1
Chemiewirtschaft Österreichs Comeback Johann Pummer Nach dem krisenhaften Jahr 2009 sprang die Konjunktur wieder an, und die Nachfrage nach Chemieprodukten stieg weltweit. Davon profitierte die österreichische chemische Industrie früh. Nach einem steilen Aufschwung in der ersten Jahreshälfte flachte sich die Konjunkturkurve zwar etwas ab, das Jahr 2010 weist aber ein Produk- tionswertplus von 16 % auf, der höchste Anstieg seit zehn Jahren. Licht und Schatten Jene Sparten, die in der Krise am meisten litten, profitierten auch am meisten vom Aufschwung. Zweistel- lige Wachstumsraten sind dabei vor- herrschend. Spitzenreiter sind die Agrochemikalien mit 66 % Plus, ge- folgt von Kunststoffrohstoffen mit 33 %, anorganischen und organi- schen Chemikalien mit 24 % bzw. 22 %. Weiter weisen Industriegase, Anstrichmittel, Chemiefasern und technische Kunststoffwaren zwei- stellige Zuwachsraten auf. Ebenfalls im Plus, aber nicht im selben Ausmaß, entwickelten sich pharmazeutische Spezialitäten, Wasch- und Reinigungsmittel sowie Kunststoffhalbzeuge und -ver- packungen. Baubedarf aus Kunst- stoffen stagnierte. Hier war die Nachfrage aus der Renovierung im Hochbau zwar zufriedenstellend, Tiefbauprojekte litten aber an den Finanzproblemen der Kommunen. Insgesamt beläuft sich der Pro- duktionswert der österreichischen Chemie 2010 auf 14,2 Mrd. Euro und erreicht damit das Vorjahres-Niveau. Die gestiegene Nachfrage im Jahr 2010 trieb allerdings die Vormateri- alkosten auf neue Höhen. Die Mar- gen gerieten damit unter Druck. Engpässe bei der Rohstoffversor- gung ließen ein noch höheres Ab- satzwachstum nicht zu. Gut ausgeführt Die Ausfuhren an Chemiewaren stiegen im Jahr 2010 um 16,7 % auf 17,6 Mrd. Euro. Vor allem die Nach- frage aus Deutschland, dem größten Handelspartner, und aus Frankreich stimulierte das Geschäft. Auch die mittel- und osteuropäischen Länder fragten verstärkt Chemiewaren aus Österreich nach. Die Exporte nach China, der neuntwichtigsten Aus- fuhrdestination, legte um 40 % zu, je- ne nach Brasilien, dem wichtigsten Handelspartner in Südamerika, um 54 %. Mit + 11 % stechen die Ausfuh- ren in die USA (Rang 6 unter den Handelspartnern) nicht hervor (Ab- bildung). Die wichtigsten Ausfuhrgüter sind pharmazeutische Spezialitäten (5,9 Mrd. Euro, + 12 %), Kunststoff- waren (3,1 Mrd. Euro, + 17 %), Kunststoffe (1,6 Mrd. Euro, + 34 %), gefolgt von Chemiefasern, anorgani- schen und organischen Chemikalien sowie Kautschukwaren. Den 17,6 Mrd. Euro an Ausfuhren stehen 17,1 Mrd. für Einfuhren gegenüber (+ 17,9 %). Die österreichische Che- mie weist so wieder eine positive Handelsbilanz auf. Die Mitarbeiterzahl betrug im De- zember 41 700, etwa 1000 mehr als im Dezember des Vorjahrs. Im Jahr 2009 hatte die Industrie die Investitionen zurückgefahren. Nur die notwendigsten Maßnahmen wurden vorgenommen. Auch im Jahr 2010 agierte man noch vorsichtig. Für 2011 ist aber eine Ausweitung der Investitionsvolumina geplant. In diesem Jahr schlägt die che- mische Industrie den Weg zu neuen Höchstständen ein, Rekordzuwachs- raten sind aber nicht zu erwarten, denn der Wachstumspfad wird sich abflachen. Die Ertragssituation könn- te sich durch Ausgaben verschlech- tern, die im Jahr 2010 aufgeschoben worden waren. Der promovierte Chemiker Johann Pummer ist stellvertretender Geschäftsführer des Fachver- bands der Chemischen Industrie Österreichs. 0 2 4 6 8 10 14 Asien Amerika Efta EU [Mrd. Euro] Beim Außenhandel Österreichs lagen im Jahr 2010 europäische Handelspartner vorn. Blau: Einfuhr, grün: Ausfuhr; Efta: Norwegen, Liechtenstein, Schweiz.. Nachrichten aus der Chemie | 59 | Mai 2011 | www.gdch.de/nachrichten 537

Ãsterreichs Comeback

  • Upload
    johann

  • View
    212

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Ãsterreichs Comeback

�Chemiewirtschaft�

Österreichs Comeback

Johann Pummer

Nach dem krisenhaften Jahr 2009 sprang die Konjunktur wieder an, und die Nachfrage nach

Chemieprodukten stieg weltweit. Davon profitierte die österreichische chemische Industrie früh.

� Nach einem steilen Aufschwung in der ersten Jahreshälfte flachte sich die Konjunkturkurve zwar etwas ab, das Jahr 2010 weist aber ein Produk-tionswertplus von 16 % auf, der höchste Anstieg seit zehn Jahren.

Licht und Schatten

� Jene Sparten, die in der Krise am meisten litten, profitierten auch am meisten vom Aufschwung. Zweistel-lige Wachstumsraten sind dabei vor-herrschend. Spitzenreiter sind die Agrochemikalien mit 66 % Plus, ge-folgt von Kunststoffrohstoffen mit 33 %, anorganischen und organi-schen Chemikalien mit 24 % bzw. 22 %. Weiter weisen Industriegase, Anstrichmittel, Chemiefasern und technische Kunststoffwaren zwei-stellige Zuwachsraten auf.

Ebenfalls im Plus, aber nicht im selben Ausmaß, entwickelten sich pharmazeutische Spezialitäten, Wasch- und Reinigungsmittel sowie Kunststoffhalbzeuge und -ver-packungen. Baubedarf aus Kunst-stoffen stagnierte. Hier war die Nachfrage aus der Renovierung im Hochbau zwar zufriedenstellend, Tiefbauprojekte litten aber an den Finanzproblemen der Kommunen.

Insgesamt beläuft sich der Pro-duktionswert der österreichischen Chemie 2010 auf 14,2 Mrd. Euro und erreicht damit das Vorjahres-Niveau.

Die gestiegene Nachfrage im Jahr 2010 trieb allerdings die Vormateri-alkosten auf neue Höhen. Die Mar-gen gerieten damit unter Druck.

Engpässe bei der Rohstoffversor-gung ließen ein noch höheres Ab-satzwachstum nicht zu.

Gut ausgeführt

� Die Ausfuhren an Chemiewaren stiegen im Jahr 2010 um 16,7 % auf 17,6 Mrd. Euro. Vor allem die Nach-frage aus Deutschland, dem größten Handelspartner, und aus Frankreich stimulierte das Geschäft. Auch die mittel- und osteuropäischen Länder fragten verstärkt Chemiewaren aus Österreich nach. Die Exporte nach China, der neuntwichtigsten Aus-fuhrdestination, legte um 40 % zu, je-ne nach Brasilien, dem wichtigsten Handelspartner in Südamerika, um 54 %. Mit + 11 % stechen die Ausfuh-ren in die USA (Rang 6 unter den Handelspartnern) nicht hervor (Ab-bildung).

Die wichtigsten Ausfuhrgüter sind pharmazeutische Spezialitäten (5,9 Mrd. Euro, + 12 %), Kunststoff-waren (3,1 Mrd. Euro, + 17 %), Kunststoffe (1,6 Mrd. Euro, + 34 %), gefolgt von Chemiefasern, anorgani-schen und organischen Chemikalien sowie Kautschukwaren. Den 17,6 Mrd. Euro an Ausfuhren stehen 17,1 Mrd. für Einfuhren gegenüber (+ 17,9 %). Die österreichische Che-mie weist so wieder eine positive Handelsbilanz auf.

Die Mitarbeiterzahl betrug im De-zember 41 700, etwa 1000 mehr als im Dezember des Vorjahrs.

Im Jahr 2009 hatte die Industrie die Investitionen zurückgefahren.

Nur die notwendigsten Maßnahmen wurden vorgenommen. Auch im Jahr 2010 agierte man noch vorsichtig. Für 2011 ist aber eine Ausweitung der Investitionsvolumina geplant.

In diesem Jahr schlägt die che-mische Industrie den Weg zu neuen Höchstständen ein, Rekordzuwachs-raten sind aber nicht zu erwarten, denn der Wachstumspfad wird sich abflachen. Die Ertragssituation könn-te sich durch Ausgaben verschlech-tern, die im Jahr 2010 aufgeschoben worden waren.

Der promovierte Chemiker Johann Pummer ist

stellvertretender Geschäftsführer des Fachver-

bands der Chemischen Industrie Österreichs.

0

2

4

6

8

10

12

14

Asien Amerika Efta EU

[Mrd. Euro]

Beim Außenhandel Österreichs lagen im Jahr 2010

europäische Handelspartner vorn. Blau: Einfuhr, grün:

Ausfuhr; Efta: Norwegen, Liechtenstein, Schweiz..

Nachrichten aus der Chemie | 59 | Mai 2011 | www.gdch.de/nachrichten

537