerbung verbunden. Wer das als Bankkunde anders sieht, sollte es seiner Bank mitteilen,damit hier ein Umdenken beginnt.

    Durchfhrung

    Nachdem schlielich alles Material bestellt und geliefert war und die finanzielle Lage, d.h. der

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    abgeschtzte Erls fr die Mitarbeiter akzeptabel schien, haben wir nach einer Vorstellung desProjekts im Vinzinest am 16. August mit der Arbeit begonnen. Arpad, Michael, Ernest und Josef waren unsere Mitarbeiter aus Hostice, daneben noch zeitweise die freiwilligen Helfer Jakob undLukas.

    Wegen der doch betrchtlichen Stckzahl war es nicht zweckmig, die Hnger der Reihe nach zu

    bauen.Daher haben wir in der ersten Woche zunchst einmal alle Transportkisten zusammengeleimtund an den Kanten mit Aluprofilwinkeln verstrkt. Weiter haben wir die unbeschichteten Kantenund die Unterseite lackiert, um den Hnger regenfest zu machen. Danach waren sehr vieleStahlrohre, Flachstahl und Winkelprofile zuzuschneiden, eine riesige Arbeit, die wir schlielich -der elektrischen Bandsge sei Dank - geschafft haben.

    Aus dem Rohmaterial mussten dann die Radhalterungen und Deichselrohre mit zwei Biegegertenin die rechte Form gebracht werden. Hier war sehr viel krperlicher Einsatz erforderlich, der trotztropischer Hitze von unseren Mitarbeitern gern erbracht wurde. Die zugeschnittenen, mit dennotwendigen Bohrungen versehenen und verschweiten Einzelteile wurden dann grundiert undzweimal mit der Deckfarbe lackiert. Das wurde im Freien erledigt, wobei wir immer auf der Fluchtvor der Sonne waren, um uns und den Lack vor Schden zu bewahren.

    Weiter waren 48 Reifen zu montieren und ebensoviele Rcklichthalterungen anzufertigen sowie dieReflektoren anzubringen. Danach ging es endlich an den Zusammenbau. Hier mussten wir die Rad-und Deichselhalterungen an der Transportkiste befestigen und die Kupplungen an den Deichselnmontieren. Dann endlich war am Freitag der zweiten Arbeitswoche der erste Anhnger fertiggestellt, der gezogen von einem Styria-Radveteranen seine erste Runde drehen durfte. Danachwurde bis zum Samstag am frhen Nachmittag Hnger um Hnger montiert, so dass wir dann dochin der geplanten Zeit mit allen Arbeiten fertig geworden sind, obwohl es zeitweise nicht danachausgesehen hat. Gott sei Dank - und auch den fleiigen Mitarbeitern, die alle Vorurteile ber dieangeblich arbeitsscheuen Roma widerlegt haben!

    Und nicht nur diese Vorurteile wurden widerlegt. Unerwartet hoch war fr mich auch das Interesseund die Freude der Mitarbeiter an der Arbeit. Viele Ablufe von Arbeitsschritten haben sich erst inder Projektdurchfhrung ergeben, weil wir betreuende Personen ja auch keine Profis im Hngerbauund nur mit durchschnittlichem handwerklichem Geschick gesegnete Menschen waren. Viele praktische Tipps und zweckmige Arbeitsablufe wurden dabei von Arpad und Josef beigesteuert,die mit wachem Verstand und Interesse am Gelingen des Projekts bei der Sache waren.

    Gut fr das prima Arbeitsklima war sicher auch, dass die Mitarbeiter freundschaftlich miteinander verbunden waren, dass wir gemeinsam gekocht und gegessen haben und die Arbeit insgesamt doch

    abwechslungsreich war mit einem sichtbaren Endresultat, das einen klaren Nutzwert hat. Also eineArbeit, der man ihren Sinn noch unmittelbar ansieht, was ja ansonsten nicht immer der Fall ist. Eswurde viel gelacht und gescherzt, was bei solch einer bereichsweise doch recht anstrengendenTtigkeit nicht selbstverstndlich ist. Glcklicherweise konnten alle ein paar Worte Deutsch undArpad sogar sehr gut, sodass wir uns ausreichend miteinander verstndigen konnten.

    In den Arbeitspausen haben wir auch viele Gelegenheiten gehabt, etwas mehr ber dieLebensverhltnisse der Roma in der Slowakei zu erfahren, was uns einerseits deutlich vor Augengefhrt hat, wie gut es uns hier in sterreich geht. Zum andern ist uns auch klarer geworden, wie-viele historische, politische und persnliche Aspekte zur Diskriminierung der Roma und zu dengngigen Vorurteilen beitragen, die sich aber nicht mehr aufrechterhalten lassen, wenn man die

    Menschen nher kennenlernt. Auch wenn man nicht alles verstehen und nachvollziehen kann, wasmit der doch fremden und unterschiedlichen Mentalitt verbunden sein mag, so gewinnt man ausder partiellen Kenntnis der Lebenslufe und der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, unter

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    denen sie sich entwickelt haben, ein differenziertes Bild, das die Menschen mit ihren guten undweniger guten Seiten zeigt. Dann verschwinden die Vorurteile von selbst. Fr diese Erfahrung binich sehr dankbar und ich persnlich denke, dass gemeinsames Arbeiten ein zentraler Punkt fr einMiteinander der verschiedenen Volksgruppen ist. Dabei kann ein jeder seine kulturelle Identitt undVerschiedenheit behalten und erweist sich doch in der Arbeitswelt als gleichwertiger Partner, der dabei nebenher auch als einzelner und einzigartiger Mensch wahrgenommen werden kann.

    Bewertung

    Das Projekt im Speziellen hat aus meiner Sicht zumindest fr die zwei Wochen der Durchfhrungfr alle Beteiligten Sinn gehabt. Auch finanziell ist dank der Material- und Geldspenden von Firmenund privaten Frderern alles gut gelaufen. Eine lngerfristige Perspektive ist allerdings geradedeswegen fraglich. Ohne die verschiedenen Zuschsse wre das Projekt wirtschaftlich nichtdurchfhrbar gewesen oder nur bei viel greren Stckzahlen, die billigere Einkaufsmglichkeitenfr die Rohstoffe ermglichen wrden. Auerdem ist an der Technik der Hnger noch einiges zuverbessern bis sie mit den marktgngigen Ausfhrungen mithalten knnen. Hier waren einigeKompromisse mit den begrenzten handwerklichen, maschinellen und finanziellenRahmenbedingungen erforderlich. Vielleicht kann aber ein besseres und moderneres Konzept in der Zukunft, z.B. in Zusammenarbeit mit der TU Graz erarbeitet werden, wonach man die Frage der Fortsetzung dann noch einmal neu bewerten muss.

    Zum Abschluss noch einmal ein herzliches Dankeschn an Frau Musenbichler und Herrn Faschingvom Vinzihaus fr die bernahme der organisatorischen Belange, an Herrn Kronheim und dieFirma Bicycle fr die berlassung der Trainingswerkstatt sowie an alle Sponsoren und Frderer desProjekts.

    Eberhard v. Berg, im August 2011

    Bilder

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